Zum Inhalt der Seite

Starlight Express-Die Abenteuer von Casey Jones & Rusty

Nach Motiven des Musicals
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1. Der unheimliche Tunnel

Starlight Express-die Abenteuer des Casey Jones
 

Das Musical Starlight Express hat mich zu dieser Fanfiction inspiriert. Habe schon vor längerer Zeit damit angefangen und sie wegen anderer FFs ruhen lassen, doch ich will versuchen, sie fertig zu schreiben. Es gibt auch schon einen Schluß, aber vom Mittelteil fehlt mir noch einiges.

Einige der Loknamen und Waggonnamen habe ich beibehalten, einige geändert. Also nicht wundern. Genauso ist es mit den Ländern und Städten. Außerdem habe ich neue Characteure dazuerfunden. Einige der Songs habe ich mit eingebaut, sie gehören natürlich nicht mir, sondern dem Komponisten A.L.Webber und anderen. Genauso ist es natürlich mit den Characteuren. Ich habe auch ein wenig von anderen Serien mit eingebracht, einige werden es später bestimmt merken. Aber ich hoffe, sie gefällt trotzdem und ich hoffe auf einige Kommentare.

Und jetzt gehts los.
 

Kapitel 1

Der unheimliche Tunnel
 

Casey Jones, ein Junge von dreizehn Jahren, lebte mit seinem Vater Peter Jones in dem alten stillgelegten Bahnhofsgebäude des kleinen Städtchens Cloverfield. Caseys Mutter war vor drei Jahren nach einer schweren Krankheit gestorben und seitdem lebten Vater und Sohn alleine zusammen.

Der schlanke, aber robuste Junge mit den rotbraunen Haaren und grünen Augen war eher ein Einzelgänger, der keine festen Freunde hatte. Aber das lag nicht daran, das er kein Selbstvertrauen besaß, er konnte einfach in seiner Umgebung keinen Gleichaltrigen finden, der die gleiche große

Leidenschaft mit Ihm und seinem Vater teilte.
 

Diese Leidenschaft gehörte der Eisenbahn. Auf dem Dachboden Ihres Zuhauses hatten beide eine große Modelleisenbahnanlage aufgebaut. Casey verbrachte viele Stunden dort oben und ließ die verschiedensten Zugmodelle fahren. Aber am liebsten hatten beide die Dampflokomotiven.
 

In letzter Zeit widmeten sich Vater und Sohn eines größeren Projektes. Der Restauration einer alten Dampflok und der dazugehörigen vier Wagen. Und anstatt mit gleichaltrigen Kammeraden etwas zu unternehmen, half er lieber seinem Vater im alten Lokschuppen des stillgelegten Bahnhofs. Im Laufe der Zeit hatte Casey dadurch viel besonderes, technisches Wissen erlangt. Er wußte bereits genau, wie eine Dampflok funktionierte und sogar wie man sie bediente. Auch konnte er bereits kleine Reparaturen ausführen und half tatkräftig bei der Restauration mit.
 

Bis vor zehn Jahren war die Nebenstrecke, die in Cloverfield endete, noch von zwei Zügen befahren worden, aber seit das alte Kohlebergwerk stillgelegt worden war und immer weniger Kohle benötigt wurde, war es auch mit der Bahn vorbeigewesen. Seitdem verrotteten die Gleise und im alten Lokschuppen harrten noch eine alte Dampflok und die verbliebenen, noch nicht abgewrackten Wagen aus.

Auf der anderen Seite der Stadt führte eine neue Schnelltrasse vorbei mit einem neuen Bahnhof, der jetzt „Cloverfield West“ hieß und ein hochmodernes Stellwerk besaß.

Peter Jones hatte lange nach Mitinteressenten gesucht, um gemeinsam mit Ihnen die alte Strecke wieder als Museumsbahn zu eröffnen. Denn es gab immer noch Leute, die Gefallen an nostalgischen Bahnfahrten hatten, besonders mit Dampflokomotiven. Schließlich war der Verein der „Interessengemeinschaft der Cloverfielder Bergwerksbahn“ gegründet worden, der heute zwanzig Mitglieder zählte.

Zwar hätte der Bürgermeister der Stadt lieber Gleise und Zug verschrottet gesehen, um das Gelände für den Bau neuer Industrieanlagen zu nutzen, doch das alte Bahngelände stand unter Denkmalschutz.

Seitdem arbeitete der Verein mit Eifer daran, die stillgelegte Nebenstrecke wieder in Betrieb zu nehmen. Noch lag eine Menge Arbeit vor Ihnen. Vor allem mußten die Lokomotive und die Wagen wieder in Ordnung gebracht werden. Und es mußten Interessenten gefunden werden, die mithalfen, das Projekt finanziell zu unterstützen.

Am Wochenende halfen die Vereinsmitglieder und deren Freunde, sonst arbeitete Peter Jones meist alleine im Lokschuppen. Nach der Schule und den Hausaufgaben half natürlich Casey mit Eifer mit. Er konnte es jedesmal kaum erwarten, bis die Schule vorbei war und es wieder nach Hause ging.

Der Junge erinnerte sich genau noch an dem Tag, an dem man die Lok und Wagen zurück nach Cloverfield gebracht hatte. Bis dato waren sie seit der Stillegung im Betriebswerk Callingut gestanden und hatten auf Ihre Verschrottung gewartet. Eine der beiden ursprünglichen Dampfloks war bereits abgewrackt worden, ebenso eine ganze Reihe von Güter -und Personenwagen. Nur noch eine Lok, drei Personen-und ein Güterwagen waren übriggeblieben und konnten vor dem Abwracken gerettet werden.

Aber sie befanden sich bereits in einem schlechten Zustand und nun waren viele Stunden harter Arbeit nötig, um wenigstens diesen einen verbliebenen Zug wieder fahrtüchtig zu machen.

Die alte, rostige Dampflok hatte es Casey und seinem Vater besonders angetan. Der Junge nannte sie liebevoll „Rusty“, wegen Ihrer unzähligen Roststellen. Der Kessel und das innere Rohrsystem war bereits instandgesetzt worden, nun ging es an die Außenverkleidung. Rost entfernen, defekte Teile ersetzen und neu schwarz lackieren. Dies erledigten beide mit Hingabe und viel Liebe zu Ihrem Hobby, nein, es war wirklich schon eine Leidenschaft.

Caseys besonderes Hobby fand bei seinen Schulkameraden allerdings keine große Begeisterung. Die Kinder seines Alters interessierten sich meistens für modernere Dinge, die schnell und aufregend waren. So blieb der aufgeweckte Junge mit seiner Liebe für alte Dampfloks alleine. Doch das machte Ihm nichts aus. So wurden eben die alte Lok und die Waggons im Schuppen daheim seine Freunde.
 

Besonders George Bullbrock nervte Caseys übertriebene Liebe zu dem alten Bergewerkszug.. Er und seine Kumpel, die eine richtige Bande gebildet hatten, gingen in die selbe Klasse wie der Junge und zogen Ihn mehr als einmal wegen seines Hobbys auf.

Aber Casey war das egal. Wenn er im Lokschuppen bei dem alten Dampfross sein konnte, war er der glücklichste Junge. Seinem Vater machte das ein wenig Sorgen. Denn sein Sohn hatte keine Freunde. Einzig die alte, rostige Lok schien er als Freund zu akzeptieren.

Deshalb ermahnte er Ihn öfters, auch einmal nach draußen mit den anderen Kindern spielen zu gehen. Denn ein Junge seines Alters sollte auch mit anderen Kindern Umgang haben.

„Ach, die haben doch immer nur Ihre Action-.Serien im Kopf! Immer nur diese Ballerei und Weltraumhelden!“ maulte Casey. „Und sie finden alte Züge langweilig und doof! Denen gefallen nur die neuen, schnellen, hochmodernen E-Loks, die am neuen Westbahnhof vorbeirauschen!“

„Aber es ist die Zukunft, mein Sohn. Was wir hier tun, gehört der Vergangenheit an. Wir sorgen lediglich dafür, das sie nicht vergessen wird. Warum willst Du z.B. nicht in die Jugend- Fußballgruppe?“

„Langweilig! Außerdem habe ich keine Lust, mir gegen die Schienbeine treten zu lassen!“

Peter Jones seufzte. Für seinen Sohn gab es nun mal nichts anderes als seine Eisenbahn-Welt.

„Na schön. Aber dann gehe wenigstens etwas an die frische Luft! Es ist ein wunderschöner Frühlingstag draußen!“ sagte er.

Seinem Vater zuliebe tat Casey, was er sagte. Also lief er nach draußen und wanderte über das stillgelegte Bahngelände. Dann stieg er die Leiter der alten Wasserzisterne hoch, an welcher Früher die Loks Wasser gefasst hatten. Aber jetzt war sie leer und für den Jungen ein guter Aussichtspunkt. Von hier aus konnte er die ganze Niederung mit der kleinen Stadt überblicken. Und drüben, auf der anderen Seite konnte er bei klarem Wetter die neue Schnellbahntrasse mit dem neuen Bahnhof und dem Stellwerksgebäude erkennen. Die Zukunft. Es stimmte schon. Dampfloks waren in der heutigen, modernen Zeit nicht mehr rentabel. Sie waren lediglich Relikte aus einer längst vergangenen Zeit. Aber Casey schwohr sich, trotz allem die Erinnerung an diese Dampfrösser wachzuhalten. Denn mit Ihnen hatte alles angefangen.
 

Am Abend fand sein Vater Ihm auf dem Dachboden des Bahnhofshauses wieder über seiner Modelleisenbahnanlage. Hier waren alle Lokomotivenarten vertreten: Dieselloks, die modernen E-Loks und natürlich die verschiedensten Dampflokmodelle.

„Casey, es ist schon spät. Laß deine Züge nach Hause fahren und dann marsch ins Bett! Du mußt morgen wieder früh zur Schule!“

„Och Mann! Kann ich nicht noch ein wenig bleiben?“

„Nein, Sohnemann, es ist Zeit fürs Bett. Keine Widerrede!“

„Okay.“ seufzte Casey und stellte den Steuer-Transformator aus. Dann wandte er sich an seine Modellzüge. “Gute Nacht, Jungs. Bis morgen.“
 

Wenig später sah Peter Jones noch einmal bei seinem Sohn vorbei. Der Junge war noch wach, saß in seinem Bett und starrte nachdenklich zum Fenster hinaus. Es war eine sternenklare Nacht. Auch hier, in Caseys Kinderzimmer drehte sich alles nur um eines: Eisenbahnen und Züge. Wehmütig beobachtete Peter Jones eine Weile schweigend seinen Sohn, der Ihm so sehr an seine verstorbene Frau erinnerte. Die grünen Augen, und das rötliche Haar. Er hatte es von Ihr geerbt. Und sein großes Interesse für die Eisenbahn von Ihm selbst.

Wenn Casey vormittags in der Schule war, arbeitete sein Vater im neuen Betriebswerk der Nachbarstadt. Peter Jones Vater und Großvater hatten Ihren Dienst noch auf diesem alten Bahnhof getan, sein Vater war der Vorsteher dieses Bahnhofes bis zu seiner Stillegung gewesen. Seitdem diente er dessen Nachkommen als Wohnstätte, Casey sowie sein Vater waren auf diesem Gelände aufgewachsen.
 

Der hochgewachsene Mann riß sich aus seinen Gedanken und betrat das Zimmer seines Sohnes.

„Du bist noch wach?“fragte er.

„Ich mußte wieder an Mum denken. Und an das Lied, das sie mir immer vor dem Schlafengehen vorgesungen hat.“

„Ach ja...das Lied vom großen Zug der Sterne, dem Starlight Express.“ seufzte Peter Jones.

„Würdest Du es mir vorsingen?“

„Bist Du schon nicht etwas zu alt dafür?“

Casey schüttelte den Kopf.

„Wenn ich es höre, denke ich immer, Mum ist bei mir. Vielleicht fährt sie ja sogar mit dem großen Sternenzug über den nächtlichen Himmel, sieht von dort oben auf uns herab und gibt auf uns acht.“

„Das wäre möglich. Du weißt ja, der Starlight Express nimmt die Seelen aller Loks und Eisenbahnwagen mit sich in den Himmel, wenn sie hier auf der Erde ausgedient haben. Und auch die Seelen derer, die im Leben der Eisenbahn sehr nahe gestanden haben, auf welche Art auch immer. - Na ja, jedenfalls erzählen das die Eisenbahner Ihren Kindern.“

„Wie die Sache mit dem Weihnachtsmann.“

„Genau.“

„Aber es wurde nie gänzlich bewiesen, das es Ihn nicht gibt. Und genauso kann es mit dem großen Sternenzug sein.“

„Wenn du meinst... Auf jedenfall ist es jetzt Zeit zum Schlafen.“ erklärte Caseys Vater. Dann ließ er sich neben dem Bett seines Sohnes nieder und begann leise zu singen:
 

Wird es um dich dunkel

wird es in Dir still

siehst Du ein Licht leuchten in der Ferne

und hörst Du den Nachtzug,

der dich holen will,

dann folgst auch Du dem Zug der Sterne

Starlight Express, Starlight Expess

wo bist Du? Sag es mir

Starlight Express, Starlight Express

ich bitt dich, komm zu mir.
 

Casey hatte sich zurückgelegt und leise mitgesungen. Und als sein Vater geendet hatte, war der Junge eingeschlafen. Leise erhob er sich von seinem Platz und verließ das Kinderzimmer.

In dieser Nacht träumte Casey von Rusty, der alten Dampflok unten im Schuppen und von all den anderen Lokomotiven und Wagen. In seinen Träumen begannen sie lebendig zu werden, zu menschenähnlichen Geschöpfen, die fühlten und dachten wie er...
 

Als sportlicher Ausgleich war der Junge meist auf seinen Inline-Skatern unterwegs. Jeden Morgen fuhr er mit Ihnen zur Schule und wieder nach Hause, wenn es nicht in Strömen regnete oder Schnee lag. Dann fühlte er sich immer selber etwas wie eine Lokomotive.Im Laufe der Zeit hatte er es mit diesen Rollschuhen zu einer Perfektion gebracht, die seine Schulkameraden mehr als Einmal in Erstaunen versetzte. Selbst eine Wiese oder schlechte Straßenverhältnisse schreckten Ihn nicht ab, darauf zu fahren. Blaue Flecken und andere Blessuren, hin und wieder das Resultat seiner Fahrtests, steckte er locker weg, Casey war hart im Nehmen. Selbst mit dem Skateboard oder dem Fahrrad war keiner so wendig und sicher auf den Rädern wie er.

So rauschte er auch an diesem Morgen auf den Schulhof, sehr zum Ärger von Geroge Bullbrock und seiner Gang. Die Bande stand in den Pausen immer in einer Ecke des Hofes zusammen und überlegte, wem sie heute ärgern sollte. Meist war Casey das Opfer.

Gerade als es zum Schulanfang läutete, hatte er in seine normalen Schuhe gewechselt und seine Roller im Rucksack verstaut. Dann ging es in den Unterricht.

Nach der Schule trat Casey so schnell wie möglich den Rückweg an. George und seine Kumpel machten sich sofort mit Ihren Fahrrädern an die Verfolgung, doch er hängte sie im Stadtverkehr ab. Die Burschen hatten das Nachsehen.

„Warte nur, Casey! Wir kriegen dich! Und dann bist Du dran!“ fluchte George.

Nach dem Mittagessen und den Hausaufgaben ging der Junge gutgelaunt in den alten Lokschuppen. Sein Vater entfente gerade den Rost von einem der Treibräder der alten Lok.

„Ich muß gleich nach Callingut fahren, um die Ersatzteile abzuholen, die Morris mir versprochen hat. Das heißt, ich werde erst gegen Abend zurück sein. Treib dich also nicht den ganzen Tag im Lokschuppen herum, hörst Du? Triff dich doch mit deinen Schulkammeraden und unternehmt etwas.“

„Mal sehen. Wenn sie was interessantes vorhaben. Und wenn sie mich dabeihaben wollen.“ antwortete Casey und kletterte in den Führerstand der Lok. Hier betrachtete er faszieniert die vielen Hebel, zog an diesem oder jenem und wischte mit einem Lappen die verstaubte Druckanzeige sauber. Er kannte jedes Detail dieser Lok genau und wußte, wie man sie bediente. Der Junge war sich sogar sicher, das er sie alleine fahren könnte, wenn sie erst wieder betriebsbereit war.

„Casey!“

„Ja, Dad?“ Der Junge streckte seinen Kopf aus dem Führerhaus.

„Ich fahr jetzt los. Bis heute Abend!“

„Bye!“

Und schon verschwand Caseys Kopf wieder im Führerhaus. Wenig später hörte er, wie sein Vater die Tür zum Schuppen schloß. Dann war der Junge alleine.

„So, Rusty, alter Freund, jetzt sind wir ganz unter uns! Oh Mann, ich kann es gar nicht erwarten, bis es soweit ist und Du mit deinen Wagen endlich wieder fahren kannst! Hey, weißt Du, was ich letzte Nacht geträumt habe? In meinen Träumen warst Du, Rusty und alle deine Lokkumpels -jetzt halt dich fest-Menschen! Ihr hattet Rollerblades an den Füßen und wir sind alle miteinander um die Wette gefahren! Rate mal, wer gewonnen hat? Natürlich wir beide! Wir sind allen anderen davongefahren! Sie haben nur deine Rücklichter gesehen! Ja-keiner kann es besser als die Dampflok! Verrückt, nicht wahr? Oh Mann, Rusty, wir wären sicher ein tolles Team! Ich habe mich wohl von Georges Roboter-Geschichten anstecken lassen. Das sind künstliche Lebensformen, Rusty. Manche haben sogar richtige Gefühle!“

Casey lehnte an der Wand des Führerhauses und ließ sich dann auf den Boden nieder. Auf einmal stutzte er. In der gegenüberliegenden Ecke unter einem der Dampfventile glitzerte etwas. Neugierig kroch er auf den Knien näher, streckte seine Hand aus und holte das glitzernde Etwas zu sich. Dann setzte er sich in das Licht und wischte den anhaftenden Schmutz ab.

Es war eine rechteckige, silbern glänzende kleine Plakette mit einem Bild darauf. Einem Bild, das den Jungen in Erstaunen versetzte. Es zeigte eine stilisierte Dampflok, die in einem weiten Bogen zum Himmel hinaufstieg, umrahmt von mehreren Sternen. Geschrieben stand nichts darauf.

„Wow! Das ist echt toll! So stelle ich mir den Starlight-Express vor! Den großen Sternenzug! Ist das etwa deine Plakette, Rusty? Aber wo war sie befestigt? Ich sehe hier nirgendwo eine Stelle mit vier Bohrlöchern! Na, macht nichts. Leihst Du sie mir eine Weile aus? Ich pass auch gut darauf auf!“

Neben dem Eingang des Schuppen befand sich die große Werkbank. Hier lagerte auch das gesammte Werkzeug und die Maschinen. Casey fand eine starke Kordel, die er durch die oberen beiden Bohrlöcher zog und dann die Enden verknotete. Dann hängte er sich die Plakette um den Hals.

„Schau her, Rusty! Steht mir doch auch gut, oder?“ sprach er zu der alten Lok. “Schade, das Du nicht sprechen kannst, so wie in meinem Traum letzte Nacht. Oder menschliche Gestalt annehmen. Oh Mann, wenn Dad mich so hören würde, würde er wohl an meinem Verstand zweifeln! Oder er würde behaupten, ich hätte eine zu lebhafte Phantasie! Und der fiese George würde mich auslachen. Aber auch wenn Du nur eine leblose Ansammlung von Stahl und Nieten bist, Du hörst wenigstens zu und lachst nicht über mich.-So, und jetzt gehe ich noch etwas Rollschuhlaufen. Für morgen ist schon wieder Regen angesagt. Ich will das schöne Wetter ausnutzen. Bis später!“
 

Kurz darauf fuhr Casey die Straße, die zum alten Bahnhof führte, auf seinen Inline-Skates entlang. Dabei sah er immer wieder auf die glänzende Plakette.

„Haha, aus dem Weg! Hier kommt Rusty, der Starligt Express!“ rief er übermütig. „Keiner kann mich einholen!“

Fröhlich trainierte er seine Fahrkünste und sang dabei immer wieder:“ Woo-woo! Woo-woo! Keiner kann es besser als die Dampflok!“

Casey war so versunken in sein Spiel, das er George und seine Bande fast zu spät bemerkte! Er konnte gerade noch bremsen, sonst wäre er in die fünfköpfige Gruppe hineingerauscht.

„Oh Mann, George! Was wollt Ihr hier?“ fragte Casey.

„Ich habe gerade gehört, was Du da die ganze Zeit singst! Das gefällt mir gar nicht!“ rief der stämmige, Junge drohend. Seine dunkelbraunen Haare waren kurzgetrimmt und standen wie Igelborsten von seinem Kopf ab. Das verlieh ihm ein gefährliches Aussehen, fand er.“Du hast wirklich keinen Respekt vor dem Fortschritt! Keiner kann es besser als die Dampflok...pah! Die heutigen E-Loks und Diesels sind alle zehn mal schneller als diese qualmenden, stinkenden Relikte! Und besser! Du solltest mehr Achtung vor diesen neuen Errungenschaften zeigen! Die Zeit dieser schwarzen Schrotthaufen ist lange vorbei! Deshalb haben sie auch diesen Bahnhof hier stillgelegt und die neue Schnelltrasse gebaut! Das ist Fortschritt, der abgeht! Und mein Vater arbeitet im hochmodernen Stellwerk und steuert alles am Computer! Du weißt ja nicht mal, wie so ein Teil aussieht!“

„Weiß ich doch! Mein Vater hat einen! Und ich kann Ihn ebenfalls bedienen!“

„Trotzdem! Ihr lebt hier abgeschieden in der Vergangenheit und wollt den Fortschritt nicht wahrhaben!“

„Ich habe nichts gegen den Fortschritt! Aber mit den Dampfloks hat alles angefangen!“

„Das war einmal, Du Spinner! Heute gehören diese Schnecken auf den Schrottplatz! Genauso wie diese alte Rostlaube in dem Schuppen da drüben! Ab in die Presse!“

Das ging zu weit! Casey wußte, das George mit dem Fortschritt recht hatte, aber er hatte kein Recht, den alten Rusty und alle anderen Dampfloks zu beleidigen! Lange vor den Diesel- und E-Loks hatten sie immer zuverlässig ihren Dienst versehen und taten es in einigen abgelegenen Regionen dieser Erde noch heute!

„Das nimmst Du zurück!“ rief Casey wütend. George und seine Bande waren zwar zu fünft, doch er hatte keine Angst vor Ihnen. Er vertraute auf seine Schnelligkeit und Fahrkünste mit seinen Inlinern. Bevor sie Ihn erwischen und in die Mangel nehmen könnten, wäre er längst auf und davon.

„Von wegen! Alle stinkenden und rußenden Dampfloks gehören in die Schrottpresse!“ gab George zurück und seine Kumpels stimmten Ihm zu. „Ab in die Presse! Ab in die Presse!“

„Na warte!“ knurrte Casey Er nahm kurz Anlauf, raste auf seinen Rollerskates auf seinen Gegner zu und rempelte Ihn im Vorbeifahren an! George verlor den Halt, kippte auf die Steite und stieß gegen seinen Nebenmann! Da die ganze Bande nebeneinander in einer Reihe stand, entstand ein Domino-Effekt und und alle fünf Jungs kippten mit Ihren Fahrrädern nacheinander wie die jene Spielsteine um, wenn man sie hintereinander aufstellte und den hintersten Stein umkippte. Im Nu lag die ganze Bande fluchend am Boden. Casey hatte mit so einem Ergebnis gar nicht gerechnet und lachte nun über seinen gelungenen Streich!

„Der lacht uns aus!“ rief der dicke Bobby und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Dazu mußte er seinen rechten Fuß aber erst unter seinem Rad hervorbringen.

„Das wirst Du büßen, Casey! Los, Jungs, den machen wir fertig!“ schrie George zornig, der als erster wieder auf die Beine kam.

„Oh-oh.“ murmelte Casey. „Jetzt sind die aber wirklich sauer! Besser, ich verzieh mich!“

Der Junge wendete und fuhr davon.

„Laßt Ihn nicht entkommen!“ hörte er George hinter sich brüllen. Als er zurücksah, merkte er, das drei der fünf Jungs bereits wieder auf Ihren Rädern saßen und sich an seine Verfolgung machten! Und da passierte es: Casey hatte nicht darauf geachtet, das er auf den Bahndamm zufuhr und schon raste er den steilen Hang hinunter auf die Gleise zu! Er versuchte zu bremsen, doch auf dem rutschigen Gras griffen die Bremsklötze nicht! Dazu kam noch, das George und die anderen Jungs, nun wieder vollzählig, Ihn mit Ihren Rädern hart auf den Fersen waren!

„Die sind ja wahnsinnig! Wenn einer mit dem Fahrrad stürzt, kann er sich den Hals brechen! Das gillt auch für mich!“ dachte der Junge.

Fast hatte er die ersten Gleise am Fuß des Hanges erreicht. Davor führte ein kleiner Kiesweg neben den Schienen entlang. Dieser wurde früher vom Wartungspersonal der Strecke begangen.

„Jetzt muß ich schnell reagieren!“ schoß es Casey durch den Kopf. Als er das Ende des Hanges erreicht hatte, fuhr er eine scharfe Rechtskurve, verlagerte seinen ganzen Körper zum Hang hin und es gelang Ihm, auf dem Kiesweg einzuschwenken und abzubremsen! Eine Wolke aus Staub und Kieselsteinchen wirbelte auf.

„Das ist ja nochmal gutgegangen! Wäre ich gegen die Gleise gefahren, hätte ich wohl nen´ Freiflug mit Bruchlandung hingelegt!“ keuchte Casey. Dann sah er nach seinen Verfolgern. George folgte Ihm todesmutig auf seinem Mountainbike, das für solche extremen Gefälle gute Griffigkeit bot, Ihm folgten zwei seiner Freunde. Die übrigen Zwei, der dicke Bobby und Robert, hatten Ihre Räder zur Sicherheit oben gelassen und rutschten auf Ihren Hosenboden hinterher. Sie trauten sich wohl nicht,ein derartiges Gefälle mit dem Fahrrad zu überwinden, offensichtlich waren diese Beiden noch die vernünftigsten von dem ganzen Haufen.

„Vorwärts, Jungs! Gleich haben wir den Mistkerl!“ feuerte George seine Kumpel an. Casey hastete weiter den Kiesweg entlang, Die feinen Steinchen machten das Vorwärtskommen schwieriger, da sie sich immer wieder an den Gummirollen festsetzten. Aber er wußte, was Ihn erwartete, wenn Sie Ihn erwischten! Prügel von zehn Fäusten! Casey konnte sich zwar zur Wehr setzten, doch gegen die fünf stinksauren Jungs würde er alleine nicht ankommen!
 

Zur gleichen Zeit, auf einer anderen Welt, in vielleicht einer anderen Dimension...

Rusty hetzte keuchend und schnaufend über die Wiese, die Räder seines Fahrgestells pflügten durch das Gras. Seine Verfolger holten immer mehr auf, er wußte, wenn er nicht bald ein Versteck finden würde, würden Ihn die anderen erwischen. Eine Verfolgung mit diesem Tempo hielt er nicht lange durch...
 

Schließlich hörte der Kiesweg auf und wurde zu einem Pfad aus festgetretener Erde. Dazu ging es leicht bergab und Casey konnte seinen Lauf beschleunigen. Die drei Verfolger auf Ihren Fahrrädern waren Ihm noch immer hart auf den Fersen. Robert trabte hinterher, nur Bobby war etwas zurückgefallen. Rennen war eben nicht seine Stärke.

„Bleib endlich stehen, Du entkommst uns ja doch nicht!“ brüllte George.

„Damit Ihr mich verkloppen könnt? Fünf gegen Einen? Vergiß es!“ rief Casey und nahm mehr Anlauf, um noch schneller zu werden. Das leicht abschüssige Terrain machte es Ihm leichter, war aber auch für seine Verfolger von Vorteil. Als er genug Schwung hatte, ging Casey in die Hocke und ließ sich rollen. Mit atemberaubendem Tempo ging es vorwärts. Dabei suchten die Augen des Jungen nach einem möglichen Vesteck. Denn langsam begann Ihm die Puste auszugehen. Als er zurücksah, stellte er fest, das sich der Abstand zwischen Ihn und seinen Verfolgern etwas vergrößert hatte. Dabei bemerkte er nicht das Hindernis, das nun vor Ihm auftauchte: Ein Tunnel, in dem zwei Gleise verschwanden, dessen Eingang aber mit Brettern bis oben hin vernagelt war! Casey bemerkte zu spät, das es vor Ihm nicht mehr weiterging! Verdammt, daran hatte er nicht mehr gedacht, das der alte Tunnel vernagelt worden war, denn er kam nur selten so weit hinaus auf das Gleis. Der Tunnel war aus Sicherheitsgründen an beiden Enden zugenagelt worden, mit den Restaurationsarbeiten wollte man nächsten Monat beginnen. Casey versuchte zu bremsen, doch er hatte bereits zu viel Schwung. Mit einem Aufschrei riß er die Hände vor das Gesicht und rauschte im nächsten Moment krachend durch die morsche Bretterwand!
 

Inzwischen sah es auch für Rusty nicht gut aus. Seine Verfolger hatten Ihn fast eingeholt und nahmen Ihn von zwei Seiten in die Zange! Sechs schwarzgraue Gestalten schlossen immer enger zu Ihm auf und zwei liefen kurz darauf auf gleicher Höhe mit Ihm! Sie waren ebenfalls auf Rollschuhen unterwegs, mit raumgreifenden Schritten hielten sie mühelos sein Tempo. Plötzlich stellte er mit Entsetzen fest, das vor Ihm das flache Ufer eines breiten Flusses begann! Da vorne ging es also nicht weiter! Er musste sofort anhalten, sonst landete er noch im Wasser!

Plötzlich sprürte er einen heftigen Stoß in seinem Rücken! Rusty verlor den Halt und stürzte bäuchlings in den weichen Uferschlamm! Da lag er nun keuchend und konnte sich nicht mehr rühren.

„Wir haben Ihn!“ vernahm er die triumphierenden Rufe seiner Verfolger.
 

Kurze Zeit später hatten auch George und seine Jungs den Eingang des Tunnels erreicht. Hier schöpften alle zuerst einmal kurz Atem. Dann spähte der Anführer durch das entstandene Loch in der Bretterwand. Doch er konnte außer schwarzer Dunkelheit nichts erkennen.

„Kannst Du Ihn sehen?“ fragte Roger.

„Nein. Vielleicht ist er bereits tiefer hineingelaufen.“

„Sollen wir Ihm etwa da hinein folgen?“ fragte Bobby. Als George die verunsicherten Gesichter seiner Kumpel bemerkte, wurde er wütend.

„Was ist? Habt Ihr etwa Angst?“ fragte er drohend.

„Mein Dad hat mir erzählt, das es da drinnen spuken soll!“

„Genau. Meine Oma hat gesagt, das vier Jahre, bevor die Strecke stillgelegt wurde, ein Arbeiter im Tunnel bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist! Seitdem spukt sein Geist im Tunnel!“ stimmte Roger Bobby zu.

„Mann, ich hätte nicht gedacht, das Ihr solche Memmen seid! Geister gibt’s nicht! Das haben die euch nur erzählt, damit wir von dem Tunnel fernbleiben! Also los jetzt! Hat einer von euch eine Taschenlampe dabei?“ rief George ärgerlich.

Seine Jungs verneinten.

„Dann macht das Loch größer, damit mehr Licht ins Innere fällt!“
 

Das Krachen der Bretter, die die Jungen von außen lostraten, riß Casey aus seiner Benommenheit. Er war etwa zehn Meter hinter der Bretterwand neben dem rechten Gleis zu Boden gestürzt. Wie durch ein Wunder war er unverletzt geblieben, bis auf ein paar blaue Flecken. Aber bei denen würde es nicht bleiben, wenn er George und den anderen Vier in die Hände fiel!

„Mann, sind die sauer auf mich! Wenn die mich haben, blüht mir was!“ dachte er. Langsam bekam er es mit der Angst zu tun. Also erhob er sich schnell wieder und lief weiter in die Dunkelheit hinein.

„Da läuft er, George!“

„Ich seh´s, Henry! Jetzt bist Du fällig!“

Mit lautem Gejohle stürzte die Bande in den dunklen Tunnel. Casey versetzte Ihre Enschlossenheit mehr und mehr in Angst. Gaben diese Burschen denn niemals auf? Vielleicht fand er hier in der Dunkelheit irgendeinen versteckten Winkel, wo er sich verbergen konnte und seine Verfolger Ihn übersehen würden...
 

Caseys Verfolger kamen immer näher. Und dem Jungen blieb nur noch die Flucht nach vorne. Während er rannte, begann auf einmal die silbern glänzende Metallplakette, die er noch immer um den Hals trug, und auf seiner Brust hin -und hertanzte, zu glitzern, obwohl es im Tunnel kein Licht gab.

„Verdammt, Rusty! Ich wünschte, Du wärest jetzt bei mir! Als großer, starker Freund, der mich vor diesen Schlägertypen beschützt! Rusty...“

Mit diesem innigen Wunsch im Herzen lief Casey noch einen Schritt-dann hatte er plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen und stürzte mit einem Aufschrei in die Tiefe...

Als George und seine Bande wenige Augenblicke später den Platz erreichten, war keine Öffnung im Boden zu sehen.

„Habt Ihr das gehört? Da hat doch einer geschrien!“ rief Robert erschrocken.

„Ja, das war Casey! -Hey, Casey! Wo steckst Du?“ rief Bobby.

„Vielleicht ist Ihm was passiert! In der Dunkelheit sieht man ja nicht, wohin man läuft! -George! Wir sollten wieder zurück gehen und die Polizei oder die Feuerwehr holen! Vielleicht ist da vorne ein Loch oder so was im Boden und Casey ist da reingestürzt!“

„Spinnst Du, Rick? Was glaubst Du, was dann los wäre! Los, wir verschwinden! Und wenn jemand uns nach Casey fragt, wir haben nur gesehen, wie er in Richtung des alten Tunnels lief, mehr nicht! Ist das klar?“

„Ja, Boß.“ nickten die anderen Jungen. Dann eilten alle Fünf nach draußen und ließen die Frage nach Caseys Verbleib im Dunkel des alten Tunnels zurück...
 

Rusty wurde an den Füßen vom Flußufer weggeschleift und auf die Füße gezerrt. Inzwischen war zu den sechs Gestalten eine Siebte hinzugekommen. Sie überragte die anderen um einen Kopf und baute sich nun vor Rusty auf. Da sie das helle Sonnenlicht im Rücken hatten, waren Ihre Konturen nur als dunkle Schatten zu sehen.

„Rusty-Boy, wir müssen ein ernstes Wort miteinander reden!“ sagte sie mit einer Stimme, in der Hochmut und Verachtung für seinen Gegenüber mitschwangen.

„Schon wieder, Greaseball?“

„Man hat mir geflüstert, Du hättest wieder das Lied gesungen! Jenes Lied, von dem ich Dir gesagt habe, das ich es nie wieder hören wollte!“

„Keiner kann es besser als die Dampflok?“

„Yeah, Kleiner! Du hast wohl noch immer nicht genügend Respekt vor Diesel, was?“

„Doch, Graseball, das habe ich! Ihr seid ja leider viel schneller und stärker als ich.“ meinte Rusty kleinlaut.

„Wer´s glaubt, wird seelig, Baby! Und dann heute morgen: Du hast mit deinem riesen Dampfstoß und deinem Rußstaub meine Frisur ruiniert! Und als dich dann nach getaner Arbeit meine Jungs zu einer Unterredung abholen wollten, bist Du einfach getürmt und wir mussten dich bis hierher vor die Stadt verfolgen! Das war nicht sehr nett, Rusty!“ erklärte Graseball mit gespielter Freundlichkeit und hob mahnend den Zeigefinger.

„Hey, das war keine Absicht! Ich musste den Dampf ablassen! Die Güterwagen waren ziemlich schwehr und mein Kessel hatte zu viel Druck! Er wäre geplatzt, hätte ich nicht den Druck verringert!“

„Das wäre kein großer Verlust gewesen!“ meinte Greaseball höhnisch. Die Übrigen lachten.

Rusty ignorierte diese Beleidigung und rief: „Rußstaub fliegt immer, wenn ich unterwegs bin! Außerdem sind deine Haare eh schwarz! Was kann ich dafür, das Du gerade vorbeikommen musstest und in die Dampfwolke geraten bist!“

Greaseballs Miene verhärtete sich.

„Eine ganze Menge!“ rief er und versetzte Rusty einen derben Stoß! Der taumelte zurück, gegen einen von Greaseballs Kumpanen, und dieser versetzte Ihm einen Stoß in den Rücken! Rusty verlor das Gleichgewicht und fiel wieder bäuchlings zu Boden.

„Ich hätte entgleisen und mir Beulen in meine Chromhülle holen können! Oder Schlimmeres!“

fuhr Graseball mit drohendem Unterton fort. Gleichzeitig spürte Rusty, wie sich etwas schwehr auf seinen Rücken setzte und Ihn am Boden festnagelte.

„Gar nichts wäre Dir passiert! Die Wolke hat sich doch gleich wieder verzo-aaah!“

Graseballs Hand legte sich auf Rustys Hinterkopf und drückte sein Gesicht in den feuchten Dreck.

„Der Fall ist klar, Boys! Er hat immer noch nicht gelernt, genügend Respekt vor uns zu haben! Aber den bringen wir Ihm jetzt bei!“

„Aaah! Hört auf!“ keuchte Rusty, als sein Gegner summend seinen Kopf mit beiden Händen ergriff und grob hin-und herdrehte, dann flehte er leise: „Starlight Express! Bitte, wenn Du irgendwo da draußen bist, hilf mir! Ich brauche dich! Die nehmen mich sonst auseinander!“

Plötzlich begann für alle unbemerkt, eine kleine Plakette an Rustys Hals zu glitzern...
 

Wie lange Casey fiel, wußte er nicht. Aber er hoffte, das sein Fall bald zu Ende sein möge und er eine weiche Landung hatte. Denn er fürchtete sich schrecklich. Dann aber entdeckte er das Glitzern der Plakette.

„Willst Du mich irgendwo hinführen? Wohin geht meine Reise?“ fragte er seinen Talisman leise. Plötzlich entdeckte er unter sich einen Lichtschein, der sich rasch vergrößerte und näherkam. Und Casey stürzte auf dieses Licht zu!
 

„Bitte! Hör auf!“ flehte Rusty. Graseball saß immer noch auf seinem Rücken und hielt Ihn am Boden. Dabei wirkte beinahe sein ganzes Gewicht auf den armen Rusty ein.

„Du brichst mir mein Rückgrat mit deinem Tonnengewicht!“ klagte er.

„So was hast Du doch gar nicht, Du rostiger Teekessel!“ höhnte einer der Anwesenden.

Plötzlich erfüllte ein Donnergrollen die Luft. Alle sahen nach oben.

Im nächsten Moment wurde die ganze Gruppe von einem hellen Licht am Himmel geblendet!

„Aah! Was ist das? Für heute war doch kein Gewitter angemeldet!“ fluchte einer von Graseballs Kumpel.

„Du hast doch wohl nicht etwa Angst, Steel?“ scherzte sein Nebenmann.

„Gleich kriegst Du Angst, Copper!“ knurrte die schwarz-gelbe Gestalt und drohte mit seiner rechten Faust.

„Mann, war doch nur´n Scherz!“
 

So schnell wie das helle Licht gekommen war, so schnell war es auch wieder verschwunden.

„Also das Wetter heutzutage...na, Rusty? Du hast wohl gedacht, dein Starlight Express würde Dir zu Hilfe kommen! Wir alle wissen, das Du noch an dieses Kindermärchen für kleine Loks glaubst! Wirklich erbärmlich!“ höhnte Greaseball und lächelte böse. „Und nun, mein lieber Rusty, werden wir-GAAAH!!“

Er konnte den Satz nicht mehr zu Ende sprechen, denn im selben Moment landete Etwas direkt auf seinem Kopf und plättete seine Frisur! Es war Casey, der mit seinem Hinterteil von Graseballs Kopf abgeprallt war und nun unsanft im Gras landete! Gleichzeitig verlosch das Glitzern auf den beiden Plaketten, als hätten sie Ihren Dienst erfüllt.

„Auuah! Mann, war das hart!“ klagte er und rieb sich seine schmerzenden vier Buchstaben. Als er wieder seinen Blick hob, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen!

Vor Ihm befanden sich sechs seltsam aussehende Gestalten, die eine noch merkwürdigere Gestalt im Halbkreis umringten. Auf den ersten Blick sahen sie wie Menschen aus. Doch sie waren äußerst merkwürdig gekleidet. Die ersten sechs trugen schwarz-rote oder schwarz-gelbe Overalls mit Arm-und Knieschützern und seltsame, eckige Helme auf dem Kopf, die nur die Augen freiließen. Obenauf waren je zwei Scheinwerfer angebracht. Auf den Schultern entdeckte er kastenartige Aufbauten, man könnte diese Gestalten am ehesten für Tiefseetaucher halten. Und sie sahen alle fast glieich aus. Aber an den Füßen trugen sie Schuhe mit Rollen! Keine Inline-Skates, wie Casey sie an den Füßen hatte, sondern noch die altmodische Variante mit vier Rädern und einem Stopper vorne an den Spitzen.
 

Auf der Wiese war es totenstill geworden und die Gruppe starrte den Neuankömmling überrascht an.

Selbst Rusty hob für einen Moment den Kopf um nachzusehen, was seine Peiniger so aus dem Konzept geworfen hatte.

„Hey! Wo kommt der denn auf einmal her, Big „G“ ? Was ist das denn für ein Wicht?“ rief schließlich der Schwarzgelbe, der sich Steel nannte und deutete auf Casey.

Greaseball, der von seinen Anhängern und Fans gerne Big „G“ genannt wurde, drehte sich in Richtung des Jungen. Er war sicher gut über zwei Meter groß, wenn er ersteinmal stand und trug einen Einteiler, der Casey an eine glänzende Rüsung erinnerte. An eine Rüstung mit Chrom und Messingbeschlägen, die in der Sonne glänzten. Er bot wirklich einen imposanten und stolzen Eindruck. Und auch er trug diese Rollschuhe. Allerdings keinen Helm, sondern eine übergroße Haartolle, an der er jetzt verärgert herumzupfte.

„Es ist mir egal, wer er ist und woher er kommt! Tatsache ist, das er mir meine Frisur ruiniert hat!“ grollte Graseball und versuchte, seine Haartolle wieder in Ordnung zu bringen, die Casey bei seinem Aufprall geplättet hatte. “Und Ihr wißt, Boys, was passiert, wenn einer meiner Frisur so etwas antut..“

Die hühnenhafte Gestalt warf dem Jungen einen eisigen Blick zu!
 

„Lauf weg, Junge!“ ächzte auf einmal jemand zu Greaseballs Füßen. Casey senkte seinen Blick und entdeckte den Achten dieser seltsamen Gruppe. Sein Einteiler war ein buntes Fleckenmuster aus rostrot und schwarz, auch er trug keinen Helm, sondern nur ein rot-gelb-schwarzes Stirnband das die Strähnen seines schulterlangen, braunen Haares aus dem Gesicht hielt. Hinten auf seinem Rücken befand sich eine Art rechteckiger Tornister, vorne auf der Brust war eine seltsame Vorrichtung zu erkennen, die den Jungen an die Kesselklappe einer Dampflok erinnerte. An den Ellenbogenschützern ragten kleine Nachbildungen von Puffern heraus, ebenso am unteren Ende des rechteckigen Tornisters. Auch die Knie waren mit Schützern versehen und als Grundausstattung bei allen Loks vorhanden. Und an den Unterarmen bemerkte Casey drei stilisierte silberfarbene Räder, das dritte bedeckte den mit Handschuhen geschützen Handrücken.

Mit gequältem Blick sah das fremdartige Wesen zu Casey hinüber, ein jugendliches, sanftes Gesicht. Und als die Augen der beiden sich trafen, durchfuhr dem Jungen die Erkenntnis wie ein Blitz!

„Rusty!“ rief er. Sein Traum schien wahr geworden zu sein! Zu Füßen dieses großtuerischen, glänzenden Typen lag sein Freund, den er sich so dringend gewünscht hatte! Eine Lok, eine Dampflok in menschlicher Gestalt! Es gab keinen Zweifel, denn Casey bemerkte deutlich den Geruch von Rauch, Kohle und Öl, wie bei der alten Dampflok, die Zuhause im alten Schuppen stand. Und all die anderen Anwesenden erinnerten Ihn ebenfalls an Lokomotiven!

„Das sind die Loks aus meinen Träumen! Bin ich vielleicht ohmächtig und träume das alles nur?-Aber ein schmerzender Hintern und Gras, das ich fühle und rieche, kann wohl doch kein Traum sein! Ich fasse es nicht! Meine Träume sind zum Leben erwacht! Es scheint wirklich eine Welt zu geben, wo Lokomotiven wie Menschen aussehen! Und ich bin mittendrin! Wow!“ dachte Casey und blickte sich mit großen Augen um. Es war ein faszinierendes Erlebnis für den Jungen, seine Traumwesen nun plötzlich real vor sich zu sehen. Aber es schien, als sei Casey vom Regen in die Traufe gekommen, denn hier gab es ebenfalls Ärger! Und er steckte mittendrin!

„Oh Mann! Erst George und seine Bande, und jetzt auch noch diese Lok-Typen, die den armen Rusty quälen! Was für ein Tag!“ dachte er.

Greaseball erhob sich und machte einen Schritt auf Casey zu! Der Junge wollte noch ausweichen, doch es war zu spät. Er wurde hinten am Kragen gepackt und hochgehoben.

„Sieht aus wie ein Mensch. Aber er hat Räder an den Füßen wie wir! Die sind ja hintereinander angeordnet, statt nebeneinader! So was verrücktes! Damit kann man doch nicht fahren!“

„Klar kann man das, Schmalzlocke! Laß mich runter, dann zeig ich´s Dir! Ich bin der schnellste Inline-Skater in meiner Stadt! Und Du bist nichts weiter als eine Protz-Lok!“

„Hey, wie redest Du mit Big „G“? Er ist die stärkste und die schnellste Lok!“ rief Copper ärgerlich.

„So wie Du riechst, fährst Du auf Diesel, nicht wahr? Da wo ich herkomme, gehören Dieselloks schon zum alten Eisen!“ rief Casey und staunte, wie viel Mut er besaß, sogar einem fast-zwei-Meter Diesel zu trozten!

„Also das muß ich mir nicht gefallen lassen, Du elender Wurm! Kein Mensch wagt es so mit mir zu reden!“ rief Greaseball zornig und mit einem Schwung schleuderte er den Jungen ins Gras zurück. “Aus meiner Stadt bist Du nicht, deshalb lasse ich dich laufen! Aber laß dich bloß nicht auf meinem Bahnhof blicken!“
 

Rusty hatte die Ablenkung genutzt, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber schon war der Diesel wieder zur Stelle und stieß Ihn um!

„Langsam, Rusty! Wir sind noch nicht fertig!“

„HEY! Laßt Ihn in Ruhe! Sieben gegen Einen! Findet Ihr das fair?“ rief Casey erbost, lief auf den am Boden liegenden zu und stellte sich schützend vor Ihn! Hier war sein lang gewünschter Freund, der Hilfe brauchte und das gab dem Jungen den Mut, sich für Ihn einzusetzen.

„Du bist ja immer noch da!“

„Ich habe keine Angst vor Dir, Schmalzlocke! Was hat Rusty Dir getan?“

„Dieser Rosteimer hat mich beleidigt und mich beinahe zum Entgleisen gebracht! Aber das geht dich nichts an, also verschwinde endlich! Das ist eine Sache zwischen uns Lokomotiven!“

„Und ob es mich was angeht! Rusty ist mein Freund!“

„Dieser alte Rosteimer? Der Dampfer? Keiner hat heute mehr eine Dampflok zum Freund! Und schon gar nicht so einen roststichigen Teekessel, wie den da!“

„Oh doch! Rusty hat mich! Und er ist eine Dampflok, kein Kochgeschirr!“

Greaseball und die anderen begannen schallend zu lachen. Der Gedemütige warf Casey einen dankbaren, aber auch besorgten Blick zu.

„Du solltest wirklich besser verschwinden, Junge!“ riet er Ihm abermals. Doch Casey ignorierte seinen Rat. Er wußte, das das, was er tat, richtig war.

„Ich wette, Du hast wegen deiner Verrücktheit sicher keine Freunde unter deinesgleichen!“ höhnte eine weitere der schwarzen Dieselloks mit Namen Lead.

„Das stimmt.“ entgegnete Casey kleinlaut. Doch dann wurde sie sofort wieder fester.„Aber es ist mir egal! Ich stehe zu Rusty!“

„Dann wird es uns ein Vergnügen sein, dich ebenfalls plattzumachen!“ grinste Greaseball und baute sich vor den Beiden auf.

„Hey, Big „G“! Vergiß nicht das Rennen gegen Krokodil, den angereisten Herausforderer aus Emmental !“ fiel plötzlich Steel ein.

„Du liebe Zeit! Natürlich, ich muß mich vorbereiten!-Okay, Boys, die beiden gehören euch! Viel Spaß, aber treibt es nicht zu toll, sonst gibt’s Ärger mit dem Bahnhofsvorsteher! Und wir wollen es uns doch nicht mit dem großen Boß verderben.“

„Klar, Boß!“

„Also, bis später! Und beeilt euch, Ihr wollt doch schließlich sehen, wie ich wieder als Sieger hervorgehe!“

„Oh Mann! Einbildung ist auch ne´ Bildung!“ bemerkte Casey angewiedert. „Der Kerl ist so schmierig wie der Treibstoff, mit dem er läuft!“

Als Greaseball sich entfernt hatte, schlossen seine Kumpane den Kreis um Rusty und Casey. Der Junge konnte deutlich das hämische Grinsen unter den Visieren Ihrer Helme sehen. Er stand da, hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte herausfordernd in die Runde. Äußerlich mochte er selbstsicher wirken, aber innerlich bebte er doch vor Angst. Was konnte er alleine gegen diese ausgewachsenen Dieselloks ausrichten? Und diese Angst spürte Rusty. Und die Hoffnung, das er Casey beistehen würde. Nein, er konnte nicht zulassen, das diese Kerle dem Jungen, der so plötzlich aus heiterem Himmel aufgetaucht war, etwas antaten! Die Sitouation war ziemlich brenzlig!

„Hey, Jungs! Laßt den Kleinen in Ruhe! Ich bin es, den Ihr wollt!“ rief er.

„Sieh mal einer an! So mutig auf einmal?“ höhnte eine weitere Diesellok aus dem Sextett mit Namen Brass.

„Ihr kriegt ne´Menge Ärger, wenn Ihr einem Menschenkind etwas antut!“

„Natürlich!“ nickte Lead und witzelte mit überdrehter Stimme: “Hilfe, man wird uns verschrotten!“

Alle sechs brachen in schallendes Gelächter aus. Während Rusty versuchte, das unvermeidliche herauszuzögern, tastete seine rechte Hand nach etwas in Höhe seiner Brust. Im Nächsten Moment ertasteten seine Finger das gesuchte Objekt. Schnell zog er es hervor und setzte es an den Mund!

Sekunden später durchschnitt ein gellender Pfiff die Stille! Alle sechs Gegner schrien gepeinigt auf und pressten Ihre Hände auf die Stellen Ihrer Helme, worunter die Ohren lagen.

„Aaah! Meine Ohren!! Tut das weeh!!“ jammerten sie

„Nichts wie weg!“ schrie Copper, als abermals dieses penetrante Geräusch erscholl! Auch Casey klingelten die Ohren und er presste seine Hände dagegen.

„Wir sprechen uns noch, Rusty!“ knurrte Steel und mit schmerzenden Trommelfellen suchten Graseballs Handlanger das Weite.

„Hey, Rusty, das war echt toll!“ rief Casey. „Mir hätte es fast meine Trommelfelle zerfetzt! Aber es hat gewirkt! Die hauen ab!“

Rusty aber lag keuchend auf der Seite und schnappte nach Luft.

„Oh Mann, Dir scheint die Puste ausgegangen zu sein!“

„Tut-mir ...leid, aber...ich ...habe -eigentlich...nicht die ...Kraft ..dafür!“

Im nächsten Moment klappte Rusty entgültig zusammen und fiel in Ohnmacht.
 

(Fortsetzung folgt...)

2. Das Eisenbahn-Wunderland ?

Ein kurzes Vorwort: Ich habe mich während ich zu schreiben begann, einiges technisches Buchmaterial besorgt. Zeitweise gibt es technische deltaillierte Beschreibungen, ich habe reale Technik und Phantasie miteinander vermischt. Ich hoffe, die Beschreibungen langweilen euch nicht....
 

Kapitel 2: Das Eisenbahn-Wunderland
 

Als er wieder zu sich kam, spürte er, wie jemand mit einem feuchten Lappen über sein Gesicht fuhr. Er schlug die Augen auf.

„Ah, Du bist wieder wach. Wie geht’s Dir?“

Casey hatte sich über Rusty gebeugt, in einer Hand hielt er sein Halstuch. Er mußte es ins Wasser des Flusses getaucht haben, denn es tropfte vor Nässe. Zum ersten Male konnte der Junge nun einen genaueren Blick auf das Gesicht dieses Wesens vor sich werfen und vor allem auf seine Augen. Sie waren von leuchtend blauer Farbe und hatten einen freundlichen und ehrlichen Blick voller Leben, wie die eines Menschen. Und als Casey in diese Augen blickte, war er sich sicher, das dieses Wesen eine Seele hatte.

Rustys Gesicht hatte dieselbe helle Hautfarbe wie die der Menschen, nur die Augenlider bis zu den Brauen waren weiß. Die unteren Lider zierten schwarze Ränder. Auf den Wangen befanden sich links und rechts je eine rote Signalmarkierung und unten um das Kinn konnte der Junge so etwas wie Nieten erkennen, das bestätigte, das Rusty trotz allem eine Maschine war. Eine besondere Maschine.

„Danke, das Du dich so für mich eingesetzt hast. Aber woher kennst Du meinen Namen? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

„Ich bin auch nicht von hier, sondern aus einer anderen Welt. Aber warum und wie ich hier gelandet bin, weiß ich nicht. Vielleicht, weil Du mich gebraucht hast, weil wir einander gebraucht haben. Ich hätte nicht gedacht, das es solche wie dich wirklich gibt! Ich habe von euch geträumt!“

„Eine andere Welt? Wo soll das sein?“

„Kann ich Dir auch nicht erklären. Aber Du wurdest von diesen Typen verfolgt und bei mir war es genauso, bevor ich irgendwie hierherbefördert wurde! Ich weiß nur noch, das ich in diesem alten Tunnel vor diesem George und seiner Bande geflüchtet bin und dabei fest an dich dachte! Und dann war plötzlich der Boden unter mir weg und ich fiel in ein schwarzes Loch! Weißt Du, ich wohne auch auf einem Bahnhof, allerdings ist der schon lange stillgelegt. Aber wir sind dabei, Zug wieder auf Vordermann zu bringen und dazu gehört auch eine alte Dampflok mit Namen Rusty. Ich habe sie so genannt. Aber es ist keine solche Dampflok wie Du. Sie ist eben ....eine normale Dampflok.“

„Das bin ich auch. Klopf einmal.“

Casey pochte mit der Faust gegen Rustys Arme und Beine, zuletzt gegen seine Brust. Jedesmal war ein metallisches Geräusch zu hören. Aber er fühlte sich warm an. Besonders am Rumpf.

„Klar, hier befindet sich auch mein Kessel. Und diese Klappe ist die Öffnung für die Feuerbüchse.“ beantwortete Rusty die Caseys Feststellung. Ich brauche Feuer und Wasser, damit ich laufen kann. Glücklicherweise kann ich mich selber mit den nötigen Brennstoff und der Flüssigkeit versorgen.“

„Ist echt toll! Aber mein Rusty zuhause besteht nur aus Stahl und Eisen. Er hat keine Seele, so wie Du. Er ist nur eine Maschine. Alle Loks sind bei uns so. Aber in meinen Träumen wart Ihr alle lebendig! Ich habe zuerst auch gedacht, ich träume, aber Du bist echt und die blauen Flecken auf meinem Allerwertesten sind auch keine Einbildung.“

„Eure Züge haben keine Seele? Wie könnt Ihr sie dann verstehen? Bei uns hat jede Lok und jeder Wagen eine. Jeder ist ein Individuum.“

„Habt Ihr ein Glück!“

„Ja, für viele von uns ist es ein Glück, aber nicht für mich! Sieh mich doch an! Ich bin die letzte Dampflok, die in meinem fernen Heimatland gebaut wurde! Danach wurde das Werk stillgelegt!“

„Wo wurdest Du gebaut?“

„Ach, daran erinnere ich mich nicht mehr! Es ist schon so lange her! Aber der alte Pop stammt von hier, das hat er mir jedenfalls erzählt.-Ich wurde hierher nach Kommoran verkauft, weil in meiner alten Heimat schon kein Bahnhof Verwendung für mich hatte! Hier wurde ich noch anfangs im Personenverkehr eingesetzt, als es noch nicht so viele Dieselloks gab! Aber dann gab es für mich und Pop immer weniger zu tun, das meiste übernahmen die neuen Loks! Und in den letzten Jahren wird für meine Instandsetzung so gut wie gar nichts mehr getan! Nur das allernötigste! Deshalb habe ich mehr Rost an mir als schwarzen Anstrich! Und deshalb nennen mich alle nur noch Rusty! Meine Zeit ist vorbei, solchen Kerlen wie Greaseball, Steel und Copper gehört nun die Zukunft!“

„Ich kann dich gut verstehen.“ antwortete Casey traurig und wischte mit seinem nassen Halstuch die letzen Schlammspuren ab. „Warum war dieser schmierige Diesel nur so hinter Dir her?“

„Er kann mich nicht leiden! Genausowenig wie seine Kammeraden, die nun die ganze Arbeit auf dem Bahnhof und den Strecken machen! Ich darf nur noch die Güterwagen von und zu den Fabriken ziehen! Kurzstrecke! Etwas langweiligeres gibt es nicht! Für die Personenwagen bin ich eben zu unansehnlich!“ klagte Rusty und versuchte, wieder aufzustehen. „Dabei bin ich eigentlich als Schnellzuglok konstruiert worden und nicht für den Güterverkehr!“

„Warte, ich helfe Dir!“ sagte Casey und griff seinem neuen Freund hilfreich unter die Arme. Als er dann wieder aufrecht stand, überragte er den Jungen um mehr als das das Doppelte.

„Und heute morgen hat er mitgekriegt, wie ich wieder vor mich hergesungen habe!“

„Was! Seit wann ist singen ein Verbrechen?“

„Er haßt nicht das Singen selbst, sondern das Lied, das ich gesungen habe.“

„Wie geht das?“

Rusty sah sich zuerst nach allen Seiten um, bevor er weitersprach. Casey spürte, das er sich vor der Rache dieses starken Diesels fürchtete.

„Es geht so: Woowoo, woowoo, keiner kann es besser als die Dampflok! Das hasst er mehr als alles andere!“

„Das gleiche habe ich auch gesungen, bevor mich George und seine Bande gestellt haben! Irre!“

„Wirklich?“

Der Junge nickte.

„Für mich hat sich noch nie jemand so eingesetzt. Weißt Du, als ich da so hilflos am Boden lag und Greaseball über mir thronte, habe ich auch für mich um Hilfe gefleht! Aber ich dachte an jemand anderen.“

„An wen?“

„An den Starlight Express. Das ist eine alte Legende bei uns. Es heißt, von der großen Sternenlok hätten wir unsere Seelen. In jedem von uns sei ein Teil von Ihm.“

„Das ist ja abgefahren! Bei uns gibt es ein Märchen vom Starlight Express, das die Eisenbahner Ihren Kindern erzählen! Er erscheint nur nachts, wenn man die Sterne sieht und zieht dann am Himmel seine Bahn. Wie gesagt, nur ein Märchen für Kinder. Vielleicht hat ein Komet jemanden zu dieser Geschichte inspiriert. Auf jedenfall ist es irre, wie viel wir doch gemeinsam haben! Wer weiß, vielleicht hat dein Starlight uns zusammengebracht! Wir sind sicher seelenverwandt!“

Auf einmal fiel Rustys Blick auf Caseys Plakette.

„Wo hast Du die her?“

„Von unserer alten Dampflok, die bei mir zuhause im Schuppen steht. Wieso?“

„Schau her.“

Rusty hockte sich vor dem Jungen nieder und deutete vorne auf seinen Hals.

„Warte mal...da ist noch etwas Schmutz drauf...“ er wischte über die angezeigte Stelle und erlebte eine Überraschung! „Die Plakette! Du hast die gleiche Plakette wie ich! Wir haben wirklich vieles gemein! Das muß etwas bedeuten! Sonst wären wir nicht zusammengekommen!“

„Das glaube ich langsam auch, Casey. Ich verstehe nur nicht, warum.“

„Ich schon. Auf uns warten sicher Abenteuer! Das ist immer so, wenn sich zwei aus verschiedenen Welten treffen! Um einander zu helfen und um etwas zu bewegen, was immer es auch sei! Jawohl!“

„Deinen Enthusiasmus möchte ich haben! -Aber vielleicht weiß der alte Pop Rat.“

„Der alte Pop? Wer ist das? Dein Lokführer?“

„Nein, Pop ist auch eine Dampflok. Unser Lokführer, der uns betreut, heißt Digger. Pop ist größer und die älteste noch arbeitende Lok von Kommoran. Außerden ist er äußerlich viel besser in Schuß. Jeder achtet und respektiert Ihn. Er hat mehr Kilometer auf dem Kessel als jeder andere von uns. Er ist auch sehr weise und kennt viele Geschichten, die er oft den Kindern erzählt. Selbst ich liebe es, Ihm zuzuhören. Ich wohne mit Ihm im alten Lokschuppen am Rand des Bahnhofs. Wenn einer mehr zu unserer Begegnung sagen kann, dann er.“

„Also los! Dann laß uns abdampfen!“

„Und wie?“

„Siehst Du die Ringe hinten an meinem Gurt? Halte dich einfach daran fest. Denn wie ich sehe, hast du auch Räder an den Füßen. Eigentlich ungewöhnlich für einen Menschen.“

„Läuft bei euch niemand Inline-Skates oder Rollschuhe?“

Rusty sah Casey verständnislos an.

„Ich verstehe. Ihr kennt so etwas wohl nicht. Und deine Roller sind fest integriert.“

„Natürlich. Menschen laufen, Züge rollen. So ist das nun mal. Aber es geht auch noch anders. Tritt etwas zurück.“

Casey trat drei Schritte zurück. Rusty verschränkte die Arme vor der Brust und rief: „Transformation!“

Im nächsten Moment wurde aus der humanoiden Gestalt eine richtige Dampflok, die fast wie jene Lok aussah, die zu Hause in Caseys Welt im alten Schuppen stand. Nur waren die roten Treibräder größer.

„Ja! Genau! So sehen bei uns Dampfloks aus! Du siehst beinahe wie der alte Rusty bei mir zu Hause aus!“rief der Junge.“Nur deine Treibräder sind anders. Der Größe und Bauart nach bist Du wirklich eine Schnellzuglok.“

„Genau. Das, was Du nun siehst, ist unser Maschinenmodus. In diesem Zustand können wir Menschen und Güter transportieren. Und wir waren zuerst nichts anderes als Maschinen, bis der Starlight uns allen eine Seele schenkte. Seitdem können wir uns verwandeln.“ vernahm Casey weiterhin Rustys Stimme.

„Abgefahren! Und das kann jede Lok von euch?“

„Jede Lok und jeder Wagen.“

Rusty wechselte wieder in seine menschliche Gestalt zurück.

„Für eine Transformation muß man sich sehr konzentrieren, sonst klappt es nicht. Neue Loks und Waggons müssen das erst ein wenig üben, bis sie jederzeit eine Transformation durchführen können.“

„Aha-aber was ist, wenn Ihr transformiert und es sind gerade Menschen in den Waggons oder Loks? Oder Ladung in den Güterwaggons?“

„Keine Sorge. Die Menschen stehen dann eben neben uns im Freien! Genauso ist es mit der Fracht. Es kann euch also gar nichts passieren!“

„Oh Mann, ich kann es kaum erwarten, die anderen zu sehen!“

„Dann halt dich fest!“

„Okay!“

Casey ergriff die beiden Halteringe am Gurt seines neuen Freundes und ließ sich von Ihm ziehen. Mit leichten, geschmeidigen Bewegungen pflügte Rusty durch das Gras. Im Hummanoid –Modus konnte er scheinbar jedes Gelände bewältigen. Als er beschleunigte, wechselte sein lautloser, normaler Atem in einen geräuschvollen, stoßweisen, er klang nun genauso wie eine Dampflok. Und aus seinem Mund traten bei jedem Ausatmen kleine, weiße Dampfwolken. Also über nahm der Mund im Humanoid-Modus die Funktion des Kamins.

Dem Jungen fuhr der Fahrtwind über das Gesicht und durch das Haar und er genoß die rasche Fahrt.

„Rusty?“

„Ja?“

„Dieser Greaseball sprach vorhin von einem Rennen, das er gegen einen Typen namens „Krokodil“ gewinnen will! Bei uns gab es eine Lok-Baureihe, die Krokodil genannt wurde.“

„Krokodil ist auch hier eine Lok. Er hat Greaseball herausgefordert! Er stammt aus Rätina. Sein Bahnhof gehört zur Hauptstadt Emmenthal. Die Emmenthaler sind bekannt für Ihre Krokodil-Lokomotiven.“

„Erzähl mir mehr über dieses Rennen.“

„Es gibt eine richtige Meisterschaft für Lokrennen. Sie werden nur in Humanoid-Modus gefahren, also in der Form, die ich jetzt angenommen habe. Aber es ist nicht nur ein reines Wettrennen, nein, jede Lok hat einige besondere Attacken, die sie während dem Wettlauf einsetzen kann, um die Gegner am Überholen zu hindern! Ein richtiger Kampf auf Schienen bei vollem Tempo!“

„Wow! Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig! Das will ich sehen! -Bist Du auch schon mal so ein Rennen gefahren?“

„Machst Du Witze? Sieh mich doch an! Ich habe meine besten Tage schon hinter mir und keine richtige Kondition! Außerdem beherrsche ich nur die Dampfstoßattacke und die richtet nicht viel aus! Und für die Pfeiffattacke fehlt mir die nötige Puste!“

„Hey, mach dich nicht schlechter, als Du bist! In meinen Träumen warst Du der Sieger! Wir sind allen davongefahren!“

„In deinen Träumen! Doch gegen all die neuen Loks habe ich keine Chance! Ich stehe mit einem Bein schon auf dem Abstellgleis! Du hast es ja selbst gesehen! Ich werde von jedem untergebuttert! Würde ich auch nur eine Lok herausfordern, würde mich jeder auslachen!“

„Ein bischen mehr Selbstvertrauen würde Dir nicht schaden, Kumpel. Aber jetzt bin ich ja da. Ich werde Dir helfen. Und für einen neuen Anstrich werde ich auch sorgen, versprochen. Ich weiß, wie das geht. Mein Dad und ich restaurieren ja zu Hause unseren eigenen Rusty. Aber sag einmal, könnt Ihr auch im Maschienenmodus ohne Gleise fahren?“

„Nein, da sind wir auf sie angewiesen. Unsere Räder sind dafür zu groß und zu schwehr. Auch jetzt habe ich Mühe, vorwärtszukommen. Am liebsten bin ich auf den Gleisen unterwegs.“

„Klar, dazu sind sie auch da.“

„Da vorne beginnt übrigends eine der Schienenstraßen, die nach Kommoran führen.“

„Kommoran?“

„Ja, so heißt mein Heimatbahnhof. Kommoran ist die Hauptstadt unseres Landes Ruthia.“

Mann, ich bin wirklich ganz woanders gelandet. Solch ein Land und eine Stadt mit diesem Namen gibt es auf der ganzen Erde nicht, dachte sich Casey.

Rusty fuhr auf einen erhöhten Damm zu und hinauf.

„Und eure Schienen sehen auch anders aus als unsere! Seit wir auf Ihnen fahren, sind eure Gleise in Asphaltbahnen eingelassen! Bei uns nur auf Bahnübergängen!“

„Die Gleise benutzen wir nur im Maschinenmodus. Unsere Räder sind da auch anders. Aber jetzt benutze ich die asphaltierte Bahn, wie eine Straße.“

„Wow! Du bist echt vielseitig! Eine All-Terrain-Lok!“rief der Junge. “Nur schwimmen kannst Du sicher nicht.“

„Schwimmen? Im Wasser? Erinnere mich nicht daran! Ich bin viel zu schwer, würde untergehen wie ein Stein und elend ertrinken! Wir brauchen genau wie Ihr, Luft zum Atmen! Nur funktionieren unsere „Lungen“ ein wenig anders. Deshalb fahre ich nie gerne über Brücken, die über einen Fluss führen!“

Rusty schüttelte sich. “Ich habe einmal mitansehen müssen, wie eine Brücke vor mir während eines Hochwassers zusammenstürzte und eine Lok samt Waggon mit Ihr! Man konnte sie zwar bergen und sie haben überlebt, weil sie sich im Maschinenmodus befanden! Wären sie in meinem jetzigen Zustand gewesen, wären beide ertrunken und Ihre Seelen hätten sie verlassen und wären in den Himmel zum großen Sternenzug zurückgekehrt, dahin, woher Sie einst zu uns kamen! Deshalb habe ich solchen Bammel vor Brücken!“

„Ihr könnt also genauso irgendwann sterben wie ein Mensch? Das ist echt krass!“

„Aber auch im Maschinenmodus droht uns Gefahr! Werden wir durch einen Unfall zu schwer beschädigt, können wir ebenfalls unsere Seele verlieren! Zurück bleibt dann eine leere Metallhülle ohne Leben.“

„Verstehe.“ nickte Casey ernst. Er hielt seine Beine zusammen und ließ sie über den Asphalt laufen. “Ihr müsst also wie wir gut aufpassen!“

„Schau, da vorne ist bereits Kommoran!“

Bald tauchten am Horizont die ersten Häuser auf. Die Stadt lag in einem weitläufigen Tal, das von sanften Hügeln umgeben war, auf der gegenüberliegenden Seite begann ein großer Wald. Rechts davon, etwas außerhalb der Stadt, konnte Casey einen Steinbruch und Industrieanlagen erkennen, darunter auch die Fördertürme eines Bergwerks. Ganz in der Nähe lief ein Arm des Flusses vorbei, an dessen Ufer sich Casey und Rusty begegnet waren.

In der Stadt selbst gab es ein weit verzweigtes Gleissystem, das am großen Bahnhof von Kommoran zusammenlief. Er erinnerte Casey an die Bahnhöfe, die im Stil des vorigen Jahrhunderts bei Ihm zuhause in seiner Welt gebaut worden waren. Ebenso wirkte die Bauweise der übrigen Gebäude. Eine Art Jugendstil. Und dann entdeckte der Junge auch die ersten Einheimischen. Menschen, die so aussahen, wie er, deren Kleidung allerdings wie die Gebäude altmodisch wirkte. Auch gab es keine Autos, sondern Wagen, Kutschen und Karren, die von pferdeähnlichen Tieren gezogen wurden. Aber es gab Elektrizität, das sah er an der Straßenbeleuchtung. Und an den Oberleitungen im Bahnhof für die elektrischen Loks.

Rusty und Casey waren auf einer nicht elektrifizierten Nebenstrecke nach Kommoran gelangt.

„Irre! Das ist wirklich eine andere Welt! Aber sie gefällt mir!“ dachte Casey, als er mit Rusty in den Bahnhof einfuhr.

Der Hauptbahnhof war ein prachtvoller Bau, der Casey an die Bahnhöfe aus dem vorigen Jahrhundert erinnerte, die es in seiner Welt gab. Eine gewölbte Kuppel aus Stahl und Glas überragte die Gleise, dazwischen gab es Öffnungen, damit der Dampf und die Abgase der Loks abziehen konnten.

„Da vorne in der Halle findet der eigentliche Reiseverkehr statt.“ erklärte Rusty.

„Und wofür ist der Teil, wo wir uns gerade befinden?“

Auch hier gab es Gleise mit überdachten Bahnsteigen.

„Gleis 1-9 sind für den Fernverkehr und enden in der Halle, die Gleise 10-16 sind für den Verkehr innerhalb der Nebenbahnhöfe von Kommoran und für den Fracht- und Güterverkehr. Die dahinterliegende Gleisanlage mit den Lokschuppen gehört dann uns. Hier halten wir uns auf, wenn wir keinen Dienst haben. Es ist quasi unser Zuhause. So ist es im Grunde genommen auf jedem großen Haupt-Bahnof hier auf dem Kontinent.“ fuhr Rusty fort.“Und das Gleis 16a und 16b sind die Gleise für die Wettrennen. Bei drei Teilnehmern können auch die Weichen für Gleis 15 dementsprechend gestellt werden.“

Auf dem Bahnsteig zwischen Gleis 16a und 16b hatte sich bereits eine große Menschenmenge eingefunden, die sich auf den Bahnsteigen um zwei nebeneinanderlaufende Schienen versammelt hatte.

„Da, alle warten schon auf den Start des Rennens, siehst Du? Das ist immer ein großes Ereignis, im jeden Hauptbahnhof eines Landes!“ erklärte Rusty und hielt etwas außerhalb der Menge. „Und da drüben siehst Du nun meine Kollegen.“

Rusty wies nach vorne, wo neben dem Ende der Bahnsteige auf jeder Seite zwei Gruppen von Wesen standen, die Casey voller Staunen betrachtete.

„Die Gruppe da vorne sind die Personenwagen. Da haben wir zuerst Ashley, den Wagen für die Raucher.“

„Hey, das sind ja alles Mädchen!“

„Dann verstehst Du sicher auch, warum jede Lok lieber gerne Personenwagen angekuppelt hat.“

„Klar.“ grinste der Junge. “Oh mann! Diese Ashley macht Ihrem Namen alle Ehre! Sie qualmt selber wie ein Schlot!“

„Tja, sie hat im Humanoid-Modus immer einen Glimmstengel im Mundwinkel. Sie kann eben nicht anders, obwohl es ungesund ist.“

„Die da neben Ihr ist Sugar, ein normaler Zweiter Klasse Wagen. Davon haben wir fünfundzwanzig, die zum Hauptbahnhof hier gehören. Die Meisten sind immer irgendwo unterwegs. Genauso ist es mit den Erste-Klasse Waggons. Davon gibt’s hier nur fünf. Die mit dem goldfarbenen Anstrich da ist Buffy, eine Art fahrbare Imbissbude mit Bar. Aber nenne sie bloß nicht so in Ihrer Gegenwart, das hört sie nicht gerne! Sie ist einfach ein Buffetwaggon. Mit einer sehr überschwenglichen Art. Du wirst das noch merken! Tja, und dann gibt’s da noch Dinah, den Speisewagen, aber die ist gerade nicht da, weil sie mit Greaseball das Rennen fahren wird. Es fahren nämlich immer Lok und ein Waggon.“

„Verstehe. Dinah ist seine Freundin, seine Braut!“

„Kann man wohl sagen! Ich darf nicht mal in Ihre Nähe! Sie wohnt mit Greaseball in seinem Lokschuppen zusammen. Für die übrigen Waggonmädchen gibt es einen extra Waggonschuppen, die Güterwaggons bleiben immer im Freien.-So, und die da auf der anderen Seite sind die Güterwaggons, die Jungs, mit denen ich meist zu tun habe. Die drei da mit den eckigen Helmen sind die Rocky-Drillinge, geschlossene Güterwagen. Rot ist RockyI, grün RockyII und gelb Rocky III. Der Dicke mit dem glänzenden Helm auf dem Kopf ist Dustin, dient zum Transport von allerlei Massengut, wie Steinen, Kohlen und ähnlichem. Er und seine Ladung sind am schwehrsten, darum ziehe ich Ihn nicht so gerne mit mir herum. Und der mit dem zylindrischen Rumpf ist Tank, ein Tankwagen. Sein Bruder Barrel ist gerade unterwegs. Dann gibt es noch Plattformwaggons, Kühlwaggons, Postwaggons.....Im ganzen gehören zu meinem Heimat-Bahnof hier hundertzwanzig Personenwaggons und sechsundsechzig Güterwaggons. Die meisten von Ihnen sind ständig unterwegs oder in den kleinen Teilbahnhöfen untergebracht. Unser Güterbahnof liegt im Norden von Kommoran. Wir Lokomotiven, sieben hier im Hauptbahnhof und neun weitere auf den Außenbahnhöfen, teilen uns die Arbeit. Zwei Dampfloks, ich und Pop, Greaseball, seine sieben Dieselkumpane und sechs Elektro-Triebwagen, die vor jeder Fahrt immer aufgeladen werden müssen. Eine richtige E-Lok haben wir noch nicht, da erst ein Streckenabschnitt elektrifiziert wurde. Und über allem steht der Bahnhofsvorsteher und sein Assistent, unsere Chefs.“ erzählte Rusty.

„Toll! Und wo ist dein Kumpel Pop?“

„Entweder unterwegs oder in unserem alten Lokschuppen. Er steht dort hinter den drei großen Bäumen, wohin das alte Gleis führt. Ein Aussenseiter-Zuhause für zwei Aussenseiter-Loks!“

„Ach, Rusty, Du bist ein richtiger Schwarzseher! Versuche, das Beste aus allem zu machen!“

„Leicht gesagt, mit so einem Rivalen wie Greaseball, der einem das Leben zur Hölle macht!“

„Hey, und wer ist der schnieke Rote da? Der mit der Mütze!“

Rustys Blick verfinsterte sich.

„Halt dich bloß von Ihm fern, Casey! Das ist Red Caboose, unser Bremswagen! Ein intriganter Kerl, der nur versucht, anderen eins auszuwischen! Ein Trickser, ein hinterhältiger Kerl, der zu Greaseball hält! Trau´ Ihm niemals, Casey! Ich habe schon oft schlechte Erfahrungen mit Ihm gemacht! Er kann mich genausowenig leiden wie Greaseball und die anderen Diesel!“

„Ich merk´s mir, Rusty!“

„Er hat noch einen Bruder, den blauen Cablu, der ist ganz anders. Ein liebenswerter und netter Kerl. Aber der hat seinen Standort im Nebenbahnhof am anderen Ende der Stadt.“

An einem der Bahnssteige ging plötzlich ein Großbildschrim an und das Gesicht eines Mannes wurde sichtbar.

„Das ist Mr. Corell, unser Bahnhofsvorsteher!“ erklärte Rusty.“Ihm unterstehen wir alle, er ist unser großer Boß!“

„Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich begrüße sie auf dem Hauptbahnhof von Kommoran zu einem neuen Rennen um die begehrte Greenhill-Plakette unserer Stadt! Wie sie wissen, ist diese Plakette eine wichtige Trophäe, um sich für die große Meisterschaft, die jedes Jahr auf dem großen Central-Platteau stattfindet, zu qualifizieren! Der heutige Herausforderer ist Krokodil aus den Hauptbahnhof von Emmental!“ tönte es aus den Lautsprechern.

Als Casey seinen Freund fragend ansah, erklärte dieser: „Um sich für das Hauptrennen zu qualifizieren, mußt Du als Lok ersteinmal mindestens zehn Plaketten gewinen! Das bedeutet, Du mußt die zehn stärksten Loks der verschiedensten Hauptbahnhöfe auf dem Kontinent herausfordern! Dann bist Du in der A-Klasse und kannst mit den Großen rennen! Insgesamt gibt es etwa fünfundzwanzig Hauptbahnhöfe, die einen Favoriten haben und einige wenige kleinere Bahnhöfe, die solche Rennen austragen, Kommoran ist der Hauptbahnhof mit dem zur Zeit einzigem Superior-A Ligisten: Greaseball.- Je nachdem wie viele Plaketten Du erringst, steigst du immer eine Liga weiter auf. Es fängt mit der F-Liga an und die höchste ist die Superior - A-Liga, zu der auch Greaseball mit zwölf Plaketten gehört! Aber ich könnte Ihn niemals herausfordern, weil wir zum selben Bahnhof gehören! Ich könnte nur in der großen Meisterschaft gegen Ihn antreten! Und das würde ich sowieso nie!“

„Verstehe. Man braucht also mindestens zehn Plaketten, um am großen Meisterschaftsrennen teilnehmen zu können!“

„Eine Lok der höheren Liga hat natürlich viel mehr Renn-und Kampferfahrung als eine der niedrigeren Liga! Deshalb wird es schwierig für Krokodil werden! Greaseball steht auf einem sehr hohen Level! Und ich auf dem allerniedrigsten! Besser gesagt, auf gar keinem!“

„Ist jeder Loktyp für die Liga erlaubt?“

„Jeder.“

„Auch Dampfloks?“

„Casey, worauf willst Du hinaus?“

„Sag schon!“

„Natürlich können auch Dampfloks mitmachen! Bloß haben die so gut wie keine Chance, schnellste Lok des Kontinents zu werden! Es gibt keine Dampflok, die ein A-oder Superior-A-Level erreichen kann!“

„Ist das bewiesen?“

„Nein, aber es ist Tatsache!“

„Wieso bist Du Dir da so sicher, wenn es noch keine Dampflok versucht hat? Mit dem richtigen Training kann man es zumindest versuchen! Oder ist eure Leistung begrenzt?“

„Pop sagt, selbst wir Dampfloks können unser Leistungslevel noch erhöhen! Aber nicht in meinem halbrostigen Zustand!“

„Du traust dich bloß nicht! Dir fehlt wirklich ne´Menge Selbstvertrauen!“

„Diese Meisterschaften gibt es erst, seit es verschiedene Loktypen mit verschiedenen Antriebsarten gibt!-Greaseball hat den Titel bereits zwei Mal gewonnen! Und er wird auch beim Dritten Mal sicher den Sieg einheimsen! Du solltest mal seine Stellbox da drüben im neuen Lokschuppen sehen! Da stehen unzählige Auszeichnungen und er hat von den zweiundzwanzig Plaketten unseres Kontinents bereits sechzehn! Der absolute Rekord! Einige trägt er sogar auf seiner Brust wie Orden! Für das Paradepferd von Kommoran wird alles getan und unser alter Lokschuppen verfällt langsam! Digger hat Mühe, das Dach instandzuhalten, damit es nicht durchregnet!“
 

„Und hier kommt der Herausforderer, Krokodil aus Emmenthal, Rätina! Wird er es schaffen, die begehrte Plakette zu erringen? Greaseball hat es seinen Gegnern bisher nicht leichtgemacht und er wurde bisher noch nie geschlagen!“tönte es aus den Lautsprechern. Rusty hob Casey auf seine Schultern, damit er einen besseren Überblick hatte. Aber er hielt sich etwas abseits seiner Waggon-Kollegen, die aufgeregt in die Richtung starrten, aus der sich nun zwei Gestalten näherten.

Vorneweg glitt Caboose in seiner lackroten, glänzenden Aufmachung, die den Jungen an eine Lieutenant- Uniform erinnerte. Nur die Schulterstücke waren viel wuchtiger und sahen wie die Nachbildung von kleinen Waggons aus, die auch die anderen seiner Art auf Ihren Schultern trugen. Ein flacher, quadratischer Vorbau aus rotlackiertem Holz bedeckte seine Brust. Unter seiner Schildmütze lugte ein struppiger, blonder Haarschopf hervor. Auch er besaß zwei große ovale Signalpunkte auf seinen Wangen und weiße Augenlider.

„Bitte zurücktreten, hier kommt der Herausforderer Krokodil! Vorsicht auf den Bahnsteigen, der Herausforderer fährt ein!“ meldete er und unterstrich seine Worte mit entsprechenden Gesten seiner Arme. Die Menschen auf den Bahnsteigen wichen etwas zurück und begrüßten den Ankömmling mit Beifall.

Hinter Caboose erschien dann Krokodil. Seine ganze Rüstung war grün und ähnelte in der Form tatsächlich etwas einem Krokodil. Casey wußte, wie diese Lok im Maschinenmodus aussah, er hatte sie in einem Fotobuch seines Vaters gesehen, sie war in seiner Welt auch längst ein Relikt aus vergangener Zeit. Aber sie fuhr bereits mit Elektrizität, davon zeugten die Stromabnehmer auf seinem grünen Helm, den er unter dem rechten Arm trug. Grün waren auch seine Haare, die Augen grau. Hinter Ihm folgte ein zierliches Waggonmädchen in einem grün-weißen kurzen Kleidchen, das sich an den Halteringen, die jede Lok und jeder Wagen im Humanoid-Modus trug, festhielt und sich ziehen ließ.

„Krokodil fährt mit Bella, einem erste-Klasse-Wagen der Högli-Bahngesellschaft. Er ist eine Lok aus der C-Liga und will es gegen unseren Champion versuchen!“

„Oh Mann, die Kleine wirkt so zerbrechlich!“ meinte Casey. „Ob die das richtige Anhängsel für so ein Rennen ist?“

„Auf jedenfall hat sie kaum Gewicht. Und das ist ein wichtiger Faktor. Man braucht weniger Kraft.“ erklärte Rusty.“ Zu jedem Rennen gehört immer eine Lok und ein Wagen.“

„Du weißt ganz schön viel über diesen Renn-Wettbewerb und seine Tips und Tricks! Gibs zu, Du würdest am liebsten selbst mitmachen!“

„Wenn ich besser in Schuß wäre-vielleicht. Aber dann auch nur, um es diesem Angeber Greaseball zu zeigen!“

Plötzlich entdeckte Casey einen brünetten Jungen, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als er, der auf dem Bahnsteig neben Krokodil herlief und dann, als er vor dem Prellbock stehenblieb, ebenfalls hielt und auf Ihn und Bella einsprach. Er trug eine grüne Uniformjacke mit Abzeichen und eine dunkelgrüne Schildmütze auf dem Kopf.

„Hey, wer ist denn das?“

„Das wird sein Betreuer sein. Vieler solcher Loks, die von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof ziehen, um Plaketten zu erringen, haben meist junge Betreuer. Es sind Lokführer-Lehrlinge, das siehst Du an den Abzeichen auf der Uniformjacke des Jungen.“ erklärte Rusty. „Denn ohne Lokführer oder Lehrling darf man eine solche Reise gar nicht antreten! Nur beim Rennen darf er nicht mitfahren. Das tragen wir unter uns selbst aus.“
 

„Der Betreuer von Krokodil und Bella ist der fünfzehnjährige Loisel, ein Lokführer - Lehrling im zweiten Lehrjahr!“ tönte es aus dem Lautsprecher.

„Was? Der hat mit vierzehn schon angefangen?“

„Bei uns fangen die Kinder von euch Menschen bereits früh mit einer Lehre an. Nach Beendigung der Schulausbildung beginnt sie und kann bei manchen Berufen bis zu sechs Jahren dauern! Für den Lokführer dauert die Lehrzeit drei Jahre. Entweder lernt der Lehrling an einem Ausbildungsplatz oder er geht auf Wanderschaft, wie zum Beispiel der Junge von Krokodil hier.“

„Klar. Auf diese Weise kann man noch viel mehr lernen. Aber kann ein Junge in seinem Alter schon alleine eine Lok fahren? Diese Tätigkeit erfordert große Verantwortung und Konzentration!“

“Auf diese Weise lernt er diese Eigenschaften am besten. Und keine Sorge. Auch im Maschinenmodus ist ein Lokführer nie alleine. Wir können immer auch von selbst fahren. Der Lokführer unterstützt und betreut uns eigentlich mehr. Aber bei einem Lehrling unterstützen und betreuen wir uns gegenseitig, am Anfang bilden wir sie meistens zusammen mit anderen Bahnmitarbeitern aus. Das stärkt die Bindung zwischen euch Menschen und uns und den Lernprozess. Über Generationen hat sich dieses System bisher am besten bewährt!“

„Verstehe.“

„Jeder Meister ist stets bereit, jedem Schüler etwas von seinem Wissen zu vermitteln, wenn dieser es wünscht. So wird es von Generation zu Generation weitergegeben, egal woher man kommt oder wo man ist. Je mehr Wissen man erwirbt, desto besser.“

„Wow! Echt stark! Das würde mir auch gefallen! Von den besten Lokführern der Welt zu lernen! Und Du könntest von den besten Loks der Welt lernen!“

„Ach, wer würde mir schon etwas beibringen? Ich bin ein Schwächling! Jede andere Lok kann die Pfeiffattacke besser als ich! Die haben viel mehr Puste!“

„Dann mußt Du eben besser deine Lungen trainieren! Arbeite an Dir!“

„Wozu denn? Das bringt doch nichts!“

Plötzlich erscholl ein tiefer und lauter Sirenenton. Rusty fuhr zusammen. Er kannte dieses Signal zu gut!

„Und hier kommt nun unser Favorit! Applaus für den Champion von Kommoran und Ruthia! Aus der Superior A-Liga! Greaseball! Und seine charmante Partnerin Dinah!“ wurde Krokodils Gegner angekündigt.

Auf dem Paralellgleis lief nun der protzige Greaseball ein. Seine Chrom -und Messing beschlagene Rüstung glitzerte und funkelte im Sonnenlicht und seine von Casey geplättete Haartolle hatte er wieder in Form gebracht. Hinter sich zog er seine Partnerin, die Casey am ehesten an eine Kellnerin erinnerte. Sie trug ein blau-weiß kariertes Kleid mit einem Petticoat-Minirock, darüber eine weiße Schürze und ein weißes Spitzenhäubchen in Ihrem blonden Haar. Das war also Dinah.

Die beiden wurden mit kräftigem Applaus begrüßt.

„Sieh nur wie sie Ihm zujubeln! Ich könnte jedesmal in die Luft gehen!“ knurrte Rusty und ließ geräuschvoll aus einem Ventil an seiner rechten Schulter Dampf ab.

„Klar, bei solch einem Typ wird jeder neidisch!“ bemerkte Casey. „Hey, der Mann in der hellblauen Uniform, ist das der Lokführer von Greaseball?“

„Stimmt. Das ist Mr. Francis Loghead.“

„Mann, der Typ sieht genauso geschniegelt aus wie Greaseball! Und sein Brustkasten! Wie n´Bodybuilder! Ein Glück, das er nicht auch noch so ne´Schmalz-Tolle hat!“

Greaseballs Lokführer sah wirklich wie einer dieser Bodybuilder aus, sein welliges Haar war pechschwarz, ordentlich gekämmt und hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Seine Frisur hatte tatsächlich etwas Ähnlichkeit mit der des Diesels, aber zum Glück nur etwas. Francis gebräuntes Gesicht mit den rehfarbenen Augen machte einen sanften, aber auch etwas melancholischen Eindruck. Auf jedenfall schien er einen besseren Charackter zu haben, als sein Lokpartner.

„Loghead sieht zwar toll aus und hat jede Menge Muskeln, aber im Kopf ist er nicht besonders hell. Doch er hat ein gutes Herz und liebt es, mit Kindern zu spielen und sich um sie zu kümmern. Und er läßt sich von Greaseball herumkommandieren wie ein Dienstbote! Und weil Loghead unbedingt bei Ihm blieiben will, versucht er diesem chromierten Protz all seine Wünsche zu erfüllen!“

„Der Kerl ist also ein Arschkriecher!“

„Wo hast Du denn diese Ausdrücke her, Casey?“

„Tschuldige, Rusty.“

Gerade gaben sich die beiden Lokführer die Hand.

Gleichzeitig erscholl ein durchdringendes Sirenengeheul aus den Lautsprechern. Auf dem großen Bildschirm waren nun die beiden Kontrahenden zu sehen,wie sie sich für den Start bereitmachten.

„Jetzt geht’s los! Mann, ist das spannend!“ rief Casey.

„Achtung! Bitte zurücktreten! Der Start erfolgt in zehn Sekunden!“ tönte es aus dem Lautsprechern.
 

„Viel Glück, Krokodil und Bella! Gebt euer Bestes! Dann ist uns die nächste Plakette sicher!“ sprach der Lokführerlehling zu seinen beiden Schützlingen. Die grüne Lok nickte setzte Ihren Helm auf und fuhr Ihren Stromabnehmer, der sich darauf befand, aus. Aber sie reichten nicht ganz bis zur Oberleitung. Doch das machte nichts. Die Energie sprang trotzdem in hellen Blitzen über.
 

Und Loghead auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig bat Greaseball: “Nimm die beiden nicht zu hart ran! Dein Gegner ist nur aus der C-Liga! Und vor allem: Kämpfe fair! Gib deinem Gegner eine Chance!“

„Hey, ich bin doch kein Wohtätigkeitsverein! Wer die Plakette von Kommoran verdienen will, muß zeigen, das er Ihrer würdig ist! Ich lasse doch keinen mit Absicht gewinnen! An unsere Plakette sind bisher nur die Allerbesten herangekommen!“ schnauzte der große Diesel zurück.

„Okay, okay...“ beschwichtigte Loghead seinen schwierigen Partner. “Dann sei wenigstens fair!“

Der gutaussehende Lokführer hatte es noch nie gewagt, mit Greaseball zu schimpfen und ließ seine Stimme immer freundlich klingen. Bedingungslos schluckte er alle Demütigungen und ließ sie auch nie an anderen aus.

„Fünf, vier, drei, zwei, eins-und Start!!“

Vorne am Ende der Bahnsteige, schalteten zwei rote Signale gleichzeitig auf Grün! Das war für Greaseball und Krokodil das Zeichen zum lossputen!
 

Fortsetzung folgt....

3. Ein Rennen mit unlauteren Mitteln

Starlight Express
 

Kapittel 3

Ein Rennen mit unlauteren Mitteln
 

„Wow! Jetzt geht’s los!“ rief Casey begeistert und reckte seinen Hals.“ Los, Krokodil! Zeig dem schmierigen Angeber, was Du kannst!“

Auf dem großen Bildschirm über den Bahnsteigen konnten die Zuschauer das Rennen verfolgen, das nun aus dem Bahnhof auf eine Rundstrecke um die Stadt führte. Mehrere schwenkbare Übertragungskameras waren entlang der Strecke auf Masten montiert, die den Wettlauf der beiden Kontrahenden aufzeichneten und übertrugen. Beide Gegner liefen fast auf gleicher Höhe.

„Na, Emmenthaler, my Boy? Kommst Du noch mit?“ feixte Greaseball.

„Mit Dir alle Mal!-Stromstoß!“

Eine helle elektrische Entladung fuhr aus dem linken Abnehmer auf Krokodils Helm und verfehlte den Diesel nur knapp! Es war die erste Attacke, die Krokodil eingesetzt hatte, um seinen Gegner zu schwächen.

„Daneben, Du Flasche! Das hat ja kaum gekitzelt! Um mich lahmzulegen, braucht es stärkere Stromschläge! Jetzt pass mal auf! - Chromfaust!“

Ein harter Hieb schmetterte gegen Krokodils Schulter! Die rätianische Lok schwankte bedrohlich, seine Partnerin stieß einen angstvollen Schrei aus! Doch es gelang Ihm, auf den Beinen zu bleiben. Wäre er gestürzt, wäre das Rennen für Ihn vorbei! Denn eine Entgleisung bei dieser Geschwindigkeit legte jeden Zug lahm.

„Alles okay, Bella! So schnell kriegt mich dieser Bulle nicht klein!“ knurrte Krokodil und versuchte wieder, seinen Gegner zu überholen. Aber Greaseball war Ihm immer eine Länge vorraus.

„Fang mich, wenn Du kannst!“ rief er scherzend.

