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Der weitere Werdegang von Lanzarote – Liveticker einer parlamentarischen Entscheidung eidgenössisches Recht, Gesetzesredaktion, Grundrechte, Mangas

Autor:  Eru-Jiyuka
Well, the curtain has fallen...
Heute entscheidet das schweizer Parlament über die Umsetzung der Lanzarote-Konvention, die aufgrund ihrer schlechten Formulierung, einem missverstandenen Kindesbegriff und unsinnigem Schutzzweck für fiktive Personen, zu massiven Einschränkungen der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit, sowie der Kunstfreiheit und zu einem eigentlichen Verbot von Anime/Manga führen wird.

Das Gesetz richtet sich explizit gegen Gemälde, Comics und Computerspiele, sodass noch gar nicht abzusehen ist, wie viel Kultur vernichtet werden soll. Angesichts der jüngeren juristischen Possen um alte Dramen (Wedekinds „Frühlings Erwachen“ von 1891 als angeblich verbotene Pornographie) und Beat'em'ups (Dead or Alive: Dimensions, mehrfach als Kinderpornographie verunglimpft, obwohl nicht einmal wirklich erotisch) ist immerhin zu erwarten, dass einige bedeutende Kunstwerke
als Kollateralschaden anfallen werden. Kommt halt davon, wenn man Phantasie als Verbrechen brandmarkt...

Klar ist schon jetzt (eigentlich schon seit der Kommissionsentscheidung mit überragenden 0 Gegenstimmen), sofern kein unglaubliches Mirakel geschieht, wird das Gesetz in der jetzigen und eindeutig mit der Verfassung unvereinbaren Fassung das Parlament passieren. Interessant ist denn auch weniger das Ergebnis, als wie deutlich es ausfällt und welche Argumente zu hören sein werden. Am Grade deren Sinnbefreitheit lassen sich die Chancen des bevorstehenden Referndums messen, wobei dieses von unserer Seite unabhängig davon angestrengt wird, und sei es nur, um die Politik etwas zu ärgern^^. Auch ob gegen den Gesetzesentwurf Kritik geäussert wird und falls ja, von wem, dürfte sehr spannend zu beobachten sein.

Dies zur Vorrede (und bevor das jemand bemäkelt, nein, dieser Teil wurde natürlich nicht „live“ geschrieben, wäre zu viel Text für...) des chronologischen Desasters:

