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Killerspiele die 42. Killerspiele, medien, Moral, Sinn?

Autor:  Eru-Jiyuka
Eigentlich mag ich das Thema ja nicht mehr (es ist zu genüge durchgekaut...) aber die neuste Folge von „Gameone“ ( http://gameone.de/tv/114 ; zu 09:06 vorspulen) hat mich zugegebenermassen erschüttert. Dies jedoch gerade nicht, weil besonders verwerfliche Spielinhalte gezeigt wurden, sondern weil allen ernstes versucht(!) wurde, sich selbst dafür zu rechtfertigen, was Entwickler entworfen haben und warum eben dieses schlecht sein/wirken müsse.
(Kurz einer dieser Moralrunden, die das L. Nicht ausstehen kann...)

Das wirkte auf mich nicht nur deplatziert sondern auch vollständig unglaubwürdig. Gerade das Argument „wenn man wieder mal einen Amoklauf hat und natürlich bei dem Jugendlichen dieses Spiel findet, dass die Leute dann fragen, Hey da ist der Amoklauf, der der gespielt hat, erklär mir, warum das nicht direkt zusammen hängt... ...Es ist objektiv nicht nachgewiesen, aber wir haben Erklärungsnot“ (Zitat, Stil etwas verändert und verkürzt) Verwundert mich doch sehr. Erklärungsnot, besser die Pflicht etwas zu rechtfertigen, kann nur jemand oder etwas haben, dass sich auf irgendeine Weise krass falsch verhält. Auf das Corpus Delicti angewandt müsste dies nun bedeuten, dass das Spiel[1] einen besonders verwerflichen (grausamen) Inhalt hat, der in dieser Form neuartig ist und der zudem die bisherigen nicht-indizierten Spiele um weiten übertrifft.

Kurz den Spielverhalt zusammengefasst: Es ist eine Gruppe Terorristen zu sehen, die (an einem Flughafen) Zivilisten erschiessen. Ist dies nun besonders grausam? Der Terminus <<besonders grausam>> kommt etwa in Art. 10 BV[2] vor, der Folter dieser Bezeichnung gleichstellt. KOLLER[3] führt dazu auf S. 363ff. aus: „Soll das Merkmal <<grausam>> nicht inhaltsleer dastehen, ist damit eine Gewalttätigkeit von erheblicher Schwere gemeint. M.a.W. Sind Gewalttätigkeiten dann [besonders] grausam, wenn sie nach ihrer Intensität, Dauer oder Wiederholung als ein besonders schwerer Eingriff in Körper und Seele des gewalterfahrenden Opfers erscheinen. Zugefügte Schmerzen und Leiden müssen massiv sein.“

Stark vereinfacht geht es folglich nicht darum was einer (virtuellen) Person zugefügt wird sondern wie dies geschieht. Ähnlich wie der Mord dem vorsätzlichen Totschlag einer Qualifizierung bedarf – die sogenannten niederen Beweggründe – bedarf auch die <<besonders grausame>> Handlung gegenüber der einfachen Gewaltdarstellung einer Steigerung. So ist nicht bereits dadurch eine <<besonders grausame>> Darstellung gegeben, dass das gewalterfahrende (fiktive) Opfer in der Folge stirbt, sondern dies muss auf ein gewisse – eben grausame – Weise geschehen. In der Rechtsprechung wurde etwa die Darstellung der Ermordung eines Polizisten durch Abschlagen von Extremitäten und Aufschlitzen des Bauches mittels Axt und gleichzeitigen (nicht sexuellen) Schändung der baldigen Leiche als <<besonders grausam>> und strafbar im Sinne des Art.135 StGB erkannt.[4] In einem anderen Fall entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Kombination aus Sadismus, herausquellenden Gedärmen und das Verweilen auf schmerzverzerrten Gesichtern eine grausame Gewaltdarstellung ist.[5]