„Na warte! Blitzstachel!“

Krokodil streckte seinen rechten Arm aus und aus seinen Fingern fuhren zwei langgezogene Blitze, die Greaseballs Hintern trafen!“

„Jauutsch! Das Krokodil kann ja richtig beißen!“ rief dieser und machte einen kleinen Satz. “Hey!“

Die grüne Emmenthaler Lok nutzte die kurze Abglenktheit und zog an dem Diesel vorbei!

„Er hat uns überholt!“ rief Dinah.

„Keine Sorge, Baby. Bis zum Ziel sind es noch ein paar Kilometer! Und so leicht kommt er mir nicht davon! Keiner zwickt einen Superior A in den Hintern!“

„Du willst doch nicht etwa....“

„Laß mich nur machen, Baby! Ich bin noch nicht auf volle Power!“

Inzwischen gelang es Krokodil, seinen Vorsprung nochmals zu vergrößern.

„Gut gemacht, mein Freund! Weiter so!“ rief Loisel, der das Rennen auf dem großen Bahnhofsbildschirm verfolgte.

„Krokodil liegt in Führung, dicht gefolgt von Greaseball, der jetzt wieder aufholt!“ tönte es aus den Lautsprechern. „Beide kommen nun in den Zieleinlauf! Kann die Lok aus Emmenthal ihre Position halten oder wird Greaseball Ihr den Sieg im letzten Moment streitig machen?“

„Oh nein! Bloß nicht! Bitte, Krokodil, halt durch!!“ rief Casey und hielt die Fäuste geballt. Im nächsten Moment passierte es: Der Diesel zog wieder an seinem Gegner vorbei!

„Kuckuck!“ rief Greaseball grinsend und winkte im Vorbeifahren. Dann versetzte er dem Helm von Krokodil einen Klaps.

„Hey!“

„Oh nein! Er hat uns wieder überholt!“ rief Bella.

Mit einem scheinheiligen Grinsen schielte der Diesel zurück. Dann fuhr seine rechte Hand an seinen Metallkragen. Hier hatte er heimlich ein kleines Stück seines Zierbeschlages vor dem Start gelockert. Nun brauchte er nur eine winzige, harmlose Fingerbewegung, und das kleine,funkelnde Teil löste sich ab und flog durch den Fahrtwind als Geschoß auf Krokodil zu, der gerade wieder aufholen wollte! Und da passierte es: Das Metallteil knallte gegen den Helm der Lok in Augenhöhe, ein Teil des Visiers bekam Risse!

Der Emmenthaler verlor durchden Schreck und die teilweise Blendung die Gewalt und entgleiste!

Ein Aufschrei ging durch die Menge, als die Zuschauer auf dem Sichtschirm verfolgten, wie es Krokodil und seine Partnerin von den Gleisen hob und sie in einen Stapel alter Kisten und leerer Dieselfässer knallten!

„Oh-oh-oh! Da hat es Krokodil und seine Partnerin aber böse erwischt! Die Beiden sind entgleist! Damit ist für sie das Rennen gelaufen!“ tönte es aus den Lautsprechern.

„Oh nein! Krokodil!“ rief Loisel erschrocken und lief los.

„Schnell, Rusty, hinterher! Vielleicht können wir helfen!“ rief Casey. Sein Freund nickte und fuhr mit dem Jungen auf den Schultern los. Ihnen folgten einige der Zuschauer und auch Loghead schloß sich den Hilfstrupp an, der für solche Notfälle immer bereitstand.

Kurz darauf lief Greaseball als Sieger in den Bahnhof ein, beklatscht und bejubelt von denen, die geblieben waren.

„Danke, Fans, danke!“ grinste der Diesel.

„Das war wieder mal phantastisch!“ rief Caboose und klatschte. Auch die anderen Loks und Wagen umringten den Sieger und klatschten. Nur Dinah konnte sich nicht so recht freuen. Sie wußte, das Greaseball mit unfairen Mitteln kämpfte. Aber sie konnte nicht beweisen, das er das Teil mit Absicht gelockert hatte. Denn es passierte immer wieder, das kleine Steine oder Teile einer Lok oder eines Waggons sich bei hoher Geschwindigkeit lösen konnten oder aufgewirbelt wurden und sich dann in gefährliche Geschosse verwandeln konnten.
 

Als Casey und Rusty die Unglücksstelle erreichten, rollte Loisel gerade einige der leeren Tonnen weg, die auf Bella gefallen waren, Krokodil versuchte, sich selbst zu helfen.

„Nun siehst Du, warum es wichtig ist, das wir Loks einen Helm tragen.“ erklärte Rusty, als er den Jungen von seinen Schultern hob.

„Und wo ist deiner?“

„Im Lokschuppen. Ich hatte keine Zeit mehr, Ihn zu holen, da Greaseball ja hinter mir her war. Er ist nichts besonderes. Sieht aus wie der Deckel eines Dampflokkessels.“

„Warte, ich helfe Dir, Krokodil!“ rief Casey, als er bemerkte, wie die Lok versuchte, Ihre Beine unter zwei verkeilte Masten hervorzuziehen. Der Junge stemmte sich gegen das eine Metallrohr, schaffte es aber nicht, es weg- geschweige denn hochzudrücken.

„Rusty, ich brauche deine Hilfe!“

„Ich komme, Casey!“

„Fass hier an und zieh, ich schiebe! Wir müssen diese Metallmasten hier wegbekommen!“

„Verstanden!“

Dank Rustys Kraft war das Hindernis rasch auf die Seite geräumt, Krokodil war wieder frei. Dann griffen beide dem Geschlagenen hilfreich unter die Arme und halfen Ihm beim Aufrichten. Aber als er den rechten Fuß aufsetzen wollte, sank er stöhnend wieder zusammen.

„Langsam. Setz dich hierhin. Irgendetwas ist mit deinem Fahrgestell!“ sagte Casey besorgt. Rusty half Krokodil inzwischen aus dem Helm.

„Was ist denn passiert?“

„Irgendetwas ist gegen meinen Helm geknallt und hat mein Visier beschädigt! Da habe ich die Kontrolle verloren und bin entgleist! Da, seht Ihr? Mein Visier hat einen Sprung und genau hier oben hat mich irgendetwas getroffen! Verdammt!“

„Hättest Du keinen Helm getragen, hättest Du jetzt wohl nur noch ein Auge! Jedenfalls konnten wir auf dem Bildschrim nicht den Grund für deine Entgleisung erkennen. So ein Pech! Ich wünschte, Du hättest gewonnen!“
 

„Meine arme Bella! Ist alles in Ordnug?“ fragte Loisel inzwischen besorgt.

„Ich habe nur ein paar kleine Beulen und Schrammen, sonst bin ich in Ordnung! Sieh lieber nach Krokodil!“ antwortete das Waggonmädchen, welches bereits wieder stehen konnte. Die eingetroffenen Helfer räumten indes die Trümmer weg, Loghead half nach Kräften mit.

„Braucht Ihr Hilfe?“ fragte der Leiter der Bergungstruppe Casey, der sich gerade Krokodils rechten Fuß besah.

„Was hast Du, Krokodil?“ fragte Loisel besorgt, der nun hinzukam.

„So wie es aussieht, hat sich sein Zahnstangenantrieb verklemmt!“ erklärte Casey.

Loisel kniete neben Ihm nieder und warf ebenfalls einen Blick auf das Fahrgestell des rechen Fußes.

„Du hast recht! Kein Wunder, das er nicht auftreten kann!-Ich brauche Werkzeug!“

„Kommt sofort!“ rief Loghead und eilte davon.

„Du kennst dich gut aus. Wer bist Du?“ fragte der Junge aus Emmenthal.

„Ich heiße Casey Jones.“

„Bist Du auch ein Lokführer-Lehrling?“

„Noch nicht. Aber ich will es werden!“

„Du hast gute Voraussetzungen dafür. Das Du das mit dem Zahnrad gesehen hast...man braucht dafür ein geübtes Auge.“

„Ihr kommt doch aus den Bergen, nicht wahr? Und da benutzt man für Steilstrecken einen Zahnradantrieb. Und das Zahnrad ist aus seinem Lager gesprungen und steckt nun quer. Deshalb hat der Arme Schmerzen beim Auftreten. Kannst Du das selber reparieren?“

„Das habe ich bereits in meinem ersten Lehrjahr von meinem Meister in Emmenthal gelernt. Kleinere Schäden kann ich bereits selbst beheben.“

„Ist ja stark!“

Das Werkzeug wurde gebracht und die Helfer sahen interessiert zu, wie Loisel mit Caseys Hilfe den Schaden behob. Bella hielt Krokodils Hand und Rusty passte auf dessen Helm auf.

Zuerst wurde das Antriebszahnrad entfernt, dann untersuchte Loisel das Fahrwerk.

„Ein Glück, es ist nichts ernsthaft beschädigt, ich muß keine Teile auswechseln.“ seufzte er. Dann baute der Junge das Zahnrad wieder richtig ein und vergaß nicht, alle Gelenke abzuschmieren.

„Fertig. vielen Dank für deine Hilfe, Casey.“

„Gern geschehen, Loisel.“

„Dank auch für deine Hilfe, Rusty. Du und Casey passt gut zusammen.“ sagte Krokodil und stand langsam auf. „Keine Schmerzen mehr! Ein gutes Gefühl!“

„Sag mal, Rusty, kann das Rennen eigentlich nicht wiederholt werden? Das war doch höhere Gewalt, das Krokodil zum Entgleisen gebracht hat!“ fragte Casey.

„Das ist das Risiko bei diesen Rennen. Jede Lok muß auf alles vorbereitet sein! So sind die Regeln. Eine Wiederholung ist nur zulässig, wenn am Gleis ein Schaden festgestellt wurde und dieser Schuld an einer Entgleisung war. Wer sonst entgleist, ist aus dem Rennen und hat verloren.“

Rusty gab Krokodil seinen Helm zurück und gemeinsam kehrten sie in den Bahnhof zurück. Dort erwartete sie bereits der Stationsvorsteher mit Greaseball.

„Tut mir leid, das Ihr solches Pech gehabt habt.“ erklärte Mr. Corell. „Ich hoffe, Lok und Waggon ist nichts passiert.“

„Es waren nur kleine Schäden, die konnten schnell behoben werden.“ erklärte Loisel.

„Dann bin ich erleichtert, mein Junge. Wie konnte es zu dieser Entgleisung kommen?“

„Etwas hat Krokodils Visier getroffen und er hat die Gewalt über sich verloren. Ein bedauernswerter Zwischenfall.“ erklärte Loghead.

„Tja, Krokodil, my Boy, vielleicht klappt es das nächstemal. Du brauchst nur noch etwas Training. Denn ich bin nur sehr schwehr zu schlagen!“ grinste der Diesel.

„So ein...“ knurrte Casey leise und ballte die Faust.
 

Langsam zerstreute sich die Menge, auf dem Bahnhof kehrte wieder der normale Betrieb ein. Greaseball zog sich zum Feiern in seinen Lokschuppen zurück, Loghead begleitete den geschlagenen Herausforderer und seine Begleiter in den Lokschuppen für Gäste. Hier konnten sich bis zu vier Loks und Wagen unterstellen, darüber befanden sich die Zimmer für die Lokführer.
 

„Komm, Casey, ich will dich meinen meinen Kollegen vorstellen.“ sagte Rusty und beide gingen zu den versammelten Waggons hinüber, die immer noch diskutierend zusammenstanden.

„Hey, hallo Rustyschätzchen! Wen bringst Du denn da mit?“ rief Buffy überschwenglich, welche die Ankömmlinge als Erstes bemerkte. Sie war dunkelhäutig und hatte schwarzes krauses Haar, auf dem ein verwegenes, dreieckiges Hütchen thronte. Beim näheren Hinsehen, erkannte Casey, das ein künstlicher, garnierter Hamburger darauf drapiert war! Mann, da kriegt man ja richtig Appetit, dachte er.

„Du sollst mich doch nicht so nennen!“ brummte die Dampflok etwas ärgerlich. „Das hier ist Casey Jones, mein neuer Freund.“

„Hallo, mein Sahnetörtchen!“ begrüßte Buffy den Jungen und kniff ihn scherzhaft in die Backe. Casey lächelte gequält. Buffy hatte wirklich eine überschäumende Art!

„Ich habe dich hier noch nie gesehen.“ bemerkte Sugar. Sie war ganz in silberchrom gekleidet, Ihr langes, brünettes Haar hatte sie hinten zu einem frechen Schopf hochgebunden.

„Nun ja, ich komme von weit her...“erklärte Casey.

„Was war denn heute Mittag eigentlich wieder los, Rusty? Ich habe gesehen, wie die anderen Dieselloks dich gejagt haben! Und Greaseball ebenfalls!“

„Ach, nichts von Bedeutung! Du weißt doch, das er mich nicht leiden kann!“

„Von wegen, nichts von Bedeutung! Gequält und gedemütigt haben sie Ihn!“ rief der Junge dazwischen.

„Casey!“

„Aber dann bin zum Glück ich vorbeigekommen und habs Ihnen gezeigt! Und Rusty hat sie mit einer Pfeif-Attake vertrieben!“ fuhr der Junge ungerührt fort.

„Wirklich? Toll!“ rief Sugar und klatschte begeistert in die Hände.

„Hör auf, Schätzchen-kch, kch-Du machst Ihn ja ganz verlegen, unseren Dampfer! Hust, kch!“

Ashley hatte sich vorgeschoben, und blies den Rauch Ihrer Zigarette in die Luft. Sie trug ein braunes Kleid und einen Rock, der den Jungen am ehesten an einen Lampenschirm erinnerte. Ihr rotbraunes Haar war hochfrisiert und sah oben aus wie der Filter einer Zigarette. Und sie roch wie ein ganzes Tabaklager.

„Casey, das ist Ashley.“ stellte Rusty vor.

„Mann, Du qualmst wirklich zu viel! Weißt Du nicht, das das ungesund ist?“

„Klar. Aber ich kann nun mal -kch-nicht anders! Schließlich bin ich ein -hust-Raucherwaggon! Meine Lunge ist schwarz wie die -kchkch-Nacht und muß jeden Monat vom abgelagertenTeer gereinigt werden!“

„Wow, das geht echt?“

„Na klar-kch, kch! Sonst wäre ich schon längst nicht mehr hier! Die Menschen haben es da nicht so einfach. Doch manche können sich die Glimmstengel und Pfeifen nicht abgewöhnen!“

„Mann, echt krass! Die Rauchertypen bei mir zuhause sind auch nicht besser!“

Dann kamen die Güterwagen an die Reihe. Hier gab es nur eine kurze Vorstellung, den plötzlich schallte es aus den Lautsprechern: „Hier spricht die Fahrdienstleitung! Rocky I, II und Barrel! Ihr habt wohl vergessen, das Ihr auf Gleis 6a gebraucht werdet! Steel fährt mit euch gleich in die Konservenfabrik zum Beladen! Also macht euch auf die Räder!“

„Au, wir müssen los! Sonst müssen wir Strafdienst schieben!“ rief der dunkelhäutige Rocky I. Sein identischer Bruder nickte und hastete mit Ihm davon, gefolgt vom dicken Tank. Der schwarzgelbe Diesel erwartete sie bereits auf dem Gleis 6a. Die drei Güterwagen hingen sich hintereinander bei der Zugmaschine ein und alle vier transformierten in den Maschinenmodus. Der Lokführer, der das Ganze beobachtet hatte, stieg nun in den Führerstand von Steel. Dann wurde das Signal auf Grün geschaltet und der Zug verließ den Bahnhof.

„Echt toll!“ bemerkte Casey.

„Und hier haben wir noch den dicken Dustin, einen Kohletender. Er ist neben Rise, dem Schüttgutwaggon, der Schwerste von den Jungs. Und meist muss ich die Beiden ziehen.“

Dustin war ein rundlicher Typ mit einer blauen Latzhose und einem lustigen und freundlichen Gesicht. Er war Casey von Anfang an sympathisch. Seine roten Pausbacken und lebhaften Augen erinnerten den Jungen an einen Clown, der er vor einigen Jahren einmal in einem Zirkus gesehen hatte. Mit dem silbernen, vernieteten Bauhelm, den karottenroten Haaren, der weiten Hose und den großen Füßen wirkte er tatsächlich etwas wie ein Spaßmacher.

„Freut mich dich kennenzulernen, Casey. Schön, das Rusty einen neuen Freund gefunden hat.“

„Hey, Du bist auch okay, Dustin. Schlag ein!“ Die beiden gaben sich die Hände. „Und wo ist dieser Rise?“

„Mein großer Bruder ist gerade irgendwo im Werksverkehr unterwegs. Warscheinlich holt er wieder Steine aus den Bergwerk! Wenn er dienstfrei hat, stelle ich Ihn Dir vor.“

„Alles klar.“

„Sugar, Ashley! Macht euch für den sieben Uhr zehn - Zug fertig! Eure Schwestern warten schon!“ tönte es diesmal aus den Lautsprechern. Die beiden Waggonmädchen eilten in Richtung Gleis 3.

Casey sah Ihnen nach, um zu sehen, wie sie Ihre Transformation vollzogen. Dustin wandte sich an Rusty.

„Ein netter Junge. Pass gut auf Ihn auf. Vielleicht will er sogar Lokführer werden.“ sprach der rundliche Güterwagen.

„Aber bestimmt werde ich nicht seine Partner-Lok! Kein Junge will mehr auf einer alten Dampflok lernen!“

„Du bist unverbesserlich, mein Kleiner!“

„Nenn mich nicht Kleiner!“ brummte Rusty, dann wandte er sich an Casey.„Und nun werde ich Dir Pop vorstellen. Mal sehen, ob er zu Hause ist.“ sagte Rusty.

„Und wann hast Du wieder Dienst?“

„Erst morgen früh wieder. Dann darf ich mit Sugar und Ashley zum Südbahnhof fahren und zurück. Wir bringen die Arbeiter zu Ihren Fabriken und Werkstätten. Danach heißt es warten, bis sie mich wieder für die Güterwagen brauchen.“

„Kein Wunder, wenn Du hier einrostest.“ seufzte Casey und hing sich bei seinem Freund hinten an.

Während sie das Gleis zum ältesten Lokschuppen des Bahnhofs einschlugen, hörte der Junge noch wie Greaseball ausgerufen wurde.

„Greaseball! Bitte bereitmachen für den Kommoran - Express!“

„Da! Und dieser Protz darf unseren schnellsten Expresszug nach Portho ins Nachbarland Vivania ziehen! Der kommt erst in drei Tagen wieder zurück! Das ist eine Reise von der ich nur träumen kann! Greaseball ist schon viel herumgekommen, ganz im Gegensatz zu mir!“

„Vielleicht mußt Du bald nicht mehr träumen...“murmelte der Junge leise.
 

Ein altes, wackeliges Gleis führte zwischen einer Gruppe alter Lindenbäume zu einem alten, baufälligen Rechteck-Lokschuppen aus roten Backsteinen. Rusty hielt vor dem Holztor, an dem bereits der Anstrich abblätterte und schob es langsam auf. Quietschend glitt es auf die Seite.

„Rusty?“

„Ja?“

„Wo hast Du eigentlich deinen Tender?“

„Der ist fest integriert. Ich bin eine Tenderlok. Hast Du das nicht gesehen, als ich in den Maschinenmodus transformiert bin? Und jetzt im Humanoid-Modus ist dieser kleine Kasten auf dem Rücken da mein Tender, den ich auffüllen kann.“

„Hey, doch! Hatte ich in der Aufregung ganz vergessen! Dieser Kasten sieht aus wie ein Rucksack!“

„An meinem Tender befindet sich eine Klappe. Du mußt sie nur schräg aufziehen und da hinein kommt dann die Kohle, wenn ich im Humanoid-Modus bin. In meinen Heizkessel gelangt sie dann von alleine.“ Nur im Maschinenmodus brauche ich einen, der mich beheitzt. Das macht dann meist auch Digger. Und ich behalte dann so lange meine Strecke im Auge.“

„Verstehe.“

„Und hier auf meiner rechten Schulter befindet sich der Deckel zu meinem Wassertank. Das runde, flache Ding da. Mein Tank liegt etwa da, wo bei euch Menschen die Lunge sitzt, also quasi hinter meiner eisernen Lunge. Denn auch ich muss im Humanoid-Modus atmen. Ich kann in meinem jetzigen Zustand auch durch normales Trinken meinen Wasservorrat ergänzen. Oder man schraubt den Deckel ab und schiebt einen Schlauch in die Öffnung.“

„Toll!“

„Ach-und noch etwas: Erzähle bitte Pop nichts von unserem Zwischenfall mit Greaseball und den anderen.“

„Okay.“

„Pop, bist Du da?“ fragte Rusty.

Beide traten langsam ein. In der kleinen Halle befanden sich zwei Boxen, die durch eine Reihe von Holzpfeilern getrennt wurden, welche die Decke stützten. Das Gebäude war zwar alt, wurde innen aber sauber und ordentlich gehalten, durch drei Fenster auf jeder Lägsseite des Gebäudes fiel Tageslicht herein. Und es strahlte trotz allem eine angenehme Gemütlichkeit aus.

„Die kleine Box da drüben ist meine. Hier schlafe ich auch.“erklärte Rusty. „Gleise haben wir hier schon lange keine mehr, weil wir in den Schuppen immer im Humanoid-Modus sind. Aber einen großen Rauchabzug gibt es noch, siehst Du?“

Rusty wies nach oben. An der Decke befand sich eine Öffnung, die hinaus zu einem Kaminrohr führte.

„Legst Du dich beim Schlafen richtig hin?“

„Natürlich. In meinem gegenwärtigen Modus pflegen wir viele menschliche Eigenarten. Auch wir brauchen Schlaf, doch müssen wir nicht jede Nacht ruhen. Diese alte Matratze ist mein Schlafplatz. Und den alten Sessel hat mir Digger einmal mitgebracht. Er ist der so stabil gebaut, das er mein Gewicht aushält. Aber er ächzt schon sehr, wenn ich mich hineinsetze.“

„Hihi, das ist echt verrückt! Ein Sofa-Zug!“ grinste Casey.

Daneben, auf einem Regal, stapelten sich etliches Werkzeug und verschiedene Dosen. Und in einer Ecke befand sich eine große Schütte, angefüllt mit Kohlen.

„Abgefahren! So stelle ich mir das Zuhause einer Dampflok vor! Urig und gemütlich!“ sagte der Junge begeistert.

„Es gefällt Dir?“

„Klar! Es erinnert mich an unseren Lokschuppen daheim. - Und wo ist nun dieser Pop?“

„Warscheinlich nebenan. Die größere Box dient uns beiden als Wohnzimmer“

Rusty und Casey begaben sich nach nebenan. Das Erste, was sie sahen, war ein weiterer, großer Ohrensessel, der mit der Lehne zu den Beiden stand. Ein Schnarchen war zu hören.

Gegenüber dem Sessel entdeckte Casey auf einen Tisch einen Farb-Fernseher, in welchem gerade irgendeine Sendung lief. Ein Kabel lief aus dem Gerät und die Wand hoch, wo es in der Decke verschwand. Es war ein älteres Modell und die Bildqualität wurde hin und wieder durch Störungen beeinträchtigt.

„Wow, die haben hier sogar schon Fernsehen. Logisch, am Bahnhof gibt es ja auch diese großen Bildschirme.“ dachte der Junge.

„Pop, wach auf, wir haben Besuch.“ sagte Rusty und trat neben den Sessel. Er sah hinein und rüttelte denjenigen, der darin schlief, vorsichtig.“

Casey sah sich um. Auch hier gab es eine Kohlenschütte, ein Regal mit Werkzeugen und anderem Allerlei und zwei weitere Sessel. An der Wand auf einem Haken entdeckte der Junge dann die verkleinerte Nachbildung einer Dampflok. Das musste wohl Pops Helm sein, denn diese Nachbildung war innen hohl.

Jetzt war ein Schnaufen und Grunzen zu hören, begleitet von einem kurzen Huster. Dann wuchs hinter dem Sessel eine imposante Gestalt empor. Sie überragte Rusty um mehr als eine Kopflänge und war breit und stämmig gebaut. Rauchgraues, krauses Haar umgab den Kopf und das freundliche, dunkle Gesicht als Bart. Das also war Pop, die älteste Lok von Kommoran.

Als er den Jungen entdeckte, verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen und er trat hinter seinem Sessel hervor.

„Willkommen! Willkommen, mein junger Freund! Sieh an, ein neues Gesicht!“ rief er. “Digger! Komm herunter zu uns! Rusty hat einen Gast mitgebracht!“

Der alte Pop war ähnlich wie Rusty gebaut, nur war er im Umfang größer und breiter. Außerdem besaß er Schulterkästen, die bei Rusty fehlten. An Ihm gab es keinen einzigen Rostfleck, jeder Teil seiner schwarz-rot-grauen Rüstung war gut in Schuss. Ein gepflegter Oldtimer.“

„Wie heißt Du denn, mein Junge?“ fragte Pop und ging in die Hocke, damit Casey nicht den Kopf in den Nacken legen musste.

„Casey Jones. Und sie müssen Pop sein.“

Der Oldtimer nickte.

„Seit ich denken kann, hat er sich immer um mich gekümmert. Alles was ich weiß, habe ich von Ihm gelernt. Und natürlich von Digger.“ erklärte Rusty.

„Aus Kommoran bist Du nicht, das sehe ich. Was sind das für interessante Schuhe?“ fragte Pop.

„Das sind Roller-Blades, Sir.“

„Eine neue Erfindung aus Elektanis?“

„Wo liegt denn das?“

„Das ist ein hochtechnisiertes Land! Das fortschrittlichste auf dem ganzen Kontinent! Und es exportiert seine technischen Erfindungen überallhin! Das Fernsehen haben sie auch erfunden!“

„Hört sich spannend an!- Darf ich meine Skates ausziehen, meine Füße brauchen mal wieder frische Luft.“

„Nur zu.“

Casey flachste sich in den nebenstehenden leeren Sessel, öffnete die Schnallen und streifte sich die Inliner ab. Neugierig besah sich Rusty einen der Stiefel und als er mit seiner Nase an Fußöffnung geriet, wandte er sich angewidert ab.

„Siehst Du? Die Dinger müssen dringend gelüftet werden!“ grinste der Junge.

„In der Tat!“

Das Knarren der Holzstufen kündigte Diggers Kommen an. Die Quartiere der Lokführer befanden sich immer nebenan in einem Anbau des Schuppens und konnten nur durch eine Treppe in der Innenhalle selbst betreten werden. Unter den Wohnräumen lagen meistens eine Werkstatt oder ein Lagerraum, manchmal auch die Küche oder Waschräume. Casey schätzte den Lokführer auf etwa fünfzig, er war so dunkelhäutig wie Pop und sein schwarzes, krauses Haar zeigte bereits die ersten grauen Strähnen. Gekleidet war er in eine himmelblaue Uniform mit einem gelb umrandeten Stehkragen, die Schulterklappen zierten zwei goldene Streifen. An der Jacke und Hose waren überall Taschen angenäht, um Werkzeug und andere Dinge darin verstauen zu können. Aus einer Tasche baumelte eine goldene Uhrenkette, die an einem Knopf befestigt war.

„Digger, darf ich Dir Casey Jones vorstellen?“ sprach Rusty.

„Hallo, junger Mann! Du bist also Rustys neuer Freund.“

Der Junge nickte und reichte dem Lokführer die Hand.

„Und sie kümmern sich um die Beiden, Mr. Digger.“

„Nenn mich einfach Digger.- Du hast ehrliche Augen, das gefällt mir. Rusty wird in Dir einen guten Freund haben.“

„Digger, Casey wird die nächste Zeit hier bei uns wohnen. Ich hoffe, Du hast oben für Ihn noch einen Schlafplatz.“

„Aber sicher, Rusty. Wo kommst Du eigentlich her?“

„Das ist nicht einfach zu erklären...Ich stamme aus einer anderen Welt, die dieser aber nicht ganz unähnlich ist. Und ich bin hier, weil das Schicksal uns zueinander geführt hat.“ erklärte der Junge.

Digger sah Ihn ratlos an, doch Pop nickte bedächtig.

„Da ist etwas dran. Ich hatte die letzten Nächte immer wieder einen seltsamen Traum. Zuerst sah ich einen hellen Stern, der vom Himmel fiel. Dann wurde der Stern zu einem Jungen, der in deine ausgebreiteten Hände fiel, Rusty. Und heute bringst Du Casey zu uns.“

„Abgefahren! Ich bin tatsächlich vom Himmel gefallen!“

„Ich glaube, das hat etwas besonderes zu bedeuten. Sicher hat der Starlight Express euch beide zusammengeführt!“

„Bestimmt! Denn in meiner Welt kennen wir ebenfalls Geschichten über den großen Sternenzug.“

„Erzähl´mir mehr von deiner Heimat.“ bat Pop.

Während Casey der alten Dampflok von sich zuhause erzählte, winkte Digger Rusty zu sich und begab sich mit Ihm zu einer kleinen Nebentür.

„Was ist heute wieder passiert?“ fragte der Lokführer ernst.

„Was soll passiert sein?“

„Tu nicht so unschuldig! Ich sehe es doch an Dir! Du hast mit der Nase wieder mal im Dreck gelegen! Und Greaseball hat Dich wieder in die Pfanne gehauen!“

Rusty seufzte.

„Okay, es stimmt. Doch dann kam tatsächlich Casey und hat mich herausgehauen! Er hat sich für mich eingesetzt und Greaseball ungerührt die Meinung gesagt! Stell Dir das mal vor!“

„Vielleicht wurden deine Gebete nun endlich erhört, Kumpel. Na komm, eine schnelle Dusche und der Dreck ist weg, bevor Pop es richtig merkt.“

„Oh Mann, ich hasse duschen! Da werden meine Rostflecken nur noch größer!“ maulte Rusty.
 

Die beiden begaben sich nach draußen. Gegenüber dem Schuppen befand sich die runde Wasserzisterne mit dem dem großen Zulaufrohr. Hier fassten die Dampfloks immer Wasser. Aber diesmal musste es als Dusche herhalten. Also stellte sich Rusty unter die Öffnung des großen Wasserrohrs und Digger zog an einem Griff, der mit einem Ventil am Anfang des Rohres verbunden war, dort, wo es an der Zisterne angebracht war.

Im nächsten Moment ergoß sich ein Schwall Wasser über Rusty und warf Ihn fast um! Dann ließ Digger das Ventil wieder zuschnappen.

Tropfnass, die Haare im Gesicht, stand die kleinere Dampflok da, hustete und spuckte einen Schwall Wasser aus. Digger entfernte derweil mit einem großen Schwamm die letzten noch nicht gelösten Schmutzreste.

„Ich hasse das, ich hasse das!“ knurrte Rusty immer wieder. Ein zweiter kurzer Wasserguß beendete die Reinigung. Dann ging es ans Abtrocknen.

„Na also. Sieht doch schon besser aus.“
 

„Pop, meinen Sie, ich könnte Krokodil und seinen Lokführer besuchen gehen?“ fragte Casey indes.

„Aber sicher, mein Junge! Und sag einfach Du zu mir. Das tun hier alle.“

„Okay.“ nickte Casey und stand auf.

„Es ist der Blaue Lokschuppen.“

„Klar, bis nachher!“

Der Oldtimer sah Casey nach.

„Digger, der Junge hat gar keine richtigen Schuhe!“ meinte er, als der Lokführer zurückkehrte. Rusty war noch draußen geblieben, um seine Haare trocken zu kriegen.

„Wir werden etwas für Ihn organisieren. Ich werde Loghead fragen, wenn er zurückkommt.“
 

Inzwischen wurde es langsam Abend.

Casey lief am äußeren Gleis entlang bis zu dem blauen Gebäude. Hier klopfte er an.

„Hallo, darf ich reinkommen?“

Krokodil schob ein wenig das große blaue Tor auf.

„Ach, Du bist der hilfsbereite Junge von heute Nachmittag.“ erkannte die Lok Ihn wieder. „Wie war doch gleich nochmal dein Name?“

„Casey Jones.“

Der Junge trat ein und sah sich um. Im Großen und Ganzen sah es hier so aus wie bei Rusty und Pop, nur war das Gebäude und seine Inneneinrichtung in moderneren und besserem Zustand. Und es gab mehr Stellboxen.

Bella saß auf einem Hocker und versuchte, Ihre Schrammen wegzubekommen.

„Hallo, Casey. Nett, das Du hereinschaust.“

„Ich hoffe, es hat dich nicht zu arg erwischt. Das sah ja echt gefährlich aus, wie Ihr in den Stapel da gerauscht seid!“

„Mach Dir keine Sorgen. Wir halten ein wenig mehr aus als Menschen.“ lächelte das Waggonmädchen.

„Ich hätte euch gerne als Sieger gesehen! Zu blöd, dass dieses verdammte Geschoss dein Visier treffen mußte!“ ärgerte sich Casey.

„Ist nicht schlimm. Wir haben noch weitere Möglichkeiten, Plaketten zu gewinnen. Greaseball war auch ein etwas zu starker Gegner für uns. Wir müssen noch mehr trainieren, bevor wir gegen eine Superior A-Lok eine Chance haben. Mir tut jetzt noch die Schulter weh von seiner Chromfaust! Das ist eine sehr wirksame Attake! Damit hat er schon manchen Gegner aus den Gleisen geworfen, habe ich gehört.“ erzählte Krokodil.

„Wo ist denn Loisel?“

„Der ist nur etwas Proviant besorgen gegangen. Wir wollen morgen sehr früh weiter.“

„Verstehe. -Ah, da kommt er ja.“

Gerade betrat der Lokführerlehrling die Halle, in der Hand hielt er eine volle Einkaufstasche.

„Hallo, Casey.“

„Hallo. Ich wollte sehen, wie´s euch geht.“

„Krokodil und Bella haben sich bereits wieder gut erholt. Bleibst Du zum Essen? Ich werde uns etwas kochen.“

„Gerne.“
 

Wenig später saßen die beiden Jungen am Tisch in Loisels Quartier über der Lokhalle. Es war mit dem notwendigsten ausgestattet. Eine Liege, eine Kochnische und Tisch und Stühlen. Ein Gemeinschaftsbadezimmer befand sich nebenan, insgesammt gab es vier solcher Quartiere hier für durchreisende Lokführer und Ihre Züge.

„Loisel, ich möchte dich etwas fragen. Wie bist Du Lokführer-Lehrling geworden?“

„Nun, ich musste zuerst einen Lehrgang absolvieren und eine Prüfung bestehen. Das gleiche mußte übrigends auch Krokodil. Das muss jede Lok, für die ein Lehrling vorgesehen ist, damit jeder seine Pflichten kennt. Jeden Abend muss ich mein Ausbildungstagebuch führen, also notieren, was ich getan habe. Oder ein Meister trägt das ein, was er mir beigebracht hat.“

„Bei uns müssen die Lehrlinge auch so ein Berichtsheft führen.“

„Nach jedem Jahr steht eine Zwischenprüfung an, die anhand meiner Lehrberichte erstellt wird. Ich bin jetzt im zweiten Lehrjahr, das nächsten Monat zu Ende geht. Dann muß ich nach Emmenthal zurück und die zweite Zwischenprüfung ablegen. Wenn ich dann meine Lehre erfolgreich beendet habe, erhalte ich mein Diplom und bin dann ein richtiger Lokführer. Ich kann dann entscheiden, ob ich weiterhin Krokodil als Partner möchte oder ob ich auf einer anderen Lok Dienst tun möchte. Dann würde Krokodil einen neuen Lehrling bekommen. Und dieser geht mit Ihm wieder auf Reisen oder lernt vor Ort. Es gibt Loks, die bisher nur von Lehrlingen betreut wurden.“

„Ich werde morgen mit dem Stationsvorsteher sprechen, damit er mich für den Lehrgang anmeldet.“

„Und hast Du schon eine Lok, die Du betreuen willst?“

„Klar, Rusty.“

„Die kleine Dampflok? Er ist ein netter, hilfsbereiter Kerl, aber bei Ihm müsste einiges Instandgesetzt werden. Er scheint ziemlich vernachlässigt worden zu sein. Und die Betreuung ist umfangreich und schwer! Denk nur, an die Mengen von Kohle, die Du schippen musst! Denn einen Heizer kriegst Du nicht zur Hilfe.“

„Das weiß ich. Aber ich hatte schon bei mir zuhause mit Dampfloks zu tun. Ich und Rusty gehören zusammen. Das Schicksal hat es so bestimmt! - Aber eine Frage brennt mir noch auf der Zunge.“

„Lass hören.“

„Woher bekommst Du das nötige Geld zum Leben, wenn Du auf Reisen bist?“

„Nun, in jedem größeren Bahnhof oder Betriebswerk ist für Lokführer und Lehrlinge die Kost in der Kantine oder dem Restaurant frei. Das bedeutet, dort ist immer eine Mahlzeit für dich sicher. Du brauchst nur deinen Lehrausweis vorzuzeigen oder deinen Arbeitsausweis als fertig ausgebildeter Lokführer. Das sichert Dir auf jedem Bahnhof auf dem Kontinent ein Anrecht auf freie Verpflegung. Für dich und deine Lok. Und jeder große Bahnhof hat auch eine Unterkunft für reisende Lehrlinge und Ihre Züge, die einem zur freien Verfügung stehen, so wie hier in Kommoran. Alles was Du sonst noch brauchst ist ein Schlafsack oder ein Kissen und eine Decke. Denn oft übernachten wir auch im Freien, wenn kein größerer Bahnhof in Sicht ist. Auf den kleineren Stationen bekommen wir auch oft einen Schlafplatz in Haus des Stationsvorstehers. Oder ich schlafe in einen von Bellas Abteilen, sie braucht ja nur zu transformieren. Außerdem wurde verfügt, das jeder Lehrling ein pauschales Lehrgeld ausgezahlt bekommt, wenn er sich in einem Hauptbahnhof beimVorsteher meldet. Das habe ich hier getan und bei Mr. Corell den Empfang quittiert. Jedes Lehrjahr ists ein bischen mehr. Und diese Summe muß man sich bis zum nächsten Hauptbahnhof einteilen. So lernst Du auch mit Geld umzugehen. Na ja-und wenn Du Glück hast, gibt’s manchmal auch ein kleines Taschengeld von einem Meister, wenn er zufrieden mit Dir ist. Oder ich verdiene mir ein Zubrot mit der Beförderung von Fahrgästen oder anderen Arbeiten, die ich und Krokodil mit Bella ausführen können.“

„Starke Sache. So lernt man wirklich eine Menge! Das wird aufregend, wenn ich erst mit Rusty unterwegs bin!-Was ist aber, wenn ich Hilfe brauche, falls meine Lok oder der Waggon eine größere Reparatur braucht?“

„Keine Sorge. Unsere Eisenbahnerkollegen auf dem ganzen Kontinent sind in solchen Fällen immer mit Rat und Tat hilfsbereit. Kein Lehrling wird in so einem Fall im Stich gelassen. Siehst Du die neuen Schuhe da neben dem Bett? Die habe von Mr. Loghead geschenkt bekommen. Du bist also als Lehrling nie alleine. Einer ist immer da, sei es nun ein Kollege oder deine Zugpartner.“

„Danke, das Du mir alles so toll erklärt hast, Loisel. Für mich wird es jetzt Zeit zu Rusty zurückzukehren. Und Du mußt sicher auch noch einiges für Morgen früh vorbereiten.“

„Ich wünsche Dir alles Gute, Casey. Vielleicht treffen wir uns einmal unterwegs.“

„Das hoffe ich, Loisel. Und wir bleiben Freunde. Und irgendwann einmal laufen wir mit unseren Zügen ein Rennen!“

“Das werden wir. Vielleicht gewinnt Ihr sogar unsere Plakette.-Zur Zeit ist „Alligator“ unsere A-Liga Lok. Ein braunes Krokodil. Er ist der Favorit von Emmenthal und Rätina.“

„Wenn Rusty das richtige Level erreicht hat, fordere ich Aligator heraus! Und das wird er, dafür sorge ich schon.“

Der Junge aus Emmenthal nickte und die beiden reichten sich die Hände. Dann begleitete er Casey hinunter.

„Alles Gute, Krokodil. Und hoffentlich schaffst Du es beim nächsten Rennen.“

„Das werde ich. Und wenn ich die A-Liga erreicht habe und mein Leistungslevel hoch genug ist, werde ich von Greaseball Revanche fordern!“

„Genau! Und dann zeigst Du diesem Angeber nur noch deine Rücklichter!“

Beide legten Ihre linken Handflächen aneinander, es war der typische Gruß zwischen Lok und Lokführer, hatte Casey von Rusty erfahren.

„Auch Dir alles Gute, Bella.“

„Danke Casey. Du wirst sicher ein prima Lokführer werden.“
 

Draußen war es bereits Nacht geworden, als Casey zum alten Lokschuppen zurückkehrte. Überall brannten Laternen, die ein warmes helles Licht verbreiteten, im Gegensatz zu der kalten Neon-Beleuchtung auf den Bahnhöfen bei Casey zuhause. Und auch jetzt waren auf den Bahnsteigen immer noch Leute unterwegs.

Als er neben dem alten Gleis entlangspazierte, hörte er aus der Ferne Musik. Jemand spielte auf einer Mundharmonika. Zuerst vernahm er nur Bruchstücke der Melodie, aber je näher er dem alten Lokschuppen kam, desto deutlicher wurde sie. Und dann entdeckte er die Quelle der Musik.

Unter einer Lampe seitlich am Schuppen lehnte Dustin, der Tenderwaggon an der Wand und spielte auf seiner Mundharmonika. Rusty hockte Ihm gegenüber auf einer alten Stahltonne und lauschte schweigend. Es war eine fast romantische Szene. Die großen alten Bäume und über Ihnen und dem Gebäude der sternenklare Himmel. Das Wetter war warm und Casey lief noch immer barfüßig herum. Und die Melodie, die Dustin spielte, kam dem Jungen bekannt vor! Sehr bekannt sogar. Und zu seiner Überraschung begann Rusty plötzlich leise zu singen:
 

Wird es um mich dunkel

wird es in mir still

seh ich ein Licht leuchten in der Ferne

höre ich den Nachtzug,

der mich holen will,

dann folge auch ich dem Zug der Sterne
 

Starlight Express, Starlight Expess

wo bist Du? Sag es mir

Starlight Express, ich brauche dich jetzt

und wünsch mir, du wärst hier.
 

Nimm mich mit und zeig mir

was ich noch nie sah

bring mich zurück, ich will dort nicht bleiben

und wenn ich erwache, weiß ich, Du warst da

ich gehe mit Dir durch die Nacht

Komm wieder, ehe der Tag erwacht
 

Starlight Express, Starlight Expess

wo bist Du? Sag es mir

Starlight Express, ich brauche dich jetzt

und wünsch mir, du wärst hier.
 

Wenn es dich gibt, dann zeige mir

den Weg damit ich nicht verlier
 

Starlight Express, Starlight Express

wo bist Du? Hörst Du mich

Starlight Express, Starlight Express

Du weißt ich brauche dich

Starlight Express, Starlight Express

Ich bitt dich, komm zu mir.
 

Ab dem dritten Vers kam Casey hinzu und begann mitzusingen! Rusty und Dustin warfen sich erstaunte Blicke zu und starrten dann den Jungen an.

„Du kennst dieses Lied?“ fragte die Dampflok, als sie geendet hatten.

„Aber natürlich! Meine Mutter hat es mir früher immer vor dem Schlafengehen vorgesungen. Leider ist sie nicht mehr am Leben, seitdem singe ich es selbst oft Abends vor dem Einschlafen. Oder mein Dad. Es macht mir Mut und gibt mir Hoffnung!“

„Du kennst nicht nur die Geschichten vom großen Sternenzug, sondern auch dieses Lied? Dann verbindet uns wirklich mehr, als ich dachte!“

„In der Tat!“ ertönte plötzlich die sonore Baßstimme des alten Pop. Er war ebenfalls nach draußen getreten. „Diesen mutigen und gutherzigen Jungen hat Dir der Starlight-Express geschickt, da bin ich sicher! Du siehst, deine Bitte an den großen Sternenzug wurde erhört. Weil Ihr einander braucht! Er wird Dir helfen, dein Selbstvertrauen zu finden und deine wahre Stärke! Ihr werdet diesen Weg gemeinsam beschreiten, das ist euch vorbestimmt.“

„Meinst Du?“

„Na klar! Und deshalb habe ich beschlossen, Lokführer-Lehrling zu werden! Und Du wirst mein Partner, Rusty!“ erklärte Casey. „Wir werden von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof reisen und Du wirst gegen andere Loks antreten und Ihnen zeigen, das eine Dampflok noch nicht zum alten Eisen gehört!“

„WAS? Ich soll eine Lehrlokomotive werden? Aber das habe ich noch nie gemacht! Ich weiß gar nicht, ob ich das kann! Und das mit dem Herumreisen und den Rennen meinst Du doch nicht ernst?“

„O doch! Du weißt schon so gut über die Regeln und Bestimmungen Bescheid! Ich weiß doch, das Du insgeheim schon immer mitmachen wolltest, habe ich recht?“

„Na ja, würden schon, aber sieh mich doch an! Mit den Rostflecken mache ich mich doch zum Gespött aller Lokomotiven!“

„Ich werde auf unserer Reise dafür sorgen, das der Rost verschwindet. Stück für Stück. Und gleichzeitig bekommst Du einen neuen Anstrich, das habe ich Dir doch schon versprochen! Ich werde mich von nun an um dich kümmern! Außerdem zählt nicht das Äußere, sondern das, was in Dir steckt!“

„Aber Casey! Weißt Du, was da auf dich zukommt, wenn Du auf einer Dampflok lernen willst? Es ist eine schwere und schmutzige Arbeit!“

„Ich weiß.“

„Du mußt Tonnen von Kohle in meine Feuerbüchse schaufeln!“

Casey nickte.

„Und dann die ganzen Vorbereitungen, bis ich endlich abfahrbereit bin! Abölen, Putzen, Entschlacken, Kessel reinigen, Asche ausleeren....“

„Hey, sag mal, willst Du mich nicht als Lehrling?“ fragte der Junge verärgert.

„Doch, ich will dich, aber ich muß Dir doch sagen, was dich alles erwartet, nicht damit Du es nachher nicht schaffst und die Lust verlierst! Wenn Du erst merkst, was für eine heiden Arbeit ich mache, ist der Dampf schnell raus!“

„Rusty! Ich habe zuhause auch eine Dampflok, an der ich mit meinem Vater arbeite! Und ich habe schon genug Kohle geschaufelt! Ich kenne die Arbeit, die hinter dem Betrieb einer Dampflokomotive steckt und ich habe genug Kraft und Elan, die Ausbildung auch durchzustehen und zu beenden! Mein Wunsch ist es, Lokführer zu werden und später kann ich immer noch auf einer Diesel-oder E-Lok lernen! Das ich dabei schmutzig werde, ist mir wurscht! Schmutz kann man abwaschen!“

„Der Junge hat recht! Und das mit der Lehrlingszusammenarbeit wirst Du in einem Lehrgang alles beigebracht kriegen! So schwer ist das nicht, mein Sohn! Bei meiner Pfeife, ich freu mich so für dich! Endlich hast Du eine richtige Aufgabe!“ lachte der alte Pop und hieb Rusty freundschaftlich auf die Schulter, das es schepperte. Gleichzeitig fiel eine Mutter klirrend auf das Gleis.

„Pop, Du sollst das doch nicht machen! Du siehst doch, was dann jedesmal passiert!“ maulte die kleine Dampflok, hob die Mutter auf und schraubte sie wieder an Ihren angestammten Platz an seiner Schulter.

„Keine Sorge. Morgen fahren wir beide in das Betriebs- und Ausbersserungswerk am Ostbahnhof zu einem großen Check-up, damit fit für deine neue Aufgabe bist!“

„Also gut. Wir können es ja mal versuchen. Auf jedenfall wär ich dann diesen miesen Greaseball los!“

„Bravo, mein Sohn! Das wollte ich hören!“ rief der alte Pop begeistert.

„So Casey. Und jetzt wollen wir mal oben nach einem Schlafplatz für dich suchen.“ sprach Digger. „Es ist schon spät und Du bist sicher müde.“

„Oh ja! War ein aufregender Tag heute!“ nickte der Junge und gähnte.

„Dann komm mit mir.“

„Gute Nacht, Rusty! Gute Nacht, Pop und Dustin! Bis morgen!“

„Bis morgen, mein Junge! Und schlaf schön!“ wünschte der Oldtimer. Auch Dustin entschloß sich, seinen Schlafplatz aufzusuchen. Das war ein überdachtes Stück Gleis auf der anderen Seite des Lokschuppens. Hier ließ er sich einfach ins Gras nieder, den Rücken an die Gebäudewand gelehnt und schloß die Augen.

Die beiden Dampfloks blieben alleine zurück. Pop ließ sich neben Rusty auf einer anderen Stahltonne nieder.

„Na, haben dich heute deine Diesel-Brüder wieder geärgert?“

„Das sind nicht meine Brüder, Pop! Ich habe nichts mit denen gemeinsam!“

„O doch! Sie sind alle Loks, wie Du und ich. Nur fahren sie mit Diesel und wir mit Kohle. Genauso wie es dunkelhäutige und hellhäutige Menschen gibt. Aber sie gehören alle zur gleichen biologischen Familie.“

„Die Dieselloks sind hochmütig und gemein! Am schlimmsten ist Greaseball! Er macht mir das Leben zur Hölle! Wäre Casey nicht gewesen, hätte er mir heute vielleicht den Kopf abgerissen!“

„Nun übertreibe mal nicht, mein Sohn. Außerdem wird jetzt alles anders, jetzt wo der Junge da ist! Er wird Dir den Weg zeigen, den Ihr gemeinsam beschreiten werdet. Du wirst sehen, Ihr werdet auf eurer Reise eine Menge lernen. Die beste Schule ist immer noch das Leben selbst.“

„Ich hoffe, Du hast recht, alter Freund. Ich werde mich nun ebenfalls zurückziehen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, mein Sohn.“

Als Rusty im Lokschuppen verschwunden war, starrte Pop noch eine ganze Weile in den sternenklaren Himmel.

„Danke, Starlight Express, das Du Rusty einen Freund geschickt hast.“ murmelte er und lächelte.
 

Fortsetzung folgt….

4. Die Aufnahmeprüfung

Starlight Express
 

Kaptitel 4:

Die Aufnahmeprüfung
 

Am nächsten Morgen wurde Casey durch ein lautes Geräusch geweckt. Er sprang aus dem Bett und lief zum runden Fenster, das sich in seinem Zimmer befand. Dabei knarrten jedesmal die Dielenbretter. Digger hatte Ihm eines von seinen Pyamahemden ausgeborgt, das dem Jungen bis zu den Knien reichte.

Casey stieß das Fenster auf und suchte nach der Quelle des Geräusches. Zwischen zwei Bäumen gab es eine größere Lücke und konnte er die Gleise des Bahnhofs erkennen. Dann entdeckte er Krokodil, der gerade mit Bella vorbeifuhr. Lok und Waggon befanden sich gerade im Maschinenmodus und es war der laute Elektromotor, der Casey geweckt hatte. Der Junge reckte seinen Arm und rief, so laut er konnte: „Hey! Gute Fahrt, Loisel!“

„Loisel, da am Fenster des alten Lokschuppens! Da ist Casey! Er winkt uns zu!“ vernahm der Lehrling die Stimme von Krokodil. Er steckte seinen Kopf aus dem Fenster des Führerhauses und sah seinen neuen Freund winken. Lachend winkte er zurück und Krokodil stieß einen kurzen Pfiff aus.

Casey blickte den davonfahrenden Zug nach, bis er hinter den Bäumen nicht mehr zu sehen war.
 

„Na, schon ausgeschlafen?“

Digger betrat das Zimmer. In den Händen hielt er ein Tablett mit einem Frühstück, das er auf dem kleinen Tisch absetzte.

„Morgen, Digger!-Ich habe gerade Loisel zugewinkt. Er hat gerade den Bahnhof verlassen.“

„Ach ja, die Krokodile von Rätina haben nun mal laute Motoren. Daran erkennt man sie sofort.“

„Rätina?“

„Es ist Loisels Heimatland. Der größte Teil besteht aus Bergen. Die Hauptstadt ist Emmenthal.“

„Habt Ihr eigentlich auch Landkarten? Mit dem ganzen dazugehörigen Schienennetz?“

„Natürlich. Vom ganzen Kontinent.“

„Dann muß ich mir als Erstes so eine Karte besorgen.“

„Als Lehrling wirst Du einen ganzen Streckennetzatlas bekommen. Und noch einige Handbücher.Und Du wirst auf den Bahnhöfen lernen, mit dem Dienstplan umzugehen.“

„Prima.“

„Und jetzt lass Dir dein Frühstück schmecken. Danach machen wir uns auf den Weg zu Mr. Corell.“

„Okay.“ nickte der Junge und setzte sich an den Tisch.
 

Auf dem Weg zum Verwaltungstrakt des Bahnhofsgebäudes kam Digger und Casey Mr. Loghead entgegen.

„Ja, sag einmal, Francis, ich denke, Du bist mit Greaseball unterwegs nach Portho!“

„Bobetta Flint vertritt mich. Ich hatte gestern dringend noch in der Stadt zu tun. Und Greaseball ist es wohl eh lieber, wenn meine Kollegin Ihn fährt.“

„Ach so, verstehe.“

„Und wer ist dieser junge Mann hier? Ich habe Ihn gestern schon in Begleitung von Rusty gesehen! Er war sehr hilfsbereit und sieht aus, als wüßte er bereits gut über Loks Bescheid.“

„Ich heiße Casey Jones. Ich will Lokführer werden und mich gerade bei Mr. Corell bewerben.“

„Ah, ein neuer Lehrling! Ich werde euch begleiten.“ lächelte Loghead und schloß sich den beiden an.
 

Mit einem Fahrstuhl fuhren sie in die obere Etage. Ein langer Gang führte zum Büro des Bahnhofsvorstehers. Der Boden war mit einem dicken roten Teppich ausgelegt, der jeden Schritt des Trios dämpfte.

„Mann, richtig vornehm!“ staunte Casey, der die Bilder und Ausschmückungen an den Wänden betrachtete.

„Ja, Kommoran ist eine wohlhabende Stadt. Genauso wie unser Land Ruthia.“ erklärte Digger.

„Aber bei eurem Lokschuppen und Rustys Instandhaltung wird geknausert!“

„Unser Boß denkt nun mal, das es sich nicht mehr lohnt, hier noch mehr Geld hineinzustecken.“ seuftze Loghead.

„Man kann von Glück sagen, das unsere beiden Dampfloks nicht verkauft wurden! Mr. Corell behält sie der Tradition wegen. Und eine bestimmte Summe wird auch jeden Monat dafür eingeplant. Aber es reicht eben nur, um den Schuppen einigermaßen in Schuß zu halten und eine Lok zu warten. Bei Rusty reicht es nur für die notwendigsten Reparaturen.“ erklärte Digger.

„Ich finde das ungerecht!“

„Mr. Corell nennt es unrentabel.-So, da wären wir.“

Der ältere Lokführer klopfte an.

„Herein!“

Digger öffnete die Tür und die Drei traten ein.

Mr. Corell war ein rundlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, der hinter einem wuchtigen Schreibtisch saß und die Besucher einer nach dem anderen musterte. Er trug einen grauen Anzug im Stil des neunzehnten Jahrhunderts, mit einer schweren, goldenen Uhrenkette. Das Büro war groß und genauso großzügig ausgestattet.

„Guten Morgen, Mr. Corell.“ grüßte Digger und nahm seine Mütze ab, Francis tat es Ihm gleich.

„Was führt euch zu mir?“ fragte der Bahnhofsvorsteher.

„Dieser Junge hier möchte gerne Lokführer werden und eine Lehre bei uns beginnen.“ erklärte Digger.

„Aha.“

Mr. Corell erhob sich von seinem Platz und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Vor Casey blieb er stehen und musterte Ihn eingehend.

„Wie heißt Du, mein Junge?“

„Casey Jones, Sir!“

„Digger, sag mal, hat der Junge keine Schuhe? Wieso läuft er barfuß?“

„Äh-verzeihen sie, Boß, er hat schon welche, aber...“ begann Digger, doch Loghead sprach schnell weiter: „Die sind leider gerade kaputt, aber ich werde Ihm nachher sofort ein Paar Neue besorgen!“

„In Ordnung, Mr.Loghead.-Du willst also Lokführerlehrling werden. Bist Du nicht noch etwas zu jung?“ meinte Mr. Corell.

„Ich bin schon vierzehn!“ log Casey ungerührt .“Das ich etwas klein geraten bin, dafür kann ich nichts!“

„Wo ist denn deine Mutter? Warum hat sie dich nicht herbegleitet?“

„Ich habe keine Mutter mehr...“

„Und dein Vater?“

„Der ist weit, weit weg....“

„Ein Waisenkind? Wo kommt er her? Der Kleidung nach bestimmt nicht von hier!“

„Ist das so wichtig Boß? Der Junge hat gute Anlagen, ein Lokführer-Lehrling zu werden. Ich habe es gestern gesehen, als er dem Jungen aus Emmenthal geholfen hat! Er weiß schon sehr viel und ist technisch sehr begabt!“ erklärte Loghead.

Der Stationsvorsteher überlegte.

„Mr.Corell! Da Casey anscheinend Niemanden hier hat, werde ich die Rolle seines Vormundes übernehmen! Ich werde mich um Ihn kümmern!“

„Und ich sowieso!“ nickte Digger.

„Danke, Mr. Loghead!“ sprach Casey gerührt. Er schämte sich, zuerst so schlecht über diesen Mann gesprochen zu haben.

„Nenn´ mich einfach Francis. -Der Junge wird die Prüfungen bestehen, da bin ich mir sicher! Lassen Sie Ihn den Lehrgang durchlaufen!“

„Also gut. Wir werden sehen. -Und auf welcher Lok willst Du lernen? Weißt Du das schon?“ fragte Mr. Corell.

„Klar! auf Rusty!“ rief Casey.

Der Stationsvorsteher hob erstaunt die Augenbrauen.

„Ausgerechnet Rusty? Er hat aber überhaupt keine Erfahrung mit Lehrlingen! Außerdem ist die Arbeit alleine auf einer Dampflok am schwehrsten! Und schmutzig!“

„Das weiß ich, Sir! Aber ich bin kräftig genug, es zu schaffen!“antwortete Casey.

„Und wann hat Rusty seinen letzten großen Check-up gehabt?“

„Keine Sorge, Boß, darum kümmere ich mich schon. Es wird Zeit, das der Kleine etwas richtiges zu tun kriegt.“ erklärte Digger.

„Dann muß er den Lehrgang im Betriebswerk absolvieren. Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Warum willst Du nicht einen von unseren Dieseln als Lokpartner? Die sind moderner und einige haben schon mit Lehrlingen Erfahrung!“

„Ich will aber Rusty! Er ist mein Freund! Wir gehören zusammen! Und ich werde mit Ihm auf Reisen gehen! Und mit Ihm für die Renn-Liga trainieren!“

„Das soll wohl ein Witz sein!“

„Nein, es ist mir ernst! Rusty wird Ihnen beweisen, das er noch nicht auf das Abstellgleis gehört! Er ist genauso gut wie Greaseball!“

„Jetzt übertreibst Du aber! Beleidige nicht unseren Champion!“ mahnte Mr. Corell und wies auf ein großes, eingerahmtes Foto über seinem Schreibtisch. Darauf war Greaseball zu sehen, wie er sich stolz in Pose warf. Typisch für diese Angeber-Lok.

„Entschuldigung, Sir. Aber geben Sie uns beiden bitte eine Chance! Wir werden Sie nicht enttäuschen!“

„Also gut, mein Junge. Ich sehe an deinen Augen, das Du es ehrlich meinst. Du sollst Rusty als Lokpartner bekommen!“

„Danke, Mr. Corell, Sir!“

„Digger, Loghead, Ihr werdet alles in die Wege leiten. Zuerst werdet Ihr bei Mrs. Alpa die ganzen Formalitäten erledigen. Ich spreche mit Eisenbahnergilde, wann der nächste Lehrgang abgehalten werden kann.“

„Jawohl, Sir.“

„Und dann kauft Ihr dem Burschen zu allererst ein paar ordentliche Schuhe!“

„Alles klar, Boß!“ grinste Digger.
 

Die drei verließen wieder das Büro und begaben sich zwei Türen weiter in die Personalabteilung. Hier begegneten sie dem Assistenten und Stellvertreter des Bahnhofsvorstehers, Mr. Banner, der sich gerade mit Mr. Alpa, der Sekretärin, unterhielt. Casey stellte fest, das es hier bereits auch Computer gab. Zwar noch recht altertümliche Modelle, aber immerhin.

„Guten Tag, Mr. Banner. Wir wollen einen neuen Lehrling eintragen lassen.“ grüßte Digger.

Der Assistent des Stationsvorstehers war ein Mann von etwa Ende Dreißig. Er war ähnlich wie sein Vorgesetzter gekleidet, nur trug er einen blauen Anzug und eine ebensofarbige Schirmmütze.

„Das bist dann wohl Du. Wie ist dein Name?“

„Casey Jones, Sir.“

„Willkommen bei den Eisenbahnern, mein Junge. Mrs Alpa wird nun deine Personalien aufnehmen und dann werden wir sehen, wie Du die Aufnahmeprüfung bestehst.“

„Okay.“ nickte Casey.

„Mrs. Alpa, ich bin in meinem Büro!“

„Jawohl, Mr. Banner.“

Der Assistent verließ wieder das Büro.

„Und nun zu Dir, mein Junge. Dein Name ist also Casey Jones.“ sprach Mrs. Alpa.

„Ja, Mam.“

Die Sekretärin tippte den Namen in Ihren Computer ein.

„Und wo wohnst Du?“

„Drüben, im alten Lokschuppen.“

„Wie bitte? Du wohnst nicht bei deinen Eltern?“

„Er hat keine Eltern mehr. Deshalb bin ich sein Vormund. Und Digger.“ antwortete Loghead.

„Na schön. Wie alt bist Du, Casey?“

„Vierzehn!“ log der Junge wieder. Bis zu seinem Geburtstag waren es zwar noch gut acht Monate, aber warum sollte die Sache an acht Monaten scheitern?

Dann folgten noch verschiede Fragen und Casey musste seinen Lokpartner nennen.

„Digger, Du weißt, das der Junge noch vom Bahnarzt untersucht werden muss. Die Ergebnisse soll er dann an mich übersenden. Hier sind die Unterlagen für den Doc.“ sprach die Sekretärin, als sie mit der Aufnahme der Daten fertig war und reichte dem Lokführer eine Akte.

„Okay. Wiedersehen, Mrs. Alpa.“
 

„So und jetzt gehen wir hinunter zum Doktor. Jeder große Hauptbahnhof hat einen eigenen Arzt für seine Belegschaft und für kranke Reisende.“ erklärte Loghead. „Du hast doch hoffentlich keine Angst vor Ärzten.“

„Nicht die Spur.“

„Okay.“

In der großen Empfangshalle, die sie durchqueren mussten, herrschte reges Treiben. Reisende, Gepäckträger mit Ihren Karren und fliegende Händler boten ein buntes Bild. Casey war begeistert von der Architektur und der prachtvollen Ausstattung. Man hatte sich hier wirklich etwas Besonderes geleistet. Verzierte Säulen stützten die hohe Decke der Halle, ebenso wie den Gang vor dem Prachtbau. Rings um die Halle reihten sich die verschiedensten Geschäfte und ein Restaurant aneinander.

Digger und Loghead bogen in einen Seitenflügel des Bahnhofs ein. Hier befanden sich die Gepäckaufbewahrung und die Fahrkartenschalter, zehn an der Zahl. Einige waren geöffnet, andere geschlossen. Der Junge stellte fest, das die große Halle und alle anderen Teile des Bahnhofs peinlich sauber gehalten wurden. Nirgendwo gab es Schmierereien an den Wänden oder beschädigtes und beschmutztes Interieur. Die Leute hier wissen noch, was sich gehört, dachte Casey und empfand großen Respekt für diese Leute.

Im hinteren Teil dann hatte der Doktor seine Praxis. Casey kam gleich dran und der freundliche Doktor untersuchte Ihn von Kopf bis Fuß, testete seine Reflexe und besonders sein Seh-und Hörvermögen. Dazu gab es verschiedene Tests, die er bei allen Lehrlingsanwärtern durchführen musste.

„So, jetzt kannst Du dich wieder anziehen.“ sagte er dann schließlich.

„Ist alles okay bei mir?“

„Alles bestens. Du bist kerngesund und hast die richtigen Voraussetzngen für eine Lokführer-Laufbahn.“

„Klasse!“

Während der Junge sich ankleidete, winkte der Arzt die beiden Lokführer zu sich.

„Was ist Doc? Ist der Kleine gesund?“

„So weit ist mit Ihm alles in Ordnung. Aber er ist noch keine Vierzehn! Ich habe Ihn genau untersucht. Laut seiner körperlichen Entwicklung dürfte er erst dreizehn, höchstens dreizehneinhalb sein!“

„Dieser Schlingel! Ist das von großer Bedeutung ? Muß er jetzt noch ein halbes Jahr warten?“ fragte Digger besorgt.

„Ich denke nicht. Er ist für sein Alter geistig schon sehr weit entwickelt und kräftig genug.Ich sehe keine Probleme, schon jetzt mit der Lehre zu beginnen.“ lächelte der Arzt. „Und sein Lokpartner wird Ihm ja helfen.“

„Hey, danke Doc!“

„Ich bin fertig!“ rief Casey und kam angelaufen.

„Gut! Dann gehen wir jetzt einkaufen! Du brauchst dringend ein Paar Schuhe, wie Mr. Corell schon sagte.“ bemerkte Loghead.

„Und ich muß zurück zu Pop! Wir müssen in einer Stunde im Bergwerk sein, den Schutt abholen!“ sagte Digger. „Viel Spaß beim Einkaufen, Ihr Beiden!“
 

War der Bahnhof schon aufregend für Casey, so war die Stadt es erst richtig. Der Junge konnte sich nicht satt sehen an den vielen prächtigen Häusern und Geschäften. Es gab auch eine Straßenbahn und Loghead erklärte, das auch sie im Humanoid-Modus existieren konnte.

Zuerst bekam Casey seine Schuhe. Sie waren aus braunem Leder und dreiviertel hoch, dazu noch von erstklassiger Qualität. Dazu bekam er noch zwei Paar Socken.

„Das ist echt toll, das Du mir das alles spendierst, Francis.“

„Na ja, der Lokführer von Greaseball zu sein, hat auch seine Vorteile. Doch ein Teil meines Vermögens gebe ich gerne für junge Lehrlinge, die Hilfe brauchen. Ich sehe es auch immer wieder gerne, wenn sie sich über ein Geschenk freuen. So wie Loisel gestern. - Hey, möchtest Du ein Eis?“

„Gerne.“

„Dann laß uns an dem Tisch Platz nehmen.“

Die beiden ließen sich an einem der Tische eines Straßencafes nieder. Der Junge suchte sich einen Eisbecher aus und Loghead bestellte sich einen Kaffee.

„Du bist ein echt toller Kerl, Francis! Schade, das Greaseball das nicht sieht.“

„Greaseball war nicht immer so. Ich habe Ihn als Partner bekommen, als ich mit meiner Lehre fertig war. Ich habe erst sehr spät als Lehrling angefangen, mit sechzehn. Das kam daher, weil ich in der Schule nicht gerade der Hellste war. Ich musste die letzte Klasse einmal wiederholen. Und ich hätte beinahe auch nicht die Aufnahmeprüfung geschafft. Doch ich biß die Zähne zusammen und büffelte! Und zur Überraschung aller schaffte ich es. Als ich mit meiner Lehre fertig war, war ich Zwanzig. Auch für die Abschlußprüfung musste ich hart arbeiten! Es ist schlimm, wenn man geistig etwas einfältig ist.“

„Und wenn schon! Nicht jeder kann ein Superhirn sein! Dafür hast Du andere Qualitäten. Nämlich ein Herz so groß wie der ganze Bahnhof! Und Du liebst Kinder und sie dich! Das ist etwas ganz Tolles!“

Francis wurde ganz verlegen über Caseys Lob.

„Nun-wie auch immer. Ich und Greaseball haben zusammen trainiert und sind auf Reisen gegangen. Er und ich haben gemeinsam ein spezielles Krafttraining absolviert. Das Ergebnis bei mir siehst Du ja. Und Greaseball wurde immer stärker und hat sich schließlich weiterentwickelt.- Weißt Du, das sich jede Lok weiterentwickeln kann?“

„Weiterentwickeln?“

„Es ist ein besonderer, aber auch schwieriger Prozess. Nicht jede Lok schafft das. Aber wenn es Ihr gelingt, ist sie größer und stärker als vorher!“

„Wahnsinn! Könnte das auch Rusty?“

„Es wäre möglich. Wie gesagt, jede könnte es, aber nur wenige schaffen diese Entwicklung. Pop und Greaseball waren einige dieser Wenigen. Sie waren früher kleiner und nicht so stark. Greaseball sah früher aus wie einer von den schwarz-roten Dieseln. Dann hat er trainiert und schaffte die Weiterentwicklung in die Form, wie Du sie heute kennst.“

„Also auch eine Art Transformation! Wow!“

„Aber leider hat das auch seinen Charakter verändert! Er ist hochmütig und eigensinnig geworden! Doch er war nicht immer so. Wir waren früher die besten Freunde. Doch ich bleibe bei Ihm, in der Hoffnung, das er sich eines Tages besinnt. Du mußt darauf achten, das mit Rusty nicht das selbe geschieht, sollte er es eines Tages schaffen, sich weiterzuentwickeln!“

„Das werde ich, verlass dich darauf, Francis!“
 

Gegen Mittag kehrte Casey in sein neues Zuhause, den alten Lokschuppen zurück.

„TA-DAA!“ rief er und reckte seinen rechten Fuß.

„Oh, neue Schuhe! Die sind aber schön!“ rief Pop. „Francis hat wieder mal seine Spendierhosen angehabt! Ein prima Bursche!“

„Das ist er.“ nickte der Junge.

„Jetzt mußt Du wenigstens nicht mehr barfüßig herumlaufen.“ lächelte Rusty.

Digger kam die Treppe herab.

„Hallo, Casey. Das Mittagessen steht oben auf dem Herd. Ich muss gleich mit Rusty und Pop los zur Konservenfabrik und dann muß ich deinen neuen Partner ins Betriebswerk bringen. Dort kriegt er seinen längst fälligen Rundum-check und die Schulung zur Lehrlingslok! Und Morgen früh beginnt dein Lehrgang. Er geht einen ganzen Tag und Übermorgen ist dann die Aufnahmeprüfung. Pop wird dich hinbringen und am Abend wieder abholen.“ erklärte er. „Und schau Dir das Buch auf dem Esstisch an. Es ist mein altes Lehrbuch.“

„Alles klar.-Rusty, sei fleißig und hör gut zu, damit Du auch deine Prüfung bestehst.“

„In Ordnung.“ nickte die kleinere Dampflok und schloß sich Pop und Digger an.

Oben im Wohnquartier verstaute Casey seine Sachen und sah dann in den Topf. Das Essen war noch warm und er schöpfte sich einen Teller voll Eintopf heraus.

Auf dem Esstisch entdeckte er das Buch, von dem Digger gesprochen hatte. Es zeigte starke Gebrauchsspuren und auf dem Einband waren Ölflecken und rußige Fingerabdrücke zu sehen. Ein Beweis, das Digger es in seiner Lehrzeit immer dabei gehabt hatte. Die Seiten waren bereits etwas vergilbt, aber man konnte trotzdem noch alles lesen. Während der Junge aß, blätterte er interessiert in dem Buch. Da stand alles über den Betrieb einer Dampf- und Diesellok, über Signale, Weichen und Verkehrsregeln auf den Gleisen. Und die ganzen Vorschriften und Zeichen.

„Oh Mann, das ist ja ne´ ganze Menge Stoff! Da muß ich ganz schön büffeln! Aber das gehört auch dazu bei einer Lehre! Nur gut, das Dad mir schon so viel beigebracht hat!“
 

Inzwischen, im Betriebswerk am Ostbahnhof...

„Wer hätte das gedacht, das unser kleiner Rusty nach so langer Zeit doch noch eine Lehrlingslok wird!“ sprach Mr. Kelmon, der Betriebsmeister, der den Rundumcheck an der Dampflok durchführte. Rusty zog eine saure Miene. Er mochte es nicht, wenn man Ihn „Kleiner“ nannte. Aber leider überragten Ihn alle anderen Loks an Größe. So war Rusty also bei allen immer der „Kleine“.

„Also, Rusty, hör gut zu, was Mr. Kelmon Dir erklären wird! Morgen kommt dann die Prüfungskommission von der Eisenbahnergilde und wird dich testen!“

„Verstanden, Digger.“

„Keine Sorge, wir machen das schon!“ lächelte der Betriebsmeister. Digger und Pop ließen die beiden alleine.

„Das wichtigste ist, das Du Dir der großen Verantwortung bewußt sein mußt, die Du von nun an übernehmen wirst. Du bist für deinen Lehrling verantwortlich und mußt Ihm all das beibringen, was Du bereits gelernt hast. Denn Du bist schon lange im Einsatz und kennst die Regeln für den Eisenbahnverkehr. Vor allem musst Du Ihm in der ersten Zeit viel helfen, denn so ein Junge von Vierzehn Jahren hat nicht so viel Kraft, um alle Hebel immer richtig und rechtzeitig bedienen zu können. Später, wenn er genügend Kraft entwickelt hat und er sicherer geworden ist, kannst Du Ihn auch selber fahren lassen. Aber Du musst immer ein Auge auf deinen Lehrling halten und auf den Bahnverkehr!Ihr müsst immer zusammenarbeiten. Denn am besten lernt ein Lehrling in der Praxis, die Bücher sind nur eine Hilfe.“

„Ich verstehe. Ich werde gut auf meinen Partner aufpassen und Ihn vor Gefahren schützen.“

„Außerdem mußt Du auf bestimmte Dinge deines Menschenpartners achten. Sein Verhalten, seine Körpersprache. Du mußt erkennen, wenn er zum Beispiel krank ist, um dann die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, falls Ihr weit enfernt vom nächsten Bahnhof seid. Das ist sehr wichtig, das Leben deines Partners kann manchmal davon abhängen! Wie gesagt, Du bist in der ersten Zeit sein Lehrer, wenn Ihr auf Wanderschaft seid. Du mußt Ihm all das beibringen, was Du in deiner langjährigen Dienstzeit an Erfahrung erworben hast.“

Bis zum Abend hörte Rusty geduldig zu, was Mr. Kelmon Ihm erklärte. Dann testete er noch sein Wissen über die Verkehrsregeln.

„Und Ihr wollt euch wirklich für die Liga qualifizieren und für die große Meisterschaft?“

„Es ist Caseys Wunsch. Und da er mir geholfen hat, will ich es versuchen.“

„Das bedeutet viel Training. Kennst Du auch die Wettkampfregeln?“

„Die habe ich mir nach und nach angeeignet.“

„Du weißt, das Mr. Corell erst seine schriftliche Zustimmung geben muß, bevor Ihr gegen andere Loks antreten könnt. Und Du brauchst einen Waggonpartner, der dich auf der Reise begleitet. Ob unser Boß dafür Einen abstellt, weiß ich nicht. Auf jedenfall mußt Du und der Junge ersteinmal die Prüfung bestehen.“

Die Nacht blieb Rusty im Betriebswerk und versuchte all das zu wiederholen, was morgen abgefragt werden konnte.
 

Und für Casey begann am nächsten Morgen der Lehrgang. Pop brachte Ihn in den Westteil der Stadt, wo sich die Büros und die Schulungsräume der Eisenbahngilde befanden. Es wurden hier nicht nur Lehrlinge geschult und geprüft, sondern auch Kurse für Lokführer abgehalten, wenn es Neuerungen im Bahnbetrieb gab oder jemand auf eine andere Lok umgeschult werden sollte.

„Haha, schneller Pop!“ rief der Junge, welcher wieder seine Inliner an den Füßen hatte und sich von der alten Dampflok ziehen ließ. Seine neuen Schuhe hatte er in einem Rucksack bei sich, ebenso Schreibzeug und Papier.

Währed Casey also die Schulbank drückte und die wichtigsten Grundlagen für seine Lehre paukte, wurde es für Rusty ernst. Eine dreiköpfige Prüfungskommission war angetreten, die als erstes Mit der Hauptuntersuchung der Dampflok begann. Sie nahm jedes Teil im Maschinenmodus genau unter die Lupe und dann wurde sein Zustand im Humanoid-Modus untersucht. Und diesmal hatte die kleine Dampflok Ihren Helm dabei, denn es war Vorschrift, während der Arbeit einen Helm zu tragen. Er sah aus wie der Deckel einer Mülltonne, rund, flach gewölbt, mit einem Knauf in der Mitte. Zwar gab es einige Kleinigkeiten zu bemängeln, vor allem die Roststellen, doch Rusty bestand die große Untersuchung und erhielt seine neue Plakette.

„Jetzt hast Du wieder für 3 Jahre Ruhe.“ erklärte Mr. Kelmon. „Im Großen und Ganzen bist Du trotz der Rostflecken noch gut in Schuss.

Dann stellte Ihm die Prüfer die verschiedensten Fragen und notierten Punktzahlen.

„Sehr schön, Rusty. Über die Verkehrsregeln auf den Gleisen weißt Du Bescheid. Und nun erkläre uns, welche Pflichten Du als Lehrlok gegenüber deinem Lehrling hast.“
 

Auch Casey wurden die verschiedenen Pflichten gegenüber seinem Lokpartner aufgezählt.

Es folgten kurze Beschreibungen über die Führerstände der verschiedenen Loktypen, wie Dampf, Diesel und Elektrizität und was jeweils zu beachten war. Vor allem die Sicherheitsvorschriften wurden genau besprochen. Bald rauchte dem Jungen der Kopf, doch zum Glück gab es eine zweistündige Mittagspause.
 

Nach der Befragung mußte Rusty zeigen, was er konnte. Zuerst mußte er seine Transformation in den Maschinenmodus und zurück demonstrieren und dann mehrere Testläufe, auf denen zwei der Prüfer mitfuhren. Der Dritte beobachtete das Ganze vom Bahnsteig aus. Einfahrt in den Bahnhof, Verhalten an Weichen, vor Tunnels, An- und Abkoppeln der Waggons, all das mußte Rusty richtig machen, wie bei einer Fahrschulprüfung. Vor allem seine Bremsmanöver wurden genau getestet. Auch hier wurden die Sicherheitsvorschriften nicht außer Acht gelassen.

„Sehr gut, Rusty! Du hast die Prüfung bestanden. Morgen wird sich zeigen, was dein neuer Lehrling kann und dann müßt Ihr beiden noch eine praktische Fahrprüfung ablegen, um zu sehen, wie gut Ihr schon miteinander harmoniert.“

„Hey, gut gemacht, mein Junge!“

„Danke, Mr. Kelmon!“
 

Gegen Abend holte Pop dann Casey wieder ab. Diesmal ließ sich der Junge auf die Schultern des stämmigen Oldtimers heben.

„Na, wie wars?“ fragte dieser und setzte sich in Bewegung.

„Mann, mein Kopf ist bis zum Rand vollgestopft mit Lehrstoff! Noch ein wenig mehr und er platzt!“ stöhnte Casey.

„Rusty hat es geschafft. Er hat seine neue Zulassungsplakette erhalten und seine Prüfung zur Lehrlingslok soweit bestanden. Aber endgültig wird die Sache erst nach eurer gemeinsamen praktischen Abschlussprüfung. Er erwartet uns bereits zu Hause. Und morgen ist deine Schriftliche und mündliche Prüfung im Prüfungsraum des Gebäudes der Eisenbahnergilde.“

„Das stimmt. Ich muß um neun Uhr dortsein.“

„Keine Sorge. Rusty bringt dich morgen pünktlich hin. Denn ich muß schon um sieben in der Frühe wieder auf die Strecke. Drei Waggonladungen Kohle in die Nachbarstadt Rondoran bringen. Das sind fünfzig Kilometer von hier.“
 

Schließlich waren beide vor dem Lokschuppen angelangt. Pop hob Casey wieder von seiner Schulter und schob dann das Tor auf.

Rusty hatte sich in seiner Box in seinem Sessel gelümmelt und blätterte in einer Zeitschrift. Hin und wieder griff er in einen Eimer mit Koksstücken, der neben der Lehne stand und holte ein Stück heraus, das er sich in den Mund schob und ganz normal verspeiste.

„Hallo, Casey! Ich hab bestanden!“ sagte er, als der Junge zu Ihm kam und legte das Magazin weg.

„Und für mich wird’s morgen ernst! - Aber jetzt habe ich einen riesen Kohldampf!“

„Digger macht gerade das Abendessen. Ich würde Dir ja gerne etwas von mir abgeben, aber Kohle ist nicht für euch Menschen geeignet.“ antwortete die Dampflok und deutete auf den Eimer, der auf dem Boden stand.

„Wow! Du isst die Kohle, wie ich einen Apfel?“

„Klar. Ich kann sie essen oder man füllt sie hinten in meinen Tender Dann rollt sie von selbst in meinen Kessel. Ich vertrage auch Holz und sogar andere brennbare Materialien. Greaseball kann nur Diesel schlucken und die E-Loks können auch mal in ne´Steckdose fassen.“

„Das ist aber gefährlich!“

„Nicht für die Elektrischen, wie z.B. Krokodil. Uns anderen Loks würde es schlecht bekommen!

Meine Schlacke, also die Brandrückstände, werden durch diese kleine Tür an meinem Bauch entfernt. Das kann ich in meinem jetzigen Zustand auch selber machen, warte ich damit zu lange, kriege ich Bauchweh!“

„Echt krass! Aber Du bist dafür von allen anderen Loks am wenigsten abhängig! Was zum Verheizen und Wasser findet man fast überall!“

„Das stimmt.“

„Aber da ist noch etwas. In meiner hinteren Heizkammer brennt immer eine Flamme. Diese Flamme darf niemals ausgehen, denn sie tut das für mich, was bei euch Menschen das Herz. Sie erhält mich am Leben!“

„Das bedeutet, sie muss immer brennen?“

„Stimmt. Erlöscht diese letzte Flamme, ist es aus! Ein völlig erkalteter Kessel wäre mein Tod! Aber es müssen schon extreme Dinge passieren, damit meine Lebensflamme erlischt! Große Kälte, z. Beispiel. Oder viel Wasser in der Feuerbüchse! Oder tagelang absolut keine Nahrung, wie Kohle, Holz oder anderes Brennmaterieal.“

„Kann man diese Flamme sehen?“

Rusty nickte und öffnete die massive Feuerklappe auf seiner Brust. Dahinter befand sich die Feuerbüchse und im hinteren Teil eine kleine Gittertür, hinter welcher die etwa tellergroße Flamme leuchtete.

„Wow! Das ist also dein Herz!“ staunte Casey.

„Im Ruhezustand füllt sie nur die hintere Schutzkammer. Aber wenn ich arbeite, lodert in der ganzen Feuerbüchse das Feuer! Wird meine Lebensflamme immer kleiner, bedeutet das Gefahr!“

„Ich verstehe! Gut, das Du mir das gesagt hast! Deshalb hast Du so viel Angst, in einen Fluss zu fallen!“

Rusty verschloss seine Feuerbüchse wieder.

In diesem Moment betrat Digger die Box.

„Ah-Casey, Du bist zurück. Ich habe gerade das Abendessen fertig, Du hast sicher Hunger.“

„Na klar!“

„Dann komm mit mir. Ich hoffe, Du magst Fisch.“

„Kein Problem.“
 

„Du solltest heute früher ins Bett gehen, damit Du für den morgigen Tag ausgeruht bist.“ riet Digger.

Casey nickte.

Nach dem Essen half er dem Lokführer mit dem Abwasch und begab sich dann nach unten. Der alte Pop stand draußen vor dem Schuppen mit dem Rücken zur Wand und beobachtete die Sterne.

„Zu dieser Jahreszeit sind die Sterne in klaren Nächten immer am Besten zu sehen.“ sagte er, ohne seinen Blick zu senken.

„Bist Du oft hier?“ fragte der Junge.

Der Oldtimer nickte.

„Rusty hat mir seine Lebensflamme gezeigt. Sie brennt ganz im Innern hinter der Feuerbüchse.-Hast Du auch so eine Flamme in deinem Inneren?“

„Aber natürlich.“ nickte Pop und sah Ihn an.

„Dann müsst Ihr wirklich gut aufpassen, denn wenn ein Wasserstrahl diese Flamme trifft und sie ausgeht-nicht auszudenken!“

„Hohoho! So schnell geht die Lebensflamme einer Humanoid-Dampflok nicht aus! Du mußt wissen, eine Lebensflamme ist keine normale Flamme, die sich so einfach auslöschen läßt! Und sollte das der Fall sein, dann merke Dir gut: So lange noch ein Stückchen Glut dort vorhanden ist, kann die Lebensflamme wieder entfacht werden!“

„Ich werde es nicht vergessen! -Aber was ist dann mit Greaseball und den E-Loks? Die haben bestimmt keine Lebensflamme.“

„Nein, aber bei einer Diesel- und E-Lok ist es ein Lebensfunke, der sich im Innern befindet.“

„Irre! -Und wie es dann bei den Waggons?“

„Dort ist es ein kleines Licht im Innern.“ erklärte Pop geduldig.

„Du weißt wirklich viel!“

„Ich habe ja auch die meisten Kilometer auf meinem Kessel!“ lachte der Oldtimer. „Und Du hast sicher gesehen, das wir Loks und Waggons wenn wir nicht arbeiten oder etwas transportieren müssen, lieber im Humanoid-Modus sind. Es macht uns eben mehr Spaß wie die Menschen zu sein!“

„Das habe ich bemerkt! Besonders bei Greaseball!-Aber eine Frage beschäftigt mich noch, seit ich hier bin. Ihr kommt doch sicher auch irgendwo her. Pop, weißt Du, wie Ihr so lebendig geworden seid? Wie ist das entstanden? Wart Ihr immer so?“

„Nun, mein Junge, „antwortete die große Dampflok, stieß sich von der Wand ab und ließ sich im Gras nieder. Mit einer Geste bedeutete er Casey, sich auf seinen Schoß zu setzen. „Ich werde es Dir erzählen.“

„Da bin ich aber gespannt.“

„Unter den Menschen erzählt man sich die Legende, das der Starligt Express uns zum Leben erweckt hat. Es geschah zu der Zeit der ersten Dampfloks. Zuerst waren wir auch nur leblose Maschinen ohne eine Seele, von Menschen erbaut. Aber die Lokführer hatten ein gutes Verhältnis zu Ihnen, einer ganz besonders. Für Ihn war sie mehr als nur eine Maschine, für Ihn war sie ein Freund. Und er wünschte sich nichts sehnlicher, als das er mit seiner Lok wie mit einem Menschen sprechen könnte.

Diesen Wunsch hörte der Starlight Express und er beschloss, den Wunsch dieses einsamen Lokführers zu erfüllen. In einer sternenklaren Nacht wie dieser jagte er über den Himmel und ließ einen Teil seiner Seele als helle Sterne auf diese Welt niedergehen. Jede Lok und sogar jeder Waggon empfing ein Stückchen dieser Seele und begann zum Leben zu erwachen! Und seitdem erwacht jede Lok und jeder Wagen, die von den Menschen erbaut wird, zum Leben. Wir wissen nicht wie, aber es geschieht, sobald eine Lok oder ein Waggon fertiggestellt ist. Zuerst waren die Menschen sehr erschrocken und überrascht, doch sie gewöhnten sich rasch an uns und wir wurden ein Teil Ihres Lebens. Und seitdem heißt es bei uns, der Starlight Express könnte Wünsche erfüllen.“

„Ich glaube nicht mehr daran! Es ist nur ein Märchen für Kinder und einfältige Loks!“ bemerkte Rusty, der hinzugekommen war.

„Was redest Du da! Meinen und deinen Wunsch, Rusty, hat er erfüllt! Er hat uns zusammengebracht! Ich sage Dir, der große Sternenzug ist irgendwo da oben! Und irgendwann werden wir ihn finden! Vielleicht können wir nur an einem bestimmten Ort Kontakt mit Ihm aufnehmen! Denn er muß mir zeigen, wie ich eines Tages wieder nach Hause in meine Welt komme!“

Rusty seufzte.

„Verliere nie deinen Glauben an dich selbst, mein Sohn.“ sprach Pop. „Du brauchst keinen Starlight, um das zu werden, was Du willst, nur Selbstvertrauen und Mut! Dann kannst Du all das vollbringen, wovon Du träumst!“

„Ach Pop! Seit Greaseball Champion ist, machen er und seine Kumpel mir das Leben zur Hölle! Davor war dieser Diesel eine Nullacht-fünfzehn-Lok wie wir alle!“

„Aber er hat etwas aus sich gemacht! Und das kannst Du auch, Rusty! Du darfst dabei nur nicht dein gutes Herz verlieren! Francis hofft immer noch, das Greaseball sich eines Tages wieder besinnt und von seinem hohen Ross heruntersteigt! Vielleicht, wenn Du Ihm eines Tages zeigst, das auch er geschlagen werden kann! Das auch eine andere Lok Champion werden kann!“ sprach Casey eindringlich. „Wir werden hart daran arbeiten und wir werden die benötigten Plaketten erringen, eine nach der anderen! Und dann treten wir beim großen Rennen an, Du wirst sehen!“

„Casey!“ seufzte Rusty.

„Du wirst sehen!“ nickte der Junge, hopste von Pops Schoß und begann zu singen:
 

„Jede Lok würde gern Meister werden

Jede will beweisen was sie kann

Jede träumt davon, die allererste

Bei dem großen Finalrennen zu sein.
 

Jedes Training

Bringt dich schon dem Sieg viel näher

Was Du erreichst

Ist deine Chanche beim nächstenmal
 

Diese Welt in der Ihr lebt

Ist für mich noch völlig neu

Diesen Kontinent

Haben wir noch nicht erforscht

Ziehn wir los und entdecken Ihn.

Reisen das macht spaß!
 

Reisen das macht Spaß!
 

Jeder von uns will sein Zeichen setzen

bringt dabei seine Stärken ein

Jede Lok wünscht sich die Chance zu kriegen

Um am Ende der Sieger zu sein

Zeig wer Du bist!

Du bist der geborene Sieger!

Zeig was Du kannst

Was Du gelernt hast gibt Dir Power!
 

Diese Welt in der Ihr lebt

Ist für mich noch völlig neu

Diesen Kontinent

Haben wir noch nicht erforscht

Ziehn wir los und entdecken Ihn.

-Reisen das macht spaß!
 

Reisen das macht Spaß!
 

Diese Welt in der Ihr lebt

Ist für mich noch völlig neu

Diesen Kontinent

Haben wir noch nicht erforscht

Ziehn wir los und entdecken Ihn.

-Reisen das macht spaß!
 

Reisen das macht Spaß!

Macht Spaß, yeah!“
 

(Die Melodie ist das Titellied zum Pokemon-Film „Die Macht des Unbekannten“ Mir hat die Melodie gut gefallen und den Text etwas umgedichtet)
 

Rusty warf dem alten Pop einen zweifelhaften Blick zu. Dieser nickte Ihm aufmunternd zu.

„Immer wieder habe ich in sternenklaren Nächten zum Himmel gesehen und meine Bitte zu den Sternen geschickt, in der Hoffnung, der Starlight würde erscheinen und mir die Courage und Kraft geben, damit ich gegen diese Angeber-Loks antreten könnte! Ich wünschte, ich hätte seine Macht! Aber er ist nicht gekommen!“ seufzte die jüngere Dampflok.

„Vielleicht wirst Du Ihm eines Tages begegnen, mein Sohn. Hab nur Geduld, Rusty. Ich glaube, dein Zusammentreffen mit Casey war nur der Anfang davon. Er wird Dir dabei helfen.-Oh, und nun ist er eingeschlafen. Es war auch ein langer Tag für Ihn. Und morgen hat er seine wichtige Prüfung.“

Der Junge war in Pops Schoß eingeschlummert. Vorsichtig hob Ihn der Oldtimer hoch und reichte ihn an Rusty weiter. Der war zuerst etwas verunsichert, als er den schlafenden Casey in den Armen hielt.

„Bring Ihn nach drinnen und sag Digger bescheid, damit er Ihn ins Bett steckt.“

„Ist gut.“ nickte Rusty und mußte plötzlich lächeln. “Ich habe auf einmal so ein seltsames Gefühl in mir. Was ist das nur?“

„Es ist die Zuneigung zu Ihm.“ lächelte die alte Dampflok. „Eine sehr wichtige Empfindung, die dich und Casey für immer verbinden wird.“

Rusty betrat den Lokschuppen und rief leise nach Digger.

„Was ist los?-Ah, unser kleiner Lehrling ist eingeschlafen.“ lächelte er. „Na, gib Ihn her, ich bringe Ihn nach oben ins Bett.“

Rusty und Pop sahen Ihrem Lokführer nach, wie er mit dem schlafenden Casey langsam die Stufen hinaufstieg.

„Gute Nacht, Casey. Bis morgen.“ murmelte die kleine Dampflok.
 

Am nächsten Morgen wurde Casey von Digger geweckt.

„Steh auf, mein Junge! Dein Frühstück wartet schon und dann mußt Du los!“ sprach er.

„Stimmt! Meine Aufnahmeprüfung!“ rief der Junge und sprang aus dem Bett. In Windeseile hatte er sich gewaschen und angezogen. Dann setzte er sich an den Frühstückstisch.
 

Wenig später stand er bereits abfahrbereit mit Rusty vor dem Lokschuppen.

„Also: Alles gute, Casey! Wenn Du gestern aufgepasst hast, kann eigentlich nichts schiefgehen.“ bemerkte Digger.

„Klar, ich bin zuversichtlich. Also, bis heute Abend!“

Der Junge hatte sich wieder an Rusty gehängt und ließ sich ziehen. Lächelnd winkte er den Zurückbleibenden nach.

Vor dem Gebäude der Eisenbahnergilde wechselte Casey in seine normalen Schuhe und verstaute seine Inliner in seinen Rucksack, den Digger Ihm geschenkt hatte.

„Viel Glück, mein Freund. Wir sehen uns dann heute nachmittag zur gemeinsamen Abschlußprüfung.“

„Alles klar!“

Auf Caseys Platz befand sich diesmal ein Packen Blätter mit den unterschiedlichsten Fragen, wie bei einer Klassenarbeit. Diese mußte der Junge zuerst beantworten. Es waren genau achtundsiebzig Fragen aus allen Gebieten des Bahnwesens. Einige waren leicht, andere schwieriger. Doch Casey fand zu allen eine Antwort. Danach gab es eine halbstündige Pause.

Als nächstes musste der Junge vor einem dreiköpfigen Prüfkomitee verschiedene mündliche Fragen beantworten und auch Aufgaben lösen. Oder es wurden Schilder hochgehalten, deren Bedeutung er erklären musste.

„Was ist vor einem unbeschrankten Bahnübergang zu tun, bevor man Ihn passiert?“ wurde er z. B. gefragt.

„Geschwindigkeit verlangsamen und mehrmals Signal geben durch Pfiff. Dreihundert Meter und hundert Meter vor dem Übergang. Und am besten nocheinmal zur Sicherheit kurz vor der Überquerung.“

Nach jeder Antwort Caseys machte einer der Prüfer sich Notizen. Zusätzlich wurde das Wissen des Jungen über Dampfloks getestet. Welche vorbereiteten Arbeiten waren nötig, welche Arbeiten nach dem Betrieb, usw.

Um die Mittagszeit war die Prüfung beendet. Dann durfte der Junge mit den Mitarbeitern in der Kantine zu Mittag essen.