08:00 -> Eröffnung der parlamentarischen Sitzung
08:00 -> Beginn der Beratung über das Geschäft 12.066
08:02-08:05 -> Amherd für die Kommission des Nationalrats für Rechtsfragen
(Behauptung, der Schutzzweck der Konvention sei der Schutz von Kindern auf internationaler Ebene, es handle sich um die einzigen internationale Normtexten zum Thema. Behauptung, Art. 196 nStGB sei nicht auf Kinder anwendbar (was so nicht im Gesetzestext steht und daher falsch ist). Vorschlag auf Eintretens. Das Anliegen der Petition (Nichtbestrafung von Liebesbeziehungen) sei durch den vorliegenden Entwurf in Art. 196 nStGB berücksichtigt. Die geforderte Straflosigkeit fiktiven Materials wird von der Kommission ausdrücklich abgelehnt.
08:13-08:18 -> VOGLER: Behauptung einer riesigen Dunkelziffer sexueller Missbräuche an Kindern (hat nichts mit dem Thema zu tun, aber gut...) Befürwortung stärkerer internationaler Zusammenarbeit in der Strafverfolgung. Ausdehnung der Strafbarkeit, Behauptung, Strafrecht könne immer nur repressiv wirken. Will „Grooming“ als eignen Straftatbestand haben. Chat-Rooms für Jugendliche sollen heute hauptsächlich von erwachsenen Männern besetzt sein? o.O Befürwortung des Eintretens
08:19-08:24 -> KIENER-NELLEN: Denkt denn einer mal an die Kinder?!!!! Jede Menge Lobhudeleien über die angebliche so tolle Gremien des Europarats. Dann noch ein bisschen Schauermärchen der KOBIK (Apropos: Ausgeben von erwachsenen Menschen als 18-jährige Personen ist böse, weil?), dass Chats ja so phöse sind...
08:24-08:27 -> RIKLI: Aussage, dass der Konvention nicht beigetreten werden müsse und eigentlich eine Terrorionalitätsverletzung sei (gemeint wohl Souverintätsverletzung, dennoch erstaunlich). Mann könne diese Verletzung jedoch aufgrund des schweren Themas ignorieren. Dann noch ein bisschen Bashing von Bundesrat, weil halt SVP. Korrekte Anmerkung, dass es seltsam sei, zu behaupten, der Begriff des Kinds sei unklar, wenn man diese Konvention anerkennt. Die von ihr angemerkten Volksinitativen ist allerdings auch Unsinn.
08:28- 08:29 -> GUHL: Erneut die unbelegte Aussage über eine riesige Dunkelziffer. Hätte gerne die Strafvorschriften noch deutlich verschärft.
08:32-08:37 -> FISCHER: Behauptung, die Konvention würde den Schutz von Kindern vor sexuellen Missbrauch erhöhen. (Was Nonsens ist, weil alles in dieser Richtung längst strafbar ist -> Art. 176 StGB) Ein bisschen Bashing in Richtung der Strafverfolgungsbehörden, die angeblich weit mehr Personal zur Umsetzung benötigen würden. (Was nicht ganz falsch ist, weil durch die Konvention auf einmal abertausende neue Bagatellfälle geschaffen werden.)
08.37-08:41 -> SOMMARUGA für den Bundesrat: Wiederholung der üblichen Allgemeinplätze: Ziel der Vorlage sei der Schutz von Kindern. Erhöhung des Schutzalters von 16 auf 18 Jahre. Prostitution von Minderjährigen sei nur zulasten der Freier strafbar. Konsumstrafbarkeit. Schutz von Kindern und Jugendlichen werde verstärkt. Nichts neues also und grösstenteils falsch ...
08:41-08:43 -> AMHERD für die Kommission: Nach der Konvention müsste ein formeller Straftatbestand für das „Grooming“ erstellt werden, die Schweiz erfüllt ihre Anforderungen insoweit also nicht. Befürworten auf Eintreten.
08:44 -> Eintretensbeschluss
08:46-08:53 -> RIKLI: Werbung für ihre Minderheit, die Strafverschärfung fordert. Grundsätzlich sollen ihrer Meinung nach Sexualdelikte immer zu unbedingten Freiheitsstrafen führen. (Was, gerade bei den neu strafbaren Bagatellfällen verehrend wäre und zur Überflutung von Gefängnissen würde.) Vermischt die Problematik mit dem Strafmassnahmenrecht von 2007, was an dieser Stelle nichts zu tun hat. Und sag der Dame verdammt noch mal einer, das Pädophile nicht per default Straftäter sind! Will das Strafmass für fiktive Bildchen auf 5 Jahre Gefängnisse verschärft haben.
08:53-08:56 -> SCHWANDER: Viel Gemurmel darum, dass das Parlament bei ähnlichen Vorschlägen weniger deutlich entschieden habe. Ebenfalls Werbung für die Minderheit RIKLI, die – wie auch immer – die Kinder angeblich noch viel toller schützen sollen. (Wie das durch erhöhte Strafrahmen geschehen soll, ist völlig unklar)
08:56-08:58 -> FLACH: Ruft zur Verhältnismässigkeit innerhalb des Strafmasses auf. (immerhin etwas, wenn auch nicht viel) Dementsprechend Ablehnung der Minderheit RIKLI. Und was genau das Schicksal von 10 Jährigen Mädchen im arabischen Raum mit der Umsetzung der Lanzarote-Konvention in der Schweiz zu tun hat, ist völlig unklar.
08:59-09:02 -> SOMMARUGA für den Bundesrat: Ablehnung der exotischen Strafrahmen von bis zu sieben Jahren. Strafverschärfungen dürfen nicht willkürlich erfolgen, sondern müssen im Zusammenhang mit dem gesamten Strafgesetzbuch angesehen werden. Kindstötung wäre neu weniger schwer bestraft als sexuelle Handlungen mit Kindern, was unverhältnismässig sei. (Ausnahmsweise mal was sinnvolles. So schwer es fällt, die Bundesrätin hat hier vollständig recht.)
09:04-09:06 -> AMHERD für die Kommission: Ablehnung der Strafrahmenserhöhung mit 17 zu 5 in der Kommission, weil diese Frage im Rahmen der Revision des Strafmassnahmenrechts ohnehin neu behandelt werden wird und dann besser dort inhaltlich behandelt werden sollte. Fordert Ablehnung der Minderheit RIKLIN

09:06-09:10 -> Abstimmung der Minderheitsanträge

Art. 187 nStGB
114 zu 68 bei 3 Enthaltungen, Zustimmung des Mehrheitsantrags (Keine Strafverschärfung)
115 zu 69 bei 3 Enthaltungen, Zustimmung des Mehrheitsantrags (Keine Strafverschärfung)

Art. 197 Abs. 1 nStGB
115 zu 68 bei 3 Enthaltungen, Zustimmung des Mehrheitsantrags (Keine Strafverschärfung)