Die grausame gewalttätige Darstellung muss zwar nicht zwangsläufig den Tod des „Opfers“[6]abbilden, es bedarf jedoch zumindest folterähnliche Handlungen. In casu ist dies zu verneinen, denn das töten von Personen mittels Schusswaffen – wenn dies auch wahllos und auf Zivilisten erfolgt – ist klar erkennbar keine folterähnliche Handlung, da bei Tötung mittels Schusswaffen i.d.R. Keine massiven Schmerzen und Leiden erfolgen. [VORSICHT MORAL] Zweifellos ist eine einfache Verwerflichkeit des Inhalts bereits dadurch gegeben, dass Personen sterben. Die Höhe der Verwerflichkeit eines Inhalts wird i.d.R durch die Todesart, den Realitätsgrad sowie der Sympathie zum Opfer bestimmt. Nachdem bereits nachgewiesen wurde, dass die Todesart nicht gesondert grausam ist, und der Realitätsgrad zudem im Durchschnitt aktueller Computerspiele liegt, verbleibt folglich nur noch durch die Art der Opfer – hier Zivilisten - als Faktor. Dies mag zuerst erschauern, wird jedoch dadurch wieder relativiert, dass die Tötung von Zivilisten seitens des Spielers zum sofortigen Abbruch der Mission führt, sodass zumindest in dieser Hinsicht eine Beeinträchtigung des Spielers eher nicht zu erwarten ist. (Wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass dieses Feature erst aufgrund der Prüfung der USK[7] implantiert wurde. Gleichwohl gibt es meines Wissens nach auch in der Originalversion keinen Anreiz (etwa in Form von mehr Punkten) Zivilisten zu töten)[/MORAL]

Wenngleich die Möglichkeit, Zivilisten zu töten auf den ersten Blick neuartig dünkt, so ist dies ein Trugschluss. So gibt es etwa schon seit Jahren beispielsweise in der Gothic-, Theelderscrols- oder Grandtheftauto-Serie möglich, jede beliebige Person (NPC) anzugreiffen, darunter auch solche, die keinem feindlichen Lager/Gang/wasauchimmer angehören. Seltsamerweise wurde dass i.d.R von den Kritikern gerade nicht als Kritikpunkt angesehen, sondern brachte eher Lob für <<realistisches Spielgefühl>>,<<offene Weltprinzip>>, <<dem Spieler die Entscheidung überlassen>> ein. Auch der Auffassung, es sei neu, dass dem Spieler die Entscheidung abgenommen werde, Zivilisten zu verschonen, indem in besagtem Abschnitt unabhängig von dem Willen des Spieles geschossen wird, kann nicht gefolgt werden, da es sich hier lediglich um ein altes Prinzip in neuer Gestalt handelt: der Zwischensequenz

Ich verweise hier mal auf FinalFantasy VII – aber nicht auf Aeris, wie man nun vielleicht denken könnte – nein, ich spiele auf den Teil zu Beginn an, als Shinra den Pfeiler, der Sektor 7 stützt sprengen lässt um damit Cloud und Co. zu vernichten. Sie können zwar rechtzeitig fliehen, den Einsturz jedoch nicht mehr verhindern. Im Spiel selbst wird – soweit ich es noch richtig in Erinnerung habe – kein Hehl daraus gemacht, dass bei dieser Aktion Personen gestorben sind, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren... Hat das irgendjemanden gestört? Gab es Proteste? Skandale, negative Kritik etc.? Nein natürlich nicht! Es war völlig klar, dass nicht wirklich jemand gestorben war, das diese Fiktion Fiktion war, ist, immer sein wird und auch nichts anderes sein kann!

Bestimmt werden jetzt einige Leser (so ich denn welche habe) aufspringen und sagen, dies sei überhaupt nicht vergleichbar, doch genau so ist es. Mittlerweile ist es schon fast egal, auf welche Weise ein Spiel Gewalt enthält, es wird als Killerspiel abgestempelt[8]. Das dies aufgrund der paranoiden Angst vor Amokläufen bzw. dem suchen eines Schuldigen für eben jene. Es ist nun mal bequemrt die Schuld auf etwas zu schieben, wovon man wenig bis keine Ahnung hat, als bspw. Die eigene Erziehung zu hinterfragen oder dem Mobbings und anderen sozialen(!) Problemen auf den Grund zu gehen.