„Wann erfahre ich, ob ich bestanden habe?“

„Das Ergebnis wird Dir erst morgen mitgeteilt. Dazu wirst Du von Mr. Corell in sein Büro gerufen. Er sagt Dir dann, wie es aussieht.“

„Aha.“
 

Am Nachmittag war es dann soweit. Die letzte, gemeinsame Prüfung mit Rusty stand an. Das Arbeiten im Bahnhof unter reellen Bedingungen. Dies sollte größtenteils im Maschinenmodus geschehen. Wer von den Loks oder Waggons gerade nichts zu tun hatte, sah interessiert zu.

„Nun seht euch das an! Dieser Bengel will doch tatsächlich mit Rusty als Partner eine Lehre beginnen! Bin gespannt, was „Big G“ dazu sagen wird!“ knurrte Steel.

„Mal sehen, wie der Kleine sich macht.“ lächelte Red Caboose, welcher lässig an einem Lampenpfosten lehnte.

„Alles Gute, mein Sahneschneckchen!“ wünschte Buffy in Ihrer unvergleichlichen Art und drückte dem Jungen einen Kuss auf die Backe.

„Uff, danke, Buffy!“ lächelte Casey etwas gequält.

„Du schaffst das schon!“ sagte Digger zuversichtilich.

„Ich sehe da auch kein Problem.“ nickte Loghead.

Er hatte Ihm einen alten Overall besorgt, damit er sich nicht zu schmutzig machte. Denn die erste Aufgabe lautete: Die Lok im Maschinenmodus prüfen und vorbereiten zur Abfahrt. Das bedeutete als erstes Anfeuern des Kessels. Normalerweise dauerte so etwas bei einer Lok mit kalter Feuerbüchse mehrere Stunden. Aber bei den hiesigen Dampfloks war das anders. Casey schaufelte die benötigte Menge Kohle in die Feuerbüchse und Rusty ließ seine Lebensflamme auflodern und überspringen. Als das Feuer soweit war, ging es ans Wasserfassen. Ohne Mühe erkletterte Casey den Wasserkran und schob das Rohr in Position. Als nächstes folgte ein Rundgang um die Lok und die Prüfung aller wichtigen Stellen, wie Fahrwerk, Radlager, Gelenkstangen und Ventile. Rusty durfte nicht vorsagen. Jeder der drei Prüfer beobachtete genau Caseys Vorgehen und machte sich wieder Notizen.

„Abschmieren der Gelenke und Radlager, damit sie nicht heißlaufen...“murmelte Casey und ging mit der Schmierölkanne und Pinsel herum. Er war zwar nervös, ließ sich aber nichts anmerken. Um eine Dampflok abfahrbereit zu machen, bedurfte es der meisten Vorbereitung. Und Casey war hier Heizer und Lokführer. Bei einer Diesel- oder E-Lok hatte ein Lokführer es da wesentlich einfacher.

Dann endlich ging es ans Abfahren. Diesmal fuhr ein Prüfer auf dem Führerstand mit. Jetzt mußten Fahrer und Lok zusammenarbeiten.

„Jetzt die Einfahrt in den Bahnhof. Auf Gleis 3a.“

Die Weichen wurden gestellt, die Signale schalteten auf freie Fahrt und Rusty dampfte los.

„Der macht das gar nicht so schlecht.“ bemerkte Red Caboose. „Der Kleine hat echt was auf dem Kasten.“

Das rechtzeitige Abbremsen machte Casey noch Schwierigkeiten, aber Rusty glich es aus.

„Sehr gut. Dein Partner hat den Fehler korrigiert. Hab keine Angst, wenn es aus Kraftgründen noch nicht richtig mit dem Bremsen klappt. Dein Lokpartner hilft Dir immer dabei, er ist in der ersten Zeit dein Lehrer. Und jetzt geht es wieder hinaus zum Rangieren und Ankoppeln.“

„Gut so, Junge...weiter so! Du machst das sehr gut, Rusty.“ murmelte Digger, der alles genau aus der Ferne beobachtete. Neben Ihm stand Francis und drückte die Daumen.

Als Waggon hielt sich Buffy bereit. Sie stand bereits transformiert auf einem Nebengleis und wartete.

„Casey, stell die Weiche um!“ sagte Rusty und hielt.

„Ach ja! Die Weichen für die Nebengleise müssen von Hand gestellt werden!“

Also kletterte der Junge aus dem Führerhaus und legte den Hebel um. Er brauchte dazu einiges an Kraft, doch er schaffte es. Dann fuhr Rusty auf Buffy zu.

„Langsamer, Casey, wir sind zu schnell!“

„Okay-Hopps!“

Etwas heftig stießen die Puffer der Lok gegen die des Waggons. Buffy gab ein „Au!“ von sich.

„Tut mir leid, Buffy!“entschuldigte sich Casey.

„Kein Problem, mein Schneckchen! Das passiert jedem Lehrling am Anfang! Laß dich nicht aus der Ruhe bringen, Schätzchen!“

„Hui, das war wirklich etwas zu hart! Aber das macht nichts...mach einfach weiter, Junge...“ murmelte Digger.

Die Dieselloks, welche zusahen, begannen hämisch zu lachen.

„Das sieht diesem doofen Dampfer ähnlich!“ frozzelte Steel.

Casey stieg aus, hing den Waggon an die Lok und kletterte dann wieder in den Führerstand von Rusty.

„Jetzt langsam anfahren!“ erklärte sein Freund und der Junge betätigte die nötigen Hebel. “Weniger Dampf...gut so.“ Aber es tat trotzdem noch einen ordentlichen Ruck.

„Das weiche Anfahren ist immer das Schwierigste. Aber das lernst Du noch. Kein Grund nervös zu werden.“ erklärte Rusty. Casey war erstaunt, wie sein Partner gerade jetzt so ruhig und gelassen sein konnte.

„Und jetzt fahren wir bis zur nächsten Haltestelle und zurück. Das bedeutet einmal als Zuglok und zurück als Schiebelok. Und immer auf die Signale achten.“ erklärte der Prüfer.

„Alles klar.“

Zuerst musste Casey warten, bis er freie Fahrt hatte. Als das Signal dann auf Grün umschaltete, löste er die Bremse und ließ Rusty anfahren.

„Gut so, mein Freund. Es wird immer besser. Denk daran, ich kenne das Streckennetz von Kommoran in-und auswendig!“ ermunterte er den Jungen. “Wir sind ein Team, wir arbeiten zusammmen.“

„Gut so, Rusty! Das ist für dich ja ein Klacks!“ rief Loghead.

Langsam nahm die Lok an Geschwindigkeit zu. Casey hatte sich aus dem Fenster gebeugt, um zu sehen, ob vor Ihm alles frei war. Dann entdeckte er die Arbeiter, welche am Nebengleis zu tun hatten. Schnell zog der Junge an einem aufgespannten Seil und Rusty gab zwei Warnpfiffe ab. Sofort gingen die Männer auf die Seite und ließen Lok und Waggon passieren.

„Gut erkannt, mein Junge. Konzentration ist sehr wichtig, besonders im Bahnhofsbetrieb!“

„Gut gemacht! Hier machen viele Lehrlinge oft den Fehler und vergessen den Warnpfiff!“ dachte Digger erleichtert.

Nach einigen hunderte Metern entdeckte Casey ein besonderes Signal. Er wußte sofort, was er zu tun hatte.

„Bremsen, Rusty, da kommt ein Halte-Signal!“

„Habs schon gesehen! Zieh die Bremse an!“

Die kleine Dampflok kam vor dem Haltsignal zum Stehen.“

„Sehr gut! Das wichtigste Signal von allen hast Du beachtet! Vor einem Halte-Signal muß jede Lok immer stehenbleiben! Man darf niemals einfach durchfahren!“ bemerkte der Prüfer.

„Das kenne ich von Zuhause. Ist wie ein Stopp-Schild auf der Straße.“

Schließlich war die erste Haltestelle, Kommoran-Süd, erreicht. Nun hieß es wieder warten, bis im Stellwerk die Weichen für die Rückfahrt gestellt wurden und das Signal die Fahrt frei gab. Dann mußte Rusty rückwärts zurückfahren und Buffy vor sich herschieben. Eine Aufgabe mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad. Um etwas zu sehen, musste Casey sich weit aus dem Fenster beugen und Rusty nun mit Kommandos steuern.

„Okay, Partner. Langsam anfahren. Es ist grün.“

Und Rusty setzte sich in Bewegung und schob Buffy vor sich her.

Vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof sprang ein Signal auf Rot.

„Bremsen, Rusty! Wir haben rot!“ rief Casey und sein Partner brachte sich und den Waggon mit kreischenden Bremsen vor dem Signal zum Stehen. Zuerst mussten sie zwei Personenzüge passieren lassen, ehe sie wieder Grün hatten.

„Okay! Es geht weiter!“

Langsam fuhr Rusty wieder an und sie fuhren unter den aufmerksamen Augen der Prüfer wieder in den Bahnhof ein, diesmal war Gleis 1 Ihr Ziel, auf welchem sich etliche Leute versammelt hatten. Und auch in diesem Fall wußte Casey, was zu tun ist. Er gab der Dampflok die Anweisung, zwei Warnpfiffe auszustoßen, damit die Versammelten von der Bahnsteiggkante zurücktraten.

Dann begann das Einweisen.

„Langsamer werden...es sind noch ca. 100 Meter bis zum Prellbock....weiter, weiter..“ Casey winkte mit seinem freien Arm und gebrauchte die Handsignale, die man Ihm gestern gezeigt hatte. „Und Stop!“

Einen halben Meter vor dem Prellbock kam Rusty zum Stehen. Der Prüfer im Führestand zog an dem Seil für die Pfeife und beendete damit die Prüfungen. Einige der Anwesenden begannen zu applaudieren, Buffy transformierte und begann ebenfalls kräftig zu klatschen.

„Bravo, mein Zuckerschneckchen!“ rief sie.

Casey und der Prüfer stiegen aus und auch Rusty transformierte.

„Und? Habe ich bestanden?“ fragte der Junge nervös.

„Das wirst Du morgen von Mr. Corell erfahren. Aber es sieht gut aus, so viel kann ich Dir schon sagen.“ antwortete einer der drei Prüfer.

„Danke, Sir.“

Dann wurde Rusty von seinen Freunden umringt.

„Tut mir leid, Buffy, das ich Rusty so an dich auffahren ließ.“

„Hey, kein Problem, Schätzchen! Mein Hintern verträgt noch viel stärkere Stöße!“ grinste das Waggonmädchen keck und zwinkerte mit Ihrem rechten Auge.

„Du warst sehr gut, Casey! Und auch Du, Rusty! Ihr seid schon ein gut eingespieltes Team!“ lobte Digger. Und Pop hob den Jungen hoch über seinen Kopf und lachte: „Aus Dir wird noch ein prima Lokführer!“
 

„Hah, die machen einen Wirbel....bin gespannt, was Greaseball dazu sagen wird!“ knurrte Steel verächtlich.

„Aber er hat sich wacker gehalten...“ bemerkte Red Caboose und gähnte.

„Wann wird „Big G“ eigentlich zurück erwartet?“ fragte Iron, eine andere Diesellok.

„Eigentlich heute Abend. Wenns keine Verspätung gibt.“
 

An diesem Abend gab es im alten Lokschuppen eine kleine Feier. Rusty, Casey, Pop, Digger, Francis und Dustin hockten um einen großen Tisch, den Digger zusammengezimmert hatte, im Freien und stießen auf den neuen Lehrling und seinen Partner an.

Für die Menschen gab es Limonade, für die Loks und den Waggon einen Becher Öl.

„Ein Hoch auf Casey und Rusty!“ rief Pop und hob seinen glänzenden Chrombecher in die Höhe.

Die Übrigen taten es Ihm gleich.

„Und viel Glück auf eurem weiteren Weg.“ wünschte Loghead. Dann wurden die Becher geleert.

Plötzlich drang vom Bahnhof her eine laute Sirene zu den Versammelten herüber.

„Aha, Greaseball kehrt aus Portho zurück. Dann wird es für mich Zeit. Ich muss am Bahnsteig Bobetta ablösen!“

„Alles klar. Und lass Dir von Greaseball nicht auf der Nase herumtanzen!“ rief Pop.

Francis konnte als Antwort nur gequält lächeln.
 

Fortsetzung folgt...

Krach und Trennung

Starlight Express

Kaptitel 5 Krach und Trennung
 

Greaseball wartete ungeduldig, bis auch die letzten Fahrgäste ausgestiegen und den Bahnsteig verlassen hatten. Dann transformierte er und kletterte auf den Bahnsteig zu der Lokführerin Bobetta Flint, einer gutaussehenden, attraktiven Frau um die Mitte Dreißig. Gerade strich sie sich durch Ihre brünetten Haare und reckte Ihre steifen Glieder. Ihre wohlgeformten Rundungen hoben sich unter der hellblauen Uniform deutlich ab. Sie war wirklich eine Augenweide, nicht nur für Menschen.

Der Diesel näherte sich Ihr von hinten und umschlang sie mit seinen kräfigen Armen! Die Laterne über dem Prellbock brannte nicht und so konnte man in dieser dunklen Ecke nicht viel sehen.

„Hoppla, Greaseball, mein Freund! Was sollen denn die Leute denken?“

„Das ist mir egal! Während der ganzen Fahrt nach Portho und zurück habe ich immer deine sanften Hände gespürt, wenn sie über die Kontrollen geglitten sind.“ schmeichelte er. Bobetta lächelte und lehnte sich gegen seine Brust.

Inzwischen waren auch die Waggons transformiert und tuschelten aufgeregt miteinander. Trotz der Dunkelheit hoben sich die Umrisse der beiden von der Dunkelheit ab.

„Nun seht euch diese schamlose Person an! Das hätte ich nicht von Bobetta erwartet!“ zischte Sugar. “Und wie kann Greaseball es wagen, einen Menschen anzubaggern!“

„Wenn das Dinah sieht...“ murmelte Pepper.

Das Waggonmädchen mit dem blau-weißen Kleidchen bildete den Abschluss des Expresszuges und unterhielt sich mit dem Koch und dem Kellner, die sie immer auf den Fahrten begleiteten. So entging Ihnen zuerst das Techtelmechtel auf dem nächtlichen Bahnsteig.

„Mit Dir würde ich um die ganze Welt fahren!“ seufzte Greaseball.

„Das glaube ich Dir. Jeder würde gerne mit Bobetta bis ans Ende der Welt reisen! Und in Begleitung so eines starken Kerls wie Dir würde mir keine Gefahr drohen...“ lächelte die Lokführerin und strich mit Ihren Fingern langsam über die muskulösen Arme des Diesels.

„Wow, Baby!“ entfuhr es Greaseball.

Bobetta kicherte und drehte sich herum. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab dem aufgeregten Diesel einen Kuss!

„Mamma Mia!“ entfuhr es zur selben Zeit dem Koch. Er und sein Kollege hatten sich mit Dinah auf dem Weg nach vorne gemacht und so war es unvermeidlich, das sie die beiden entdeckten.

„OH!“ stieß Dinah empört aus. „Das ist doch...Greaseball!!“

Erschrocken ließ der Diesel Bobetta los, die sich nervös ihre Uniformjacke glattstrich.

„Uh-Dinah, Baby...“

„Sag mal, was soll das werden! Schämst Du dich denn gar nicht? Du willst wohl, das alle auf dem Bahnhof über dich reden! Ich fasse es nicht!“

„Sei nicht so hart zu deinem Superior! Ich wollte mich nur bei Bobetta für die wunderbare Zusammenarbeit bedanken!“

„Bedanken-Hah! Mir sprechen uns noch! Warte nur, bis wir im Lokschuppen sind!“

„Huii-dicke Luft!“ wisperte Sugar.

„Guten Abend, Bobetta! Was ist denn hier los?“ fragte Loghead, der den Bahnsteig betreten hatte.

„Nichts, Francis! Was soll denn sein?“

„Warum ist Dinah so aufgebracht?“

„Ach, der übliche Streit unter Liebenden...“ lächelte die Lokführerin gequält. Dann holte sie Ihre Tasche und übergab Ihrem Kollegen eine Mappe.

„So, ich muss jetzt los! Bis morgen!“ rief sie und winkte Greaseball kurz zu. Dann eilte sie in Richtung Bahnhofsgebäude.

„Hallo, Greaseball. Was war hier los?“ fragte Loghead ernst.

„Nichts von Bedeutung. Ich habe mich nur bei Bobetta bedankt...und Dinah hat ein wenig eifersüchtig reagiert.“ grinste der Diesel unschuldig. Dinah warf ihm einen eisigen Blick zu. Als Francis fragend den Koch und den Kellner ansah, zuckten diese nur mit den Schultern und verließen ebenfalls den Bahnsteig.

„Na los.“ seufzte Francis.“ Gehen wir nach Hause. Es ist schon spät...“

Die Waggons zogen sich schweigend auf Ihre Abstellgleise zurück, wo sie wieder für die Nachtruhe transformierten. Greaseball begab sich in seinen Lokschuppen, den er mit vier seiner anderen Dieselkumpel teilte, Loghead hatte sein Quartier darüber. Die anderen Lokführer wohnten in der Stadt, da Sie Familien hatten.

Auch Dinah wohnte im Lokschuppen, seit sie und Greaseball ein Paar waren. Aber seit einiger Zeit interessierte sich der Diesel auch für andere Schönheiten. Und nicht nur für Mädchen Ihrer Art, sondern auch für menschliche Damen. Erst vor kurzem wollte er die neue Schaffnerin anbaggern, doch sie hatte zum Glück nicht auf seine Annäherungsversuche reagiert und Ihn eiskalt abblitzen lassen! Das hatte Dinah gefallen. Aber das mit Bobetta gefiel Ihr gar nicht. Und deshalb wollte sie heute Abend Greaseball zur Rede stellen!

Sie wartete also, bis Francis sich nach oben zurückgezogen hatte, denn das was sie und Ihr Freund zu bereden hatten, ging nur die Loks etwas an.
 

„So, mein Lieber, jetzt wollen wir einmal Klartext reden!“ begann sie und zog Greaseball in eine Ecke des Lokschuppens, wo sie etwas ungestörter waren.

„Was für Klartext, Baby? Bist Du etwa eifersüchtig auf Bobetta? Sie ist doch nur ein Mensch!“

„Ein sehr gutaussehender und hübscher Mensch! Und Du hast es gewagt, vor allen unseren Kollegen mit Ihr herumzuschmusen! Ich dachte, mich trifft der Schlag! Eine Lok und ein Mensch! Das ist ungeheuerlich! Bin ich oder andere Waggonmädchen Dir nicht mehr gut genug, das Du jetzt auf Menschen aus bist? Du weißt, was das heißt! Es ist genauso schlimm, als wenn sich bei den Menschen zwei Männer oder zwei Frauen lieben! Ein Verstoß gegen die Moral! Ich sage Dir, Greaseball, treib es nicht zu weit! Wenn das unser Boß erfährt, gibt es einen Skandal!“

„Mr. Corell wird es nie erfahren, Baby! Weil alle viel zu großen Respekt vor mir haben und den guten Ruf von Kommoran wahren wollen! Sie werden schweigen!“

Dinah geriet immer mehr in Wut.

„So wie ich das sehe, wird es immer schlimmer mit Dir und deinem Hochmut! Du hältst dich wohl für den Allergrößten! Wie Du zum Beispiel mit dem armen Rusty umspringst, der Dir doch noch nie etwas getan hat! Und jetzt noch die Sache mit Bobetta! Aber das Schlimmste war, das Du beim letzten Rennen gegen Krokodil unfair gekämpft hast! Du hast Ihn mit einem gemeinen Trick zum Entgleisen gebracht! Er und seine Partnerin hätten weitaus größeren Schaden nehmen können! Wie tief bist Du gesunken, das Du jetzt sogar schummeln musst, damit Du gewinnst?“

„Hey! Du wagst es zu behaupten, das ich beim Rennen schummle und unfair kämpfe? Ich bin ein Superior-A, die stärkste und schnellste Lok von Ruthia! Ach was, des ganzen Kontinennts!“

„Ich fange an, daran, zu zweifeln!“

„Stellst Du dich etwa gegen mich, Dinah-Baby?“ fragte Greaseball drohend. Inszwischen waren auch die anderen Diesel im Schuppen auf dem Streit aufmerksam geworden.

„Hey, „Big G“! Wird die kleine Dinah aufmüpfig?“ fragte Steel.

„Es scheint so. Ihr passt es nicht, mit welchen Leuten ich Umgang habe und will mir vorschreiben, wie ich ein Rennen zu führen habe! Und sie wagt es zu behaupten, ich kämpfe mit unfairen Mitteln und betrüge!“

„Wird Zeit, das es Dir jemand mal sagt!“ fauchte Dinah. Doch damit stand sie ganz alleine da. Denn Steel und die anderen Dieselloks hielten zu Greaseball.

„Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!“ sagte er ernst.

„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“ wiederholten die anderen Loks einstimmig.

Das Waggonmädchen bekam auf einmal Angst. War sie jetzt zu weit gegangen? Gegen diese Männerclique kam sie alleine nicht an.

„Und da Du dich offensichtlich gegen mich gestellt hast, hast Du hier nichts mehr verloren! Verschwinde aus unserem Schuppen, Du bist von nun an bei mir abgekuppelt!“ rief Greaseball.

„Nein!“ rief Dinah erschrocken.

„O doch! In Zukunft fahre ich nur noch mit Happy, deiner Kollegin! Die weiß mich wenigstens zu schätzen!“

Das hatte gesessen! Greaseball, der überhaupt keine Kritik vertragen konnte, gab Ihr einfach den Laufpass und jagte sie mit Schimpf und Schande aus dem Lokschuppen!

„Du hast unseren Boss gehört! Verschwinde und komm Ihm nie wieder unter die Augen! Kuppel dich an eine andere Lok oder verroste auf dem Abstellgleis!“ höhnte Lead.

„Von uns wird dich jedenfalls keiner mehr irgendwohin ziehen! Und Mr. Corell wird mir mit Freuden Happy zuteilen, er tut immer das, um was ich Ihn bitte!“ rief Greaseball und lachte.

Dinah schlug die Hände vor Ihr Gesicht und eilte schluchzend nach draußen in die Dunkelheit. Greaseballs höhnisches Lachen hallte Ihr noch lange in den Ohren wieder.
 

„Bist Du noch nicht müde, Casey?“ fragte Rusty, als sich alle nach innen in den Lokschuppen begeben hatten, weil es zu regnen anfing.

„Nein, Partner-es war ein aufregender Tag heute und ich freue mich auf morgen. Ich glaube, ich werde noch etwas spazieren gehen.“

„Jetzt im Regen und in der Nacht?“

„Macht mir nichts aus. Ich nehme Diggers Schirm mit.“

„Wie Du willst. Aber bleib nicht zu lange weg.“

„Keine Sorge.“ grinste der Junge, holte sich den alten Regenschirm und verließ wieder den Schuppen. Gutgelaunt wanderte er die Gleise entlang und lauschte dem Fallen des Regens.

Aber nach einer Weile gesellte sich plötzlich ein neues Geräusch dazu. Casey blieb stehen. Er legte seine Handinnenfläche an sein rechtes Ohr und lauschte. Richtig, da war ein fremdartiges Geräusch. Ein leises Schluchzen.

Der Junge folgte der Geräuschquelle, die Ihn bis in die Nähe des blauen Lokschuppen führte. Vor dem Gebäude wuchsen Sträucher und Bäume und er konnte nicht viel erkennen. Neugierig kam er näher und als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erlebte er eine Überraschung!

„Dinah!“

Tatsächlich kauerte das Waggonmädchen zwischen den Büschen und weinte bitterlich. Ihr nasses Haar hing in Strähnen herab und das Regenwasser rann an Ihrem vollgesogenen Kleid herunter. Casey brauchte nicht lange zu überlegen, warum Dinah hier aufgelöst kauerte. Er konnte es sich denken. Behutsam näherte er sich Ihr und hockte sich vor Ihn nieder. Dann hielt er Ihr den Schirm über.

„Dinah, was ist denn passiert? Hat dieser miese Greaseball Dir wehgetan?“ fragte Casey besorgt.

Das Waggonmädchen sah überrascht auf.

„Du bist doch der Junge, der vor ein paar Tagen mit Rusty hierhergekommen ist. Ich habe dich nur kurz gesehen. Dein Name ist...“

„Casey Jones. Hab keine Angst. Ich bin ein Freund und will Dir helfen. Aber warum hockst Du hier in den Büschen?“

„Dieser gemeine Kerl! Er hat mich abgehängt! Er will mich nie wieder an sich hängen! Und die anderen Loks auch nicht!“ schluchzte sie.

„Und deswegen weinst Du diesem schmierigen Diesel nach?“

„Was soll ich machen? Ein Waggonmädchen ohne Lok, die es zieht, ist wie ein Fluss ohne Wasser! Ich bin ganz alleine!“

„Ich kann dich gut verstehen. Aber wenn Du weiterhin so viel weinst, kriegst Du noch lauter Rostflecken von deinen Tränen.“ versuchte Casey sie zu trösten. „Und Du bist nicht alleine. Ich will dein Freund sein.“

Dinah sah den Jungen ins Gesicht, das Ihr freundlich und gütig zulächelte. Und da konnte sie nicht anders als schwach zurückzulächeln.

„Schon besser. Hier, damit kannst Du deine Tränen abtrocknen.“ sagte Casey sanft und reichte Ihr sein Taschentuch. „Und ich schlage vor, Du kommst jetzt einfach mit zu uns in den Lokschuppen. Es wird sich dort für dich bestimmt noch ein Plätzchen finden. Dann sehen wir weiter. Der alte Pop weiß bestimmt Rat. Bei uns wirst Du nicht abgewiesen.“

„Ich danke Dir.“ sagte Dinah und gab dem Jungen das Taschentuch zurück.

„Okay. Und jetzt komm. Bei uns im Schuppen ist es viel gemütlicher.“

Casey half Dinah auf und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Rusty und Pops Zuhause.

„Du hast die Aufnahmeprüfung zum Lehrling geschafft?“

„Genau. Ich und Rusty. Und wenn alles gutgeht, wollen wir auf Tour gehen und nebenbei für die Rennen trainieren!“

„Du und Rusty wollt andere Loks herausfordern? Ihr habt doch keine Chance! Die anderen Loks sind alle moderner und schneller als er!“

„Abwarten! Mit einem guten Training kann man alles erreichen! Und Francis hat mir gesagt, das es sogar die Möglichkeit gibt, das sich eine Lok weiterentwickeln kann!“

„Deine Zuversicht möchte ich haben.“ seufzte Dinah.

„Man muss nur einfach an sich glauben! Und das will ich Rusty klarmachen! Alles andere ergibt sich dann. - So, da sind wir.“

Casey schob das große Tor ein wenig auf und trat ein. Das Waggonmädchen folgte zögernd.

„Pop, Rusty! Digger! Wir haben Besuch!“ rief er und stellte den nassen Regenschirm zum Trocknen auf.

Die beiden Dampfloks und der Lokführer erhoben sich von Ihren Plätzen und kamen neugierig näher.

„Dinah! Du bist ja völlig durchgeweicht! Was ist passiert?“ fragte Rusty besorgt. „Hattest Du Krach mit Greaseball?“

„Gewissermaßen. Er hat mich aus seinem Lokschuppen gejagt und gesagt, es ist aus zwischen uns!“

„Dieser schmierige Mistkerl! Hoffentlich kann ich Ihm das eines Tages heimzahlen!“

„Zuallererst muß die Kleine wieder trocken werden.“ entschied Pop. „Und sie ist uns hier willkommen und kann bleiben, so lange sie will.“

„Ich danke Dir, Pop.“ lächelte Dinah. Casey hatte eine Decke geholt, die er dem Waggonmädchen umlegte.

„Setz dich zu uns. Wenn Du dich aussprechen willst, so hören wir gerne zu.“ antwortete der Oldtimer und legte väterlich einen Arm um sie. Dann geleitete er sie zu dem großen Sessel. Casey nahm zu Ihren Füßen Platz, die beiden Dampfloks ließen sich Ihr gegenüber nieder, Digger blieb neben Rusty stehen.

„Greaseballs Benehmen wird von Tag zu Tag schlimmer! Heute hat er sich sogar an Bobetta Flint herangemacht!“ erzählte Dinah.

„So ein Schürzenjäger! Weiberheld!“ knurrte Casey.

„Mit der Lokführerin? Das ist ungeheuerlich!“ rief Digger.

„Genau. Aber weil er Mr. Corells Liebling ist, hat er nichts zu befürchten!“

„Oh mann! Wie bei uns zuhause die großen Stars! Die sorgen auch immer wieder für Skandale!“ bemerkte Casey. „Es ist immer das gleiche! Kaum ist man berühmt, wird man größenwahnsinnig!“

„Na ja, und so fand ein Wort das andere und schließlich hatte ich die ganze Clique gegen mich! Keine Lok wird mich jetzt mehr ziehen wollen!“ klagte Dinah.

„Ach was! Rusty würde dich bestimmt ziehen, nicht wahr?“

Die Dampflok nickte.

„Das ist lieb von euch beiden, das Ihr mir helfen wollt. Aber Ich will am liebsten weit weg von hier! Auf einen anderen Bahnhof in ein anderes Land! Wo ich diesen Diesel-Bastard nicht mehr sehen muss!“

„Nana, mein Kind! Ich weiß, er hat deine Gefühle verletzt, doch die Zeit heilt alle Wunden. Wir werden nach einer Möglichkeit suchen, das Du Greaseball aus dem Weg gehen kannst.“ sprach Pop beschwichtigend.

„Ach Dinah, wenn ich doch nur etwas stärker wäre! Dann würde ich Greaseball heimzahlen, was er Dir angetan hat!“

„Das werden wir, Rusty! Wenn wir bei der großen Meisterschaft gegen Ihn laufen werden!“ rief Casey und ballte die Fäuste. Das Waggonmädchen staunte über die wilde Entschlossenheit dieses Jungen. Und sie traute Ihm zu, das er Rusty so weit aufbauen konnte, um eines Tages antreten zu können.
 

Zur gleichen Zeit, im Lokschuppen von Greaseball...

„Was? Dieser Bengel, der mir meine Tolle ruiniert hat, hat während meiner Abwesenheit so einfach seine Aufnahmeprüfung zum Lehrling gemacht und sie auch noch bestanden? Mit Rusty?“ rief der Diesel empört, als Caboose Ihm die Nachricht überbracht hatte.

„Es stimmt, „Big G“ ! Heute Nachmittag war die Abschlußprüfung! Dieser Bengel ist gar nicht schlecht!“ knurrte Steel.

„Unerhört! Dann wird er hier mit Rusty auf meinem Bahnhof lernen?“

„Warum ist das unerhört, Greaseball?“ fragte Loghead, der gerade die Treppe herunterkam.

„Dieser Bengel und der Dampfer werden nichts als Ärger machen!“

„Was redest Du da für einen Unsinn! Casey ist ein kluger und verantwortungsvoller Junge! Ich mag Ihn.“

„Soso, Du magst Ihn...aber ich nicht!!“ blaffte der Diesel seinen Lokführer an.

Loghead überhörte diesen unfreundlichen Ton und fragte:„Wo ist eigentlich Dinah?“

„Die wohnt hier nicht mehr! Ich werde morgen Mr. Corell bitten, mir Happy zuzuteilen!“

„Habt Ihr euch verkracht? Das verstehe ich nicht! Ihr wart doch so lange zusammen!“

„Es ist aber so, Blitzmerker! Und ich hab Ihr den Laufpass gegeben! Sie ist zu aufmüpfig geworden! Auch das werde ich unserem Boss erzählen, damit er Ihr die Rollenbeine langzieht!“

„Was ist nur mit Dir los, Greaseball! Ich erkenne dich nicht wieder! Der ganze Erfolg ist Dir zu Kopf gestiegen, fürchte ich.“

„Ha, Du bist wohl eifersüchtig! Weil mir alle zu Füßen liegen! Und Du nicht so viele Gehirnzellen hast! Vielleicht sollte ich Mr. Corell fragen, ob er mir Bobetta als neue Lokführerin zuteilt!“

„Das würdest Du wagen? Nach all dem, was wir zusammen erlebt und geleistet haben?“

„Jawohl!“

„Dann bedeutet Dir wohl unsere Freundschaft nichts mehr...“

„Freundschaft? Mit Dir? Da lachen ja die Hühner! Du bist nichts weiteres als ein Bremsklotz an meinem Bein!“

Loghead schüttelte traurig den Kopf. Es hatte keinen Sinn, mit Greaseball darüber zu reden. Vielleicht brauchte er wirklich einen anderen Lokführer. Einer der besser mit seinen Launen fertig würde.

„Hey, Francis. Ich glaube, er hat es nicht so gemeint. Du bist ein prima Lokführer. Greaseball hat heute schlechte Laune. Morgen sieht alles wieder ganz anders aus.“ versuchte Caboose Loghead zu trösten.

Doch dieser zweifelte an den Worten des roten Bremswagens.
 

„Du kannst meine Matratze haben.“ sagte Rusty zur selben Zeit. „Ich werde mich in meinem Sessel ausstrecken. Und zur Not kann ich auch im Stehen schlafen.“

Dinah war gerade dabei, Ihr inzwischen wieder trockenes Haar in Ordnung zu bringen.

„Ich danke Dir, Rusty. Du hast wenigstens ein gutes Herz. Greaseball hat die meisten anderen Dieselloks auf seine Seite gezogen und sie mit seinem schlechten Charakter verdorben! Und an seinem miesen Chraracter hat Red Caboose teilweise auch Schuld!“ sprach sie und ergriff seine Hände. Die kleine Dampflok wurde fast ein wenig verlegen.

„Bis Morgen, Leute!“ rief Casey, der mit Digger die Stufen zum Lokführer-Quartier hochstieg.

„Schlaf gut, mein Sohn.“ lächelte Pop.

„Dieser Casey ist ein großartiger Junge! Gib acht, das Du Ihn nicht als Freund verlierst!“

„Das werde ich, Dinah. Ich werde diese Chance nutzen.“
 

Am nächsten Tag kam einer von Mr. Corells Mitarbeitern aus der Verwaltung zum alten Lokschuppen.

„Digger, Du sollst mit dem neuen Lehrlingsanwärter zu unserem Boß ins Büro kommen. Ihr habt um Elf Uhr einen Termin.“ sprach er.

„Verstehe, Robert. Weißt Du schon, ob der Junge es geschafft hat?“

Der Angestellte zuckte die Schultern.

„Der Boß läßt die Katze doch nie vorher aus dem Sack, das weißt Du doch!“

„Sag Mr. Corell, wir werden da sein.“
 

Pünktlich um Elf Uhr fanden sich Digger und Casey im Büro des Stationsvorstehers ein.

„Hallo, mein Junge. Na, Du willst sicher wissen, wie deine Prüfung ausgegangen ist.“

„Ja, Sir. Ich bin schon sehr gespannt!“

Der Stationsvorsteher lächelte.

„Nun, da brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Du hast nämlich bestanden! Und Rusty auch.“

„Wirklich? Toll!“ jubelte Casey. „Juhuuu, ich hab´s geschafft!“

„Morgen um neun Uhr findet bei der großen Drehscheibe die Aufnahmezeremonie statt.“

„Wow! Eine richtige Zeremonie?“

„Das ist hier so üblich. Morgen ist schließlich dein Ehrentag.“

„Alles klar, Sir.“

„Also bis morgen.“

Auf dem Rückweg war der Junge völlig aufgekratzt. Unterwegs trafen sie noch Francis, der als erster die freudige Nachricht erhielt. Sein bekümmertes Gesicht hellte sich auf.

„Ich wußte es! Die Prüfung war für dich kein Problem.“
 

Als die beiden zum alten Lokschuppen zurückkehrten, entdeckten sie Dinah, die im Schatten einer der alten Linden hockte und nachdenklich zu Boden starrte.

„Hey, Dinah! Ich hab bestanden!“ rief Casey.

„Wie schön! Ich freue mich für dich!“ erhellte sich die ernste Miene des Waggonmädchens.

„Hast Du immer noch Kummer wegen Greaseball?“

Dinah nickte.

„Ich will heute gar nicht auf die Gleise! Die anderen Loks würden mich nur verspotten!“

„Dann bleib einfach hier und lasse die Seele baumeln. Es ist zwar noch etwas bewölkt, aber ich habe gehört, das Morgen das Wetter besser werden wird.“

„Das soll es auch an deinem Ehrentag.“ lächelte das Waggonmädchen und strich dem Jungen durch das Haar.

„Danke, Dinah. Ich sag Rusty Bescheid!“

„Er ist wirklich ein sehr lieber Kerl! Und warmherzig.“ seufzte sie, als der Junge in den Schuppen lief, um Rusty die freudige Nachricht zu überbringen.
 

Am nächsten Morgen wurde Casey von Digger geweckt.

„Du musst dich langsam fertigmachen. In zwei Stunden müssen wir bei Mr. Corell sein!“

„Alles klar!“

„Ich habe schon das Badewasser eingelassen.“

„Muss das sein? Genügt nicht eine normale Wäsche?“

„Na hör mal! Heute ist dein Ehrentag! Da tritt man nicht halbgewaschen vor unseren Boß!“ tadelte Digger. „Und gestern bist Du mit Rusty gefahren und hast abends nur eine Katzenwäsche gemacht! Hast Du Dir mal deinen Hemdkragen angesehen? Da ist deutlich ein Rußrand zu sehen!“

„Na schön!“

„Du bist auch nicht anders, wenns um die große Wäsche geht! Und Rusty genauso. Er mag das Wasser außen an sich schon wegen seiner Rostflecken nicht! Aber bei Dir kann zum Glück nichts rosten!“ grinste er und entblößte dabei seine weißen Zähne.

Also ließ sich Casey von Digger in die Badewanne stecken und abschrubben. Dabei murrte er zwar hin und wieder, doch der ältere Lokführer war unerbittlich.

„Na also, jetzt bist Du richtig sauber.“ lächelte er und rubbelte die Haare des Jungen mit einem Handtuch trocken.
 

Später dann wurde Casey von Digger und Rusty zur großen Drehscheibe beim Rundschuppen der Waggonmädchen gebracht. Pop hatte Ihm erklärt, das es Tradition war, das die Aufnahmefeierlichkeiten für alle neuen Lehrlinge dort stattfanden. Und das bedeutete, das er auf jedenfall bestanden hatte. Der Regen hatte aufgehört und einem strahlend blauen Himmel Platz gemacht.

Wer von den Lokführernn dem anderen Personal, Loks und Waggons gerade keinen Dienst hatte, war anwesend. Casey erkannte auch Greaseball und Caboose, die aber weiter hinten Aufstellung genommen hatten. Und Dinah beobachtete alles ebenfalls aus sicherer Entfernung. Dabei entdeckte sie Ihre Kollegin Happy, die neben Ihrem Ex stand. Dieser Mistkerl hatte es tatsächlich wahrgemacht!

„Ah, da ist ja unser neuer Anwärter!“ sprach Mr. Corell. Er hatte seinen besten Anzug angelegt und trug eine blau-rote Schärpe über seinem Jakett. Neben Ihm stand Loghead in seiner Paradeuniform, die Ihm als Lokführer des Champions zustand. Sein Gesicht blickte stolz, aber auch besorgt in die Runde.

„Tut mir leid, das es ein wenig später geworden ist, aber es gab noch ein kleines Problem zu lösen.“

„Was für ein Problem, Boss?“ fragte Digger.

„Greaseball hat mich gebeten, Ihm Happy als Speisewagen zuzuteilen, weil mit Dinah anscheinend irgendetwas nicht in Ordnung sei.“

„Habt Ihr Dinah heute schon gesehen?“ fragte Francis.

„Es ist alles in Ordnug mit Ihr. Ich habe sie gestern draußen im Regen gefunden. Alleine. Da habe ich sie mit zu uns genommen.“ erklärte Casey.

„Dann bin ich erleichtert.“ seufzte Loghead.

„Greaseball hat vorgeschlagen, Dinah für eine Weile ausser Dienst zu stellen und im Betriebswerk zu überprüfen.“

„Bei allem Respekt, Mr. Corell, aber das wird nicht nötig sein! Dinah fehlt es an nichts! Die beiden haben einfach Schluss miteinander gemacht!“ sagte Casey.

„Was?-Na gut, darüber reden wir später. Ersteinmal kommt nun der öffentliche Teil.“ antwortete der Stationsvorsteher und betrat ein Rednerpult.

„Meine Damen und Herren, werte Arbeitskollegen, mitarbeitende Loks und Waggons! Wir sind heute hier zusammengekommen, um einen neuen Lehrling in unsere Gilde aufzunehmen! Ich bitte Casey Jones, vorzutreten!“

Der Junge stellte sich vor das Rednerpult und sah seinem zukünftigen Chef an. Loghead stand einige Schritte neben dem Pult hinter einem Tisch, auf dem verschiedene Dinge lagen.

„Casey Jones, Du hast gestern deine Aufnahmeprüfung abgeschlossen und die Prüfer brachten mir heute Morgen die Ergebnisse. In der schriftlichen Prüfung hast Du von 100 möglichen Punkten 91 erreicht. In der praktischen von 50 möglichen Punkten 45! Ein sehr gutes Ergebnis!“ erklärte der Stationsvorsteher nicht ohne Stolz. Die anwesenden Zuschauer applaudierten.

„Toll, mein Sahnestückchen!“ rief Buffy.

„Gar nicht mal so schlecht...“ bemerkte Red Caboose.

„In der Tat!“ knurrte Greaseball. „Francis hat mir einmal erzählt, er selbst hätte nur siebzig und sechsunddreißig Punkte gehabt, als er seine Aufnahme absolvierte!“

„Auch Rusty hat seine Prüfung zur Lehrlingslok mit 89 von 100 möglichen Punkten bestanden!“ fuhr Mr. Corell fort.

Greaseball ballte seine Fäuste gab ein leises Knurren von sich.

„Bei der praktischen Gemeinschaftsprüfung mit seinem Lokpartner erreichte der junge Mr. Jones von 100 möglichen Punkten achtundachtzig! Damit kommt er auf eine Gesammtnote von 1,8 ! Das ist ein ausgezeichneter Start! Ich gratuliere Dir, mein Junge!“

Während alle Anwesenden begeistert applaudierten, kam Mr. Corell hinter dem Rednerpult hervor und schüttelte Casey die Hand.

„Herzlichen Glückwunsch! Du bist nun als Lehrling anerkannt. Und nun...“

Auf ein Zeichen seines Chefs kam Loghead hinter dem Tisch hervor und brachte etwas mit.

„Dies wird von nun an deine neue Arbeitskleidung sein.“ sagte der Stationsvorsteher und Francis zeigte dem Jungen ein Kleiderbündel. Casey erkannte eine hellblaue Jacke, die der von Digger ähnelte.

„Du darfst jetzt mit Francis, deinem Vormund mitgehen. Wir wollen dich ja alle mit deiner neuen Uniform sehen.“

„Verstehe.“ lächelte der Junge und schloß sich Loghead an.

Hinter der großen Drehscheibe befand sich ein längliches Gebäude aus Backsteinen, eine weitere Halle für Loks und Waggons. Dort gab es auch Umkleiden für das Personal. Und in so einen Raum begaben sich die beiden nun.

„Na, freust Du dich?“ fragte Francis.

„Und wie! Ich bin jetzt ein richtiger Lokführer-Lehrling!“

„Ja. Ich freue mich wirklich für dich! -So, das hier ist deine Arbeitshose. Wie Du siehst, hat sie sehr viele Taschen und ist sehr robust.“

Casey schlüpfte in die neue hellblaue Latzhose.

„Passt ganz gut. Nur scheint sie mir ein wenig zu groß.“

„Keine Sorge, Du wächst schon noch hinein. Normalerweise sind die meisten Lehrlinge etwas größer und älter.“ lächelte Loghead.

„Was meinst Du damit?“

„Der Doc hat nach deiner Untersuchung gesagt, das Du niemals Vierzehn sein kannst! Sondern erst dreizehneinhalb, deinem Entwicklungszustand nach.“

Casey senkte den Kopf.

„Stimmt, ich habe etwas gelogen. Ich bin wirklich erst dreizehn Jahre und sieben Monate.“

„Aber der Arzt hat trotzdem grünes Licht gegeben, weil Du sehr aufgeweckt und intelligend bist. Und auch kräftig genug, die Kohleschaufel zu schwingen.“

„Mann, Ihr seid alle echt toll hier!“

Loghead lächelte und strich den Jungen durch das Haar.

„So und hier hast Du nun deine Jacke.“

Casey schlüpfte hinein und sein Vormund schlug die Ärmel etwas ein, da sie noch zu lang waren. Doch das würde sich geben. Kinder in diesem Alter wuchsen rasch.

„Lasse die Jacke am besten aus, wenn Du die schmutzigen Arbeiten am Kessel machst. Die Latzhose und ein Pullover oder ein Hemd genügen.

„Verstanden.“ nickte Casey.

Die Jacke war ebenfalls in Hellblau gehalten und hatte einen grauen Stehkragen. Die Schulterklappen rechts und links zierte je ein gelber Balken, das Zeichen für einen Lehrling im ersten Lehrjahr. Auch hier gab es genügend Taschen und auf der rechten Seite war das Abzeichen der Bahngesellschaft von Kommoran und Ruthia aufgenäht und sein Namensschild.

„Und zum Schluss...“

Francis hielt eine hellblaue Schildmütze hoch. Vorne trug sie das Wappen von Kommoran, einen weißen Vogel im Profil, der ein Eisenbahnrad in seinen Klauen hielt. Den unteren Rand umgab ein gelbes Band, das Casey als Lehrling auswies. Im zweiten Lehrjahr würde es rot sein, im dritten grün. Bei einem ausgebildeten Lokführer mit Diplom war das Band dann golden.

Mit einer feierlichen Geste setzte Loghead seinem Mündel die Mütze auf.

„Und nun bist Du fertig. Jeder Lehrling hat normalerweise zwei Uniformsätze zum Wechseln und noch eine Hose extra. Aber da deine durch die Arbeit mit einer Dampflok schneller schmutzig wird und Du öfters wechseln musst, hast Du drei Sätze und vier Arbeitshosen. Deine Arbeitskleidung wird dir in jeder Wäscherei kostenlos gewaschen und gebügelt, wenn Du ersteinmal unterwegs bist.“

„Verstehe.“

„Und nun komm. Die anderen warten schon.“

Die beiden kehrten wieder zu Mr. Corell zurück, der vor dem Tisch auf sie wartete. Wieder wurden sie mit Applaus begrüßt.

„Ein Hoch auf Casey Jones!“ rief Pop.

„Du siehst gut aus, mein Junge.“ sagte der Stationsvorsteher.

„Danke, Sir!“

„Und nun wirst Du von uns all die wichtigen Dinge erhalten, die Du während deiner Lehrzeit brauchen wirst.“

Mr. Corell nahm nach und nach all die auf dem Tisch abgelegten Dinge auf und überreichte sie Casey.

„Da haben wir zuerst einmal deinen Lehrausweis.“ Er steckte Ihn in eine dafür vorgesehene Tasche seiner neuen Jacke. „Dann ein Leitfaden für Lehrlinge. Lies Ihn aufmerksam durch, denn darin stehen viele wichtige Dinge, z.B wo Du Hilfe findest und an wen Du dich wenden kannst. Als nächstes hast Du hier die Mappe mit Rustys Prüfungsdokumenten und seine Karte, die Ihn als Lehrlokomotive ausweist. Dann dein Ausbildungstagebuch. Du mußt es jeden Tag führen und eintragen, was Du gelernt und getan hast. Bist Du bei einem Meister in der Lehre, so kann er auch Eintragungen vollziehen.“

„Verstanden. Das ist wie ein Berichtsheft.“ nickte Casey.

„Dann haben wir hier noch deinen Werkzeuggürtel. Ein sehr wichtiger Ausrüstungsgegenstand. In Ihm befinden sich sämtliche Werkzeuge, die Du für die Wartung oder Reparatur deiner Lok brauchst.“

Der Stationsvorsteher legte dem Jungen den Gürtel mit der Fächertasche um. Das ganze Werkzeug wog ordentlich, doch er würde Ihn ja nicht ständig tragen müssen.

„Und das hier ist dein Rucksack, in dem Du deine ganze Dinge verstauen kannst.“

Casey bekam einen großen, grünen Rucksack mit seinem Namensschild in die Hand.

„Du denkst wohl sicher, das wäre jetzt wohl alles?“

„Ich denke schon, Mr. Corell.“

„Oh nein! Das Beste kommt immer zum Schluss!“

Mit diesen Worten zog er eine Schwarzes, flaches, quadratisches Etui aus der Tasche seines Jaketts. Francis nahm Casey den Rucksack ab, damit er die Hände frei hatte und verstaute seine übrige Ausrüstung darin.

„Bei uns und in anderen Ländern ist es Tradition, das ein jeder Lehrling mit Beginn seiner Ausbildungszeit etwas erhält, das Ihn während seiner ganzen Dienstzeit begleiten soll.“ erklärte Mr. Corell feierlich und öffnette das Etui. Dann zeigte er Casey den Inhalt.

Im Innern lag auf rotem Samt eine vergoldete Taschenuhr. Den Deckel zierte eine herausgearbeitete Dampflok, eine massive, goldene Kette gehörte dazu.

Ein Raunen ging durch die Versammelten. Francis fand, das dies immer der schönste Moment der Feierlichkeit war.

„Wow! Ist die wirklich für mich?“

„Natürlich, mein Junge. Und sieh her-hier hinten ist dein Name eingraviert: Casey Jones. Das bedeutet, sie ist von nun an dein Eigentum.-Eine Uhr ist eines der wichtigsten Dinge eines Lokführers. So kann er immer sehen, ob er pünktlich ist!“ nickte der Stationsvorsteher. „Ich habe meine auch bekommen, als ich hier vor Jahren als Lehrling anfing, genauso wie alle Lehrlinge vor Dir und noch heute trage ich sie ständig bei mir.-Halte sie in Ehren, mein Junge.“

„Das werde ich!“ nickte Casey. Mr. Corell nahm die Taschenuhr aus dem Etui, schob die leere Schachtel in seine Jackentasche und befestigte das Ende der Uhrenkette an eine dafür vorgesehene Stelle am Revers zwischen den Knöpfen. Die Uhr schob er in die dafür vorgesehene Brusttasche unter Caseys Namensschild.

„Du kannst sie auch in der obersten Tasche deiner Latzhose tragen.“ erklärte der Stationsvorsteher und besah sich seinen neuen Lehrling. „Jetzt bist Du komplett.“

Casey stand da und bekam vor Rührung feuchte Augen.

„Danke, Mr. Corell, Sir!“ sagte er mit belegter Stimme und wischte sich verstohlen über die Augen.

Und der Stationsvorsteher wußte, das dieser Junge mit Leib und Seele ein Lokführer sein würde. Denn so viel Stolz und Freude zeigten nur wenige Lehrlinge.

Und Dinah, die alles aus der Ferne beobachtete, fasste einen Entschluss...
 

Nach der öffentlichen Teil, als die Versammelten sich zerstreut hatten, besprach sich Casey mit seinem neuen Boss, wie es nun weitergehen sollte.

„Du und Rusty wollt also auf Reisen gehen und nebenbei trainieren, um euch für die Liga zu qualifizieren.“

„Ja, Sir. Rusty hat das Zeug dazu. Und ich möchte mehr von dieser Welt sehen! Unsere Erfahrung und unser Level werden mit jedem Tag wachsen und bald können wir gegen andere Loks antreten! Bitte geben sie uns Ihre Zustimmung, Sir, uns für die Renn-Liga zu qualifizieren!“ bat Casey.

Der Stationsvorsteher warf Loghead und Digger einen hilfesuchenden Blick zu. Als Antwort nickten die beiden Männer nur. Und auch der alte Pop, der neben der Empore stand.

„Also gut. Meinen Segen habt Ihr. Denn ich vertraue Dir, Casey. Mit deinem Ehrgeiz kannst Du viel erreichen. Versucht euer Glück.“

„Ich danke Ihnen, Mr. Corell!“

„Aber ich kann euch als Waggon nur Dustin mitgeben, die anderen werden hier gebraucht!“

„Oh nein! Doch nicht Dustin! Dieses Schwehrgewicht!“ klagte Rusty.

„Jammer nicht, Partner! Das wird ein gutes Training für dich! Okay, dann wird uns Dustin begleiten.“ bemerkte Casey.

„Oh Mann! Du musst Ihn ja nicht ziehen!-Na schön!“

„Und ich bin auch dabei!“

Dinah war neben Pop gerollt zog eine entschlossene Miene.

„Was?“ entfuhr es dem Stationsvorsteher. „Du bist ein Speisewagen und wirst hier gebraucht! Und was wird dann aus Luigi und Antonio?“

„Die können ja bei Happy aushelfen! Oder bei Brunch! Mich braucht kein Personal zu begleiten!“

„Das geht doch nicht! Ich habe doch schon Dustin als Begleitwaggon zugeteilt gekriegt! Außerdem ist so eine Reise nicht ungefährlich! Außerdem sind wir ein reiner Männerverein! Du wirst dich nicht wohlfühlen!“ entgegnete Rusty.

„Unsinn! Ich habe keine Angst! Außerdem braucht Ihr so etwas wie eine weibliche Note in eurem Verein und der Junge immer eine anständige Mahlzeit! Schließlich ist er noch ein Kind und muss wachsen!“

„Au weia! Ein Speisewagen mit mütterlichen Instinkten!“ murmelte Casey.

„Ich bin nicht nur ein Speisewagen! Im Humanoid-Modus bin ich auch eine ausgezeichnete Köchin! Fragt das Stellwerkspersonal! Oder die Gäste im Bahnhofsrestaurant! Vor allem braucht der Junge hier jemanden, der sich um Ihn sorgt auf dieser langen Reise!“

„Hey, ich bin kein Baby mehr! Ich kann schon gut auf mich alleine aufpassen!“

„Und was ist, wenn Du plötzlich krank wirst, mein Kleiner Lehrling? Wißt Ihr Kerle dann, was zu tun ist?-Nichts da! Ich kenne mich mit Kindern aus und werde euch begleiten! Schon wegen Casey! Denn meist ist bei Lehrlingen immer ein Waggonmädchen als Zugpartner für die Lok dabei! Ich weiß, das es einen tieferen Sinn hat!-Zudem wäre ich froh, wenn ich Greaseball und seine Bande die nächste Zeit nicht mehr sehen müßte!“

„Was ist denn eigentlich passiert? Greaseball erzählte mir, es gäbe Probleme mit Dir. Du wärst aufmüpfig und würdest Unruhe in das Team bringen!“ sagte Mr. Corell.

„Fragen Sie lieber Ihn selbst, Boss! Und passen Sie auf, das er Ihnen nicht auf der Nase herumtanzt!“

„Dinah hat recht! Halten Sie ein Auge auf Ihn! Dinah hat Ihm nur einmal die Meinung gegeigt und er hat mit Ihr Schluss gemacht und sie davongejagt! Das hat nichts mit Aufmüpfigkeit zu tun! Greaseball ist das Problem! Nehmen Sie Ihn nicht zu sehr in Schutz, Sir!“ stimmte Ihr Casey zu.

„Na, Ihr macht mir vielleicht Spaß! Aber gut. Ich werde Greaseball im Auge behalten. Und ausnahmsweise werde ich auch Dinah erlauben, euch zu begleiten. Vielleicht ist es besser, wenn sie eine Weile von Greaseball und den anderen Dieseln getrennt ist, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben.“

„Danke, Mr. Corell! Ich werde Luigi und Antonio Bescheid sagen!“

Und schon rollte sie gut gelaunt davon.

„Und kein Wort zu Greaseball! Er wird es noch früh genug erfahren! Außerdem hat er ja jetzt seine Happy!“ erklärte Casey.

„Wann wollt Ihr aufbrechen?“ fragte Francis.

„So schnell wie möglich!“

„Dann muss ich ja noch einiges vorbereiten! Ich empfehle mich!“

„Ihr seid mir vielleicht ein verrückter Haufen, Digger!“ meinte Mr. Corell kopfschüttelnd. „Doch ich vertraue Casey. Der Junge hat was Besonderes an sich, das muss ich zugeben. Und er läßt sich nicht so schnell einschüchtern.“

„In der Tat.“
 

Am Nachmittag ging es im alten Lokschuppen hoch her. Alle waren mit den Vorbereitungen für die Abreise beschäftigt. Loghead schleppte einen Haufen Pakete an, in denen sich allerhand nützliche Dinge befanden.

„Das schickt Dir Mr. Corell. Ein Streckenatlas.“

„Hey, klasse, Francis!“

„Ein Jammer, das Du uns bald verläßt. Du wirst mir fehlen.“

„Du mir auch, Francis!“ nickte Casey und umarmte seinen Vormund. Mit feuchten Augen erwiderte dieser die Umarmung.

„Ich habe hier noch etwas. Schau.“ sagte er dann und zeigte es Casey.

„Noch ein paar Schuhe! Und jede Menge Klamotten! Danke, die kann ich gut gebrauchen! Ich habe ja nur die, in denen ich hergekommen bin. Danke, Francis.“

„Und das hier kriegst Du von mir.“ lächelte Digger und legte seine Gaben auf Caseys Bett ab.

„Handtücher, Seife...Shampoo...eine Zahnbürste! Waschzeug!“ seufzte der Junge.

„Auf den größeren Bahnhöfen gibt es immer Umkleideräume und Duschen für das Personal. Also lauf nicht herum wie ein Schmutzfink, sondern mache auch davon nach einem Arbeitstag Gebrauch. Denn der Kohlenstaub und Ruß dringt überall ein!“

„Keine Sorge, Dinah wird sicher ein Auge darauf haben!“

„Und in der Nacht wird dich der hier warmhalten.“

„Ein Schlafsack! Und ein Kissen. Stimmt, das kann ich ebenfalls gut gebrauchen.“

„Schlafen kannst Du dann in Dinah, wenn sie im Maschinenmodus ist. Dort gibt es ein einzelnes Extra-Abteil mit zwei Liegen für das Personal, das Du dann nutzen kannst. Falls Ihr einmal im Freien übernachten müsst.“

„Alles klar.“

„Und noch etwas wichtiges: Wenn Du Rusty laufen läßt, achte immer darauf, das seine Kesseldruckanzeige nicht in den roten Bereich gerät! Besonders nicht in der ersten Zeit! Sein Kessel und Antrieb ist nur mäßig belastet worden und bei einer Überbelastung kann sich sein untrainiertes System übernehmen und schlimmstenfalls kann sein Kessel explodieren!“ ermahnte Digger den Jungen.

„So weit werde ich es nie kommen lassen!“

„Wenn er besser trainiert ist, wird sein Kessel und sein Antrieb mehr leisten und aushalten können. Seine Leistung kann er also mit regelmäßigem Training erhöhen! Es wird vor allem besser werden, wenn Rusty jetzt längere Fahrten unternehmen wird. Hier hat er die meiste Zeit bloß untätig herumgestanden. Das hat Ihn etwas lahm werden lassen. Legt in den ersten zwei Wochen deshalb mehr Pausen ein und steigert euch langsam.“

„Verstanden.

„Und melde dich hin und wieder bei uns. Du kannst uns schreiben oder auch anrufen. Die Adresse und Telefonnummer steht auf der letzten Seite deines Leitfadens für Lehrlinge.“

„Verstanden. Ich werde mich immer wieder mal bei euch melden und von unseren Fortschritten erzählen.“ antwortete Casey. Dann setzte er sich auf das Bett, holte seine Taschenuhr hervor und betrachtete sie schweigend. Dabei ließ er seine Fingerspitzen über die Namensgravur gleiten.

„Das ist mein größter Schatz von allen.“ murmelte er.

„Halte immer ein Auge auf deine Dokumente. Und auf deine Brieftasche! Denn Schurken gibt es überall.“ mahnte Digger.

„Und natürlich auf meine Uhr hier.“ antwortete der Junge und schob die Uhr in die Brusttasche seiner hellblauen Jacke.
 

Ein Stockwerk tiefer war auch Rusty am Packen seiner wenigen Habseligkeiten.

„Pass gut auf Casey auf, Du bist von nun an für Ihn verantwortlich. So wie er für dich.“ erklärte Pop. Die kleinere Dampflok nickte. Dann holte Rusty seinen Helm hinter der Matraze hervor und wollte Ihn ebenfalls verstauen, doch der Oldtimer hielt Ihn zurück.

Dann begab er sich kurz hinüber in seine Stellbox und kehrte mit seinem Helm zurück.

„Hier, der soll von nun an Dir gehören.“ sagte er und drückte Ihn dem verdutzten Rusty in die Hände.

„Dein Helm? Nein, das kann ich nicht annehmen...“

„Nimm Ihn nur! Wir tauschen einfach! Er wird Dir für die Rennen bessere Dienste leisten als dein Deckel! Und mir genügt er allemal für die Arbeiten, die ich noch ausführe!“ erklärte Pop, schnappte sich Rustys einfache Kopfbedeckung und setzte sie sich demonstrativ auf den Kopf. „So, höhöhö!“

Er zeigte seine weißen Zähne und lachte schelmisch.

„Ich danke Dir, alter Freund.“ sagte die kleine Dampflok gerührt und legte den Helm zu Ihren anderen Sachen.
 

Fortsetzung folgt...

Die große Reise beginnt

Starlight Express

Kapitel 6

Die große Reise beginnt
 

Später, am Abend, sah Casey aus dem Fenster in den nächtlichen Himmel hinauf.

„Dad, ich hoffe, Du vermisst mich nicht allzusehr. Aber ich habe hier eine Aufgabe zu erfüllen. Ich wünschte, Ich könnte Dir irgendwie schreiben, das es mir gutgeht und alles okay ist. Mach Dir keine Sorgen. Der Starlight Express hält seine wachenden Sterne über mich.“
 

Am nächsten Morgen suchte Casey noch einmal Mr. Corell auf.

„Dann geht es also heute los.“

Der Junge nickte.

„Du siehst gut aus, mein Sohn. Ich hoffe, Du wirst Kommoran würdig vertreten!“

„Das verspreche ich, Sir! Sie werden nur Gutes von mir hören! Und ich werde immer fleißig lernen und mit Rusty trainieren!“

„Dann wünsche ich Dir alles Gute. Hier sind die Unterlagen, die euch berechtigen, euch für die Liga und die Meisterschaft zu qualifizieren. In diesem kleinen Buch dann findest Du die aktuellen Daten, welche Lok gerade in welcher Liga steht und in welchem Hauptbahnhof sie beheimatet ist. Loks der Ligen F-E findet Ihr nur in normalen Bahnhöfen. Erst ab der D-Liga werden sie in den Hauptbahnhof des jeweiligen Landes berufen. Dort laufen sie zusammen mit dem Favoriten, bis, bis sie Ihn bei der Meisterschaft schlagen. Geschieht das, nimmt die bessere Lok des Landes den Platz des Favoriten ein.Es sind eine ganze Menge und je höher die Liga, desto weniger werden es. Viele brauchen Jahre, um sich für die Meisterschaft zu qualifizieren, bei anderen geht es schneller. Und denke daran: In etwa einem Jahr musst Du wieder hier sein, um deine erste Zwischenprüfung abzulegen.“

„Verstanden. Das bedeutet also, wenn Rusty Greaseball bei der Meisterschaft schlagen würde, würde er seinen Platz einnehmen.“

„Das wäre richtig. Doch ob dies geschehen wird...nun, warten wir ab.“ lächelte Mr. Corell.

„Und hier-„ Mr. Banner überreichte Casey einen Umschlag „ist dein erstes Lehrgeld. Teile es Dir gut ein, denn erst auf dem nächsten Hauptbahnhof kannst Du wieder welches bekommen. Und das kann viele Tage dauern.“

„Ich weiß. Loisel hat es mir erklärt.“ nickte Casey und nahm den Umschlag in Empfang. Von Francis hatte er eine schöne Brieftasche geschenkt bekommen, mit je einem Foto von Ihm und Digger und Pop im Innern. Casey tat es nur leid, das er kein Foto von seinem Vater dabeihatte. Denn im inneren Deckel seiner neuen Taschenuhr konnte man ebenfalls ein Bild einsetzen.

„Und was noch sehr wichtig ist, in jedem Hauptbahnhof musst Du dich beim Bahnarzt melden und einen Routinecheck machen! Denn die Gesundheitskontrolle bei euch Lehrlingen ist sehr wichtig! Ein kranker Lehrling oder Lokführer darf keine Lokomotive fahren! Das wäre zu riskant! Wenn Du auf die Strecke gehst, musst Du immer topfit sein!“

„Verstanden, Sir.“nickte Casey.

„Du musst dich sowieso in jedem Hauptbahnhof beim Stationsvorsteher melden und Ihm deine Papiere und das Untersuchungsheft vorlegen. Er hat die Pflicht, sie zu prüfen und dich auf die Routinechecks hinzuweisen. Das selbe gilt für deine Lok und die Waggons. Nach jeder getaner Fahrt ist ein Rundumcheck vorgeschrieben und Du gehst die Checkliste durch. Wenn etwas nicht stimmt, meldest Du dich im nächsten Betriebswerk, damit der Defekt behoben werden kann!“

„Alles klar.“

„Gut. Das war dann alles, mein Junge. Ich wünsche Dir und Rusty eine gute Reise!“

„Ich danke Ihnen, Mr. Corell und Mr. Banner. In einem Jahr sehen wir uns wieder!“

Casey reichte zum Abschied den beiden Männern die Hand.
 

„Ein anständiger und gut erzogener Junge.“ bemerkte Mr. Banner, als Casey das Büro verlassen hatte. Sein Vorgesetzter nickte.
 

Nach dem Mittagessen war es dann soweit. Dustin trug einen von Caseys vollgepackten Rucksäcken, Rusty den zweiten mit dem zusammengerollten Schlafsack. Bei Dinah waren die Vorräte gebunkert.

Außer Francis, Digger und Pop waren noch Buffy und Sugar anwesend. Alle hatten sich neben dem äußeren Gleis eingefunden, das am alten Lokschuppen vorbeilief.

„Alles Gute, mein Zuckerschneckchen! Ich werde dich vermissen! Und dich auch, Rustyschätzchen!“ rief der goldfarbene Barwaggon aufgeregt und wischte sich eine Träne aus dem Auge.

„Hah, Buffy, Du sollst mich doch nicht immer Rustyschätzchen nennen!“ maulte die kleine Dampflok und verleierte genervt die Augen.

„Uaah, drück mich nicht so doll, Buffy! Du brichtst mir ja noch die Gräten!“ keuchte Casey und versuchte sich aus Ihrer Umarmung zu winden. Dinah kicherte leise.

„Gute Reise.“ wünschte Sugar.

„Ja, gute Reise, Ihr beiden! Und wenn Ihr eure erste Plakette gewonnen habt, meldet euch!“rief Pop.

„Das wird wohl noch ein Weilchen dauern...“ murmelte Rusty.

„Alles Gute, mein Sohn.“ wünschte der Oldtimer und die beiden Dampfloks umarmten sich zum Abschied. Dann setzte Rusty seinen neuen Helm auf, der nun seinen ganzen Kopf bedeckte und begab sich auf das Gleis.

„Machs gut, Dinah!“ riefen Buffy und Sugar.

„Also, auf die Gleise mit euch!“ rief Digger. Rusty, Dinah und Dustin nahmen Aufstellung und transformierten. Digger half Casey beim zusammenkuppeln der Waggons und ermahnte den neuen Lehrling, bei solchen Tätigkeiten immer die ledernen Schutzhandschuhe zu tragen.

„Ich wünsche Dir alles Gute, mein Junge. Und gib gut auf dich acht.“ bat Francis.

„Das werde ich. Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen.“ lächelte der Junge und umarmte seinen Vormund. Dann wandte er sich an Pop. „Ich werde hart mit Rusty arbeiten. Du wirst sehen, wenn wir zurückkommen, wirst du Ihn nicht wiedererkennen!“

„Da bin ich mir sicher. Gebt gut auf euch acht.“

„Bis bald, großer Freund.“

Pop hob den Jungen hoch und es folgte auch hier eine herzliche Umarmung. Dann hob er Casey in Rustys Führerstand.

„Und denke daran, Dir öfters saubere Wäsche anzuziehen! Sei kein Schmutzfink!“ ermahnte Digger den Jungen.

„Okay, okay..“ seuftzte Casey und blickte aus dem Seitenfenster auf die Versammelten herab.

„Und höre auf den Rat der erfahrenen Kollegen!“ rief Loghead.
 

In diesem Moment schaltete das Signal auf Grün.

„Es geht los! Wir haben freie Fahrt!“ rief Rusty. Casey zog am Seil für die Pfeife und löste dann die Bremsen. Rusty setzte sich langsam in Bewegung.

Loghead zog sein Taschentuch hervor und winkte, die anderen benutzen Ihre Hände oder Mützen.

„Bis bald, Freunde!“ rief Casey und winkte zurück. Die Versammelten wurden immer kleiner und blieben schließlich in der Ferne zurück, ebenso wie der Hauptbahnhof von Kommoran.

„Endich geht es los! Das Abenteuer beginnt!“
 

Greaseball hatte die ganze Abschiedsszenerie von einem etwas erhöhten Punkt aus beobachtet. Neben Ihm standen Red Caboose und Steel.

„Das hätte ich nicht von Dinah gedacht! Sie hat sich tatsächlich Rusty angeschlossen! In Ihrer Not hat sie sich mit der niedersten Lok verbündet! Was für eine Schande! Gut, das ich sie los bin!“ sprach der große Diesel verächtlich.

„Jetzt haben wir endlich vor diesem wandelnden Rosteimer Ruhe!“ rief Steel.

„Ja-aber wen ärgern wir jetzt?“ fragte Greaseball schnippisch. Im nächsten Moment lachten alle Drei über diesen schlechten Scherz.

„Nur Mut, es wird sich schon jemand finden.“ bemerkte Red Caboose grinsend.

„Mein lieber roter Bremser, ich habe einen besonderen Auftrag für dich! Hast Du dich entsprechend vorbereitet, wie ich es Dir gesagt habe?“

Red Caboose nickte.

„Gut! Du wirst dich Rusty und seinen Freunden an die Puffern heften und versuchen, Ihnen Reise so beschwehrlich wie möglich zu machen! Vor allem darf sich dieser Rosteimer nicht für die Liga qualifizieren! Hast Du mich verstanden? Du bist der listigste und intriganteste von uns allen! Keiner ist für diesen Job besser geeignet als Du!“

„Was? Ich soll denen folgen? Was wird Mr. Corell dazu sagen, wenn ich so einfach verschwinde?“

„Keine Sorge, old Boy, darum kümmere ich mich schon! Aber jetzt geh, bevor Du sie aus den Augen verlierst!“

„Du spielst mit sehr hohen Karten, „Big G“! Nutze die Gutmütigkeit unseres Bosses nicht zu sehr aus!“ mahnte Steel.

„Was soll Mr. Corell schon tun? Mich ausmustern? Er braucht mich!“

„Okay, Greaseball! Ich werde denen ordentlich Steine auf die Schienen werfen! Verlass dich drauf!“

„Machs gut, Roter!“ wünschte Steel.

Hämisch grinsend beobachtete der große Diesel, wie Caboose die Verfolgung aufnahm.

„Ihr werdet euch noch wundern...“
 

Caseys große Reise mit seinen neuen Freunden hatte also begonnen. Was würde sie erwarten? Würden sie es schaffen, in die Liga zu kommen? Die Zukunft würde es zeigen...
 

Kommoran lag bald hinter Casey und seinen Freunden und der Junge ließ seinen neuen Partner schneller laufen.

„Vorwärts, Rusty! Zeig was Du kannst! Schneller!“ rief er und warf eine weitere Schippe voll Kohle in die Feuerbüchse. Dabei ließ er die Druckanzeige nicht aus den Augen. Es schaukelte ordentlich im Führerhaus, Rusty lief nicht besonders ruhig. Warscheinlich lag es daran, das er schon lange nicht mehr volle Pulle gefahren war. Immer wieder warf Casey einen Blick aus dem Fenster des Führerhauses, kontrollierte, ob die Strecke vor Ihnen frei war und ob die beiden Waggons auch brav folgten.

Sie passierten einige kleinere Bahnhöfe und Ortschaften und Casey ließ Rusty immer kräftig dampfen.
 

Aber auf einmal gab es ein häßliches, metallisches Geräusch und im nächsten Moment warf es den Jungen von den Füßen, als die kleine Dampflok plötzlich eine Notbremsung hinlegte! Dabei stieß sie einen saftigen Fluch aus!

„Uaaah! Was war denn das? Rusty, was ist los? Steht eine Kuh auf den Schienen?“

„Unsinn! Eine meiner Treibstangen auf der rechten Seite hat sich gelöst! Sieh bitte nach, ich kann so nicht weiterfahren!“

„Das fängt ja gut an...“ brummte Casey leise, schnallte sich seine Werkzeugtasche um und kletterte aus dem Führerstand. Dann lief auf die rechte Seite der Lok. Und tatsächlich: Eine der Treibstangen hatte sich von dem mittleren Rad gelöst und das eine Ende hing nun lose herab.

„Du darfst mit mir noch nicht so lange so schnell fahren! Das verträgt meine Maschine noch nicht!“ bemerkte Rusty. Der Junge seufzte und lief die Strecke ein Stück zurück, bis er im Gras eine Mutter und ein Stück einer Schraube fand. Mit den Teilen kehrte er zurück.

„Passiert das öfters, das Du deine Einzelteile verlierst?“

„Manchmal, bei starker Beanspruchung.-Verstehst Du jetzt, warum ich keine Rennen laufen kann?“

„Oh Mann, da kommt eine Menge Arbeit auf mich zu! -Auf jedenfall ist die Schraube, die die Treibstange hielt, gebrochen. Mal sehen, ob ich einen Ersatz in der Teilebox finde.“

Zum Glück fand sich eine neue passende Schraube, die Casey auch fachgerecht wieder anbringen konnte. Dabei half Ihm Dustin, der auf seine Bitte hin transformierte.

Nach dieser Panne konnte die Fahrt weitergehen, allerdings ein wenig gemäßigter.

Doch gegen Mittag blieb Rusty von selber auf einem kleinen Bahnhof stehen.

„Was ist denn?“ fragte Casey.

„Ich kann -huff-huff-nicht mehr, brauche dringend eine Pause! Wir sind seit heute Morgen unterwegs und mein Wasservorrat ist auch fast aufgebraucht!“

„Ach so, natürlich. Du hast Durst. Gut, wir füllen deinen Tank auf und dann fahren wir noch ein Stück.“ antwortete der Junge und kletterte aus dem Führerhaus.

„Vergiss es! -Hffhff! Ich bin erledigt! Laß mich etwas ausruhen.“

„Du machst jetzt schon schlapp?“

„Ich bin -kchkch-solche Strecken nicht mehr -huff-gewöhnt, Casey! Tut mir leid, aber ich muß mich langsam wieder an Fernfahrten gewöhnen! Und dann noch mit Dustin und Dinah im Schlepptau...“

„Schon gut. Da vorne ist der Wasserkran. -Roll noch ein Stück vorwärts. Und nach dem Auffüllen machen wir Mittagspause.“

Während dem Wasserfassen machte Casey Bekanntschaft mit dem Stationsvorsteher.

„Ihr seid also auf Reisen. Ich habe schon lange keinen Lehrling mehr mit einer Dampflok gesehen. Die zukünftigen Lokführer von heute wollen immer einen modernen Lokpartner.“ sprach der Mann.

„Stimmt. Aber ich bevorzuge die gute alte Dampfkraft.“
 

Nachdem Rustys Tank wieder voll war, transformierten er und die beiden Waggons Die kleine Dampflok keuchte noch immer vor Anstrengung, Dampf entwich zischend aus den Ventilen.

„Mann, Rusty, Du verträgst wirklich nicht viel! Das wird ein hartes Stück Arbeit, dich wieder in Form zu bringen!“

Rusty ließ sich auf einen Stapel Schwellen nieder, nahm seinen Helm ab und schöpfte ersteinmal Atem.

„Na, dann lass deinen Partner ersteinmal ausruhen, kleiner Lehrling. Ich werde in der Zwischenzeit etwas für dich kochen. Sie sind auch herzlich eingeladen, Mr...“ sprach Dinah und sah zum Stationsvorsteher hinüber.

„Navas. Danke für die Einladung. -Wenn Ihr mich jetzt aber entschuldigen würdet, gleich kommt der Mittagszug hier durch und ich muss die Weichen und Signale umstellen.“

Das Speisewaggonmädchen baute neben dem Bahnhofsgebäude Ihren tragbaren Kocher und einige Töpfe aus. Und eine halbe Stunde später zog ein köstlicher Duft durch den kleinen Bahnhof.
 

Der Mittagszug kam aus Kommoran und wurde ausgerechnet von Lead, einem von Greaseballs Dieselkumpeln gezogen.

„Hey, Rusty! Ist der Dampf schon raus?“ frozzelte die Lok.

„Mach das Du weiterkommst, Lead! Kümmere dich um deine Strecke!“ rief Dinah ärgerlich.

„Mach keinen Ärger, Partner, los, fahr weiter!“ ordnete Leads Lokführer an.

„Bis bald, Schwächling!“ rief die Lok Rusty noch hinterher.

„So bald bestimmt nicht mehr, Großmaul!“ konterte Casey.
 

Als der Zug mit Lead in der Ferne verschwunden war, gab es Mittagessen für Lehrling und Bahnhofvorsteher.

„Das schmeckt vorzüglich! Dein Speisewagen ist wirklich eine ausgezeichnete Köchin!“

Nach dem Mittagessen, als Casey half, den Tisch abzuräumen, fing es draußen an zu regnen.

Der Junge warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und entdeckte auf einmal Rusty, der draußen vorbeieilte.

Neugierig begab er sich nach draußen, um nach seinem Partner zu sehen. Er fand Ihn unter dem Vordach des Bahnhofsgebäudes hocken.

„Was ist denn los? Man könnte meinen, Du hättest Angst vor dem Regen!“

„Ist das nicht offensichtlich, Casey? Sieh mich doch an! Je mehr Regen und Nässe ich abkriege, desto mehr roste ich! Und desto mehr geht bei mir kaputt! Deshalb versuche ich, so oft wie möglich, direkte Nässe zu vermeiden!“

„Verstehe, Rusty. Aber wir können nicht warten, bis es aufhört zu regnen. Wir müssen bald weiter! Aber gegen deinen Rost werden wir etwas unternehmen, wie versprochen.“

„In Ordnung.“ nickte die kleine Dampflok.

„Und jetzt ruh´ dich noch etwas aus.“
 

„Mr. Naval, wo kann ich eigentlich den Kohlevorrat für meine Lok aufstocken?“ fragte der Junge, als er in das Bahnhofsgebäude zurückkehrte.

„Das nächste Depot liegt in Portho, im Nachbarland Vivania. Bei eurem gemäßigten Tempo werdet Ihr etwa zwei Tage bis dorthin brauchen.“

„Alles klar. Und wie komme ich dorthin? An den Weichen gibt es ja keine Wegweiser.“

„Du hast doch sicher einen Streckenatlas bekommen.“

„Genau.“

„Dann musst Du nur die Gleise auf der Karte verfolgen. Sie haben alle Kennummern, die Du auch auf kleinen Tafeln am Stellhebel der Weiche findest. Du musst dann nur die Weiche richtig einstellen. Kommst Du an ein Stellwerk, musst Du dem Personal sagen, wohin Du willst und die geben Dir dann weitere Anweisungen für deine Fahrroute, die sie für dich dann einteilen. Denn die einheimischen Züge haben immer Vorrang. Ihr seid ja außerfahrplanmäßig. Auch wenn Du einen Hauptbahnhof verläßt, mußt Du Dir bei der Leitzentrale einen neuen Routenplan geben lassen und diesen befolgen!“

„Stimmt, das haben Die in der Eisenbahnergilde mir auch erklärt. Nicht das es noch einen Zusammenstoß gibt! Na ja, für den Fall, das so etwas eintritt, können meine drei Freunde transformieren und schnell vom Gleis.“

„Eigentlich hat es noch nie größere Zusammenstöße gegeben, da unsere Loks immer gut aufpassen und durch Pfiffe warnen, falls es der Lokführer mal nicht tut. Wir sind immer doppelt abgesichert. Und jeder Bahnhofsvorsteher weiß, wie er sich bei einem außerplanmäßigen Zug verhalten muss.“
 

Eine halbe Stunde später waren die Freunde wieder unterwegs. Manchmal mussten sie auf einem Nebengleis vor einem Signal warten, bis ein Regelzug vorbeigefahren die Strecke wieder frei war.

Gegen Abend hörte es wieder zu regnen auf.

„Casey, wir sollten den nächsten Bahnhof aufsuchen. Es ist gleich fünf Uhr und für den Anfang solltest Du nicht zu lange am Führerstand stehen!“ bemerkte Rusty.

„Du hast recht, ich werde langsam müde. Ich sollte mich an meinem ersten Tag nicht gleich übernehmen.“

Die Endstation für Heute befand sich im Bahnhof einer kleinen Stadt nicht weit von der Grenze zu Vivania. Hier fanden die Freunde Platz im ansässigen kleinen Depot bei den beiden einheimischen Loks.

„Mann, Du bist ja ganz außer Atem, Dampfer! Hast wohl deine besten Tage schon hinter Dir, so wie Du aussiehst!“ bemerkte eine der beiden Dieselloks.

„Nein, ich bin es nur nicht mehr gewöhnt, den ganzen Tag zu fahren! Aber seit neuestem bin ich eine Lehrlok und mit meinem Lehrling auf Reisen.“ antwortete Rusty.

„Mit dem kleinen Steppke dort? Kriegt der überhaupt schon eine Kohlenschaufel hoch?“

„Besser als Du denkst, Mann!“

„Ich wollte dich nicht beleidigen, Kumpel. Aber eine Dampflok sieht man heute schließlich nicht mehr alle Tage. Und schon gar keine mehr mit einem Lehrling! Wie heißt Du eigentlich?“

„Rusty. Und meine Waggons sind Dinah und Dustin. Mein Lehrling heißt Casey Jones.“

„Ich bin Metalking. Und mein Partner dort heißt Rill.“ stellte sich der Diesel vor.
 

„Na, Casey, wie war dein erster Tag als Lehrling?“fragte Dinah.

„Hat Spaß gemacht. Doch mir tun auch die Arme und der Rücken weh vom Kohleschaufeln! Auch ich habe da einiges an Training nötig!“ antwortete der Junge müde und rieb sich die schmerzenden Muskeln.

„Eine Heiße Dusche wirkt da Wunder. Wasch´ Dir zuerst den Ruß und Schmutz ab, dann fühlst Du dich gleich besser.“ riet das Waggonmädchen.

„Meinst Du? Ich kanns ja mal versuchen.“ murmelte Casey und trottete mit seinem Waschzeug zu den Duschräumen.
 

Mit einem Ächzen ließ Rusty sich neben Dustin in Ihrer gemeinsamen Stellbox nieder.

„AAAHH! Meine Beine sind wie Blei!“ stöhnte er.

„Tun Dir deine Beine weh?“ fragte der Tenderwaggon unschuldig.

„Natürlich tun sie weh! Ich musste dich Schwehrgewicht und Dinah den ganzen Tag ziehen! Das habe ich schon sehr lange nicht mehr gemacht!“ knurrte die Kleine Dampflok. „Ihr seid mir ja nur hinterhergerollt und musstet nicht so hart arbeiten wie ich!“

„Etwas aus der Übung, wie?“ meldete sich Metalking und linste über den Rand der Stellbox-Trennwand.

„In der Tat!“

„Das wird besser. Warte nur, in drei-bis vier Tagen macht es Dir gar nichts mehr aus. Und gegen deine steifen Beine weiß ich was.“

Die Diesellok verschwand wieder hinter der Trennwand und kam kurz darauf in die Box zu Rusty.

„Leg dich auf den Bauch.“

„Was?“

„Na, mach schon! Es passiert Dir nichts!“

Seufzend legte sich Rusty auf seiner Matratze nieder und Metalking hockte sich neben seine Beine. Dann begann er mit seinen Fingern Diese gut durchzumassieren.

„Auuu! Bitte etwas vorsichtiger!“

„Sei doch nicht so wehleidig!-Pass mal auf!“

Metalking ergriff Rustys rechtes Bein am Knöchel und bog es so weit es ging nach oben! Die kleine Dampflok hätte an die Decke gehen können!

„Wuuuaaah! Willst Du mir die Beine brechen?“ zeterte sie.

„Quatsch! Aber das zieht doch gut durch, nicht wahr?“

„In der Tat!“

„Keinen Mumm in den Metallmuskeln! Aber das wird schon, wenn Du mehr Kilometer drauf hast!“

Als Metalking mit der Massage fertig war, bedankte sich Rusty artig, aber insgeheim war er froh, das diese Tortur vorbei war. Doch es wurde Ihm auch klar, in welch schlechter körperlicher Verfassung er war. Er musste wirklich stärker und ausdauernder werden. Und damit wollte er gleich morgen anfangen.
 

„Na, Casey, fühlst Du dich jetzt besser?“ fragte Dinah unterdessen. Sie befand sich mit Ihm in seinem Zimmer und räumte etwas auf.

„Ein wenig. Aber meine Muskeln tun immer noch weh.“

„Wenn Du willst, kann ich Dir den Rücken massieren. Das habe ich früher immer bei Greaseball gemacht, es hat Ihm immer gut gefallen.“ sprach das Waggonmädchen und für einen kurzen Moment huschte ein Schatten über Ihr Gesicht.

„Das glaube ich Dir. Okay, versuch es mal bei mir. Ich bin für jede Erleichterung dankbar.“

„Leg dich auf die Liege.“

Casey tat wie Ihm geheißen, Dinah kniete neben seiner Liegestatt nieder und begann an den Schultern.

„Auuu-nicht so fest! Ich bin nicht aus Stahl! Und drück nicht so arg!“ klagte er.

„Oh-entschuldigung! Du bist ja viel zarter gebaut. -Ist es so besser?“

„Ächz-noch etwas weniger Druck....ja, so geht’s.“

„Ich habe das vorher noch nie bei einem Menschen gemacht.“

„Das merkt man. Du hast ganz schön kräftige Finger, Dinah. -Okay, das reicht fürs Erste. Danke.“

„Gut, dann mache ich Dir jetzt etwas zu essen. Ich bin drüben in der Küche!“

Casey wartete, bis Dinah sein Zimmer verlassen hatte. Dann holte er ein sauberes Hemd aus seinem Rucksack.

„Au wei, jetzt tut mir der Rücken noch mehr weh nach dieser massiererei!“ murmelte der Junge, während er sich anzog.

An diesem Abend ging Casey früh schlafen, um für den morgigen Diensttag ausgeruht zu sein. Aber vor dem Einschlafen warf er noch einen kurzen Blick in den Streckenatlas. Sein nächstes Ziel war Portho im Nachbarland Vivania.
 

Am nächsten Morgen war der Muskelkater fast wieder weg. Nach einem kurzen Frühstück verabschiedeten sich Casey und die anderen von Metalking und Rill.

„Gute Reise!“ wünschten die beiden Dieselloks.

„Dank euch. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“ sprach Rusty und gab den Beiden die Hand.

„Na, das waren doch mal ganz nette Diesel, nicht wahr?“ lächelte Casey.

„In der Tat. Das bin ich gar nicht von meinen Lokkollegen gewöhnt. Na ja, ich bin ja so gut wie nie aus Kommoran herausgekommen. Und jetzt reise ich sogar in fremde Länder.“

„Wir füllen noch schnell deinen Wassertank auf. Kohle werden wir in Portho bekommen.“

Rusty und die beiden Waggons transformierten und Casey zog das Zulaufrohr des Wasserkrans über den Tank der kleinen Dampflok. Der Junge hatte festgestellt, das es nur noch wenige funktionsfähige Wasserkräne gab. Die Ära der Dampfloks war wirklich fast vorbei. In so einem Fall musste er sich mit einem dicken Schlauch behelfen, den Rusty in einem Kasten in seinem Führerhaus aufbewahrte.

„Wartet hier auf mich. Ich muß in das Stellwerk des Bahnhofs und mir eine Route nach Portho geben lassen.“ erklärte Casey, als der Wassertank voll war.

„Ist gut, wir warten hier.“
 

Eine halbe Stunde später kehrte der Junge zurück. Schon von Weitem konnte er sehen, das eine Gruppe Leute bei seinem kleinen Zug stand.

„Hallo Leute, gibt es irgendein Problem?“ fragte Casey.

Der Älteste drehte sich zu Ihm um. Hinter dem schnauzbärtigen, etwa fünfzig-jährigen Mann standen einige Körbe, Kisten und zwei Käfige mit Hühnern. Demnach schienen diese Leute Bauern zu sein.

„Ich habe von der Lok gehört, das Ihr nach Portho wollt! Bist Du Ihr Führer?“ fragte der Schnauzbärtige.

„Ich bin sein Lokführerlehrling.“

„Gut! Wir wollen auch nach Portho, aber haben unseren Zug verpasst! Und der nächste hält erst wieder in vier Stunden hier auf dem Bahnhof! Doch dann kommen wir nicht mehr rechtzeitig zum großen Markt in die Stadt, denn der hält auf jedem kleinen Bahnhof!“

„Ihr wollt mit uns fahren?“

„Erraten!“

„Aber ich habe keinen Personenwaggon! Nur einen Speisewagen! Und kein Personal für die Küche!“

„Das macht nichts. Wir sind zwar zu fünfzehnt, aber wenn wir zusammenrücken, passen wir und unser Gepäck schon rein! Und unser Essen haben wir selbst dabei!“

„Aber meine Lok ist nicht besonders schnell! Die Fahrt wird dauern!“

„Wir haben bis heute Abend Zeit! Bis dahin müssen wir in Portho sein, um einen Standplatz auf dem Markt zu bekommen! Es soll dein Schaden nicht sein, Junge. Du bekommst von uns natürlich eine Entschädigung.“

„Was meint Ihr, Freunde?“

„Fahrgäste? Warum nicht! Das ist schließlich unsere Arbeit!“ bermerkte Dinah.

„Wir können die armen Leute doch nicht hierlassen!“ meinte Dustin und Rusty bemerkte:“Von mir aus können die mitfahren, aber ich kann für nichts garantieren! Ich weiß nicht, ob meine Kraft bis Portho reicht!“

„Das wird sie schon! Gib Dir einfach Mühe!“ sprach Casey.“Okay, wir nehmen euch mit!“

„Alles einsteigen!“ rief Dinah und transformierte.

Zuerst wurde das ganze Gepäck eingeladen. Es war eine ganze Menge und bald gab es nicht eine freie Gepäckablage mehr. Der Rest stapelte sich in der Küche und auf der Theke. Die Hühner gackerten nervös.
 

„Können wir endlich abfahren?“ fragte Casey.“Das Signal steht schon auf Grün!“

„Es sind alle an Bord!“ vernahm der Junge Dinahs Stimme.

„Also los!“

Stampfend und schnaufend setzte sich Rusty in Bewegung und zog Dustin und die vollbesetzte Dinah hinter sich her.
 

Red Caboose hatte die Nacht auf einem Abstellgleis am Rand des selben Bahnhofs an einen Signalmasten gelehnt, verbracht. Spät in der Nacht war er erst angekommen, da ein Waggon alleine selbst im Humanoid-Modus nur sehr langsam vorankam. Aber jetzt weckte Ihn ein vertrautes Geräusch. Er öffnette die Augen und lauschte. Ja, das war das typische Stampfen von Rusty! Er kannte es genau, wie alle anderen Fahrgeräusche der Loks aus Kommoran.

Caboose zog sich auf die Beine und fuhr los. Aber Rusty war schon ein gutes Stück voraus.

„Mist, verpasst! Aber das macht nichts, dich hole ich schon noch ein So wie Rusty sich anhört, ist er voll beladen! Und damit auch nicht besonders schnell!“ murmelte er und heftete sich dem Zug an die Räder...
 

Rusty hatte beschlossen, es heute bis nach Portho zu schaffen, koste es was es wolle! Er wollte sich nicht vor den Fahrgästen blamieren. Die kleine Dampflok versuchte, Ihre Kraft richtig einzuteilen, damit sie nicht wieder ausser Puste geriet.

„Wenn wir dieses Tempo halten, könnten wir es bis heute Abend schaffen!“ meinte Casey.

„Vorausgesetzt, wir müssen nicht allzulange an einem Signal oder in einem Bahnhof warten!“

„Konzentrieren wir uns also auf die Strecke!“

Der Junge lugte aus dem Fenster der Führerkabine und starrte nach vorne, wo sich die zweigleisige Strecke in der Ferne verlor. Es ging meist geradeaus, ohne Steigungen. Aus gutem Grund hatte Casey gerade diese Strecke für den Anfang gewählt.
 

Aber er hätte besser auch nach hinten schauen sollen, denn dort wurde in der Ferne plötzlich ein roter Punkt sichtbar, der rasch größer wurde: Red Caboose war Ihnen auf den Fersen!

Als der rote Bremswaggon dem Schlußlicht Dinah bereits beträchtlich nahe gekommen war, fuhr er gebückt weiter, um ungesehen zu bleiben. Und im richtigen Moment bekam er die Kupplung des Speisewaggons zu fassen und ließ sich mitziehen!

„Na also! Schon viel besser!“ murmelte er und grinste.“Und jetzt werde ich Dir mal ein paar Kilo mehr zum Ziehen geben, Rusty!“

Red Caboose ging in die Hocke und begann abzubremsen, langsam immer ein bischen mehr. Das hatte zur Folge, das Rusty vorne einen immer stärker werdenden Widerstand spürte.

„Was ist denn das auf einmal? Ich habe das Gefühl, das Dinah und Dustin immer schwerer werden!“ bemerkte er.

„Das ist normal. Je länger man etwas zieht oder trägt, desto schwerer kommt es einem vor.“

„Verdammt, das wird ja immer schlimmer!-Dustin! Dinah! Habt Ihr vergessen, eure Bremsen zu lösen?“ keuchte Rusty.

„Nein, haben wir nicht!“

„Das kann doch nicht sein, das mich schon nach so kurzer Zeit diese Fahrt anstrengt! Wir sind noch keine zwei Stunden unterwegs! Ich bin doch schon früher immer wieder bis zu fünf Stunden am Stück gefahren und es hat mir nichts ausgemacht! Erst wenn es länger dauert, geht mir die langsam die Puste aus!“
 

Red Caboose hatte Mühe, sich das Lachen zu verkneifen.

„Hihi, und jetzt....volle Pulle!“

Er löste plötzlich seine Bremsen, gleichzeitig ließ er auch Dinahs Kupplung los! Im nächsten Moment ging ein heftiger Ruck durch den ganzen Zug, Rustys Treibräder drehten durch und schlitterten für einen kurzen Moment über die Gleise! Dann schoß die kleine Dampflok plötzlich nach vorne!

„Woooaaah! Was ist jetzt los?“ rief Casey. Der Ruck hatte Ihn auf sein Hinterteil fallen lassen, im Speisewagen purzelte das Gepäck der Fahrgäste durcheinander und die Menschen wurden ordentlich durchgeschüttelt!

Zur Sicherheit zog Casey jetzt selbst die Bremse und der Zug kam zum Stehen.

„Was zum Teufel war denn das?“

„Ich weiß auch nicht! Ganz plötzlich-war der Widerstand weg! Als hätte mich jemand festgehalten und dann plötzlich wieder losgelassen!“ antwortete Rusty und ließ überschüssigen Dampf ab.

„Ich seh besser mal nach!“

Der Junge kletterte aus dem Führerstand und lief nach hinten an das Zugende. Und dann konnte er den roten Bremswaggon sehen. Er saß nur wenige Meter weiter hinten mitten auf dem Schienen und hielt sich den Bauch vor Lachen!

„Red Caboose! Was treibst Du denn hier?“ rief Casey.