Art. 197 Abs. 4 nStGB
113 zu 69 bei 4 Enthaltungen, Zustimmung des Mehrheitsantrags (Keine Strafverschärfung)

09:11 -> Gesamtabstimmung
188 zu 0, bei 0 Enthaltungen, Zustimmung zur Umsetzung der Lanzarote-Konvention


09:12 -> Beendung der Beratung des Geschäfts 12.066

Edit: Ein fehlhafter Buchstaben, der für einen bösen Schnitzer gesorgt hat, wurde korrigiert. Gemeint war natürlich nicht Kathy Riklin von der CVP , sondern Natalie Rikli von der SVP. Übrigens ist mittlerweile das Transkript der Parlamentssitzung online (und dieser Eintrag damit eigentlich redundant). Wer das ganze im Original lesen möchte, hier gehts lang: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4910/412452/d_n_4910_412452_412453.htm

Weiter gegen Lanzarote – Petition 2.0 eingereicht eidgenössisches Recht, Gesetzesredaktion, Grundrechte, Mangas, Petition, SOKORabe

Autor:  Eru-Jiyuka
Was, wie, heute zwei Weblogs vom L.? Das ist ja Schwansinn hoch Zwei.
(Und OMG, das L. verlinkt einen grossen Youtuber als Schleichwerbung... Das hatten wer auch noch nie^^)

Das hier ist nichts grossartiges, nur ein klein wenig piratentypische Transparenz. Also, heute Mittag hat das L. die zweite Petition gegen die Umsetzung der Lanzarote-Konvention mit insgesamt 8 Unterschriften abgesandt.
Die entsprechende Quittung des Beförderungsunternehmens sieht wie folgt aus:



Die Eingangsbestätigung seitens der Parlamentsdienste wird dann auch noch veröffentlicht, sobald erhalten...

Und wer wirklich immer noch nicht weiss, worum es bei der Lanzarote-Konvention geht, und warum diese gleichermassen bescheuert wie bedrohlich ist, dem seien die folgenden Links empfohlen:
http://www.schnittberichte.com/news.php?ID=4455
http://animexx.onlinewelten.com/weblog/120857/635379/
http://animexx.onlinewelten.com/weblog/120857/685801/#text_lang

Mit der Petition werden folgende Problempunkte angesprochen:

1. Der BGH-Beschluss 1 StR 8/13 und dessen Auswirkungen auf die Legitimation des Sexualstrafrechts hinsichtlich Fiktion.

2. Die Möglichkeit des Parlaments, wirksame Vorbehalte gegenüber der Konvention anzubringen, welche die aufgezeigten Probleme sinnvoll lösen würden.

3. Kombinierte Rechtswirkungen, die aufgrund anderer künftiger Normen entstehen, so etwa der automatische Entzug von Lehrberechtigungen, permanente Überwachung elektronischer Kommunikation oder lebenslange Speicherung von Personendaten und Übergabe dieser zuhanden aller europäischen Strafverfolgungsbehörden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Kommission über genügend rechtlichen Sachverstand verfügt, um die klar zu weit gehenden, geplanten neuen Normen auf ein zulässiges Mass, im Wesentlich dem derzeitigen Status Quo zurückzustufen. Sollte dem nicht der Fall sein, bleibt als nächste Instanz der Nationalrat, der dann rein politisch entscheidet, also den juristischen Argumenten kaum rational, sondern nur mit „Aber es geht doch um die Kinder!!!!!11“ begegnen wird...

Sollte dies passieren und das Gesetz durchgewunken werden, muss halt ein Referendum her, damit zumindest das Volk über das Aussterben weiter Teile moderner Kunst und Kulturformen befinden kann... Wir werden uns unsere Mangas jedenfalls nicht kampflos wegnehmen lassen! Wie beijiro in Zitat völlig richtig schreibt, sind in solchen Situationen nicht Diskussionen wichtig, sondern konkrete Taten!

Und an alle Dagegen-Schreier: Offensichtlich habt ihr noch nicht ganz verstanden, dass auch aus dem Kontext gerissene, mit nicht einschlägigen Normen oder gar mit dem (rechtlich gänzlich unzulänglichen) gesunden Menschenverstand begründete Angriffe auf den Blogtext (oder dessen Autoren) nur dabei behilflich sein können, den Bekanntheitsgrad des Eintrags zu steigern... Ob dies im Sinne eures Erfinders ist, dürft ihr gerne selbst entscheiden. Diesmal hat das L. sogar einige Wochen Zeit, mit euch herumzustreiten, also nur immer her damit^^