So zeigt sich beim L. Schliesslich nur eins: Entsetzen. Weniger darüber, dass ein solcher Skandal entstand, sondern dass selbst selbst diejenigen, die sich von Berufswegen mit Computern, Killerspielen, Ego-shooter etc. Auskennen müssen und in der Vergangenheit mit lobenden Reviews zu eben jenen (Halo, Halflife etc.) nicht gerade sparsam waren, den Skandal mittragen, denn gerade dadurch, dass sie nach Ausflüchten suchen und so quasi dem Moralwahn verfallen, spielen sie den Computerspielgegnern in die Hände, die (gerade auch) dadurch wieder Auftrieb erhält, unzählige Jugendliche als (potenzielle) Amokläufer verunglimpfen zu können.

Ich hoffe schwer, sie machen so NICHT weiter, denn eigentlich fand ich das Format bisher immer klasse – der „Bahnhof“-Sketch(ab 2:06) und die „HartzIVCosplays“ haben m.E sogar Kultstatus – denn Moralkritik an Spielen und die Psychologiedebatten[9] um dieselben gehören – so finde ich – in ein anspruchsvolles (politisches) Format und nicht in eine unterhaltsame Gamessendung.

Edit: Nun, über ein Jahr später wird eine kleine Bilanz zur Entwicklung der Sendung „Gameone“ fällig, wie das L. findet. Relativ lange war zum Thema nichts zu finden (was auch daran liegen könnte, dass nicht allzuviele der erschienen Egoshooter der Zwischenzeit in der Sendung verbraten wurden), doch im Bericht zu Medal of Honor in Folge 146 (http://www.gameone.de/tv/146); zu 10:35 vorspulen) haben sie sich zur Punkt der moralischen Entrüstung (Spielbarkeit der Taliban im Multiplayermodus sowie die Autentzität des Spielsettings (Afganistan-Krieg)) nicht nur demonstrativ enthalten, sondern in (wieder) gewohnt albern-sinnfreier Weise über die aus der Entrüstung natürlich folgenden Zensur (Taliban im Multiplayer für Europa (oder nur Deutschland?) nicht mehr spielbar) lustig gemacht. Da hatte das L. schon wieder Hoffnung gefasst, die Sendung könnte in Zukunft wieder zu ihrem einstmals hohen Standart (eben, witzige, dabei aber doch informative Berichte über (neuerscheinende) Videospiele moralisch wertfrei zu vermitteln) zurückkehren. Auch, dass Wolf in seinem 1 Stunde mit Call of Duty Black Obs und Chris in diversen Weblogeinträgen (Unter anderem Kritik an der Werbung zu Death Space 2 wieder kleinere moralisierende Anfälle zeigten, tat dieser Hoffnung keinen Abbruch, da alle Inhalte des Weblogs nicht zur Sendung an sich gehören und m.E. daher auch nicht den selben hohen Ansprüche an Objektivität und moralischer Wertfreiheit genügen müssen. Ernüchtert wurde das L. dann jedoch jäh ausgerechnet durch das Interview des Fernsehkritikers mit den Gameonetypen (Dreiteilig: Teil 1, Teil 2, Teil 3, wo erklärt wurde, dass ihnen moralische Bewertung des Spielgeschehens einzelner Spiele (weiterhin) wichtig ist, und (das hörte zumindest das L. heraus) sie in Teilen der Verstärkungstheorie (zur Definition und Erläuterung derselben bitte hier klicken!) zuzustimmen zu scheinen und ihre Berichte auch danach ausrichten.

Zusammen mit den derzeitigen Umstrukturierungen (Wechsel von Konventionellem Studioeinblendern zu Greenscreensequenzen) und dem Personalmangel (Einer der Moderatoren ist im Urlaub) und den gehäuften Kürzungen der Sendezeit „aus gegebenem Anlass“ trägt dies nicht gerade zum Erhalt der Qualität bei...

Kurz, die Sendung liegt m.E kurz vor dem Requiescat in Pace... -.-
Insofern ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass sie den Grimme-Preis nicht bekommen haben...


Solange (Computer)Spiele nicht dasselbe dürfen wie Buch und Film[10], sollte die Frage nicht lauten, ob Spiele Jugendliche negativ beeinflussen, sondern, warum mittlerweile Konsens herrscht, das Buch und Film keine Amokläufern hervorbringen zu vermögen!

However, ich geh jetzt mal wieder an die Arbeit, wofür ich nicht bezahlt werde...