„Mann, seid Ihr blöd! Ihr habt mein kleines Mänöver gar nicht geschnallt!“

„Dann hast Du mit deinen Bremsen...jetzt kapier ich! Du Mistkerl hast uns diesen Streich gespielt! Mann, wir haben Fahrgäste an Bord! Wenn nun welche bei dem Blödsinn verletzt wurden?“

„Und ich habe dich Trickser gar nicht bemerkt!“ gestand Dinah.

Inzwischen war auch Rusty transformiert und zu Casey gestoßen, gleichzeitig hatte sich auch die hintere Tür an Dinahs Waggon geöffnet und einige der Bauern waren ausgestiegen. So wie es aussah, schien zum Glück niemand verletzt worden zu sein.

„Red Caboose! Was hast Du hier verloren!“ knurrte Rusty.

„Ich bin auf geheimer Mission!“

„In wessen Auftrag? Hat Greaseball dich geschickt?“

„Und wenn schon! Passt auf, was ich euch nun zu sagen habe!“ rief Red Caboose, richtete sich wieder auf und warf sich in Pose! Dann begann er zu rezitieren:

„Ich will über alle Gleise regieren

und mir mein eigenes Reich kreiren!

Liebe und Freundschaft-darüber lache ich!

mehr Macht und Einfluss, ist das Richtige für mich!

Ich bin Red Caboose und spiele nicht fair,

gebt lieber auf und wehrt euch nicht mehr!

genau!“
 

Und zum Abschluß warf er seinen Kopf hoch und stieß sein schrilles Lachen aus! Rusty presste die Hände auf seine Ohren. Nichts hasste er mehr als diese nervige Lache!

„Das soll wohl ein Witz sein!“ bemerkte Casey.

„Das ist meine Kampfansage, Ihr Idioten! Ich werde eure Reise zu einem Höllentrip machen!“

„Das werden wir ja noch sehen! Diesmal hast du uns reingelegt, aber das nächste Mal werden wir vorbereitet sein! Nochmal fallen wir nicht darauf rein!“

„Das werden wir ja sehen!“

Plötzlich landete etwas mit einem dumpfen Klatsch direkt in Cabooses Gesicht!

„Hör auf, den Jungen und seine Lok zu ärgern! Du solltest lieber deine Arbeit tun, statt solchen Unsinn zu treiben! Verschwinde, bevor zu Dir herüberkommen!“ rief ein junger, kräftiger Bursche, der auf der Galerie von Dinah stand. In der Hand hielt er eine gelbe Frucht, die er lässig hochwarf und wieder fing. Und genau so eine hatte gerade eben den roten Bremswagen getroffen!

„Du wagst es, einen Red Caboose mit Matschobst zu bewerfen?“ fauchte dieser und versuchte, die klebrige Pampe aus seinem Gesicht zu wischen.

„Na klar! Und hier kommt gleich der Nachschlag!“

Blitzschnell hatte der junge Bursche ausgeholt und mit einem kräftigen Schwung, der jeden Baseballstar vor Neid erblassen lassen würde, schleuderte er die zweite Frucht in Richtung des roten Bremswaggons! Die Frucht traf wieder mit voller Wucht Ihr Ziel und fegte Red Cabooses Mütze vom Kopf. Beifall und Jubel brandete von den anwesenden Bauern auf.

„Bravo, Julius! Du bist der beste Werfer!“ rief der alte Bauer mit dem Schnauzbart.

„Aua! Mann, das gibt sicher ne`Beule!“ schrie Caboose zornig. Erst jetzt zog er es vor, zu verschwinden. Schnell schnappte er sich seine Mütze und rollte in entgegengesetzter Richtung davon.

„Red Caboose kratzt wieder mal die Kurve!“ rief er zum Abschied und leise für sich knurrte er:“Wir sprechen uns noch, Rusty und Casey!“

„Danke, Julius! Den sind wir los!“ sprach der Junge.

„Keine Ursache! Wir wollen schließlich rechtzeitig in Portho sein! Und da lassen wir uns doch von so einem dahergerollten Bremswagen nicht aufhalten!“

„Du hast recht! Alles wieder einsteigen, die Fahrt geht gleich weiter!“
 

Gleich darauf konnte die Fahrt fortgesetzt werden.

„Ich wette, Greaseball hat Red Caboose hinter uns hergeschickt! Der wird uns sicher noch eine Menge Ärger machen!“ bemerkte Rusty.

„Und wenn schon! Dann vertreibst Du Ihn mit eine deiner Attacken!“

„Bis jetzt kann ich nur eine Attacke!“

„Schon gut. Der macht uns keine Angst!“

Rusty hatte eine Mordswut im Bauch. Nicht einmal in der Ferne würde er vor Red Caboose seine Ruhe haben! Und sicher war er nicht von sich aus aufgebrochen! Bestimmt hatte Greaseball Ihm diesen Befehl gegeben!

Die Fahrt ging nun zügig vorran und verlief ohne Zwischenfälle. Bald kam die Grenze nach Vivania in Sicht. Hier, im Grenzbahnhof mussten alle Züge halten und die Papiere wurden kontrolliert.

Zwei Stunden später konnte es weitergehen. Rusty hatte frisches Wasser gefasst und ratterte nun munter auf Potho zu.

„Geht’s noch, Rusty?“

„Jaja. Ich bin zwar etwas müde, aber ich werde bis zur Hauptstadt durchhalten!“
 

An einem größeren Knotenpunkt musste Caseys Zug halten und sich im ansässigen Stellwerk neue Anweisungen geben lassen.

„Es sind nur noch drei kleinere Bahnhöfe und dann sind wir am Ziel!“erklärte der Junge, als er zurückkehrte.

„Dem Starlight sei Dank! Langsam schwinden auch meine Kräfte!“

Zu seiner Überraschung fand er Julius im Führerstand vor.

„Ich will Dir helfen, Junge. Du hast bereits den ganzen Tag Kohlen geschaufelt und ich will Dir etwas unter die Arme greifen.“

„Danke, das ist nett von Dir, Julius.“

Langsam begann es zu dämmern.

„Ruh dich aus, wenn Du müde bist, Junge. Ich und dein Lokpartner passen schon auf.“ schlug der junge Mann vor, als er merkte, das Casey Mühe hatte, sich zu konzentrieren.

„Julius hat recht. Den Rest schaffe ich schon alleine.“ bemerkte Rusty.“Und wenn wir dich brauchen, wecken wir dich.“

„Okay. Danke, Freunde.“

Casey klappte einem Sitz an der Hinterwand des Führerstandes herunter, setzte sich und lehnte sich an die gegenüberliegende Wand. Rustys schaukelnde Bewegungen und das gleichmäßige Fahrgeräusch schläferten den Jungen bald darauf ein.

„So ist es recht. Ruh dich nur aus, Junge. Du hast für dein Alter heute schon genug hart gearbeitet.“ murmelte Julius.
 

Rustys Pfeife riß Casey wieder aus seinem Schlaf.

„Hey, wir sind gleich in Portho! Wir haben es geschafft!“ rief Julius. Der Junge rieb sich den Schlaf aus den Augen und lief zum Fenster des Führerstandes. Tatsächlich konnte er bereits die ersten Lichter der Hauptstadt vorbeiziehen sehen.

Im Zentrum verliefen die Gleise als Hochbahnstrecke und endeten schließlich in der großen kuppelförmigen Hauptbahnhofshalle. Es war halb neun, als Rusty auf eines der Nebengleise geleitet wurde. Hier hielten immer die außerfahrplanmäßigen Züge von reisenden Lehrlingen und Lokführern, um den normalen Betrieb nicht zu stören. So wurde es auf jedem Bahnhof gehandhabt. Selbst der kleinste Bahnhof besaß mindestens ein Nebengleis für solche Fälle. So konnte der reguläre und der außerplanmäßige Verkehr immer gut abgefertigt werden.
 

„Endlich, am Ziel!“ schnaufte Rusty und stieß ein langgezogenes, zischendes Geräusch aus.

Casey stieg mit Julius aus um nach den Fahrgästen zu sehen. Diese waren bereits mit dem Aussteigen und Ausladen Ihrer Waren beschäftigt.

„So, da wären wir also wieder. Die Städter von Portho schätzen unsere guten Produkte direkt vom Land. In den Geschäften hier kriegen sie meistens Obst und Gemüse aus dem Gewächshaus.“ erklärte der schnauzbärtige Bauer.

„Das denke ich mir. Aber wo werdet Ihr den Rest der Nacht verbringen?“ fragte Casey.

„Auf dem Marktplatz. Dort gibt es große Zelte, wo die Bauern und Händler campieren können und morgen geht’s dann los! Den ganzen Tag ist Verkaufen und Handeln angesagt. Und übermorgen geht es dann zurück nach Hause!“

„Verstehe. Wir werden aber weiterfahren.“

„Eigentlich schade. Ihr habt uns gut bis hierher gebracht. Aber das ist nicht schlimm. Und für deine gute Beförderung sollst Du nun dementsprechend belohnt werden!“ sagte der älteste der Bauern und übereichte Casey einen Umschlag. „Es ist das Fahrgeld, das wir für einen der Regelzüge gezahlt hätten.“

„Hey, danke! Das ist sehr nett von euch! Das hier ist qasi mein erster Arbeitslohn!“

„Und im Speisewagen haben wir Dir noch etwas Proviant für den Weg gelassen.“

„Toll! Ihr seid wirlklich alle sehr nett!“

„Das bist Du auch, Casey.“
 

Rusty, der in den Humanoid-Modus transformiert war und sein Lehrling standen auf dem Bahnsteig und winkten den Bauern noch lange nach.

„Auf Wiedersehen und gute Geschäfte!“ rief der Junge.

„Mann, ich bin fix und fertig! Jetzt brauche ich wirklich Ruhe! Ich keinen einzigen Schnaufer mehr tun!“

„Dann bleiben wir doch hier über Nacht, Rusty. Es ist auch schon spät. Ich schlafe im Personalabteil von Dinah und morgen fahren wir ins Betriebswerk zur Restaurierung.“

Mit Restaurierung meinte Casey die üblichen Routinearbeiten, um eine Dampflok wieder fahrbereit zu machen. Das bedeutete die Feuerbüchse entschlacken, den Aschekasten entleeren, die Rohre duchzublasen, die Lager abzuschmieren, die Radreifen prüfen und natürlich Kohlen und Wasser fassen. Rusty übernahm selbst das Anfeuern mit seiner Lebensflamme. Oder er versetzte sie in den Ruhezustand, so wie jetzt.

„In Ordnung. Gute Nacht, Casey.“ nickte die kleine Dampflok und transformierte wieder in den Maschinenmodus. Der Junge begab sich nach hinten zu Dinah und betrat den Innenraum.

„Sieh nur, was diese netten Bauern uns alles dagelassen haben! Daraus werde ich Dir viele leckere Sachen kochen können!“ vernahm er die Stimme des Waggonmädchens. Drei Körbe voll mit Obst und Gemüse standen am Eingang zur Küche.

„Finde ich riesig nett von denen! Besonders der starke Julius war toll! So kräftig wie der will ich auch mal werden!“ sprach Casey, nahm eine Frucht aus einem der Körbe und biß hinein.

„Und er war so ein gutaussehender Bursche!“ schwärmte Dinah. Der Junge schüttelte lächelnd den Kopf.

„Okay, Dinah. Ich gehe schlafen. Morgen fahren wir ins Betriebswerk.“

„Gute Nacht, kleiner Lehrling.“

„Gute Nacht.“
 

Fortsetzung folgt...

Casey in Gefahr

Starlight Express
 

Kapitel 7

Casey in Gefahr!
 

Am nächsten Morgen meldete sich Casey vorschriftsmäßig bei der Stationsleitung und legte seine Papiere vor.

„Aha. Du wurdest zuletzt im Hauptbahnhof von Kommoran untersucht. Lass dich aber trotzdem kurz bei unserem Bahnarzt sehen.“

„In Ordnung, Sir.“

Als die Formalitäten erledigt waren, kehrte der Junge zu seinem kleinen Zug zurück.

„Und jetzt auf ins Betriebswerk!“
 

Das Betriebswerk von Portho lag im Südteil der Stadt.

Zuerst meldete sich Casey beim Meister und bekam sein Quartier im Gästelokschuppen zugewiesen. Dann begann er mit den Restaurierungsarbeiten. Nachdem er Dinah und Dustin im Lokschuppen abgestellt hatte, fuhr er zuerst zur Aschengrube, um den Aschekasten, der am unteren Boden zwischen den Rädern lag, zu entleeren.

„Endlich ist dieser Aschehaufen wieder mal draußen! Das ist für uns das selbe, wie wenn Ihr Menschen auf die Toilette geht.“ bemerkte Rusty.

„Ich kanns mir denken!“ grinste Casey und verschloß den Aschekasten wieder.

In Portho gab es noch einige Dampflokomotiven, die aber größtenteils nur den Güterverkehr erledigten.

„Sieh Dir nur meine großen Brüder an! Die sehen noch tipptopp aus! Sie haben einen schönen Anstrich und sie sind groß und stark!“

„Ich habe Dir doch gesagt, das mit dem Anstrich regeln wir. Ich werde mit dem Betriebswerksmeister sprechen, damit er mir Anweisungen gibt und versuchen, die Farbe und ein Schleifgerät zu bekommen. Und stark sind die anderen Dampfloks deshalb, weil es Güerzugloks sind! Du bist eine Schnellzuglok, weil Du große Treib-und Kuppelräder hast. Die Räder dieser Loks dort sind kleiner, weil sie nicht so schnell sind, dafür aber schwere Lasten ziehen müssen! Es gibt selbst unter den Dampflokomotiven verschiedene Bauarten für verschiedene Aufgaben.“

„Mann, Du weißt wirklich schon viel über uns, Casey!“ meinte Rusty nicht ohne Staunen.

„Ihr Dampflokomotiven habt mich schon immer am Meisten interessiert.- Was für eine Farbe willst Du überhaupt? Willst Du so ein Blau wie die Lok dort drüben? Oder soll es grün sein? Oder dunkelrot?“

„Nein, ich war früher schwarz und meine Räder waren rot.“

„Verstehe. Die klassische Variante vom Festland.“

„Festland?“

„Ich stamme von einer großen Insel in meiner Welt. Und die Dampfloks vom Festland waren meistens schwarz-rot lackiert. Die meiner Heimat blau, rot und Grün.“

„Aha.“

„So-und jetzt kommt die Schlacke dran.“

Für das Enfernen der Schlacke musste die Rauchkammertür geöffnet werden. Casey wußte bereits, welche Vorsorgemaßnahmen und Einstellungen getätigt werden mussten, bis vorne die runde Luke geöffnet werden durfte. Rusty gab immer wieder Anweisungen, damit der Junge es richtig lernte. Beim „Löscheziehen“, wie das Entschlacken der Rauchkammer auch genannt wurde, ging Casey ein Mitarbeiter des Betriebswerkes zur Hand, der Ihn tatkräftig bei dieser schmutzigen Arbeit unterstützte und speziell dafür zuständig war. Später musste er in manchen Betriebswerken diese Tätigkeit oft ganz alleine machen. Aber meistens half Ihm jemand dabei. Rusty konnte Diese und andere Tätigkeiten im Humanoidmodus sogar selbst ausführen.

Vier Stunden später war Casey mit dem Routinearbeiten fertig.

„Ist doch ne´ganze Menge, an was man denken muss, damit Du immer gut funktionierst.“ sprach er.

„Das habe ich Dir ja gesagt. Die Unterhaltung und der Betrieb einer Dampflok ist sehr anspruchsvoll! Da haben es die Lokführer von Diesel-und E-Loks wesenlich leichter! Aber im Humanoid-Modus hast Du es einfacher. Da kann ich vieles selbst machen und Dir helfen. Doch wenn Du ein richtiger Lokführer für Dampfloks werden willst, mußt Du zuerst lernen, mich im Maschinenmodus richtig bedienen zu können.“

„Das ist klar. Bring mir alles bei, Rusty.“

„Das werde ich.“ lächelte die kleine Dampflok.

„Mann hab ich einen Kohldampf! Ich mache jetzt Mittagspause und dann gehen wir Kohle und Wasser fassen.“

„In Ordnung. Ich warte hier auf dich. Laß es Dir schmecken.“

„Danke Rusty. Bis später.“
 

Zuerst begab Casey sich in die Waschräume, um den gröbsten Dreck loszuwerden, dann suchte er die Kantine auf. Als er seinen Lehrausweis vorzeigte, bekam er ohne Schwierigkeiten das von Ihm ausgewählte Menue. Dann setzte er sich zu den anderen Kollegen an den Tisch.

„Du bist doch aus Kommoran, nicht wahr?“ fragte einer der Männer.

„Stimmt.“

„Du hast eine nette kleine Dampflok als Partner. Nur ist sie schon ziemlich rostig.“ bemerkte ein Arbeiter aus dem Betriebswerk.

„Darüber möchte ich nachher mit dem Meister des Betriebswerks reden. Er soll mir zeigen, wie ich am besten den Rost wegkriege und wo ich die richtige Farbe für den Anstrich besorgen kann.“

„Kommt am besten in zwei Stunden zu mir in die Halle, dann habe ich Zeit.“ sprach ein weiterer Mann lächelnd.

„Sind sie der Werksmeister?“ fragte Casey.

„Genau mein Junge. Ich heiße Andy Orland.“

„Casey Jones.“ stellte sich der Junge vor.“Ich werde mit meiner Lok da sein.“

Nach dem Essen schlenderte Casey über das Werksgelände zu Rusty zurück. Er wollte sich mit Ihm beim Kohlebunker treffen.

Als er jedoch an einem Stapel alter Schwellen vorbeikam, wurde er plötzlich von einer Hand am Schlaffittchen gepackt und hinter den Stapel gezerrt!

„So sieht man sich wieder!“

„Red Caboose!“ rief der Junge. Tatsächlich hatte der rote Bremswagen Ihm hinter dem Stapel aufgelauert!

„Jetzt wirst Du für die Demütigung von diesem Bauerntrampel büßen!“

„Laß mich los, Red!“

Aber Red Caboose packte Casey am Kragen und hob Ihn hoch. Dann rollte er mit seinem Opfer in Richtung Schlackegrube. Hier hatte Casey vorher Rusty Aschekasten entleert und die Schlacke entfernen geholfen. Die Grube befand sich zwischen einem Gleis und war etwa vier Meter lang, sodaß mehrere Loks gleichzeitig abgefertigt werden konnten. Vor der vergitterten Grube hielt der rote Bremswaggon.

„Was hast du vor, Du mieser Kerl?“

„Du liebst doch Dampfloks, nicht wahr? Dann hast Du sicher nichts dagegen, mit Ihren „Exkementen“ Bekanntschafft zu machen!“ grinste Red Caboose böse. Mit einer Hand hielt er Casey immer noch am Kragen fest, mit der anderen ergriff er den Gitterrost und zerrte so lange daran, bis er ein Teilstück hochheben und zur Seite ziehen konnte.

„Was soll das? Bist Du verrückt! Das ist Wasser mit Schlacke vermischt! Das Zeug da unten ist wie ein Sumpf!“

„Genau!“ Red Caboose Augen funkelten böse.“Also, hinein mit Dir!!“

Und mit einem Schwung ließ er den Jungen in die lange, schmale Grube fallen! Dann warf er mit einem hämischen Lachen den Gitterrost wieder zu. „Viel Vergnügen!“

Mit einem dumpfen Klatsch landete Casey in der schwarzen Brühe! Zum Glück war die Grube nicht zu voll und nachdem er hustend und würgend wieder aufgetaucht war, konnte er stehen. Allerdings reichte Ihm die Pampe bis zum Hals!

Oben konnte er Red Cabooses grinsendes Gesicht zwischen dem Gitterrost sehen.

„Hee, laß mich raus! Das kannst Du nicht machen! Das ist nicht witzig, Du Blödmann! -Hilfe!“

„Schrei nur, jetzt um die Zeit ist gerade niemand in der Nähe, der Dir helfen kann! Nicht mal dein Kumpel Rusty! Hihihiaaahahaaa!“

„Du kannst mich doch nicht einfach in diesem Abfallloch lassen!“

„Doch, ich kann!“

„Verdammt, Du mieser Feigling! Ich habe Angst!“

„Ooh! Das ist schön! Hahaha!“

„Warte nur, wenn wir dich erwischen!“

„Versuchts doch!“

Aber einer hatte doch Red Caboose bei seinem schändlichen Tun beobachtet. Dustin hatte aus Langeweile den Lokschuppen verlassen, um sich ein wenig umzusehen. Und er hatte gesehen, das der rote Bremswaggon etwas in die Schlackegrube geworfen hatte.

„Das ist doch Red Caboose! Was macht der denn da?“ fragte sich der Tenderwaggon.

Jetzt entdeckte auch Caboose Dustin.

„Verdammt! Muß denn gerade dieser Fettwanst jetzt vorbeikommen? Besser, ich verschwinde!“murmelte er, dann winkte er Casey in der Grube zu und rief:“Red Caboose kratzt mal wieder die Kurve!“

„Verdammt, dieser Mistkerl läßt mich einfach hier drinnen!-Hey! Hört mich jemand?-Hiiiilfee!“ schrie Casey. Er stand nun allein in der dunklen Grube und bekam es langsam mit der Angst zu tun!

Dustin spitzte die Ohren.

„Das war doch unser kleiner Lehrling! Er schreit um Hilfe! -Casey, wo bist Du?“ rief er und sah sich um. Auch Casey hatte im Innern seines ungemütlichen Gefängnisses die dumpfe Stimme gehört.

„Dustin?! Ich bin hier, in der Schlackengrube! Hilf mir hier raus!!“

Die Rufe des Jungen führten Dustin bis kurz vor den Gitterrost.

„Casey! Was machst Du da drin?“

„Frag nicht! Hol mich hier raus! Ich stecke bis zum Hals in dieser Scheiss - Brühe! Und das ist nicht angenehm, kann ich Dir sagen!“

„Keine Angst, Casey! Ich rette dich!“ rief Dustin, der nun begriffen hatte, in was für einer mißlichen Lage Casey steckte. Er packte den Gitterrost mit beiden Händen und begann wild daran zu rütteln! Als er das Gitter hochwuchtete und zur Seite warf, wurden auch drei Mitarbeiter des Betriebswerks darauf aufmerksam.

„Was zum Starlight treibt denn der Tender da an der Schlackengrube?“ fragte einer der Männer.

„Hey! Was hast Du vor?“ rief ein anderer und eilte mit seinen beiden Kollegen auf Dustin zu.
 

„Gleich bin ich bei Dir! Dustin eilt zur Rettung!“

„Dustin! Du willst doch nicht etwa....nein!“ rief Casey entsetzt. Doch es war schon zu spät. Todesmutig sprang der dicke Tenderwaggon einfach zu dem Jungen in die Grube! Das Resultat war ein breiter Schwall der schwarzen Brühe, der über Casey zusammenschlug und auch die drei Mitarbeiter, die inzischen den Rand der Grube erreicht hatten, übergoß! Fluchend wischten diese sich über Ihre verschmierten Gesichter, während Dustin nach Casey suchte.

„Wo stecktst Du, kleiner Lehrling?“ fragte der Tender und ließ seinen Blick kreisen. Gleich darauf tauchte Casey wieder hustend und spuckend auf.

„Da bist Du ja!“ rief Dustin und schloß Ihn in die Arme.

„Tolle Leistung, Dustin!“ hustete der Junge „Aber ein Seil hätte es auch getan! Und jetzt sitzen wir beide in der Grube!“

„Hey, da ist ein Junge in der Grube! Der Tender hat Ihn retten wollen!“

Casey und Dustin sahen nach oben. Über Ihnen konnten sie die drei Männer erkennen.

„Bitte holen sie uns hier raus!“bat der Junge.

„Wie bist Du denn in die Schlackengrube geraten? Der Gitterrost kann doch nicht so einfach angehoben werden!“fragte einer der drei Männer.

„Von einem Waggon schon! Ein roter Bremswaggon hat mich hier hinein geworfen!“

„WAS? Ein Waggon ist zu so einer niederträchtigen Tat fähig?“

„Komm, Darwin! Wir nehmen den Kran, damit kriegen wir beide heraus!“

Gesagt-getan. Mit dem Greifer des Krahns wurde Dustin mit Casey im Arm vorsichtig aus der Grube gehievt. Inzwischen waren immer mehr Leute dazugekommen, auch Rusty, der sich Sorgen gemacht hatte, wo Casey so lange blieb.

„Du liebe Zeit! Casey, was habt Du und Dustin in der Schlackengrube gemacht? Wenn die nun voll gewesen wäre!“ rief die kleine Dampflok entsetzt, als sie die beiden schwarzverschmierten Gestalten sah.

Casey wischte sich über das rabenschwarze Gesicht und erzählte in knappen Sätzen von Red Cabooses gemeinen Überfall.

„Schon wieder dieser rote Bremser! Ab jetzt lasse ich dich nicht mehr auf so einem Betriebsgelände alleine herumlaufen! Ich hätte nicht gedacht, das Caboose zu so etwas fähig ist!“

„Ich auch nicht. Wir müssen uns vor dem Kerl wirklich in Acht nehmen!“

„Duchsucht das Gelände nach diesem roten Bremswaggon! Vielleicht ist er noch in der Nähe! Der kann was erleben! Und sagt auch unseren Loks und Waggons bescheid!“ rief der Betriebsmeister und fünf seiner Leute machten sich sofort auf den Weg.“In meinem Betriebswerk wirft kein Waggon einen wehrlosen Jungen ungestraft in die Schlackegrube!“

Dann wandte er sich an Casey.

„Ich glaube, wir sollten jetzt erst einmal schauen, das wir den gröbsten Schmutz von euch Zwei abkriegen! Am besten, Ihr stellt euch da unter den Wasserkran, dann spülen wir erstmal das Schlimmste ab.“

„Einverstanden!“ nickte Casey.“Komm, Dustin.“

Ein Wasserschwall löste die gröbsten Schlackekrümel, die überall in Caseys Kleidung und Haare gedrungen waren. Nur der Ruß ging schwerer ab.

„Okay. Schafft den Tender jetzt in die Waschanlage und Du, Casey wanderst am besten gleich unter die Dusche. Und deine Uniform gibst Du dann in die Wäscherei, dann ist sie morgen wieder in Ordnung.“

„In Ordnung, Meister.“ nickte der Junge. Rusty hob seinen Lehrling auf seine Schultern und schlug mit Ihm den Weg zum Lokschuppen ein.
 

Auch Dinah war entsetzt über Red Cabooses Tat.

„Wir müssen wirklich besser auf Ihn aufpassen! Damit er dem Jungen nicht noch etwas schlimmeres antut!“ stimmte sie Rusty zu.

„Das erinnert mich an Greaseball! Er hat mich auch mal daheim in Kommoran in die Schlackegrube geschubst, als der Gitterrost einmal offen und ich im Humanoid-Modus war! Er ist einfach an mir vorbeigerollt und hat mir einen Stoß versetzt!“

„Wirklich? Oh nein!“

„Es war kein angenehmes Gefühl, mit dem Gesicht voran in dieser Brühe zu stecken! Und die Füße hingen über den Rand der Grube! Zum Glück hat Digger es gleich gemerkt, Greaseball weggescheucht und mich aus meiner misslichen Lage befreit!“

„Dieser gemeine Kerl! Ein Glück, das ich Ihn los bin!“
 

Wenig später kehrte Casey wieder sauber aus den Waschräumen zurück.

„Fühlst Du dich wieder besser?“ fragte Rusty.

Der Junge nickte.

„Willst Du dich noch etwas ausruhen auf den Schreck hin? Wir können auch morgen Kohle und Wasser fassen. Außerdem muß mein Sandbehälter auch wieder aufgefüllt werden.“

Der Sand diente bei den Loks als Streumittel, damit die Räder auf den glatten Schienen nicht durchdrehten.

„Es geht mir gut. Ich lasse mich doch von so einer Tat nicht verschrecken! Ich ziehe mich nur noch an und dann kanns weitergehen! Außerdem will der Werksmeister mir wegen deines neuen Anstrichs helfen.“

„Hattest Du eigentlich nicht furchtbare Angst, als Du in der dunklen Grube festgesessen bist, kleiner Lehrling?“fragte Dinah und strich Casey durch das Haar. Der Junge spürte, das sie sich große Sorgen um Ihn machte.“

„Angst hatte ich, Dinah. Aber zum Glück konnte ich stehen. Wäre die Schlackegrube nicht erst kürzlich entleert worden, hätte es böse ausgehen können und ich wäre sicher abgesoffen!“

„Du bist sehr tapfer, Casey. Manch anderer Junge hätte sicher auf den Schock hin gezittert und geweint.“

„Das glaube ich. Ich staune selbst, das ich die Nerven behalten habe.“
 

Und so befanden sich Casey und Rusty etwas später unter dem Kohlebunker. Die kleine Dampflok war wieder in den Maschinenmodus transformiert, gerade eben schraubte der Junge den Deckel des Sandbehälters oben auf dem Kessel zu.

„Und jetzt das Wasser.“ sprach der Junge. Er öffnette den Tankdeckel und kletterte dann wieder vom Kessel herunter auf den Boden. Dann zog er den Einlaufarm des Wasserkrans an einem Seil über die Öffnung und drehte den Hahn auf. Gluckernd und plätschernd ergoß sich das Wasser in Rustys Tank.

„Laß bitte nichts überlaufen.“

„Okay. Ich weiß schon. Wegen deiner Rostflecken.“

Als Rusty das Signal „Tank voll“ gab, drehte Casey den Hahn wieder zu.

„Na, wieder alles in Ordnung mit Dir, mein Junge?“ fragte einer der Bediensteten.

Casey nickte.

„Habt Ihr Red Caboose erwischen können?“

„Leider nein. Der Kerl ist sicher schon auf und davon!“

„Fürchte ich auch. Hat es eigentlich schon öfters solche Typen wie Red Caboose gegeben?“

„Nun ja, auch unter den Loks und Waggons gibt es machmal schwarze Schafe. Zum Glück seltener als bei uns Menschen. Die meisten unserer Zugfreunde sind anständig und ehrlich und machen Ihre Arbeit, wie es sich gehört. Klar, es gibt manchmal einen schlechten Charakter, aber solche Bösewichte wie dieser rote Bremser sind wirklich selten! Als ich selber noch Lehrling war, hat mein Meister mir erzählt, das sie hier einen Plattformwaggon gehabt hätten, der nur Streiche und Unfug im Sinn gehabt hätte. Immer wieder hat er seinen Kollegen und uns Streiche gespielt, bis einmal jemand ernsthaft verletzt wurde!“

„Und was ist dann mit dem Gauner passiert?“

„Nun, für solche Fälle entscheidet immer der Stationsvorsteher. Meist muss der Schuldige Strafdienst schieben, in härteren Fällen und wenn er auszureißen droht, wird er an die Kette gelegt und eingesperrt oder außen angebunden. Wir können sie ja schlecht mit unseren Verbrechern ins Gefängnis stecken!“

„Verstehe.“ nickte Casey.

„Wie gesagt, wenn wir diesen Roten erwischen, ist das zuerst ein Fall für unseren Stationsvorsteher. Du hast erzählt, das er wie Ihr aus Kommoran stammt und euch heimlich gefolgt ist. Er hat sich also auch noch unerlaubt von seinem Heimatbahnhof entfernt! Deshalb wird er sicher zurückgeschickt, wenn er seine Strafe verbüßt hat. Aber dafür müssen wir Ihn zuerst kriegen!“

„Irgendwann werden wir das.“
 

Nach diesem Gespräch trennten sich die Wege der beiden Menschen wieder. Casey ließ Rusty unter den Kohlebunker fahren, der Bedienstete bestieg seine Rangierlok, die zwei Gleise weiter auf Ihn wartete.
 

Zuerst musste sich der Junge in einen kleinen Häuschen neben dem Bunker melden, hier tat der Verwalter der Brennstoffe seinen Dienst. Casey zeigte seinen Lehrausweis und der Mann füllte ein Formular aus.

„Wievel Tonnen braucht deine Lok?“ fragte der Verwalter.

„Sieben.“

„In Ordnung. Wenn Du mir bitte hier quittieren würdest.“

Der Junge setzte seine Unterschrift unter das Formular.

„Dann kannst Du jetzt mit dem Beladen anfangen.“

„Danke, Sir.“

Als Casey wieder das kleine Büro verließ und zu Rusty zurückkehren wollte, stand dieser nicht mehr an seinem Platz unter dem Kohlebunker!

Statt dessen sah er Ihn zweihundert Meter weiter im Humanoid-Modus hinter etwas Rotem herjagen!

„Schon wieder Red Caboose! Und Rusty ist allein hinter Ihm her!-Hey, sie kommen beide in meine Richtung!“
 

„Bleib sofort stehen, Red Caboose! Damit ich Dir die Gemeinheit mit Casey heimzahlen kann!“ grollte die kleine Dampflok.

„Mann, bist Du aber nachtragend! Na, fang mich, wenn Du kannst, Teekessel! Hiahahaahaa!“

„Gleich hab ich dich! Und diesmal ist keiner da, der dir hilft! Ich und Casey haben alle Mitarbeiter des Betriebswerks auf unserer Seite! Und die sind auch sehr verärgert über deine Tat! Casey hätte in dieser Grube elendig ersticken können, wäre sie voll gewesen! Wie kannst Du es wagen, dich an einem wehrlosen Jungen zu vergreifen!“

„Mann, Du bist ja richtig in Fahrt, Rusty!“

Tatsächlich holte die kleine Dampflok immer mehr auf und bekam den roten Bremswaggon an den Kuppelringen zu fassen! Aber dieser setzte seine stärkste Attacke ein: Letzter Stop! Er bremste mit aller Kraft plötzlich hart ab und beugte sich ruckartig nach vorne! Der Schwung katapultierte Rusty über Ihn hinweg und durch die Luft.

„Guten Flug! Hiaahahaha!“ lachte Red Caboose.

Aber mitten im Flug erkannte Rusty plötzlich den Zuggriff des Kohlebunkers, auf den er zuflog! Er bekam Ihn im richtigen Moment zu fassen und konnte somit seinen Sturz bremsen. Durch den Schwung und Rustys Gewicht wurde das Öffnen der Klappen ausgelöst-unter denen Red Caboose zum Stehen gekommen war! Im nächsten Moment blieb dem Bremswaggon sein hämisches Lachen im Hals stecken, als es Tonnen von Kohle auf Ihn herabregnete und er darunter begraben wurde!

„Hey, klasse! Red Caboose hat ein Eigentor geschossen!“ lachte Casey.

„Geschieht Ihm recht!“ knurrte Rusty, der den Ring losgelassen hatte und wieder heil auf festem Boden gelandet war.

Inzwischen hatte es Red Caboose geschafft, wenigstens seinen Kopf aus dem Kohleberg zu bekommen. Sein Gesicht und Haar war rußgeschwärzt, mit einem unwirschen Knurren spuckte er zwei Kohlebrocken aus. Rusty setzte sich neben Ihm auf den Berg und schob sich einen Kohlebrocken in den Mund. Casey stand daneben und hielt sich den Bauch vor Lachen.

„Hochmut kommt vor dem Fall, Red Caboose!“ grinste die kleine Dampflok und schob sich einen weiteren Kohlebrocken ein.

„Na warte, das zahle ich euch noch heim!“ grollte der Rote Bremswaggon.
 

Doch damit musste er sich noch gedulden. Denn zur Strafe musste er die ganze Kohle vom Gleis in mehrere Tenderwaggons schaufeln. So hatte es der Bahnhofsvorsteher entschieden, als er über den Vorfall informiert worden war. Dann hatte er dem Werksmeister aufgetragen, sich mit dem Stationsvorsteher von Kommoran in Verbindung zu setzten, um die Rückführung des Ausreißers zu arrangieren. Und damit er nicht vorher heimlich verschwinden konnte, war Red Caboose mit einer langen Kette an einer der Säulen des Kohlebunkers gefesselt worden. So stand er also mit der Schaufel in der Hand neben einer Reihe Tenderwaggons und füllte einen nach dem anderen auf. Zuerst aber hatte er Rustys Tender füllen müssen, was Ihn am meisten geärgert hatte.

„Na, Red? Wie ist das so, wenn man schippen muss?“ fragte Casey grinsend.

„Hau bloß ab, Du Bengel! Sonst landest Du bei Gelegenheit wieder in einer Schlackegrube! Und zwar in einer randvollen!“ grollte Red Caboose.

„Oh nein! Nocheimal kriegst Du mich nicht da rein! Ich werde jetzt besser aufpassen!“

„Hey, mach deine Schandluke zu und schaufel weiter!“ fuhr Ihn einer der Rangierarbeiter an und versetzte dem Übeltäter einen harten Hieb mit einem Tauende gegen seinen Allerwertesten!

„Jautsch! Ich schaufel ja schon!“ knurrte Red Caboose und machte, innerlich kochend vor Wut, weiter.
 

„Rusty, hättest Du dich früher auch getraut, Red Caboose zu erwischen?“

„Nein, Casey. Das hätte ich nie gewagt! Aber die Tatsache, das Du umkommen hättest können, hat mich dermaßen in Wut versetzt, das ich es Red Caboose auf jedenfall heimzahlen wollte!“

„Na also! Den ersten Schritt hast Du schon getan! Langsam traust Du Dir mehr zu!“

„Das stimmt! Du hast einen wohl einen guten Einfluß auf mich.“

„Das hoffe ich.“
 

Während der rote Bremswaggon also weiterschuftete, begaben sich Casey und Rusty zufrieden in die große Werkshalle, wo sie auf den Werksmeister Mr. Orland trafen.

„Ah, da seid Ihr ja. Na, ist der Kerl fleißig am Schippen?“fragte er.

„Ist er. Eine der Rangierloks kommt immer wieder vorbei und hält ein Augen auf Ihn!“antwortete der Junge.

Dann ist es ja gut. Zuerst einmal möchte ich einen Rundumcheck an deiner Lok machen. Wie heißt sie nocheinmal?“

„Rusty.“

„Okay, Rusty. Transformiere in den Humanoid-Modus und komm her zu mir.“

Die kleine Dampflok leistete der Aufforderung Folge.Zuerst umkreiste Mr. Orland Rusty und tastete Ihn mit seinen Augen genau ab.

„Hmmm....da steht wirklich eine totale Neulackierung an.“

Dann begann er mit geübten Griffen Rusty an den Armen abzutasten und besah sich auch seine Räder an den Handrücken und jeden Finger. Er warf einen Blick auf und in den Tender auf dem Rücken der kleinen Lok, klopfte mal hier und da mit einem kleinen Hämmerchen gegen die Hülle. Als nächstes warf er einen Blick in die Feuerbüchse und prüfte deren Verschluß.

Sogar Rustys Gesicht ließ er nicht aus. Wie ein Doktor sah er in den Ohren nach, zog die Augenlider herunter, leuchtete die Pupillen mit einer kleinen Stablampe ab und drehte zum Schluß den Kopf in verschiedene Richtungen.

Als der Werksmeister Rustys ängstlichen Blick bemerkte, lächelte er Ihm beruhigend zu und strich Ihm durch das Haar. Daraufhin entspannte sich die kleine Dampflok wieder.

„So weit ist alles in Ordnung mit Ihm. Er hat sanfte und schöne blaue Augen, eine seltene Farbe bei Dampfloks. Aber sie schauen so traurig.“

„Rusty hat leider schon viele schlechte Erfahrungen gemacht und hatte es oft nicht gut.“ erklärte Casey.

„Verstehe. Aber dein Partner hat eine liebenswerten Charakter, das spüre ich.“

„Stimmt, Sir. Viele nutzen seine Naivität und Gutmütigkeit aus.“

„Dann muß der Kleine noch an sich arbeiten.-Und nun setz dich da auf die Bank, Rusty, damit ich noch dein Fahrgestell kontrollieren kann.“

Die kleine Dampflok nahm also Platz, Mr. Orland drehte sich herum und grätschte seine Beine.

„Okay, und jetzt heb mal dein rechtes Bein hoch.“

Der Betriebsmeister fasste Rustys Bein am Fußgelenk und stützte es auf einem Holzbock ab. So konnte er die Räder und Achsen untersuchen, fast wie ein Schmied ein Hufeisen bei einem Pferd.

Als er mit dem rechten Bein fertig war, folgte das Linke. Mr. Orland klopfte wieder mit seinem kleinen Hammer gegen Räder und Achsen. Dabei zuckte Rusty plötzlich zusammen.

„Auuuu!“ rief er.

„Aha. Das linke, vordere Rad.“ murmelte der Werksmeister und montierte es von der Achse.“Schau einmal her, Casey. Siehst Du? Die Achse ist hier abgenutzt. Wir müssen Sie komplett ausbauen und erneuern.“

„Darf ich Ihnen dabei helfen?“ fragte der Junge.

„Natürlich! Das sollst Du sogar! Auf diese Weise lernst Du es am Besten!“

„Alles klar.“

Unter Mr. Orlands Anleitung baute Casey also die Achse aus, dann holte der Meister eine Neue aus dem Lager. Das Einschleifen übernahm Mr. Orland noch selbst, da dieser Arbeitsgang noch für den Anfang zu schwierig war und gab Casey nützliche Erklärungen.

Zuletzt wurde die Achse wieder eingebaut und die Räder befestigt.

„Fertig. Wenn wir das nicht behoben hätten, hätte dein Freund unterwegs Probleme bekommen. So und jetzt gehen wir in die Lackiererei.“

In der Lackiererei roch es nach Farbe und Lösungsmitteln.

„Das hier ist Mr. Edgars. Er wird Dir zeigen, wie Du vorgehen musst.“

Nachdem man sich gegenseitig bekannt gemacht hatte, warf der Lackierer einen Blick auf Rusty.

„Oh je! Armer kleiner Kerl! Der besteht ja fast nur noch aus Rost!“ bemerkte er.“Das wird ein ordentliches Stück Arbeit!“

„Ich weiß. Ich möchte auch Stück für Stück meinem Partner einen neuen Anstrich verpassen.“ erklärte Casey.

„Gut. Dann fangen wir am besten unten im Beinbereich an und Du arbeitest dich dann Stück für Stück hoch.“

Zuerst wurden Rustys Füße im Boden fest verankert, dann erklärte der Geselle Casey, wie das Schleifgerät bedient wurde. Dazu musste er stets eine Schutzbrille und einen Mundschutz tragen, wegen des Staubes. Auch Rusty bekam Einen zur Sicherheit

„Halt jetzt schön still, Kleiner und nicht herumzappeln!“ mahnte Mr. Edgars.

„Mann, für jeden bin ich immer nur klein und niedlich! Kein Wunder, das mich niemand ernst nimmt!“ dachte Rusty verärgert.

Als der Lackierer den Schleifer einschaltete und ansetzte, sträubten sich Rusty vor Schreck alle Haare!

„AAAUUUAAAH!“schrie er.

„Schnell, hören sie auf, Mr. Edgars!“ rief Casey besorgt.

„Du bist aber empfindlich, Kleiner! Stell dich nicht so an, solche Arbeiten tun euch doch gar nicht weh!“

„Ist das wahr?“fragte Casey.

Der Lackierer nickte. „Warscheinlich ist er durch die Vibration und Reibung erschrocken. Aber es verursacht Ihm keine Schmerzen. Natürlich können unsere Zug-Freunde auch Schmerz fühlen, aber Ihre Außenhülle und diverse andere Teile sind größtenteils unempfindlich. Aber da unten, wo sich das Fahrgestell befindet, sind sie empfindlich und fühlen Schmerz.“

„Also, Rusty, reiß dich zusammen!“ rief Casey.“Zuerst muss eben der ganze Rost herunter! Erst dann kann der Lack aufgetragen werden!“

„Na schön. Macht weiter!“

Also hielt die kleine Dampflok tapfer durch. Das Abschleifen ging nur langsam voran, dabei staubte es ordenlich und für den Anfang bearbeiteten Mr. Edgars und Casey nur die beiden Beine bis zu den Knien.

„In Ordnung. Das hätten wir. Nun weißt Du, wie es mit dem Abschleifen geht. So ein Gerät findest Du in jeder Werkstatt eines Betriebswerks.“ erklärte der Lakierer.“Aber Du darfst nie Mundschutz und Schutzbrille vergessen! Du siehst ja, welche Mengen feiner Staub aufgewirbelt werden!“

Der Junge nickte und nahm beides wieder ab. Auch Rusty streifte erleichtert den Mundschutz ab.

Als nächster Schritt mussten an einigen Stellen, wo sich der Rost bereits durch die Hülle gefressen hatte, die Löcher zugespachtelt werden.

„Zum Glück sind die Durchfraßlöcher nicht sehr groß. Und mit dieser speziellen Spachtelmasse gleichen wir das wieder aus. Nach dem Aushärten hält das prima mit dem Metall zusammen.“ bemerkte Mr. Edgars.

Und dann konnte Casey Ihm endlich beschreiben, welche Farben Rusty haben sollte.

„Also mal sehen...schwarz und rot....glänzend. Da haben wir es ja.“

Das Anstreichen übernahm Casey nach kurzer Einweisung selbst. Und kurz bevor die Mitarbeiter des Betriebswerks Feierabend machten, war der Junge mit seiner Arbeit fertig.

„Das hast Du gut gemacht. Nun muß die Farbe über Nacht trocknen. Dafür bleibst Du am besten so stehen, Rusty.“

„Na toll! Im Stehen schlafen!“ brummte die kleine Dampflok.

„Wer schön sein will, muß leiden, heißt ein altes Sprichwort bei mir zuhause.“ lächelte Casey. „Bis morgen, Kumpel.“

„Gute Nacht, Casey.“
 

Am nächsten Morgen, als Casey mit Mr. Edgars gerade die getrocknete Lackierung von Rusty überprüfte, kam Mr. Orland und überbrachte eine schlechte Nachricht. In Begleitung hatte er eine dunkelrote Rangierlok, die ein mißmutiges Gesicht zog.

„Was? Red Caboose ist weg?“rief Rusty.

„Er hat sich in der Nacht irgendwie von den Ketten befreien können und ist getürmt! Es muss zwischen meinen Überwachungen passiert sein! Verdammt, ich hätte ständig dort sein sollen!“ fluchte die Rangierlok.

„Ärgere dich nicht, Sam. Du hattest ja auch noch deine Arbeit zu erledigen.“ vertröstete Mr. Orland die Lok.

„So ein gerissener Schuft! Aber den kriegen wir noch!“ knurrte Casey.
 

Mr. Edgars überlies Casey zwei große Eimer der Farbe für Rusty.

„Danke, das ist sehr nett von Ihnen.“ freute sich der Junge.

„Und wenn Du Nachschub brauchst, einfach die Nummern angeben, die sich auf den Kübeln befinden. Die sind hier auf dem ganzen Kontinet genormt. Es ist ein spezieller Lack nur für Lokomotiven und Waggons.“

„Alles klar.“

„Wann wollt Ihr wieder aufbrechen?“

„Nun, unser nächstes Ziel ist Rätina. Dort wollen wir als Erstes versuchen, eine Plakette zu erringen.“

„Ah, Ihr wollt euch für die Rennliga qualifizieren? Mit einer Dampflok hat das schon lang niemand mehr gemacht. Zu schlechte Chancen! Aber manche Loks sind auch mit weniger als zehn Plaketten zufrieden. Es geht Ihnen mehr um den Sport bei den Rennen.“

„Wir wollen es trotzdem versuchen! Aber zuvor heißt es noch jede Menge trainieren! Dazu haben wir bis nach Rätina genug Zeit.“

„Dann viel Glück, Ihr beiden!“

„Danke, Mr. Edgars!“
 

„Na, sollen wir weiterreisen?“ fragte Casey, als er sich mit Rusty, Dinah und Dustin in der Stellbox der kleinen Dampflok versammelt hatte.

„Von mir aus kann es weitergehen.“ meinte das Waggonmädchen.

„Ja, reisen wir weiter!“ nickte Dustin.

„Dann lasst uns aufbrechen! Ich packe nur noch meine Sachen ein und und spreche dann in der Leitzentrale die neue Route ab.“
 

Und am Nachmittag war es soweit. Mit frischen Vorräten an Kohle und Wasser verließ der kleine Zug das Betriebswerk und setzte seine große Reise fort.

„Na, Rusty, läuft es jetzt schon etwas besser?“

„Kann man sagen. Meine Ausdauer wird langsam größer.“
 

Als der Zug am Schrottplatz des Betriebswerks vorbeifuhr, merkten die Freunde nicht, das zwei dunkle Augenpaare die Reisenden beobachteten. Kein anderer als Red Caboose lugte zwischen einem Stapel alter Räder und Achsen hindurch zu den Gleisen.

“ Hrrr....na wartet nur! Für das Kohleschippen kriegt Ihr noch die Quittung!” grollte er. Als Rustys Rauchwolke am Horizont nicht mehr zu sehen war, kam der Bremswaggon aus seiner Deckung und nahm die Verfolgung auf...

Ein einzelner Waggon kam nicht so schnell vorran wie eine Lok oder ein ganzer Zug. Caboose würde einige Zeit brauchen, bis er den Anschluss zu den Freunden wiederbekommen würde. Einige Kilometer hinter der Stadt gelang es Ihm, sich hinten an einen fahrenden Schnellzug zu hängen, um rascher vorwärtszukommen.

“Hmmm.....der hier fährt nach Rätina. Vielleicht wollen die auch da hin...was solls, ich werde sie schon wiederfinden. So ne rostige Dampflok fällt doch überall auf! Ich brauch nur zu fragen. Hähähähää.....”

Lachend warf er seinen Kopf in den Nacken!
 

Bis Cammenbert war es eine weite Reise.

Deshalb trainierte auf einsamen, geraden Streckenabschnitten Casey Rustys Geschwindigkeit.

Er ließ Ihn mal schneller laufen, mal langsamer.

“Casey! Nicht so viel Dampf! Ich platze gleich!” hörte der Junge Rusty keuchen.

“Stell dich nicht so an! Dein Druck ist noch lange nicht im roten Bereich! Also gib Dir Mühe! Immer schön im Takt bleiben! Und eins-zwei! Eins-zwei! Eins-zwei!”
 

Rasten die Freunde neben dem Bahndamm oder auf einem Nebengleis, versuchte Casey Rusty weitere Attacken beizubringen.

„Also, was kann eine Dampflok alles für Attacken lernen?“

„Wie Du weißt, kann ich nur die Dampfstoßattacke. Die ist nicht sehr effektiv. Dann gibt es noch Wasserstrahl, Feuerball, Pfiff, Rauchwolke, Rammstoß und Puffernschlag! Letzterer wird mit den Ellenbogen ausgeführt. Aber ob ich es schaffe, die alle zu lernen?“

„Wir werden uns langsam höher arbeiten, Stück für Stück. Welches ist die leichteste Attacke nach Dampfstoß?“

„Wasserstrahl und Rauchwolke. Die Schwierigste ist der Feuerball! Es gibt außerdem noch mehr Feuerattacken, die eine Dampflok lernen kann. Spiralflamme, Funkenschauer, glühender Kohleregen.“

„Und an deiner Pfeiffattacke müssen wir noch arbeiten. Doch zuallererst mußt Du stark genug werden. Und das bedeutet: trainieren!“
 

“Seht nur! Am Horizont sind schon die Berge von Rätina zu erkennen! “ rief Dinah plötzlich.

“Mann, die sehen genauso aus wie die Berge in meiner Welt in der Schweiz!” staunte Casey.

“Jaaa...und die Strecken dort sind verdammt steil!”

“Rusty! Immer must Du jammern!”
 

Am nächsten Tag zur Mittagszeit rastete die kleine Gruppe auf einem Rangierbahnhof. Casey unterhielt sich mit Poldi, einer Rangierlok über seine Pläne, die interessiert zuhörte.

“Bis zur Landesgrenze braucht Ihr einen guten Tag. Und ich möchte Dir einen Vorschlag machen. Lass mich mit deinem Rusty um die Wette laufen. Ich wollte schon immer mal ein Wettrennen machen. Leider habe ich oft viel Arbeit und auch die anderen haben für so etwas keine Zeit. Es wäre eine willkommene Abwechslung!“

“Gerne! Ich habe Rusty noch nie um die Wette laufen sehen. Mal sehen, wie er sich macht.”
 

Der Testlauf sollte auf zwei geraden Nebengleisen verlaufen.
 

„Also los, Rusty! Jetzt zeig mal, wie schnell Du geworden bist! Poldi ist eine Rangierlok, die höchstens achzig Kilometer Spitze laufen kann! Sie hat sich bereiterklärt, mit Dir ein Wettrennen zu machen.“ erklärte Casey. „Ein reiner Probelauf, ohne Waggonpartner.“

„Und keine Angst. Ich setze keine Attacken ein! Das wird nur ein reiner Schnelligkeitstest über zweitausend Meter!“ erklärte die kleine blaue Diesellok.

„In Ordnung. Versuchen wir es.“

Casey kletterte auf Rustys Schultern und versuchte, eine feste Sitzhaltung zu finden.

„Normalerweise ist das nicht üblich, das bei einem Rennen der Lokführer mitfährt!“ bemerkte Rusty und setzte seinen Helm auf.

„Ich weiß. Aber so kann ich dich am besten überwachen und Dir eventuell Hilfestellung geben!“

„Na schön.“
 

Dinah gab das Startsignal. Sie hielt eine rote Flagge hoch.

„Achtung....UND LOS!!“ rief sie und ließ die Fahne heruntersausen.

„Losloslos, Rusty! Gib Dampf!“ feuerte Casey seinen Partner an. Poldi beschleunigte sofort und übernahm die Führung. Die kleine Dampflok folgte schnaufend auf dem Parallellgleis. Tatsächlich konnte er sich der blauen Rangierlok immer mehr nähern.

„Das machst Du sehr gut! Teile deine Kräfte gut ein und versuche, ob Du Poldi überholen kannst!“ rief Casey.

Rustys stoßweiser Atem wurde immer schneller, fast hatte er Poldi erreicht! Doch als die gegnerische Lok sich kurz umdrehte und Ihn ansah, geschah etwas merkwürdiges! Casey spürte, wie eine Art Schauer über den Rücken seines Partners lief, sein Antrieb unregelmäßig zu arbeiten begann und er zurückfiel!

„Rusty! Was ist denn los! Geht Dir schon wieder die Puste aus? Los, es sind nur noch sechshundert Meter! Versuche noch einmal, an Poldi heranzukommen!“ rief Casey.

Die kleine Dampflok biss die Zähne zusammen und wurde wieder schneller! Über einen Tacho am hinteren Teil des Helmes konnte er die Geschwindigkeit ablesen. Siebzig Stundenkilometer brachte Rusty schon zustande. Bisher war er im Normallauf durchschnittlich immer Sechzig gefahren. Und die kleine Dampflok wollte Casey nicht enttäuschen.

Fast lief sie wieder auf gleicher Höhe mit Poldi! Doch als die Rangierlok sich wieder zu Ihm umdrehte und eine Armbewegung machte, um scherzhaft eine Attacke darzustellen, spürte Casey, wie sein Partner sich verkrampfte und auch noch abbremste! Kurz vor dem Ziel! Und Poldi rollte als erster durch die Zielllinie, die zwei Signalmasten bildeten. Rusty rollte verlangsamt als Zweiter durch.

Casey konnte es nicht fassen. Was war nur mit der kleinen Dampflok los? Jedesmal, wenn Poldi sich nach Ihr umgedreht hatte, schien es, als gerate Sie in Panik! Als hätte Rusty Angst, seinen Konkurrenten zu überholen!
 

„Oh mann, Rusty! Das war ja erbärmlich! Warum hast Du zweimal abgebremst und bist zurückgefallen? Es sah echt aus, als ob Du Angst gehabt hättest!“ tadelte Casey.

„Tut mir leid, ich hatte wirklich Angst.“

„Aber wieso?“

„Weißt Du, ich bin einmal zum Spaß gegen eine der Dieselloks gelaufen. Und ich hatte als Waggon Red Caboose hinter mir. Und dieser miese Kerl hat im entscheidenden Moment mit einem gerissenen Bremsmanöver mich zum Entgleisen gebracht! Ich habe mir damals ganz schön wehgetan und dieser rote Teufel hat nur hämisch gelacht und gespottet, wie unfähig ich sei! Seitdem habe ich Angst, Rennen zu laufen, weil ich mich nicht verletzen und wehtun will. Tut mir leid, das war ein reiner Schutzreflex! Immer wenn sich eine vor mir laufende Lok nach mir umdreht, denke ich, Sie will mich angreifen!“

„Du hast Angst vor den Schmerzen? Dann müssen wir Dir zuerst diese Angst nehmen! Du schreist ja auch schon Aua wenn es gar nicht weh tut!“

„Doch deinetwegen habe ich zugestimmt, Rennen zu laufen.“

„Hey, das kriegen wir schon hin, Kumpel. Und Caboose wird dich nicht noch mal reinlegen.Und sollte er es tun, wird er sein blaues Wunder erleben! Greaseball und seine Kumpel haben mit Ihrer Einschüchterungstaktik ganz schön Erfolg bei Dir gehabt!“

„Stimmt leider. Ich zittere schon, wenn ich einen von Ihnen höre oder sehe! Bei fast jedem Zusammentreffen hatte einer von denen immer eine kleine Gemeinheit parat!“
 

“So und bis zum Abend habe ich noch etwas Zeit. Ich will ein wenig mit deinem Anstrich weitermachen.” erklärte Casey.

“Oh mann! Schon wieder diese blöde Schleiferei!”

“Stell dich nicht so an! Du willst doch deinen Rost loswerden, oder?”

“Na jaaa.....”

“ Also dann komm! Der Meister der kleinen Werkstatt hat ein Schleifgerät, das ich benutzen darf.”
 

Vier Stunden später....
 

„Mann, ich bin fix und fertig! Will jetzt nur noch eines: schlafen!“ gähnte Casey und legte seinen Werkzeuggürtel ab. Dieses Rostabschleifen und Nachstreichen war wirklich ein hartes Stück Arbeit! Und davor hatte er noch Rustys Aschenkasten entleeren müssen. Und die Feuerbüchse entschlackt.

„Aber zuerst wandertst Du unter die Dusche, kleiner Schmutzfink! Du bist selbst schon so schwarz wie Rusty und stinkst furchtbar nach Rauch!“ erklärte Dinah.

„Oh Mann! Hat das nicht bis Morgen Zeit? Mir fallen gleich die Augen zu!“

„Und was glaubst Du, wie morgen dein Bett aussieht? Und dein Schlafsack? Nix da! Marsch zur Wäsche!“

Casey murrte und trollte sich zu den Duschräumen. Dinah war in solchen Dingen unerbittlich. Manchmal wünschte er wirklich, sie wäre nicht mitgekommen.

„Du hast dein Waschzeug vergessen!“ rief das Waggonmädchen und kam hinter Ihm her. Dann drückte sie Ihm das Handtuch und die kleine dazugehörige Tasche in die Arme.

„Mrrmmh!“brummte Casey und tappte weiter.

Dinah sah Ihm kopfschüttelnd hinterher.
 

Einige Zeit später betrat Rusty den Lokschuppen.

„Hm, du bist ja wirklich schön sauber und geputzt. Und dein neuer Anstrich ist schon trocken?“ fragte Dinah.

„Na klar, Hier, mein rechtes Bein ist jetzt vollkommen wie neu! Und wie schön der schwarze Lack jetzt glänzt! Casey hat ja auch hart gearbeitet. Wo steckt er denn? Schon im Bett?“

„Nein, drüben in den Duschräumen. Vorher kommt mir dieser Schmutzfink nicht ins Bett!-Aber ich muss sagen, diesmal braucht er wirklich lange! Sonst war er doch immer gleich wieder zurück, er mag ja keine große Wäsche!“

„Ich seh mal nach.“ bemerkte Rusty und schlug denselben Weg wie Casey an. Er hatte zwar etwas Schwierigkeiten, durch die Türen zu kommen, die ja eigentlich für Menschen konzipiert waren, aber da er ja nur eine kleine Lok war, passte er gerade so durch, wenn er sich bückte.

Die Duschräume befanden sich am Ende des Ganges. Eine Abteilung für Damen, eine für Herren. Und aus der Herrenabteilung vernahm Rusty das Rauschen von Wasser. Eine Dusche war in Betrieb.

„Casey? Bist Du da? Casey!“

Aber er erhielt keine Antwort.

Also betrat Rusty den Raum und schritt die Kabinen ab, bis er die laufende Dusche über der Duschvorhangsstange sehen konnte.

„Casey?“

Vorsichtig schob er den Vorhang etwas beiseite und riskierte einen Blick.

Der Junge hockte in der Duschwanne, mit den Armen hatte er seinen Oberkörper abgestützt, das Kinn war Ihm auf die Brust gesunken. An den ruhigen Atemzügen konnte Rusty feststellen, das Casey eingeschlafen war. Das warme Wasser rieselte auf seine Schultern und an seinem Körper herunter.

Lächelnd schob Rusty den Vorhang auf.

„Du musst wirklich seehr müde sein, wenn Du mich nicht einmal hörst. Zuerst einmal stellen wir die Dusche ab, deine Wanne läuft ja schon über! Und der Ruß ist auch noch nicht ganz weg.Dann werde ich Dir mal ein bischen helfen, kleiner Freund.“

Rusty suchte den Schwamm und die Seife und begann seinen Lehrling vorsichtig abzuschrubben. Selbst das weckte Ihn nicht auf. Zuletzt kamen Haare und Gesicht dran. Zwar bewegte sich Casey da etwas und murmelte unverständliches, wachte aber nicht auf.

„Fertig. Bleib so hocken und fall mir nicht um, ich hole nur dein Handtuch....“sprach Rusty und holte es von der gegenüberliegenden Bank, wo auch seine Kleider lagen. „Wie mach ich es am besten...ich weiß..“

Rusty hockte sich wieder im Schneidersitz hin, breitete das Handtuch auf seinem Schoß aus, hob dann Casey aus dem Wasser und legte Ihn dann auf dem Handtuch ab.

„Was für eine Arbeit! Aber es macht Spaß!“ lächelte die kleine Dampflok.“Ich hätte nicht gedacht, das es so toll ist, einen Lehrling zu haben!“

Gerade als Rusty Casey in das Handtuch wickeln wollte, erwachte der Junge durch die plötzliche Kühle und schlug die Augen auf!

„Rusty, was-ooooaaah!“

Schnell versuchte er mit seinen Händen seine Blöße zu verdecken, als er das Handtuch bemerkte, wickelte er es schnell um seine Hüfte.

„Nananana! Ganz ruhig!“ lachte Rusty.“Ich beiß Dir schon nichts ab! Ich und die anderen sind schon längst aufgeklärt und wissen alles über euch Menschen, selbst wie Ihr in Natura ausseht und euch reproduziert oder fortpflanzt,wie Ihr das nennt.“

„Aber ich schäme mich, vor den anderen ganz im Freien zu stehen! Berücksichtige das bitte!“ brummte Casey.“Du hast mich fast zu Tode erschreckt!“

„Hey, ich bin doch dein Partner, kein Fremder!“ bemerkte Rusty und half seinem Lehrling beim Abtrocknen der Haare.

„Da hast Du allerdings recht. Aber was machst Du hier?“

„Du bist unter der Dusche eingeschlafen. Und da Du mich vorhin so schön saubergemacht hast, habe ich das gleiche nun mit Dir getan. Eine Hand wäscht die Andere, sozusagen.“

„Oh-stimmt, ich war so müde, und das warme Wasser hat es noch verstärkt. Hey, danke, Rusty.“

„Gern geschehen.“ lächelte die kleine Dampflok und erhob sich. Casey rutschte von seinem Schoß.

„Würdest Du meine Sachen bitte nehmen? Ich lasse nur noch das Wasser ab.“ sprach der Junge und zog den Stöpsel heraus.Dann folgte er Rusty zurück in die Lokhalle.
 

„Warum hat das heute so lange gedauert?“ wollte Dinah wissen.

„Casey war unter der Dusche eingeschlafen.“ lächelte Rusty.

„Ach deshalb. Jetzt aber marsch ins Bett mit Dir! Oder willst Du vorher noch eine Kleinigkeit essen?“

„Nein, danke, ich habe keinen Hunger.“ antwortete Casey und stieg die Stufen zu den Quartieren empor.

Auf halbem Weg sah er zurück und fragte:“Sag mal, Rusty, wußtet Ihr von Anfang an alles über die Menschen oder wurde es euch beigebracht?“

„Einiges wissen wir gleich von Anfang, aber jede junge Lok und jeder neue Waggon macht irgendwann einen Lehrgang bei der Eisenbahnergilde mit. Du siehst, nicht nur Lokführer und Bahnmitarbeiter werden dort geschult.“antwortete die kleine Dampflok lächelnd.“Aber wir lernen auch untereinander, vieles wird von einem zum anderen weitererzählt.“

„Verstehe. Gute Nacht, Freunde.“

„Gute Nacht, kleiner Lehrling.“ wünschten Dustin und Dinah.

„Schlaf gut, mein Freund.“lächelte Rusty.
 

Am nächsten Morgen nahmen die Freunde Abschied von der freundlichen Rangierlok.

“Also Rusty. Keine Angst vor deinen Gegnern! Du bist aus Stahl, wie ich! Wir halten was aus!”

“Ich werds versuchen, Poldi.”

Die Reise ging weiter.
 

Fortsetzung folgt...

Im Rätina Gebirge

So, dies ist das erste Kapitel, das ich seit der wiederaufnahme des schreibens an dieser FF fertiggestellt habe. Ich habe auch das zweite Kapitel noch mal überarbeitet und werde es bei gelegenheit neu posten.
 

Starlight Express

Kapitel 8

Im Rätina-Gebirge
 

Die Reise ging weiter. Casey hoffte, das er in Rätina seinen Freund Loisl wiedertreffen würde. Und natürlich Krokodil.

Langsam rückten die Berge immer näher. Am Nachmittag rasteten die Freunde in einem größeren Bahnhof.

“Nach Rätina? Dann müsst Ihr den Gleisweg 5-07 nehmen. Ich werde veranlassen, das die Weichen für euch gestellt werden. Achtet auf die Lautsprecherdurchsage. Dein Zug hat die Abfertigungsnummer 2632. Ich denke, so in zwei Stunden könnt Ihr los.” erklärte der Fahrdienstleiter des Stellwerks, bei dem sich Casey Informationen für die Weiterfahrt holte.
 

Das Mittagessen nahm Casey diesmal in der Bahnhofskantine ein. Hier traf er auf andere Lehrlinge und konnte sich mit Ihnen unterhalten. Von den Lokführern erhielt er nützliche Tipps, über das Fahrverhalten auf Bergstrecken.
 

Weiter ging die Reise.

“Es kommen immer mehr Steigungen.” schnaufte Rusty.

“Das ist gut für dein Training.”

“Ich habe das Gefühl, Dustin wird immer schwerer!”

“Das bildest Du Dir nur ein.”
 

Die Nacht verbrachten sie im Grenzbahnhof von Rätina, den Rusty am späten Nachmittag erreichte.

“In die Hauptstadt Emmenthal? Mit deiner alten Lok brauchtst Du wohl zwei Tage bis dorthin. Der Weg führt durch das Silbergletscher-Gebirge.” erklärte der Bahnhofsvorsteher Casey, als dieser sich bei Ihm meldete. “Vorausgesetzt, sie schafft die Steigungen überhaupt.”

“Das wird Rusty schon.”
 

Anderntags setzte die kleine Gruppe Ihre Reise fort.

“Oh mann! Sieh Dir nur diese hohen Gipfel an!” stöhnte Rusty.

“Nur Mut, Kumpel. Weiter.”

“He, was ist das für ein komisches Band mitten auf den Schienen?” fragte Dustin nach einer Weile, während Rusty langsam bergwärts zuckelte.

“Eine Zahnstange. Sie wird auf Steilstrecken verwendet, damit die Züge besser vorankommen.”

“Das könnte ich jetzt auch gut gebrauchen...”

“Oaah! Hee, Rusty, nicht stehenbleiben! Wir rollen zurück! Bremsen!” rief Casey und zog die Handbremse an! Dadurch wurde das Zurückrollen gestoppt.

“Mann, Rusty! Sollen wir dich jetzt auch noch anschieben?” schimpfte Dinah.

“Wir dürfen hier nicht zu lange bleiben, die Strecke wird auch von anderen Zügen genutzt!” erklärte Casey.

“Ist mir egal! Ich kann so nicht weiter!” jammerte die Dampflok.

“Na großartig!”

Also versuchten sie es im Humanoid-Modus als Wandergruppe. Rusty stapfte stelzig auf seinen Bremsklötzen dahin, die anderen folgten.

Plötzlich hallte von den Bergen ein lautes Hornsignal wieder.

“Runter von den Gleisen! Da kommt schon der nächste Zug!” rief Casey.

Tatsächlich kam wenige Minuten später ein rotlackiertes Krokodil gemächlich um einen Kurve. Sie hatte mehrere Güterwaggons am Haken. Neben den Freunden hielt sie an.

“Holla, wer seid Ihr denn? Habt Ihr ne Panne?” fragte der Lokführer und beugte sich aus dem Fenster des Führerstands.

“Nein, meine Lok hat Schwierikeiten mit den Steigungen.” antwortete Casey.

“Hat sie denn keinen Zahnradantrieb?”

Casey schüttelte den Kopf.

“Dann ist es auch kein Wunder. Jede Lok bei uns besitzt einen Zahnradantrieb, den sie bei Bedarf einsetzen kann. Genauso wie der Rötli hier.” Lächelte der Lokführer und tätschelte sein Krokodil.

“Dann haben wir wohl schlechte Karten.” meinte Rusty.”Fahren wir zurück.”

“Er kann sich in Juti einen Zahnradantrieb nachträglich einbauen lassen. Ich kann euch mitnehmen. Stellt euch vor Rötli auf die Gleise, transformiert und er schiebt euch bis Juti, das ist der nächste größere Bahnhof mit einer Werkstadt.”

“Ausgezeichnet! Los, Rusty! Dinah, Dustin!”

Alle drei sprangen auf die Gleise und transformierten.

Dann schob sich Rötli langsam vorwärts, bis seine Puffern auf die von Dustin trafen und wurde langsam schneller.

“Na, das läßt Du Dir gerne gefallen, was? Laß Rötli nicht die ganze Arbeit allein machen, hilf Ihm ein wenig!” bemerkte Casey.

“Mensch, wir steigen ja immer noch!” staunte Dinah. “Ich hoffe, von euch hat keiner Höhenangst.”

“Na ja...”murmelte Rusty mit einem mulmigen Gefühl in der Feuerbüchse.
 

Endlich hatten sie den höchsten Punkt erreicht und es ging wieder ein wenig abwärts. Dann tat sich vor ihnen ein Tal auf.

„Da vorne ist Juti,wir sind gleich da!“ rief Rötlis Lokomotivführer.

„Endlich!“ seufzte Rusty.
 

Juti war eine kleine Stadt, umrahmt von hohen Bergen. Hier gab es auch ein kleines Betriebswerk, auf dessen Gleisen Rötli nun einen Güterwaggon mit Ersatzteilen und Rusty, Dinah und Dustin abstellte.

„So, da wären wir.“

Casey stieg aus und lief nach hinten zur Krokodillok.

„Vielen Dank für eure Hilfe!“

„Keine Ursache.“

„Wo fahrt ihr jetzt hin?“

„Siehst Du die Kesselwagen? Das ist die Milch der Bergbauern, die wir jeden Tag ins Tal bringen.“

„Ah, verstehe. Gute Weiterfahrt!“

Ein Mitarbeiter des Betriebswerks stellte die Weichen um und Rötli rangierte auf das Gleis mit den Waggons. Als die silbernen Dreier-Kesselwagen angekuppelt waren, setzte sich das Krokodil wieder in Bewegung und verließ den Bahnhof.
 

„So, ich geh mal zum Werkstattleiter, wartet hier solange.“

„Alles klar.“

Rusty und Dustin setzten sich auf den Bahnseigrand und ließen ihre Blicke schweifen.

„Was für eine gute Luft!“ seufzte Pearl und atmete tief durch. Dustin tat es ihr gleich.

Dann fiel dem Waggonmädchen etwas auf.

„Schaut mal, da oben auf dem Hang. Was für ein großes, Gebäude! Ob das zum Bahnhof gehört?“

Sie wies auf ein großes, weißes längliches Haus, auf dessen einer Seite vom Bahnhof ein Schienenstrang bis vor ein verschlossenes Tor führte.

„Vielleicht eine Fabrik.“ meinte Rusty.

„Ja, bestimmt machen sie da den Käse, für den Rätina berühmt ist.“ nickte Dinah.

„Und wieso hat Rötli dann die Milch weggebracht?“

„Stimmt auch wieder, Rusty.“

„Da kommt Casey!“ rief Dustin.
 

Der Junge kam mit einem hochgewachsenen Mann in blauer Latzhose zurück.

„So, Du bist also der Rusty. Na, dann komm mal mit, wir werden dich jetzt umrüsten.“

Seufzend erhob sich die kleine Dampflok und rollte hinter den beiden Menschen her.
 

„Dustin, Dinah. Da vorne ist der Lokschuppen für Gäste. Geht schon mal vor, ich komme später nach.“

„Alles klar, kleiner Lehrling!“ nickte der Tender.
 

„Oh, schau mal, richtig rustikal!“ freute sich Dinah, als sie das Tor aufschob. Die Wände waren aus rohen Steinen gemauert, das Dach aus Holzbohlen, wie eine Almhütte.
 

Derweil ging Casey dem Meister in der Werkshalle zur Hand. Die Aufrüstung dauerte etwa eine Stunde und Rusty bemühte sich, nicht zu oft Aua zu schreien. So saß er meist mit ziemlich verkniffenem Geischt da, während an ihm gearbeitet wurde.

„Und jetzt transformiere, damit ich alles noch im Maschinenmodus einstellen kann.“ ordnete Mr. Fuhrer, der Betriebsmeister an. Rusty folgte der Aufforderung.

Beide Menschen begaben sich in den Tunnel unter dem Gleis und prüften noch einmal alles.

„Sehr schön. Jetzt kann er auch die steilsten Strecken klettern, ohne den Halt zu verlieren.“

„Danke, Mr. Fuhrer.“

„Keine Ursache, Casey. Gibst Du mir noch dein Lehrbuch, damit ich ein paar Eintragungen machen kann?“

Der Junge nickte.
 

„Morgen testen wir den Zahnradantrieb.“ sagte Casey beim Abendessen. Später stand er noch am Fenster seines Zimmers im Stock über den Stellboxen und betrachtete das einzigartige Panorama. Emmenthal liege auf der anderen Seite, hatte der Werksmeister ihm gesagt. Etwa hundert Kilometer Gleis durch die Berge würden noch vor ihnen liegen.
 

Am nächsten Morgen konnte Casey beobachten, wie die Milch von den Almen in großen, metallenen Kannen angefahren und in die Tanks umgeupumpt wurde.

„Hier, mein Junge, damit Du groß und stark wirst.“ lächelte einer der Bauern und gab ihm ein großes Glas voller frischer Milch.

„Mmh, danke! Die schmeckt toll!“

„Und probier mal den Käse. Den hab ich selbst gemacht.“

Schon hatte der Junge ein Käsebrot in den Händen. Also leistete er dem freundlichen Mann Gesellschaft beim Vesper.
 

Dann war es soweit, Rusty lernte seinen neuen Antrieb richtig zu gebrauchen. Für den Anfang probierten sie es mit einer leichten Steigung. Dann mit einer steileren. Zuerst immer ohne, dann mit Dustin im Schlepptau.

„Los, Rusty, streng dich an! Das ist ein gutes Krafttraining!“
 

Schließlich hatte die kleine Damfplok genug.

„Casey! Mein Wasser-und Kohlevorrat ist fast alle!“ klagte sie.

„Schon gut, wir fahren zurück.“

„Und, hat alles gut funktioniert?“ fragte der Meister.

„Alles bestens, Mr. Fuhrer.“

„Wann wollt ihr denn weiter?“

„Mal sehen. Vielleicht morgen früh.“

„Morgen, am Samstag, steigt hier auf dem Bahnnof ein kleines Volksfest.“

„Volksfest?“

„Genau. Zwei Loks wollen sich für die Meisterschaft qualifizieren. Alpin von Juti hat es geschafft und ist in der F-Liga. Morgen tritt der Gletsch gegen sie an, der will auch den Einstieg in die Liga probieren.“

„Ein Lokrennen? Hast Du das gehört, Rusty! –Mr. Fuhrer, kann man sich da noch anmelden?“

„Willst Du etwa mit deinem Rusty da mitmachen?“

„Einmal muss man ja mal anfangen.“

„Du kannst dich morgen noch anmelden.“

„Toll! Danke für den Hinweis!“
 

Der Junge eilte in den Lokschuppen, wo es sich Rusty bereits auf seiner Matratze gemütlich gemacht hatte.

„Leute, ich habe tolle Neuigkeiten!“

„Was denn für Neuigkeiten?“ fragte Rusty und setzte sich langsam auf.

„Morgen steigt drüben auf dem Bahnhof ein Lokrennen! Für den Einstieg in die F-Liga! Und es gibt sogar eine Plakette zu gewinnen!“

„Du willst doch nicht, das ich gegen andere Loks ein Rennen fahren soll! Hier in den Bergen!“

„Das ist die Gelegenheit! Du hast nur zwei Gegner, zwei Lokalloks, keine großen Nummern. Alpin ist die hier beheimatete Lok, eine Dieselzahnradbahn. Und Gletsch ist ein Krokodil aus dem Nachbarbahnhof.“

„Oh mann, Casey! Ich will mich nicht zum Gespött von ganz Juti machen!“

“Ach komm, Rusty! Einmal müssen wir anfangen! Trau dich mal was! So gehts wirklich nicht weiter!”

“Mrrrhhh.....also gut! Na schön, Casey! Ich probiers!”

„Danke, Kumpel.“
 

Am nächsten Morgen wurde Casey durch fremde Töne geweckt.

“Hört mal...Musik!” sagte Dinah und erhob sich von ihrem Schlafplatz.
 

Dustin schob bereits neugierig das Rolltor auf.

“Schaut mal, die vielen Leute! Und da spielt eine Kapelle! Ein richtiges Bahnhofvolksfest!” rief Dustin.

„Das Lokrennen findet ja heute statt.“

Casey kam die Treppen hinabgepoltert.

“Toll! Ich werde gleich dich und Dustin anmelden!”

Rusty sah ihm kopfschüttelnd nach.

„Ich hoffe, er ist nachher nicht zu enttäuscht von mir.“

„Dann gib dein Bestes! Streng dich ruhig mal an! Du hast es in letzter Zeit in Kommoran eh schleifen gelassen. Es wird Zeit, das Du deiner Bezeichnung als Schnellzuglok wieder gerecht wirst!“ sagte Dinah.
 

Die Anmeldeformalitäten waren schnell erledigt.

„Alles klar! Rusty, mach dich bereit! In zwei Stunden gehts los!“

“Meine Damen und Herren, soeben hat es noch eine Neuanmeldung gegeben! Rusty, die Dampflok aus dem Heimatbahnhof Kommoran! Sie will ebenfalls einen Eintritt in die Liga versuchen! Wir können also gespannt sein!” tönte es kurze Zeit später aus dem Lautsprechern.
 

Casey lief vorher mit Rusty den Anfang der Strecke ab.

“Hört zu! Die Strecke ist hier meist eingleisig, aber es gibt immer wieder Weichen mit Ausweichgleisen! Nur hier habt Ihr die Chance, eure Gegner zu überholen! An diesen Weichen stehen freiwillige Helfer und stellen jedesmal die Weichen nach Bedarf um. Ist die Hinterlok von der vorausfahrenden Lok aber mehr als zehn Meter entfernt, wird die Weiche nicht umgestellt und die Chance ist vertan! Nur auf diesen Doppelgleisen habt Ihr die Chance zum Überholen! Die letzten zweihundertfünfzig Meter vor dem Ziel sind dreigleisig, das heißt, am Schluß hat jeder noch einmal die Chance auf den Sieg! Also teilt euch eure Kräfte gut ein!” erklärte der Junge.

“Das ist aber kompliziert....” bemerkte Dustin.

“Wieso? Zum Glück müssen wir nicht die Weichen auch noch selbst stellen!” murrte Rusty.

„Der steilste Abschnitt hat 55 Promille und ist etwa zwei Kilometer lang. Die ganze Rennstrecke umfasst acht Kilometer und verläuft in einem weiten Bogen. Außerdem gibt es noch einen Kehrtunnel. Das ist quasi der Wendepunkt. Start-und Zielpunkt ist der Bahnhof von Juti. Hast Du alles verstanden, Rusty?“

„Hab ich.“

„Dann viel Glück. Und hab keine Angst vor den Attacken der anderen Loks! Die werden schon nicht so doll zuhauen!“
 

Schließlich war es soweit.

„Bitte alle Teilnehmer an den Start!“

Loks und Waggons nahmen ihre Plätze ein.

„Auf Gleis eins, unser Lokalmatador Alpin! Als Waggon fährt mit, Nico, der Milchtankwagen!“

Tosender Applaus brandete auf.

„Auf Gleis 2 der Herausforderer Gletsch aus Högli! Mit einem Inspektionswaggon!“

Wieder Applaus.

„Und auf Gleis 3, erst vor kurzem angemeldet, Rusty, die Dampflok aus Kommoran!“

Die Leute belächelten das halbrostige Aussehen der kleinen Lok, applaudierten aber faierweise trotzdem.

„Viel Glück, Kleiner!“ rief einer.

„Krrr...schon wieder Kleiner! Ich will nicht immer so genannt werden!“ grollte Rusty.

„Ärgere dich nicht über solche Unwichtigkeiten! Konzentriere dich lieber auf das Rennen!“

„Nervös?“ fragte Dustin.

„Was denkst Du!“ murrte die Dampflok. Casey warf zur Sicherheit nochmal einen Blick auf das Fahrgestell. Es schien alles in Ordnung zu sein.

„Na Du Flachlanddampfer, ob Du mit uns mithalten kannst?“ stichelte Gletsch.

„Er wird sich auf jeden Fall Mühe geben.“ sagte Casey.

„Ob das reicht?“ grinste Alpin.

„Hört auf damit, Jungs, sonst verpasst ihr den Start!“ mahnte der Lokführer von Alpin, der neben seiner Lok stand.

„Achtung!“ tönte es aus dem Lautsprecher. „Fertig....“

Im nächsten Moment ertönte ein Hornsignal und die Ausfahrtssignale sprangen auf Grün!

„Los Rusty!“

Alle drei Loks rauschten aus dem kleinen Bahnhof auf die Strecke. Hinter der Station verengten sich die drei Gleise auf eines. Alpin übernahm sofort die Führung, dicht gefolgt von Gletsch. Rusty bildete das Schlusslicht.

Casey schlug die Hand vor die Augen. Das fing ja gut an.

„Nana, nicht verzweifeln. Es hat ja erst angefangen!“ meinte Dinah.

„Stimmt. Warten wir erst mal ab.“

„Über einen kleinen Monitor, der extra aufgebaut worden war, konnten die Zuschauer das Rennen verfolgen.

„Gleich erreichen die Teilnehmer den ersten Weichenpunkt! Und Alpin ist durch! Aber für Gletsch reicht es nicht mehr! Die Weiche bleibt zu! Genauso wie für Rusty, der immer mehr zurückfällt!“

„Oh nein! Komm schon, Rusty!“
 

„Verdammt, warum sind die nur so schnell!“ knurrte die kleine Damplok Dann entdeckte sie vor sich die erste Steigung mit der Zahnstange in der Mitte. Neben den Gleisen verliefen je eine kleinere Ausgabe dieser Steighilfe für die Loks im Humanoid –Modus. Rusty keuchte und schnaufte, versuchte den Abstand zwischen sich und den Loks zu verringern. Schließlich hatten sie den höchsten Punkt erreicht.

„Jetzt gehts wieder bergab. –Oh verdammt, die zwei sind schon fast bei der nächsten Weiche!“

„Vielleicht hilft es, wenn ich ein bischen anschubse?“

„Was? Dustin-WOOOOAAAAHHH!“

Der schwere Tender hatte gegen Rusty gelehnt und im nächsten Moment ging es in Windeseile hinab!

„Bist Du verrückt! Sollen wir entgleisen?“

Als die Dampflok zu bremsen versuchte, sprühten ordentlich Funken. Aber was das unglaubliche war, sie verkürzte den Abstand zu Gletsch und rutschte hinter ihm über die Weiche auf das Nebengleis!

„Mach schnell! Vielleicht können wir das Krokodil überholen!“ rief Dustin.

„He, was war denn das für ein Manöver, Dampfer? Bleib schön auf deinem Schlusslichtplatz!-Elekto-Blitz!“

Die elektrische Attacke streifte Rusty an der Schulterverkleidung.

„Auih!“

„Nix wie weg! Der grillt uns noch!“ rief Dustin. Im nächsten Moment traf ihn der zweite Elektro-Blitz am Hinterteil! Mit dem Ergebnis, das er laut aufheulte und Rusty weiter nach vorne schob.

Und die Dampflok beschleunigte mit zusammengebissenen Zähnen.

„Oh mann! Alpin vorne und dieser Kroko-Typ hinten! Jetzt können die uns regelrecht in die Zange nehmen!“ dachte Rusty.

Schon näherte sich die zweite Doppelgleis-Weiche. Aber Rusty war noch zu weit von Alpin entfernt und er verlor die Chance auf ein Überholmanöver auf dem Paralellgleis. Aber Gletsch bekam die Chance.

„Jetzt befördere ich dich wieder auf den Platz zurück, wo Du hingehörst, Flachländer!“ knurrte die Berglok und lief nun auf gleicher Höhe mit Rusty.

„Nein! Die Position lass ich mir nicht wieder nehmen! Ich will nicht immer Letzter sein! Ich will nicht!“ dachte die kleine Dampflok verbissen und begann noch schneller zu fahren. Dann kam die Weiche in Sicht. Beide Loks rasten darauf zu.

„Versuch ne Attacke, Rusty!“ rief Dustin.

„Na schön! Dampfstoß!“

Gerade als der Weichensteller die Weiche dementsprechend verstellen wollte, hüllte Rustys weißer Dampf alles ein.

Gletsch spürte im nächsten Moment wie er angerempelt wurde, dann verlor er plötzlich den Halt und entgleiste! Vor dem Weichensteller machte er eine Bauchlandung im Gras, gefolgt von seinem Waggon.

Gletsch stieß einen saftigen Fluch aus und rappelte sich wieder auf. Der Dampf hatte sich inzwischen verzogen. Aber im entscheidenden Moment hatte er die Sicht versperrt.

„Du Trottel!“ fuhr das Krokodil den Mann an.

„Tut mir leid, aber der Dampf! Ich konnte nichts sehen und wusste nicht, wann ich die Weiche umstellen sollte!“

„Na warte! Der lernt mich noch kennen!“ knurrte Gletsch und setzte seinen Weg fort. Der Sturz ins Gras hatte keine Schäden hinterlassen und es war erlaubt, weiter am Rennen teilzunehmen. In der Liga wäre er jetzt ausgeschieden.

„Hahaha! Jaa! Wir konnten unsere Position halten! Rusty, das war toll!“ jauchzte Dustin. Er war es, der Gletsch den Rempler verpasst hatte.

„Ich wusste gar nicht, das Du auch angreifen kannst.“ sagte Rusty.

Dustin grinste. „Schubsen kann doch jeder.“

„Jaa..vor allem wenn man so schwer und klobig ist.“

„Da vorne ist schon der Kehrtunnel!“

Noch einmal stieg die Strecke an, ehe sie im Kehrtunnel ihren höchsten Punkt erreichte. Alpin rauschte mit dröhnendem Motoren hinein, gefolgt von Rusty und Gletsch. Die Dampflok folgte dem Leuchten der Scheinwerfer vor sich. Deutlich bemerkte sie die weit auslaufendene Kehre um 180°. Rusty beobachtete, wie Alpin sich speziell in die Kurven legte, damit er sie schneller und besser nehmen konnte. Die Dampflok versuchte es nachzumachen und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Dann waren sie aus dem Dunkeln heraus.

„Da vorne ist die nächste Weiche! Schneller, Rusty!“

Die kleine Dampflok keuchte und schnaufte, ihre eiserne Lunge schmerzte bereits. Rusty war solche Anstrengungen nicht mehr gewöhnt, doch diesmal wollte er nicht klein beigeben. Er war doch eine Schnellzuglok, verdammt!

„Ich darf Casey nicht enttäuschen! Ich darf nicht! Verdammt, ich will auch mal der Erste sein!“ dachte Rusty mit zusammengebissenen Zähnen. „Brenne, Feuer! Brenne heiß und gib mir die Kraft, schneller zu werden!“

Und er schaffte es, aufzuholen, sodaß er über die Weiche auf das Nebengleis gelangen konnte! Allerdings konnte ihn jetzt Gletsch auf dem Hauptgleis wieder überholen.

Plötzlich landete etwas klirrend zwischen dem Schotterbett. Eine Mutter, samt Schraube und ein Stück rostige Verkleidung.

„Hey, ich würd nicht so rasen! Du fällst schon auseinander!“ höhnte Gletsch, der Rusty bedrohlich nahe gekommen war. „Gleich bist Du wieder an letzter Stelle!“

„Vergiss es!“ presste Rusty hervor.“Und wenn ich in Einzelteilen am Ziel ankomme, ich lass den nicht mehr vorbei!“

„Kugelblitz!“

Eine Elektroattacke traf Rustys Helm. Dustin grinste und streckte dem Krokodil die Zunge heraus.

„Ätschbätsch! Hat ihm gar nicht wehgetan!“ feixte er.

„Kabelpeitsche!“

Das sirrende Ende eines Elektrokabels traf Dustin am Oberschenkel. Dustin drohte wegzuknicken, biß aber die Zähne zusammen und hielt sich wacker aufrecht.

„Das hat wehgetan!“ klagte er.
 

Mit Ach und Krach rutschte Rusty über die nächste Weiche auf das Hauptgleis zurück. Gleich darauf wurde er von einer Schädelwumme des Krokodils vorwärtsgeschleudert, als Dustin auf ihn prallte. Es schepperte und quietschte ordentlich.

„Mann, ist der nachtragend!“ knurrte die Dampflok.
 

„Da kommen sie!“ rief Dinah. Sie und Casey hatten das Rennen via Monitor verfolgt.

„Ich glaubs nicht! Er konnte seinen zweiten Platz halten! Weiter so, Rusty!“

„Und nun laufen die Teilnehmer in die Zielgleisgeraden ein! Alpin rechts, Rusty in der Mitte und Gletsch links!“

Mit Schrecken musste Rusty feststellen, das nun beide Gegner auf gleicher Höhe mit ihm liefen!

„Los, Alpin! Nehmen wir ihn in die Zange! Er läuft genau zwischen uns!“

„Oh schreck! An denen komme ich nicht vorbei!“ schluckte Rusty.

„Rusty, nun hab doch nicht immer Angst vor ihnen! Komm, fahr zu, ich will nicht, das Casey traurig ist! Ich will diese Plakette genauso gewinnen, wie unser kleiner Lehrling!“ sagte Dustin.

„Krrr...Du hast recht! Ich muss endlich mal aufhören, ständig zu kuschen!“ knurrte Rusty und stieß einen wütenden Schrei aus!

„Schön hierbleiben, Kleiner!“

„Nenn-mich –nicht-Kleiner!“

„Kabelpeitsche!“

Das Ende der Leitung schnellte abermals vor und wickelte sich diesmal um Rustys linkes Bein!

„Hab dich!“

„Der Mistkerl bremst uns aus!“

„Fahr dahin, wo Du hergekommen bist!“ rief Alpin und versetzte Rusty einen derben Faustschlag gegen die Brust!

„AAH!“

Rusty war, als würde im selben Moment etwas in seinem Inneren brechen.

„Das gibt ne Beule!“ bemerkte Dustin.

Nun begannen beide Loks auf den Armen einzudreschen.

„Ich muss etwas tun! –ja, das ist die einzige Möglichkeit! Da vorne ist schon das Ziel!“ dachte Rusty verzweifelt. Trotz der Schmerzen versuchte er sich zu konzentrieren.
 

„Also, wir sehen uns am Ziel!“ rief Alpin höhnisch und beschleunigte.

„Wasserstrahl!“

Ein harter Strahl aus Rustys Tanköffnung traf genau Alpins Rücken! Die Lok verlor ihr Gleichgewicht und begann zu straucheln. Dustin unterdessen hatte das Kabel um Rustys Bein mit einer Hand ergriffen, zerrte es hoch und biß es einfach durch! Funken sprühten und er ließ die Leitung überraschend los. Durch den Ruck verlor auch das Krokodil für einen Moment die Balance und drohte auf seinen Waggon zu kippen.
 

Diesen Moment nutzte Rusty. Er zog an Alpin vorbei und passierte als Erster die Ziellinie, nur wenige Augenblicke nach Gletsch!

Alpin, der sich wieder gefangen hatte, hatte das Nachsehen.

„Das gibts doch nicht! Der Kleine Dampfer hat uns geschlagen!“ staunte er.

„Und dieser Tender hat einfach mein Kabel durchgebissen!“ murmelte Gletsch ungläubig.

„Der Bursche hat harte Zähnchen.“ meinte sein Waggon.
 

„Und der Sieger ist - Rusty, der Herausforderer! Es ist unglaublich! Der Außenseiter aus Kommoran gewinnt mit einem sehr knappen Vorsprung gegen Alpin, der Zahnraddieselbahn und gegen den zweiten Herausforderer Gletsch! Ein knapper Sieg, aber ein Eindeutiger! Somit hat er sich seinen Eintritt in die Liga gesichert und seine erste Plakette gewonnen!“ tönte es aus den Lautsprechern.

„Hurra, wir haben unsere erste Plakette gewonnen!“ jubelte Casey und fiel Dinah um den Hals. Das Waggonmädchen jauchzte und wirbelte übermütig mit dem Jungen herum.

„Mann, Rusty, Du hast es tatsächlich geschafft! Das Training hat doch was gebracht!“ rief Dustin und klopfte seinem Partner auf die Schulter. Dann aber merkte er, das etwas nicht stimmte.

„He, Rusty, was hast Du denn, Kumpel? Ist Dir nicht gut?“

Der Atem der kleinen Dampflok ging keuchend und stoßweise. Rusty jappste, als bekäme er keine Luft mehr und musste dann heftig husten. Besorgt sah Dustin auf die Druckanzeige auf dem Rücken seines Freundes. Sie war zwar hoch, befand sich aber noch außerhalb des roten Bereiches.

„Warte, ich helfe Dir!“ sprach der dicke Tender und nahm seinem Freund den Helm ab.

Auf einmal krümmte sich Rusty zusammen und sank auf die Knie, sein Husten wurde stärker.

Jetzt bemerkte auch Casey, das etwas nicht stimmte und eillte mit Dinah durch die Zuschauer zu seinem Lokpartner.

„Casey, ich glaube, mit Rusty ist etwas nicht in Ordnung! Er schnauft so komisch!“ sagte Dustin besorgt.

Der Junge hockte sich vor seinem Partner nieder. Aufgeregtes Gemurmel entstand unter den Zuschauern.

„Es sieht so aus, als gäbe es Probleme mit unserem Sieger.“ tönte es aus den Lautsprechern.

„Rusty, was hast Du denn? Wie kann ich Dir helfen?“ fragte er ängstlich.

Als Antwort begann die Lok immer heftiger zu husten, Wasser drang aus ihrer Nase und ihrem Mund und sie rang nach Luft!

Ratlos warf Casey einen hilfesuchenden Blick zu Dustin.

„Was kann da nur beschädigt sein? Wie kann ich Ihm helfen?- Hallo! Ist hier jemand, der meinem Freund helfen kann?“ rief der Junge in die Runde. „Ich habe ein Problem mit meiner Lok!“
 

Die Hilfe kam-durch einen hochgewachsenen Mann mit grauen Haaren und einem Schnurrbart.

„Er hockte sich neben Rusty nieder, ein kurzer Blick, und er wußte bescheid.

„Etwas stimmt nicht mit seinem Atemsystem! Er hustet Wasser aus, das bedeutet, sein inneres Wasserleitungssystem ist irgendwo undicht und die Flüssigkeit dringt in seine eiserne Lunge! Er muss sofort in Behandlung, sonst erstickt er! Und auch seine Lebensflamme!“ erklärte er ernst.

„Wäre es nicht besser, wenn er transformieren würde? Dann müßte er nicht direkt atmen!“

„Er hat nicht mehr die Kraft dazu! Dazu hat er sich bei dem Rennen zu sehr übernommen! Schnell, jetzt zählt jede Minute! Alpin! Gletsch! Ich brauche eure Hilfe!“

„Geht klar, Doc!“

Rusty hatte inzwischen das Bewußtsein verloren.

Alpin und Gletsch hatten schnell eine stabile Trage organisiert, auf die sie Rusty nun legten. Dann folgten sie dem grauhaarigen Mann, der sie in eine bestimmte Richtung führte. Casey, Dinah und Dustin folgten.

Das große, weiße Gebäude am Hang hinter dem Bahnhof war Ihr Ziel. Der Fremde öffnete das Rolltor mit einer Fernbedienung. Die beiden Loks mit Casey verschwanden im Inneren, die Freunde folgten voller Sorge.

Als Casey eintrat, erinnerte Ihn der große Raum eher an eine Klinik. Er erinnerte sich nicht gerne daran, in einer ähnlichen Klinik hatte seine Mutter Ihre letzten Lebenswochen verbracht. Und nun war sein bester Freund an so einem Ort und schwebte in Lebensgefahr.

Rusty wurde auf eine Art Behandlungstisch gelegt und der grauhaarige Fremde schob dem Bewußtlosen vorsichtig eine Art Luftschlauch in den Mund.

„Ich muß euch nun bitten, draußen zu warten.“ sagte er zu Casey und wies zu einer Tür auf der anderen Seite des Raumes.“ Alpin, Gletsch, Ich danke euch für eure Hilfe.“

„Keine Ursache, Doktor.“

„Doktor?“ wunderte sich Casey.

„Folgt uns.“ winkte Alpin und die drei Freunde schlossen sich den einheimischen Loks an. Casey warf Rusty noch einen besorgten Blick zu und murmelte:“Halt bitte durch! Du darfst jetzt nicht aufgeben!“
 

Hinter dem Behandlungsraum befand sich eine Art Wartezimmer. Casey nahm auf einem der unzähligen Stühle Platz, Pearl und Dustin blieben bei dem Jungen stehen.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Dr. Sammer wird deinem Freund sicher wieder in Ordnung bringen. Er ist ein Spezialist auf dem Gebiet und weiß mehr über uns Humanoid-Loks als jeder andere.“ versuchte Alpin Casey zu trösten.

„Seltsam. Wir haben doch gar nicht so fest zugehauen. Die Verkleidung fängt doch alle Schläge ab.“ meinte Gletsch zu Alpin. „Er hat sich wohl überanstrengt.“
 

„Ich mache mir große Sorgen! Hoffentlich habe ich bei Rustys Wartung keinen Fehler gemacht!“

„Das glaube ich nicht! Der Schaden sitzt im Innern, diese undichte Stelle hättest Du gar nicht bemerkt! Und sie ist sicher erst aufgebrochen, als deine Lok sich übernommen hat! Er ist wohl schon lange nicht mehr volle Pulle gefahren.“ meinte Alpin.

„Und dann noch mit meinem Gewicht hinten dran...Kein Wunder, das er so gejapst hat!“ bemerkte Dustin.“Das nächste Mal soll Rusty Dinah nehmen, dann hat er es leichter.“
 

Die Minuten verstrichen quälend langsam. Die beiden einheimischen Loks ließen die Freunde nicht alleine, sondern warteten mit. Auch sie wollten wissen, ob Rusty wieder auf die Räder kommen würde.
 

Endlich öffnete sich die Tür und Dr. Sammer betrat den Warteraum. Casey sprang von seinem Platz auf und rannte auf den grauhaarigen Mann zu.

„Wie ist es gelaufen? Wird mein Partner wieder gesund?“ fragte der Junge besorgt.

Dr. Sammer legte eine Hand auf Caseys Schulter und lächelte.

„Mach Dir keine Sorgen. Er hat es gut überstanden. Aber sein erster Sieg wäre beinahe sein Letzter gewesen! Ich dachte schon, als ich seinen äußeren Zustand sah, das seine inneren Teile auch stark durch Rost in Mitleidenschaft gezogen wären, doch das ist zum Glück nicht so. Innen ist er noch gut in Schuss.Die undichte Stelle in seinem Rohsystem entstand duch Überdruck, hervorgerufen durch Überanstrengung.“

„Die Wasserstrahl-Attacke.“ bemerkte Alpin.“Die war ganz schön hart!“

„Und Rusty hat sie zum ersten Mal eingesetzt!“ bemerkte Casey.

„Das könnte einer der Gründe sein. Der beschädigte Teil läuft durch den Wassertank. In die Bruchstelle lief deshalb das Wasser und von dort aus in sein Atemsystem. Ich musste das restliche Wasser ablassen, um Ihn vor dem Ersticken und dem Erlöschen seiner Lebensflamme zu bewahren und habe dann die Stelle repariert.“

„Dem Starlight sei Dank! -Aber woher kennen sie sich so gut mit Humanoid-Loks aus? Ich hätte nicht gedacht, das es einen Docktor dafür gibt!“

„Ich bin bisher auch der Einzige. Schon lange studiere ich die Physiologie unserer Freunde und Begleiter auf Reisen, um in Notfällen wie heute noch besser helfen zu können. Aber ich halte immer wieder Vorträge und Seminare für Betriebswerks-Meister ab. Im Maschinenmodus lässt sich eine Lok oder ein Waggon leichter reparieren. Man muß nicht auf das komplizierte Vitalsystem im Humanoid-Modus achten. Denn in dieser Gestalt sind sie uns sehr ähnlich, Casey. Ich habe zum Beispiel festgestellt, das sich die Außenhaut und einige innere Komponenten im Humanoid-Modus selbständig regenierieren können, wenn sie „verletzt“ oder beschädigt wird und wir sie durch Zusammenschweißen reparieren.“

„Ehrlich? Dann kann der Riss von alleine ausheilen?“

„Genau. Du brauchtst nichts mehr zu tun.“

„Danke, Doktor, das sie meinen Rusty gerettet haben!“

„Nichts zu danken.“ lächelte Dr. Sammer.

„Darf ich jetzt zu Ihm?“

„Aber sicher. Dann ist er nicht alleine, wenn er wieder aufwacht. Ich möchte Ihn dann noch zwei Tage zur Beobachtung hierbehalten.“

„Und wir kehren wieder zum Bahnhof zurück. Die Waggons fahren ja nicht von alleine.“ bemerkte Alpin und sein Freund Gletsch nickte.

„Ich möchte mich auch für eure Hilfe bedanken. Und das Ihr mit uns gewartet habt.“ dankte Casey den Beiden.

„Gern geschehen. Denn ihr drei und Rusty seid ein tolles Team! Besonders er und Dustin haben prima zusammengearbeitet und uns in die Pfanne gehauen. Und der Kleine hat ehrlich gewonnen! Wir sehen uns später im Lokschuppen!“

„Alles klar, Freunde.“

Casey war jedesmal von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die Ihm entgegengebracht wurde, sehr angetan und gerührt. Oft wünschte er sich dann, er hätte hier schon immer gelebt.
 

Leise betraten Casey, Dinah und Dustin wieder den Behandlungsraum. Rusty lag noch auf dem Behandlungstisch, die Augen geschlossen. Der Doktor hatte Ihn mit einem weißen Laken zugedeckt. Am Kopfende der Liege, auf einem Regal, erkannte Casey Rustys Oberteil. Dr. Sammer hatte einen Teil davon entfernt, damit der Kranke es leichter mit der Atmung hatte.

„Ist schon irre! Das ist ein richtiges Krankenhaus für humanoide Loks und Waggons!“ staunte der Junge und hockte sich neben seinen Lokpartner.

Es dauerte noch eine Weile, bis Rusty die Augen aufschlug. Zuerst hustete er noch etwas Wasser aus, doch dann konnte er wieder frei atmen.

„Hey, ich krieg wieder Luft!-Casey! Was war mit mir los? Ich spürte plötzlich diesen stechenden Schmerz in meinem Innern und dann bekam ich keine Luft mehr! Alles war voll Wasser!“

„Eine Zuleitung in deinem Atemsystem war undicht und Wasser aus deinem Tank ist eingelaufen. Danrum blieb Dir die Luft weg! Mann, ich hatte schon Angst Du überlebst es nicht!“ antwortete der Junge und fiel Ihm um den Arm.

„Tut mir leid, das Ich Dir so viel Sorgen bereitet habe.“

„Nein, ich muß dich um Verzeihung bitten! Ich habe dich gedrängt, teilzunehmen, obwohl ich wissen sollte, das Du noch nicht soweit bist!“

„Schon gut. Ich wollte Dir zeigen, das ich auch anders kann. Und trotz allem haben wir unsere erste Plakette gewonnen.“

„Aber das nächstemal mutest Du Dir nicht mehr zu, als Du kannst! Wenn es nicht mehr geht, hör auf. Ich bin Dir dann nicht böse.“

„Verstanden, Casey.“ nickte Rusty. „Und Du sollst nie wieder solche Angst ausstehen!“

„Tut Dir eigentlich noch etwas weh?“

„Ja, hier drinnen, an einer Stelle.“

„Das ist die reparierte Leitung. Du mußt noch zwei Tage hierbleiben, aber wir kommen dich besuchen.“

„Zwei Tage-hier alleine?“

„Wir sind doch nicht weit weg. Mach also keine Dummheiten und ruh dich aus. Und tu was Dr. Sammer sagt.“

„Dr. Sammer?“

„Er hat Dir das Leben gerettet.“

„Ah, Du bist wieder wach. Sehr schön.“

Dr. Sammer kam zurück und warf einen kurzen Blick auf den Patienten.

„Das sieht ja schon sehr gut aus. Noch zwei-drei Tage Ruhe und Du kannst wieder auf die Gleise.“ lächelte der Mann und ruffelte durch das strubbelige Haar der kleinen Dampflok.

„Dustin...“

„Ja, Kumpel?“

„Ohne dich hätte ich es nicht geschafft. Du hast bei der Attackenabwehr mitgeholfen. Wir waren ein richtig gutes Team. Du hast mich echt überrascht. Ich möchte, das Du von nun an bei den Rennen immer mein Waggonpartner bist.“

„Echt? Das fänd ich toll! Obwohl ich so schwer bin?“

„Gerade deshalb, Dustin.“ lächelte Rusty. Der dicke Tender lächelte zurück.

„Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft...“ zitierte Casey grinsend.
 

Forsetzung folgt...

Wiedersehen mit einem alten Freund

9. Wiedersehen mit einem guten Freund
 

Rustys Genesung schritt rasch vorran und zwei Tage später konnte er nach einem letzten Betriebstest die Spezial- Klinik wieder verlassen.

Zuvor aber hatte Dr. Sammer einen rundum-Check innen und außen an der kleinen Dampflok durchgeführt.

„Wie sieht es aus, Doktor? Hat Rusty eine Chance, für weitere Rennen?“ fragte Casey.

„Nun, ich habe sein Innenleben genau durchleuchtet und untersucht. Innen ist er noch gut in Schuß und kann härteren Belastungen standhalten. Keine Spuren von größerem Verschleiß oder Rost. Zumindest innen nicht. Außen an seinem Gehäuse sitzt der Rost zwar großflächig, aber er hat sich noch nicht tief in das Metall gefressen. Man kann es also mit Abschleifen und Lakieren beseitigen. Und Rusty muß sich mit seinem Training langsam steigern. Dann hat er durchaus Chancen auf weitere Siege. Das ist wie bei uns Menschen, weißt Du?“

„Das bedeutet, ich werde nicht auseinanderfallen, wenn ich noch schneller werde?“

„Haha, nein, Rusty!“ lachte Dr. Sammer.“Du bist zwar schon etwas älter, aber dafür auch stabil gebaut! Eine ordentliche Qualitätsarbeit! Du hältst schon etwas aus, keine Bange! Außerdem bist Du ja als Schnellzuglok konstruiert worden! Klein, aber schnell. Nur die wenige Arbeit der letzten Zeit hat dich lahm und schwerfällig werden lassen.“

„Dann bin ich erleichtert!“

„Er darf nur nicht in der Pflege und Wartung vernachlässigt werden! Das scheint in den letzten Jahren der Fall gewesen zu sein, doch es hat Ihm kaum geschadet.“

„Keine Sorge! Bei mir ist Rusty in besten Händen!“

„Das glaube ich Dir.“
 

Vom Bahnhofsvorsteher bekamen Casey und sein Lokpartner dann feierlich die erste Plakette überreicht und die erste Bestätigung in den Liga-Unterlagen.

„Toll! Wir haben unsere erste Plakette! Jetzt sind wir in der Wettkampf-Liga! Und wenn wir weiter fleißig trainieren, werden bald mehr Plaketten folgen!“ rief der Junge triumphierend und hob sie hoch über seinen Kopf. Für die Plaketten hatte Casey eine besondere Mappe bekommen, in welcher sich mehrere längliche, rechteckige Hüllen befanden. Am unteren Ende der untereinander angeordneten Hüllen schob er dann die erste Plakette ein.
 

Am nächsten Tag nahmen die Freunde Abschied von Juti und seinen freundlichen Bewohnern. Und mit einigen guten Ratschlägen von Dr. Sammer im Gepäck setzte Casey seine Reise nach Emmenthal fort.
 

Der Schienenstrang führte jetzt häufiger durch Täler oder an Berghängen entlang, auch die Steigungen waren nicht mehr so extrem. Das Hochgebirge lag bald hinter ihnen und Rusty dampfte munter voran.
 

Gegen Mittag hielten sie auf einem Nebengleis das an einer blühenden Almwiese lag. Auf diesen kurzen Abzweigunen, die meist an einem Prellbock endeten, standen normalerweise immer die Kesselwagen mit der Milch zur Abholung.

Casey warf sich übermütig in das Gras, Dustin machte es ihm nach. Dabei stoben Gras und Blumen nach allen Seiten.

Weiter oben am Hang konnte der Junge dann die Milchproduzenten weiden sehen. Die Geschöpfe ähnleten sehr den irdischen Kühen, nur hatten sie längeres Fell und gegabelte Hörner.

„So liebe ich meine Mittagspausen.“ seufzte Casey zufrieden, als er sein Essen verputzt hatte.

„Wir sollten langsam weiter. Bis Emmenthal ist es noch ein gutes Stück.“ meinte Rusty.

„Wenn Du wieder fit bist, okay.“
 

Als die Abendsonne die Berge in ein glühendes Rot tauchte, konnte Casey in der Ferne die Lichter einer Stadt ausmachen.

„Das muss Emmenthal sein! Jetzt dauert es nicht mehr lange!“ rief er.

„Dem Starlight sei Dank! Ich spüre schon wieder all meine Gelenke!“ klagte Rusty.

„Haha, keine Sorge! Ein bischen Öl und sie laufen wieder wie geschmiert!“

„Ein wahres Wort!“
 

Als es dunkel wurde, lief der kleine Zug endlich im Hauptbahnhof ein.

„Tssshhh! Puuuh! Endlich da!“ schnaufte Rusty. Casey stieg aus und sah auf seine Uhr.

„Ich schau mal, ob im Büro des Stationsvorstehers noch jemand ist, wegen der Formalitäten.“

Tatsächlich traf Casey dort noch jemanden an.

„Willkommen in Emmenthal, mein Junge. Wenn Du nur zehn Minuten später gekommen wärst, wärst Du vor verschlossener Tür gestanden.“ sagte der stellvertretende Stationsvorsteher.

„Glück gehabt. –Sagen sie, wissen sie zufällig, ob ein Lehrling mit Namen Loisel hier ist?“

„Da hast Du noch mal Glück! Er ist erst gestern mit seinem Partner Krokodil zurückgekehrt. War in Pretonia und hat eine neue Plakette gewonnen.“

„Prima!“

„Kennt ihr euch?“

„Ja, wir sind uns in Kommoran begegnet.“

„Ach ja. Das Rennen gegen euren Favoriten ist leider nicht so gut ausgegangen.“

„Ja, leider.“

„Du bist im ersten Lehrjahr, sehe ich. Unser Loisel bereits im zweiten.“

„Ich hab auch erst vor einigen Monaten die Aufnahmeprüfung gemacht.“

„Ich sehe auch, das Du in einem Monat erst vierzehn wirst. Da hast Du noch einiges vor Dir.-Du findest Loisel im grünen Lokschuppen auf dem Betriebswerksgelände. Aber es ist schon spät. Du solltest bis morgen warten.“

„Mach ich. Vielen Dank.“
 

Bevor Casey zu seinem Zug zurückkehrte, schlug er noch kurz den Weg zu den Duschräumen ein, die es ja auf jedem größeren Bahnhof gab. Sein Waschzeug hatte er in seiner Umhängetasche mitgenommen.
 

„Und?“ fragte Dinah, als Casey zurückkehrte und einstieg.

„Alles klar. Loisel ist auch hier. Morgen fahren wir ins Betriebswerk hinter dem Bahnhof und besuchen ihn. Ich freu mich schon drauf, ihn wiederzusehen!“

„Dann werden wir auch Krokodil und Bella wiedersehen.“

„Genau. Hast Du gehört, Rusty?-Rusty?“

Casey hatte ein Fenster hinuntergeschoben und blickte nach vorne. Die Dampflok rührte sich nicht. Sie stand reglos auf den Gleisen, nur hin und wieder entwich ihr ein leises Zischen.

„Das gibts nicht. Pennt der Kerl schon?“

„Es war ein harter Tag für ihn, Casey.“

„Stimmt. Weite Strecken schrecken ihn noch immer ab.“

Auch von Dustin war ein leises Schnarchen zu vernehmen.

„Dein Abendessen steht auf dem Tisch, kleiner Lehrling.“

„Danke Dinah. Ich geh danach auch schlafen.“
 

Am nächsten Morgen trat Casey auf den Bahnsteig, gähnte und reckte sich.

„He, morgen, Rusty! Aufwachen, Kumpel!” rief er und klopfte gegen eines der großen Treibräder. Als sich nichts tat, klopfte er mit der flachen Hand gegen den Kessel. „Aufwachen, Du Schlafmütze!“

Erst jetzt kam Bewegung in die kleine Dampflok. Sie transformierte gähnte und reckte sich ebenfalls.

„Was weckst Du mich schon so früh auf?“ brummte sie.

„Wir wollen zum Betriebswerk! Da kannst Du dich weiter ausruhen.“

Rusty setzte sich auf den Bahnsteig und kratzte sich hinter dem Ohr. Dann blickte er auf die große Uhr, die von der Hallendecke des Bahnhofs herunterhing.

„Acht Uhr? Kann das nicht noch etwas warten?“

„Sei nicht so träge. Ich will Loisel wiedersehen. Und außerdem ist ein Lokführer kein Langschläfer.“
 

Also rollte fünfzehn Minuten später der kleine Zug im Humanoid-Modus aus dem Bahnhof. Einige Kinder riefen erfreut „Schau mal Mama!“ lachten und winkten. Dinah lächelte und winkte zurück, Dustin lüftete grinsend seinen Helm. Auch Casey, der hinter Rusty auf seinen Rollerblades fuhr winkte lächelnd den Kindern nach.

„Wenn ich groß bin, will ich auch solche lustigen Freunde.“ lachte das kleinste der Kinder.
 

Das Betriebswerk kam gleich nach dem Bahnhof und lag rechter Hand auf einem mit Bäumen bewachsenen Gelände. Genauso idyllisch war auch das Gelände in Kommoran.

„Da! Der große, grüne Lokschuppen! Junge, das ist ja ein Halbrundschuppen! Da gibts mindestens zehn Stellboxen!“

„Kein Wunder. Emmenthal hat ja auch eines der am besten ausgebauten Schienennetze des Kontinents!“

Die Stimme gehörte einer braunen Krokodillok im Humanoidmodus. Sie überragte Rusty um zwei Köpfe.

„Bist Du...Alligator?“ fragte Casey.

„Ho, Du kennst mich? Hast wohl über mich gelesen.“

„Loisel hat mir von Dir erzählt. Als er in Kommoran war.“

„Krokodils Lehrling! Dann musst Du Casey Jones sein! Loisel hat mir erzählt, wie Du ihm geholfen hast, nach der Panne beim Rennen. Du hast es also geschafft und bist nun Lehrling im ersten Jahr.“

„Genau.“

Im nächsten Moment ließ Alligator sein Signalhorn erschallen und rief:“Loisel! Hier ist Besuch für dich!“

Rusty hatte sich erschrocken die Ohren zugehalten.
 

Krokodil und Bella kamen aus dem Lokschuppen gerollt.

„Da sind Rusty und Casey! Hallo!“

Beide kamen auf die Besucher zugerollt.

„Schön euch wiederzusehen.“

„Hey, Casey!“

Ein bekanntes Gesicht lugte aus der Steuerkabine der Drehscheibe vor dem Schuppen.

„Loisel!“

Der Junge sah, wie sein Lehrlingskollege drinnen etwas mit einem Betriebsmitarbeiter besprach und die Drehscheibe dann stoppte. An der Steuerkabine ging eine Tür auf und Krokodils Lehrling sprang heraus. Freudestrahlend lief er auf die kleine Gruppe zu. Es gab eine herzliche Begrüßung.

„Toll, Du hast es also auch geschafft und gehst auf Reisen.“

„Ja, Loisel. Und stell Dir vor, wir haben schon eine Plakette gewonnen!“

„Wirklich? Gratuliere! Dann seid ihr also schon in der Liga. Aber ihr habt noch viel vor euch.“

„Ich habe gehört, Du hast ebenfalls eine neue Plakette gewonnen.“

„Ja, habe es in Pretonia versucht und gegen Bobo gewonnen. Es war ein hartes Stück Arbeit, der Bursche ist eine echte Hochgeschwindigkeitslok! Aber nun kommt erst einmal mit in unseren Lokschuppen.“
 

Wenig später saßen alle unten in Krokodils Stellbox zusammen und erzählten von ihren Erlebnissen. Dann ließ Casey sich im Betriebswerk herumführen und Loisel zeigte seinem Freund, wo er Rusty „versorgen“ konnte. Loisel half ihm dabei und mit vereinten Kräften wurde die Dampflok wieder fahrbereit gemacht.

„Sag mal, kannst Du mir so einfach helfen? Was ist mit deinen Arbeiten?“

„Ich bin gerade in die Arbeit an der Drehscheibe eingewiesen worden, als ihr eingetroffen seid. Mein Kollege weiß bescheid. Und Dienst habe ich erst morgen früh wieder.“

„Und wann gehst Du wieder auf Reisen?“

„In zwei Wochen. Dann wollen ich und Krokodil es in Technopolis mit Volta versuchen.“

„Wow, Du bist schon in der B-Liga!“

„Ja, und Alligator ist ein A-Ligist! Aber es wird ab der C-Liga immer schwerer, die Gegner zu schlagen! Je nachdem, wie stark deine Lok ist. Manche brauchen Jahre, bis sie weiterkommen.“

„Schließlich war Rusty wieder fertig und transformierte zurück in den Hummanoid-Modus.

„Danke, Jungs. Mir gehts gleich wieder besser, ohne die ganze Schlacke in meinem Bauch und mit einem frisch gefüllten Wassertank und Tender auf dem Rücken.“

„Sag mal, Loisel, gibt es hier die Möglichkeit, Rustys Roststellen zu bearbeiten? Ich hab mit dem Anstrich ja bereits angefangen, wie Du siehst.“

„Ja, in unserer Werkstatt gibt es alles, was Du brauchst. Wir gehen nach dem Mittagessen zum Betriebsmeister. Ich helfe Dir dann dabei.“

„Toll, das ist nett von Dir!“

„Ist doch Ehrensache unter Lehrlingen. Die Älteren helfen den Jüngeren und bringen ihnen genauso etwas bei.“ lächelte Loisel und sah auf seine Hände.“ Beim Starlight. So schmutzig war ich schon lange nicht mehr nach getaner Arbeit. Komm, waschen wir uns erstmal den ganzen Ruß ab und dann gehts zu Tisch.“

„Und Du Rusty, wartest so lange. Nachher machen wir mit deinem Anstrich weiter.“

„Schon wieder abschleifen? Oh nein...“

„Sei doch nicht so wehleidig! Das Schleifen tut Dir doch gar nicht weh!“
 

Kurz darauf saßen beide frisch geduscht und in sauberen Sachen in der großen Kantine und ließen es sich schmecken.
 

„Was tust Du da, Rusty?“ fragte Dinah, als sie die Dampflok bemerkte, welche lächelnd durch das Fenster in den Speiseraum sah.

„Ich bin das erste Mal, seid wir Kommoran verlassen haben, glücklich. Kein Greaseball und keine Diesel, die mich ärgern, ein Lehrling, der sich liebevoll um mich kümmert und mich um meiner selbstwillen mag. Und auch Casey ist glücklich.“ seufzte Rusty. Dinah lächelte.

„Das freut mich für dich. Diese Reise war das Beste, was uns passieren konnte.“

„Genau, Dinah. Und ich werde mir von nun an noch mehr Mühe geben.“
 

Den ganzen Nachmittag bis Dienstschluss verbrachten die beiden Lehrlinge damit, Rustys rostige Stellen weiter abzuschleifen und danach zu lakieren. Die kleine Dampflok hielt tapfer durch und konnte sich nach getaner Arbeit über eine weitere Verschönerung freuen.

„Na also. Die Hälfte ist geschafft.“ lächelte Loisel.
 

Später saßen die beiden Jungen in Loisels Zimmer zusammen und der Ältere gab dem jüngeren noch ein paar nützliche Tipps. Was er in den anderen Ländern beachten sollte oder welche Gleisrouten die besten waren. Dann erhob sich der größere Junge und zog eine Metalltruhe unter dem Bett hervor.

„Casey, ich möchte Dir etwas geben.“

„Was denn?“

Loisel kramte der großen Kiste und förderte ein Kleiderbündel zu Tage.

„Schau, der Mantel stammt noch aus meinem ersten Lehrjahr. Jetzt ist er mir zu klein geworden. Aber Dir passt er bestimmt. Er ist kaum getragen.“

„Oh, wow! So einen warmen Mantel habe ich gar nicht!“

„Die gehören bei uns zur Ausstattung mit. Oben in den Bergen kann es im Winter ganz schön kalt werden! Kommoran liegt viel weiter südlich und hat milde Winter.“

„Hey, danke!“

„Schlüpf einmal rein.“

Casey zog sich den dicken Mantel an und trat dann vor dem Spiegel.

„Hm, mir ist er sogar noch etwas zu groß.“

„Haha, keine Sorge, Du wächst schon noch hinein.“

„Klar.-Da fällt mir ein, ich werde in den nächsten drei Jahren sicher auch wachsen! Was mach ich, wenn mir meine Sachen unterwegs zu klein werden?“

„Dann rufst Du bei Dir zu Hause an und sagst, das sie Dir drei neue Uniformsätze schicken sollen.“

„Das wird sicher lange dauern, wenn ich weiter weg bin...“

„Nun, es gibt den Express-Zug Versand oder Luftpost.“

„Luftpost? Heißt das, ihr habt auch Flugzeuge hier?“

„Noch nicht sehr lange. Die ersten Flugmaschinen wurden in Elektanis entwickelt und gebaut. Der schnellste ist der Doppeldecker PJ-101. Und der beste Pilot ist Douglas Darewing, seine Basis liegt nahe Technopolis. Und wenn etwas schnell geliefert werden soll, ist er der Beste.“

Loisel wies zur Wand, an der ein Plakat hing. Darauf war ein leuchtend blauer Doppeldecker abgebildet und davor salutierte ein schneidiger blonder Mann in einer Fliegermontur.

„Oh, verstehe. Aber das ist sicher auch ein teures Vergnügen. Na, noch ist es ja nicht soweit. Auf jeden Fall vielen Dank für den tollen Mantel! Der ist echt spitze!“

„Und hier noch ein paar Winterstiefel.“

„Toll!“

„Ach ja. Und mein Regencape. Da komm ich auch nicht mehr rein.“

„Prima! Mein Eigenes hat nämlich ein riesen Loch, weil mir da glühende Asche draufgefallen ist. Ich musste das kokelnde Teil schnell ausziehen und dann landete es auch noch in einer Pfütze! Peinlich, Peinlich! Gut das es keiner gesehen hat!“

„Ach, das passiert nun mal, wenn man mit Dampfloks arbeitet. Dafür kriegst Du auch meins.“

„Danke, Loisel. Find ich riesig nett von Dir.“

„Kein Problem. –Es wird Zeit fürs Abendessen. Lass uns nach unten gehen.“
 

Zum Lokschuppen gehörte auch eine Küche. Schnell waren ein paar Brote belegt und kurz darauf saßen beide an einem der beiden Esstische.

„Sag mal, Loisel. Wo wohnen denn deine Eltern?“

„In einem Dorf in den Bergen. Meine Eltern sind eigentlich Bauern, aber ich wollte unbedingt Lokführer werden. Ich habe aber noch zwei jüngere Brüder, die auf dem Hof mithelfen. So hab ich also mein Ränzel gepackt und bin hierhergezogen. Natürlich besuche ich sie, wenn ich länger frei habe. Den Käse, den Du da isst, haben sie übrigends selbst gemacht.“

„Wie? Toll! Und der schmeckt auch!“

„Was die Liga betrifft, würde ich es mal in Taiga-Drubania versuchen. Der Favorit Turnov ist in der E-Klasse.“ wechselte Loisel das Thema. „Du musst weiter nach Norden fahren, dann kommst Du dorthin. Um diese Jahreszeit liegt dort viel Schnee. Die Sommer sind dort nur kurz.“

„Da wird mir dein Mantel gute Dienste leisten.“
 

Schließlich war es Zeit zum Schlafengehen. Casey lag noch eine Weile wach und blätterte in dem Handbuch für Lokrennen. Er wollte sehen, wo man am besten die nächsten Plaketten gewinnen konnte.

„Pretonia...hier. Favorit ist dort zur Zeit ein gewisser Bobo.....Elektanis...Favorit Volta. Nein, der ist in der A-Liga. Gegen den können wir noch nicht antreten....Torrone....Favorit Espresso.” murmelte er.

Zur Erinnerung blätterte er noch einmal zu den Regeln, die für die Rennliga galten.

„Also: F-Liga: 1-3 Plaketten. E-Liga: 4-5 Plaketten, D-Liga: 6-7 Plaketten. Dann die Oberliga. Um in die Oberliga aufzusteigen, müssen wir zwei weitere Plaketten von C-Ligisten gewinnen. Wird n´hartes Stück Arbeit. Aber wir haben ja noch Zeit. Meine Ausbildung hat gerade erst angefangen. Mal sehen, wie weit wir im ersten Lehrjahr kommen. Weiter...B-Liga: 10 Plaketten und für die A-Liga noch mal zwei Siege gegen A-Ligisten. Also insgesammt 12 Plaketten. Und ab der 13. ist man ein Superior-A. -Ab 12 Plaketten können wir beim großen Finalrennen mitmachen. Das nächste ist in drei Jahren, hat Mr. Corell gesagt. Genau dann, wenn ich mit meinem dritten Lehrjahr fertig bin. Bis dahin müssen wir es schaffen, sonst dauert es nochmal drei Jahre!“

Murmeld las der Junge weiter.

„Eine Lok der Unterliga darf nur gegen andere Loks der Ligen F-D laufen. Erst wenn sieben Siege errungen wurden, kann gegen C-Ligisten angetreten werden. F-D Ligisten gibt es viele, nach oben hin wird es immer dünner...wie eine Pyramide. Ein C-Ligist darf es auch gegen einen A-Ligisten versuchen. Das hat Loisel ja mit Krokodil. Hat aber nicht geklappt. Er hat jetzt neun Plaketten. Schafft Loisel noch eine, ist er bereits in der B-Liga.“

Schließlich übermannte Casey die Müdigkeit und er legte das Buch beiseite. Kurz darauf fielen ihm die Augen zu.
 

„Du willst also weiter nach Taiga Drubania.“ bemerkte Loisel, als beide am nächsten Morgen beim Frühstück zusammen saßen. Casey nickte.

„Wann wollt ihr aufbrechen?“

„Am besten noch vor dem Mittagessen. Ich will noch ein paar Dinge besorgen gehen.“

„Ich begleite dich. Sag mir was Du brauchst und ich bringe dich in den passenden Laden.“
 

Die Einkäufe waren schnell erledigt und Dinah half Casey beim Packen. Dann wurde es Zeit, Abschied zu nehmen.

„Viel Glück bei der Rennliga, Loisel. Ich bin gespannt, wann Du die zwölfte Plakette erringen wirst.“

„Ich lass es dich wissen, wenns soweit ist.“

„Und ihr beide traniert fleißig weiter. Turnov ist kein allzuschwerer Gegner, aber mit jedem Level werden die Gegner schwieriger zu schlagen.“ sagte Krokodil zu Rusty und Dustin.

„Hehe, ich halte meinen Kumpel schon auf Trab.“ lächelte der dicke Tender.

Das Signal gab die Streke frei und Rusty setzte sich langsam in Bewegung. Casey, der sich hinter Dinah als letzter angehängt hatte, winkte seinen Freund nach.

„Alles Gute Loisel! Vielleicht treffen wir uns mal unterwegs!“

Schließlich waren die drei rätanischen Freunde in der Ferne verschwunden. Lächelnd sah Casey nach vorne.

„Taiga Drubania, wir kommen!“

Fortsetzung folgt...

Das Fürstentum der weißen Eulen

So, endlich wieder ein Kapitel fertig. Wie gesagt, bei mir dauert es zur Zeit etwas länger, da ich an meheren FFs arbeite. manchmal hab ich das Gefühl, ich schreibe und schreibe und komme nicht weiter. Dieses Kapitel ist etwas kürzer, aber das nächste wird wieder länger.
 

10. Das Fürstentum der weißen Eulen
 

Je weiter der kleine Zug nach Norden reiste, desto kälter wurde es. Unterwegs rasteten sie auf einem Bahnhof, der einen F-Ligisten beherbergte.

Casey forderte die Lok, einen älteren Diesel heraus und ließ Rusty gegen sie laufen. Das Rennen ging sehr knapp aus, doch der Zieleinlauf wurde immer aufgezeichnet und die Aufnahme ergab, das Rusty ein kleines Bischen schneller die Zielmarkierung passiert hatte. So gab es bereits die zweite Plakette.

„Ich muss mehr Vorsprung bekommen! Diese knappen Siege mag ich nicht.“ meinte Rusty.

„Das wird schon. Schau, unsere zweite Plakette! Und diesmal hattest Du keine Probleme nach dem Rennen! Dr. Sammer hat dich prima hingekriegt! Noch zwei weitere Plaketten, und wir steigen eine Liga auf!“ antwortete Casey.

„So schnell wird das nicht gehen. Ich bin einfach noch nicht gut genug. Ob das für Turnov reicht?“
 

Um nach Taiga-Drubania zu kommen, mussten sie zuerst noch das kleine Fürstentum Eulenstein durchqueren.

„Hier steht: Eulenstein ist das kleinste Land auf dem Kontinent. Oberster Regent ist Graf Nepomuk von Eulenstein. Aber sie haben immerhin ein Schienennetz von über hundert Kilometern.“ las Casey Rusty und den anderen vor, als er im Füherhaus der kleinen Lok auf dem Sitz neben dem Fenster hockte und in seinem Führer blätterte.“ He, die haben sogar einen F-Ligisten! Zwei Plaketten hat er gewonnen, wie wir! Der hat seinen Standort in Käuzchenfels. Das ist die Hauptstadt von Eulenstein. Da kommen wir auf unserem Weg vorbei.“

„Wie heißt er denn?“

„Lok Nr. 34 785. Genannt die „Fürstin“.

„Was? Das ist doch ein Mädchenname! Ist sicher n´ Druckfehler.“ bemerkte Rusty.

„Wieso? Vielleicht gibt es auch weibliche Loks. Bei mir zuhause bezeichnet man viele Dampfloks als „alte Damen“. Hast Du noch nie eine weibliche Lok gesehen?“

„Nö.“

„Lassen wir uns überraschen. Die Plakette holen wir uns auf jeden Fall!“
 

Das kleine Städchen war bald erreicht.

„Soso. Ihr wollt also gegen unsere „Fürstin“ ein Rennen laufen. Gut, ich sage im Betriebswerk Bescheid.“ erklärte der Stationsvorsteher.

In einer Ecke des Büros entdeckte Casey eine hölzerne Sitzstange mit einer kleinen weißen Eule.

„Sie haben aber eine schöne Eule, Mr.Gordon.“

„Eulenstein ist das Land der weißen Schneekäuzchen. Und es gibt auch noch andere Eulenarten hier bei uns. Die Meisten leben in den Felsen um die große Festung unseres Barons Nepomuk. Viele von uns haben eine als Haustier oder treuen Begleiter. Wie Du siehst, kann sie frei herumfliegen und wenn sie hinauswill, öffne ich einfach das Fenster. Eine zahme Eule kehrt immer wieder zu ihrem Herrn zurück.“

„Cool.“

„Einige nisten sogar auf dem Dachboden des alten Bahnhofsgebäudes.-So, ihr könnt jetzt hinüber ins Betriebswerk fahren. Dort erwartet euch die Fürstin. Ich komme gleich nach und zeige euch, wo das Wettrennen stattfinden wird. Und Cäcilia, so heißt meine Schöne hier, wird die Nachricht überbringen. Dann können die anderen alles schon vorbereiten.“

Als der Stationsvorsteher mit der Zunge schnalzte, flatterte die kleine weiße Eule auf seinen Arm. In eine Metallröhre hatte er einen kleinen zusammengerollten Brief gesteckt. Diese Röhre bekam die Eule nun um den Hals. Dann öffnete er das Fenster.

„Cäcila, flieg zu Johann in das Betriebswerk und überbringe ihm die Nachricht. Verstehst Du? Johann!“

Das Käuzchen zwitscherte kurz und flog dann zum Fenster hinaus.

„Toll! Eine Briefeule.“
 

Wenig später war Casey mit seinem Zug zum Betriebswerk unterwegs. Es lag etwas außerhalb der Stadt. Es war wie der Hauptbahnhof ein recht kleines Betriebswerk mit einer großen Lokhalle und einem Lokschuppen.
 

Ein hochgewachsener Mann in einer Lokführer –Uniform erwartete die Ankömmlinge bereits. Auf seiner Schulter saß Cäcilia, das weiße Käuzchen.

„Seid gegrüßt! Cäcilia hat mir bereits die Nachricht überbracht. Du willst also mit deiner Lok gegen unsere Fürstin antreten.“

„Stimmt genau.“

„Seid ihr auch in der F-Liga?“

„Ja, wir haben bisher zwei Plaketten gewonnen.“

„Und Du bist ein Lehrling im ersten Jahr, wie ich sehe. Darf ich dich um die Liga Unterlagen bitten?“

„Aber natürlich.“

Casey holte die Dokumente aus seiner Jackentasche. Dann folgte er dem Mann in ein kleines Büro, das an der Lokhalle angebaut war. Hier wurden nun die entsprechenden Einträge gemacht.

„In Ordnung.“ murmelte Johann.

Plötzlich begann Cäcilia aufgeregt mit den Flügeln zu flattern und zwitscherte. Gleichzeitig hörte man draußen das Zischen und stampfen einer Dampflok.

„Ja, Du hast es bereits bemerkt, Cäcilia. Kommt, ihr werdet bereits erwartet.“

Rusty hatte mit Dinah und Dustin vor dem Eingang der Lokhalle gewartet. Jetzt war das mittlere Tor offen.

„Begrüßt die „Fürstin“!“rief Johann.

„Häh? Aber das ist ja n´ Waggonmädchen.“ meinte Rusty, als die Erscheinung ins Freie gerollt war. Tatsächlich war dieses humanoide Gefährt weiblich. Es trug ein weites Kleid, das vorne einen Schlitz bis zur Hüfte hatte. In der Hand hielt es eine lange Zigarettenspitze, aus der es jetzt einen Zug nahm.

„Warscheinlich ein Raucherwaggon wie unsere Ashley. Wo ist die Lok?“ bohrte Rusty weiter.

„Pass auf was Du sagtst, Kleiner! Ich bin eine Dampflok wie Du!“

„Das kannst Du dem Starlight erzählen!“

„Rusty! Benimm dich!“ zischte Casey.

„Der Kleine glaubt mir nicht, hast Du das gehört, Johann? Was für ein unwissender, kleiner Bursche!“

„Zeig es ihm, Fürstin.“

Und vor allen Augen transformierte das weibliche Gefährt und wurde zu einer stattlichen, schwarz-glänzenden Dampflok.

„Das gibts nicht! Die ist tatsächlich ne Lok!“ wunderte sich Rusty.

Die Fürstin nahm wieder ihre humanoide Gestalt an.

„Na? Wieder was dazugelernt, Kleiner.“ lächelte sie und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarettenspitze.

„Und wo ist dein Tender?“

„Komme schon! War nur kurz am Kohlebagger!“

Ein kleinwüchsiger, pechschwarzer Tenderwaggon rollte heran.

„Ein Zwerg! Das wird ja immer seltsamer.“ dachte sich Rusty.

„Ich wusste nicht, das es hier auch weibliche Loks gibt!“ sagte Casey.

„Es gibt sie, aber wir sind sehr selten. Und ich bin die einzige weibliche Dampflok, die zwei Plaketten gewonnen hat. Das ist wohl nichts besonderes, werdet ihr sicher sagen, aber für uns ist es das! Wir sind nur ein kleines Land, aber sehr stolz darauf.“ antwortete die Fürstin.“Ah, und hier kommt Mimi, meine Rennpartnerin.“

Ein rundlich gebautes Waggonmädchen rollte aus der Halle.

„Oh, die ist aber süß!“ lächelte Dustin.

„Genau dein Fall, was?“ grinste Dinah, welche eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Beiden nicht abstreiten konnte.

„Mimi ist ein Güterwaggon.“

„Na toll, gibts hier fast nur Weiber?“ dachte Rusty sakastisch. Der kleine, schwarze Tender ist der einzige Männliche, den ich bisher gesehen habe...“

„Hallo, Ihr wollt gegen uns laufen?“ fragte Mimi und lächelte.

„Ääh...ja.“ nickte Dustin eifrig. Mimi kichderte zurück und der dicke Tender wurde ganz verlegen.

„He, Dustin! Vergiss nicht nicht, die sind unsere Gegner! Also lass dich nicht einwickeln!“
 

„Dann lauft ihr zu dritt gegen uns beide?“ fragte Rusty.

„Erraten, Kleiner! Mein Tender ist extra und nicht hinten angebaut wie bei Dir. Deshalb gillt Willi nicht als vollwertiger Waggonanhänger, sondern als Zusatzanhänger, da ich keine andere Möglichkeit zum Transport meiner Kohle habe.“ erklärte die Fürstin.

„Verstehe.“
 

Ein Hornsignal ertönte. Der Stationsvorsteher kam mit einer kleinen Motordraisine angefahren.

„Ah, jetzt kanns gleich losgehen.“ sagte Johann.“Da kommt Mr. Gordon.“

„Na, habt ihr euch schon bekannt gemacht?“ fragte der Stationsvorsteher.

Casey nickte.

„Dann folgt mir. Ich zeige euch, wo unsere Gleise für das Rennen sind.“
 

Hinter dem Hauptgebäude des Betriebswerks führten zwei gerade Gleise nebeneinander in die Ferne. Startpunkt waren die Bahnsteige.

„Hmph! Gegen die alte Lady gewinne ich doch locker! Die hat zwei Anhänger zu ziehen, ich nur einen.“

„Pass auf, Rusty! Mann darf einen Gegner niemals unterschätzen!“ warnte Casey.“Diese „alte Lady“ könnte dich ganz schön in die Pfanne hauen! Immerhin nennt sie zwei Plaketten Ihr Eigen.“
 

„Dustin, lass dich nicht von ihrem Lächen einwickeln!“ ermahnte Dinah noch einmal Rustys Anhänger.“Ich weiß, wie naiv Du sein kannst.“

„Ich bin nicht naiv! Ich weiß genau, das dieses Rennen wichtig ist!“

„Da bin ich aber mal gespannt.“
 

Loks und Anhänger nahmen Aufstellung. Johann nahm zwischen den Gleisen Austellung, in der Hand eine große, grüne Fahne.

„Das Wettrennen um eine Plakette der F-Liga von Eulenstein zwischen unserer Fürstin und dem Herausforderer Rusty aus Kommoran kann beginnen!“ rief er. „Auf die Gleise!-Fertig...“

Der Betriebsleiter hob die Flagge über seinen Kopf.

„LOS!“

Mit einem Ruck ließ Johann die Flagge niedersausen und beide Loks stürmten los! Selbst während des Rennens hatte die Fürstin ihre Zigarettenspitze dabei. Und die ältere Lokomotivendame übernahm die Führung.

„Mist! Die Alte hat wirklich was auf dem Kasten! Aber das lass ich nicht auf mir sitzen!“ knurrte Rusty und beschleunigte. Schließlich lief er auf gleicher Höhe mit Mimi. Dabei merkte er nicht, wie die Fürtstin ihrem Waggonmädchen heimlich ein Zeichen gab.

„Sandsturm!“

Eine kleine Klappe öffnete sich seitlich und eine feine Sandwolke traf die jüngere Dampflok.

„Uaah!-Schlacke und Rost! Die hat mir den meisten Sand zwischen die Räder geblasen! Jetzt bremst der mich aus!“

Tatsächlich kam die kleine Dampflok jetzt viel schwerer voran. Er schüttelte zweimal kurz je ein Bein während der Fahrt aus, um den hemmenden Sand zwischen seinen Rädern herauszubekommen.

„Na warte! Jetzt kriegt ihr was von mir!“

Als Rusty wieder aufgeholt hatte, versuchte er wieder seine neue Attacke.

„Wasserstrahl!“

Fürstin und Anhänger bekamen eine ordentliche Ladung Wasser ab.

„Hey, meine Frisur!“ kreischte Mimi. Ihre blonden Haare hingen ihr über das Gesicht.

Dustin zuckte entschuldigend lächelnd die Schultern.

„Nur ein Tipp, Kleiner. Verschieß nicht zu viel von deinem Wasser, sonst hast Du keinen Dampf mehr fürs Finish! Wasserstrahl ist ja ganz schön, aber man muss aufpassen, das man nicht alles für seine Attacke verschießt.“ erklärte die Fürstin.

„Grr...mist! Sie hat recht! Aber wenn die meint, ich bin ein dummer Junge, hat sie sich geirrt!“grollte Rusty in sich. Er ließ einige weitere Kohlebrocken in seine Feuerbüchse rollen, um mehr Dampf zu machen. Schnaufend und zischend beschleunigte er dann.

„Seht euch das an, Mimi und Willi, der Kleine ist ein richtiger Kämpfer!“lächelte die Fürstin.
 

Casey und Dinah verfolgten mit den übrigen Anwesenden den Verlauf des Rennens.

„Hey, was ist das? Das sieht aus, wie aus der Luft aufgenommen.“

„Richtig, Zwei unserer Felseneulen, die extra dafür ausgebildet worden sind, tragen kleine Kameras auf dem Rücken und übermitteln uns die Bilder. Sie sind etwas größer als unsere Schneekäuzchen und bestens für den Job geeignet.“

„Wahnsinn!-Ja, gut so Rusty! Du holst wieder auf!“
 

„Na, Kleiner? Glaubst Du, Du kannst immer noch gegen mich gewinnen?“

„Allemal!“

„Ho, das sind aber große Worte!“ lächelte die ältere Lok, nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarettenspitze und bließ Rusty die Rauchwolke genau ins Gesicht! Durch den Fahrtwind wurde der Rauch in den Helm gesogen und die Sicht der kleinen Lok vernebelt.

„Uaah! Öchö! Hust! Bäh, was raucht die denn für ein Kraut!“ hustete Rusty. Am liebsten hätte er den Helm abgeworfen. „Wie unfair! Das brennt sogar in den Augen!“

„Beim Rennen ist einiges erlaubt!“ grinste Willi. „Bereit, Mimi?“

Das Waggonmädchen nickte nur und im nächsten Moment vorführte der mittlere Anhänger einen Sprung. Dabei schwenkte ihn Mimi etwas auf Dustin zu, und ein gezielter Doppeltritt traf Dustins rechte Hand! Da der Gegner kleiner und leichter war, war dieses Manöver kein Problem für ihn.

„Au! Das hat wehgetan!“ jaulte der dicke Tender und ließ Rustys Kupplungsring los. Zum Glück behielt er die Linke am Griff.

„Das war nicht nett!“ knurrte Dustin und klemmte sich seine schmerzende Hand unter die linke Achsel.

Während Rusty mit tränenden Augen zu kämpfen hatte, übernahm die Fürstin wieder die Spitze.

„Da vorne ist schon das Ziel. Tut mir leid für dich, Kleiner. Aber das mit deinem Sieg wird wohl nichts.“

„Dampfstoß!“

„Daneben, Kleiner! Blindschüsse bringen nicht viel!“

„Ätsch, Dicker! Wir sehn uns im Ziel!“ frozzelte Willi und streckte die Zunge heraus. Mimi kicherte hämisch. Normalerweise konnte den gutmütigen Dustin nichts so leicht aus der Ruhe bringen. Doch die schmerzende Hand und der Spott der gegnerischen Waggons machten ihn richtig wütend. Sein sonst so freundliches Gesicht verzerrte sich und mit einem wilden Schrei packte Dustin plötzlich Rusty an der Tallie, hob ihn einfach von den Gleisen und schlenkerte ihn nach rechts! Und was geschah? Rustys Fahrgestell traf den behelmten Kopf von Willi, der plötzlich nur noch Sterne sah, beide Kuplungsringe seiner Lok losließ und entgleiste! Mit Mimi zusammen rutschte er das Schotterbett herab und ins Gras.
 

„Was zum Starlight....Dustin, was..!“ Die kleine Dampflok musste etwas abbremsen, als sie mit einem Ruck wieder auf die Gleise aufkam, nachdem Dustin ihn zurückgesetzt hatte und ruderte wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann erkannte er aber seine Chance. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Ziel, Mimi versuchte Willi wieder auf die Beine zu bringen, die Fürtin war stehengeblieben und rang verärgert die Arme.

„Das darf doch nicht wahr sein!“ rief sie.
 

Das selbe meinten auch Johann und Mr. Gordon.

„Und jetzt haben sie den Zieleinlauf passiert.“ erklärte der Stationsvorsteher.

„Tut mir echt leid, Sir. Das hat Dustin noch nie gemacht. Ist das gegen die Regeln?“

„Nein, die Fäuste fliegen oft bei einem Wettrennen, aber so etwas Verrücktes hat noch kein Waggon gemacht.“

„Und ich wusste nicht, das Dustin so stark ist...“ murmelte Dinah.
 

Derweil hockten Rusty und Dustin sich gegenüber auf dem Gleis.

„Sag mal, was sollte das gerade? Normalerweise ist es die Lok, die hauptsächlich die Attacken macht. Aber Du hast schon wieder...ich dachte, Du schmeißt mich gegen die Waggons! Wie hast Du mich überhaupt hochheben können?“

„Tut mir leid, Kumpel, aber ich war echt sauer, dieser Willi hätte mir fast meine Hand gebrochen. Tut jetzt noch immer weh.“

„Und da musstest Du mit mir zurückschlagen? Das war echt der verrückteste Sieg bisher. –Schau, jetzt kommen sie angerollt.“

„Dein Tender ist ja gemeingefährlich!“ rief Mimi, als die Fürstin mit ihrem Anhang am Ziel zum Stehen kam.

„Willi hat aber angefangen!“ maulte Dustin.

„Schluss jetzt ihr Beiden! Mr. Gordon wird entscheiden, ob der Sieg gewertet wird oder nicht.!“ erklärte die Fürstin.

Kurz darauf hielt die Draisine mit Casey, Johann und Mr. Gordon am Zielpunkt.

„Na das war ja ein verrücktes Finale! Ich habe geglaubt, ich seh nicht recht.“ sagte der Stationsvorsteher. Johann sah nach dem Tender und Mimi.

„Willi wird wohl morgen ne Beule haben.“ meinte das Waggonmädchen.

„Ich dachte schon, der Kerl schmeist seine Lok auf mich drauf!“ jammerte Willi.“Der entwickelt ne unglaubliche Kraft, wenn er sauer wird!“

„Wer hat nun gewonnen, Mr. Gordon?“ fragte Johann. Die beiden Eulen mit den Kameras waren auf seinem Rücken gelandet.

„Nun ja...diese Attacke des Tendes aus Kommoran war nicht gegen die Regeln. Schläge und Tritte sind ebenfalls erlaubt.“

„Davon hat Willi deutlich Gebrauch gemacht.“ brummte Dustin und hielt sich seine rechte Hand.

„Lass mal sehen.“ sprach Johann und besah sie sich. „Hmm....nur eine Prellung. Alle Glieder sind noch heil...nichts locker. Bei einem Menschen wäre die Hand längst gebrochen.“
 

„In Ordnung.“ entschied Mr. Gordon schließlich, als er sich noch einmal kurz mit Johann besprochen hatte und die Aufzeichnungen der Kameras noch einmal angesehen hatte, während er und die anderen mit der Draisine zurück zum Betriebswerk fuhren, die beiden Züge folgten. Auf der großen Drehscheibe vor dem Lokschuppen gab er dann das Ergebnis bekannt.

„Es war ein ordungsgemäßes Rennen, zwar mit ungewöhnlichen Attacken, aber mit keinen Unerlaubten. Deshalb ernenne ich Rusty und Dustin aus Kommoran zum Sieger und ihr erhaltet die Plakette von Eulenstein.“

„Ja! Unsere dritte Plakette!“ jubelte Casey.
 

Die Fürstin persönlich überreichte Rusty die begehte Trophäe.

„Da hast Du aber ganz schön Dusel gehabt, mein Kleiner. Aber es ist nicht immer gut, wenn der eine nicht weiß, was der andere tut. An eurer Zusammenarbeit müsst ihr noch etwas feilen.“ meinte sie.

Rusty nickte. „Das werden wir.“
 

„Die sieht ja echt toll aus! Seht nur, die weißen Eulen, die darauf abgebildet sind.“ sagte Casey, als Rusty die Plakette an ihn weitergab.

„Es gibt wirklich sehr schöne Plakettenmotive. Greaseball hat die Schönsten in seiner Box aufgehängt.“ erklärte Dinah.

„Aber das nächste Mal macht ihr nicht so ein Chaos während eines Rennens! Und Dustin-lass Rusty auf den Gleisen!“

„Versprochen.“ nickte der dicke Tender kleinlaut.
 

So ging ein aufregender Tag zu Ende.

„Schon drei Plaketten in so kurzer Zeit! Jetzt brauchen wir nur noch eine und wir steigen eine Liga auf! Bei diesem Sieg heute hattet ihr echt Dusel! Aber von nun an werden keine Loks oder Waggons bei einem Rennen von den Gleisen gestoßen! Vermeidet grobe Gewalt, wenn´s geht.“ erklärte Casey abends im Lokschuppen. „Sonst nimmt das noch einmal ein schlimmes Ende.“

„Wenn Du wüsstest, wie es bei manchen Wettrennen zugeht! Manche mussten schon wiederholt werden, weil sie in einer Schlägerei endeten! Zum Glück schützen unsere Helme uns vor dem Gröbsten.“ erklärte Rusty. Man darf den Gegner zwar attackieren, aber man muss dies während dem Laufen tun. Du solltest mal Greaseball erleben, wenn der zuhaut! Da hats schon manche Lok von den Gleisen gehoben! Steht sie dann nicht mehr auf, ist das Rennen gelaufen!“

„Verstehe. Na, da kommt ja noch einiges auf uns zu...“ murmelte Casey.

„Auf jedenfall hatten wir bis jetzt noch kein verlorenes Rennen.“ meinte Dinah.

„Aber Niederlagen wird es sicher auch geben.“
 

(Übrigends: Die „Fürstin“ gibt es wirklich. So heißt eine historische Dampflok der slowakischen Eisenbahn.)
 

Fortsetzung folgt...

Die drubanische Seele

Hallo,

endlich wieder ein Kapitel geschafft. Ich hoffe, ich habe die russischen Worte, die ich teilweise eingebaut habe richtig geschrieben. Eine Übersetzung gibts am Ende des Kapitels. Ich benutze übrigends keine original-Ländernamen sondern Phantasienamen, da dies ja auch eine andere,man kann sagen eine art "Spiegelwelt" ist.
 

11. Die drubanische Seele
 

Zwei Tage später passierten sie die Grenze nach Taiga-Drubania.

„Bis Vlak Selo sind es noch vier Tagesreisen! Taiga-Drubania ist ziemlich groß.“ bemerkte Casey, der in seinem Atlas blätterte.

„Ziemlich groß, kalt und öde!“ bemerkte Rusty.

„Warst Du etwa schon mal hier?“

„Nein, aber ich habe Reisende davon erzählen hören.“

Bald begann es zu schneien. Und mit Ödnis schien Rusty Recht zu haben. Endlose Wälder wechselten mit flachen Steppen. Und alles hielt sich im winterlichen weiß-grau. Dörfer gab es nur wenige und kaum größere Ansiedlungen.

„In Kolkograd frischen wir deine Vorräte auf. Dann geht es weiter zum Hauptbahnhof.“ erklärte Casey.

Am dritten Tag wurden der kleine Zug von einem Schneesturm überrascht und kam nur noch langsam vorran.

„Oh Mann ist das kalt! Wenn das so weitergeht, friert mein Rohrsystem ein!“ klagte Rusty.

„Bloß nicht! Wir müssen dein Feuer am Erlöschen hindern, vor allem deine Lebensflamme, denn wenn dein Rohrsystem einfriert, könnte es platzen!“ mahnte Casey und wedelte mit den Armen.

„Der Schnee wird auch immer tiefer! Wenn es weiter so schneit, bleiben wir noch mitten in der Wildnis stecken!“

„Uah! Schon passiert! Es geht nicht mehr weiter! Da kommt nur noch ein Schneepflug durch!“

„Außerdem wird es schon dunkel. Wir müssen wohl hier draußen die Nacht verbringen und warten, bis geräumt wird.“ meinte Casey.

„Unsere Ankuft ist auf jeden Fall in Kolkograd gemeldet worden. Und wenn wir nicht kommen, werden sie sicher jemanden uns entgegen schicken. Die Drubanier kennen ja die Tücken des Winters. Deshalb hat Elektanis auch die stärksten Schneepflüge für sie gebaut.“ erklärte Dinah.

„Du machst mich echt immer neugieriger auf dieses Land.“ bemekrte Casey.
 

So scharten sich wenig später die Freunde um Rusty, der seinen Kessel fleißig am Brennen hielt, um sich zu wärmen. Neben den tief verschneiten Gleisen hatte Casey mit Dustin eine Art Iglu errichtet, mit einem Loch im Dach, wo der Rauch von Rusty abziehen konnte.

Schließlich rückten alle zum Schlafen dicht zusammen. Der Iglu schützte die Freunde vor den eisigen Winden.
 

Ein unheimliches Geheul schreckte Casey aus seinem Schlaf. Er sah nach oben zum Rauchabzug. Gerade eben zog die Morgendämmerung herauf, es hatte zu schneien aufgehört.

Auch die Anderen waren erwacht.

„So heulen nur Wölfe! Hätt mich echt gewundert, wenn es die hier nicht geben würde!“ bemerkte der Junge. Alle hielten still und lauschten.

Plötzlich war auf einer Seite des Iglus ein leises Knirschen zu vernehmen, Schnee bröckelte an einer Stelle in Bodennähe aus der Wand.

Im nächsten Moment stieß ein blaubepelzter, eckiger Kopf knurrend durch die Wand!

„Oh nein! Die haben uns gewittert und jetzt graben sie sich durch unseren Iglu!“ rief Casey.

„Hoch mit euch! Stellt euch Rücken an Rücken! So können wir uns am besten verteidigen! Ich hab das mal in einem Film gesehen!“ rief Dinah und zerrte an Rustys rechtem Arm.

„Dinah hat recht! Bildet einen Ring!“

„Die wollen unseren Casey! An uns würden sie sich nur die Zähne ausbeißen!“ rief Dinah.

„Da brechen noch zwei durch!“

Inzwischen waren bereits drei der schlanken, dunkelblau bepelzten Wölfe in den Iglu eingedrungen.

„Lasst uns in Ruhe!“ rief Dustin und trat nach einem Wolf, der Casey zu nahe kam.

„Die wollen wirklich meinen Lehrling! Metall können sie nicht fressen!“

Casey hatte aus seinem Werkzeuggürtel seinen größten Schraubenschlüssel herausgeholt, den er nun wie einen Knüppel in seiner Faust hielt. Ob er damit allerdings viel ausrichten konnte, wusste er nicht.

„Rusty! Setz deine Attacken ein! Versuch sie zu vertreiben!“rief Dinah.“He, lass mein Kleid los!“

„Heißer Wasserstrahl!“

Der Strahl verbrühte zwei Wölfen das Fell, welche jaulend das Weite suchten. Allerdings waren durch die immer größer werdenden Löcher in der Schneewand weitere Tiere aufgetaucht.

„Das werden ja immer mehr? Haben sich hier etwa alle Wölfe Drubaniens eingefunden?“ knurrte Rusty. „Und ich kann keinen Wasserstrahl mehr einsetzen, sonst ist mein Tank leer!“

„Du solltest endlich mal eine Feuerattacke lernen, die könnten wir jetzt gut gebrauchen!“ meinte Dinah.

„Hau ab!“ rief Casey und ließ den Schraubenschlüssel auf die Schnauze eines Wolfes niedersausen, der nach seinem Arm schnappen wollte.

Rusty versuchte es mit seiner Pfeiff-Attacke, welche die Wölfe aber nur kurz ablenkte.

„Aaaah! Nicht, Kumpel! Unsere Ohren leiden genauso!“ rief Casey.

„Weg von unserem kleinen Lehrling!“ rief Dustin und setzte seine Fäuste ein. Die Freunde versuchten ihr bestes, sich gegen die nun acht Wölfe zu behaupten, doch sie konnten nicht verhindern, das sich zwei in Caseys Hosenbeine verbissen und ihn nach vorne zerrten. Der Junge verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Rücken!

„Casey! Runter von Ihm, ihr Biester!“

Dustin packte einen Wolf im Genick und Rückenfell und warf ihn im Hohen Bogen durch das Dach des Iglus, was dem Bau ein weiteres Loch bescherte.

„Aua! Lass meinen Arm los!“ protestierte Rusty und schüttelte den Räuber ab.

„Oh nein! Da kommen noch mehr! –Ist denn hier niemand? Wir brauchen Hilfe! Die fressen unseren Lehrling!“ rief Dustin und schleuderte zwei weitere Wölfe davon. Das Dach des Iglus war längst eingestürzt, immer mehr den blauen Räuber drängten über und durch die geborstene Schneemauer.
 

„Feuerzunge!!“

Eine Feuerattacke fegte heran und mitten in das Knäuel Wölfe, das jaulend nach allen Seiten auseinanderstob. Casey nahm die Arme von seinem Gesicht, die er schützend davorgeworfen hatte.

„Tanzender Kosak!!“

Mehrere kleinere Flammen trafen weitere Tiere, welche mit angesengtem Fell panisch die Flucht ergriffen, der Rest folgte. Nichts fürchteten Wölfe mehr als das Feuer.

„Das war knapp! Wem verdanken wir unsere Rettung?“ fragte Casey, als er sich von Rusty aufhelfen ließ.

Auf dem Gleis war ein großer Schneepflug aufgetaucht, der von einer großen, schweren Diesellok geschoben wurde. Sie war rot-grün lakiert, das wettergegerbtes Gesicht zierte ein Vollbart und eine rote Nase. Auf dem Kopf thronte eine braune Pelzmütze.

„Katjuscha! Da bin ich wohl gerade im rechten Moment gekommen!“

„Wer bist Du?“ fragte Rusty.

„Ich bin Turnov, stärkster Diesel von Taiga Drubania! Und wer seid Ihr, Katjuscha?“

„Ich bin Rusty aus Kommoran. Und das ist mein Lokführer-Lehrling Casey Jones. Unsere Waggons heißen Dinah und Dustin.“

„Willkommen, Freunde!!“ rief Turnov überschwenglich, hob den Jungen hoch und drückte Ihn an sich! Dann folgten zwei echte Bruderküsse rechts und links auf seine Wangen!

„Unnch! Auf jedenfall danke für unsere Rettung!“ keuchte Casey. Das selbe Ritual mussten Rusty, Dinah und Dustin über sich ergehen lassen.

„Mein Lokführer ist der lange Trinkoff! Aber der ist zuhause in Bahnhof von Vlak Selo ! Er hat mich beauftragt, die Strecke freizuräumen. Und das kann ich im Schlaf, Katjuscha! Wenn Kolja, mein Schneepflug –Partner so richtig loslegt, sind die Gleise im Nu frei! Sonst ziehe ich normalerweise den Transdrubanischen Express.“

„Da!“ nickte der Schneepflug, der und ebenfalls in den Humanoid –Modus gewechselt war.

„Ist es noch weit bis Kolkograd?“ fragte Casey.

„Nicht mehr weit, Briederchen Lokfiehrer-Lehrling! (Russischer Dialekt) Folgt den freigeräumten Schienen, die führen euch direkt dorthin, ich komme zurück, wenn ich fertig bin!“

„Alles klar!“

„Also, wir sehen uns in Kolkograd!“

Diesel und Schneepflug transformierten wieder uns setzten ihre wichtige Arbeit fort. Während Turnov schob, wirbelte Kolja den Schnee meterhoch durch die Luft und zur Seite.

„Das ist nicht nur ein Schneepflug, das ist auch ne Schneefräse! Die kommt überall durch!“ bemerkte Casey. „Also los! Auf nach Kolkograd!“

Rusty, Dustin und Dinah transformierten wieder und die Dampflok warf Ihre Scheinwerfer an. Auf den freigeräumten Gleisen kamen sie innerhalb drei Stunden in Kolkograd an.
 

„Aaach...endlich wieder im Warmen!“ seufzte Dinah und ließ sich in einer Box nieder. „Mein Wassertank war schon fast eingefroren!“
 

Nach den üblichen Formalitäten und einem kurzen Check-up beim Bahnarzt, fand sich Casey ebenfalls im Lokschuppen ein.

„Und?“ fragte Rusty.

„Alles in Ordnung. Die Wölfe haben nur meine Uniform angeknabbert, nicht mich. Nur ein paar leichte Zahnabdrücke, nicht der Rede wert. Aber Dinah wird meine Hosen und die Löcher in meinem Ärmeln flicken müssen.“

„Da bin ich aber erleichtert! Ich wünschte, ich hätte dich besser beschützen können!“

„Das hast Du. Du hattest überhaupt keine Angst diesmal.“

„Die Wölfe können mir nichts anhaben. Ich bin ja aus Metall.“

„Ist auch wieder wahr.“ nickte der Junge und streifte seinen Mantel ab. „Dinah? Du müsstest ein paar Löcher stopfen...“

„Ich seh schon. Die Wölfe. Na besser deine Uniform als Du selbst.“

Stellboxen und Wohnbereich für die Lokführer befanden sich im selben Stock, manche Lokschuppen besaßen kein oberes Stockwerk.

„Wo ist denn der Waschraum?-Ah da. Au Backe. Ganz schön rustikal.“

Ein Holzzuber und ein Badeofen, der noch mit Holz oder Kohle befeuert wurde, dann noch ein Waschbecken war die ganze Einrichtung. Casey zog die Ofenklappe auf, Glut war vorhanden.

„Da werd ich wohl etwas nachlegen müssen.“ meinte Casey und griff nach dem Metalleimer mit den Holzscheiten.
 

Am späten Nachmittag war auch Turnov mit Kolja wieder zurück.

„So die Strecke ist wieder frei! Jetzt können die Züge wieder fahren.“ sagte der Diesel.

Ächzend ließ er sich in einer freien Box nieder, die alte Matratze knarrte.

“Oh, hallo, Turnov.” grüßte Casey, welcher gerade aus dem Waschraum kam und sich einen dicken Pullover überzog.

„Alles noch dran?“

„Alles. Die Wölfe haben nichts von mir abgeknabbert.“

„Das ist gut.“ lächelte er.

„Sag mal, Turnov, was machst Du, damit deine Gelenke bei diesen Temperaturen nicht einfrieren?“ fragte Rusty. „Vor allem: Dein Kühlwasser im Tank, vereist das nicht?“

„Katjuscha! Ich trinke doch kein Wasser! Njet! Als echter Drubanier kommt für mich nur eines in Frage! Hier!“

Turnov holte eine Flasche hervor und nahm einen kräftigen Zug daraus.

„Damit friert Dir kein Rohrsystem mehr ein!“ rief er.

„Wenn es das ist, wofür ich es halte, verstehe ich, warum deine Nase so rot leuchtet, Turnov.“ bemerkte Casey. Der Diesel hatte sich erhoben und ließ sich neben Rusty in seiner Box nieder.

„Hier, Briderchen aus Kommoran, trink! Dann wirst Du auch nicht mehr frieren!“

Aus Neugier probierte Rusty einen Schluck.

„Rusty, vorsicht! Nicht so viel, das ist bestimmt....“ warnte Casey noch, doch es war schon passiert. Im nächsten Moment lief Rustys Gesicht rot an, Dampf trat zischend aus seinen Ohren, seine Augen weiteten sich entsetzt!

„Waah! Das ist ja-schaaarf!“rief er, und ein Feuerstoß entwich seinem aufgerissenen Mund!

„Wow! Das war ja fast schon eine Feuerattacke!“ staunte Casey.

Rusty hüpfte hustend hin und her, wedelte mit den Armen und krächzte: „Wasser! Wasser!“

Casey holte einen gefüllten Krug vom Tisch aus seinem Wohnbereich und reichte Ihm seinen Partner. Der stürzte den Inhalt auf einmal hinunter und ließ sich dann erschöpft zu Boden sinken. Turnov begann dröhnend zu lachen.

„Was -war-das?!“ krächzte Rusty.

„Allerbester Vodka! Er ist hier bei uns ein Allheilmittel und Seelentröster! Und noch viel mehr!“ erklärte die große Dampflok gutgelaunt. „Noch einen Schluck?“

„Beim Starlight, nein! Damit bin ich ein für allemal bedient!“ wehrte Rusty entsetzt ab.

„Darfst Du das überhaupt im Dienst?“fragte Casey. Lokführern war Alkohol während der Arbeit streng verboten. Und den Lehrlingen sowieso. Sie durften erst nach ihrem neunzehnten Lebensjahr das erste Mal Alkohol trinken. Auch das war Casey während des Lehrgangs erklärt worden.

„Bei uns gehört der Vodka zum Leben dazu. Er hat schon manchem das Leben gerettet.“

„Komm mit nach draußen. Dann zeige ich Dir, warum. Du wirst es dann besser verstehen.“
 

Seufzend ließ sich Rusty von dem Diesel auf die Beine ziehen und folgte ihm nach draußen.

Inzwischen war es Abend geworden und es hatte wieder leicht zu schneien begonnen. Eine fast bedrückende Stille lag über dem kleinen Bahnhof, nur der Schnee knirschte unter den Rädern der beiden Loks.

Rusty folgte Turnov, der um den Lokschuppen herumging und sich dann ein Stück davon entfernte. In der Dunkelheit tauchten die Mauerreste eines Gebäudes auf. In der Mitte stand ein Stück Gleis und darauf eine rostige, verfallene Dampflok im Maschinenmodus.

„Dies war der alte Gagorin.“ sprach er. Rusty erschrak und schluckte.

„Was ist mit Ihm passiert?“ fragte er leise.

„Es war in einer Nacht wie dieser. Der kältesten Nacht, die es je in Taiga Drubania gab! -Tapferer Gagorin. Trotz der Temperaturen wollte er die dringend benötigte Kohle hierher nach Kolkograd bringen, wo man schon darauf wartete. Denn ohne die Kohle konnten die Menschen nicht heizen und würden erfrieren! Meinen Rat, doch Vodka in seinen Wassertank zu mischen, schlug er aus. Er war einer, der niemals während des Dienstes eine Flasche anrührte! So war unser alter Gargorin. Dienstbeflissen bis zuletzt.

Gargorin schaffte es auch, seine Aufgabe zu erfüllen, doch auf seinem Rückweg blieb er in einer Schneewehe stecken! Bald waren seine Kohlen aufgebraucht und jeder Versuch, wieder freizukommen, scheiterte. SeinWassersystem fror ein und das Eis zerstörte die inneren Rohre! Gagorin konnte nicht mehr weiterfahren.

Als ich und Trinkoff Ihn dann fanden und von dem Schnee befreiten, hatte sein Lokführer auf wundersame Weise im Innern des Heizkessels überlebt, in der er als letzten Ausweg gekrochen war. Das durch die Lebensflamme erwärmte Metall des Kessels hatte ihn bis zuletzt vor dem Erfrieren bewahrt, doch für den armen Gargorin war es zu spät, seine bereits erloschene Lebensflamme konnte nicht wieder entfacht werden. Seine Seele hatte bereits diese Welt verlassen, denn die Kälte hatte seine Lebensflamme ausgelöscht. Nur noch seine leere Hülle ist geblieben, die Du hier nun siehst. Er steht hier, als Erinnerung. Wenn ich hierherkomme, besuche ich immer den alten Knaben und rede mit ihm. Er ist zwar nicht mehr da, doch ich weiß, das seine Seele mich hören kann. - Verstehst Du nun, warum ich immer Vodka trinke? Ich will nicht, das mir so etwas wie dem armen Gagorin passiert, falls ich einmal steckenbleibe! Denn Vodka gefriert nicht! Und er hält meinen Lebensfunken am Brennen!“

Rusty fuhr mit angstgeweiteten Augen zurück. Diese verfallene Lok war also tot! Erfroren! Wie schrecklich! Er hatte seinesgleichen in so einem Zustand noch nie gesehen und war darüber schokiert. So sieht also eine Lok aus, die Ihre Seele verloren hat. Rusty bekam Angst und sprach hastig: „Ich gehe wieder zurück zu den anderen!“

Und schon war er wieder verschwunden.

Seufzend sah ihm Turnov nach.

„Starlight Express, wache über unseren tapferen Gargorin. Und halte deine schützenden Sterne über Rusty und seine Freunde.“
 

„Nanu, Rusty, Du bist ja ganz verängstigt! Was ist denn los?“ fragte Casey, als sein Freund sich wieder zu Ihm gesellte.

„Turnov hat mir gerade etwas grausiges gezeigt! Eine Lok ohne Seele und mit erloschener Lebensflamme! Stell Dir vor, eine tote Lok!“

„Und das ängstigt dich so? Hey, ich pass schon auf, das so etwas mit Dir nicht geschieht. Hab keine Angst. Solche Dinge passieren nun mal auch auf der Welt. Ich fand es auch furchtbar, als meine Mutter gestorben war, aber mit der Zeit habe ich die Tatsache akzeptiert. Kopf hoch, Rusty und denke nicht mehr daran.“ versuchte Casey seinen Freund zu beruhigen.
 

“Morgen brechen wir auf nach Vlak Selo! Dort befindet sich der Hauptbahnhof, wo ich zuhause bin! Und meine liebe Anushka auf mich wartet!” erklärte Turnov als er zurückkehrte.

“Anushka? Ist das dein Waggonmädchen?”

“Da! Die Rose der Taiga! Ein echter drubanischer erste-Klasse Waggon! Mit ihr ist schon unser Zar gefahren!”

“Dann werden Rusty und Dustin dort das Rennen mit Dir austragen.”

“Genau!”

„Hattet ihr schon einmal einen Favoriten beim Finalrennen?“

„Njet! Ich bin der erste, der es überhaupt in die Liga geschafft hat. Meine Brüder sind einfach zu schwerfällig. Dafür aber stark. Solche Loks braucht man hier. Und Vlak Selo war schon immer mein Zuhause.“
 

Am nächsten Tag riß die Wolkendecke auf und vereinzelte Sonnenstrahlen ließen den frischen Schnee glitzern. Hintereinander fuhren beide Züge Richtung Vlak Selo. Nur kurz machten sie an einem Bahnhof einer kleinen Industrie-Stadt halt, um die Vorräte an Kohle zu ergänzen und und Turnovs Tank wieder zu füllen. In der verschneiten Niederung dahinter konnte er die qualmenden Schornsteine der Häuser und Bergwerke erkennen.

„Fertig. Wir können weiter!“ rief Turnov und winkte.

„Komme schon!“ rief Casey, lief zu seiner Lok und kletterte in den Führerstand.

Weiter ging die Reise durch die stille, verschneite Einsamkeit. Die Stille wurde nur unterbrochen, wenn Turnov mit seiner tiefen Stimme eine Weise aus seiner Heimat anstimmte. Dann hallte sein Baß zusammen mit dem Dröhnen des Dieselmotors über die Taiga.

„Oh mann! Hoffentlich singt er nicht die ganze Zeit! Da wird man ja noch schwermütiger!“ seuftzte Rusty.
 

Gegen Abend war das Ziel erreicht.

Der Hauptbahnhof von Vlak Selo war ein altertümlicher Bau, in der großen Haupthalle stand ein großer Stahlofen, in dem ein kräftiges Feuer brannte, zwei Männer waren die die Bedienung des „zentralen Heizungssystems“ zuständig. Rohre, gefüllt mit Wasser, verteilten die Wärme in andere Räume und Bereiche. Casey wärmte sich ein wenig die steifen Glieder, bevor er das Büro des Bahnhofsvorstehers aufsuchte.

„Sieh an, ein junger Lehrling! Es verirren sich nicht oft Jungen in deinem Alter zu uns!“ lächelte der Vorsteher, ein rundlicher Mann mit einem breiten Schnauzbart.

„Das ist wahr.“ nickte ein anderer, hochgewachsener, schlanker Mann in einer Lokführeruniform. Gerade stellte er ein geleertes Gläschen Vodka auf einen kleinen Ecktisch. Weitere saubere Gläschen und eine halbvolle Flasche standen dahinter. Dieser Schnaps schien hier wohl ein Nationalgetränk zu sein.

„Sei gegrüßt, mein Junge! Ich bin Jurijew Karlow, der Stationsvorsteher von Vlak Selo und das ist Ivan Trinkoff, Lokführer unserer Drubanischen Seele.“

„Drubanische Seele?“

„Hehe, ja, so nennen wir unseren alten Turnov. Er ist unser Favorit, E-Ligist.“

„Wir sind mit Turnov hierhergekommen. Er kam mir und meinem Zug in einer brenzligen Lage zu Hilfe.“

„Ho, mein alter Kumpel ist ebenfalls angekommen? Sehr gut. Ich werde gleich mal nach ihm sehen.“ erklärte Trinkoff und verließ das Büro.

„Setz dich, junger Lehrling. Wie ist dein Name?“

„Casey Jones aus Kommoran, Sir.“

„Ah, aus dem Bahnhof des großen Favoriten Greaseball!-Ich würde Dir ja gerne einen Begrüßungsschluck anbieten-aber Du bist ja noch zu jung. Dürfte ich statt dessen Dir eine Tasse Tee anbieten?“

„Sehr gerne.“ nickte Casey.
 

„Soso, Du möchtest also deinen Rusty gegen unseren Turnov laufen lassen. Wie viele Plaketten habt ihr schon errungen?“

„Drei, Mr. Karlow. Und eine Vierte würde uns ebenfalls in die E-Liga bringen.

„Stimmt. Das steht hier in den Unterlagen. Bis jetzt noch keine Niederlage. Nicht schlecht. Ah, die „Fürstin von Eulenstein“. Ihr konntet sie ebenfall schlagen?“

„War ziemlich knapp.“

„Auch Turnov hat ihr eine Plakette abgejagt.-Gut, wir werden morgen nachmittag ein Wettrennen veranstalten.“
 

Wenig später gab es im Lokschuppen ein herzliches Wiedersehen.

„Anushka! Meine Rose der Taiga!“rief Turnov überschwenglich und schloß sie in seine starken Arme.

„Turnov, mein großer, starker Bär!“ rief das Waggonmädchen. Als sich die beiden auch noch küssten, verleierte Rusty die Augen und wandte sich genervt ab.

„Wie romantisch!“ seufzte Dinah wehmütig.

„Dinah, Dustin, Rusty-das ist Anushka, meine Partnerin.“ erklärte Turnov.

„Ich freue mich, euch kennenzulernen.“ grüßte das Waggonmädchen. Sie trug ein mit weißem Pelz besetztes rotgoldenes Kleid und fast kniehohe rote Stiefel. Ihr dunkelbraunes Haar hatte sie zu zwei Zöpfen geflochten.

Eine halbe Stunde später kam Casey zurück und wurde ebenfalls dem Waggonmädchen vorgestellt.

„Du bist also Rustys Lokführerlehrling. Katjuscha, so jung und schon so selbstständig und mutig.“ lächelte sie.

„Das ist er fürwahr.“ nickte Dinah. „Aber ab und an braucht er noch ein wenig mütterliche Unterstützung. Vor allem wenn es um das in Ordung bringen seiner Kleider geht.“

„Da, da!“ nickte Anushka lächelnd. Casey errötete. Mann, ist das peinlich, dachte er. Dann wandte er sich an Rusty.

„Du wirst morgen gegen Turnov antreten. Komm mit, damit ich dich für morgen vorbereiten kann.“

„Stimmt, die ganze Asche und Schlacke liegt schon richtig schwer in meiner Feuerbüchse.“
 

Am nachmittag hatte sich trotz der Kälte eine ansehnliche Menschenmenge auf den beiden äußeren Gleisen des Hauptbahnhofs eingefunden. Casey war Loisel mehr als einmal für den warmen Mantel dankbar, Anushka hatte Dinah einen ihrer Pelzumhänge mit Kapuze ausgeborgt.

Casey sah sich auf den Bahnsteigen um.

„Wie können wir das Rennen verfolgen?“

„Bei uns gibt es keine Monitore. Wir sind technisch noch nicht so fortgeschritten. Doch wenn Turnov seinen Liga –Status verbessern kann, werden ich und die Genossen darüber nachdenken.“

„Sie können das Rennen nicht überwachen?“

„Njet, bei uns gillt als Sieger, wer als Erster das Zielband durchtrennt.“ erklärte Karlow und deutete auf das aufgespannte, rote Band über den Gleisen am Ende vom Bahnsteig.

„Verstehe. Dann bleibt nur abzuwarten und zu hoffen.“ murmelte Casey.

„Aber Du kannst das hier benutzen. Die Stecke ist eben und man kann weit sehen. Wenn es nicht gerade schneit.“ meinte Karlow und reichte Casey ein Fernglas.

„Hey, danke.“

„Ah, da kommt ja unser Favorit!“

Begleitet von einer kleinen Muskanntengruppe mit Akkordeons und Balalaikas kam Turnov singend in Startposition gerollt.

„Oh nein! Jetzt singt er schon wieder!“ murmelte Rusty genervt zu Dustin.

„Was hast Du nur? Mir gefällt es.“ meinte der dicke Tender.
 

Beide Züge nahmen Aufstellung, setzten ihre Helme auf und schnellten die Kinnriemen fest.

„Das Rennen geht über acht Kilometer hinaus in die Taiga. Am Ende jedes dieser Gleise befindet sich ein Prellbock. Hier heißt es wenden und zurückfahren. Ziel ist wieder hier im Bahnhof.“ erklärte Karlow. Beide Loks nickten.

Trinkoff hob eine grüne Fahne.

„Ras-dva-tri*-START!“ rief er lautstark und riß die Fahne herunter. Beide Loks stürmten unter den johlenden Zuschauern los.

„Rusty ist in Führung gegangen. Aber ich hoffe, er teilt seine Kraft gut ein. Denn in dieser Kälte hat er einen höheren Energieverbrauch.“ bemerkte Casey, der durch sein Fernglas blickte.
 

Die Gleise liefen hinaus in die tief verschneite Taiga. Teilweise ging es durch den Wald, meistens aber über offenes Gelände.

„Verflixter Schnee! Ein Teil liegt immer noch auf den Gleisen und macht sie rutischig!“ fluchte Rusty, welcher aufpassen musste, das seine Räder nicht durchdrehten. Dazu kam noch, das Turnov aufholte. Er war schwerer und hatte somit eine bessere Gleislage.

„Komm schon, Briederchen!“ rief Turnov lachend zog an den Beiden und hieb der kleinen Dampflok kräftig auf die Schultern. Das hatte zur Folge, das Rusty das Gleichgewicht verlor und in voller Fahrt bäuchlings in den tiefen Schnee krachte. Zum Glück hatte Dustin rechtzeitig losgelassen, sonst wäre er auf die Lok draufgefallen.

„Mann! Das war mit Absicht!“ fluchte Rusty dumpf, den Kopf im Schnee.

„Komm schon, Kumpel, hoch mit Dir!“ rief Dustin und zog an dessen Kuppelringen.

„Scheiße! Mein Helm ist voller Schnee! Ich seh nichts mehr!“ fluchte er und zog sich in eine hockende Stellung. Knurrend zog er seinen Helm ab, klopfte ihn aus und schüttelte den Schnee aus seinem Gesicht.

Dann setzte er ihn wieder auf, während ihn Dustin hastig auf die Beine zog.

„Weiter gehts!“
 

Zur selben Zeit kämpfte sich ein einsamer roter Bremswaggon durch den hohen Schnee.

„Warum hab ich bloß auf diese Eulensteiner gehört! Die kleine Lok mit dem Bengel wollte nach Taiga-Drubania! Die hätten mich wenigstens vor diesen Schneemassen warnen können! Oh mann, ich hasse Schnee!“ knurrte dieser.

In den eisigen Nächten war er in den Maschinenmodus gewechselt. Ein Waggon seiner Art hielt große Kälte ohne Probleme in diesem Zustand durch.

Plötzlich spitzte der rote Bremswagen die Ohren.

„Das Geschnaufe kenne ich doch! Ich würde es unter vielen anderen Dampfloks heraushören!“

Freudig grinsend begann er der Quelle des Geräusches zu folgen.
 

„Tanzender Kosak!“

Rusty, der nun auf gleicher Höhe wie sein Gegner lief, duckte sich. Doch die Attacke kam von oben. Mehrere kleine Flammen regneten auf Rusty und Dustin nieder, prallen an ihnen ab und flogen wieder zurück. Es sah tatsächlich so aus, als tanzten die Flammen auf den Körpern ihrer Opfer hin und her. So war es auch bei den Wölfen gewesen.

„Au! Aua, das zwickt! Rusty, lösch sie aus!“ klagte Dustin.

„Dampfstoß!“

Mit Hilfe des feuchten Dampfes konnte Rusty die Flammen ersticken. Aber ein Teil gefror als dünne Reifschicht auf den Körpern der Beiden.

„Uah! Rusty, pass auf! Da liegt ein riesen Ast quer über beide Gleise!“

„Hoho! Kein Problem für mich!“ lachte Turnov. „So etwas kommt bei uns oft vor.“

Der schwere Diesel beschleunigte und fuhr mitten durch das Hindernis! Krachend zerbarst das eine Ende in dutzende kleine Stücke.

„Springen, Dustin!“ rief Rusty. Aber der Tender war zu schwer für solche Sprünge und so ließ er einfach die Kuppelringe los und hielt schützend die Arme vor sein Gesicht. Während die kleine Dampflok den dicken Ast übersprang, krachte Dustin mitten durch. Schlitternd kam er wieder auf den Gleisen zum stehen und musste seinen Bremssand einsetzen um nicht abzurutschen.

„Warte auf mich, Kumpel!“

Der Tender ruderte mit den Armen und bekam gerade noch die Kuppelringe zu fassen.

„Mach dich nicht so schwer, Dustin!“ fluchte Rusty.“Turnovs Vorsprung wird immer größer!“
 

Die Wettkämpfer ahnten nicht, das sie von einem schwarzen Augenpaar beobachtet wurden.

„Sieh an, ichhatte recht! -Hab ich dich endlich wieder gefunden, Du Rosteimer!“ murmelte Red Caboose und kicherte leise. „Du läufst also tatsächlich schon Rennen! Mal sehen, was ich so tun kann, damit es diesmal keine Plakette für dich gibt, Kleiner! –Sie sind erst auf dem Hinweg. Dann bleibt mir noch Zeit, eine Falle aufzustellen, wenn sie zurückkommen!“

Durch den hohen Schnee kam der Bremswagen nur langsam voran, fand aber bald einen unfreiwilligen Mitstreiter für seinen Plan. An einer Stelle eines Baches entdeckte er einen Bären mit weiß-grauem Fell, wie er ein Loch in das Eis mit seinen Krallen hackte, um an das Wasser zu kommen.

„Der ist ja riesig! Und genau richtig für meinen Plan! Wie aber locke ich ihn bloß zu den Gleisen?“

Während er überlegte, stieg ihm plötzlich ein unangenehmer Geruch in die Nase.

„Puuh, das riecht ja wie.....oh, da liegt ja ein totes Tier. Das ist sicher die Beute dieses Flohsacks. Heh, na klar. Ich weiß, was ich mache.“

Lautlos schlich er sich an die Reste der Beute und schleifte den Kadaver durch den Schnee in Richtung Gleise. Der Bär war einige hundert Meter entfernt und noch damit beschäftigt, seinen Durst zu stillen, deshalb bemerkte er den Dieb nicht.

Dort, wo der Wald bis an die Gleise reichte, ließ er den Kadaver liegen. Die feine Nase des Bären würde ihn bestimmt hierherführen. Mit einem leisen Kichern trollte sich Red Caboose außer Reichweite und verbarg sich zwischen zwei umgestürzten Bäumen.

„Hoffentlich merkt der Flohsack bald, das seine Beute weg ist und kommt her.“
 

Turnov erreichte als Erster den Wendepunkt. Er bremste, Lok und Waggonmädchen wendeten und Anushka pfückte als Beweis für das passieren dieses Punktes das rot-goldene Band von der Stange. Dann ging es zurück.

Kurz darauf kam Rusty nach und wendete ebenfalls.

„Vergiss das Band nicht, Dustin! Das Blaue da auf dem Pfosten!“

Der Tender zog den Metallring mit dem Band aus der Halterung und stopfte es unter sein Hemd.

Inzwischen hatte es wieder zu schneien begonnen, dicke, weiße Flocken wirbelten durch die Luft und erschwerten die Sicht der beiden Loks.

„Na toll! Jetzt kriegen wir auch noch ein Schneetreiben!“ grollte Rusty. Er konnte gerade noch Turnovs Rücklichter erkennen und die von Anushka. Immer wieder schüttelte Rusty sich, um den Schnee loszuwerden, der sich auf ihn niederließ.
 

„Die müssten gleich zurückkommen. Obwohl ich kaum glaube, das der Rosteimer gewinnt, aber warum nicht ein bischen Spaß haben, nach all dem Bibbern! –Wo bleibt eigentlich dieses Vieh?-Aah, da kommt er angedackelt. Na los, beweg dich! Sonst helfe ich nach!“
 

Ein anschwellendes Dröhnen erweckte seine Aufmerksamkeit.

„Da kommen sie schon! Los, Du Flohsack!“

Caboose rutschte auf seinem Hosenboden etwas den Abhang hinunter, bis er hinter das Raubtier gelangte.

„Sandschuß!“

Eine hart abgefeurte Sandladung traf den Bären am Hinterteil. Er brüllte wütend auf und versuchte die Quelle des schmerzhaften Angriffs zu orten.

Gerade fuhr Turnov eine langgezogene Kurve durch den Wald. Rusty folgte wenige Meter hinter dem großen Diesel.

Plötzlich endeckte er vor sich auf den Gleisen einen unförmige, große Gestalt. Und dann hörte er ein Brüllen, das selbst einen so hartgesottenen Schienenveteran eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

„Turnov! Katjuscha!“ rief Anushka erschrocken aus.

Mitten auf den Gleisen hatte sich der weißgraue Bär aufgebaut. Er schien ziemlich üble Laune zu haben, daran waren vor allem Red Cabooses Sandschüsse nicht unschuldig. Die feinen Sandkörner wirkten wie Micro-Schrotkugeln. Und nichts war schlimmer als ein gereiztes Raubtier, den man zuerst seine Beute gestohlen und dann Schmerzen zugefügt hatte!

Turnov trat auf die Bremsen und kam quietschend wenige Meter vor dem Untier zum Stehen. Dieses kreischende Geräusch machte den Bären nur noch wütender.

„Eh? Warum ist Turnov stehengeblieben?-Wah! Gütiger Starlight!“

Auch Rusty trat voll auf die Bremsen, als er erkannte, was da vor ihnen lauerte.

„Was ist das für ein Vieh?“ fragte die kleine Dampflok zitternd. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre vor Schreck auf Dustins Arme gesprungen.

“Katjuscha! Ein drubanischer Schneebär! Wir nennen ihn auch den Herrn der Taiga! Jeder fürchtet ihn! Bleibt zurück und Du, Anushka, bring dich in Sicherheit!”

“Sei vorsichtig, Turnov!” sagte Anushka mit zitternder Stimme wich rückwärts von den Gleisen zurück und brachte sich hinter einem Baum in Sicherheit.

Drohend umkreisten sich Lok und Bär.

„Herr der Taiga! Du störst uns hier! Ist der Wald nicht groß genug für dich? Geh wieder in deine Höhle zurück!“ rief der große Diesel.

Aber der Bär dachte, Turnov wollte ihm die Beute streitig machen, die halb vergraben im Schnee neben den Gleisen lag und dessen Witterung das Untier inzwischen wahrgenommen hatte. Er sprang vor und hieb mit seinem Tatzen nach seinem ungleichen Rivalen.

„Feuerzunge!“

Ein langgezogener Flammenstoß schoß aus dem Mund des Diesels auf das Raubtier zu und traf. Nun war das Tier nicht mehr zu halten. Er stürzte sich auf ihn, umschlang Turnov mit seinen breiten Pranken und verbiß sich in dessen Schulter.

„So ist es gut! Gibs diesem Kosakenverschnitt! Und dann nimm den Rosteimer auseinander!“ dachte Caboose vergnügt. Er hatte sich in sicherer Entfernung hinter einen umgestürzten Baumstamm versteckt und beobachtete seelenruhig das Geschehen.
 

Zwischen Turnov und dem Herrn der Taiga entstand ein regelrechter Ringkampf.

Dann verbiss sich der Bär in Turnovs Schulter, zerrte und riß einen Teil der Außerverkleidung auf!

„KATJUSCHA!“

„Turnov!“ rief Anushka erschrocken.

Aber keiner der Beiden Kämpen ließ locker. Der große Diesel versuchte, mit seinem Gewicht, das Untier zu Boden zu ringen. Eine Feuerttacke wäre jetzt lebensgefährlich, da Diesel aus mehreren Bisslöchern zu sickern begann.
 

„Hehe, die sind erst mal beschäftigt. Das Rennen ist gelaufen und das Vieh wird Kleinschrott aus den beiden machen! Ich verzieh mich mal, wird langsam zu kalt hier draußen, obwohl ich noch gern länger zugeguckt hätte! Aber meine Radlager frieren noch ein, wenn ich nicht bald ins Warme komme.“ grinste Red Caboose in seinem Versteck. Dann begann er sich langsam rückwärts zurückzuziehen.
 