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[1] Oder besser die Szene, da ich weder das Spiel selbst besitze, noch das gesamte Spiel kenne, darf im Sinne des „allgemeinen Beweisrecht“ der Wissenschaft (Korrealität schafft keine Kausalität etc.) nur über das urteilen, was ich selbst gesehen habe.

[2]Schweizerische Bundesverfassung; http://www.admin.ch/ch/d/sr/1/101.de.pdf (19.11.09)
Auszug - Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit
3 Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Bestrafung sind verboten.

[3]Koller, Daniel (2007) ; Cybersex – Die strafrechtliche Beurteilung von weicher und harter Pornographie im Internet unter Berücksichtigung der Gewaltdarstellungen; Zürich: Schultthess Juristische Medien

[4] Die auf der Internet-Seite "www.blutgeil.com" unter"Fotogalerie Part I" veröffentlichte Bildabfolge zeigt in 11 Fotografien, wie ein Mann mit einem Beil in das Knie eines Menschen hackt, worauf Blut aus der Wunde spritzt. Daraufhin reisst er den Unterschenkel ab und verzehrt Teile davon. Schliesslich wird der verletzten von einer weiteren Person mit einem Messer der Bauch aufgeschlitzt (act. 7 S. 21 ff., act. 21). Diese Darstellungen sind fraglos als grausame Gewalttätigkeiten im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren, da die gezeigten Einwirkungen auf den Körper des Menschen auf die Zufügung schwerer Leiden abzielen.

(Urteil des OG Zürich vom 06.11.95 ; I. Strafkammer)
lesbar unter http://www.ssi-media.com/medienfreiheit/Urteil_6_11_02.htm#akt11

[5] Die vorliegenden Sachverständigengutachten belegen zweifelsfrei, dass die o. a. Videofilme Handlungen und Verhaltensmuster darstellen, durch die beliebigen Menschen nicht nur besondere Schmerzen und Qualen körperlicher oder seelischer Art zugefügt werden, sondern die jeweiligen Täter sichtbar ihre Lust daran haben, kaltblütig Menschen zu misshandeln oder zu töten. Durch die Darstellung solcher Gewalttätigkeiten in allen Einzelheiten (z. B. das genüssliche Verharren auf einem schmerzverzerrten Gesicht oder den aus einem aufgeschlitzten Bauch herausquellenden Gedärmen)

BVerwG, Beschluss vom 22. 7. 2002 - 2 WDB 1. 02; Truppendienstgericht Nord
(www.Lexetius.com/2002,3369 [2003/11/57])

[6] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und zur Einsparung von Schriftzeichen wird im folgenden auf den Zusatz (fiktiv) verzichtet, jedenfalls ist die gesamte Ausführung nicht auf reale Opfer und oder Taten gemünzt.

[7] Unabhängige Selbstkontrolle, die Legitimation bzw. Die Wichtigkeit der Institution für die verbindliche Einstufung nicht alleine der Gewalt in Videospielen findet sich in §14 (2) JuschG.

[8] Man ersehe die – mit Verlaub – blödsinnige Berichterstattung zum (leider realen) Mord in Tessin
http://www.bild.de/BTO/news/2007/01/16/doppelmord-tessin-schueler-opfer/doppelmord-tessin-schueler-opfer.html
http://www.4players.de/4players.php/spielinfonews/PC-CDROM/3933/61340/Allgemein.ht

[9] Falls ich jemals Zeit dafür finde (also in 10 Jahren^^) schreib ich mal einen kleinen Text zu den POSITIVEN Auswirkungen der Fiktion auf die Realität...

[10]Seltsamerweise regt sich niemand (mehr) – öffentlich – darüber auf, welch schreckliche Wirkung diese Medien haben könnten. Jedenfalls gibt es auch dort genug <<schwere Kost>>, exemplarisch seien hier <<In der Strafkolonie>> (Kafka) ,<<Die 120 Tage von Sodom>> (de Sade) , <<Untraceable>> (Hoblit) und <<Sieben>> (Fincher) genannt. Dabei sind die Bücher komplett ohne Beschränkung und die Filme des öfteren bereits ab 16 freigegeben, darunter auch solche, die jedenfalls dem L. schlaflose Nächte verursachen würden. (Personen mit schlechten Nerven sollten – auch wenn es sich nur um Wikilinks handelt – NICHT KLICKEN!)