Rusty stand wie gelähmt vor Angst einige Meter entfernt und wusste nicht, was er tun sollte.

“Wir sollten ihm helfen!” rief Dustin.

“Bist Du verrückt? Der zerlegt uns in unsere Einzelteile!”

“Aber wir müssen doch was tun! Turnov schafft es nicht alleine! Da! Er hat schon wieder zugebissen!”

Am liebsten würde Rusty so schnell wie möglich nach Vlak Selo zurückfahren. Aber er konnte Turnov und Anushka hier nicht zurücklassen. Das wäre unehrenhaft. Da erinnerte sich die kleine Dampflok, wie der schwere Diesel die Wölfe vertrieben hatte und an seine Worte:”Wilde Tiere fürchten das Feuer!”

Rusty sprang von den Schienen, pflügte durch den Schnee und sammelte eilig einige dicke Äste zusammen. Dann kehrte er zurück, öffnete seine Feuerbüchse und steckte die Enden hinein.

“Na los! Brennt schon! Mist! Das Holz ist zu feucht!”

Aber schließlich fingen die morschen Äste doch Feuer. Rusty zog sie wieder heraus und hatte nun eine ansehnliche Fackel.

“Haa! Verschwinde, Du Biest!” rief die kleine Dampflok und rammte dem Bären die Fackel in den Rücken! Aufheulend fuhr der Bär herum und ließ endlich von Turnov ab, der rücklings in den Schnee kippte.

“Rusty! Vorsicht!” rief Dustin.

“Scheiße! Jetzt ist er noch wütender!”

Schon war der wütende Bär heran und schlug mit seinen Tatzen die brennende Fackel entzwei. Die zerbrochenen brennenden Äste fielen in den Schnee und erloschen.

„Verdammt!“ fluchte Rusty.“Nein-komm nicht näher!“

“Schädelwumme!”

Dustin schoß vor und rammte seinen behelmten Kopf in den Bauch des Untiers. Der Bär strauchelte, fiel aber nicht um. Er krallte seine Vordertatzen in den Rücken des Tenders.

„Auaa! Lass mich los, das tut weh!“ rief Dustin.

“Mann, der Brocken ist nicht kleinzukriegen! Lass meinen Kumpel in Ruhe!” rief Rusty. Schließlich flog Dustin zur Seite in den Schnee, als Turnov dem Bären von hinten einen kräftigen Tritt verpasste. Der Stoß schleuderte das Tier auf Rusty zu, das mit seiner Pranke ausholte und zuschlug! Rusty wurde in den Schnee geschleudert, eine Klappe der Feuerbüchsentür brach ab.

“Hau endlich ab!!” schrie Rusty, griff in seine Feuerbüchse und warf eine Handvoll glühender Kohlestücke nach dem Bären, die genau in seinem Geschicht landeten. Das wirkte. Mit einem schrecklichen Brüllen versuchte der Bär die brennenden Stücke abzuschütteln, die in seinem zotteligen Fell hängengeblieben waren und suchte endlich das Weite.

“Das war knapp!” keuchte Rusty zitternd.

„Katjusha! Ein glühender Kohleregen! Das hat gesessen! Bravo, Rusty!“
 

Caboose horchte zur gleichen Zeit auf. Ein lautes Gebrüll drang zu ihm herüber.

„Das war bestimmt sein Siegesgebrüll! Hoffentlich hat er diesen Kosaken und den Rosteimer in seine Einzelteile zerlegt!-Eh?“

Etwas brach sich mit Gewalt den Weg durch das Unterholz.

“Was ist denn das-WAAAH!”

Ein angesengter, ziemlich übellauniger drubanischer Schneebär kam auf ihn zugestampft.

“R-red Caboose kratzt mal wieder die Kurve! Ganz schnell!” rief der Bremswagen panisch und pflügte, so schnell er konnte durch den Schnee. Dabei verlor er den Halt, fiel und kugelte durch zwischen den Bäumen hindurch. Dabei blieb immer mehr Schnee an ihm kleben, bis er zu einem ansehnlichen Schneeball geworden war. Aber gleich darauf endete seine Reise mit einem Rums an einem Baum, die Schneekugel brach auseinander. Benommen schüttelte Red Caboose seinen Kopf.

„Scheiße! Das Vieh ist immer noch hinter mir her!“

Schnell kletterte er den Baumstamm hinauf, bis er einen Ast fand, der sein Gewicht trug. Da hockte er nun, während unten der genervte Bär um den Stamm strich.

“Los! Hau ab! Du sollst den Rosteimer plattmachen und nicht mich!”
 

Dustin hatte sich wieder auf die Beine gezogen und half nun Rusty auf.

“Mann, Kumpel! Du hast gerade einen Bären verjagt!” sagte er anerkennend.

“In der Tat! Katjuscha, Du hast echten Mut bewiesen!” nickte Turnov.

Anushka kam wieder aus ihrer Deckung.

“Turnov, bist Du in Ordnung?”

“Seine Außenhaut wurde beschädigt!” sagte Rusty. Aus meherern Bisslöchern und Rissen sickerte Treibstoff.

“Nur ein paar Kratzer.”

“Aber Du bist angeschlagen. Das Rennen können wir wohl vergessen.” meinte Rusty. Mit einem Draht, den er vorsorglich immer dabei hatte, reparierte er notdürftig die Feuerbüchsentür, die er neben den Gleisen gefunden hatte. Er fand noch etwas anderes.

„Iiih, da liegt ein halbgefressenes totes Tier!“

„Aha, das ist der Grund, warum der Schneebär auf den Gleisen war. Wegen seiner Beute. Normalerweise meidet der Herr der Taiga unsere Gleise.“ erklärte Anushka.

Turnov derweil nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Dies war sein einziges Notfallset, was er benötigte.

“Aah, das hat gutgetan! Jetzt gehts mir wieder besser!”

„Komm, alter Knabe! Wir helfen Dir alle zusammen hoch! Hier kannst Du nicht bleiben! Vielleicht kommt das Untier zurück!“ meinte Rusty. Mit gemeinsamer Hilfe schafften sie es, den Diesel wieder auf die Beine zu stellen.

„Komm, häng dich bei mir ein, ich schlepp dich ab. Dustin, Anushka, helft so gut ihr könnt, schieben!“

„Machen wir, Rusty.“ nickte der Tender.

„Bist Du okay? Der Bär hat dich vorhin ja auch erwischt.“

„Nichts schlimmes. Meine Verkleidung hinten hat nur ein paar Löcher. Und dahinter befindet sich nur Hohlraum.“

„Ihr wart beide sehr tapfer. Noch kein Fremder hat es gewagt, gegen den Herrn der Taiga anzugehen.“ meinte Anushka anerkennend.

Langsam machte sich der kleine Zug auf den Rückweg nach Vlak Selo. Der Schneefall begann langsam nachzulassen.
 

Inzwischen warteten Casey und Dinah unruhig auf die Rückkehr der beiden Loks und ihrer Anhänger.

„Mist, in diesem Schneetreiben sieht man kaum was!“ fluchte ersterer und senkte das Fernglas.

„Sie kommen bei diesem Wetter nur langsam voran.“ meinte der Stationsvorsteher und sah auf seine Uhr. „Wir warten noch eine halbe Stunde. Wenn sie bis dahin nicht hier sind, schicke ich Kolja mit einer Lok los. Unser Schneepflug wird sie schon finden.“

“Da! Da kommt der Erste!” rief Trinkoff und setzte sein Fernglas ab.

Zwei helle Scheinwerfer durchbrachen die wirbelnden Schneeflocken.

„Die Lok fährt auf der linken Seite. Das bedeutet, unser Turnov führt.“

„Aber wo ist Rusty? Hoffentlich ist er in dem Schneetreiben nicht steckengeblieben oder von der Strecke abgekommen!“ meinte Casery besorgt. Aber dann fiel ihm etwas an den Scheinwerfern auf. Mit der Zeit hatte der Junge sich die Form und Lichtstärke der Scheinwerfer seiner Lok genau eingeprägt. Und diese beiden Lichter gehörten eindeutig Rusty.

Aufgeregtes Murmeln entstand, als tatsächlich das Schnaufen der kleinen Dampflok zu hören war, aber kein Dröhnen eines Diesels. Dann tauchten die Umrisse von Rusty aus dem Nebel auf.

„Es ist wirklich Rusty! Aber-sieh doch nur, wen er da anschleppt! Das ist Turnov hinter ihm! Was ist mit ihm passiert?“ rief Dinah.
 

Langsam zog Rusty den angeschlagenen Turnov in den Bahnhof, Anushka und Dustin schoben so gut es ging von hinten nach. Aufgeregt liefen die Leute und Loks und Waggons der Nebengleise zusammen.

“Was ist passiert?” fragte Casey.

“Ein riesiger Bär hat uns angegriffen! Er hat Turnov übel zugerichtet!”

“Aber Rusty hat ihn verjagt!” rief Dustin.

“Was? Aber wie...”

“Das könnt ihr nachher erzählen. Zuerst einmal muss Turnov versorgt werden.” sagte der Stationsvorsteher.

“Sie haben recht, Gospodin.” nickte Casey.
 

Und wenig später, im Betriebswerk.....

Turnov war erst zufrieden, als er zwei Flaschen Wodka geleert hatte. Casey erstaunte es, das er nach der Menge immer noch keinen Schwips hatte und völlig nüchtern klang. Eine Lok konnte wohl wesentlich mehr vertragen, als ein Mensch. Dann ging es ans Erzählen. Rusty bekam währenddessen seine Feuerbüchsentür repariert.

„Da! So war es! Und die beiden hier haben großen Mut bewiesen!“ nickte Turnov, als er geedet hatte.

Anushka bedankte sich noch einmal bei Rusty und Dustin, in dem sie jedem einen dicken Kuss auf die rechte und linke Backe gab. Der Tender wurde ganz verlegen.

„D-das hat noch kein Waggonmädchen gemacht..“ murmelte er verstohlen zu Dinah.

„Einmal ist immer das erste Mal.“ lächelte sie.
 

“Du hast mir das Leben gerettet. Der Bär hätte mich zwar nicht gefressen, aber so ein Kerl ist durchaus fähig, eine Lok in seine Einzelteile zu zerlegen. Und das hätte er sicher mit Wonne getan. Deshalb gebührt Dir der Sieg. Denn noch wichtiger als ein Sieg beim Rennen ist für uns der Mut und die Tapferkeit. Und wer den Herrn der Taiga in die Flucht schlagen kann, genießt hohes Ansehen. Du hast Dir deine Plakette verdient, nicht wahr, Gospodin Karlow?”

“Turnov hat recht. Wenn Du natürlich möchtest, können wir das Rennen wiederholen, aber die Plakette gehört trotzdem euch, auch wenn Rusty verlieren sollte.”

Rusty wünschte eine Wiederholung des Rennens. Diesmal fand es bei strahlend blauen Himmel und glitzerndem Schnee statt. Und Rusty gewann sogar ganz knapp gegen den schweren Diesel.

“Hohoho! Ich habe es gewusst. Du bist kleiner und Leichter-und somit auch schneller.” lachte Turnov.

“Aber Du bist auch nicht ohne-Briederchen.” grinste Rusty. Turnov warf seinen Kopf in den Nacken und stieß ein dröhnendes Lachen aus.

„Diesmal hast Du fair nach den Regeln gewonnen, Rusty. Und somit gebührt Dir die Plakette von Taiga-Drubania.“ erklärte der Stationsvorsteher und überreichte sie dem Sieger.

„Jah! Wir haben unsere vierte Plakette gewonnen! Jetzt sind wir in der E-Liga!“ jubelte Casey.
 

So hatten Casey und sein Zug im kalten Taiga-Drubania neue Freunde gefunden. Und Rusty hatte gezeigt, zu was er fähig war, wenn es darauf ankam. In ihm steckte anscheinend mehr als man meinen konnte.
 

„Euer neues Ziel ist also Torrone.“

„Ja, Turnov. Wir wollen es als nächstes gegen den Favoriten Espresso versuchen. Er ist zwar ein D-Ligist, aber wir haben ja noch Zeit unterwegs ein paar Siege auf Nebenbahnhöfen zu erringen.“

„Mmm....ich habe gehört, er soll ein ziemlich harter Kämpfer sein.“

„Ich denke, wer es mit dem Herrn der Taiga aufnimmt, der fürchtet sich auch vor einer torronischen Lok nicht.“ grinste Casey.

„Katjuscha! Da! Da hast Du recht! Rusty macht das schon!“ lachte Turnov.
 

Dann war es soweit. Die Freunde nahmen Abschied von den freundlichen Drubaniern. Sie lebten zwar in einem kargen, kalten Land, doch ihre Herzen und ihre Seelen waren voller Wärme.

„Danke, Anushka. Dein warmer Umhang hat mir sehr geholfen.“ sagte Dinah und wollte ihr das Kleidungsstück zurückgeben.

„Oh nein. Behalte ihn. Als Erinnerungsgeschenk.“

„Vielen Dank! Das ist lieb von Dir. So ein schöner Pelz! Vielleicht kommt ihr uns mal besuchen.“

„Wenn uns die Gleise eines Tages nach Kommoran führen, bestimmt.“

Beide Waggonmädchen umarmten sich zum Abschied und schieden als gute Freundinnen.
 

Rusty bekam Turnovs Bärenumarmung zu spüren, die ihn von den Rädern hob und wurde wieder nach drubanischer Art abgeküsst. Der Kerl war wirklich ein Kraftprotz. Vielleicht sogar noch stärker als Greaseball.

„Ungh! Alles gute, Turnov. Und lass dich nicht mehr mit einem Bären ein.“

„Bestimmt nicht, Briderchen!“ grinste der große Diesel.
 

Casey wurde gleich doppelt beschenkt. Er bekam das Fernglas vom Stationsvorsteher und

Turnov schenkte Casey zum Abschied eine kristallene Phiole.

“Was ist das?”

“Das ist ein ganz besonderer Tropfen. Ich habe diesen Vodka selbst gebraut. Man sagt, er könnte sogar Tote aufwecken!” grinste er.

“Hehe, oh mann, das kann ich mir denken.”

“Heb ihn gut auf, vielleicht leistet er Dir einmal im Notfall gute Dienste.”

“Alles klar. Danke, Turnov. Die kommt in meine Notfallbox.“

“Doswidanja, kleiner Lehrling.” lächelte Anushka und drückte ihm zwei Küsse rechts und links auf die Backen.

“Alles Gute, Anushka.” grinste Casey und errötete.
 

Seit Rusty erfahren hatte, wozu er in Notsitouationen fähig war, hatte sein Selbsvertrauen einen ordentlichen Schub bekommen. Und er hatte erste Freundschaften in der Fremde geknüpft. Langsam begann ihm diese Reise zu gefallen...
 

„Jetzt gehts wieder in den Süden! Wo es wärmer ist!“ rief Casey, als die Freunde wieder unterwegs waren.
 

Und nur einige Kilometer entfernt...

“Ha-tschiee!”

Ein fast gänzlich blau angelaufener, mit Eis bedeckter Red Caboose hockte immer noch auf seinem Baum, während unten der Bär sich zu einem Nickerchen niedergelegt hatte.

“Haut der denn niemals ab? Ich will hier weg!” jammerte der Bremswagen.

Plötzlich ertönte unter ihm ein unheilvolles Knacken. Und im nächsten Moment brach der Ast unter dem zusätzlichen Gewicht durch.

„UUUWWAAH!“

Red Caboose krachte dicht neben dem Bären zu Boden. Der schreckte aus seinem Schlummer hoch und suchte verwirrt das Weite, als ihm klar wurde, das er beinahe von etwas Schwerem erschlagen worden wäre.

„N-n-n-a-a-a e-e-nnd-d-d-lich-h-h!“ bibberte Cabose.

Der Lärm hatte auch zwei Fallensteller aufmerksam gemacht. Die folgten der Geräsuchquelle und fanden kurz darauf den fast Erforenen.

„Katjuscha! Ein Bremswaggon! Wie kommt der hier in den Wald!“ rief der Eine.

„Schau, Igor! Bärenspuren! Der Bursche hat noch mal Glück gehabt!“

„Aber er ist völlig durchfroren!“

Der zweite bärtige Fallensteller grinste und zog eine kleine Korbflasche mit Vodka hervor. „Gleich kannst Du wieder rollen, Briderchen.“

Er trat auf den zitternden Red Caboose zu, setzte die Flasche an dessen Mund und flößte ihm den ganzen Schnaps ein. Dann trat der Fallensteller zurück und beide Männer warteten ab.

Eine weile geschah nichts. Aber dann begann der Bremswagen rot anzulaufen und zwar überall, von Kopf bis Fuß, die Augen quollen ihm schier aus den Höhlen und Dampf trat aus seinen Ohren.

„HHHHYYYYYAAAAAHHHHH!!!“

Mit einem kreischenden Heulen fuhr Caboose hoch und begann sich Schnee in den Mund zu schaufeln und ergriff panisch die Flucht.

„Scharf! Scharf!! SCHAAARRRFFF!!!“ Wie der Blitz verschwand zwischen den Bäumen, Schnee stob nach allen Seiten davon und hinterließ eine Schneise im Boden.

„Es hat gewirkt. Wie immer.“ grinste Igor und sah mit seinem Kumpel dem Davoneilenden nach.
 

Forstetzung folgt...
 

Übersetzungen:

„Da“-Russisch für Ja

Njet-Russisch für nein

Katjuscha-eigens erfundener Ausruf

Doswidanja- Russisch für Auf wiedersehen

Ras-dva-tri :Russisch für eins-zwei-drei

(Das ich Wodka hier mit „V“ geschrieben habe, ist beabsichtigt und kein Schreibfehler)

Abenteuer in Arrosia

12. Abenteuer in Arrosia
 

Je weiter die Freunde nach Süden reisten, desto wärmer wurde es und der Schnee wich bald wieder grünen Wiesen und Wäldern.

„Aachh...viel besser!“ seuftzte Rusty und ließ sich die Sonne auf seinen Rücken scheinen. Die Wärme tut meinen Gliedern gut.“

„Ein bischen Öl sicher auch.-Halt da vorne an. Wir machen ne Pause. Außerdem haben wir etwas zu besprechen.“ erklärte Casey.

Die Dampflok hielt an einer Anhöhe, wo mehrere große Felsblöcke verstreut herumlagen, als hätte sie ein Riese hierhergeworfen.

„Wo kommen nur diese riesen Brocken her? Und warum liegen die hier?“ wunderte sich Dustin.

„Die sind wohl mit der letzten Eiszeit hierhertransportiert worden.“ meinte Casey.

„Eiszeit?“

„Das hab ich mal in der Schule gelernt. Vor vielen, vielen Millionen Jahren muss hier mal ein Gletscher gewesen sein. Und der hat mit dem ganzen Eis, das ständig in Bewegung war, auch diese Felsblöcke mitgebracht und hier abgeladen, als das Eis sich zurückgebildet hatte.“

„Toll, was Du alles weißt, Casey!“ staunte der Tender.

„Wie dem auch sei-„ Casey legte seinen Rucksack auf einem der Granitblöcke ab.“Ich will mit euch eine Lagebesprechung machen. Also: Wir haben inzwischen vier Plaketten. Das heißt, wir sind bereits in der E-Liga. Eine tolle Leistung! Und noch keine Niederlage! Rusty , Du machst dich.“

Die Dampflok wurde ein wenig rot um die Wangen.

„Aber zwei haben wir echtnur mit viel mit Glück gewonnen!“ meinte sie verlegen.

„Genier dich doch nicht. Es stimmt, was dein kleiner Lehrling sagt. Greaseball würde vor Wut erblassen, wenn er davon wüsste.“ lächelte Dinah.

„Ich habe mir nun während der Fahrt Gedanken gemacht, wo wir als nächstes eine Plakette gewinnen könnten. Pretonia-geht nicht, der Favorit ist ein B-Ligist. Wir brauchen erst sieben Plaketten, bis wir ihn herausfordern können. Also heißt es weiter kleinere Bahnhöfe aufsuchen und dort unser Glück versuchen. Und der nächst größere Favorit ist Espresso vom Bahnof Via Coronna in Torrone. D-Ligist. Aber Turnov hat gesagt, der Bursche darf nicht unterschätzt werden. Deshalb heißt es erstmal weiter trainieren und gegen gleichrangige Ligisten laufen.-Außerdem will ich an deinem Anstrich weiterarbeiten, Rusty.“ fuhr Casey fort.

„Stimmt. Sonst fange ich unten wieder an zu rosten, bevor Du oben fertig bist.“ meinte die Lok. „Wo sollen wir eigentlich als nächstes hin?“

„Arrosia liegt am nächsten von uns, wo es einen E-Ligisten gibt. Seid ihr mit meinem Vorschlag einverstanden?“

Dustin nickte sofort. Er fand eigentlich alles gut, was Casey vorschlug.

„In Ordnung, Casey. Wir müssen uns langsam steigern.“ nickte Dinah.

„Du bist der Boss.“ meinte Rusty.

„Hey, Du sollst mich nicht als Boss ansehen. Wir sind Partner, Kumpels, klar?“

„Okay. Aber deine Auswahl war bis jetzt immer die Richtige. Ich vertraue Dir, Casey.“
 

Nach der Mittagspause ging es weiter. Die kleine Zug schnaufte fröhlich im Maschinenmodus dahin und Casey brauchte nur hin und wieder eine Schaufel Kohle nachzuschieben. Zufrieden sah er den weißen Rauchwolken nach, die in den blauen Himmel entschwanden.
 

Manchmal mussten die Freunde auch die Nacht im Freien außerhalb einer Bahnstation verbringen. Die Asche und Schlacke musste aber trotzdem entleert und entsorgt werden. Dazu musste Casey ein Loch ausheben, in welches die Asche hineinkam und es dann wieder zuschütten. So war es auf abgelegenen Strecken vorgeschrieben, damit die noch heiße Asche nichts in Brand setzte, wenn man sie einfach so neben den Gleisen ablud. Aber das kam nur selten vor. Und auf jeder Bahnstation gab es eine Grube oder einen Behälter für solche Fälle. Sie wurden zwar kaum noch genutzt, weil es nur noch sehr wenige Dampfloks in Betrieb gab, aber diese Einrichtung gehörte noch immer zum festen Bestandteil einer jeden Bahnstation und war sie auch noch so klein. Auf dem Kontinent war die Eisenbahn das Verkehrsmittel Nummer 1 für weite und nähere Entfernungen zwischen Städten, Orten und Ländern. Denn Autos hatte Casey hier noch nie gesehen. Obwohl der technische Standart hier solche Fahrzeuge hervorbringen hätte müssen. Aber vielleicht war es besser so. Autos waren der größte Feind der Eisenbahn. Auf den Straßen gab es nur von Pferden und Pferdeähnlichen Tieren gezogene Fuhrwerke. Aber Kommoran hatte auch eine Straßenbahn.
 

Am nächsten Tag endete die Bahnstrecke am Ufer eines breiten Flusses.

„Und was jetzt?“ fragte Casey.

„Da kommt eine Fähre! Hier scheint es noch keine Brücke zu geben.“ bemerkte Dinah.

„Du hast recht. Im Streckenatlas wird hier auch eine Fährverbindung angezeigt.“

Neben dem Gleisen verlief eine Straße, auf der bereits einige Fuhrwerke warteten.

„Oh toll! Ich bin noch nie mit einem Schiff gefahren!“ rief Dustin. Rusty schien gar nicht begeistert.

„Oh nein. Nicht auch das noch...“ murmelte er.
 

Während des Einladens der Fuhrwerke fragte Casey beim Kaptitän der Fähre nach.

„Natürlich nehme ich auch Züge mit. Aber nur im Hummanoid-Modus. Wegen dem Gewicht. Deine Lok und zwei Waggons haben gerade noch Platz.“ sagte der Steuermann. Casey nickte. Er wusste, das Loks und Waggons im Hummanoid-Modus nur einen Bruchteil dessen wogen, was sie als Maschinen auf die Waage brachten. Rusty zum Beispiel wog als Tenderlok im Maschinenmodus gut 60 Tonnen, im Hummanoid-Modus nur sieben Tonnen, also etwa so viel wie ein Elefant. Ein schwerer Diesel zum Vergleich wie Turnov brachte es als Maschine auf über 100 Tonnen, ein Mittelschwerer so wie Greaseball auf etwa 85 Tonnen.

Dann ging es ans Einladen. Dustin und Dinah rollten ohne Probleme langsam über die Rampe und in den Bauch des Schiffes an ihren Platz. Es schaukelte etwas, aber das war normal. Dann war Rusty an der Reihe.

„Langsam, sonst sinkt das Schiff zu schnell ein!“ ordnete einer der Matrosen an. „Wir müssen den Tiefgang prüfen!“

„Na komm, Kumpel. Die wollen ablegen. Wir sind die Letzten.“

Um nicht als Feigling dazustehen, rollte die kleine Dampflok langsam auf die Rampe und an Bord. Als er aber das Schaukeln und Schwanken des Schiffes unter seinen Rädern spürte, geriet er in Panik. Er begann unruhig zu werden und zu zappeln. Dabei rollte er zur Seite und wäre fast gegen ein Fuhrwerk gestoßen.

„He, vorsichtig Junge! Du machst mir noch die Pferde scheu!“ fluchte der Kutscher.

„Tut mir leid. Normalerweise ist er nicht so unruhig.“ entschuldigte sich Casey.

Durch Rustys Gebaren begann die Fähre stärker zu schaukeln und krängte plötzlich nach Backbord. Die Passagiere auf dem Deck darüber wären beinahe von den Bänken gefallen, die Stehenden klammerten sich an der Reeling fest.

„Bei der Tochter des Flußgottes! Was ist da unten los?“ fluchte der Kapitän.

Rusty! Halt still, verdammt! Was soll das? Kannst Du nicht ruhig stehenbleiben wie die anderen? Nimm Dir ein Beispiel an den Pferden! Zieh deine Bremsen an und hör auf, mit deinen Armen zu rudern! Nur wegen Dir schaukelt der Kahn so!“ schimpfte Casey.
 

„Hey, hey, ruhig mein Kleiner! Das ist kein Ozeandampfer! Unsere Fähre reagiert auf jede deiner Bewegungen! Also setz dich hin und vermeide hastiges Herumhampeln!“ rief einer der Matrosen und ergriff einen Arm der Lok.

„Genau! Sonst müssen wir dich festzurren!“ erklärte ein Anderer und half seinem Kollegen. Gemeinsam versuchten sie Rusty dazu zu bringen, sich hinzusetzen.

„Rusty, setzt dich hin!“ bat Dinah eindringlich.“Du machst den anderen Angst.“

„Rusty! Reiß dich zusammen! Die Überfahrt dauert nicht lange! Setz dich hin und halt still!“ mahnte auch Casey.

Also ließ sich die Dampflok im Schneiderstitz auf dem Boden des Laderaums nieder und hielt sich ängstlich den Kopf.

„Mann, so einen Schißhasen habe ich noch nie erlebt. Alle anderen Loks haben die Überfahrt bisher ohne Theater gemacht.“ sagte der Matrose zu seinem Kollegen.

„Wir werden auf ihn aufpassen. Machen sie sich keine Sorgen.“ sagte Dinah.

Sie und Dustin ließen sich ihm gegenüber nieder.

„Okay.“

Die Matrosen begaben sich nach oben, um die Taue zu lösen.

Kurz darauf lief der Motor mit voller Kraft an und die Fähre setzte sich in Bewegung.
 

„Der alte Pop hat vor nichts Angst. Aber ich stelle mich an wie ein elender Feigling!“ seuftzte Rusty zitternd.

Casey hatte eine Weile an der Reeling gestanden und sich den Wind um die Nase wehen lassen. Jetzt kam er wieder hinunter in den Laderaum, um nach seinen Freunden zu sehen.

„Rusty? Was hat er denn? Ist er etwa seekrank?“

„Nein, Casey. Er hat einfach Angst. Und er schämt sich deswegen.“ antwortete Dinah leise. Der Junge seuftzte und hockte sich vor seiner Lok nieder. Jetzt muss ich auch noch Psychologe spielen, dachte er.

„Rusty....hey, alles okay?“ fragte er sanft. Als er ihn am Arm berührte, hob die Lok den Kopf. Ihre Augen schimmerten feucht.

„Weinst Du etwa, Kumpel?“

Rusty schüttelte den Kopf und wischte sich über die Augen.

„Ganz ruhig. Noch fünfzehn Minuten, dann sind wir am anderen Ufer. Dort beginnt auch Arrosia.“

Plötzlich vernahm das Waggonmädchen leise Schritte, die neben ihr verstummten.

„Hallo! Wo kommst Du denn auf einmal her?“
 

Alle sahen auf. Ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren war vor den Freunden aufgetaucht. Sie hatte zwei blonde Zöpfe und lächelte die Anwesenden freundlich an.

„Ich war oben und habe euch hier im Laderaum gesehen. Es fahren selten Züge mit der Fähre.“antwortete das Mädchen.“Ich heiße übrigends Clara.“

„Freut mich, dich kennenzulernen, kleine Clara. Ich bin Dinah. Und das ist Dustin.“

Der Tender grinste vergnügt und winkte.

„Du bist aber lustig!“lachte Clara.

„Ich bin Casey, Lokführerlehrling im ersten Jahr. Meine Lok heißt Rusty.“

„Du bist eine Dampflok, nicht wahr? Mama hat mir erzählt, das es früher Viele von euch gab.“

Da Rusty nicht antwortete, tat es Casey. „Das stimmt.“ nickte er.

„Warum sagst Du nichts? Bist Du traurig? Warte, ich habe etwas, das vertreibt jede Traurigkeit.“ sagte Clara und fischte etwas aus der Tasche ihres Kleides. Sie hielt Rusty

eine kleine Tüte entgegen Viele bunte, runde Kugeln leuchteten ihm entgegen.

„Oooh! So schöne Bonbons! Die sehen aus wie Marmorkugeln!“ staunte Dinah. „Die würden Buffy bestimmt auch gefallen!“

„Nehmt euch welche.“ lächelte Clara. „Ich habe schon die Hälfte der kleinen Wassernymphe geschenkt, damit sie auch nicht traurig ist.“

„Wassernymphe?“ fragte Casey, als alle sich bedient hatten.“Mmh! Die sehen nicht nur toll aus, die schmecken genauso toll!“

„Das sind die besten Bonbons von Arrosia! Mein Onkel hat einen Laden und macht sie alle selber.“

„Du Glückskind.“ lächelte Casey. Selbst Rustys Gesicht hellte sich wieder auf.

„Sag Clara, wer ist diese kleine Wassernymphe?“ wollte Dinah wissen.

„Sie lebt hier im Fluss. Ihr Vater ist der König dieses großen Stroms. Meine Mama hat mir oft von ihr erzählt. Sie sagt, sie beschützen die Menschen, die dem Fluß wohlgesonnen sind und ihn nicht verunreinigen oder den Lauf mit Gewalt ändern. Und als Dank bringe ich der kleinen Wassernymphe immer eine Tüte von Onkels Bonbons mit, wenn wir mit der Fähre den Fluss überqueren. Mama hat mir nämlich auch erzählt, das vor langer langer Zeit eines Abends, als die kleine Nymphe heimlich ans Ufer kam, sie im Gras etwas glänzen sah. Es war eine halbvolle Tüte Bonbons, die spielende Kinder wohl vergessen hatten. Neugierig wie sie war, nahm sie sie mit und probierte sie. Und natürlich schmeckten sie ihr so gut, das sie mehr davon wollte. Doch ihr Vater verbot ihr daraufhin, jemals wieder in die Nähe des Ufers zu schwimmen, da sie sich den Menschen niemals zeigen durften. Die kleine Wassernymphe wurde immer trauriger und begenn zu weinen. Sie vergoss viele Tränen, die den Fluss anschwellen und über die Ufer treten ließen. Seither sagt man bei uns, jedesmal wenn der Fluss über die Ufer tritt, trauert die kleine Wassernymphe den schönen Bonbons nach und vergießt Tränen. Deshalb nehme ich jedes Mal, wenn wir mit der Fähre den Fluss überqueren eine extra Tüte mit, denn sie wartet jedes mal in der Mitte des Flusses, wenn die Fähre kommt, in der Hoffnung, jemand würde eines dieser leckeren Bonbons ins Wasser fallen lassen. Aber das kommt so selten vor, deshalb lasse ich jedes Mal eine Tüte, wenn das Schiff in der Mitte ist, in das Wasser fallen. Auch die anderen Kinder, die diese Geschichte kennen, werfen machmal Bonbons in den Fluss. Die Flussnymphe soll nicht traurig sein und weinen. Denn es ist nicht gut, wenn der Fluss über die Ufer tritt und Häuser und Felder überschwemmt.“

Casey und die anderen hatten der Erzählung aufmerksam zugehört.

„Aaachh....“ seufzte Dinah gerührt.

„Eine wunderschöne Geschichte.“ sagte Casey.

„Hast Du die kleine Wassernmymphe einmal gesehen?“ fragte Dustin.

„Nein, sie darf sich ja uns Menschen nicht zeigen. Aber Kinder behaupten, sie hätten ein helles Lachen gehört, als sie einmal Bonbons in die Mitte des Flusses geworfen hätten.“
 

Plötzlich drosselten die Motoren –ein Ruck –und das Schiff kam zum Stehen.

„Oh-wir haben angelegt. Ich muss zurück zu meiner Mutter. Lebt wohl und gute Reise.“

„Danke Clara! Alles Gute!“ rief Casey. Die Freunde sahen ihr nach.

„Siehst Du, Rusty? Du hast ganz vergessen, das Du eigentlich Angst haben wolltest.“

„Du hast recht. Ich konnte nur noch zuhören. Ich liebe solche Geschichten.“
 

Die uferseitige Luke würde heruntergefahren und Fahrzeuge und Passagiere verließen das Schiff.

Oben auf der Anhöhe liefen die Gleise weiter und folgten dem Flusslauf.

„Da ist Clara mit ihrer Mutter.“ sagte Dinah, der die beiden in der Menschenmenge erkannte.

„Sie fahren in die andere Richtung, in die Hauptstadt von Arrosia. Aber wir müssen da lang, nach Nathal. Dort können wir einen D-Ligisten herausfordern.“ erklärte Casey.

Bevor Mutter und Tochter einstiegen, winkte Clara ihnen noch einmal zu.

„Machs gut, Clara!“ rief Dustin und alle winkten zurück. Dann bemerkte der Junge, das Rusty etwas in den Händen hielt.

„Aber das ist doch die Tüte mit den Bonbons.“

„Stimmt. Sie hat sie mir, bevor wir uns auf dem Schiff trennten, ganz schnell zugesteckt und weg war sie.“ lächelte die kleine Dampflok. „Ich konnte nicht einmal mehr danke sagen.“

„Die Kleine hat ein goldenes Herz.“ lächelte Dinah.
 

Später, am Abend, rasteten die Freunde am Flussufer. Rusty hockte im Gras und blickte nachdenklich auf den ruhig dahinfließenden Strom hinaus. So mochte er Flüsse eigentlich sehr gerne. Aber wenn sie sich in reißende, brodelnde Ströme verwandelten, bekam er es mit der Angst zu tun. Nachdenklich hielt er eines Bonbons in der Hand und besah es sich. Manchmal war es wirklich ein Segen, das er auch menschliche Nahrung zu sich nehmen konnte, aufgrund seines Feuers, das alles „verdauen“ konnte. So war es auch mit den Verbrennungsmotoren der Diesel. Nur die elektrischen Loktypen konnten das nicht.
 

Plötzlich holte er mit der Hand aus und warf das Bonbon in hohen Bogen bis in die Mitte des Flusses, wo es mit einem leisen „plong“ auf dem Wasser aufkam und unterging. Im nächsten Moment klang ein helles Lachen durch die Dunkelheit.

„Eh? Das gibts doch nicht! Gibt es diese Nymphe etwa wirklich?“

Dinah oder Casey konnten es nicht gewesen sein, die ihm vielleicht einen Streich spielen wollten. Er wusste genau, wie das Lachen der Beiden klang. Aber so etwas hatte er noch nie gehört.

„Mach Dir keine Sorgen. So lange es diese Geschichten und Clara gibt, wirst Du immer wieder deine geliebten Bonbons bekommen.“ lächelte Rusty.
 

(Das war mal was fürs Herz, muss auch mal sein ^^ )
 

Nach einer weiteren Tagesreise waren die Freunde am Ziel. Der kleine Bahnhof Nathal.

„Endlich! Jetzt können wir uns ausruhen! Diese Mittagshitze ist fast unerträglich.“ seufzte Casey. Das letzte Stück Gleis hatte der kleine Zug im Hummanoid-Modus zurückgelegt.
 

Die Freunde ließen sich im Schatten nieder und sahen sich um. Der Bahnhof mit den vier Gleisen war wie ausgestorben. Kein Zug und kein Personal war zu sehen.

„Wo stecken die alle? Halten die gerade Siesta oder was?“

„Würd ich jetzt auch gerne. Suchen wir den Lokschuppen auf?“ fragte Rusty müde, welcher sich auf der Bahnsteigkante niedergelassen hatte.

„Ganz ausgestorben ist der Bahnhof nicht. Seht mal, da auf dem letzen Gleis, stehen sechs Viehwaggons.“ sagte Dinah und wies hinüber.

„Und keine Lok. Seltsam. Aber die Waggons sind voll mit Kühen. Und die stehen auch noch in der prallen Sonne! So etwas verantwortungsloses! Die armen Tiere leiden sicher unter der Hitze!“ bemerkte Casey. „Ich seh mir das mal an.“

Der Junge ging hinüber zum äußeren Bahnsteig und an den Waggons entlang. Er las die Frachtzettel an den Waggons, dann klopfte er an die Holzwand von einem der Anhänger.

„He, wo ist eure Lok? Warum steht ihr hier mit eurer lebenden Fracht mitten in der prallen Sonne?“

„Wir sollen hier warten. So lautet unsere Dienstanweisung!“ hörte Casey den Viehwaggon sagen.

„Und warum lasst ihr die armen Tiere nicht ein wenig heraus? Es ist zu heiß und zu stickig in den Waggons! Auch wenn Zwischenräume zwischen den Brettern sind!“ sagte Dinah, die sich mit Rusty und Dustin zu ihrem Lehrling gesellt hatten.

„Das geht nicht! Wir können die Kühe doch nicht auf dem ganzen Bahnhofsgelände herumlaufen lassen!“ rief einer der Waggons. „Das gäbe ein Chaos!“

„Hier ist doch nichts los! Ihr steht außerdem am Rand auf einem Nebengleis! Und da vorne ist eine Wiese und ein kleiner Tümpel, da könnten die Tiere Ihren Durst stillen! Spürt Ihr denn nicht, wie sie leiden?“ rief Casey. „So viele Trinkeimer können wir gar nicht auftreiben, um sie hier zu tränken.“

„Wie spüren es ja, aber wir haben strikte Anweisung vom Lokführer! Die Kühe müssen in den Waggons bleiben!"

„Das ist die herzloseste Anweisung, die ich gehört habe! Wenn die Tiere noch länger in zusammengepfercht in euren stickigen Waggons bleiben, gehen bald die Ersten ein!“ rief Dinah.

„Da können wir nichts machen! Anweisung ist Anweisung!“

„Und wo steckt der Lokführer?“ wollte Rusty wissen.

„Der macht mit dem anderen Personal Mittagspause.“

„Mittagspause? Die schlagen sich die Bäuche voll und lassen die Tiere hier schmoren?“ rief Casey.“Von Tierschutz halten die wohl nicht viel!“

„Wir können nichts dafür! Der Zug hätte längst losfahren sollen! Aber Tron hat einen Defekt und wird gerade in der Werkstatt repariert.“

„Tron? Ist das eure Lok? Gibts denn hier keinen Ersatz?“

„Die anderen Zwei sind unterwegs mit Personenzügen.“

„Na toll! Und die Waggons sind gegen unbefugtes Öffnen abgeschlossen, also bleibt nur noch eine Transformation! Also los!“

„Wir denken nicht daran! Wir haben Anweisung vom Stationsvorsteher und Du bist nur ein Lehrling! Und nicht mal von hier!“

„Casey, und wenn Rusty die Waggons an ihr Ziel bringt?“ fragte Dustin.

„Das geht nicht so einfach, Rusty ist nicht von hier und braucht zuerst die Genehmigung vom Stationsvorsteher. Wir können uns nicht einfach so die Waggons schnappen und losfahren. Wir würden großen Ärger kriegen! Vor allem weil ich noch Lehrling bin. Vorschrift ist nun mal Vorschrift. Auf den öffentlichen Gleisen ist der Verkehr genau geregelt. Was glaubst Du, was los wäre, wenn jeder Zug einfach so herumfahren würde? Die ganzen Stellwerke und Leitzentralen sind schließlich nicht zum Spaß da.“

„Genau. Außerdem brauche ich eine Pause! Meine Gelenke sind schon ganz heiß gelaufen!“ maulte Rusty. „Aber ich weiß was besseres.“

„Häh? Du hast eine Idee?“

„Laß mich das machen, Casey!“ sagte Rusty nur und grinste.

„Was hast Du vor?“

„Warts ab!“

Die kleine Dampflok straffte Ihre Gestalt und trat auf die Viehwaggons zu.

„Jetzt hört mir mal zu! Wenn Ihr nicht sofort transformiert, dann setze ich meine Feuerattacke ein und brenne jeden von euch ein großes Loch in die Schiebetüren!“

„Das würdest Du nicht wagen!“

„Oh doch! Wenn Ihr so herzlos und stur seid, kann ich es auch sein!“

Und schon holte Rusty tief Luft! Im nächsten Moment transformierte ein Viehwaggon nach dem anderen, bis die ganzen Kühe im Freien standen. Sofort begannen sich die Ersten muhend in Richtung Wiese in Bewegung zu setzen, fingen dort an zu grasen oder stillten ihren Durst am Teich.

„Na also! Warum nicht gleich so!“ brummte Rusty und dachte sich, wow, es hat tatsächlich geklappt!

„Hey, das war toll! Die haben Dir geglaubt, obwohl Du gar keine Feuerattacke kannst!“ raunte Casey seinem Partner zu.“Ein Glück, das sie auf deinen Bluff reingefallen sind! Du machst dich, Kumpel!“

„Es sind hölzerne Waggons, die nichts mehr als das Feuer fürchten.“

„Okay, hört mal her! Bildet einen Kreis um die Rinder und dann treiben wir den Rest hinüber zur Wiese! Dort werden sie bleiben und nicht weglaufen, wegen des Wassers, die armen Tiere sind ja fast verdurstet!-Hey, nicht an den Sitzbänken knabbern! Marsch auf die Wiese mit euch!“ rief Casey, den wenigen Tieren zu, die lieber im Schatten der Bahnsteige geblieben waren und nach Rindviehmanier die Umgebung untersuchten.

„Oh nein! Und die dort lässt gerade was fallen! Mitten auf dem Bahnsteig!“ rief Dinah angewiedert.

„Na los! Ab mit euch auf die Weide! Loslos!“ rief einer der Waggons und warf die Arme hoch. Ein Weiterer half mit ein paar Klapsen nach.
 

“Hey! Was ist hier los? Wer hat die ganzen Kühe rausgelassen! Warum seid ihr transformiert, Viehwaggons?”

Die ärgerliche Stimme gehörte einer blauen E-Lok.

“Weil uns der Dampfer sonst eins auf den Pelz gebrannt hätte! Ich hab keine Lust, einen verkohlten Hintern zu kriegen!” antwortete einer der Waggons.

Die E-Lok wandte sich herum.

“Das gibts doch nicht! Da rollt man mal kurz ins Betriebswerk wegen einer Reparatur und schon übernehmen Fremde den Laden! Was fällt euch ein, hier die Waggons herumzukommandieren! Das darf nur ich hier, schließlich ist das mein Bahnhof.”

“Oh ja, sicher.” meinte Dinah und rollte mit den Augen.

“Oh, dann bist Du wohl Tron, D-Ligist von Arrosia.” bemerkte Casey.

“Sehr richtig! Und wer seid ihr?”

„Casey Jones aus Kommoran. Ich will mit meiner Lok ein Rennen gegen dich laufen!“

„Oh-verstehe. Aber das gibt euch noch lange nicht das Recht, hier meinen Waggons Befehle zu erteilen!“

„Jetzt komm mal wieder runter von deinem hohen Ross, Tron! Ihr hättet die Waggons eben in den Schatten stellen sollen! Oder den Kühen Wasser geben sollen!“ gab Dinah zurück.

„Ho, Du lässt Dir aber auch nicht alles gefallen, Speisewagenmädchen! Moment mal, dich hab ich doch schon mal auf einem Foto gesehen! Natürlich! Du bist doch die Rennpartnerin von Greaseball, dem Champion!“

„Ex-Partnerin!“ entgegnete Dinah.
 

„Da hören ja die Weichen auf zu quietschen! Wer hat die ganzen Rindvieher rausgelassen? Lonzo! Django! Ich hab euch und deinen Jungs doch die Anweisung gegeben...“

Alle fuhren herum. Ein Mann in Lokführeruniform kam über die Gleise auf den Bahnsteig gestapft.

„Die warens!“ antworteten Tron und Lonzo und deuteten auf Casey und seinen Zug.

„Hey! Man zeigt nicht mit dem Finger auf Andere!“ rief Casey verärgert. „Und außerdem: Wir haben das veranlasst, weil die Kühe in der Hitze furchtbar gelitten haben! Die Waggons standen in der prallen Sonne, Sir!“

„Wer seid ihr denn?“ fragte der Lokführer, als er die Fremdlinge bemerkte.

„Wir sind aus Kommoran, Sir.“ antwortete der Junge.“ Mein Name ist Casey Jones.“

„Aha. Seid ihr auf der Durchreise?“

„Unter anderem. Wir sind aber hierhergekommen um den Favoriten herauszufordern.“

„Ah, auf der Jagd nach ´ner neuen Plakette? Nun gut. Tron, nehmen wir an?“

„Natürlich. Wurde auch Zeit, das wieder mal einer vorbeikommt.“ nickte die blaue Lok.

„Ich heiße übrigends Nathaniel Shine.“

„Meine Lok heißt Rusty und das sind Dinah und Dustin.“

„Aber das Rennen muss noch warten. Zuerst muss ich die Kühe in die Hauptstadt bringen. Ich weiß, ihr wolltet nur helfen. Wir hatten nicht gedacht, das die Reparatur so lange dauern würde. Aber-wer verlädt die jetzt alle wieder? Das ist sonst die Arbeit der Bauern, die sie anliefern.“

„Wir helfen ihnen. Schließlich ist es unsere Schuld, das alle jetzt frei herumlaufen.“

Und so spielten zwei Loks, ein Tender, ein Speisewaggonmädchen und zwei Lokführer Cowboys. Mit ein bischen Nachdruck und Gras, das sie in die zurücktransformierten Viehwaggons legten, kamen die Rinder wieder zurück in ihr Transportmittel. Die Letzten standen am Teich.

„Na komm schon, Du auch!“ rief Tron und versetzte einem Rind einen Klaps auf den Rücken. Mit einem Brüllen fuhr es herum.

„Au wei! Das ist der Zuchtbulle! Den hab ich ganz vergessen!“ fluchte Trons Lokführer.

„Lonzo! Wieso hast Du den rausgelassen?“

„Die Dampflok hat ausgesehen, als ob sie wirklich ernst macht, Tron.“

„Vorsicht! Er greift an!“

„Von uns hat doch keiner was Rotes an!“ meinte Casey und brachte sich hinter Rusty in Sicherheit.

„Tron! Achtung! Er hat es auf dich abgesehen!“

Die blaue Lok versuchte auf die Seite zu rollen, kam aber auf dem unebenen Grasgelände mit ihrem Fahrgestell schlecht voran und stolperte zu allem Pech auch noch.

„Scheiße! Wenn der mich auf die Hörner nimmt, bin ich wieder reif für die Werkstatt!“ dachte sich Tron.

Plötzlich aber trafen den Bullen einige gezielt geworfene Steine an der Stirn.

„Hierher! Na komm!“ rief Dustin und wedelte mit den Armen.

Der Bulle bremste ab, änderte die Richtung und hielt nun auf den Tender zu.

„Dustin! Mach das Du wegkommst!“

Aber statt die Flucht zu ergreifen, senkte der Waggon den Kopf und stellte sich auf alle Viere.

„Schädelwumme!“

Es schepperte laut, als der Bulle mit dem behelmten Kopf des Tenders zusammenstieß. Aber der Schlag blieb nicht ohne Wirkung. Der Bulle begann muhend zu taumeln und wäre beinahe umgefallen.

„Hey, das war toll!-Los jetzt, so lange er noch benommen ist! Ab in den Waggon mit ihm!“ rief der Lokführer.
 

Schließlich war der Zug abfahrbereit.

„Die Viehhändler in der Stadt warten schon ungeduldig auf die Lieferung. Machen sie sich auf den Weg, Mr. Shine.“ erklärte der Stationsvorsteher.

Der Lokführer, welcher aus dem Seitenfenster von Trons Führerstand lehnte nickte.

„Wir sind schon unterwegs, Mr. Quinn.“

Und gleich darauf rollte der Transport aus dem kleinen Bahnhof.

Dann wandte sich der Stationsvorsteher an Casey.

„So, ihr vier. Und bis Tron zurück ist, macht ihr hier ein wenig sauber.“ bemerkte Mr. Quinn und verteilte Besen und Kehrschaufeln.

„Oh nein...“ seufzte Casey und sah sich um. Heu und Strohreste und auch einige Kuhfladen waren auf dem Gleis und dem Bahnsteig zurückgeblieben.

„Das kommt davon, wenn man helfen will!“ knurrte Rusty.

So mussten die Freunde also Staßenkehrer spielen. Nachdem die Bahnsteige und Gleise wieder sauber waren und die Müllsäcke entsorgt, bezogen sie im Lokschuppen Quartier. Nur Dustin wurde in der Werkstatt abgesetzt, damit sein verbeulter Helm wieder in Ordnung gebracht wurde.

„Uff! Endlich! Jetzt ein Nickerchen!“ seufzte Rusty, schnallte seinen Tender ab und streckte sich auf der Matratze aus. Außer dem Rucksack-Tender konnte Rusty im Humanoid-Modus noch andere Komponenten abnehmen, um bequemer schlafen zu können. Da waren die Ellenbogenriemen mit den Puffern, der Gurt mit den Kuppelringen und natürlich das Stirnband. Für andere Teile wäre Werkzeug nötig gewesen und diese wurden nur zu Reparatuzwecken abmontiert.

Dustin kam nach einer Weile zurück. Sein Helm war nun wieder ohne Delle und glänzte wie frisch poliert.

„Hast Du eigentlich keinen Brummschädel nach dem Zusammenstoß?“ fragte Dinah.

„Nö. Nur kurz am Anfang.“ antwortete der Tender und ließ sich in der daneben liegenden Stellbox nieder.

„Du hast echt einen harten Schädel.-Ach Casey, hast Du keinen Hunger? Das Mittagessen ist ja heute ausgefallen.“

„Jetzt wo Du es sagst...langsam macht sich mein Magen bemerkbar.“

„Ich koch Dir gleich etwas. Die Gaststätte hat sicher schon zu.“

„Danke Dinah. Verhungern werde ich auf dieser Reise dank Dir auf keinen Fall.“ lächelte der Junge. „Ich bin nebenan, im Wohnbereich.“
 

Am Abend, als Casey gerade Rusty für die Nacht fertigmachte, also die Asche und Schlacke entfernte und den Wassertank und Kohletender auffüllte, kehrte Tron mit den leeren Waggons aus der Hauptstadt zurück.

„Na, alles glatt gelaufen?“

„Na ja, die Händler waren etwas ungehalten, aber habens dann doch eingesehen. Das eine Lok kaputt geht, passiert zwar nicht oft, aber eben doch manchmal. Und jetzt verzieh ich mich in meine Stellbox. Mr. Quinn, der Stationsvorsteher, wird euch morgen bescheidgeben, wenn alles vorbereitet ist.“

„Nacht, Leute.“ murmelten die Viehwaggons, als sie an den beiden vorbeirollten.

„Bis morgen, Jungs.“grüßte Casey zurück. Dann drehte er den Wasserhahn ab und zog den Schlauch aus dem Tank. Meist musste er auf kleinen Bahnhöfen auf diese Weise das Wasserfassen vornehmen. Wasserkräne gab es nur noch auf wenigen Stationen und nicht immer waren sie mehr in Betrieb.

Nachdem er den Wassertank wieder zugeschraubt hatte, transformierte Rusty in den Humanoid-Modus zurück.

„Danke, Kumpel. Das reicht jetzt wieder bis morgen mittag. Wenn ich schlafe, brennt eh nur meine Lebensflamme und die verbraucht sehr wenig Energie. Allerdings brauche ich morgends immer eine ganze Weile, bis ich richtige „Betriebstemperatur“ erreicht habe.“

„Das ist bei allen Dampfloks so. Das Wasser in deinem Kessel muss erst richtig heiß sein, um Dampf erzeugen zu können.“ erklärte Casey.
 

Vor dem Schlafengehen erfolgte immer das gleiche Ritual. Tender und Ellenbogenschutz mit den Puffern abnehmen. Dann noch ein –zwei –Kohlebrocken als „Betthupferl“ und das Betriebsfeuer in seiner Feuerbüchse wurde langsam immer kleiner, bis nur noch die Lebensflamme brannte. In der Frühe würde sie das Anfeuern wieder selbst übernehmen.
 

Am nächsten Morgen, während des Frühstücks, sah Mr. Quinn vorbei.

„Bleib ruhig sitzen und lass dich nicht stören, mein Junge.“ lächelte der Stationsvorsteher. „Du kannst mir auch nachher deine Liga –Unterlagen geben.“

„Ich hole sie.“ sagte Dinah. Kurz darauf kehrte sie mit einer kleinen Tasche zurück.

„Danke, Dinah.“ lächelte Casey, während sie die Unterlagen an Mr. Quinn weiterreichte.

„Oho, so weit in so kurzer Zeit seid ihr schon gekommen?“

„Ja, wir hatten auch ein bischen Glück.“ gab der Junge zu.

Der Stationsvorsteher blickte in die nebenan liegende Halle mit den Stellboxen. Rustys Schnarchen war bis hierher zu vernehmen.

„Deine Lok ist ein richtiger kleiner Langschläfer.“ lächelte er.

„Stimmt. Aber wenn er erst richtig in Fahrt kommt...“

„Ich habe das Wettrennen für heute vormittag um 10 Uhr festgelegt. Heute ist es zum Glück auch nicht mehr so heiß.“

„Okay. Wir werden da sein.“
 

Nachdem Mr. Quinn wieder gegangen war, begab sich Casey in die angrenzende Halle.

Kopfschüttelnd blieb er vor Rustys Stellbox stehen und sah auf die Uhr.

„RUUSTY!! Du alter Langschläfer! Es ist schon halb neun durch! Willst Du nicht mal ans Aufstehen denken?“ rief er laut.

Nebenan rappelte sich Dustin sofort auf die Beine.

„Ich bin schon wach, Casey.“ meldete er fröhlich.

„Du bist wenigstens immer schnell auf den Beinen.“

Inzwischen hatte sich die kleine Dampflok schlaftrunken aufgesetzt.

„Was schreist Du denn so?“ brummte Rusty und kratzte sich am Hinterkopf. Dann gähnte er.

„Sieh zu, das Du deinen Kessel aufheizt, schnall Dir deinen Tender um und hoch mit Dir! Das Wettrennen ist um zehn Uhr und wir wollen vorher noch ein wenig trainieren! Du hast lange genug geschlafen!“

„Schon gut. Kein Grund so laut zu werden.“ brummte die Lok, fingerte sich einige Kohlebrocken aus einem Eimer und schob sie sich ein. Das Hauptfeuer entfachte sich und langsam kam Leben in die kleine Dampflok.

„Das ist immer der große Nachteil bei einer Dampflok. Sie braucht immer eine geraume Zeit, um in die Gänge zu kommen.“ seuftze Dinah.
 

Der Trainingslauf brachte Rusty wieder in Form.

Dann war es soweit.

Auf den Bahnsteigen hatte sich nur eine kleine Menschenmenge eingefunden. Nathal war eine ländliche Gegend mit wenig Verkehrsaufkommen.

„Casey, hast Du alle Muttern angezogen, die ich Dir gezeigt habe?“ fragte Rusty.

„Die sitzen fest genug.“

„Und sind alle Lager geölt?“

„Mach ich doch immer vor einem Wettlauf. Das ist bei mir schon alles Routine, Kumpel!“
 

Mr. Quinn betrat das Rednerpult.

„Meine Damen und Herren, ich bitte um ihre Aufmerksamkeit. Tron unser Favorit, wurde herausgefordert. In wenigen Minuten startet das Rennen um die Plakette von Nathal!“

Beide Loks mit ihren Waggons rollten in Position auf den dafür extra vorbereiteten Gleisen.

„Es gehen an den Start: Rusty die Dampflok aus Kommoran mit Dustin dem Tenderwaggon und Tron, unser D-Ligist mit Lonzo, dem Viehwaggon!“ tönte es aus den Lautsprechern.

„Heh, bin mal gespannt, ob ihr mit uns mithalten könnt.“ grinste Tron und setzte seinen Helm auf. Rusty stülpte sich seinen Eigenen über den Kopf und machte den Riemen fest.

„Macht euch bereit! Drei-zwei-eins-Start!“ rief Mr. Quinn und drückte einen Knopf auf seinem Pult. Sofort sprangen die beiden Signale an der Ausfahrt auf Grün und beide Gegner sprinteten los!

Der Bahnhof blieb rasch zurück und es ging hinaus auf die Strecke.

„Dann zeig mal, wie schnell Du laufen kannst!“ lachte Tron. Er verabreichte Rusty mit der Hand einen Klaps auf den Hintern und zog lachend an der kleinen Dampflok vorbei.

„Hey!“ rief Rusty erbost.
 

Die Strecke führte ca. zwölf Kilometer bis zum Nachbarbahnhof. Hier wurde gewendet und es ging wieder zurück. Tron erreicht mit Lonzo als erstes den Wendepunkt. Beide wechselten die Fahrtrichtung, dann wurde die Weiche umgestellt. Das Signal sprang auf Grün und es ging zurück.

Gerade als Rusty in die Station schnaufte, verließ Tron sie gerade wieder.

„Wir sehen uns am Ziel, Kleiner!“ scherzte die E-Lok.

„Mann, der holt uns gar nicht mehr ein. Da brauchst Du wohl deine Attacken gar nicht.“ meinte Lonzo.

„Schade eigentlich. Hätte mehr von dem Schnaufer erwartet.“
 

„Los, Los, Los!“

Ungeduldig wartete Rusty darauf, das die Weiche im Stellwerk endlich umgestellt wurde und das Signal auf Grün sprang. Vorher loszufahren hätte die augenblickliche Disqualifikation bedeutet.

„Na endlich!“ brummte die Dampflok genervt und sprintete los.

„Die haben einen ganz schönen Vorsprung! Ob wir den noch aufholen?“ fragte Dustin.

„Wir müssen! Ich will nicht gegen den Angeber verlieren!“

Die kleine Lok ging bis an die Grenze ihrer Kesselbelastbarkeit, um genügend Dampf zu haben. Langsam wurde der Vorsprung kleiner.

„Übernimm dich nicht, Kumpel! Denk daran, was beim Ersten Mal passiert ist!“

„Ich weiß, Dustin!“

Immer schneller wurden stampfenden Kolbenschläge Rusty war bald von all den Dampfwolken, die er ausstieß, fast völlig eingenebelt.

„Nur noch ein kleines Stück....gleich bin ich auf gleicher Höhe mit ihm...“
 

„Hey, Tron! Schau mal! Der Dampfer hat uns tatsächlich eingeholt!“ rief Lonzo, als er die Dampfschwaden neben sich sah.

„Hee, dein Ruß fliegt uns in die Augen!“ fluchte Tron.

„Soll er auch.“ grinste Rusty.

„Na warte!-Blitznadeln!“

Aus Trons Abnehmer entluden sich kleine längliche Elektroblitze die nun auf die beiden Gegner niederregneten. Jeder Treffer fühlte sich wie ein kleiner Stromschlag an und bei der Menge, die gerade niedergingen, war das weniger angenehem.

„Au! Aua! Jaugh! –Schlacke und Asche! Das brennt vielleicht!“ fluchte Rusty.

„Genauso wie dein Ruß in meinen Augen!“ gab Tron zurück.
 

Inzwischen blickten Casey und Dinah nervös auf den Monitor. Bis jetzt waren nur die leeren Gleise zu sehen, die sich in der Ferne verloren.

„Sie sind noch immer nicht in Kamera-Reichweite.

Mr. Quinn telefonierte unterdessen mit jemanden. Casey hatte bereits festgestellt, das es hier teilweise bereits schnurlose Telefone gab. Sie wurden wie alles hoch technische, aus Elektanis importiert. Nur Handys gab es nicht. Schade eigentlich. Sonst hätte er öfters in Kommoran bei Digger anrufen können. Oder bei Mr. Corell. Casey hoffte, das er dieses geheimnisvolle Land, über das so viele sprachen bald mit seinen Freunden besuchen konnte.
 

„Unser Streckenposten bei Kilometer 6,5 meldet soeben, das beide Züge an ihm vorbeigefahren sind! Tron liegt etwas in Führung und setzt dem Herausforderer gerade arg zu!“ sprach der Stationsvorsteher in sein Mikro.
 

Inzwischen, auf der Rennstrecke...

„Kleiner Stromschlag gefällig?“ grinste Tron.

„Was, das-IAAAAAHHH!“

Tron hatte seine linke Hand auf Rustys rechten Arm gelegt und sandte einen saftigen Stromstoß hinüber!

„Ich steh ganz schön unter Spannung, was?“ grinste die E-Lok.

„Aaah, Mist! Ist das überhaupt erlaubt?“ fluchte Rusty und schüttelte sich, während einzelne Entladungen als Nachwirkung über seinen Körper züngelten. Seine Haare standen nach allen Seiten ab.

„Reg dich nicht auf. Ihr alten Dampfloks seid am unempfindlichsten gegen Elektro-Attacken. Bei einem Diesel darf ich das nicht machen, ein Funke könnte den Treibstoff entzünden! Aber Stromstoß ist als Attacke durchaus bei Rennen erlaubt.“

„Es ist aber trotzdem gemein!“ maulte Rusty.

Durch den starken Elektroschlag fiel Rusty wieder zurück.

„Was ist denn, Kumpel?“ fragte Dustin besorgt.

„Scheiße! Mir tut alles weh! Das hat echt gesessen!“ knirschte Rusty und hielt seine Arme um seinen Körper geschlungen.

„Hey, Dampfer! Warum antwortest Du nicht mal mit ner Feuerattacke? Ich würde die gern mal sehen!“ rief Lonzo.

„Ts, ich wette, der kann gar keine! Der hat gestern nur geblufft und ihr Holzköpfe seid drauf reingefallen!“ brummte Tron.

„Meinst Du? Aber alle Dampfloks können doch Feuerattacken!“

„Dumpfbacke! Aber nur, wenn sie sie vorher lernen! Und er hats noch nicht gelernt, sonst hätte er Dir längst eins auf den Pelz gebrannt!“

„Dieser Halunke! Na, geschieht Dir recht, das Du unsere Plakette nicht gewinnst!“
 

Inzwischen waren beide Gegner auch wieder auf dem Monitor zu sehen.

„Oh nein! Tron liegt immer noch in Führung! Und warum fährt Rusty so gekrümmt?“

„Hoffentlich hat er nicht mechanische Probleme.“ meinte Dinah besorgt.

„So ein Mist! Der Kerl hat fast schon den Bahnhof erreicht!“fluchte Casey. „Na ja, man kann nicht immer gewinnen. Bis jetzt ging es auch zu glatt. Einmal musste es ja so kommen.“
 

Tron lugte über seine Schulter.

„Tja, diesmal wird das wohl nichts, Dampfer! Tut mir leid!“ rief er Rusty hinterher.

„Adios, Amigos!“ grinste Lonzo und winkte. „Lern erst mal ne Feuerattacke, bevor Du dich mit uns anlegst!“

„Verdammt! Der Bursche ist schnell! Und dieser Lonzo wiegt ja kaum was mit seiner leichten Holzkonstruktion!“ knurrte die Dampflok.

Schon bog Tron fröhlich um die Kurve, die in den Bahnhof führteund winkte in die Kamera, welche oben auf einem der Strommasten installiert war.Doch plötzlich-
 

Zwei Brüder, die neben dem Gleis alleine an der Einfahrt zum Bahnhof standen, alberten mit der Puppe ihrer kleinen Schwester herum.

„He, lasst das! Gebt mir Lilli wieder!“ protestierte das kleine Mädchen und reckte ihre Arme.

„Hey, mal sehen, wie hoch sie fliegen kann!“ rief einer der Jungen. „Hey-hopp!“

„Pass auf, Robert! Da kommt Tron!“ rief der ältere Bruder.

„Was-ja, er führt! Und schau mal, wie weit der alte Dampfer zurückhängt! Und der fährt so komisch.“

Abgelenkt durch die Ereignisse, vergaß der Junge die durch die Luft segelnde Puppe -und das Spielzeug landete mitten auf Trons Gleis!

„Nein! Meine Puppe!“

„Anne! Nein, bleib hier!“

Doch es war schon zu spät. Das Mädchen sah nur noch ihre Puppe und rannte ihr hinterher.

„Verdammte Scheiße! Tron, halt an! Unsere kleine Schwester ist auf den Gleisen!“ rief Robert und wedelte wild mit den Armen.

Auch die ersten Leute auf den Bahnsteigen bemerkten die Gefahr, einige schrien erschrocken auf. Der Streckenposten am Anfang des Bahnsteigs schwang eine rote Warnflagge. Und das bedeutete meistens: Ein Hindernis lag auf den Gleisen.

„Beim Starlight!“ fluchte Tron und ließ sein Signalhorn erschallen. Aber er wusste, das dies wenig nutzen würde. Das Mädchen saß vor Schreck wie erstarrt auf dem Gleis, sah die riesige Lok auf sich zukommen und rührte sich nicht. Genauso war es mit ihren Brüdern. Und es war kein Mensch in der Nähe, der schnell genug wäre, die Kleine noch von den Gleisen zu holen!

“Lonzo! Notbremsung!“
 

„Was ist jetzt los? Warum bremst Tron so heftig?“ wunderte sich Dustin. „Mann, da sprühen richtig Funken!“

„Da ist jemand auf den Gleisen! Das ist ein kleines Kind! Oh nein, er wird nicht mehr rechtzeitig halten können! Das gibt einen Zusammenstoß!-Dustin! Häng dich von mir ab!“

„Was? Aber-„

„Tu was ich Dir sage! Abkuppeln!“

„Ja, gut.“ nickte der Tender und ließ los. Sofort wurde Rusty schneller, unterdrückte den dumpfen Schmerz und beschleunigte noch mehr. Er schoß an Tron vorbei, der wenige Augenblicke später zum Stehen kam. Dies hatte sich alles innerhalb weniger Augenblicke abgespielt.

E-Lok und Viehwaggon sahen sich nervös um-aber von dem Kind fehlte jede Spur. Nur die Puppe lag einsam zwischen den Beinen von Tron und seinem Anhänger.
 

Zur gleichen Zeit kam Rusty kurz hinter der Ziellinie zum Stehen. Sofort kam Casey aufgeregt angerannt.

„Rusty! Hast Du nicht gesehen? Da war ein Kind auf den-Oh!“

„Meinst Du dieses Kind hier?“ lächelte die Dampflok und hielt das Mädchen hoch, das noch gar nicht recht wusste, was passiert war.

„Mann, wie hast Du das denn geschafft?“

„Ich habe gesehen, das Tron es trotz Notbremsung nicht mehr rechtzeitig schaffen würde, vorher zum Stehen zu kommen. Ich musste schnell handeln. Da habe ich Dustin abekuppelt und beim Überholen von Tron habe ich mir die Kleine geschnappt. Das war verdammt knapp, er hatte sie fast schon erreicht! Ich griff mit einer Hand zu und zog sie zu mir auf die Arme.“

„Genial! Du hast sie während voller Fahrt aus der Gefahrenzone gerissen! Du machst dich, Kumpel! Für uns ist das Rennen zwar gelaufen, aber das macht nichts. Wichtig ist, das der Kleinen nichts passiert ist.“

„Na ja, eigentlich bin ich als Erster durch, aber ohne Waggon. Aber es müssen beide durchs Ziel gehen.“ seufzte Rusty.

„Ich bin schon hier!“ lächelte Dustin, hielt hinter Rusty und klopfte ihm auf die Schultern. „Toll gemacht, Kumpel!“

Als nächstes rollten Tron und Lonzo auf ihrem Gleis bis zur Ziellinie und hielten an.. Ersterer hielt etwas in den Händen. Es war die Puppe.

Als Rusty das Spielzeug erblickte, schossen ihm plötzlich einige Gedankenfetzen durch den Kopf. Ein Flashback. Er sah ein Stofftier wie in Zeitlupe durch die Luft segeln und auf den Schienen landen. Dann das scharfe Kreischen einer Notbremsung-

„Rusty? Alles okay?“ fragte Tron.

„Wie? Jaja, bestens.“

„Hier. Die gehört sicher Dir.“ lächelte die blaue E-Lok.

„Oh Lilli!“

Freudestrahlend nahm das Mädchen ihre Puppe wieder entgegen. Dann setzte Rusty sie auf dem Bahnsteig ab. Beide Loks nahmen ihre Helme ab.
 

Inzwischen waren beide Züge von einer applaudierenden Menschenmenge umringt worden.

Annes ältere Brüder bahnten sich einen Weg durch die vielen Leute, bis sie ihr Geschwisterchen entdeckten.

„Anne! Dem Starlight sei Dank!“ rief Robert.

„Warum bist Du nur auf die Gleise gelaufen? Tron hätte dich beinahe überrollt!“

„Aber der war schneller.“ lächelte Anne und deutete auf Rusty.

Ein Mann in bäuerlicher Kleidung gesellte sich zu den Kindern.

„Das war sehr dumm von euch, Robert und James! Ihr seid die Älteren und müsst auf eure Geschwister achtgeben! Was hätten eure Eltern gesagt, wenn Anne etwas passiert wäre!“rief der Nachbar der Familie, zu der die Kinder gehörten. „Anna vergisst alles um sich herum, wenn es um ihre Puppe geht! Ihr habt nicht nur eure Schwester in Gefahr gebracht, euretwegen muss jetzt das Rennen warscheinlich wiederholt werden!“

„Tut uns leid, Mr. Meadow.“ sagte James kleinlaut und lies den Kopf hängen.“ Mann, ich dachte schon, jetzt ist es aus!“

„Ich hoffe, das war euch eine Lehre! Nicht umsonst soll man zurücktreten, wenn ein Zug vorbeifährt!“
 

„Und wie gehts jetzt weiter?“ fragte Rusty.“Gewonnen hat ja wohl keiner von uns.“

„Hn. Hätte ich nicht diese Notbremsung machen müssen, hätte ich gewonnen! Du hattest echt Dusel!“ brummte Tron. „Und Du hast die Kleine echt vor meiner Nase weggeschnappt, ich wäre nicht mehr rechtzeitig zum Stehen gekommen. Gut gemacht, Rusty.“

„Auf jeden Fall hat Mr. Quinn das letzte Wort, ob er den Wettlauf für gültig erklärt.“
 

Der Stationsvorsteher besprach sich unterdessen mit einigen Leuten. Dann rief er Tron zu sich und diskutierte mit ihm weiter.

Eine halbe Stunde verging, bis Mr. Quinn endlich zurückkam.

„Ich habe mit einigen Leuten und Tron geredet. Und im Regelbuch der Liga nachgesehen.

„Die große Mehrzahl der Leute hier ist dafür, das Du wegen deiner geschickten Taktik und deines schnellen Reaktionsvermögens zum Sieger dieses Rennlaufs erklärt werden sollst. Ihr seht, Zugrennen laufen nicht immer gleich ab.“

„Wow! Danke!“ freute sich Casey.

„Nicht zu fassen! Bei den letzten Rennen ist immer etwas aufregendes passiert, das uns am Ende zum Sieg verholfen hat“ bemerkte Dinah.

„Trotz abgekuppeltem Waggon?“ staunte Rusty.

„Dein beherztes Handeln hat Dir unsere Plakette beschert.“ lächelte Mr. Quinn.

„Ja! Rusty soll die Plakette kriegen! Weil er unsere kleine Schwester gerettet hat!“ rief Robert.

„Die Ligaregeln bieten auch Ausnahmen. Das macht die Sache interessanter. Und trotz allem warst Du Erster. Selbst dein Anhänger war vor Tron und Lonzo im Ziel.“ erklärte Mr. Quinn.
 

Schließlich bekam der Sieger feierlich die Plakette überreicht. Die kleine Anne selbst durfte sie an Rusty übergeben.

„Und danke nochmal, das Du mich gerettet hast.“

„Hab ich doch gern getan.“

„Ja! Unsere fünfte Plakette! Das läuft ja großartig bis jetzt! Wir haben eine echte Glückssträhne!“ jubelte Casey.

So kam die Plakette von Arrosia in die Mappe zu den Anderen.
 

Später am Abend, im Lokschuppen...

„Mrr...das brauchst Du wirklich nicht zu machen, Casey.“ brummte Rusty. „Ich mache das doch immer selber.“

Er hockte auf einer niedrigen Tonne und wurde von seinem Lehrling auf Hochglanz gebracht. Dazu benutzte Casey eine spezielle Paste, die es in verschiedenen Farben gab, je nach Anstrich einer Lok. Bei Rusty war es schwarz.

„Doch Du hast es verdient. Hmm...wir müssen auch an deinen Anstrich denken....es gibt da noch einiges zu tun. Aber dazu müssen wir in ein richtiges Betriebswerk.“

„Guten Abend, mein Junge.“

„Oh, guten Abend, Mr. Quinn.“

„Hier sind deine Ligaunterlagen zurück. Ich habe die entsprechenden Einträge gemacht.“

„Danke, Sir.“

„Und morgen geht es weiter?“

Casey nickte.

„Ihr habt ja noch viel vor. Dann wünsche ich euch alles Gute.“
 

Kurz vor dem Schlafengehen sah Casey noch einmal nach seinem Freund. Er fand ihn auf der Matratze liegend, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und nachdenklich an die Decke starrend.

„Rusty, was hast Du?“

“Ich weiß nicht, Casey, als ich vorhin die Kinder herumalbern und das Spielzeug auf die Gleise fliegen sah, hatte ich einen Flashback.“

„Einen Flaschback? Ein Fragment deiner verlorenen Erinnerungen?“

„Warscheinlich. Ich sah ein Stofftier...ich glaube, es war ein Hund oder so...durch die Luft fliegen....mir war als rannte ich hinter ihm her, versuchte ihn zu fangen....dann hörte ich nur noch das Kreischen von Bremsen...

„Du liebe Zeit! Bist Du mit irgendwas zusammengestoßen?“

„Ich weiß nicht. Weiter kann ich mich nicht erinnern.“

Plötzlich musste Casey grinsen. „Du hattest ein Stofftier? Aber Du bist doch von Anfang an erwachsen gewesen. Es gibt keine Loks im Kinderformat.“

„Ph! Na und? Warscheinlich war das gar nicht mein Stofftier! Sicher ist es einem Kind abhandengekommen und ich wollte es zurückholen.“

„Denk ich wohl auch. Vielleicht erinnerst Du dich mit der Zeit an mehr. –Bis morgen, Kumpel, Du weißt, wir müssen früh raus. Und ich will mal sehen, das Du Morgends auch mal der Erste bist.“

Rusty rollte mit den Augen wälzte sich herum und zog die Decke über den Kopf. Casey schüttelte lächelnd den Kopf. In manchen Dingen würde sich die kleine Dampflok wohl nie ändern. Und vielleicht war es auch gut so.
 

Forstetzung folgt....

Der Eisenbahn-Friedhof

13.Der Eisenbahn-Friedhof
 

Nachdem sie Arrosia verlassen hatten, wurde die Gegend immer gebirgiger. Zum Glück aber waren die Gleisstrecken nicht so steil wie in Rätina. Aber Lunia hielt noch etwas anderes für die Freunde bereit. Den dichtesten Nebel, den Casey seit seiner Ankunft hier auf dem Kontinent erlebt hatte. Man konnte kaum eine Armlänge weit sehen. Selbst Rustys Scheinwerfer brachten keine Hilfe.

„Mann, was für eine Suppe! Hoffentlich verfahren wir uns nicht total!“ murrte der Junge. Von Zeit zu Zeit ließ er die Pfeife der Dampflok ertönen, um eventuel andere Züge in der Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Der hohe Ton kam als zigfaches Echo von den Felswänden zurück. Sonst herrschte eine gespenstische Stille.

„Oder wir rollen geradewegs in einen Abgrund! Casey, lass uns stehenbleiben und weiterfahren, wenn der Nebel sich gelichtet hat! Sonst kommen wir nie nach Oledin!“

Der Junge spürte die Unruhe seines Lokpartners. Keine Lok mochte solch einen dichten Nebel, der jede Orientierung unmöglich machte.

„In Ordnung. Wir fahren noch ein kurzes Stück. Die Felswände weichen etwas zurück, das Gelände wird offener.“

„Aber wir steigen noch immer. Oledin liegt nicht mitten im Gebirge! Und die Gleise sehen recht alt und heruntergekommen aus. Da! Hier sind sie nichteinmal mehr richtig verschraubt! Nur provisorisch verlegt!“

„Seltsam. Ob wir an der letzten Weiche falsch abgebogen sind?“

„Bloß nicht! Mein Kohlevorrat geht langsam zur Neige!“

„Ich korrigiere Kumpel: Er ist fast aufgebraucht.“ bemerkte Casey und warf einen Blick in Rustys Tender. Er konnte die Kohlebrocken an den Fingern abzählen, die noch auf dem Boden des Behälters lagen.

„Was?“

Rusty bremste plötzlich und blieb stehen!

„Hey!“ protestierten Dinah und Dustin, die unsanft anstießen.

„Wir sind hier mitten im Nirgendwo und die Kohle ist alle?“

„Nun werd mal nicht hysterisch, Kumpel! Lass uns hierbleiben und abwarten. Hoffe, der Nebel verzieht sich bald.“
 

Gerade als Casey aus dem Führerstand kletterte, spürte er eine frische Brise seine Jacke bauschen.

„Es kommt Wind auf! Der wird den Nebel vertreiben! Dann werden wir gleich wissen, wo wir sind.“ sagte er.

Und tatsächlich. Die Nebelwand bekam Risse, und wurde in Schwaden vom Wind davongetragen. Und Casey und seine Freunde erlebten eine Überraschung!

„Mann! Wo sind wir denn hier?“ rief der Junge.
 

Vor ihnen tat sich ein großes, felsiges Tal auf. Aber es war nicht einsam und verlassen. Überall zwischen dem Geröll und Felsen standen reglos die Überreste von Loks und Waggons. Rusty war am Eingang zum Tal stehengeblieben, einige Meter vor ihm verzweigte sich das Gleis in meherer Richtungen. Rusty und die beiden Waggons transformierten. Und als die kleine Dampflok sah, wo sie gelandet war, bekam sie richtig Panik.

„UWAH! Ein Eisenbahn-Friedhof! Das hat mir gerade noch gefehlt! Ich will hier weg!“ rief er angstvoll in die Stille. „Wir dürfen hier nicht sein! Das ist ein geweihter Ort!“

„Wow....“ entfuhr es Casey.“Gibts so was wirklich?“

„Ja, Casey. Weißt Du, irgendwann kommt selbst für einen Waggon oder eine Lok die Zeit, wo ihre Seele in dem Himmel zur großen Sternenlok zurückkehrt. Vom Starlight Express kamen wir einst, zum Starlight Express kehren unsere Seelen irgendwann wieder zurück.“ erklärte Dinah. „Es gibt viele stille, abgelegene versteckte Orte auf dem Kontinent, wo sich Loks und Waggons zurückziehen, wenn sie spüren, das ihre Zeit auf dieser Welt sich dem Ende nähert. Oder die Menschen bringen die leeren Hüllen hierher. Es ist die letzte Ehre, die sie ihnen erweisen können. Oder sie werden an anderen Orten aufbewarhrt.“

„So wie der alte Gargorin in Taiga-Drubania.“

Dinah nickte. „Auch in Ruthia gibt es so einen geheimen Ort. Aber keiner von uns kennt ihn. Erst wenn es soweit ist, weißt der Starlight Express uns den Weg.“

Casey ließ seinen Blick schweifen.

„Ich sehe hier hauptsächlich Dampfloks und wenige Waggons alter Bauart.-Vielleicht finden wir in einem Tender noch etwas Kohle, um Rustys Vorrat aufzufrischen.“

„WAAS? Vergiss es! Du willst doch nicht...“ schluckte die kleine Dampflok.

„Dein Vorrat ist so gut wie aufgebraucht! Wie sollen wir sonst weiterkommen?“

„Ist mir egal! Ich will hier weeeg!“ jammerte Rusty.

„Nimm dich doch zusammen! Oder glaubst Du, hier spukts? Und außerdem brauchen diese Dampfloks ihre Kohle nicht mehr. Die werden sicher nichts dagegen haben, das wir uns etwas davon nehmen.-Passt auf. Ihr wartet hier, ich gehe mit Dustin los und lade ihn so voll ich kann. Dann kommen wir zurück und verlassen das Tal wieder. Wir scheinen in dem Nebel vorher wirklich falsch abgebogen zu sein.-Da vorne ist ein guter Platz zum Rasten. Im Fels ist eine kleine Vertiefung und da drüben sprudelt sogar Wasser aus dem Felsen. Da kannst Du gleich deinen Tank wieder auffüllen.“

„Oh mann!“ jammerte die Dampflok und rollte der Felsnische. Hier ließ sie sich nieder, mit dem Rücken zum Tal, um nicht all die leblosen Hüllen ständig ansehen zu müssen. Die düstere Umgebung machte ihm schreckliche Angst.
 

„Ich hoffe, Du hast keine Angst, Dustin.“

„Angst? Vor was?“ meinte der Tender unschuldig.

„Da siehst Dus. Es gibt keinen Grund. Gut, der ganze Ort hat etwas gruseliges an sich, aber keiner von denen hier wird dich fressen. Also wartet hier auf uns.“
 

Dinah setzte sich zu Rusty und versuchte ihm gut zuzureden, während Casey und Dustin sich auf den Weg über die Felsen machten. Sie nutzten die roh verlegten Gleise, die angelegt worden waren, um die leeren Hüllen hierhertransportieren zu können. Warscheinlich hatte noch eine „lebende“ Lok sie hergeschleppt. Oder sie waren, wie Dinah es erzählt hatte, von alleine hierhergekommen.

Bald waren Rusty und Dinah ausser Sicht, immer noch zogen vereinzelte Nebelschwaden durch das Tal.

„Komm, Dustin. Versuchen wir es mal mit der großen, grünen Lok da. Die scheint noch nicht lange hier zu stehen und die Kohle dürfte noch in einem guten Zustand sein.“

Ein wenig mulmig war es dem Jungen schon, als er vor der riesigen Lok stand. Doch dann fasste er sich ein Herz und kletterte in den Führerstand.

Im Innern war alles wie ausgestorben, nur der Wind pfiff durch die Fenster. An einem Ventilrad hing sogar noch ein verwelkter Blumenkranz. Ein letzter Gruß des einstigen Lokfürers? Casey schluckte. Sollte er wirklich sich an der Kohle bedienen?

Daneben entdeckte er die Zulassungsplakette mit dem Baujahr und der Standortangabe.

„Du bist also einst in Oledin gebaut worden. Und Du wärst jetzt fast hundertachtundzwanzig Jahre alt....ich hoffe, Du hast nichts dagegen, wenn wir uns die restliche Kohle aus deinem Tender holen, Kumpel.“ sagte Casey leise. Mit diesen Worten ging er zu dem Anhänger hinüber und sah hinein.

„O je! Der ist ja fast leer! Aber egal. Dann müssen wir noch bei den anderen nachsehen.“

Casey fand noch eine Schaufel und füllte die wenige Kohle in den transformierten Dustin.

„Und reicht das? Ich bin nicht mal halbvoll.“ meinte der Tender, als er wieder in den Hummanoid-Modus transformiert hatte.

„Nein, lass uns bei den anderen Loks nachsehen.“

Bei den anderen Dampfloks sah es nicht besser aus. Erst bei einer im hinteren Teil des Tales wurden sie endlich fündig.

„Prima-der ist noch halbvoll! Die Kohle steht zwar schon etwas lange hier, aber das macht nichts.“ Casey besah sich die Plakette dieser Lok.“Mann, hundertzweiundsechzig Jahre! Das ist wirklich ein uralter Bursche hier. Wenn ich nur wüsste, wie lange Du hier schon stehst...siehtst schon ziemlich rostig aus....- Okay, Dustin. Transformiere.“

Und wieder wurde der Tender beladen. Auf dem Weg hierher waren die beiden auch an einigen Waggons vorbeigekommen. Meistens waren es Bremswaggons, die auf Bahnhöfen immer seltener anzutreffen waren, da die meisten Waggons heute selbst Bremsen hatten, die im Maschinenmodus von der Lok ausgelöst wurden. Nur bei großen Güterzügen wurden Cabooses heute noch eingesetzt. Hauptsächlich zur Überwachung während des Transports und als Notbremse. Somit waren Bremswaggons eigentlich eine aussterbende Gattung.

Während des Beladens machte Casey noch eine weitere Entdeckung. Hoch auf einer Anhöhe am anderen Ende des Tales, etwas abseits, stand ein brauner, alter Bremswaggon. Casey fragte sich, wie er wohl da hochgeschafft worden war und warum?

„Dustin? Hast Du auch den Bremswaggon da oben gesehen?“

Der Tender transformierte zurück und nickte.

„Komisch. Er steht abseits der Anderen. Warum bloß?“

Der Junge kletteret aus dem Führerstand, stieg noch ein wenig den felsigen Hang hinauf und starrte zu dem verlassenen Waggon hinauf.
 

„CASEY!“

Zu spät kam Dustins Warnschrei! Eine runzlige Hand packte den Jungen am Kragen und riß ihn herum. Casey schrie erschrocken auf, als er in das Gesicht eines alten Mannes mit zerrissener Eisenbahneruniform blickte. Haar und Schnurrbart waren schlohweiß, doch was dem Jungen am meisten Unbehagen bereitete, waren die stechenden Augen, aus denen der Irrsin funkelte. Er hatte sich hinter der alten Lok versteckt gehalten und hatte im richtigen Moment zugegriffen.

„Wer-wer sind sie?“ stammtelte Casey.

„Wie kannst Du es wagen, die Ruhe meiner Freunde zu stören!“ krächtzte der Alte.

„Was-aber ich...“

„Hey, lass meinen kleinen Lehrling los!“ rief Dustin.

„Lehrling, so? Dann wird es Zeit, das Du deine Lektion in Sachen Achtung lernst, mein Junge! Du befindest dich hier auf geweihtem Boden!“

Der Alte zerrte Casey an den Armen mit sich und weiter die Anhöhe hinauf. Vegeblich versuchte er, sich zu befreien. Trotz seines Alters besaß der Mann eine erstaunliche Kraft.

„Hey! Lassen sie mich los! Ich hab nichts getan!“

„Casey!“

Dustin versuchte, zu folgen, kam aber auf Grund seines Gewichtes nicht den Buckel hoch.

„Oh nein! Ich bin zu schwer beladen und komm allein den Hang nicht hoch! Ich muss Rusty holen!“

Dustin wendete und rollte, so schnell es das Gelände zuließ in Richtung Talausgang...
 

Rusty und Dinah indes hatten mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen. Besser gesagt, beide hatten sich an die Felswand gedrängt und zitterten wie Espenlaub.

„Verdammt, und Casey hat gesagt, es würde hier nicht spuken!“ klagte Rusty.

Tatsächlich war auf einem Felsen eine wabernde grau-weiße Gestalt aufgetaucht, zwei blasse gelbe Augen leuchteten unheimlich unter dem wabernden Tuch. Dazu stieß sie ein unheimliches Heulen aus. Aber ein plötzlicher Windstoß von unten wehte die Gestalt in die Höhe. Und darunter kam etwas zum Vorschein. Oder besser-jemand.

„Hey! Aber das ist doch-Red Caboose!“ rief Dinah. „Und diese leuchtenden „Augen“ sind nur seine Scheinwerfer!“
 

Der rote Bremswaggon hielt mit seinem Geheul inne und sah an sich herab. Gleichzeitig segelte neben dem Felsen ein grau-weißes Tuch zu Boden.

„Scheiße!“ fluchte Red leise.

„Grrr...Du schon wieder! Das war nicht witzig, Du Blödmann!“ knurrte Rusty.

„Aber ihr hattet die Hosen voll! Hiiiahahahahaaa!“ lachte der Bremswaggon schrill.“Ihr hattet echt gedacht, ich wäre ein Geist!“

„Mann! Der legt uns immer wieder rein! Langsam hab ich die Schnauze voll!“ grollte Rusty.

"Ha-Ihr wisst doch: Ich will über alle Gleise regieren-und mir mein eigeneeeee-!"
 

Plötzlich aber schleuderte ein unsichtbarer Stoß den frechen Caboose von seinem Felsen und im hohen Bogen landete er vor den Füßen von Rusty und Dinah.

„..eeyyyaaahh-aua! Scheiße! Was war das?“ fluchte Red und rappelte sich stöhnend wieder auf.
 

„R-rusty! Sieh doch!“ stammelte Dinah plötzlich.

Von dem Felsen kam ein weiterer Bremswaggon geschwebt. Mit brauner Holzverkleidung und grauem Haar. Das auffälligste war aber, das der Körper des fremden Waggons durchscheinend war.

„D-d-das ist jetzt aber wirklich...UWAAH!“ schrie Rusty.

„He, Kumpel, keine Panik! Ich freß euch schon nicht!“

„Eh-was willst Du von uns? Ist es deswegen, weil Red Caboose hier den Geist gemimt hat? Wir gehören auf jeden Fall nicht zu ihm.“ sagte Dinah.

„Das weiß ich. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Um ein Unglück zu verhindern. Und ihr-müsst mir dabei helfen!“

„Was?“
 

Jetzt erreichte auch Dustin seine Freunde.

„Rusty! Casey ist Gefahr!“ rief er atemlos. „So ein verrückter Alter hat ihn sich geschnappt und mitgenommen! Ihr müsst mir helfen!“

„Oh nein! Auch das noch!“ stöhnte Rusty

„Komm, Kumpel! Mein Bauch ist voller Kohle! Wir füllen deinen Tender auf und dann retten wir Casey!“

„Was? Niemals lasse ich solche Kohle in meinen Tender!“

„Aber wieso nicht? Die alten Loks brauchen sie doch nicht mehr.“ meinte Dustin.

„Trotzdem ich..-„

„RRRUUHE! -Der Starlight Express hat mich geschickt, um einige Dinge in Ordnung zu bringen. Mein Name ist Zebulon. Ich bin ein Bremswaggon aus den Anfängen der Eisenbahn. Mein Bremser hieß Jerome. Ich und Jerome waren ein Team und die besten Freunde. Doch dann spürte ich meine Zeit kommen. Ich bat darum, hierhergebracht zu werden. Aber Jerome war untröstlich, er wollte nicht, das ich ihn verlasse, doch er konnte es nicht verhindern, das meine Seele ihre Reise zur großen Sternenlok antrat. Von da an konnte er nicht mehr richtig arbeiten und wurde früher als sonst in den Ruhestand versetzt. Und eines Tages war er verschwunden. Er war hierhergekommen, um von nun an in meiner leeren Hülle zu leben.“

„Du meinst....der Alte ist –war dein Bremser?“ fragte Dustin.

„So ist es. Er braucht meine-unsere Hilfe. Der Verlust und die Einsamkeit haben ihn um den Verstand gebracht. Ich fürchte, er hat etwas Schlimmes vor....“
 

Inzwischen, am anderen Ende des Tales auf der Anhöhe...

Quietschend und knarrend glitt die Schiebetür des alten Waggons auf. Casey wurde unsanft in das Innere gestoßen.

„Was soll das? Lassen sie mich gehen!“ rief der Junge.

„Nichts da! Du wirst mit mir meine Reise zu den Sternen antreten!“

„Reise zu den Sternen? Was reden sie da? Wie soll das gehen?“

„Sieh aus dem Fenster!“

Der Alte schleifte Casey am Kragen zu einem kleinen quadratischen Fenster auf einer Strinseite des Waggons. Der Junge sah nach draußen. Vom Waggon weg waren Gleise verlegt worden. Sie führten die Anhöhe hinab, die nach unten hin immer steiler wurde-bis sie in einem leichten Bogen wieder nach oben anstiegen-und über einen tiefen Abhang endeten!

„Siehst Du das? Es hat mich drei lange Jahre gekostet, diese Gleise zu verlegen und noch ein Jahr, um Zebulon hier hinaufzuschaffen!“

„Zebulon? Hieß dieser Waggon so?“

„Er war mein bester Freund! Doch dann hat ihn der Starlight zu sich gerufen! Und deshalb werde ich mit seiner leeren Hülle die Reise zu den Sternen antreten, um Zebulons Seele zurückzuholen! Und dann werden wir wieder vereint sein....“

Casey konnte den Mann nur entgeistert anstarren.

„Sie sind ja verrückt! Total verrückt! Sie haben den Verstand verloren! Sie können keine Seele mehr zurückholen! -Großer Starlight, in was bin ich da nur reingeraten!“

Der Junge wusste genau, was dieser verrückte alte Eisenbahner vorhatte. Er glaubte doch tatsächlich, er könnte auf diese Weise den Waggon zum Fliegen bringen, mit dieser „Abrollrampe“ ! Aber diese Reise würde nicht im Himmel enden, sondern am Boden des Abgrundes!

„Und was wollen sie von mir?“

„Du hast es gewagt, die heilige Ruhe dieses Ortes zu stören! Und Du hast dich an den leeren Hüllen bereichert! Für diesen Frevel wird der Starlight Express dich bestrafen!“

„WAS? Mann, sie haben echt einen Knall! Ich habe nur Kohle für meine Lok gebraucht! Und die Geister der Loks haben sicher nichts dagegen! – Und Sie sind doch hier nicht der Friedhofswächter! Das Glaube ich nicht, sie sehen nicht so aus! Lassen sie mich sofort raus! Sie gehören auf jeden Fall in eine Gummizelle!“ rief Casey und versuchte sich loszureißen.

„Nichts da! Du bleibst schön hier.“

Der Junge wurde in eine Ecke gestoßen und an einem alten Metallhebel gefesselt. Bis auf einen alten Eisenofen, einen Tisch und Stuhl, einer Werkzeugkiste und einer alten Schlafstelle war das Innere des Waggons leer.

„Verdammter Mist! Hoffentlich kann Dustin Rusty überreden, zu Hilfe zu kommen!“
 

„Also mir ist das zu albern, Kollege aus der Vergangenheit! Ihr könnt von mir aus den Bengel retten gehen-aber mich lasst da raus! Ich empfehle mich!“ entgegnete Red Caboose zur gleichen Zeit blasiert, salutierte kurz und wandte sich zum Gehen. Doch ein Wink von Zebulon und CB landete wieder mit der Nase im Staub.

„Nichts da! Du kommst auch mit! Keine Wiederrede! Nur Dinah bleibt hier.“

„Wie macht der das?“ fragte sich Dustin.

„Geister können scheinbar so etwas.“ meinte Dinah.

„Zebulon ist ein Geist?“

„Ja, Dustin! Hast Du das noch nicht bemerkt?“ entgegnete Rusty genervt.

„Oh.“ machte Dustin nur. Damit war für ihn der Fall erledigt.

„Wir müssen uns beeilen! Jerome kann jederzeit seinen Plan in die Tat umsetzen! Los Rusty! Füll deinen Tender auf!“

„Meinst Du..wirklich?“

„Stell dich nicht so an! Keiner von Loks da oben stört es, wenn Du dich von ihren Kohlen bedienst. Sie brauchen sie nicht mehr. Aber Du brauchst sie jetzt mehr den je!“ gab Zebulon eindringlich zurück.

„Na schön.“

Dustin öffnette eine Klappe seitlich an seinem Oberschenkel und ließ die Kohle in Rustys Tender poltern, der sich hingehockt hatte. Mit seinen Händen schob er nach, bis dieser wieder voll war. An dem kleinen Wasserfall, der aus den Felsen sprudelte, füllte die Dampflok noch schnell ihren Tank auf.

„So, jetzt kannst Du wieder einige Kilometer fahren.“ sagte Dustin und klopfte sich den Kohlestaub von den Händen und seiner Hose. „Vollgetankt und einsatzbereit.“

„Warum brauchst Du eigentlich unsere Hilfe, Zebulon? Kannst Du das nicht alleine machen?“ fragte Red Caboose genervt.

„Nein. Ich zeige euch warum.“

Zebulon schwebte dicht vor seinen Kollegen und dann durch ihn hindurch!

„Uah! Brrr....wie ein eisiger Lufthauch!“ schüttelte sich Red.

„Versteht ihr jetzt? Ich kann nur mit Jerome reden. Aber ihr müsst mir helfen ihn aufzuhalten, falls er nicht auf mich hört! Folgt mir jetzt!“
 

Inzwischen lief der alte Eisenbahner einmal um den alten Waggon herum, prüfte die Räder und die verlegten Gleise.

Im Innern mühte sich Casey ab, die Fesseln durchzuscheuern.

„Rusty! Bitte lass mich nicht im Stich!“ flehte er im Stillen. Wieder glitt die Tür einen Spalt auf die letzten Strahlen der untergehenden Sonne fielen herein. Der Alte kehrte zurück, auf seinem Gesicht ein verrücktes Grinsen.

„Endlich ist es vollbracht! Heute werden wir die Reise zu den Sternen antreten! Nur noch wenige Augenblicke...“

„Ich will aber nicht mit, hören sie? Lassen sie mich endlich frei, sie Wahnsinniger! Wir werden in dieser Schlucht da vorne zerschellen, mehr nicht! Und ich hab nicht die geringste Lust, vom Boden aufgekratzt zu werden!“ rief Casey verzweifelt. Wenn ich nur wüsste, was passiert ist, das der Kerl dermaßen den Verstand verloren hat, dachte der Junge.
 

Die Sonne verschwand hinter den Felsen und die Nacht brach herein.

„Da vorne auf der Anhöhe! Das ist meine alte Hülle!“ rief Zebulon. „Beeilen wir uns!“

Der Bremswaggon-Geist machte sich mit Rusty, Dustin und Red Caboose daran, die Anhöhe zu erklimmen.

„Grr..der hats gut! Er schwebt einfach vorraus, während wir hier auf allen vieren hinterherkrabbeln!“ knurrte der rote Bremswaggon, welcher auf allen Vieren die Felsen hochkrabbelte.

„Halt die Klappe, Red! Und ich rate Dir, keine faulen Tricks! Sonst sorge ich dafür, das Zebulon dich mitnimmt!“ grollte Rusty, welcher Dustin vor sich herschob. Jetzt mit leerem Ladebauch, kam er leichter den Hang hoch.

„Schon gut! Ich beuge mich...schnauf...der Übermacht!“
 

Plötzlich warf die Druckwelle einer donnernden Explosion die Gruppe zu Boden!

„Was war das?“ rief Rusty erschrocken.

„Oh nein! Beim Starlight! Er hat es getan! Er hat es wirklich getan!“ rief Zebulon verzweifelt.
 

Als die Ladung hochgegangen war wurde der ganze Waggon ordenlich durchgeschüttelt.

„Sie Wahnsinniger! Was haben sie getan?!“ rief Casey.

„Ich habe nur die Felsen, die ich als Bremsklötze auf die Gleise gelegt habe weggesprengt.“

„Sie hätten uns beide in die Luft jagen können, sie Irrer!“

„Das war nur eine schwache Ladung. –Aber jetzt geht es los! Starlight Express, wir kommen!“ rief Jerome. Er stieg eine kleine Leiter im Inneren nach oben und ließ sich auf dem Platz des Bremsers nieder, einer kleinen Holzbank, die am Ende der Leiter angebracht war. Dann drehte er das Bremsrad auf. Tatsächlich setzte sich mit einem unheilvollen metallischen Knarren der Waggon in Bewegung.

„RUSTYYY!!“ schrie der Junge lauthals.
 

Die kleine Damplok hatte den verzweifelten Schrei seines Lehrlings gehört.

„Casey! Er ist in dem Waggon!“

„Und der setzt sich gerade in Bewegung! Schneller! Wir müssen ihn aufhalten! Sonst rollt er über den Abhang und stürzt in die Schlucht!“ rief Zebulon. „Jerome! Halt den Waggon wieder an!!“

Langsam wurde der alte Waggon immer schneller auf dem zunehmenden Gefälle der Stecke. Nur noch eintausendzweihundert Meter, dann würde er geradewegs in die Schlucht rasen!
 

Endlich hatte der kleine Trupp die Anhöhe erreicht.

„Los, auf die Gleise-und hinterher! Rusty, schau, das Du die Puffern zu fassen kriegst und dann bremst ihr drei den Waggon langsam aus! Ich werde versuchen, Jerome zur Vernunft zu bringen!“ rief Zebulon und schwebte vorraus.

„Los! Hängt euch bei mir ein! Du zwischen uns, Red Caboose! Und wie gesagt, keine Dummheiten!“ knurrte Rusty.

„Okay, okay!“ seufzte Red und ergriff die Kuppelringe der kleinen Dampflok. Dann setzte sich Rusty in Bewegung.
 

Im Innern des alten Waggons rumpelte und schaukelte es ordentlich, Casey wurde richtig durchgeschüttelt. Er versuchte noch immer die Fesseln zu lockern. Tatsächlich hatten die Seile etwas nachgegeben. Verbissen versuchte es der Junge weiter. Der alte Jerome saß reglos vorne an der Bremse und spähte durch die Luke. Verzweifelt sah Casey zu ihm auf und schickte gleichzeitig ein Stoßgebet in den Himmel.

„Starlight Express, ich brauche deine Hilfe! Ich will nicht da unten in der Schlucht enden! Bitte hilf mir!“ flehte er im Stillen.

„Mach deinen Frieden mit dem Starlight, Junge. Denn bald stehst Du vor ihm und musst dich für deine Taten rechtfertigen.“ sagte Jerome ernst.

„Was für Taten? Ich hab gar nichts gemacht!“

Aber der Alte hörte nicht mehr zu.

Plötzlich drang ein weißer Nebel durch eine der Ritzen des hölzernen Aufbaus und nahm die Form eines braunen Bremswaggons im humanoid-Modus an.

„Waah! Du bist ja-ein Geist! Ich dachte, Geister gibts nicht! -Aber seit ich hier bin, wundert mich gar nichts mehr...“

„JEROME!“

Der alte Bremser wäre beinahe von seiner Bank gefallen. Er rutschte die Leiter hinab um zu sehen, wer ihn da gerufen hatte. Sein sonst irrsinniger Blick verwandelte sich in Erstaunen.

„Zebulon? Sind wir etwa schon im Himmel?“ fragte er verwirrt.

„Jerome! Du musst mit diesem Wahnsinn aufhören! So kommst Du niemals zu den Sternen! Komm wieder zu Dir! Du gefährdest nicht nur dein Leben, sodern auch das dieses unschuldigen Lehrlings!“

„Zebulon...warum hast Du mich verlassen! Ich hatte doch nur dich!“

Der alte Eisenbahner versuchte, den Gesit an der Schulter zu berühren, doch seine Hand glitt hindurch.

„Du wusstest, das meine Zeit gekommen war. Aber Du hast mich nicht für immer verloren! Ich habe Dir versprochen, das wir uns eines Tages wiedersehen! Doch Du kannst bestimmte Dinge nicht erzwingen!“

„Die Seele dieses Bremswaggons...sie ist als Geist zurückgekehrt um diesen alten Narren zur Vernunft zu bringen...“ dachte Casey, der das Gespräch schweigend mitanhörte. „Danke, Starlight Express...ich hoffe nur, er kann ihn zur Aufgabe seines verrückten Plans bewegen.“
 

Zur selben Zeit hatte Rusty fast die Puffern des alten Waggons erreicht.

„Nur noch ein kleines...Stück! Jah!“

Seine Hände bekamen die Ränder der Puffer zu fassen.

„Okay! Jetzt abbremsen! Aber langsam! Hörst Du, Red? Wenn wir zu abrupt abbremsen, haut es uns alle von diesen wackligen Gleisen! Also hängt euch rein, unser zusätzliches Gewicht wird den Waggon ebenfalls langsamer machen!“

„Jaja, schon verstanden!“ maulte CB.

Alle Drei beugten sich zurück.

Es gab ein metallisches Quietschen, als die kleine Dampflok langsam abzubremsen begann.

„Au backe! Die Distanz bis zum Abgrund wird immer kürzer! Wir müssen uns mehr ins Zeug legen, sonst schaffen wir es nicht! Wenn dieser alte Idiot da drinnen wenigstens die Bremsen anziehen würde! Aber auf diesem steilen Gefälle hat der Waggon ziemlich Schub bekommen!“ knurrte Rusty.

Casey war der leichte Ruck nicht entgangen.

„Jemand versucht, den Waggon auszubremsen! Das ist bestimmt Rusty!“ dachte er.
 

„He, was soll das? Wer wagt es, unsere Reise zu aufzuhalten?“ rief der alte Bremser.

„Jerome! Hast Du nicht gehört? Sei vernünftig!“

„Zebulon...Du weißt nicht, wie ich dich vermisst habe! Ohne dich war es nicht mehr das selbe! Man teilte mir einen anderenWaggon zu, aber wir verstanden uns nicht so gut. Es war nicht mehr wie früher. Seit die Waggons eigene von der Lok auslösbare Bremsen haben, saß ich die ganze Zeit nur als Beobachter hinten in deinem Nachfolger. Die Bremsen sind nur noch für den Notfall. Es war eintönig geworden. Deshalb kam ich hierher, um wenigstens etwas in deiner Nähe zu sein.“

„Du hast deinen Dienst quittiert?“

„Die anderen Kollegen fingen an, hinter meinem Rücken zu reden. Es war nicht mehr schön ohne dich. Deshalb werde ich nun diese Welt für immer verlassen! Mit Dir!“

„Langsam verstehe ich...aber das ist der falsche Weg, um zu mir zu kommen! Stopp diesen Wahnsinn, Jerome! Ich bitte dich um unserer Freundschaft willen!-Du bist nicht der Jerome, den ich kannte! Ich will meinen alten Freund wiederhaben! Mein Freund würde niemals zulassen, das einem Lehrling etwas geschieht!“ rief Zebulon.
 

„Jungs, wir kriegen den alten Kasten nicht mehr zum Stehen!“ rief Red Caboose.

„Oh doch! Das werden wir! Jetzt mit voller Bremskraft!“

„Hier gehts so steil runter wie auf ner Achterbahn!“

Unten an den Rädern sprühten bereits Funken, Rusty und den anderen wurde es bereits unangenehm warm unter den Bremsschuhen.
 

Wieder ging ein heftiger Ruck durch den Waggon. Jerome verlor den Halt und stürzte zu Boden. Dabei schlug er mit dem Kopf gegen die Wand des Kastens. Er schüttelte seine Benommenheit ab und sah sich verwirrt um.

„Zebulon...was...was...oh nein! Was hab ich getan!“

„Jerome! Bist Du endlich wieder zur Vernunft gekommen?“

„Beim Starlight! Ich muss wie von Sinnen gewesen sein! Und was macht der Junge hier?“

„Jerome! Du musst den Waggon sofort anhalten! Zieh die Bremsen an!“

„Jawohl!“ nickte der alte Eisenbahner.

„Puh! Der Alte scheint wieder zur Vernunft gekommen zu sein!“ atmete Casey auf, als Jerome die Leiter erklomm und sich am Bremsrad zu schaffen machte.
 

„Seht nur!“ rief Rusty.

„Die Bremsen des alten Waggons greifen! Zebulon hat es geschafft, den Alten zu überreden!“
 

Plötzlich ertönte von oben ein Fluch. Jerome rutschte von der Leiter, in der Hand hielt er das Bremsrad. Es war abgebrochen.

„Das Fahrgestell und die Achsen habe ich in Stand gehalten, aber nicht die Bremsen...es sollte ja eine Fahrt ohne Wiederkehr werden....“ sagte er tonlos.

„Auch das noch!“ Zebulon schwebte an das Rückfenster. „Rusty! Die Bremsen sind kaputt und können nicht weiter angezogen werden! Ihr müsst alleine den Waggon zum Halten bringen! Irgendwie!“ schrie er um das metallische Kreischen zu übertönen.

„Auch das noch! Und der Abgrund ist nur noch wenige hundert Meter entfernt!“ rief Red Caboose, der sich zur Seite gebeugt hatte und nach vorne spähte.

„Ihr müsst rausspringen! Das ist eure einzige Chance!“ rief Rusty. „Unsere Bremsen sind schon ganz heißgelaufen!“

„Unmöglich! Der Waggon ist immer noch zu schnell! Gebt alles, was ihr habt!“ rief Zebulon.
 

Jerome hatte Casey unterdessen von den Fesseln befreit.

„Ich hoffe, Du kannst mir irgendwann mal meine Torheit verzeihen...“

„Ich weiß, wie schwer es ist, jemanden zu verlieren...meine Mutter...“

Der Alte nickte verstehend. Casey verspürte auf einmal Mitleid mit dem alten Bremser.

„Zebulon! Kannst Du dich nicht mit dem Jungen in Sicherheit bringen?“

„Nein, Jerome. Du hast doch gesehen, das ich nun ein körperloses Wesen bin. Unsere einzige Hoffung deine Freunde da draußen, das sie den Waggon rechtzeitig zum Stehen bringen.“
 

Mehrere Funkenschweife hinter sich herziehend, raste der Waggon seinem Ziel entgegen. Der Abhang kam mit beängstigender Geschwindigkeit immer näher. Sechshundert Meter....vierhundert Meter....

Jerome riß die Waggontür auf.

„Wir werden uns den Hals brechen!“rief er.

„Mir ist es das Risiko wert! Beser als da unten in der Schlucht zu zerschellen!“ antwortete Casey.

Dreihundert Meter.

„Meine Räder glühen schon!“ ächzte Red Caboose.

„Meine auch!“ knirschte Dustin. „Und wir sind immer noch zu schnell!“

Zweihundert Meter.

„Starlight Express, hilf!“ dachte Casey verzweifelt und machte sich bereit, zu springen.

Hunderfünfzig Meter.

Plötzlich aber geschah etwas unerwartetes. Eine der großen, alten Loks, deren leere Hülle dem Abhang am nächsten stand, bewegte sich plötzlich knirschend vorwärts und rollte quer über das Gleis! Im nächsten Moment prallte der Waggon dagegen, beide Fahrzeuge rutschten durch den Aufprall einige Meter weiter und kamen dann zum Stehen. Fünfzig Meter vor dem Abgrund.

Zebulon schwebte als Erster aus einem der Fenster des Waggons.

„Puh! Danke, Melroy!“ keuchte er.

„Keine Ursache, Kumpel!“ vernahm er eine körperlose Stimme über sich. Er konnte gerade noch einen winzigen hellen Stern zwischen den Wolken verschwinden sehen.
 

Casey war beim Aufprall zu Boden und in eine Ecke des Waggons geschleudert worden. Glücklicherweise war er gegen die alte Matratze gestoßen und unverletzt geblieben. Langsam erhob sich Casey und sah sich um. Die vordere Bretterwand war durch den Aufprall eingedrückt worden und an vielen Stellen geborsten.

„Wir sind mit irgendetwas zusammengestoßen und das hat uns gestoppt! Und ich nur ein paar blaue Flecken abgekriegt!-Jerome? Zebulon?“

Der Junge sprang durch die geöffnette Tür nach draußen. Jetzt konnte er sehen, wer für das rettende Manöver verantwortlich war.

„Eine der alten Loks? Sie steht quer auf den Gleisen! Aber wie....ob da noch ein Geist im Spiel war? Was für ein verrücktes Abenteuer!“

Zwischen den Wolken war der nächtliche Sternenhimmel zu sehen, der volle Mond tauchte das ganze Tal in sein bleiches Licht. Kein Windhauch regte sich. Ein gespenstischer, aber auch friedlicher Anblick.
 

„He, geh von mir runter, Rosteimer! Du erdrückst mich!“ vernahm er plötzlich eine protestierende Stimme, die er zu gut kannte. Er lief an das andere Ende des Bremswaggons.

Dort hockten die Dampflok und beide Waggons am Boden und fächerten mit ihren Händen Kühlung auf ihre glühenden Bremsbeläge.

„Mann, unsere Socken qualmen ganz schön!“ bemerkte Rusty.

„Rusty! Dustin! –Und Red Caboose? Hast Du etwa beim Bremsmanöver mitgeholfen?“

Der rote Waggon erhob sich zuerst und klopfte sich den Staub von den Beinen.

„Gezwungener Maßen! Dieser Zebulon versteht es, Einen zu überreden!“ knurrte er. „Das wars Erste und letzte Mal! Ich empfehle mich! Red Caboose kratzt die Kurve!“

Sprachs und rollte davon.

„Casey! Bist Du in Ordnung?“ rief Rusty und eilte auf ihn zu.

„Nur ein paar blaue Flecken. Aber wo sind Jerome und Zebulon?“

Plötzlich erschien Dinah hinter einem Felsen und winkte. „Hierher!“

Die drei eilten zu ihr.
 

„Oh nein! Jerome! Ist er verletzt?“

Der alte Bremser lag hinter dem Felsen, Zebulon kniete neben ihm. Der Mann war bei Bewusstsein, Casey wusste nicht, wie schwer es ihn erwischt hatte.

„Er wurde bei dem Zusammenstoß aus dem Waggon geschleudert. Als ich den furchtbaren Lärm hörte, bin ich euch gefolgt. Diese große Lok da vorne ist einfach ein Stück vorwärtsgerollt und hat euch davor bewahrt, in die Schlucht zu stürzen.“ erklärte Dinah.

„Das war Melroy, ebenfalls ein guter Freund von uns. Erinnerst Du dich noch an Melroy, Jerome?“ fragte Zebulon.

„Aber natürlich erinnere ich mich an den alten Burschen. Wir waren damals sehr traurig, als er uns verließ. Und dann noch Du, das habe ich einfach nicht verkraftet....“ Der alte Bremser hustete. „Ich würde ihn auch gerne wiedersehen....bitte Zebulon, nimm mich mit....“

„Das kann ich nicht entscheiden.“ seufzte der Geist.
 

„Starlight Express...bitte nimm dich des alten Jerome an...“ bat Casey im Stillen.

„Ich sehe Ihn!“ rief der Alte plötzlich.

„Wen?“ fragte Zebulon.

„Den Starlight Express!“

“Wie sieht er aus?“ fragte Rusty.

„Rusty!“ zischte Casey und boxte ihm in die Seite.

Auf einmal begann der alte Mann zu lächeln.

„Ich danke Dir, großer Zug der Sterne.“

Langsam hob er einen Arm, ließ ihn aber dann wieder zurücksinken. Er schloß die Augen und sein Kopf fiel kraftlos zur Seite.

„Jerome?“ flüsterte Zebulon. Dann aber lächelte auch er und nickte.

„Casey, verzeih für all den Ärger und die Ängste, Du Du und deine Freunde ausstehen musstest.“ entschuldigte sich der Geist.

„Ist schon okay. Es hat ja alles ein gutes Ende gefunden.“ lächelte der Junge.

Plötzlich löste sich Zebulons Gestalt auf und zwei helle winzige Sterne schwebten hinauf zum nächtlichen Himmel.

„Jerome?“ fragte Casey.

„Er kann dich nicht mehr hören.“ sagte Dinah leise.

„Du meinst, er ist mit Zebulon...“

Das Waggonmädchen nickte.

„Hast Du nicht gesehen? Zwei Sterne stiegen zum Himmel empor...“

„Doch, Dinah. Ich habe es gesehen.“

Casey war traurig, aber auch erleichtert. Hatte ihm der Starlight Express also doch seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Er durfte nun mit seinen Eisenbahnfreunden über den Himmel reisen.

„Danke, für alles, Zebulon!“ rief Casey.

„Er sieht aus, als ob er schläft. Und selbst jetzt lächelt er noch.“ bemerkte Rusty.

„Dann bleibt uns nur noch eines zu tun.“
 

Zur gleichen Zeit, am anderen Ende des Tales...

„Nein! Nein! Geht weg! Hilfe!“

Ein ziemlich verängstigter Red Caboose stolperte durch die Schlucht, die aus dem Tal führte. Er ruderte wild mit den Armen, als verfolge ihn ein unsichtbarer Bienenschwarm.

„Au! Und das, obwoh ich bei der Rettung mitgeholfen habe! Okay, ich hätte vielleicht nicht diese Plakette von der alten Lok abmachen sollen-aber-AUA!“

Ein unsanfter Stoß beförderte ihn auf die Gleise und schob ihn immer schneller aus dem geheimnisvollen Tal hinaus.

„Red Caboose kratzt mal wieder die Kurveeee!“
 

Als es dämmerte, legte Casey den letzten Stein auf den aufgeschichteten Grabhügel. Jerome hatte seine letzte Ruhe ganz in der Nähe seiner beiden besten Freunde gefunden. Zebulon und Melroy. Als letzte Geste legte er noch die ausgebleichte Mütze des alten Bremsers an das Kopfende des Hügels.

„Ruhe in Frieden, alter Freund. Ich trage Dir nichts mehr nach, Du warst ja nicht bei Sinnen. Doch Zebulon hat Dir wieder die Augen geöffnet. Und ich wette, Du bist kein schlechter Kerl. Nun bist Du mit Zebulon für alle Ewigkeit vereint.“

„Für uns wird es auch Zeit, abzufahren. Wir wollen die Ruhe hier nicht länger stören.“ bemekrte Dinah.

„Du hast recht.“

„Und Rusty? Ängstigen diese leeren Hüllen dich immer noch so?“

„Nicht mehr so sehr. Aber unheimlich sind sie mir noch immer.“
 

Die Rückfahrt zum Weichenpunkt verlief schweigend. Rusty fuhr vorne mit Dustin im Schlepptau alleine, während Casey sind in Dinahs Abteil schlafen gelegt hatte. Er hatte ja die ganze Nacht kein Auge zugetan und die Dienstvorschrift für Lehrlinge schrieb Ruhepausen nun mal vor. So fuhr der kleine Zug also im Maschinenmodus neuen Abenteuern entgegen.

„Dinah...“

„Ja, kleiner Lehrling?“ vernahm er ihre Stimme.

„Du weißt wirklich sehr viel. Es ist gut, das Du mit uns mitgekommen bist. Ich und die anderen haben dein Wissen und deine Erfahrung sehr schätzen gelernt.“

„Danke, Casey. Das ist lieb von Dir.“

„Ich habe heute sehr viel Neues erfahren. Selbst für euch kommt einmal die letzte Stunde...“

„Wie bei euch Menschen ist auch unser Dasein hier nicht für ewig. Auch wir kehren irgendwann da hin, wo wir hergekommen sind. Aber wir Waggons und Loks können sehr alt werden.“

„Das stimmt. Eine der alten Dampfloks in dem Tal waren über 160 Jahre alt.“

„Und die Dampfloks waren die Ersten Lokomotiven, die zum Leben erwachten. -Aber jetzt ist es wirklich Zeit zum Schlafen. Am Abend werden wir bestimmt in Oledin sein.“

„Okay, Dinah. Bis nachher.“

„Schlaf gut, kleiner Lehrling.“

Das Schaukeln des Waggons schläferte Casey rasch ein. Er bekam auch nicht mit, als sie den Weichenpunkt passierten, wo sie im Nebel falsch abgebogen waren. Rusty wollte gerade halten, um zu transformieren, damit er die Weiche von Hand umstellen konnte, als diese es plötzlich von selbst tat!

„Häh?“

„Gute Reise, Freunde...“ vernahm die Dampflok plötzlich eine körperlose Stimme über sich.

„Danke, Zebulon, alter Kumpel...“antwortete Rusty und setzte seinen Weg fort.
 

Forstetzung folgt.....

Die grünen Hügel von Lunia

14. Die grünen Hügel von Lunia
 

Nachdem sie die kahlen, schroffen Berge und Schluchten hinter sich gelassen hatte, öffnete sich ein grünes hügeliges Land vor ihnen. Die meisten Dörfer lagen oben auf den Erhebungen, Straßen oder Gleise führten in Serpentinen oder Kehren hinauf. Und beinahe jedes Hügeldorf besaß eine oder mehrere Windmühlen.

„Mann nennt Lunia auch das Land der Windmühlen.“ entnahm Casey seinem Reiseführer für Lokführerlehrlinge, den Loisel ihm damals zum Abschied geschenkt hatte.
 

Caseys kleiner Zug war wieder im Maschinenmodus unterwegs, hinter Dustin hingen noch vier Personenwaggons mit Reisenden. Casey hatte sich bereiterklärt, die Waggons samt Passagieren nach Magog mitzunehmen, da die Lok ausgefallen war. Und nachdem die Formalitäten schnell erledigt waren, konnte es losgehen.

Rusty hatte sich zwar wieder mal über das Gewicht beschwehrt, aber dann doch brav angezogen, wie es sich für eine Lok gehörte.
 

„Noch ein kleines bischen, Rusty! Ich habe schon das Einfahrtschild von Magog gesehen!“

Einfahrtschilder standen immer siebenhundert Meter vor einem größeren Bahnhof, damit auch fremde Lokführer wussten, welche Station als nächstes kam.
 

Mit kreischenden Bremsen kam die kleine Dampflok zum Stehen.

„Magog! Endstation! Wir sind da!“

Die Reisenden stiegen aus.

„Wir haben uns mit dieser Beförderung ein ordentliches Zubrot verdient. Ich brauche sowieso ein paar neue Klamotten.“ bemerkte Casey.

„Und für Rusty ist es ein gutes Training.“ bemerkte Dinah und transformierte, als alle ausgestiegen waren. Die Waggonmädchen verabschiedeten sich und rollten ins Depot, wo sie die Nacht verbringen würden. Sie hatten für heute Dienstschluss. Die habens gut, dachte sich die kleine Dampflok. Sie konnten in ihre Stellboxen und sich nach Herzenslust ausruhen.
 

„Sieh nur Rusty. Im jeden neuen Land gibt es etwas anders zu bestaunen.“

Hinter dem Bahnhof erhoben sich terrasenförmige Felder, auf dem höchsten Punkt der Hügelkette standen zwei Windmühlen mit einer kleinen Ansiedlung. Mehrere Fuhrwerke transportierten die Leute weiter die gewundene Straße hinauf, einige gingen sogar zu Fuß.

„Lunia ist ja sehr hügelig. Deshalb sind die meisten Felder so angelegt.“ erklärte Dinah.

„Die Leute müssen, um zum Bahnhof zu kommen, von da runter und dann bei der Rückkehr wieder DA rauf? Also mich nervt das ewige auf und ab.“ bemerkte Rusty.

„Na klar. Für dich muss eine Bahnstrecke am Besten immer ebenerdig verlaufen. Faulpelz.“ tadelte Casey.

„Ich bin nicht faul!“ maulte Rusty.

„Aber Du meckerst manchmal einfach zu viel.“

„Tu ich nicht!“

„Tust Du do-och!“

„Hört auf zu streiten, ihr zwei!“sagte Dinah. „Genießt lieber die schöne Landschaft.“
 

„Fahren wir weiter oder bleiben wir hier? Wie weit ist es noch bis Oledin?“fragte Dustin.

„Es sind noch ein paar Stunden bis es dunkel wird. Bis zur Hauptstadt sind es nur noch etwa hundertvierzig Kilometer.“

„Du willst weiterfahren? Na schön. Aber zuerst brauche ich Wasser. Mein Tank ist fast leer. Und wird die Kohle reichen?“

„Ich denke schon.“ meinte Casey.

„Du denkst?“

„Ja, ich denke, sie reicht! Jetzt stell dich nicht so an. Wir bleiben schon nicht liegen wie vor zwei Tagen in den Bergen!“

„Erinner mich bloß nicht daran!“ knurrte Rusty, als er zum nächsten Wasserhahn rollte. Hier transformierte er, damit Casey den Schlauch hervorholen und anschließen konnte. Schnell war der Wassertank gefüllt und es konnte nach einer kurzen Rückmeldung beim Fahrdienstleiter weitergehen.
 

Die Fahrt ging gut voran, natürlich nervten Rusty die Steigungen. Immer wieder hörte Casey ihn zwischen den Schnaufern undeutlich brummen. Der Lehrling merkte, das sein Lokpartner heute nicht gerade die beste Laune zu haben schien. Das war noch nie vorgekommen. Und diese Laune schien auch ein wenig auf ihn abzufärben.

„Rusty, leg einen Zahn zu! So steil ist es doch gar nicht! Wenn Du weiterhin so eierst, kommen wir nie nach Oledin!“

„Ach, jetzt eiere ich auf einmal? Na vielen Dank!“

Lunia war außerdem das Land mit den meisten Tunnels auf dem Kontinent. Und aus Rache ließ er in der nächsten Röhre besonders viel Dampf ab.

„Mann, Rusty! Musste das gerade sein?“hustete Casey, der die ganzen Rußpartikel schlucken musste.

„Oh-tut mir leid, aber durch mein Geeiere hat sich mein Ventil gelöst!“ knurrte die Lok sarkastisch.

Der Junge verdrehte die Augen.

„Was ist denn mit euch heute los? Ihr schimpft ja nur noch.“ meinte Dinah.

„Ich schimpfe nicht! Rusty schimpft!“ gab Casey von sich.

„Ach, jetzt bin ich wieder schuld! Jaja, schiebt es immer nur auf mich!“ kam es von der kleinen Damplok.

„Jetzt ist aber wirklich Schluss, ihr Beiden! Konzentriert euch auf die Strecke! Solche Kaspereien haben gehören jetzt nicht hierher! Bei einer Fahrt auf den Gleisen muss man konzentriert sein!“ schimpfte Dinah.

Von da an schwiegen die Beiden und es fiel kein Wort mehr, bis....
 

„Casey! Was ist los? Warum legst Du keine Kohle nach? Was soll das jetzt wieder?“ fragte Rusty und von neuem stieg der Ärger in ihm hoch.

„Geht nicht. Der –der Tender ist leer. Diese Steigungen haben doch mehr Brennstoff verbraucht, als ich dachte.“ gab der Lehrling kleinlaut zu.

„Was? Beim Starlight! Ich wusste es! Wir werden vor Oledin wieder liegen bleiben!“

Und es kam, wie es kommen musste. Der Dampfdruck im Kessel sank und bald darauf blieb die Dampflok einfach stehen.
 

„Warum wollte er bloß nicht auf mich hören! Jetzt haben wir den Salat!“ fluchte Rusty, als er im Humanoid-Modus im Gras neben den Gleisen hockte und warf genervt die Arme in die Luft. Dinah saß neben ihm. „Ein voller Tender ist immer am Besten! Der Junge verkalkuliert sich einfach immer wieder!“

„Jetzt sei doch nicht sauer. Er ist noch ein Lehrling. Er muss erst lernen, deinen Kohleverbrauch richtig zu kalkulieren. Du kennst deinen Verbrauch doch am Besten. Warum hast Du ihn nicht geraten, nachzuladen.“ meinte Dinah.

„Du bist gut. In Kommoran gibt es keine solche Steigungen! Ich muss selbst erst herausfinden, was ich so auf der Reise verbrauche.“
 

Casey und Dustin suchten derweil die Gegend nach Brennbarem ab.

„So ein Mist! Rusty hält mich jetzt bestimmt für einen unfähigen Idioten!“ fluchte Casey und warf Dustin ein paar trockene Äste zu, die der Tender in seinem Ladebauch verstaute. „Das nächste Mal lade ich dich immer auch mit Kohle voll! Wenn er dann wieder meckert, das Du zu schwer bist, blas ich ihm den Marsch!“

„Also ich finde, Du machst deine Arbeit sehr gut. Und Du bist ja noch ein Lehrling. Kein Lehrling kann alles gleich richtig machen.“ lächelte Dustin auf seine liebenswerte Art und fuhr dem Jungen durch das Haar.

„Danke, Dustin. Das ist lieb von Dir. Du verstehst mich. Ganz im Gegensatz zu einer gewissen Dampflok...“

„Und schau mal! Da liegen eine ganze Menge alter Bretter herum! Die brennen sicher gut.“

„Stimmt. Sieht aus, als sei da mal ein Gebäude gestanden.“

Beide kamen näher und untersuchten den Bretterhaufen.

„Sehr gut. Schön trocken...Schau mal! Das sieht aus wie das Stück von einem Windmühlenflügel! Vielleicht stand hier mal eine alte Windmühle......hmm...Brandspuren. Jetzt verstehe ich. Diese Mühle ist aus irgendeinmem Grund einmal abgebrannt und man hat die Reste hier einfach liegengelassen.-Na, auf jeden Fall haben wir jetzt genug Feuerholz.“

Dustin transformierte, damit Casey ihn richtig vollpacken konnte. Als er dann wieder in den Humanoid-Modus zurückkehrte, war sein Bauch prall und rund.“

„Gehts Dustin?“

„Kein Problem. Holz ist nicht so schwer wie Kohle oder Kies.“
 

„Casey und Dustin sind zurück! Und sieh mal wie voll Letzterer beladen ist! Die beiden haben sicher Heizmaterial gefunden!“ sagte Dinah und erhob sich.

„Wir können gleich weiterfahren! Wir sind da hinten auf einen Haufen alter Bretter gestoßen, die mal zu einer Windmühle gehört haben. Aber die ist warscheinlich durch ein Feuer zerstört worden.“

Dustin transformierte zurück in den Maschinenmodus und Rusty besah sich missbillig den Inhalt.

„Du willst mich mit diesen alten, angekokelten Brettern beheizen? Wenn ich nur daran denke, wird mir schon übel!“

„Hast Du vielleicht eine bessere Idee oder willst Du hier warten, bis eine Lok kommt und uns abschleppt?“ schnappte Casey. „Du solltest dankbar sein, das ich mir mit Dustin solche Mühe gemacht habe, neues Brennmaterial anzuschleppen! Ich versuche, das Beste aus unserer Sitouation zu machen!“

„Früher wurden Dampfloks oft mit Holz befeuert, es gab nicht immer Kohle, Rusty.“ bemerkte Dinah.

„Stellst Du dich jetzt auch noch auf seine Seite!“

„Rusty!! Benimm dich!“ rief Dinah entrüstet. Dann drehte sie ihm den Rücken zu und rollte davon.

„Ich mach Dir einen Vorschlag, Rusty. Du kannst deine miese Laune abbauen, indem Du die Bretter zu handlichem Kleinholz verarbeitest.“ brummte Casey.

„Mit dem größten Vergnügen!“ gab Rusty ebenso launisch zurück und machte sich ans Werk. Unter seinen kräften Tritten und Faustschlägen gingen die Bretter mirnichts dirnichts zu Bruch. Das laute Krachen und Splittern und die wütenden Laute der Lok waren sicher meilenweit zu hören. Casey konnte nicht glauben, das Rusty so wütend sein und fluchen konnte.

Der Junge setzte sich derweil zu Dinah und schmollte.

„Was für ein Tag!“ seufzte er. „Dabei hat er ganz gut angefangen.“

„Tja, es kann nicht immer Eitel Sonnenschein herrschen. In jeder Partnerschaft gibt es mal Streit. So war das auch mit Greaseball und mir.“
 

Eine halbe Stunde später lag ein großer Haufen Kleinholz neben dem Gleis.

„Gehts Dir jetzt besser, Kumpel?“ fragte Dustin. Rusty sah ihn an und senkte den Kopf.

„Ich glaub, ich hab mich vorhin richtig kindisch benommen. Casey ist noch Lehrling im ersten Jahr und hat erst acht Monate davon absolviert. Ich soll mich um ihn kümmern und ihm das beibringen, was ich weiß, stattdessen zanken wir uns wegen unwichtiger Dinge! Ich sollte ein Vorbild für ihn sein, aber ich mache genau das Gegenteil.“

„Jeder hat mal einen schlechten Tag.“ lächelte Dustin, ergriff ein paar der zerkleinerten Bretter und schob sie in Rustys Feuerbüchse.

„Hey, so schlecht fühlt sich das gar nicht an.“

„Hehe, na siehst Du.“
 

„Casey?“

Der Junge sah auf.

„Es...tut mir leid. Ich war heute richtig...“

„...zickig.“ beendete der Junge den Satz. „Mir tut es auch leid, das wir uns in die Wolle gekriegt haben. Dabei sind wir doch die besten Freunde. Und was wir schon alles erlebt haben!“

„Genau! Ich verspreche Dir, das ich von nun an nicht mehr meckern werde.“ sagte Rusty, hob seinen Lehrling hoch und schenkte ihm eine herzliche Umarmung, die der Junge erwiederte.

„Hmm...dein Kessel ist nur noch lauwarm. Wird Zeit, das wir wieder richtig anheizen.“

„Gesagt –getan. Eine halbe Stunde später war mit gemeinsamer Hilfe das Brennmaterial im Tender verstaut und Rusty stand wieder unter Dampf. Die Reise konnte weitergehen.
 

Und zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten später...

„Da ist Oledin! Wir haben es geschafft! Und noch vor Sonnenuntergang!“ rief Casey.

„Das da vorn soll Oledin sein? Ich sehe nur eine Bahnstation. Wo ist die Stadt?“

„Nicht da vorne, sondern da oben, Rusty!“ antwortete Casey und wies nach oben. Auf dem Platteau der großen Hügelkette thronten die Gebäude einer großen Stadt. Der Junge musste den Kopf weit in den Nacken legen um überhaupt einige Gebäude zu erkennen.
 

Langsam lief der kleine Zug in den menschenleeren Bahnhof ein.

„Geschafft. Das Holz ist auch fast aufgebraucht. Ich hoffe, wir kriegen hier auch Kohle.“ murmelte Casey.

„Oledin-Tal. Hm...kein Lokschuppen...aber Lagerhäuser...ein Kran...das ist eine reine Verladestation...“

„Das ist richtig. Der eigentliche Hauptbahnhof liegt oben in der Stadt.“ hörte Casey plötzlich eine Stimme hinter sich. Er zuckte zusammen und fuhr herum.

„Huch! Mann, hast Du mich erschreckt!“

„Oh-tut mir leid. Ich heiße Hyronimus.“

„Ich bin Casey Jones aus Kommoran. Und diejenigen, wo gerade transformieren sind Rusty, Dinah und Dustin.“

„Willkommen in Oledin, Leute.“

„Du bist eine Diesellok.“ bemerkte Casey, als er die gelb-rote Lok musterte.

„Richtig. Leichtbauklasse. Ein mittelschwerer oder schwerer Diesel hätte Probleme, die Steilstrecken zu bewältigen.“

„Und Du bist auch Favorit von Oledin. D-Liga. Wir wollen dich zu einem Rennen herausfordern.“ sagte Casey.

„Mit einer Dampflok? Ich hatte noch nie einen Dampfer als Gegner. Na ja, es gibt ja auch nicht viele mehr von ihnen. Unsere hat alle der Starlight Express bereits zu sich gerufen. Und neue Dampfloks werden bei uns schon lange nicht mehr gebaut.“

Bei dieser Aussagte musste Rusty wieder an sein ausgestandenes Abenteuer auf dem Eisenbahnfriedhof zurückdenken.

„Appropos Dampf –wir bräuchten dringend Kohle. Habt ihr hier welche?“

„Haben wir da drüben. Hier in der Umgebung gibt es einige Bergwerke, wo noch Kohle abgebaut wird. Hier wird sie dann umgeladen und überall hin transportiert.“
 

Bevor Casey den Tender befüllte, stopfte er noch die restlichen Bretter in Rustys Feuerbüchse.

„Aua, langsam!“

„Sorry, Kumpel.-Okay, Hyronimus! Du kannst die Klappe jetzt öffnen!“

Über eine Rutsche glitt die Kohle in Rustys Tender, bis er bis oben hin voll war. Dann wurde noch Dustin aufgefüllt. Er rülpste als er voll war, eine feine schwarze Wolke entwich aus seinem Mund.

„Tschuldigung.“ murmelte er verlegen. „Das passiert mir manchmal, wenn ich richtig vollgeladen bin.“

„Okay, wir sind soweit.“ gab Casey dann das Zeichen an Hyronimus.

„Alles klar. Ich hab schon bescheidgegeben. Der Fahrdienstleiter hat die Strecke für uns freigegeben.“

Da der Diesel sich im Humanoid-Modus befand, transformierten auch Rusty und Dinah. Casey, der seine Inliner holen wollte, wurde von Rusty kurzerhand hochgehoben und auf dessen Schultern gesetzt. Es schien als wollte er den Ärger von heute nachmittag wieder gutmachen. Die beiden Loks samt Anhänger verließen den Verladebahnhof und machten sich an den Aufstieg.

„Da rauf?“ stöhnte Rusty, als er die sich in Serpentinen hochwindende Strecke vor sich sah.

„Ja. Mein Bahnhof befindet sich dort oben. Oledin liegt auf dem großen Platteau dieser Hügelkette. Sie ist die höchste Erhebung hier in der Umgebung.- Höhenangst, Dampfer?“

„Ich habe keine Höhenangst.“ brummte Rusty ärgerlich.

„Soll ich Dir schieben helfen?“

„Danke, aber ich habe einen Zahnradantrieb, den ich bei Bedarf zuschalten kann.“

„Wie ich. Damit kommen wir viel leichter die Steigungen hoch.“
 

Diesmal zog Rusty tapfer vorwärts, kein Laut der Klage kam über seine Lippen. Aber Casey merkte, wie anstrengend es für ihn war, vor allem mit dem voll beladenen Dustin.

„Du bist ja schon ganz außer Atem, komm häng dich bei mir ein, zusammen gehts leichter.“ sagte Hyronimus, der vorneweg fuhr.

„Danke, aber ich...tschff...schfff...ssschaff das schon!“ schnaufte Rusty. Casey rollte mit den Augen. Jetzt wollte sein Lokpartner es wieder mal allen beweisen.

„Hör auf Hyronimus, Rusty. Du bist müde von der langen Fahrt. Lass Dir helfen. Du musst mir nichts beweisen, indem Du dich alleine hochplagst.“

„Also gut.“ nickte die Dampflok und ergriff die Kuppelringe des Diesels. Tatsächlich ging es viel leichter zu zweit.
 

Endlich gelangten sie auf das Hochplatteau. Und die Reisenden erlebten die nächste Überraschung.

„Wow! Seht doch nur! Eine alte Festung! Und wie riesig die Anlage ist!“ rief Casey. In der Abenddämmerung leuchteten die Mauern in einem dunklen rot.

„Diese Burg erstreckte sich einst über das halbe Platteau. Die Vorfahren der Bewohner von Oledin haben den Bahnhof in die alte Burgruine integriert. Die Gleise und Bahnsteige liegen im ehemaligen großen Innenhof.“ erklärte Hyronimus. „Und zu eurer Rechten liegt Oledin, unsere Hauptstadt.“

„Von hier oben hat man auch eine tolle Aussicht! Seht nur!“ schwärmte Dinah. Gerade eben erreichte die untergehende Sonne den Horizont.

„Und das können die Bewohner hier fast jeden Abend genießen...“ seufzte Casey.

„Und seht nur: Auch hier überall Windmühlen.“

„Sie pumpen das Wasser auf das Platteau oder erzeugen Strom. Lunia ist ein sehr windreiches Land wegen der günstigen Luftströmungen.“ erklärte Hyronimus.

„Wow, hier versteht man was von alternativer Stromerzeugung.“ meinte Casey.
 

Auf dem zweiten der acht Gleise lief der kleine Zug schließlich ein und hielt.

„Endlich angekommen!“ seufzte Rusty.

„Ja, endlich.“ nickte Casey und kletterte von den Schultern seines Lokpartners. Um die Bahnhofsanlage herum erstreckten sich nach drei seiten die alten Festungsmauern.

„Casey wo willst Du hin?“ fragte Dinah.

„Kurz mal nach draußen vor den Haupteingang.“ antwortete der Junge und lief los. Dinah verstand, was er vorhatte und folgte ihm.

Casey eilte die breite Treppe hinab bis auf den Vorplatz, blieb dann stehen und drehte sich herum.

„Wow! Von aussen sieht das Ganze noch imposanter aus!“ staunte er, als er die beiden Türme rechts und links des Eingangsportals sah.

„Ich habe noch nie solch einen Bahnhof gesehen. Dieser hier ist wirklich etwas Besonderes.“ erklärte Dinah.

„Hehe, nur das keine Ritter oder Landsknechte mit den Zügen fahren.“

„Sag das nicht, kleiner Lehrling, einmal im Jahr beim großen Mittelalter-Spektakel fahren wirklich unsere Bewohner in historischen Kostümen mit unserer Bahn.“

Casey und Dinah fuhren herum. Hinter ihnen stand ein älterer Mann in einer blaugrauen Uniform und den Abzeichen eines Stationsvorstehers.

„Guten Abend, ihr seid wohl gerade erst angekommen.“

„Ja, Sir. Ich bin Casey Jones aus Kommoran. Und das ist Dinah. Meine Lok wartet drinnen im Bahnhof.“

„Willkommen in Oledin. Ich bin Mr. Radcliffe, der Stationsvorsteher des Hauptbahnhofs und des Verladebahnhofs unten im Tal. Dann lass uns mal wieder hineingehen. Ich wohne mit meiner Familie im großen Lokhaus.“

Das „Lokhaus“ war ein umgebauter ehemaliger Bereich der Festung und befand sich hinter dem äußersten Gleis. Es gab zwei Eingänge. Die großen Tore für die Lok und die normale für das Personal. Und eine dritte Tür führte in den Wohnbereich der Radcliffes. Dieser hatte als Einziger auch einen Hinterausgang, der in den großen Garten führte. Hinter dem bunten Holzzaun begann die Straße in die Stadt.
 

„Dort hinten befindet sich noch eine kleine Aschengrube. Sie hat eine Metallluke als Deckel.“

„Alles klar. Rustys Aschekasten ist sicher schon randvoll.“

Die kleine Dampflok wartete bereits ungeduldig und transformierte, als sie mit Casey dem Platz erreicht hatte. Der Junge klappte den Deckel hoch.

„Kaum was drin...hier war schon lang keine Dampflok mehr...“ murmelte er.

Beim Entleeren des Aschekasten und Entfernen der Schlacke fielen diesmal einige verkohlte Nägel und Metallklammern mit in die Aschegrube.

„Jetzt siehst Du, warum ich alte Bretter nicht mag. Dieses ganze Metallzeugs schlägt mir auf die Brennkammer.“ sprach Rusty, nach dem er wieder zurücktransformiert war und warf einen angewiderten Blick in das Loch.

„Verdauungsprobleme?“ grinste Casey.

„Ha-ha! Sehr komisch!“ knurrte Rusty und stieß ihn leicht an.

„Hehe-uaah!“

Ein unachtsamer Schritt und schon rutschte Casey selbst mit in das flache Erdloch. Zum glück befand sich kein Wasser darin. So staubte es nur ordentlich, als er hineinplumpste.

„Hey, vorsicht!“

Rusty griff zu und zog seinen Lehrling wieder heraus, der nun über und über mit Ruß bedeckt war.

„Na toll.“ brummte Casey und versuchte, den Ruß durch Ausklopfen loszuwerden, was aber nicht viel brachte. Zum Schluss verschlossen beide die Asche-und Schlackegrube wieder.

„Endlich bin ich das Zeug los! Holzasche mag ich gar nicht so gerne. Danke, Casey.“

„Keine Ursache. Und ich schau das ich den Ruß loskriege.“
 

Casey musste das Wasser in der Wanne einmal auswechseln, als er den gröbsten Ruß abgewaschen hatte. Mrs. Radcliffe hatte die verrußte Lehrlingsuniform mit seiner anderen Schmutzwäsche in ihre Waschmaschine gestopft.

Plötzlich ging die Tür einen Spalt breit auf und Rustys Kopf lugte herein.

„Uwah! Rusty! Man klopft vorher an, bevor man die Nase in ein Badezimmer steckt! Es könnte ja auch ein weiblicher Lehrling hier drin sein!“ tadelte Casey.

„Schon gut. –Hast Du eigentlich gemerkt, das hier die Türen überall so hoch sind?“

Der Junge nickte.

„Oh je, Du bist ja noch immer halb schwarz.“ grinste Rusty.

„Ich hab das Wasser gerade wechseln müssen.“

„Na komm, ich helfe Dir.“ lächelte die Dampflok und nahm ihrem Lehrling den Schwamm aus der Hand.

„Bist Du mir eigentlich noch böse wegen der Sache mit der Kohle?“

„Unsinn! Das Du dich verkalkuliert hast, kann ja mal passieren. Du lernst ja noch.“

„Und Du musst noch lernen, nicht so viel Schampoo zu nehmen.“ grinste Casey, welcher von einer dicken Schaumwolke umgeben war.

„Besser zu viel als zu wenig.“ grinste die Lok zurück.“Hey!“

Casey hatte eine große Schaumwolke auf Rusty geschubst.

„Und wie Du wieder aussiehst.“ meinte Casey halb scherzhaft und wischte mit dem Schwamm über Rustys Gesicht.“

„ Mwpfwah! Ich bin nicht-ah, vergiss es.“

Die kleine Dampflok wollte heute wirklich nicht mehr widersprechen.

„Seid ihr bald fertig da drinnen? Das Essen wird kalt, Casey!“ hörte er Dinahs Stimme.

„Oh beeilen wir uns! Sie hat ja auch für die Famile des Stationsvorstehers mitgekocht! Er wohnt ja gleich nebenan!“
 

Casey fand es ein wenig eigentümlich, wieder einmal mit einer Familie an einem Tisch zu sitzen. Wie lange hatte er das schon nicht mehr. In den letzten Jahren war ja sein Vater seine einzige Familie gewesen. Und hier nun gab es den Stationsvorsteher, seine Frau und ihre drei Kinder. Selbst Hyronimus und zwei Waggonmädchen waren anwesend und saßen mit am Tisch. Und selbst für Rusty, Dinah und Dustin hatte man Sitzgelegenheiten besorgt. So war der Wohnraum ziemlich voll. Aber es war auch gleichzeitig gemütlich.

Gerade eben stellte Dinah eine große Schüssel auf den Tisch und setzte sich.

„Zuerst wollen wir wie immer, dem Starlight Express unsere Ehrerbietung erweisen.“ sprach der Stationsvorsteher. Zu Caseys großer Überraschung kreuzten alle Familienmitglieder die Hände vor der Brust und wandten ihre Blicke geradeaus. Hyronimus und die beiden Waggonmädchen folgten dem Beispiel. Casey warf seinen Freunden hilfesuchende Blicke zu. Dustin und Rusty zuckten nur die Schultern, aber Dinah forderte sie mit einer stummen Geste auf, das selbe zu tun. Im nächsten Moment verstand Casey.

„Sie beten!“ raunte er Rusty zu. Also nahmen auch sie diese Haltung ein und verharrten.
 

„Großer Zug der Sterne. Halte deine schützendes Licht über dieses Land und alle Bewohner. Und über den ganzen Kontinent. Bewahre uns vor Unglück und Katastrophen und bringe unsere Reisenden immer wieder sicher nach Hause zurück. “ sagte der Stationsvorsteher feierlich. „Möge der Starlight mit uns sein.“

„Möge der Starlight mit uns sein.“ kam es einstimmig gemurmelt zurück.

Erst jetzt lösten alle wieder ihre Haltung und das Essen wurde verteilt.
 

„Ich habe noch niemals Leute so zum Starlight beten sehen.“ sagte Casey nach dem Essen, als sie unter sich waren.“ Es war ein sehr ehrfürchtiger Moment.“

„In jedem Land wird der große Sternenzug anders verehrt.“ erklärte Dinah.

„Also wenn ich mit dem Starlight Zwiesprache halten will, tu ich es einfach. Aber ich tu es nicht oft, er hört anscheinend nicht zu.“ bemerkte Rusty.

„Ich glaube schon, das er Dir zuhört. Du bist ja nicht der Einzige, der zu ihm spricht. Und vergiss nicht, er hat uns zusammengebracht.“ sagte Casey.

„Ich würde ihn gerne selbst einmal sehen oder wenigstens seine Stimme hören! Nur einmal.“

„Dann musst Du genauer hinsehen, wenn Du nachts in den sternenklaren Himmel schaust.“ riet Dinah. „Aber es stimmt, Casey. Wenn wir etwas vom Starlight Express erbitten wollen, tragen wir ihm einfach unsere Wünsche und Bitten vor.

„Das hab ich auch schon oft. Und es ist dann oft selbst wie ein Gebet.“

„Casey, was sitzt ihr denn hier alleine zusammen? Kommt doch noch ein wenig mit zu uns herüber. Ich möchte ein wenig von deinen Erlebnisen hören, die Du auf deinen Reisen hattest.“ sprach der Stationsvorsteher.

„Gerne.“ nickte Casey und erhob sich.

So saß der Junge mit seinen Freunden noch ein wenig mit der Familie des Stationsvorstehers in der Wohnstube neben dem Lokschuppen zusammen. Mr. Radcliffe hatte ein Fotoalbum hervorgeholt und zeigte Casey Fotos vom letzten Mittelalterlichen Spektakel. Tatsächlich saßen in den Wagen nur Leute in Kostümen oder posierten auf den Bahnsteigen.

„Hehe, wenn man den Ritter hier und Hyronimus ansieht, wie sie nebeneinander stehen, merkt man keinen Unterschied.“ grinste Casey.

„Da hast Du recht, Junge. Dieses Fest ist jedes Mal ein großes Ereignis und lockt Besucher aus nah und fern an. Es findet jedes Jahr im Herbst statt, wenn die Ernte eingebracht wurde und es nicht mehr so heiß ist. Höhepunkt ist natürlich immer das große Lokrennen.“

„Appropos Lokrennen. Wir sind hier, weil wir Hyronimus herausfordern wollen.“

„Das habe ich mir fast schon gedacht. Wie viele Plaketten habt ihr schon?“

„Fünf. Die Letzte konnten wir in Arrosia eringen.“

„Aha. Dann seid ihr gegen Tron gelaufen.“ bemerkte Hyronimus.

„Genau.“

„Auch ich bin schon gegen ihn angetreten. Dabei schied er vorzeitig aus, weil ich seinen Anhänger Lonzo in den Graben gerempelt habe und er sich dabei seinen Knöchel verstaucht hat.“

„Hihi, mann war der sauer.“ kicherte Lilli, das zweite Klasse-Waggonmädchen. „Hat mir schöne Augen gemacht und da ist Hyronimus dazwischengegangen.“

Der Diesel und die beidenWaggonmädchen beschäftigten sich nebenbei mit den Kindern. Sie spielten mit ihnen oder erzählen.

„Das habe ich noch nie erlebt, das Loks und Waggons dermaßen am Familienleben der Menschen teilnehmen.“ staunte Casey.

„Das ist hier auf den Bahnstationen in Lunia so üblich. Wir pflegen eine enge Beziehung zu unseren Zügen. Während der Arbeit und auch in der Freizeit. Sie sind Teil unserer Familie. Lilli hilft mir oft im Haushalt, wenn sie keinen Dienst hat.“ erklärte Mrs. Radcliffe.

„Jetzt verstehe ich, warum der alte Jerome Zebulon so vermisst hat.“ raunte Casey Dinah zu.

„Und warum die Türen und Räume hier überall so hoch sind.“

„Manchmal schlafe ich sogar bei den Kindern im Zimmer.“ bemerkte Hyronimus. „Und Kero, der gerade unterwegs ist, wird in vier Monaten einen Lehrling bekommen.“

„Heißt das, er wird dann auch mit ihm auf Reisen gehen?“

„Warscheinlich. Aber die ersten Monate wird sie noch hier lernen.“

„Sie?“

„Ja. Minerva ist ein Mädchen. Sie wird in zwei Wochen ihren Schulabschluss machen und dann bei uns mit ihrer Ausbildung anfangen.“

„Aha...“

„Was guckst Du denn so? Wusstest Du nicht, das auch Mädchen Lokführer werden können?“ bemerkte Dinah. „Wir haben auch weibliche Lokführer in Kommoran.“

„So wie Bobetta Flint?“ fragte Dustin.

„Krrr...erwähne nicht diesen Namen!“ grollte Dinah in schlechter Erinnerung. Das Techtelmechtel mit der Lokführerin war ja der Grund für Dinahs Trennung von Greaseball gewesen.

„Hehe, natürlich. Wie dumm von mir. Ich bin nur noch keinem weiblichen Lokführerlehrling begegnet.“ grinste Casey und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Das wirst Du schon noch. Sie sind zwar nicht so häufig wie ihr Jungs aber durchaus fähig, jede Art von Loks zu führen.“

So verging die Zeit, bis schließlich...

„Oh-da ist aber einer sehr müde.“ lächelte der Stationsvorsteher.

„Casey?-Er ist eingeschlafen. War ja auch ein anstrengender Tag heute.“ meinte Dinah.“Ich bring den kleinen Lehrling ins Bett.“

„Ich mach das schon, Dinah. Für mich wird es auch Zeit zum Schlafengehen.“ erklärte Rusty und erhob sich. Vorsichtig hob er den schlafenden Jungen von seinem Stuhl und trug ihn nach einem abschließenden „Gute Nacht“ an alle Anwesenden nach Nebenan.

Zuerst streifte er Casey die Schuhe ab, dann legte er ihn auf dem Bett ab. Dann folgten die Kleider und er zog ihm den Pyjama an. Casey brummte nur ab und zu kurz und rollte sich ein wenig zusammen. Erleichtert deckte Rusty schließlich seinen Lehrling zu, strich ihm vorsichtig einige Strähnen aus dem Gesicht und betrachtete ihn eine Weile.

Plötzlich war es wieder da. Ein Flashback.

Er sah sich selbst auf einer Schlafmatratze liegen, über ihn hatte sich ein fremdes Waggonmädchen gebeugt, breitete eine Decke über ihn und lächelte sanft. Aber noch bevor er die Fremde besser erkennen konnte, kehrten die Gedanken der kleinen Lok wieder in die Gegenwart zurück.

„Ruß und Schlacke...etwas in meinem Unterbewusstsein versucht nach draußen zu kommen....es muss etwas mit meinen verlorenen Erinnerungen zu tun haben.“
 

In dieser Nacht lag Rusty noch lange wach und versuchte sich zu erinnern, wo er das Gesicht gesehen haben könnte, aber er kam nicht darauf. Und doch glaubte er, diese Person gut zu kennen...von irgendwoher...aus der Vergangenheit.
 

„Guten Morgen, kleiner Lehrling.“ begrüßte Dinah Casey, als er am nächsten Tag aus dem Badezimmer getappt kam und sich den Schlaf aus den Augen rieb.

„Morgen, Dinah. Wer hat mich denn gestern ins Bett gebracht? Ich errinere mich nur noch, das ich im Wohnzimmer mit Mr. Radcliffes Familie zusammengesessen bin.

„Rusty hat dich ins Bett gebracht. Wir wollten dich nicht wecken.“

„Oh.“ murmelte Casey. „Ich bin einfach im Sitzen weggenickt?“

„Du bist noch jung und brauchst deinen Schlaf. Und gestern war ein harter Tag.“

„Erinner mich bloß nicht daran. –Und Rusty pennt natürlich noch immer. –Na, egal. Ich will nachher in die Stadt und mir ein paar neue Klamotten besorgen. Brauchst Du etwas, Dinah?“

„Ein paar Lebensmittel. Ich mach Dir nachher eine Liste.“

„Alles klar.“
 

Als Casey später nach draußen ging, sah er den Stationsvorsteher vor dem Haus auf einer Anhöhe stehen. Eine lange Stange steckte im Boden, an dessen oberem Ende verschiedene Wimpel und Bänder befestigt waren, die fröhlich im Wind flatterten.

„Was macht Mr. Radcliffe denn jetzt? Er hebt die Arme...will er etwa wieder...?“

„Er ehrt unsere Windgöttin und ihre drei jüngeren Schwestern. Das macht er jeden Morgen. Und nicht nur er.Viele tun das.“ erklärte Hyronimus, welcher unter einem Baum im Gras hockte.

„Halte stets die Flügel unserer Windmühlen in Bewegung und schicke uns den Regen für unsere Felder. Morgen bekommst Du wieder ein neues Band, mit dem deine kleinen Schwestern spielen können.“ sprach der Stationsvorsteher.

„Schwestern?“

„Natürlich. Vier Winde. Vier Göttinen. Die Göttin des Westwindes ist die Älteste. Die bunten Bänder und Wimpel sind Opfergaben, damit sie uns stets wohlgesonnen sind. Deshalb müssen sie immer wieder erneuert werden. Im Herbst kommen auch Drachen hinzu, die die Kinder basteln. Man erzählt, die jüngeren Schwestern, lieben es, sie flattern zu lassen.“

„Ihr habt interessante und schöne Bräuche hier. In Arosia hat uns ein kleines Mädchen eine schöne Gesichte über eine Wassernyphe erzählt.“

„Echt? Lass hören.“
 

„Die Kinder werden sich sehr freuen, wenn ich ihnen davon erzähle.“ lächelte Hyronimus, als Casey geendet hatte.“Ich bin immer erpicht darauf, neue Geschichten aus anderen Ländern zu hören.“

„Sag mal, Hyronimus, wo finde ich hier einen guten und preiswerten Laden für Kleidung?“

„Ich kann dich hinbegleiten, wenn Du möchtest. Habe gerade keinen Dienst. Erst wieder in zwei Stunden.“

„Das wäre sehr nett, wenn Du mir die Stadt zeigen könntest.“
 

Auch in den Straßen der Stadt war zu merken, wie eng die Menschen und ihre Zugpartner zusammenlebten. Hyronimus kannte viele der Bewohner, man grüßte und unterhielt sich ganz normal untereinander.

Auch andere Waggons oder Loks bewegten sich ungezwungen zwischen den Menschen.

„Das war Leonidas, ein guter Bekannter aus einer Nachbarstadt. Er fährt in einer Stunde wieder mit seinem Zug zurück nach Hora. Dort sitzt er mit im Stadtrat, wenn der tagt. Oder auch in Unserem.“

„Echt? Das ist unglaublich.“

„Wir haben ihn als Vorsitzenden gewählt, der unsere Interessen vertritt.“
 

„So, da sind wir. Hier findest Du alles, was Du brauchst. Und der Händler gibt einen Rabatt für Lehrlinge. Du brauchst ihm nur deinen Ausweis zu zeigen.“

„Hey, danke. Wartest Du hier?“

„Ich besuche so lange kurz einen Bekannten. Er wohnt gleich da drüben.“

„Okay. Eine halbe Stunde reicht mir für meine Besorgungen hier.“
 

Voll bepackt mit den Besorgungen kehrten die beiden schließlich zum Bahnhof zurück.

„Danke Hyronimus. Ohne dich hätte ich das alles gar nicht alleine tragen können.“

„Gern geschehen. Jetzt muss ich aber los, mein Dienst fängt gleich an.“

„Bis später.“
 

Rusty hockte in einer Ecke und untersuchte seinen Helm, den er bei den Rennen immer trug.

„Na, endlich ausgeschlafen?“

„Wo warst Du denn?“ fragte die Dampflok.

„Mit Hyronimus in der Stadt, Besorgungen machen.“ antwortete Casey und wies auf den Haufen Tüten auf dem Tisch. Dinah hatte angefangen die Vorräte auszupacken.
 

Mr. Radcliffe betrat die Halle.

„Wegen des Wettrennens habe ich jetzt einen Termin. Morgen nachmittag um fünfzehn Uhr auf den Gleisen sieben und acht.“

„Alles klar. Hast Du gehört, Rusty?“

Die kleine Dampflok nickte.

„Sagen sie, Mr. Radcliffe, besteht hier in ihrem Betriebswerk die Möglichkeit, Streicharbeiten durchzuführen?“

„Da müsstest Du mit Mr. Shaun reden. Geht es um deinen Rusty? Ich habe gesehen, das der Anstrich bei ihm noch nicht ganz fertig ist. – Thadäus wird dich hinbringen, er ist gerade zurückgekommen und hat dort auch etwas zu erledigen.“

„Das stimmt. Ich möchte langsam fertigwerden, damit Rusty wieder anständig aussieht.“

„Okay, dann kommt mal mit.“
 

Thadäus war ebenfalls eine Leichtbau-Diesellok, ähnlich wie Hyronimus, jedoch besaß er eine rot-schwarze Lackierung.

„Du wirst also morgen gegen meinen älteren Bruder antreten. Das will ich nicht verpassen.“ lächelte er, als er Rusty samt Lehrling hinüber zu den großen Werkskomplex schleppte. Dustin hatte sich mit angehängt, er wollte auch dabei sein. Dinah und Mrs. Radcliffe tauschten untereinander gerade Rezepte und Küchentricks aus und dem Tender war es alleine zu langweilig.

„Auf jeden Fall werden er und Dustin ihr Bestes geben.“ antwortete Casey.

Die große Halle lag nicht weit vom Bahnhof entfernt. Mehrere Gleise führten zu den nebeneinanderliegenden Toren, es gab sogar eine Drehscheibe hier.

„Hier nun seht ihr die Werkstätten von Oledin. In diesen Hallen werden neue Waggons und Loks gebaut und die Bestehenden repariert und gewartet.“ erklärte Thadäus.

„Wo wollt ihr denn hin?“ fragte der Mann an der Drehscheibe.

„Zu Mr. Shaun.” antwortete der Diesel.

„Er müsste sich gerade in der Neubau-Werkstatt befinden. Tor 4.“

Also setzte sich die Drehscheibe langsam in Bewegung, bis sie vor dem Gleis hielt, das zum entprechenden Tor führte.

„Danke, Henry.“ winkte Thadäus rollte von der Scheibe und zog seine Besucher mit.
 

Im Innern herrschte geschäftiges Treiben. Der Bau einer neuen Lok war im vollen Gange. Und dementsprechend war auch der Lärmpegel.

„Bald werden wir zu viert sein. Seht ihr, da drüben entsteht gerade mein jüngster Bruder. Ist noch nicht viel zu sehen, aber in vier Monaten soll er fertig sein. Dann bekommt er auch vom Starlight Express eine Seele eingehaucht und er wird zum Leben erwachen.“ lächelte Thadäus. Man sah ihm an, das er sich freute.

„In Kommoran hat nur Greaseball in letzter Zeit neue „Brüder“ gekriegt. Und bald soll die erste E-Lok dort gebaut werden, wenn mehr Strecken bei elektrifiziert sind.“ erklärte Dinah.

„Stimmt. Kommoran hat noch keine eigenen E-Loks.“ bemerkte Casey.

„Ich wage gar nicht daran zu denken! Dann kriegen Pop und ich gar nichts mehr zu tun!“ knurrte Rusty.

„Ach, das glaube ich nicht. In Kommoran ist genug Platz für alle Loks.“
 

Dustin, der neugierig umhergerollt war, stieß plötzlich einen Schmerzlaut aus und knickte auf dem rechten Bein ein.

„He, Kumpel, was hast Du?“ fragte Rusty besorgt.

„Mein rechter Fuß....er tut auf einmal so weh.“

„Bringt ihn hierher.“ erklärte der Werkstattmeister.

„Keine Sorge. Mr. Shaun kann ihm sicher helfen.“ bemerkte Thadäus.

„Okay, setzt ihn hier auf den Betonblock. Die Beine hier hoch.“

Dustin hielt während der ganzen Inspektion still und gab keinen Laut von sich. Rusty hätte bestimmt schon gejammert, dachte sich Casey.

„Was ist mit Dustin?“ fragte Dinah, als Mr. Shaun wieder aufsah.

„Seine Radreifen sind total hinüber. Genauso ist es mit einigen Teilen der Achse. Sein enormes Gewicht...der Verschleiß geht da schneller von statten.“

„Können sie das reparieren?“

Der Meister erhob sich wieder.

„Sieht schlecht aus. Mir fehlen ein paar wichtige Teile und Kero kommt erst übermorgen abend wieder an mit den neuen Ersatzteilen. Vorher kann ich nichts machen. Ich kann seine Räder zwar so zusammenschustern, das er wieder einigermaßen rollen kann, aber beim Rennen morgen kann er keinesfalls so antreten.“

„Dann müssen wir das ganze Rennen verschieben.“ brummte Casey. „Und Mr. Radcliffe muss wieder alles umdisponieren.“

„Oder ich könnte diesmal einspringen. Ich habe Rennerfahrung aus der Zeit mit Greaseball.“

„Aber Du bist nicht als Zweitwaggon eingetragen.“

„Dann schau mal genau in den Unterlagen nach. Mr. Corell hat für den Notfall vorgesorgt. Ich darf aber nur einspringen, wenn es nicht anders geht. So wie jetzt.“

Casey zog das kleine Zulassungsheft aus der Innentasche seiner Jacke.

„Sie hat recht. Hier, Mr. Corell hat Dinah als Notfallbesetzung eingetragen.“

„Au ja. Fahr mit Dinah, dann hast Du es diesmal leichter. Gerade wegen der vielen Buckel hier.“ bemerkte Dustin.

„Würdest Du wirklich, Dinah?“

„Ich möchte mal sehen, wie es ist, mit Dir ein Rennen zu fahren. Vielleicht kann ich Dir ja noch ein paar Tipps geben.“

„Abgemacht. Du bist dann morgen mein Waggonpartner.“ nickte Rusty.

„Gut, ich sag nachher Mr. Radcliffe bescheid.“ nickte Casey.

Inzwischen hatte Mr. Shaun Rusty zu sich gewunken und besah ihn sich von allen Seiten.

„Du bist wohl dabei, Rusty einen neuen Anstrich zu verpassen.“ meinte der Meister.

„Stimmt, aber die letzte Zeit bin ich kaum dazu gekommen. Deshalb wollte ich auch zu ihnen hier ins Werk. Haben Sie hier die Möglichkeit, Streicharbeiten durchzuführen?“

„Selbstredent, Casey. Ich habe einiges an Farben hier und kann Dir ein wenig zur Hand gehen, wenn ich mit Dustin fertig bin. Hast Du die Typennummer der Farben? Du weißt ja, schwarz ist nicht gleich schwarz. “

„Ich habe sie mir damals notiert. Prima, dann kann ich weitermachen. Sonst fängt er an den neu gestrichenen Stellen bald wieder an zu rosten.“

„Das wohl weniger. Der neue Anstrich schützt die Stellen.“
 

Eine halbe Stunde später konnte Dustin wieder aufstehen.

„Probier mal, wies läuft.“ erklärte Mr. Shaun.

„Und Dustin? Gehts wieder?“ fragte Casey, der den Tender beim langsamen auf und abrollen beobachtete.

„Wenigstens tut es nicht mehr so weh.“

„Roll nicht so viel herum. Ich kann Dir nicht sagen, wie lange diese Notreparatur hält.“ erklärte Mr. Shaun.

Der Tender nickte und ließ sich sofort artig auf einer Öltonne nieder.

„Und jetzt zu Dir, Rusty. Transformiere, denn im Maschinenmodus kann man bei Anstrichen besser arbeiten.“

Die kleine Dampflok seuftze und vollzog die Umwandlung.

„Ja, das sieht schon sehr gut aus. Aber zuerst muss wieder der Rost abgeschliffen werden.“

Prüfend klopfte Mr. Shaun mit seiner Faust gegen die rostigen Stellen.

„Gut, der Rost sitzt nur oberflächlich. Wir müssen keine Teile der Verkleidung erneuern.“

„Dem Starlight sei Dank!“ hörten die Beiden Rusty seufzen.
 

Bis zum Abend waren sie mit Rustys Anstrich ein gutes Stück weitergekommen.

„Toll! Jetzt sind es nur noch ein paar kleine Stellen! Wir sind bald fertig!“

„Bleib über Nacht hier und im Maschinenmodus, damit die Farbe gut trocknen kann. Bis zu deinem Wettrennen bist Du dann fertig.“

„Dann bis morgen, Rusty. Dustin bleibt bei Dir, dann bist Du nicht so alleine. Er soll ja nicht so viel herumrollen.“

„Gute Nacht, kleiner Lehrling.“ lächelte Dustin und winkte.

„Nacht, ihr beiden.“ wünschte Dinah und schloss sich Casey an.
 

„Dustin hat defekte Radreifen? Das ist natürlich ärgerlich. Ein Glück, das das Speisewaggonmädchen einspringen kann. Gut, ich ändere es in den Unterlagen.“ sagte Mr. Radcliffe und ging nach nebenan in sein Büro.

„Ist der Tender mit deiner Lok in der Werkhalle geblieben?“ fragte Hyronimus, der von Thadäus abgelöst worden war und nun frei hatte.

Casey nickte.

„Mr. Shaun hat gesagt, er solle nicht so viel herumrollen. Er kann nicht sagen, wie lange die notdrüftige Reparatur hält.“

„Und ich weiß, wie weh ein defektes Fahrwerk tun kann.“
 

Am nächsten Morgen brachte Hyronimus Casey hinüber in die Werkstatt.

„So, bis heute nachmittag also. Um fünfzehn Uhr gehts los.“

„Wir werden pünktlich sein.“

Als Casey die Halle betrat, hockte Rusty im Hummanoid-Modus auf einem Betonblock und wartete. Dustin hatte sich daneben auf den Boden gelümmelt.

Jetzt erhob sich die kleine Lok und zog den Tender auf die Beine.

„Lass dich mal ansehen....gut siehst Du aus. Den Rest machen wir noch irgendwo unterwegs oder zu Hause in Kommoran. Die anderen werden staunen, wenn sie sich sehen.“ erklärte Casey, als sich Rusty einmal um sich selbst gedreht hatte.

„Du und Mr. Shaun habt wirklich gute Arbeit geleistet.“lächelte die Dampflok.

„Bald kann keiner mehr über deine rostige Hülle herziehen.“

„Stimmt. Und man fühlt sich auch viel wohler, wenn nicht überall der Rost an der Hülle nagt.“

„Und wie gehts deinem Fahrgestell, Dustin?“

„Es ist nervig, wenn man ständig aufpassen muss! Ich hoffe, die Ersatzteile kommen bald!“ maulte der Tender.

„Kann ich gut verstehen, Kumpel. Aber jetzt geht es zuerst mal zurück zum Bahnhof. Ich hol mir nur mein Lehrberichtsbuch von Mr. Shaun ab.“
 

Den Rest des Tages verbrachte Casey damit, mit Rusty und Dinah zu trainieren, damit sie das richtige Gefühl füreinander füreinander bekamen.

„Das ist wirklich ein Unterschied. Du bist viel leichter, Dinah.“ lächelte die Dampflok zufrieden.

„Das hört sich gerade so an, als wärst Du froh, das Dustins Fahrgestell kaputtgegangen ist.“

„Nein, das verstehst Du falsch! Aber es ist offensichtlich das uns Loks Waggonmädchen lieber sind als Schwergewichte. Dustin ist schwer –aber er hat auch seine Vorteile, habe ich mit der Zeit bemerkt. Er läßt sich nicht so einfach von den Gleisen schubsen.-Sag mal, kannst Du überhaupt eine Attacke?“

Dinah lächelte spitzbübisch.

„Dann pass mal auf.“

Plötzlich hatte sie ein funkelndes, rundes Chromtablett in ihrer rechten Hand. Sie holte aus und warf es wie ein Diskusswerfer von sich. In einem weiten Bogen rauschte das Tablett durch einen Baum, kappte einige Äste und kehrte zu seiner Besitzerin zurück.

„Wow! Ein Tablett-Bummerang!“ staunte Casey.
 

Die Zeiger der großen Bahnhofsuhr zeigten fünfzehn Uhr.

Auf dem Bahnsteig zwischen den Gleisen sieben und acht hatten sich Mr. Radcliffe Casey und Mr. Protos, Hyronimus Lokführer versammelt. Etliche Zuschauer bevölkerten ebenfalls die Bahhsteige in der Nähe der Gleise.

„Also, das Rennen geht die Serpentinen hinunter und dann wieder hinauf. Jeder fährt auf einer Seite des Berges bis zum markierten Wendepunkt und dann wieder hinauf. Sieger ist, wer als Erster wieder oben ist.“

„Rauf UND Runter?“ stöhnte Rusty.

„Nur hier oben wärs doch langweilig. Es geht hier vor allem darum, nicht aus den Kurven zu fliegen, wenn man zu schnell ist. Ist schon einigen passiert. Sie sind entgleist.“erklärte Hyronimus.

„Na toll...“ brummte die kleine Dampflok.

„Ist man dann disqualifiziert, wenn das passiert?“ fragte Dinah.

„Wenn alle Gelenke noch heile sind, darf man weiterfahren. Aber viele haben sich schon ordentlich die Knöchel verstaucht oder die Schultern geprellt. Wie gesagt, die Abfahrt verlangt die höchste Konzentration.“

„Also, sei vorsichtig, Rusty!“mahnte Casey. „Nicht zu schnell, verstanden?“

„Ich pass mit auf, kleiner Lehrling.“ antwortete Dinah.

„Ich als Favorit nehme die etwas längere Strecke. Der Längenunterschied beträgt nur fünfhundertdreißig Meter. Oder willst Du? Ich überlasse jedem die Wahl.“

Rusty dachte nach.

„Ich nehme die längere Strecke! Die paar Meter...“

„Bist Du Dir sicher, Kumpel? Vergiss nicht, Du musst nachher wieder hier rauf.“ erklärte Casey.“Fang ja nicht wieder damit an, es allen umbedingt beweisen zu müssen.“

„Mein Entschluss steht fest.“

„Du musst wissen, was Du tust.“ seufzte der Junge.

„Gut, die längere Strecke startet von Gleis acht.“ erklärte Mr. Radcliffe. Dann rief er in sein Megaphon:“Das Rennen zwischen dem Herausforderer Rusty aus Kommoran und unserem Favoriten Hyronimus kann beginnen! Der Herausforderer hat die längere Strecke gewählt.“

„Wenn das mal nicht leichtsinnig war...“ dachte Casey.
 

Rusty überprüfte den Sitz seines Helmes, Dinah rückte ihr Spitzenhäubchen zurecht.

„Na, wenigstens gibst kein Gerangel während des Rennens.“ seufzte sie erleichtert.

Dustin beobachtete die Beiden.

„Hehehe, wenn Greaseball euch jetzt sehen würde, der würde in die Luft gehen.“ grinste der dicke Tender vergnügt.

„Soll er doch. Ich bin außerdem schon oft mit Rusty daheim in Kommoran gefahren, wenn es mein Dienstplan vorschrieb.“ meinte Dinah spitz.

„Ja, aber Grease hat erreicht, das Du niemals direkt hinter mir hängen durftest. Nur immer am Schluß.“ antwortete Rusty. „Ich könnte dich schmutzig machen, hat er immer gesagt.“
 

Plötzlich endteckte Casey am Himmel einen Gleitdrachen.

„Oh, das ist einer unserer Kammeraleute. Auf dem Bildschirm könnt ihr den Rennverlauf dann überwachen. Für jede Kamera eine Bildhälfte.“

Jetzt kam noch ein weiterer Drachen in Sicht.

„Gut, wir sind bereit! Auf die Plätze-fertig-LOS!“ rief Mr. Radcliffe und ein langgezogener Heulton drang aus dem Megaphon als er einen roten Knopf am Griff drückte.
 

Unter den anfeuernden Rufen der Zuschauer sputeten beide Loks los. Kaum hatten sie den Bahnhof verlassen, gabelte sich bereits die Strecke.

„Also, wir sehen uns nachher, Rusty! Mal sehen, wer schneller wieder oben ist!“ rief Hyronimus, dann verschwand er mit Lilli außer sicht.

„Pass auf, da vorne geht es bereits runter.“ warnte Dinah. Warnschilder machten auf das starke Gefälle aufmerksam.

„Langsam Rusty! Bremse etwas ab und dann immer schön in die Kurven legen.“

„Ich weiß, Dinah. Ich fahre solche Strecken nicht zum ersten Mal.“

„Aber Du kennst solche steilen Serpentinen noch nicht. –Vorsicht!“

„Schon gut!“

Die Räder der Dampflok kreischten und es flogen sogar einige Funken, als sie sich in die Kurven legte.

„He, das macht richtig Spaß! Vielleicht können wir einen kleinen Vorsprung herausholen.“

„Übertreibs nur nicht!“

Immer schneller ging es bergab.

„Uuunnddd....die Nächste!“

„Rusty, wir sind zu schnell-Da! Pass auf!“

Die nächste Kurve wand sich besonders eng um die Felsen und hatte auch noch ein starkes Gefälle. Und es kam, wie es kommen musste. Rusty hatte zu viel Tempo, konnte nicht rechtzeitig abbremsen und rauschte viel zu schnell in die Krümmung. Verzweifelt versuchte er sich noch gegenzusteuern, doch er rutschte von den Gleisen, raste den Abhang mit der erschrocken kreischenden Dinah hinunter und in ein darunterliegendes Terassenfeld mit Maisstauden. Da dieses ebenfalls eine Neigung hatte, wurde Rusty nicht langsamer.

„Ah!Ah! Verdammt!“

Die Stauden klatschten der Lok gegen den Helm, Dinah hielt sich schützend einen Arm vors Gesicht. Im nächsten Augenblick stolperte Rusty, verlor er den Halt, stürzte auf den Bauch und Dinah auf ihn. Gemeinsam rutschten und schlitterten sie weiter, bis das Gespann wieder aus dem Feld auftauchte.

Im Acker blieb eine breite Schneise zwischen den Stauden zurück.

Ein recht unsanfter Aufprall stoppte die Beiden endlich.

„Aua! Au! Ruß und Schlacke! Wo sind wir jetzt?“

„Du liegst auf dem Gleis eine Ebene tiefer! Du hast quer über den Hang und durch das Feld abgekürzt!“ antwortete Dinah, zog sich wieder auf die Beine und richtete ihre etwas zerzauste Frisur. „Und ich sagte noch, pass auf! Jetzt haben wir den Salat! Bist Du noch heil, Rusty?“

Langsam zog sich die kleine Dampflok auf die Beine.

„Es scheint alles noch okay zu sein. Höchstens ein paar Schrammen. -Mist! Darf ich jetzt einfach weiterfahren?“ knurrte Rusty, während Dinah ihm aufhalf.

„Na toll, ich möchte nicht dem Bauern begegnen, wenn er das sieht.“ bemerkte sie, als sie die Schneise hinter sich entdeckte. „Du hast die halbe Ernte demoliert.“

Rusty zog ein Stück einer Maisstaude aus dem Sichtloch seines Helms und löste zwei lange Blätter aus seinem Fahrwerk. Ein Streckenposten kam das Gleis hochgestapft.

„Seid ihr in Ordnung?“

„Uns fehlt nichts. Aber müssen wir jetzt wieder zurück um die Kurve nach oben wo wir von der Strecke abgekommen sind?“

„Nein, fahrt weiter. Dahinter steckte keine Absicht, das hab ich gesehen. Wäre es anders, währt ihr sofort disqualifiziert! Wir Steckenposten und die Cameras überwachen alles.“

„Okay, danke! Weiter, Rusty!“

„Wenn ich nur wüsste, ob diese ungewollte Abkürzung uns einen Vorsprung gebracht hat!“ murmelte Rusty. Diesmal gab er in den Kurven besser acht, bremste rechtzeitig, wie Dinah es ihm erklärt hatte.

„Endlich unten! Und da ist auch schon die Talstation!“ bemerkte Rusty und ging etwas in die Knie, damit er schneller wurde.
 

Unten angekommen, fuhren Beide in den Talbahnhof ein zur angezeigten Wendemarke.

„Holla, schon da? Hyronimus und Lilli waren noch nicht hier.“ erklärte der Mann, der die Weiche umstellte, während Rusty und Dinah die Richtung wechselten. „Aber dem Jubel nach sind sie es gleich. –Na los, fahrt weiter, ihr zwei, der Rückweg wird angstrengender und Hyronimus ist ein As auf Steigungsstrecken.“

Am Fuß der Erhebung kam ihnen Hyronimus entgegen.

„Na so was, schon an der Wendemarke gewesen? Bist Du geflogen, Kleiner?“ fragte der Diesel.

„Gewissermaßen.“ antwortete Rusty kleinlaut. Dann waren die Beiden schon außer sicht.
 

Nun ging es den selben Weg zurück, allerdings steil bergauf. Rusty war für seinen Zahnradantrieb dem Werksmeister von Juti mehr als einmal dankbar. Schnaufend zuckelte er den Berg hoch, Dinah schob von hinten so gut sie konnte nach. Dabei merkte sie, das die kleine Dampflok nun viel besser die Steigungen nahm, als noch vor einigen Monaten, zu Beginn ihrer Reise.

Knurrend und schnaufend kämpfte sich Rusty weiter.

„Überanstreng dich nicht! Denk an deinen Kessel!“ mahnte Dinah.
 

Mit der Zeit bekam Rusty einen Rhytmus dafür, wie er die steilen Aufstiege am besten bewältigen konnte. Er bemerkte, wenn er gleichmäßig ein-und ausatmete, erreichte er das beste Tempo. Und er merkte vor allem, wenn er wirklich alles gab, konnte er sogar über sich hinauswachsen und immer besser werden. Und das tat er nun.“

„Diese Plakette krieg ich auch!“ dachte die kleine Dampflok verbissen.

„Ja, weiter! Wir sind gleich oben!“ rief Dinah.

„Hoffentlich! Mir geht bald die Kohle aus!“ schnaufte die Lok. „Steigungen sind schlimme Brennstofffresser!“

Endlich war das Platteau erreicht.

„Du hast es geschafft!“

„Noch nicht ganz, Dinah! Sieh nur!“

„Oh nein! Hyronimus ist doch schneller gewesen!“

„Aber noch ist er nicht am Ziel!“

Nur noch sechshundert Meter trennten den Diesel vom Ziel. Und einige hundert Meter Rusty von Hyronimus.

„Krrr...so leicht mache ich es ihm nicht!“ knurrte die Lok keuchend und sputete los.

Dinah war wirklich über Rustys kämpferische Haltung überrascht. So kannte sie die kleine Dampflok gar nicht. Und Rusty freute sich, das Dinah so leicht hinter ihm herrollte.
 

„Hyronimus, schau mal!“ rief Lilli zur gleichen Zeit.

„Der Kleine ist auch schon oben? Erstaunlich! Für eine Dampflok hat er echt was drauf!“

„Und er holt auf!“

„Dann wird es noch interessant!“ lächelte die Diesellok. „Na komm, Kleiner! Mach es mir nicht so einfach!“

„Grrr...nenn mich nicht immer Kleiner!“ grollte Rusty.“Dir zeig ichs!“

„Weiter so Rusty!“ rief Dinah.
 

„Da kommen sie! Rusty und Hyronimus liegen fast auf gleicher Höhe! Die Dampflok aus Kommoran hat die längere Steigung in fast der gleichen Zeit geschafft! Eine beachtliche Leistung!“ rief der Stationsvorsteher durch sein Megaphon.

„Los, Rusty! Zeigs denen!“ rief Dustin und riss die Arme hoch.

„Hätt ich nicht von ihm gedacht. Wenn er so weitermacht, klettert er bald wie ne Gemse.“ lächelte Casey.“Ich wusste es. Er kann sich steigern. Und er hat jetzt den Willen dazu.“
 

Dinah hatte unterdessen ihr Tablett hervorgeholt und warf es nach Hyronimus. Das runde Geschoss knallte gegen den Helm des Diesels, prallte ab und flog zu seiner Werferin zurück.

„Aua! Hey, was war denn das?“ fluchte Hyronimus und rieb sich die getroffene Stelle.

„Dinah hat ihr Serviertablett nach Dir geworfen!“ rief Lilli.

„Ich habe ihn etwas abgelenkt, Rusty. Fahr zu.“

Bald liefen beide Loks nebeneinander. Nur noch vierhundert Meter trennten sie von der Ziellinie. Hyronimus begann seinen Gegner zu rempeln, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das gleiche versuchte Lilli mit Dinah.

„Hey!“ fluchte Rusty und rempelte zurück.
 

„Oh-ho, das wird knapp! Wer wird als erster die Linie passieren? Warscheinlich wird hier ein Zielfoto bestimmen müssen, wer gewonnen hat.“

Immer noch rangelnd und stoßend, rollten beide Züge in die Zielgerade. Hyronimus hielt Rusty umklammert, der hämmerte mit seiner Faust gegen den Helm seines Gegners. Auch die Waggonmädchen rangen miteinander, Lilli versuchte, Dinah dazuzubringen, die Kuppelringe loszulassen.

Die schwarz-weiß geringelten Masten, welche das Ziel markierten, rückten schnell näher. Und plötzlich waren beide daran vorbei. Der Rechte erzitterte leicht, weil Hyronimus mit seinem Fuß dagegengestoßen war.

„Mist! Wer hat jetzt gewonnen? Die sind ja als Knäuel durchgerollt!“ fluchte Casey.

„Hey, Du kannst aufhören zu rangeln, wir sind durch! Und zieh die Bremse an! Hörst Du nicht? Anhalten, Kleiner!“ rief Hyronimus.

„Was? Uah!“

Der Prellbock kam rasch näher. Hyronimus hielt Rustys Hüfte unmklammert und trat noch stärker auf die Bremsen. Auch die Dampflok reagierte nun und trat auf die Klötze. Ein ohrenbetäubendes Kreischen erfüllte den Bahnhof, die Zuschauer hielten sich die Ohren zu.

Kurz darauf folgte ein dumpfer Rumms. Rustys Helm hatte mit dem Prellbock Bekanntschafft gemacht, durch den plötzlichen Ruck fielen alle vier ineinander und lagen nun als Knäuel am Endpunkt des Gleises.

Hyronimus Lokführer sprang als erster auf die Gleise und half Lilli auf, welche ganz oben lag. Dann half sie Dinah auf die Räder und zu dritt wuchtenten sie Hyronimus hoch. Rusty kniete auf den Schwellen, keuchte und schnaufte, Dampfwolken traten überall aus seinen Öffnungen zwischen den Gelenken hervor. Casey lief besorgt zu ihm. Hoffentlich war nicht wieder so etwas passiert, wie damals in Juti.

„Nehmt ihm zuerst den Helm ab und lasst ihn ausschnaufen.“ erklärte Hyronimus, der ebenfalls schwer atmend sich von seinem Kopfschutz befreite.

Mit hängenden Schultern gelang es der kleinen Dampflok, sich in eine hockende Position zu bringen, Casey löste vorsichtig den Kinnriemen und zog Rusty den Helm ab. Dann warf er einen prüfenden Blick auf die Kesselanzeige. Sie stand deutlich im roten Bereich, aber der Überdruck war nicht lebensgefährlich.

„Du bist völlig außer Atem! Alles in Ordnung mit Dir?“ fragte Casey besorgt.

Rusty konnte nur japsend nicken, er brachte keinen Ton mehr heraus.

„Und wie siehst Du denn aus? Bist Du unterwegs gestürzt?“

„Er ist beim Bergabfahren aus der Kurve geflogen und quer durch einen Acker am Hang.“ erklärte Dinah.

Inzwischen brachte Hyronimus Lokführer ein nasses Laken.

„Das ist noch ein altes Mittel aus der Zeit, als wir noch Dampfloks hier hatten. Wenn sie von den Steigungen heißgelaufen waren, haben wir ein nasses Laken oder eine nasse Decke über sie im Humanoid-Modus gebreitet. Das hat immer gut geholfen.“

„Okay.“ nickte Casey. Gemeinsam legten sie das Laken über die erschöpfte Dampflok.
 

„Wer hat denn nun eigentlich gewonnnen?“ wollte Dustin wissen.

„Wir müssen auf das Zielfoto warten.“ erklärte Mr. Radcliffe.
 

„Du warst toll, Rusty! Bist fast genauso schnell den Berg wieder rauf wie Hyronimus.“

„Aber sicher nur wegen unserer kleinen ungewollten Abkürzung.“

„Vor allem aber auch, weil Du als Anhänger mitgefahren bist. Mit Dustin wäre er hoffnungslos unterlegen gewesen.“ meinte Casey.
 

Die kleine Dampflok brauchte eine ganze Weile, bis sie endlich wieder zu Atem kam und reden konnte.

„Na, Rusty? Gehts wieder?“

Die kleine Dampflok nickte. „Aber mir ist so heiß und ich habe schrecklichen Durst, mein Tank ist so gut wie leer.“ keuchte sie noch immer leise.

„Hat Dir das nasse Laken geholfen, dich etwas herunterzukühlen?“

„Hat es.“

„Und Dir tut nichts weh?“

„Innen nichts. Nur meine Gelenke.“

„Das kriegen wir mit etwas Öl wieder hin. Versuchen wir mal, dich wieder auf die Räder zu stellen.“

Dinah zog das Laken herunter und langsam wurde Rusty mit Hilfe von Hyronimus und den anderen wieder aufgerichtet.

„Sehr schön. Jetzt steht er wieder.“

„Eine hervorragende Leistung, mein Kleiner. Gratuliere!“ lächelte Mr. Radcliffe.

„Gratuliere?“

„Sieh her.“

Der Stationsvorsteher zeigte das Zielfoto. Ein Din-A 4 großer Ausdruck zeigte genau, wer als erstes die Ziellinie passiert hatte. Rusty. Und zwar Kopf vorran mit vorübergebeutem Körper, den Hyronimus umklammert hielt. Die Helmspitze der Dampflok hatte als erstes die Linie berührt und die Kamera ausgelöst.

„Mein Fehler. Ich hätte dich nicht in den Schwitzkasten nehmen und runterdrücken sollen.“ meinte Hyronimus achelzuckend. „Hätte besser aufpassen sollen.“

Casey besah sich kopfschüttelnd das Foto-Finish.

„Sag mal Rusty, kannst Du auch mal wieder ein Rennen normal gewinnen?“

„Fängst Du schon wieder damit an?“ brummte die Lok.

„Oh mann, das war jetzt scherzhaft gemeint!“ lächelte Casey und schüttelte den Kopf. „Das hast Du toll gemacht! Wir haben wieder eine Plakette gewonnen.“
 

Und kurz darauf bekam das Siegerteam die Plakette von Lunia überreicht.

„Jawoll! Das ist unserere sechste Plakette!“ jubelte Casey.“Wir sind in der D-Liga!“

Rusty ließ sich von Caseys Jubel anstecken und stieß ein lautes „Woo-Wooo!“ aus.

„Nur noch eine Plakette und wir können einen C-Ligisten herausfordern!“ freute sich Casey.“Und Du hast gesagt, Du würdest nicht mal eine Plakette schaffen! Und nun haben wir schon sechs!“
 

Später, nach der Siegerehrung ging es ans Versorgen der beiden Kontrahenden.

„Hehe! Du bist wirklich geflogen? Durch eines der Terrassenfelder?“ grinste Hyronimus.

„Eher gerustscht und geschlittert.“ murrte Rusty.

„Deshalb sieht Dinah so zerzaust aus. Und jetzt weiß ich, woher die ganzen Erdflecken an Dir herkommen.“ bemerkte Casey, der dem Waggonmädchen gerade half, den Ruß und Schutz von ihrer Oberfläche zu bekommen. Ihre Schürze und ihr Häubchen waren mit der üblichen Wäsche in der Maschine von Mr. Radcliffes Gattin gelandet. Lilli half Dinah mit den Haaren, während die Diesellok Rusty eine große Wäsche verpasste.

„Hey, sei vorsichtig mit dem Schlauch!“

„Ist doch nur Wasser, Kleiner.“

„Und nenn mich nicht andauernd Kleiner! Ich mag das nicht!“ knurrte die Dampflok.

„Und er mag Waschen gar nicht gerne, Hyronimus.“ erklärte Casey.

„Oh-verstehe. Nein, Du bist der Größte. Gefällt Dir das besser?“

Rusty brummte etwas unverständliches.

„Sollte wohl ein „Ja“ sein.“ grinste Hyronimus. Rusty stieß einen erschrockenen Laut aus, als die Wasserfontäne aus dem Schlauch auf seinen Haarschopf regnete.

„Das war Absicht!“ schimpfte er.

Hyronimus lachte nur.

„Du willst doch sauber werden, oder?“ grinste er.

„Hat sein Anstrich irgendetwas abgekriegt?“

„Ich hab nichts gesehen, Casey.“ antwortete der Diesel. „Weißt Du, Lokfarbe ist eine spezielle Mischung. Gerade für solch harte Einsätze gemacht. Da platzt so schnell nichts weg nur wenn einer von uns mal hinfällt.“
 

„Was geschieht wegen den umgenieteten Maisstauden? Wer kommt für den Schaden auf?“ wollte Casey wissen.

„Das regelt Mr. Radcliffe. Und so groß ist der nicht. Mr. Terrence ist da nicht so kleinlich. Er weiß, das so was hin und wieder passieren kann.“ lächelte Hyronimus.

„Da bin ich aber erleichtert.“

„Für etwaige entstandene Umfeld-Schäden bei Lokrennen ist niemals ein Lehrling oder der Lokführer verantwortlich. Das wird immer von der einheimischen Rennkommision geklärt. Und bisher gabs auch noch nie größere Schäden habe ich gehört.“
 

Am nächsten Tag traf endlich Kero mit den sehnlichst erwarteten Ersatzteilen ein. Und Dustins Fahrgestell konnte endlich wieder repariert werden.

„Endlich bin ich wieder heile! Das ist schlimm, wenn man nicht frei herumrollen kann und jederzeit Angst haben muss, das man ein oder mehrere Räder verliert.“ freute sich Dustin und rollte fröhlich um Rusty herum.

„Schön für dich. Dann kann unsere Reise ja weitergehen.“ lächelte Casey.
 

Und am nächsten Morgen brachen die Freunde wieder auf.

„Alles gute für eure zukünftigen Rennen!“ wünschte Hyronimus und winkte.

„Sei diesmal aber vorsichtiger in den Kurven!“ ermahnte Dinah Rusty, als es wieder bergab ging.

„Keine Sorge. Wenn es zu schnell wird, mach ich mich einfach ganz schwer.“ kam es von Dustin.

Diesmal gelangten sie ohne Zwischenfälle unten an. Vor allem, weil auch Casey im Führerstand noch ein wenig mitgesteuert hatte. Unten in der Talstation wurde noch einmal ordentlich der Kohlevorrat aufgefrischt, dann konnte die Reise in ein neues Abenteuer beginnen.“
 

Fortsetzung folgt...

Sei vorsichtig mit dem was Du Dir wünschst

15. Sei vorsichtig mit dem, was Du Dir wünschst!
 

Die kleine Reisegruppe hatte Lunia hinter sich gelassen und befand sich nun im Nachbarland Popcornia. Schon lange waren die hohen Erhebungen niedrigeren, sanften Hügeln gewichen.

Sehr zur Freude von Rusty, denn selbst drei Tage nach dem Rennen taten ihm immer noch seine Gelenke weh. Er hatte von Steilstrecken und Steigungen erstmal die Nase voll.
 

Casey betrachtete sich voller Stolz die inzwischen auf sechs Plaketten angewachsene Sammlung.

„Rusty, Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Es sind inzwischen acht Monate vergangen, und wir sind bereits D-Ligisten! Greaseball wird platzen vor Neid!“ grinste der Junge und verstaute die Plaketten wieder vorsichtig in der Mappe.

„Ich kann es auch nicht glauben, was Du geschafft hast, Rusty. Du hast dich wenn es darauf ankam, erfolgreich zur Wehr gesetzt und bis jetzt nur zwei Mal verloren.“

„Ja, beim zweiten und dritten Rennversuch, nach meiner ersten Plakette. Das war vielleicht ärgerlich. Zwei Versuche, und jedes Mal hat mich dieser doofe alteYarrow geschlagen! Erst beim dritten Versuch war ich schneller.“ erinnerte sich Rusty. Danach hatte er keine Rennen mehr wiederholen müssen, weil er es beim ersten Mal nicht schaffte.

Laut den Rennregeln waren drei Versuche erlaubt, klappte es auch beim dritten Mal nicht, musste man erst sechs Monate warten, bis man den Gegner wieder herausfordern durfte.
 

„Heh, ja-und nur weil Du ihm einen Wasserstrahl voll in seinen Helm gespritzt hast. Regelrecht unter Wasser gesetzt hast Du ihn.“ erinnerte sich Casey. „Er war abgelenkt und Du hast deine Chance wahrgenommen.“

„Und wie soll es nun weitergehen? Uns bleiben nur noch zwei Monate, dann musst Du wieder in Kommoran sein für deine erste Zwischenprüfung. Die Reisezeit für Lehrlinge ist auf maximal zehn Monate pro Lehrjahr begrenzt, dann müssen sie zurück zu ihrem Heimatbahnhof.“ erklärte Dinah.

„Aber zuvor versuchen wir uns noch an einen größeren Gegner. -Rusty, fühlst Du dich sicher genug, um es diesmal gegen diesen Espresso aus Torrone zu versuchen?“ fragte Casey.

„Ich denke, schon. Turnov hat zwar gesagt, das er seine Gegner hart rannimmt, aber ich will es trotzdem probieren.“

„Dann also auf nach Torrone! Espresso hat seinen Standort im Hauptbahnhof von Via Coronna. Außerdem grenzt Torrone an Popcornia.“
 

Die Nacht verbrachten sie auf dem Bahnhof von Levian, der Hauptstadt Popcornias.

Als Casey am nächsten Morgen mit Dinah über die Bahnsteige schlenderte, fiel ihm ein Gebäude auf, neben dessen Eingang mehrere Tafeln hingen. Eine Gruppe Leute scharte sich darum.

„Was gibt es denn da besonderes, das dort so viele Leute stehen?“

„Das ist eine Agentur, die Leute vermittelt, wenn irgendwo Not am Mann ist.“ erklärte Dinah.

„Ah, so was wie eine Arbeitsvermittlungsagentur.“

„Normalerweise befinden sich diese Agenturen immer in der Stadt und nicht direkt im Bahnhof. Deshalb haben wir noch keine gesehen.“

Neugierig kam Casey näher und besah sich die Aushänge an den Tafeln.

„Die suchen nur Mitarbeiter für Posten bei der Eisenbahn. Das ist wohl eine spezielle Agentur dafür.“ murmelte er.
 

„Stimmt, junger Lehrling. Wir vermitteln Stellen in ganz Popcornia.“

Die Stimme gehörte einer Frau mit einer runden Brille und blonden, hochgesteckten Haaren. In ihren Armen hielt sie einen Stapel Blätter.

„Verstehe.“

„Wir brauchen dringend noch ein paar Rangierhelfer, am besten mit einer Lok. Hättest Du Interesse, Junge? Zwei der Rangierloks sind zusätzlich ausgefallen und nun sammeln sich die Güterwaggons immer mehr an und die Rangierer kommen nicht mehr nach. Es springt natürlich auch ein guter Verdienst für dich heraus.“

„Wo liegt denn dieser Rangierbahnhof?“

„Etwa dreißig Kilometer von hier, bei Tarvian.“

„Tarvian..,wie weit ist es von dort bis zur torronischen Grenze?“

„Nicht mehr weit. Weniger als 100 Kilometer.“

„Wäre interessant, auch mal etwas über diese Arbeit zu lernen. Für wie lange soll das gehen?“

„Nur drei Tage. Dann müsste der Überschuss abgearbeitet sein und die ausgefallenen Loks wieder repariert.“

„Okay, ich melde mich.“

„Sehr schön! Ich werde mit dem Vorarbeiter telefonieren und ihm sagen, das ihr im Laufe des heutigen Tages eintreffen werdet.“
 

„Was? Arbeiten als Rangierlok? Das ist nicht dein Ernst, Casey!“ maulte Rusty, als der Junge die Nachricht den Übrigen überbrachte.

„Nur für drei Tage. Wir sollen ein wenig aushelfen. Ich wollte schon immer beim Güterwagen Rangierbetrieb live mithelfen und sehen, wie so etwas abgeht.“ erklärte Casey.

„Das hab ich in Kommoran oft genug gemacht!“

„Prima. Dann haben wir schon jemanden, der sich auskennt! Vom Vorarbeiter werde ich dann auch meinen Verdienst erhalten.“
 

Na toll, drei Tage den Job machen, den er ich am meisten hasse, dachte Rusty, als sie Richtung Tarvian unterwegs waren. Er hatte gedacht, auf seinen Reisen von dieser unbeliebten Arbeit wegzukommen, doch er hatte sich geirrt. Nun gut, dann würde er Casey eben zeigen, wie man auf einem Rangierbahnhof arbeitete. Drei Tage würden schnell vergehen.
 

Erst am späten Nachmittag erreichten die Freunde ihr Ziel.

„Unser Vorarbeiter kommt erst morgen wieder. Er kümmert sich gerade um die Reparatur unserer beiden defekten Rangierloks. Es kann sogar sein, das eine im Laufe des nächsten Tages wieder einsatzbereit sein wird.“ erklärte eine junge Frau. Trotz ihrer blauen Arbeitsmonutur und dem gelben Schutzhelm auf dem Kopf war sie eine gutaussehende Person. Ihre brünetten, gewellten Haare fielen ihr locker um die Schultern. Casey wunderte sich, wieso eine solche gutaussehende, junge Frau auf einem Rangierbahnhof arbeitete. Der Junge hatte bereits gemerkt, das es mit der Arbeitsteilung hier nicht so streng gehalten wurde. Es gab viele Frauen, die Arbeiten verrichteten, in denen normalerweise mehr Männer zu finden waren.

„Wir kommen von der Agentur aus Levian.“

„Ah, verstehe. Dann weiß Mr. Colbus Bescheid. Er hat deine Daten dann sicher schon per Fax zugeschickt bekommen. Der Dienst fängt morgen um halb sechs an. Seid pünktilich. Dann werdet ihr für die Arbeit eingeteilt.“

„Verstanden. Miss..“

„Nenn mich einfach Betty. Das tun alle hier. Ich bin Mr. Colbus rechte Hand.“ lächelte sie und tätschelte dem Jungen den Kopf. Dann fiel ihr Blick auf Rusty. „Hm..Du hast einen hübschen Burschen als Lok. Ist das noch eine mit Dampf?“

„Genau.“

Rustys Wangen liefen leicht dunkel an. Es war ihm peinlich, wenn Menschen ihm solche Komplimente machten. Da kein Blut unter der Außenhaut der Humanoid-Loks floss, sondern eine ölige Substanz, konnten sie nicht wie die Menschen erröten, ihre Haut wurde dann einfach an besagter Stelle dunkler.

„Also dann bis morgen, ihr Beiden.“
 

Im Lokschuppen von Tarvian bezogen die Freunde Quartier. Die Übrigen Hilfskräfte für den Rangiebahnhof wohnten in einer Pension in der Stadt.

Nach dem Abendessen saßen Rusty und Casey noch eine Weile draußen vor dem Gebäude und betrachteten den klaren Nachthimmel. Es war ein schöner Frühsommerabend mit angenehmen Temperaturen.
 

„Weißt Du , Rusty....Ich habe mir schon oft gewünscht, selbst eine Dampflok zu sein.“ begann Casey plötzlich.

„Wieso denn das? Ich finde es nicht so toll, eine Dampflok zu sein! Ich wäre lieber eine Diesel-oder E-Lok. Die hat es viel einfacher mit der Wartung.“ bemerkte Rusty. „Oder ein Mensch wie Du.“

„Aber Du bist nun mal das geworden, als was Du gebaut wurdest. Da kann man nichts ändern.“

„Ja-leider.“ seufzte Rusty missmutig.

„Finde ich nicht. Dampfloks haben uns Menschen schon immer fasziniert und sie tun es auch heute noch zuhause in meiner Welt. Wenn eine von euch da so heranschnauft und -stampft, dann ist es uns, als hätten wir ein lebendes Wesen vor uns!“

„Hier ist das nichts besonderes. Wir Züge leben hier alle.“

„Oh, Rusty! Du siehst das alles zu selbstverständlich! Aber Du darfst niemals vergessen, das dieses Leben ein ganz besonderes Geschenk des Starlight Express ist! Unsere Züge daheim sind wirklich nur Maschinen ohne eine Seele.“ ermahnte Casey seinen Partner. „Sei dem Starlight dankbar dafür, das er Dir und den anderen dieses Wunder ermöglicht hat!“

„Ich würde gerne einmal wissen, wie das so ist, ein Mensch zu sein.“

„Nicht viel anders, Rusty, glaub mir. Ihr seid uns in vielen Dingen sehr ähnlich.“

„Aber es wäre trotzdem interessant, das Leben mit den Augen eines Menschen zu sehen.“

„Tut mir leid, Rusty, aber das wird wohl immer ein Traum bleiben, so wie für mich der Wunsch, einmal eine Dampflok zu sein.-Na, komm, es ist schon spät. Zeit, schlafen zu gehen. Der Rangierbetrieb beginnt bereits um halb sechs in der Frühe.“

„Grrmph! Ja, meist mitten in der Nacht!“ knurrte Rusty.

„Heh, nicht das Richtige für einen Langschläfer wie Du.“

„Du sagst es!“
 

Die beiden Freunde erhoben sich und kehrten in den Lokschuppen zurück. Und draußen zog am nächtlichen, sternklaren Himmel eine helle Sternschnuppe vorbei und über den Lokschuppen...
 

Am nächsten Morgen...

„Rusty, aufstehen, in zwei Stunden müsst Ihr am Güterbahnhof sein!“ rief Dinah leise die kleine Dampflok an und rüttelte sie vorsichtig. Rusty brummte etwas unverständliches und zog seine Decke über den Kopf.

„Rusty, es wird Zeit!“ mahnte Dinah nun eindringlicher. „Casey! Aufstehen!“

„Schon gut, schon gut!-Mann, es dämmert doch erst gerade...“ knurrte Rusty, stand auf und rieb sich über die Augen. Im selben Moment zuckte Dinah erschrocken zurück und stieß einen Schrei aus!

„Was?-Was ist denn Dinah? Hast Du eine Maus gesehen oder was? Hey, was hast Du denn?“ fragte Rusty ratlos. Aber das Waggonmädchen stand nur wie vom Blitz getroffen da und starrte Ihn entgeistert an, die Hände vor den Mund geschlagen, das Gesicht dunkel angelaufen.

Die Person, die von der Schlafmatratraze aufgestanden war, sich reckte und gähnte, sah aus wie Rusty-und doch war sie anders. Sie hatte nicht mehr den schwarzlackierten Körper, sondern einen rosafarbenen! Die Klappe der Feuerbüchse, die Puffern, der Tender auf dem Rücken, alles war verschwunden! Auch die Markierungen in seinem Gesicht und die Stelle am Kinn, wo er zusammengenietet war!

Jetzt bemerkte auch Rusty selbst, das etwas mit Ihm nicht stimmte. Er starrte auf seine Arme und Hände. Sie waren rosafarben und als er seinen rechten Arm berührte, war seine Außenhaut nicht mehr fest, sondern weich und nachgiebig. Sie fühlte sich wie die von Casey an!

Im selben Moment wurde es Rusty schlagartig klar. Und er merkte noch etwas anderes. Er stand völlig im Freien! Nun stieß auch er einen entsetzten Schrei aus, riß die Decke wieder hoch und verdeckte damit seine Blöße. Sofort schoß ihm die Schamesröte ins Gesicht.

“Heheh, sorry! Aber-was ist nur geschehen?-Dinah! Ich-ich bin ein Mensch!“ rief er fassungslos.

Das Waggonmädchen musste sich daraufhin ersteinmal setzten. Rusty hob seine Decke etwas an und linste darunter. Mit erschrockenem Blick hob er wieder seinen Kopf. Er kannte die Anatomie eines Menschen und musste zu seinem Entsetzen feststellen, das alles vorhanden war! Rusty ließ sich wie betäubt auf die Matratze zurücksinken, hob seinen rechten Fuß in die Höhe und starrte auf seine Zehen, die er als Dampflok nicht gehabt hatte. Neugierig probierte er aus, ob sie sich bewegen ließen. Tatsächlich konnte er mit Ihnen wackeln, sie einziehen und wieder ausstrecken.

„Ich muss sofort zu Casey!“ rief er, schlang seine Decke fester um die Hüften und stand auf. Aber kaum stand er auf seinem Füßen und wollte einen Schritt tun, begann er zu taumeln und stolperte einen Schritt vorwärts.

„Meine Räder....sie sind natürlich auch weg! So ist das also, wenn man direkt auf seinen Füßen steht!“ sprach er und versuchte, das Gleichgewicht zu finden. Dann versuchte er einige Schritte, was Ihm zuerst erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Dinah, die sich nun einigermaßen gefangen hatte, sprang auf und griff Rusty hilfreich unter die Arme.

„Immer einen Fuß vor den anderen setzten...ja, so gehts. - Was ist hier nur passiert?“ fragte sie.

Aber ehe die verwandelte kleine Dampflok antworten konnte, kam oben aus den Lokführerquartier ein Aufschrei und mit einem dumpfen Geräusch fiel etwas Schwehres zu Boden! Von der Decke rieselte etwas Putz herunter.

„Casey!!“ rief Rusty und stürmte auf die Treppe zu. Mehr taumelnd als gehend wankte er die Stufen hoch, Dinah folgte.

Oben angekommen, riß Rusty die Tür zu Caseys Zimmer auf und stürzte hienein. Dabei verlor er das Gleichgewicht, stolperte und fiel der Länge nach hin!

„Auaa!“

Als er den Kopf hob und wieder aufstehen wollte, blickte er in Caseys Gesicht. Der Junge lag Ihm gegenüber-aber er schien kein Junge mehr zu sein! Caseys Gesicht trug nun die Markierungen einer Dampflok und dessen Körper sah aus wie der von Rusty vor seiner Verwandlung! Vorne in Brusthöhe die Tür zur Feuerbüchse, hinten erkannte er einen kleinen Tender! Puffern an den Ellenbogen, Knieschutzvorrichtungen und -Räder an den Füßen! Aber es waren nicht Caseys Inline-Skater, sondern er besaß nun je 2 paarweise angeordnete Räder an seinen Sohlen! Und Caseys gesammter Einteiler war himmelblau gefärbt! Es gab keinen Zweifel: Sie hatten die Rollen getauscht! Aus Casey schien eine kleine Dampflok geworden zu sein und aus Rusty ein Mensch!

„Rusty! Du -siehst ja aus wie...“ ächzte der verwandelte Junge und versuchte aufzustehen.

„Und Du siehst aus wie..“ sprach Rusty und richtete sich ebenfalls auf. Casey reichte ihm nun bis zu den Schultern. Er war also als Humanoid-Lok etwas größer. Und Rusty war entsprechend geschrumpft. Als Humanoid-Lok maß er ja über zwei Meter. Nur Greaseball und die anderen Loks waren größer als er.

„Ich wollte gerade aufstehen, weil ich mich so komisch gefühlt habe und bin dann plötzlich ausgerutscht und hab mich der Länge nach flachgelegt!“

„Casey, wieso haben wir uns verwandelt?“

„Ich weiß nicht...oh Mann! Vielleicht hängt das mit unserem Gespräch von gestern Abend zusammen! Als wir uns wünschten, anders zu sein! Vielleicht hat das der Starlight Express gehört und uns diesen Wunsch erfüllt! Nur er hat die Macht, so etwas zu tun! Wir haben die Rollen getauscht!“

„Du meinst, er hat uns in diese Lage gebracht?“

„Vielleicht ist es auch ein Test...schau mal nach, ob ich eine Lebensflamme habe, Rusty!“

Die verwandelte Dampflok öffnette die Klappe zur Feuerbüchse. Tatsächlich konnte sie im Innern hinter dem Schutzgitter die kleine Flamme sehen.

„Du hast wirklich Eine. Das bedeutet, Du bist jetzt eine Dampflok.“

Als nächstes ergriff Casey Rustys rechte Hand und legte sie auf die Mitte seiner Brust. Und beide konnten es spüren. In Rustys Brust schlug jetzt ein menschliches Herz!

„Es klopft...ist das in Ordnung?“

„Natürlich! Es bedeutet, das Du lebtst! Richtig lebst! Mann, das ist echt irre, dieser Körpertausch! Und ich muss sagen, Du bist ein gutaussehender, junger Bursche geworden, Rusty! Schlank, hochgewachsen, und deine blauen Augen...ist alles dran an Dir?”

“A-alles.” antwortete Rusty kleinlaut und senkte beschämt den Blick. “Dinah hat sich ganz schön erschrocken.”

“Das glaube ich. Aber die Mädchen werden sich sicher um dich reißen!“

„Bloß das nicht! Es ist so schon schlimm genug!“
 

„Äh, Jungs...wie fühlt Ihr euch?“ fragte Dinah.

Als Antwort knurrte bei Rusty plötzlich der Magen.

„Uoh...was ist das?“ fragte er und hielt sich den Bauch.

„Ganz einfach: Du hast Hunger.“ lächelte Casey. Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, die Rollen zu tauschen. Jetzt würde er endlich erleben, wie es so als Dampflok war.

„Und was sollen wir jetzt tun?“ fragte Rusty.

„Am Besten so weitermachen, wie bisher. Nur mit getauschten Rollen.“ schlug Casey vor.“Du wolltest doch wissen, wie es ist, menschlich zu sein! Nun hast Du die Gelegenheit dazu!“

„Also gut. Etwas anderes bleibt uns vorerst nicht übrig.“

„Okay. Dann werde ich erst einmal sehen, ob ich für Rusty etwas passendes an Kleidung finde. Deine Sachen, Casey, werden Ihm wohl kaum passen!“ seufzte Dinah.

„Stimmt.“ nickte Casey grinsend.“Und ich habe ja meinen schönen blauen Einteiler.“
 

Kurze Zeit später halfen Dinah und Casey Rusty in eine dunkelblaue Arbeiter-Montur, die das Waggonmädchen in der nahen Wäscherei aufgetrieben hatte. Sogar ein paar Schuhe hatte sie gefunden. Auch Dustin hatte von der unglaublichen Verwandlung erfahren und es zuerst gar nicht richtig begriffen.

„Und jetzt mit den Arm da rein...na los, mach dich nicht so steif! -Gut so. Die Knöpfe...“bemerkte Casey.“Und jetzt noch die Schuhe.“

„Au! Au! Meine Füße! Das ist ja furchtbar!“ klagte Rusty.

„Stell dich nicht so an! Los, rein mit dem Fuß!“

Schließlich war auch das geschafft.

“Das nächste Mal versuchst Du es selbst.“

„Uff, danke, Kumpel! Ich wußte gar nicht, das Anziehen so komplizert ist! Na ja, wenn man es noch nie musste...“ sagte Rusty und zupfte an seiner Jacke herum. Dann versuchte er mit den Schuhen an den Füßen zu laufen. Zuerst stakste er unbeholfen auf und ab und hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Zwei mal fiel er dabei hin. Aber je mehr er es versuchte, desto besser klappte es. Dabei entdeckte er einen Eimer mit Kohlen, den er gestern aufgefüllt und in eine Ecke seiner Box gestellt hatte. Ohne zu zögern ging er darauf zu, griff sich ein Kohlestück und führte es zum Mund!

„Rusty, nein, das ist keine gute Idee!“ rief Casey noch warnend, doch sein Freund hatte sich den Brocken schon eingeschoben. Im nächsten Moment biß er zu-und verzog angewidert das Gesicht!

„Buääh! Das-ist ja—ekelhaft!!“ rief Rusty und spuckte die Kohlebröckel wieder aus.

„Rusty! Du kannst jetzt keine Kohlen mehr essen! Du bist ein Mensch! Dein Körper verträgt das jetzt nicht mehr! Und deine Geschmacksnerven schon gar nicht!“

„Mann, das hatte ich ganz vergessen! An was man als Mensch alles denken muss!“

„Aber für mich sind sie jetzt genau richtig!“ lächelte Casey und versuchte einen Brocken.“Mmmhh...die sind echt gut! Und mir schmeckts!“

„Und was esse ich jetzt?“ fragte Rusty mit knurrendem Magen.

„Dinah wird Dir ein passendes Frühstück bereiten. Sie ist darin eine Meisterin und wird dich nun in Zukunft verköstigen.“

„Okay.“

„Na, dann komm mal mit, Rusty.“ sprach Dinah und nahm Ihn bei der Hand.“Was macht Ihr jetzt eigentlich wegen der Arbeit im Güterbahnhof?“

„Stimmt! Du liebe Zeit!“ entfuhr es Rusty.

„Wir gehen natürlich hin! Und gearbeitet wird mit getauschten Rollen!“rief Casey mit vollem Mund vom Kohleeimer her.

„Ob das gutgeht?“

„Keine Sorge. Die anderen werden gar nicht merken, was passiert ist.“

„Hoffen wir es. -Kannst Du überhaupt transformieren, Casey?“

„Hey, das muss ich gleich ausprobieren!“ rief der verwandelte Junge, kreuzte die Arme vor die Brust und rief:“Transformation!“

Aber nichts geschah. Casey blieb im Humanoid-Modus. Daraufhin versuchte er es nocheinmal. Aber wieder funktionierte es nicht.

„Was mach ich da falsch?“

„Vielleicht konzentrierst Du dich nicht richtig, Casey. Eine neue, junge Lok muss auch zuerst ein paar mal üben, bis sie es schafft.“

„Na schön. So lange Du frühstückst, übe ich weiter. Hoffentlich kriege ich es bis zu unserem Dientsantritt hin.“
 

Rusty hatte schon als Dampflok immer wieder menschliche Speisen probiert, da sein Feuer alles verwerten konnte. Aber jetzt war es doch ein anderes Gefühl, die Speisen zu schmecken und zu fühlen, wie sie seinen Schlund und die Speiseröhre hinunterglitten. Und der Geschmack war jetzt besser und intensiver.

„An das Essen könnte ich mich echt gewöhnen.“ lächelte er. Dinah beobachtete die beiden mit sogenvollen Blicken. Wie lange würde dieser Zustand andauern? Für immer? Oder wollte der Starlight Express den beiden nur für kurze Zeit das Leben des anderen kosten lassen? Sie hoffte es. Denn jeder sollte als das existieren, als das er erschaffen worden war.
 

„Transformation!“

Casey konzentrierte sich, so fest er konnte. Aber nichts geschah.

„Es geht nicht! Rusty, an was denkst Du, wenn Du transformierst?“ fragte er.

„An meine Gestalt im Maschinenmodus.“

„Also gut. Ich bin eine Dampflok....eine Dampflok.....Dampflok....eine blaue Dampflok...Transformation!!“

Auf einmal begann Caseys menschliche Form zu verändern und zu wachsen. Und kurz darauf stand eine kleine, blaue Dampflok in der Stellbox!

„Wow! Ich habs geschafft! Wie sehe ich aus?“ fragte Casey.

Dinah holte einen Spiegel und hielt Ihn vor die Lok. Sie wußte, das eine Lok oder ein Waggon auch im Maschinenmodus sehen konnte.

„Das bin ich? Man, spitze! Zwar noch etwas klein, aber ich bin ja noch nicht erwachsen.“

„Sehr klein, um ehrlich zu sein! Das ist keine übliche Größe für eine Lok!“ bemerkte Rusty.

„Es gibt ja auch keine Loks, die in Kinder transformieren, wenn sie vom Maschinenmodus in den Humanoid-Modus wechseln!“

„Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache...“ murmelte Rusty.
 

Schließlich wurde es Zeit.

Dinah begleitete beide nach draußen.

„Rusty!“ rief sie.

„Mmh?“

„Hier. Das ist Vorschrift, weißt Du das nicht?“

Das Waggonmädchen setzte ihm einen gelben Schutzhelm auf.

„Stimmt. So was haben die Rangierer auch immer getragen. Nur Digger nicht, weil er immer in meinem Führerstand war und nie rausmusste, um die Waggons anzukoppeln.“

„Aber hier gehört das dazu. Ich bin als Rangierhelfer gemeldet und nun musst Du meine Arbeit machen. Und ich deine.“ erklärte Casey.

Rusty hatte Mühe, in den Führerstand von Casey zu kommen, er musste sogar etwas gebückt stehen.

Mit gemischten Gefühlen sah Dinah der kleinen Lok nach.

„Ich hab echt kein gutes Gefühl bei der Sache...“

„Ach, die zwei machen das schon.“ meinte Dustin einfach.

„Dein Wort im Ohr des Starlight.“ bemerkte das Waggonmädchen mit einem Seufzer.
 

Die übrigen Helfer waren schon eingetroffen. Eine alte Rangierlok, die einzige, die gerade noch intakt war, hatte sie abgeholt und hergebracht.

Etwas unbeholfen krabbelte Rusty aus dem Führerstand und Casey transformierte zurück in den Humanoid-Modus.

„Der merkt sicher was! Du bist echt etwas zu klein für eine Lok geraten!“ raunte Rusty seinem Partner zu.

„Ich kann nichts dafür. So hat es der Starlight wohl gewollt.“
 

Ein kräftiger, breitschultriger älterer Mann ging mit ernstem Gesicht durch die Reihen. Es war Mr. Colbus, der Vorarbeiter. Betty, wieder in ihrer üblichen Arbeitsmontur, wartete etwas abseits.

„Also, Leute. Die Arbeitszeit ist von halb sechs bis vierzehn Uhr dreißig. Dazwischen eine Stunde Mittagspause. Das Essen wird vorbeigebracht.“

Dann fiel sein Blick auf die beiden Neuanmkömmlinge.

„Wer sind Sie?“ fragte Mr. Colbus.

„Rusty.“

„Rusty-wer?“

„Rusty Jones ist mein Lokführer!“ erklärte Casey schnell.

„Ja, richtig, Rusty Jones.“ nickte die verwandelte Dampflok.

“Wir sind von der Einsatz-Agentur geschickt worden. Sie brauchen doch Hilfe für die Abfertigung der Güterwaggons.” fuhr der Junge fort.

„Ihr kommt von der Agentur? Stimmt, Mrs. Wonda hat mir noch gestern ein Fax geschickt. Na schön. Ihr zwei werdet uns hier helfen! Die Waggons müssen nach dort zu dem Abrollhügel geschoben werden, damit sie zum richtigen Gleis rollen können! Jedes mal, wenn das Signal die Strecke freigibt, kuppelst Du einen Waggon ab und läßt ihn rollen!“

„Verstanden.“ nickte Rusty.

„Hier, diese Reihenfolge auf der Liste muss genau beachtet werden, weil die Weichen danach gestellt werden! Achtet also auf die Nummern auf den Frachtzetteln an den Waggons!“

„Alles klar.”

„Betty, Du gehst mit den Übrigen zum Bahnhof hinunter und teilst die Leute ein, die den anderen helfen sollen, die Frachtzüge zusammenzustellen.“

„Alles klar, Boß.“

Auf eine Wink folgten die übrigen Helfer der Frau.
 

“Sagt mal, habt ihr einen Lehrling und seine Dampflok gesehen? Ich habe gehört, die seien gestern Abend angekommen und wollten auch mithelfen.”

“Die-die hab ich geshen! Sie mussten heut morgen dringend weiter!” sagte Casey schnell. Der Vorarbeiter zog eine zweifelnde Miene, ließ es aber gut sein.

“Also, ihr nehmt euch die Waggons da vorne vor. Das sind die nächsten. Die ganzen langen Reihen da müssen wir heute noch fertigmachen.”

„Endlich Wir warten uns hier schon die Räder in den Bauch!“ kam es von einem Güterwaggon Typ Rocky.

„Warten gehört bei euch nun mal dazu, Jungs! Aber heute geht eure Reise noch weiter, nur Geduld.“ erklärte Mr. Colbus.
 

„Es geht los. Casey.“

„Der Dampflok-Junge nickte.“

Kurze Zeit später kam Betty zurück. Dabei warf sie Rusty einen Blick zu, der ihn ganz verlegen machte.

„So, mein Hübscher, dann wollen wir mal. Die Gruppe roter und gelber Rockies da vorne sind als erste dran. Schieb sie auf den Abrollhügel. Die Männer unten stehen bereit zum Ausbremsen und ankuppeln.“

„Jetzt gehen wir zuerst an das Ende der ersten Partie. Sieben Güterwaggons....“ murmelte Rusty und sah auf die Liste.

Als beide am hintersten Waggonende angekommen waren, transformierte Casey.

„Ich kopple dich an und dann schiebst Du die Rockies hinauf auf den Abrollhügel.“

„Alles klar, Rusty.“

Die verwandelte Dampflok kannte die Arbeitsschritte genau. Schon oft hatten sie und Digger zu Hause in Kommoran auf dem Güterbahnhof ausgeholfen. Zu oft für seinen Geschmack. Aber jetzt würde er das tun, was ein Rangierer sonst immer tat. Er übernahm nun den menschlichen Arbeitspart.

“Okay...ankuppeln ...und einhängen.” murmelte Rusty und drückte die Kupplungshebel zusammen.”AH!”

“Rusty, was ist?”

Casey transformierte rasch zurück und kam angerollt. Rusty schüttelte seine rechte Hand und verzog sein Gesicht.

“Au! Au! Tut das weh! Mein Finger...was ist das?”

“Das blutet ja ganz schön! Was hast Du denn gemacht?”

“Ich bin mit dem Daumen zwischen die Kupplung geraten!-Richtig unheimlich. Bisher lief immer Schmierflüssigkeit aus, wenn meine Außenhaut irgendwo beschädigt war. Aber das ging nicht so schnell!”

“Aber Menschen bluten. Und unsere Haut ist nicht so stabil. Und das Metall ist manchmal scharfkantig. Du solltest etwas darum machen, damit die Wunde sich nicht entzündet.-He, nicht an der Jacke abwischen!”

“Aber es tropft schon!”
 

“Was ist denn hier los?-Jones, warum gehts nicht weiter?”

Der Vorarbeiter kam angestapft.

“Entschuldigen Sie, Sir, aber mein Lokführer hat sich verletzt:”

“Warum trägst Du auch keine Arbeitshandschuhe! Die sind doch Vorschrift!-Betty!”

Die Frau kam hinter einem der Güterwagen hervor.

“Was gibts, Boss?”

“Der Junge hier hat sich den Daumen eingeklemmt. Nimm ihn mit und versorg seinen lädierten Finger. Und gib ihm ein paar Arbeitshandschuhe!”

“Alles klar.” nickte Betty lächelnd. “Na dann komm mal mit.”

Als Rusty zögerte, versetzte Casey ihm heimlich einen Schubs.

“Geh schon! Die frisst dich nicht!”
 

Kurze Zeit später kehrte Rusty zurück. Mit verbundenem Daumen und einem paar ledernen Arbeitshandschuhen, die er nun versuchte, über seine Hände zu ziehen.

„Alles klar?“

„Ja. Sie hat mir was drum gemacht. Aber wie die mich immer anschaut...“

„Du gefällst ihr eben. Das hast sie schon gesagt, als sie dich als Dampflok gesehen hat.“

„Unsinn! Ich glaube eher, sie schöpft Verdacht.“

„Ja sicher. Es tauschen ja jeden Tag Loks und Lehrlinge die Rollen!“

„Shhht, nicht so laut! Die Rockies dürfen doch nichts mitkriegen! Genauso wie die anderen!“ zischte Rusty.

„Braucht ihr noch lange, ihr zwei?“ kam es vom hinteresten Güterwaggon.

„Wie?-Nein, wir sind soweit.-Okay, Casey. Jetzt aber. Schieb die Waggons langsam bis zum Rand des Hügels. Ich kopple sie dann wieder ab. Siehst Du, immer wenn eine bestimmte Nummer auf der Anzeige da erscheint, muss der entsprechende Waggon den Buckel hinunter in den Rangierbahnhof geschickt werden.“

„Also gut. Los gehts!“

Die kleine Lok dampfte los und die Waggons setzten sich quietschend und knarrend in Bewegung. Aber nur seeehr langsam.

„Was ist den Casey? Du bist zu langsam!“

„Hnnnngggrrrrr!!! Ich geb ja schon alles, was ich hab! Scheiße! Ich wusste gar nicht, das die Waggons so schwer sind! Bei Dir sieht das so einfach aus!“

„Oh je! Das hab ich befürchtet! Du bist zwar eine Lok, aber Du hast immer noch die Kraft eines Menschen.“ seuftzte Rusty.

„Ggnnnaarrr...los bewegt euch endlich!“ knirschte Casey.

„Nicht so hastig, deine Räder drehen durch! Nimm den Sand zu Hilfe!“ versuchte Rusty zu helfen.

„Hey Mann! Wieso geht das so langsam? - Mann, was sind das für Nasen?“ fingen die ersten Rockies an zu maulen.
 

„Was ist denn hier los?“

„Oh je, schon wieder der Vorarbeiter!“ seufzte Rusty.

„Jones, was gibts denn jetzt wieder für ein Problem? Ihr haltet noch den ganzen Betrieb auf! Der erste Waggon sollte schon längst über den Abrollhügel nach unten unterwegs sein!“ schimpfte er.

„Tut mir leid, Sir...“stammtelte Rusty, der die Katastrophe kommen sah.

„Was ist denn mit ihrer Lok los? Hat die keinen Mumm? Sagen sie mal, warum ist die so klein? Ist das ne Spielzeuglok vom Rummel oder was?“

Die Arbeiter in der Nähe und einige der Rockies lachten.

„Schein ein bischen schwach auf der Brust zu sein, der Kleine.“ lächelte Betty.

„Ich bin nicht schwach!“ knurrte Casey ärgerlich. „Ich schaff das schon!“

„Wir haben aber nicht den ganzen Tag Zeit, Kleiner!“ meinte der Güterwaggon, den Casey vor sich hatte.“Wir müssen weiter, sonst wird unsere Ladung schlecht!“

„Das wär doch gelacht! Was Rusty kann, kann ich auch!“ dachte Casey und strengte sich noch mehr an. Und tatsächlich begannen sich die Waggons schneller fortzubewegen, die Kraft schien langsam in ihm zu erwachen.

„Ja-gut so Casey! –Haalt! Das war zu weit! Stopp!“ rief Rusty und wedelte mit den Armen.

Aber die ersten beiden Waggons waren bereits über den Scheitelpunkt des Abrollhügels gerollt. Dazu kam noch, das die Ladung der ersten drei Waggons besonders schwer war. Und es kam wie es kommen musste. Das Gewicht der vorderen drei Waggons plus Caseys Schwung zog die Restlichen mit und immer schneller den Buckel hinunter.

„Bremsen, Casey!-Oh nein!“ Rusty schlug die Hände über den Kopf zusammen. Der Junge musste wirklich als Dampflok noch vieles lernen.

„Uaaah! Jetzt gehts aber zu schnell!“

Die kleine blaue Lok zog die Bremsen an, doch die Waggons hatten zu viel Schwung und Casey war zu leicht. So rutschte der kleine Zug immer weiter auf den Güterbahnhof zu.

„Hiilfe! Wir werden unten auf die Anderen donnern! Bremst uns doch einer mal!“ riefen die Rockies.

Auch unten im Güterbahnhof gab es helle Aufregung.

„Was geht denn da ab? Da kommt ne ganze Partie Güterwaggons auf uns zu!“ rief einer der Hilfskräfte. „Mitsamt der Lok hinten dran!“
 

Die beiden Männer, die zum Ausbremsen auf halber Strecke zwischen Abrollhügel und Güterbahnhof eingeteilt waren, bemerkten ebenfalls die herannahenden Waggons.

„Wir müssen sie ausbremsen!“

„Die sind viel zu schnell! Wenn wir die Bremmsschuhe einsetzen, springen die noch aus den Gleisen! Die sind nur für einzelne Waggons, nicht für einen ganzen Zug!“

„Was sollen wir machen? Die werden immer schneller! Sind bei der Lok die Bremsen kaputt?“

Auch der Mann im Stellwerk sah aus dem Fenster und wusste nicht, was er machen sollte.

„Hey! Ihr bringt ja den ganzen Ablauf durcheinander! Doch nicht die ganze Partie auf einmal!“ schrie er auf die Anlage hinaus.

„Ich muss die Waggons stoppen, bevor sie zu schnell werden! -Bremsschuhe!“ rief Betty, packte einige der gelben Stopper und rannte los.

„Verdammt, natürlich!“ fluchte Rusty, schnappte sich ebenfalls so viele er zu fassen bekam und folgte auf der anderen Seite des Gleises. Beide rannten bis sie den vordersten Waggon überholt hatten und legten dann die Bremsschuhe auf die Gleise. Die Räder rollten hinein und wurden zusätzlich abgebremst. Das gleiche taten sie dann auch mit den anderen vorderen Räderpaaren. Immer einen Bremsschuh zwischen zwei Waggons.Und es funktionierte. Quietschend wurde der Zug immer langsamer und kam schließlich zum Stehen.

„Endlich! Danke, Betty.“ keuchte Rusty erleichtert.

Casey stand ziemlich geknickt am hinteren Ende der Waggons.

„Oh mann...ich bin vielleicht ein guter Lokführerlehrling, aber als Lok bin ich ne totale Niete.“ seuftzte er traurig.

„Oh mann Kleiner, das war echt für den Müll!“ bemerkte der Rockie vor Casey.

„Nun mach nicht so nen Aufstand, Rockie yellow 023, dem Kleinen tut es ja leid!“ bemerkte ein roter Güterwaggon.
 

„Rollins!“ rief Mr. Colbus unterdessen.

„Ja, Sir?“

„Hol unserere alte Ersatzlok. Sie soll der Kleinen helfen. Damit so was nicht noch mal vorkommt. Das hätte in einer Katastrophe enden können!“

Während Casey samt Waggons wieder auf den Hügel hinaufgeschleppt wurde, meinte die Ersatzlok:“Du lernst wohl noch, was Kleiner? Na, sei nicht traurig. Wir Zwei machen das zusammen. Mein Name ist übrigends Vincent.“

„Casey.“

„Sie hätten mir sagen sollen, das ihre Lok noch nicht ausgebildet ist, Jones.“ rügte der Vorarbeiter Rusty.

„Schimpfen sie nicht mit ihm, Boss. Es ist ja nichts passiert.“ sagte Betty. Es war unglaublich, wie diese Frau immer einen kühlen Kopf zu bewahren schien. Deshalb war sie wohl auch die rechte Hand von Mr. Colbus geworden.

Endlich konnte das Rangieren weitergehen.

„Wir haben uns ganz schön blamiert, was Rusty?“ raunte Casey seinem Freund zu.
 

Die Sonne stieg höher und es wurde immer wärmer. Aber nun lief das Rangieren ohne Probleme. Waggon um Waggon rollte hinunter zu seinem neuen Zug, wurde ausgebremst und angekoppelt. Und Rusty fühlte zum ersten Mal, wie es war, zu schwitzen.

Zwischendurch gab es eine kurze Pause in der Getränke verteilt und Caseys Wassertank neu befüllt wurde. Und unter Vincents fachlicher Anleitung bekam Casey langsam den Bogen raus, wie er beim Rangieren vorgehen musste.

„Langsam kommen lassen....sehr gut. Noch etwas mehr....Sehr schön. Du lernst schnell.“

„Wirklich?“

„Du hast gerade ganz alleine die Rockies den Hügel hinaufgeschoben.“

„Was, ich ganz allein?“

„Ich hab gar nichts gemacht. Du hast gar nicht bemerkt, das Du mich sogar mitgezogen hast. Ich denke, Du kannst jetzt alleine weiterarbeiten.“

„Woher habe ich auf einmal genügend Kraft? Kommt das einfach nur durch den immer wiederkehrenden Arbeitsgang? Anscheinend geht das bei jungen Loks etwas schneller.“ dachte sich Casey. Und tatsächlich konnte er jetzt problemlos gut elf Rockies auf einmal den Buckel hinaufbewegen.

„Danke für deine Hilfe, Vincent. Du bist ein guter Lehrer.“

„Keine Ursache. Und jetzt ruhe ich mich ein wenig aus. Bin leider nicht mehr der Jüngste.“ seufzte Vincent und transformierte in den Humanoid-Modus. Eine alte, weißhaarige Lok lächelte dem Casey aufmunternd zu.“Aber ich behalte dich im Auge, also keine Angst.“

Auch Mr. Colbus war zufrieden, als er sah, wie reibungslos Casey nun arbeitete.

„Ja, auf unseren alten Vincent kann man sich immer verlassen..“ lächelte er.
 

Und schließlich...

„Mittagspause!“ rief der Vorarbeiter und zog an einer Signalpfeife.

„Uff! Endlich! Casey ließ eine Dampfwolke ab und transformierte in den Humanoid-Modus.

„Hey! Es klappt! Starke Sache!“ rief er.

„Casey...“murmelte Rusty nervös.

„Was ist denn?“

Der Dampflok-Junge merkte, das Rusty unruhig auf der Stelle zu treten begann.

„Irgendwas drückt mich da unten ganz fürchterlich! Wie ein Ventil mit zu viel Dampf!“

„Oh Mann, Du musst mal für kleine Jungs!“

„Was?“

„Du musst aufs Klo! Komm mit!“

Casey ergriff Rustys Arm und zog Ihn mit sich mit. Hinter einem dem Gebäude mit den Umkleiden und Duschen befand sich auch eine Toilettenanlage.

„Halt, nicht da rein! Das ist doch für Damen! Siehst Du nicht das Symbol?“ rief Casey und zerrte Rusty vom falschen Eingang weg.

„Oh, entschuldige.“

„Rein mit Dir!“

Casey schob Rusty durch die andere Tür.

„Äh-Casey, Du musst mir helfen! Ich weiß nicht, wie das geht...“ murmelte Rusty und errötete leicht.

„WAS?! Du weißt doch so viel über Menschen! Hast Du denn noch nie einen -“

„Aber ich gehe doch mit meinem Lokführer nicht zusammen aufs Klo!“jammerte Caseys Freund. „Und auf freier Strecke verschwindet Digger immer hinter einen Busch! So wie Du! Ich guck doch nicht bei solchen privaten Sachen zu!“

„Na schön!“ Casey schubste Rusty in einen gekachelten Raum. Hier gab es keine WC-Becken, sondern nur eine Abfluss-Rinne im Boden mit einem Wasserrohr darüber an der Wand, an der sich mehrere Spülhähne befanden.

„Ein Glück! Keiner da! Hoffentlich kommt jetzt bloß niemand!“

„Casey!!“ jammerte Rusty eindringlich und verstärkte sein auf der Stelle treten.

„Okay! Stell dich vor die Wand. Gut.“ Dann drehte Casey Rusty den Rücken zu.

„Reisverschluss auf!“ instruierte der Junge weiter.

„Hab ich.“

„Hol Ihn raus.“

„Äh-okay.“

„Halt Ihn wie einen Feuerwehrschlauch.“

„Und jetzt?“

„Wasser marsch.“

„Häh?“

„Oh Mann! Entspann dich und lass es einfach laufen!“ brummte Casey genervt und rollte mit den Augen.

„Ah, es geht! Ich habe verstanden!“

„Dem Starlight sei Dank!“

„Das klappt schon ganz toll! Schau mal, Casey!“ Rusty drehte sich etwas herum.

„Hey!! Bist Du verrückt? Doch nicht so! Pass gefälligst auf, wo Du hinpullerst! Bleib ruhig stehen!!“schimpfte Casey und machte einen Satz außer Reichweite des Strahls.

„Ohh-entschuldige!“ Beschämt drehte Rusty sich wieder zur Wand.

„Beim Starlight, ist das peinlich!-Bist Du bald fertig?“

„Bin gleich fertig!“

„Dann mach schnell, ich höre jemand kommen! Lass Ihn wieder verschwinden und Reisverschluss zu!“

“Okay!-WUUUAAAAH!!“

„Großer Starlight steh uns bei! Jetzt hat er Ihn auch noch im Reißverschluss eingeklemmt! Wie kann man sich nur so doof anstellen!“ stöhnte Casey, als er Rustys Mißgeschick entdeckte. Sein Freund stand zusammengekrümmt da und hielt sich die schmerzende Stelle.

„Grrrzzz....ich wußte nicht, das ein Mensch da unten so empflindlich ist!“ keuchte die verwandelte Dampflok, hantierte am Hosenstall herum und brachte das „Mißgeschick“ in Ordnung.

„Wir Jungs müssen da eben besonders aufpassen!“ brummte Casey.

Dann hörte er, wie sich die Eingangstüre zur Toilette öffnette!
 

Als die beiden Rangiererkollegen den gekachelten Raum betraten, fanden sie einen halbverkrümmt dastehenden Rusty vor, der sie schief angrinste. Von Casey selbst fehlte jede Spur.

„Alles in Ordnung mit Dir, Kollege?“

„Wie? Jaja, äh, alles okay.“ nickte Rusty und beeilte sich, nach draußen zu kommen. Kopfschüttelnd sahen Ihn die beiden Männer nach.

Draußen versteckte sich Rusty hinter der Ecke des Häuschens. Als er die beiden Männer wieder nach draußen gehen sah, wartete er, bis sie ausser Sicht waren und schlich dann in das Innere zurück. Gerade öffnette sich eine der WC-Kabinentüren und Casey rollte heraus.

„Das war knapp! Wenn die mich mit Dir zusammen hier drin gesehen hätten....jetzt wasch Dir noch schnell die Hände und dann aber nichts wie raus hier!“ zischte Casey und zog Rusty mit sich zu den Waschbecken.
 

„Du hast dich furchtbar angestellt!“ bemerkte Casey, als sie zum Güterbahnhof zurückgingen.

„Hey, das war das erste Mal! Ich habe vorher so was noch nie gemacht! Das ist ein bischen anders als den Aschekasten zu entleeren!“ verteidigte sich Rusty.

„Trotzdem, es war mehr als megapeinlich! Das nächste Mal gehst Du alleine!“
 

Ein Wagen brachte das Mittagessen, die Mahlzeiten wurden unter den Arbeitern verteilt. Caesey bekam eine Ration Kohlen, jedoch war ihm der Apetitt vergangen.

„Ich schütte sie Dir in deinen Tender. Du wirst sie brauchen, sonst hast Du nachher keine Kraft mehr.“

Nach dem Essen lagen alle im Schatten im Gras am Bahndamm und dösten.

„Okay, Leute! Es geht weiter!“ rief Mr. Colbus als er auf die Uhr gesehen hatte und gab das Signal zum Ende der Pause.

Während der Arbeit kam Rusty wieder mit einem Problemchen an.

„Casey....es drückt mich schon wieder...aber diesmal ein wenig woanders...“ jammerte er leise.

„Oh nein...aber diesmal gehst Du allein! Setz dich auf den Topf und mach einfach!“ zischte Casey.“Und schließ hinter Dir ab!“

„Was?“

„Nun geh schon! Und probier es selber!“

„Also das mag ich am Mensch sein absolut nicht!“

Kopfschüttelnd sah Casey ihm nach. Hoffentlich blamierte er sich nicht wieder bis auf die Knochen.
 

Kurze Zeit später kehrte er wieder zurück.

„Und?“

„Ich hab mich wieder an was erinnert. Ich habs so gemacht, wie ich es mal auf einer Werbung für Klopapier im Fernsehen gesehen habe. Ich habe damals Digger darüber ausgefragt und es war ihm auch peinlich, doch er hats mir erklärt, wofür Menschen dieses Papier auf der Rolle brauchen.“

„Na siehst Du. So schwer ist das doch nicht.“

„Aber es ist trotzdem peinlich für einen, der so was zum ersten Mal tun muss.“
 

Schließlich ertönte das Signal zum Feierabend.

„Okay, Leute. Wir haben heute schon eine beachtliche Menge Waggons auf die Weiterreise geschickt. Ich bin sehr zufrieden mit euch. Auch die Helfer haben gute Arbeit geleistet. Also bis morgen dann!“

Die Arbeiter räumten die Ausrüstung auf und begaben sich zu den Umkleideräumen.

“He, Leute, wer geht mit uns mit an den See?” rief plötzlich Betty in die Runde.

“Ich wusste, das Du das fragen würdest. Deshalb haben wir auch unsere Badesachen mitgebracht.” antwortete einer der männlichen Arbeiter.

„Ja, das ist viel besser als nur Duschen bei der Hitze!“ bemerkte ein Anderer.

“Dann nichts wie los, Leute! Wer kommt alles mit?”

Bis auf Vier, die mit der Rangierlok zurück nach Tarvian fuhren, ging der ganze Trupp mit.

“Und Du, Rusty?” fragte Betty.

“Ähääh....ich hab leider keine Badehose.” grinste dieser verlegen.

“Das macht doch nichts. Los, komm mit!”

Betty ergriff kurzerhand sein Handgelenk und zog die verwandelte Dampflok mit.

“Nein, Betty-ich...hey!”
 

“Was ist denn nun schon wieder los?” wunderte sich Casey.”Hey, wo will denn die mit Rusty hin?”

Der Junge rollte den Beiden hinterher.
 

Der See befand sich ganz in der Nähe des Güterbahnhofs in einer Senke. Ein breiter Steg führte in das Wasser, gerade stürzten sich die ersten in das kühle Nass.

“Na komm schon, das tut gut, nach der harten Arbeit!”

Rusty bekam richtig Panik, als er den großen See erblickte. Er stemmte seine Füße in den Boden und wollte nicht weitergehen. Seine alte Angst vor Wasser war wieder erwacht.

“Rusty, was ist denn? Man könnte meinen, Du hättest Schiß ins Wasser zu gehen.” lachte Betty, welche sich inzwischen umgezogen hatte und zurückkehrte.

“Rusty kann nicht schwimmen.” erklärte Casey, der hinzugekommen war.

“Oh, ich verstehe. So ein großer Junge und kann noch nicht schwimmen? Das kann doch jeder hier bei uns.”

Die verwandelte Dampflok errötete peinlich berührt.

“Ich gehe unter wie ein Stein, ich bin zu schwer!”murmelte sie.

“So ein Quatsch! Na, dann wird es Zeit, das Du es lernst.” erklärte Betty.

“Hey, eine gute Idee, Rusty.”meinte Casey.

“WAS?!”

“Es wird Zeit, das Du dich deinen Ängsten stellst. Und jetzt ist die Beste gelegenheit dazu. Betty kann Dir das Schwimmen beibringen.”

“Antonio! Hilfst Du mir mal?” rief Betty. Ein gut gebauter Mann mit sonnengebräunter Haut stapfte heran. Er war der Rettungsschwimmer und überwachte das Treiben am und im Wasser.

“Was gibts, Betty?”

“Der Neue hier kann nicht schwimmen. Er braucht ein bischen Unterricht.”

“Alles klar.”

“Brauch ich nicht!” gab Rusty trotzig zurück.

Aber alles sträuben half nichts. Ruck-Zuck hatten die Beiden ihn seiner Kleider entledigt, bis er nur noch in seinen Shorts dastand. Dann hob ihn Antonio einfach hoch und trug ihn hinunter zum See. Casey rollte hinterher, blieb aber dann zurück, da seine Räder im Sand einsanken und er nicht mehr vorankam. So setzte er sich einfach hin und beobachtete das weitere Geschehen.

“Sollen sie ihm ruhig das Schwimmen beibringen. Vielleicht verliert er endlich dann seine Abneigung gegen Wasser. Ein Mensch besteht schließlich größtenteils aus Wasser und wir sind schließlich einmal vor langer Zeit auch aus dem Meer gekommen.”
 

So sehr sich Rusty auch wehrte, es half nichts. Antonio trug ihn auf den Steg und wandte die harte Tour an. Kurz und schmerzlos. Er warf den armen Rusty einfach am Ende des Stegs ins Wasser!

“Au weia! Das war vielleicht doch kein so guter Gedanke!” dachte Casey unbehaglich.
 

Rusty glaubte, sein Herz würde stehenbleiben, als die Wellen über ihn zusammenschlugen. Aber instinktiv begann er plötzlich wild mit den Armen und Beinen zu rudern und durchstieß kurz darauf mit seinem Kopf die Wasseroberfläche.

“Glubb! Hilfe! Ich geh unter! Ich will hier raus! Ich kann nicht schwimmen, Hilfe!!” schrie Rusty und zappelte wie ein Ertrinkender herum.

“Mann, stell dich nicht so an, Kleiner! Du kannst hier stehen!” rief Antonio kopfschüttelnd.

“Äh?”

Tatsächlich fühlte er plötzlich sandigen Grund unter seinen Füßen. Und als er stand, reichte ihm das Wasser nur noch bis zur Brust.

“Mann, ist das peinlich!” seuftze Casey und schüttelte den Kopf.
 

“So, mein Kleiner. Und jetzt schau gut zu. Es ist ganz einfach.” lächelte Betty, nachdem sie und Antonio über eine Leiter in das Wasser gelangt waren.

Die Frau machte es vor.
 

Der Rest des Nachmittags verging damit, das Antonio ihn waagerecht hielt und Betty Anweisungen gab. Allerdings war Rusty zuerst mehr mit seinem Kopf unter als über Wasser und zappelte herum. Er hätte bestimmt auch den halben See ausgetrunken, wenn Antonio nicht aufgepasst hätte.

Aber die Beiden blieben hartnäckig und schließlich hatte die verwandelte Dampflok es begriffen und schaffte es sogar, über Wasser zu bleiben.

“Wow, sie haben es geschafft! Er schwimmt tatsächlich! Zwar noch etwas unsicher und mehr wie ein Hund, aber es klappt! Irre!” staunte Casey.”Dinah und Dustin werden Augen machen, wenn ich das erzähle!”
 

“So jetzt ist aber genug, deine Lippen sind schon ganz blau vor Kälte.” meinte Betty.

“Finde ich auch, bin völlig alle!” keuchte Rusty. “Und mir ist kalt.”
 

Kurz darauf hockte Rusty zähneklappernd im Sand. Betty warf ihm eine Decke über.

“Beim Starlight! Das war vielleicht ein schwieriger Fall.” meinte Antonio.” Mann könnte meinen, er wäre noch niemals an einem See gewesen.”
 

„Das war ein toller Nachmittag! Das machen wir morgen wieder, Betty!“ rief einer der Arbeiter, als sie sich für den Heimweg fertig machten.

„Na klar, Ricco!“ rief die Frau und winkte.

„Bis morgen, Betty!“

„Bis morgen, Antonio!“

Auch Rusty schlüpfte wieder in seine Sachen und mühte sich mit den Schuhen ab.

„Ohne mich!“ murrte er leise. „Nochmal lass ich mich nicht ins Wasser werfen!“

„Die anderen sind schon alle gegangen. Fahren wir nach Tarvian zurück?“ fragte Casey.

„Gleich. Ich ...ich muss nur wieder mal...warscheinlich wegen dem ganzen Wasser...“ murmelte Rusty.

„Dann geh, ich warte hier. Du weißt ja jetzt, wies geht. Und pass auf, das Du Dir nicht wieder was einklemmst.“

„Musst Du mich daran erinnern?“ knurrte Rusty und trollte sich.

„Händewaschen nicht vergessen.“ rief Casey ihm noch grinsend nach.
 

Zehn Minuten später trat Rusty aus der WC-Tür ins Freie und bog um die Ecke des Gebäudes.

„Hallo, mein schöner Junge! Wohin denn so eilig?“

Rusty stoppte abrupt und bekam einen Schreck!

Betty lehnte an der Hauswand und lächelte verführerisch zu Rusty hinüber. Schon während der Arbeit hatte die Rangierarbeiterin Ihm immer wieder verstohlene Blicke zugeworfen. Sie trug nun nicht mehr ihre blaue Arbeitsmontur, sondern war in ein leichtes Sommerkleid gewechselt.

„Äääh...ich will zu meinem Freund Casey..“

„Deiner kleinen Dampflok? Die ist wirklich süß! Sie sieht im Humanoid-Modus noch wie ein kleiner Junge aus! Solch eine Lok habe ich noch nie gesehen.“ säuselte sie, stieß sich von der Wand ab und kam auf Rusty zu.

„Das glaube ich Dir...“

„Aber Du bist noch viel süßer!“

„Äääähh....“

Rusty schluckte schwehr. Er begann vor Nervosität zu schwitzen, am liebsten wäre er auf und davon! Er wich zurück und hatte plötzlich selbst die Wand des Gebäudes im Rücken, als sich die junge Frau Ihm immer mehr näherte. Sie schien etwa in Rustys menschlichem Alter zu sein und ließ nun all ihre weiblichen Reize spielen. Nur sprach die verwandelte Dampflok nicht darauf an. Sie bekam es eher mit der Angst zu tun.

„Betty, was machst Du?“

„Na was wohl? Wir haben jetzt Feierabend und könnten ein bischen Spaß miteinander haben!“

„Ich glaube, das ist keine so gute Idee!“ schluckte Rusty.

„Das sehe ich anders, mein Hübscher...ich hab schließlich geholfen, das Du schwimmen kannst. Willst Du dich nicht dafür etwas erkenntlich zeigen?“

Schon stand sie Rusty gegenüber, beugte sich etwas vor und stützte sich mit Ihrer linken Hand an der Wand des Schuppens ab.

„Großer Starlight hilf! Was soll ich jetzt tun?“ dachte Rusty verzweifelt. In solchen Dingen war er total unerfahren, als Lok wie als Mensch. Aber er hatte solch eine Anbaggerung schon einmal in einem Fernsehfilm gesehen und wenn die Sache so weiterging wie dort, wollte er nicht dabei sein!

Mit Ihrer rechten Hand fuhr Betty Ihm langsam durch das Haar, dann strichen Ihre Fingerspitzen an Rustys Wange entlang bis zu seinem Kinn. Scheiße, dachte er. War der Tag nicht schon schlimm genug? Und jetzt auch noch das!
 

Zur gleichen Zeit entdeckte Casey, der sehen wollte, wo sein Freund so lange blieb, in was für einer misslichen Lage Rusty steckte.

„Oh nein! Auch das noch! Dieses verdammte Weibsbild verführt meinen Kumpel! Ich muss was tun, sonst gibt das eine Katastrophe!“ dachte er und überlegte. Dann hatte er einen Plan...
 

Betty unterdessen hatte Rusty am Kinn ergriffen, brachte Ihr Gesicht ganz nahe an das Seine und küsste Ihn! Das Gesicht von Caseys Freund lief rot an, sein ganzer Körper versteifte sich. Als sie wieder Ihre Lippen von den seinen löste, fühlte sich Rusty wie paralysiert. Und er konnte sich gegen diese Anmache nicht wehren, dazu hatte er viel zu viel Angst. Außerdem fühlte er, das in seinem neuen Körper verschiedene Dinge und Gefühle abzulaufen begannen, die er sich nicht erklären konnte!

„Betty, bitte nicht! Was sollen denn die anderen denken!“

„Hier sieht uns keiner, Schätzchen!“

„Schätzchen?“ Rustys Nackenhaare sträubten sich, als sie mit Ihren Fingern an den Knöpfen seiner Jacke zu nesteln begann! „Das ist nicht richtig, was Du hier machst!“

Schon waren die oberen Drei offen-als plötzlich eine schwarze Rauchwolke die Beiden einnebelte!

Betty und Rusty begannen zu husten und letzterer spürte auf einmal wie Ihn jemand am Arm ergriff und wegzerrte!

„Komm schon, Rusty, bevor Die was merkt!“

„Casey! Du bist meine Rettung!“

Beide eilten durch die Rauchwolke davon und als sich die Sicht zu klären begann, beschleunigten sie Ihren Lauf. Casey transformierte als sie die Gleise erreichten und Rusty sprang in den Führerstand, während der Dampflok-Junge so schnell er konnte, Richtung Tarvian davondampfte.

„Danke, huff-Casey! Du hast mir das Leben gerettet! Die hätte mich sonst...Deine Rauchwolkenattacke war toll!“

„Sie war auch kurz davor, dich zu vernaschen, mein Lieber! Ich sagte es Dir ja, Du bist ein gutaussehender, junger Bursche und sehr anziehend für Frauen!“

„Das ist auch ein Teil, der mir am Menschsein gar nicht gefällt!“ schnaufte Rusty, schüttelte sich und knöpfte sich seine Jacke wieder zu.

„Du musst eben lernen, dich gegen solche Anbaggerei zur Wehr zu setzen! Sag einfach fest und bestimmt: Nein! Zeig den Mädels, das Du keine Angst hast! Ein selbstsicheres Auftreten verschafft Dir den nötigen Respekt! Betty kann auch nicht einfach machen, was sie will!“
 

Beide waren heilfroh, als sie wieder im Bahnhof von Tarvian ankamen.

“Oh mann! Jetzt aber nichts wie ab in den Lokschuppen!”

“Haaalt, Rusty!”

“Was ist denn? Ich bin hundemüde und habe Hunger!”

“Hast Du nicht etwas vergessen? Was ist mit mir? Du bist jetzt der Lokführer und Du kannst mich nicht einfach so abstellen! Mein Aschekasten ist voll und ich spüre, das meine Gelenke dringend Öl brauchen. Bei manchen Bewegungen knirscht es schon etwas komisch. –Tja, Rusty, jetzt musst Du das für mich tun, was ich sonst jeden Abend für dich tue. Um die Wartungsarbeiten kommst Du nicht herum.”

Rusty brummte genervt.

Aber es half alles nichts, er musste wohl oder übel nochmals ran. Casey transformierte in den Maschinenmodus und Rusty machte sich ans Entaschen und Warten.

“Mann, wie das staubt...meine Nase kitzelt...ich muss –Haaaa-Tschieeee!”

Rusty nieste einmal heftig und der ganze feine Aschestaub flog nach allen Seiten. Vor allem in Rustys Gesicht.

“Na toll! Schau dich bloß an! Ein richtiger schwarzer Mann!” meinte Casey.

“Sehr komisch!” knurrte Rusty und versuchte mit dem Ärmel seiner Jacke den Ruß aus dem Gesicht zu bekommen.
 

Schließlich war auch diese Arbeit getan und beide schlichen müde zurück zum Lokschuppen.

“Du siehst schlimmer aus als ich wenn ich mit der Wartung fertig war. Ich hoffe, Dinah kriegt keinen Schreck.” bemerkte Casey.
 

“Rusty! Mir scheint Du hast den Rekord im Schmutzig sein gebrochen! Hast Du dich in der Asche gewälzt?”

“Natürlich nicht!”

“Also so dreckig kommst Du mir nicht an den Tisch! Also ab ins Bad mit Dir, Rusty! Und ich meine keine Katzenwäsche! Ich konnte inzwischen noch einen Satz sauberer Kleider für dich finden.“

„So, Rusty, das bedeutet für dich -ab unter die Dusche, hihi!“

„Auch das noch!“

„Du kannst mein Waschzeug haben. Geh schon mal vor, ich bringe es Dir nach.“

Rusty seufzte und trottete in Richtung Waschräume.

In der Umkleide entledigte er sich zuerst der Schuhe.

„Endlich! Diese Dinger sind eine Plage!“ seufzte er erleichtert.“Da hatte ich es als Dampflok besser. Nur mein Fahrgestell unter den Füßen und sonst nichts!“

Dann folgten Jacke und Hemd und die Hosen. Dann entdeckte er den großen Spiegel an der Wand. Er stand langsam auf, trat davor und betrachtete nachdenklich sein Abbild in der spiegelnden Fläche.

„So ist es also, ein richtiger Mensch zu sein. Überall eine weiche, rosafarbene Haut, die noch empfindlicher als meine alte Hülle ist, Zehen an den Füßen, und nicht nur Haare auf dem Kopf...ein richtiger erwachsener Menschenkörper...“

Dabei fiel sein Blick auf seinen rechten Zeigefinger. Hier hatte er sich beim ersten Ankuppeln an dem scharfen Metall geschnitten. Zuerst war er über das austretende Blut erschrocken, doch mit dem Verband hatte Betty schnell Abhilfe geschaffen und Ihm dann ein paar lederne Schutzhandschuhe in die Hände gedrückt.

“Damit passiert Dir so was nicht mehr, Süßer.” hatte sie noch gelächelt. Und dann vorhin hatte sie ihn sogar geküsst! Rusty berührte seine Lippen. Für einen Moment hatte er sich gefühlt, als wenn er von einer E-Lok eins verpasst bekommen hätte. Rusty schüttelte sich.
 

„Ah, da bist Du ja.“ sprach Casey und schloß die Tür hinter sich. „Oh, Du betrachtest dein Spiegelbild.“

„Sag, Casey, bin ich wirklich gutaussehend?“

„Was soll die Frage? Du hast es doch selbst bemerkt, wie Betty hinter Dir her war! Du siehst als Mensch und sogar als Dampflok im Humanoid -Modus toll aus. Jeder kann in deinem Gesicht sofort deinen guten Charakter erkennen. Und vor allem deine Augen sind so sanft und ehrlich. Das haben schon viele zu mir gesagt.-Aber das Wichtigste ist nicht das Äußere, sondern das, was hier drinnen ist, Rusty. Deine inneren Werte.“ erklärte Casey und legte seine Hand auf die Brust seines Freundes.“So und jetzt genug geredet! Ab zur Wäsche!“

Rustys Abneigung gegen Wasser war trotz seiner Umwandlung und dem heutigen Schwimmkurses geblieben.

„Na los! Jetzt kann doch bei Dir nichts mehr rosten! Und untergehen kannst Du auch nicht!“ sprach Casey genervt.“Du bist wirklich schlimmer als ein kleines Kind!“

Er stand mit den Füßen in der gefüllten Wanne und zog an Rustys Arm, der sich hartnäckig weigerte, Ihm zu folgen!

“Für meinen Geschmack hatte ich heute schon genug Wasser! Mir reichts!”

“Aber so schmutzig kannst Du nicht bleiben. Das gehört sich nicht!”

“Ist mir egal!” gab Rusty trotzig zurück.

„Oh mann, ich gebs auf!“ stöhnte Casey und ließ locker. Auch Rusty gab seinen Widerstand auf. Darauf hatte der Dampflok-Junge nur gewartet! Blitzschnell fasste er das Handgelenk seines Partners wieder fester, ein kräftiger Ruck -und Rusty landete Bauch und Gesicht voran im Wasser! Hustend und keuchend tauchte er wieder auf und klammerte sich wie ein Ertrinkender am Wannenrand fest.

„Na endlich! Ist doch gar nicht schlimm oder?“

„Mach das nie wieder, Casey!“jappste Rusty.

„Jetzt entspann dich endlich! Du wirst bald merken, das es gar nicht so unangenehm ist. Mir war es erst auch zuwider, fast jeden Tag eine große Wäsche abzuhalten, aber jetzt habe ich mich daran gewöhnt.“ anwortete Casey und setzte sich auf den Wannenrand.“Pass mal auf, ich zeige Dir etwas lustiges.-Heb mal einen deiner Füße an.“

„Ist das wieder einer deiner schlechten Scherze?“

„Nein, jetzt mach schon.“

Also hob Rusty seinen linken Fuß aus dem Wasser. Casey ergriff Ihn und begann Ihn zwischen den Zehen und an der Sohle zu kitzeln.

„Wuah, was machst Du denn da! Aufhören!“rief Rusty und begann hin - und herzuzappeln!

„Aha, Du bist also kitzelig!“

„Huahaha! Bitte laß das bleiben! Das ist -haahaha-ja furchtbar!“

„Aber es bringt dich zum Lachen. So kann ich dich wenigstens etwas aufheitern!“

„Das-haha-nennst Du aufheitern?“ Rusty zog schnell seinen Fuß weg, versenkte Ihn wieder im Wasser und starrte Casey ärgerlich an. Doch dann wurde Rustys Blick wieder freundlicher. „Verzeih mir, Casey. Du bist so lieb und versuchst mir, wo immer Du kannst zu helfen. Und ich stelle mich so dumm an und danke es Dir nicht einmal!“

„Nein, Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, mein Freund. Mir fehlt auch manchmal die Geduld und so wie jetzt Verständnis für deine Probleme. Unsere Situationen haben sich verändert und das führt zwangsläufig zu größeren und kleineren Problemen. Wichtig ist, das wir Freunde bleiben, egal was kommen mag.“

„Genau. Und weder Red Caboose noch jemand anders wird diese Freundschaft auseinanderbringen!“

„Meine Rede, Rusty!-Und jetzt beug dich etwas vor, dann helfe ich Dir beim Rückenwaschen....sooo....und jetzt die Brause.“

„Uaah!“

„Und jetzt kommen die Haare dran!“

“Au! Das brennt in den Augen!”

“Stell dich nicht so an! Das ist nur das Shampoo. Ts, hätte nicht gedacht, das ich mal einen Erwachsenen waschen muss. Komm, nimm den Schwamm und versuche es vorne selber.”
 

„Ist jetzt endlich alles weg?“ brummte Rusty.

„Jetzt bist Du blitzblank.“ grinste Casey. „Komm raus.“

Der verwandelte Junge warf ihm ein großes Handtuch über und half beim abtrocknen.

„So sauber habe ich mich noch niemals gefühlt. Es ist wirklich etwas anderes als sauber geputzt.“bemerkte Rusty später, als er versuchte, wieder in sein Unterhemd zu schlüpfen. Wieder musste Ihm Casey ein wenig dabei helfen.

„Verstehe ich gut.“nickte der Dampflok-Junge. „Das Wasser war am Ende richtig schwarz von dem ganzen Ruß.“

„Wie bei Dir damals in Oledin, nachdem Du in die Aschegrube gefallen bist.“
 

“Wie war eigentlich euer Arbeitstag?“ fragte Dinah.

„Frag nicht! Es ging einiges daneben! Wir sind beide ziemlich erledigt!“ antwortete Rusty.

„So schlecht lief es nun auch wieder nicht! Na ja, am Anfang vielleicht... Aber dann, als Rusty...-“ begann Casey, doch Rusty brachte seinen Freund mit einem strengen Blick zum Schweigen.

„Schon gut, ich sag nichts mehr.“ murmelte der Junge.

„Rusty, dein Abendessen ist bald fertig. -Casey,willst Du ausnahmsweise auch etwas anderes als deine Kohlen?“

„Gerne, Dinah.“
 

Wenig später saßen beide am Esstisch. Rusty versuchte nun das erste Mal, mit Messer und Gabel zu essen, was diesmal auch gut klappte, da er ja schon oft Digger dabei zugesehen hatte.

„Beim Starlight! Rusty hat schwimmen gelernt? Von den anderen Menschen?“ staunte Dinah.

„Ja. Er hatte zuerst eine heiden Angst, doch seine „Lehrerin“ blieb hartnäckig und hat das durchgezogen, bis er es begriffen hatte.“

„Das ist toll Wer weiß, vielleicht kann es Dir einmal von Nutzen sein.“

„Na, ich weiß nicht. Morgen mache ich auf jeden Fall einen großen Bogen um Betty und den See!“
 

An diesem Abend gingen die beiden Freunde früh schlafen. Und diesmal wurden auch die Schlafplätze getauscht. Rusty bezog Caseys Quartier und der Dampflok-Junge die Matratze in der Stellbox.

„Gute Nacht, kleiner Lehr-äh, ich meine, kleine Dampflok....“ sprach Dinah und deckte Casey zu.

„Gute Nacht, Dinah.“

Dann sah das Waggonmädchen noch nach Rusty.

„Und-wie liegt es sich in einem Bett?“ fragte sie.

„Schön bequem. Und die Matraze ist nicht so hart.“

„Dann schlaf gut.“

„Gute Nacht, Rusty.“

Dinah stieg wieder die Treppen hinunter.
 

„Dinah....“ Dustin winkte das Waggonmädchen zu sich.

„Was ist denn?“

„Sag mal, meinst Du, das Casey genug Kraft haben wird, mich und dich zu ziehen? Er ist doch viel kleiner als Rusty und nicht so stark!“

„Das werden wir noch sehen, Dustin. Zerbrich Dir nicht deinen Kopf darüber.“ meinte Dinah und trat an das Fenster. Sie sah hinaus in den sternenklaren Himmel und murmelte:“Starlight Express, ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Ich wünsche mir, es wäre alles wieder so wie vorher!“
 

Als sie in die Stellbox zurückkehrte, um nach Casey zu sehen, wälzte dieser sich gerade unruhig auf der Matratze herum.

„Dinah, ich kann nicht einschlafen!“ klagte der Dampflok-Junge.
 

Zur gleichen Zeit wälzte sich Rusty oben in Caseys Quartier ebenfalls unruhig hin und her.

„Mist! Ich komme einfach nicht zur Ruhe! Verstehe ich nicht! So ein Bett ist doch viel bequemer als eine Lokmatratze!“ knurrte er.
 

„Du bist Rustys Schlafplatz nicht gewöhnt. So eine Lokmatratze ist etwas anderes als ein Bett.“ erklärte Dinah.“Viel härter als eure Bettmatratzen.“

„Das ist wahr.“

Rusty kam die Stufen herunter.

„Kannst Du auch nicht einschlafen?“

„Nein, Casey.“

„Dann sollte vielleicht jeder zu seiner alten Schlafstätte zurück.“ schlug Dinah vor.“Oder halt-ich weiß etwas besseres....“
 

Oben in Caseys Zimmer legte das Waggonmädchen einen Schutzüberzug über das Bett, damit Casey das Laken nicht ölig und rußig machte.Und Rusty bekam eine normale Matratze neben Caseys Bett auf dem Boden.

„Besser jetzt?“

„Ich glaube, so geht es. Danke, Dinah.“ lächelte Casey.

„Dann schlaft schön, Ihr beiden!“

Tatsächlich konnte das Waggonmädchen kurze Zeit später die ruhigen Atemzüge der beiden Freunde vernehmen. Sie löschte das Licht und begab sich wieder nach unten.
 

Langsam ging es auf Mitternacht zu.

Casey wälzte sich unruhig im Schlaf herum und murmelte:“Starlight Expresss....“
 

„Junger Lehrling!“

Casey erwachte durch den Ruf und fand sich auf einmal zwischen den Sternen wieder. Er stand auf einem silbern schimmernden Gleis, das sich in der Ferne verlor. Und irgendwer rief Ihn aus der Ferne!

„Junger Lehrling!“

Casey lief los. In gleichmäßigem Tempo folgte er den Gleisen, die Ihn durch das sternenübersäte Himmelszelt führten.

Plötzlich tauchte vor Ihm ein helles funkelndes Licht auf. Casey blieb stehen.

„Starlight Express, hast Du mich gerufen?“ fragte er.“Hier bin ich! Casey, die kleine, blaue Dampflok!“

Auf einmal nahm das Licht eine Form an und wurde zu einer großen, glitzernden, stromlinienförmigen Lok aus unzähligen Sternen!

„Starlight Express!“

„Du hast also meinen Ruf gehört.“

„Natürlich! Nachts träume ich oft davon, dich zu treffen! So wie jetzt! Sag, hast Du mich und Rusty verwandelt?“

„Es war dein Wunsch, eine Dampflok zu sein, so wie es Rustys Wunsch war, ein richtiger Mensch zu werden. Hat es dich glücklich gemacht, junger Lehrling?“

„Nun ja. es war schon toll. Ich habe beim Rangieren geholfen. Zuerst fehlte mir die Kraft, da ich ja so klein bin. Ich konnte leider die Güterwagen noch nicht alleine schieben. Eine größere Rangierlok musste hinter mich gekuppelt werden. Aber dann, nach einigen Stunden, ging es plötzlich immer besser und ich konnte ohne Vincent weitermachen!“

„Und wie hat sich Rusty in seiner menschlichen Gestalt zurechtgefunden? Hat es Ihm Spaß gemacht?“

„Es war furchtbar! Er weiß vieles noch nicht! Nicht einmal die einfachsten menschlichen Bedürfnisse kennt er! Nun ja, er lernt schnell, doch wenn ich so darüber nachdenke, ich weiß nicht, ob es richtig ist. Vielleicht wäre es besser für ihn wieder eine Lok zu sein. Jeder hat seinen festen Platz in dieser Welt. Die ganze Sache traf uns auch etwas unvorbereitet.“

„Und wie ist es mit Dir? Willst Du auch lieber wieder das sein, was Du warst?“

„Ich glaube, jeder sollte das Leben führen, für das er bestimmt ist.“

„Das denke ich auch. Auch Dinah wünscht, das alles wieder so ist, wie vorher.“

„Ich sollte wohl wirklich besser wieder ein Lokführerlehrling sein und Rusty eine Dampflok. Und eines Tages, wenn ich zu meinem Vater nach Hause zurückkehre, kann ich ihm ja nicht so unter die Augen treten. -Kannst Du es wieder rückgängig machen, Starlight Express?“

„Du musst nur durch diesen Sternenvorhang laufen.“

Vor Casey war auf einmal ein Gebilde aus glitzernden Sternen erschschienen.

„Ja, es soll wieder wie vorher sein! Aber es war toll, das Du uns für einen Tag die Rollen hast tauschen lassen! Trotz allem hat jeder von uns einiges gelernt. Und das war ja wohl auch der Sinn der Sache.“

„Das hast Du ganz richtig erkannt, kleiner Lehrling.“

Casey lief los-und durch den glitzernden Sternenvorhang.

„Danke, Starlight Express....“
 

Als Casey am nächsten Morgen erwachte und an sich herabsah, war er wieder ein ganz normaler Junge. Und neben Ihm auf der Matratze lag sein Partner Rusty-wieder als Dampflok.

„Rusty! Rusty, wach auf!“ rief Casey.

„Was ist los?“ murmelte sein Freund. „Ist schon wieder Morgen?“

„Schau dich mal an!“

Rusty schlug die Decke zurück.

„Ich -ich bin wieder wie vorher! Eine kleine Dampflok! -Und Du bist wieder ein Junge! Mein Lehrling!“

Beide sahen sich an. Jeder war wieder so, als wäre der gestrige Tag gar nicht gewesen.“

„War das jetzt alles nur ein Traum?“ fragte Rusty.

„Das glaube ich nicht. Sieh doch!“

Tatsächlich trug die kleine Dampflok noch das Unterhemd und die Shorts von gestern! Nur saßen die Kleidungsstücke jetzt ziemlich knapp an seinem Körper.

„Stimmt! Hilf mir mal, das Zeug schnürt mich ein!“

Mit Caseys Hilfe befreite sich Rusty von den zu eng gewordenen Sachen.

„So. Das brauche ich jetzt nicht mehr. Und zum Glück muss ich auch nicht mehr diese gräßlichen engen Schuhe tragen!“bemerkte die kleine Dampflok glücklich.

„Es ist alles so wie es war...wie es sein soll. Aber es war trotzdem toll, das wir einen Tag unsere Rollen tauschen durften! Das haben wir dem Starlight Express zu verdanken! Ich habe Ihn in meinen Träumen gesehen.“

„Du hast von Ihm geträumt? Wie sah er denn aus?“

„Ich sah nur eine große Lok aus Sternen geformt. Und seine Stimme klang irgendwie weit weg. Ich weiß nicht, ob das seine richtige Form war, die ich gesehen habe.“

„Och mann...“ maulte Rusty leise.
 

„Ich bin gespannt, was Mr. Colbus sagen wird, wenn er uns sieht.“ bemerkte Casey, als er mit Rusty nach dem Frühstück in Richtung Güterbahnhof fuhr.

„Wir sollten lieber von hier verschwinden....ich möchte nicht wieder dieser Betty unter die Augen treten.“

„Das wäre nicht richtig. Ich habe doch einen Vertrag für die drei Tage unterschrieben.“

„Na schön. Aber wie willst Du das von gestern erklären?“
 

“Hey, wo kommt ihr zwei jetzt auf einmal her? Diese kleine Lok von diesem Jones hat doch behauptet, ihr seid wieder abgereist.” meinte der Vorarbeiter, als er den Beiden begegnete. „Und was das komische war, von den Beiden hat die Agentur gar nichts gewusst! Auf dem Fax war nur dein Foto zu sehen. Und Du heißt doch auch Jones, oder? Bist Du etwa mit diesem Rusty Jones verwandt?“

„Äh...wissen sie, das ist alles ein bischen kompliziert...“ antwortete Casey und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
 

Betty, welche den Lehrling und seine Lok nun erblickte, bekam große Augen. Sie kam angelaufen und musterte beide eingehend.

“Moment mal! Ich hab euch zwei doch vorgestern noch gesehen. Dann hieß es, ihr seid weitergereist und -Das gibts doch nicht! Was ist hier los? Du warst doch noch gestern ein Mensch! Und Du warst diese zu klein geratene Dampflok, ja, ich erinnere mich noch genau an deinen roten Haarschopf!“

“Sie müssen geträumt haben. Ich war schon immer eine Lok und Casey schon immer ein Mensch.” meinte Rusty verlegen.

“Ich bin doch nicht blöd! Ich erkenne dich wieder! Du bist dieser Rusty Jones!”

Casey seufzte.

“Am besten, wir erklären es ihnen Rusty, Betty ist nicht auf den Kopf gefallen. Die wird nicht eher Ruhe geben.”

“Allerdings. Da bin ich aber mal gespannt.”

„Und ich genauso. Ich habs nähmlich nicht gern, wenn man mich für dumm verkauft.“ brummte der Vorarbeiter.
 

Interessiert hörten Mr. Colbus und Betty der Erzählung der Beiden zu.

„Also so etwas verrücktes habe ich noch nie gehört!“ brummte der Vorarbeiter.

„Aber so war es. Oder wie erklären sie sich unsere getauschten Rollen?“ bemerkte Casey.

„Das ist wahr...ich habe dich transformieren sehen...,“ murmelte Betty. Dann blickte sie zu Rusty hinüber, der eingeschüchtert etwas zurückwich. „Und wenn ich daran denke, das ich dich gestern beinahe vernascht hätte...jetzt wird mir einiges klar...“

Rustys Gesicht lief dunkel an.

„Müssen sie das erwähnen?“ knurrte er leise.

„Der Starlight Express vollbringt manchmal wirklich seltsame Wunder. Aber ich denke, es hatte einen bestimmten Grund. So wie alles, was die Sternenlok da oben tut.-So, aber jetzt macht euch fertig, die Arbeit fängt gleich an!“ bemerkte Mr. Colbus und stapfte davon.

Damit schien der Fall für ihn erledigt.

„Da hat mein Boß recht. Also, seid das nächstemal vorsichtiger mit dem was ihr euch wünscht.“
 

Nach zwei Stunden rief der Vorarbeiter Casey und seinen Lokpartner zu sich.

„Haben wir wieder was falsch gemacht?“ fragte Casey besorgt.

„Hehe, nein, ihr Beiden. Aber so wie ich das sehe, hast Du sicher schon auf einem Güterbahnhof gearbeitet, Rusty, nicht wahr?“ fragte Mr. Colbus, welcher der Dampflok einige Zeit zugesehen hatte.

„Mehr als genug.“

„Dann wirst Du deinem Lehrling helfen und ihm das beibringen, was Du weißt. Casey macht das schon ganz gut, aber ihm feht es noch etwas an Kraft. -Wir kriegen außerdem heute noch zusätzliche Hilfe. Eine unserer Rangierloks ist wieder betriebsbereit. Die übernimmt jetzt das Schieben.“ erklärte der Vorarbeiter und wies in Richtung der Lokschuppen.

„Hallo, ich bin Peppi.“ lächelte der grünlakierte Diesel und rollte näher.

„Hey, schön dich wiederzusehen, Peppi!“ rief einer der Rockies.

„Wieder alles okay mit Dir?“ fragte Flat-Top, ein Plattformwaggon, der über und über mit Backsteinen beladen war.

„Na klar, Jungs!“

„Prima, dann muss ich heute nicht mehr aushelfen.“ lächelte Vincent zufrieden.

„Für ein bischen Hilfe wäre ich schon dankbar, Oldtimer.“ meinte Peppi halb scherzhaft.

„Hey, ich würde dich doch nie im Stich lassen.“
 

Die kommenden zwei Tage vergingen wie im Flug. Viele Güterwagen wurden rangiert und auf die Weiterreise geschickt. Und Casey lernte die verschiedenen Waggontypen kennen und den gesammten Ablauf auf solch einen Bahnhof. Er durfte auch beim Ausbremsen mithelfen oder unten im Bahnhof, wo die neuen Güterzüge zusammengestellt wurden.
 

Da das sommerliche Wetter anhielt, vergnügten sich die Leute nach der Arbeit wieder am See. Aber diesmal war es Casey, der sich mit den anderen in die Fluten stürzte. Rusty saß ein ganzes Stück abseits auf einem Felsen und sah zu.

„Keine zehn Pferde bringen mich je wieder in einen See!“ knurrte er uns schüttelte sich.
 

Dann war es soweit.

„Vielen Dank, Leute. Ich bin sehr zufrieden mit euch. Dank eurer guten Zusammenarbeit haben wir den Rückstau aufgearbeitet. Jetzt läuft es bei uns wieder normal und unsere beiden Loks sind auch wieder einsatzbereit.“ lobte Mr. Colbus die Helfer nach Feierabend.“Und nun folgt mir in mein Büro, da bekommt jeder seinen wohlverdienten Lohn für seine Arbeit.“

Das ließen sich die Helfer nicht zweimal sagen.

Mit seinem Lohn bekam Casey auch sein Lehrbuch zurück, in dem Mr. Colbus eingetragen hatte, was Casey in den drei Tagen gemacht hatte. Natürlich hatte er nicht hineingeschrieben, das der Lehrling am ersten Tag eine Lok gewesen war.
 

„Und wo geht ihr als nächstes hin?“ fragte Casey die Arbeiter, welche sich für die Abreise fertig machten.

„Oh, es gibt für uns immer etwas zu tun. Manchmal bleiben wir länger an einem Ort, manchmal nur ein paar Tage, so wie jetzt. Und manchmal bekommen wir auch eine unbefristete Anstellung. Aber vielen von uns machen diese wechselden Einsätze Spaß. Und die Agentur in Levian weiß immer, wo wir zu finden sind.“

„Dann seid ihr so etwas wie Wanderarbeiter.“

„So kann man es nennen, kleiner Lehrling.“
 

„Und? Hat es sich gelohnt?“ fragte Dinah, als beide nach Tarvian zurückkehrten.

„Ich bin zufrieden. Ich werde einen Teil auf das Konto einzahlen, das Mr. Corell für mich eingerichtet hat.“

„Stimmt. Da ist dein Vermögen am besten aufgehoben.“

Für die Eisenbahner gab es eine spezielle Bank, die überall auf dem Kontinent ihre Filialen hatte. In den Städten und Ortschaften oder auch direkt auf den Bahnhöfen.

Auf dem Rückweg begegnete er Betty.

„Hallo, kleiner Lehrling.“

„Hi, Betty. Sie suchen doch nicht etwa meinen Kumpel?“

Die junge Frau lächelte.

„Ich möchte mich nur von euch verabschieden. Schade, das ihr morgen schon weitermüsst. Ich hätte noch gerne etwas länger mit euch zusammengearbeitet.“

Casey grinste. Hat die sich doch tatsächlich in meinen Lokpartner verguckt, dachte er.

„Wir wollen nach Via Corrona. Den dortigen Favoriten herausfordern.“

„Espresso? Da habt ihr euch aber etwas vorgenommen. Popcornia hat schon lang keinen Favoriten mehr gehabt. Aber vielleicht findet sich irgendwann einmal eine Lok, die es wissen möchte. So wie dein Rusty. Aber ich gebe euch einen guten Rat: Unterschätzt den Torroner nicht! Espresso ist stark und kämpft härter, als ihr es bis jetzt gewohnt wart!“

„Das haben wir schon gehört. Und wir werden deinen Rat beherzigen, Betty.“
 

„Das ist also Betty, von der ihr so viel erzählt habt.“ sagte Dinah, als beide sich vorgestellt wurden.

„Ja, sie ist ganz schön tough (sprich „taff“) und behält immer einen kühlen Kopf.“ erklärte Casey.

Man saß ein Weilchen zusammen und plauderte, dann hieß es Abschied nehmen.

„Gute Weiterreise und viel Glück in Via Coronna. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“ lächelte Betty und ruffelte Casey durch das Haar. „Und passt gut auf euch auf.“

„Das werden wir.“

Dann war Rusty an der Reihe.

„Machs gut, mein Hübscher. Und lass Dir von Espresso nichts gefallen!“

„B-bestimmt nicht.“ stammelte Rusty und wurde wieder dunkel um die Nase. Er war heilfroh, als sie endlich gegangen war.

„So wie es aussieht, hattest Du wohl noch nie eine Freundin.“ meinte Dinah.

„Wie denn auch? Wer will mich alten rostigen Teekessel schon haben?“

„Warte nur, das kann sich bald ändern..“ lächelte das Speisewaggonmädchen und ließ einen verwirrten Rusty stehen.
 

Forstetzung folgt...

Die großen Baumeister

Kapitel 16:

Die großen Baumeister
 

„Siebte Plakette, wir kommen!“ rief Casey übermütig, als sie die Grenze nach Torrone passierten.

„Ich würde nicht so groß herumposaunen. Wir wissen nicht, ob ich und Dustin es schaffen werden.“ meinte Rusty.

„Schon gut. Ich weiß, man soll das Fell nicht zum Markt tragen, bevor man den Bären erlegt hat.“ zitierte Casey ein altes Sprichwort.

Auf ihrer Weiterreise fing es an zu regnen.

„Na toll Das gibt wieder Matsch! Und ich hasse Matsch!“ knurrte Rusty, der dies immer mit Greaseball und seiner Bande in Verbindung brachte.

„Auf jeden Fall rennst Du nicht mehr wegen jedem Regenschauer unter ein Dach.“meinte Casey.
 

Endlich, am nachmittag, zeigte sich der Himmel gnädig und es hörte auf zu regnen. Dafür wurde es schwülwarm und drückend. Casey hatte seine Mütze abgenommen und wedelte mit ihr vor seinem Gesicht.

Die Gleise fühten nun einen befestigten Damm entlang, recht und links ragte hohes Schilf auf. Der junge Lehrling blätterte in seinem Atlas.

„Das müssen die Sümpfe der Tiefebene sein. Der Sana hat hier sein Delta, die Küste ist nicht weit von hier.“

„Seht mal!“rief Dinah plötzlich. Casey ließ Rusty langsamer fahren und brachte ihn schließlich zum stehen.

„Ruinen. Das ist doch nichts besonderes.“ bemerkte die Dampflok.

„Antike Ruinen.“ verbesserte Dinah.

„Die Ahnen der Torroner waren bereits ein hoch entwickeltes Volk und große Baumeister.“ erklärte Dinah. „Die besten Architekten und Bauingineure kommen aus diesem Land.“

„Langsam glaube ich, Du bist ein wandelndes Lexikon, Dinah.“

„Wenn Du ein wenig mehr belesener wärest, hättest Du auch ein größeres Wissen. Ich wollte schon immer wissen, wie es auf dem Kontinent aussieht. Zum Beispiel hatte einmal ein Schulkind sein Länderkunde-Lehrbuch in einem der Waggons liegengelassen und ich habe es mir eine Weile ausgeborgt, bevor ich es in das Fundbüro gebracht habe. Da standen viele interessante Dinge drin.“

„Das sieht aus wie ein altes Aquädukt. Das kenne ich von mir zuhause. Die alten Römer haben auch solche Dinge gebaut. Sie dienten dazu, Wasser in die Städte zu transportieren. Das haben wir in der Schule gelernt.“ erklärte Casey und schlug nach einer Stechmücke.

„Sehr schön, kleiner Lehrling. Du hast das Wissen, das man Dir beibrachte, behalten.“ freute sich Dinah.

Casey öffnette die Dampfzufuhr und Rusty setzte sich wieder in Bewegung.
 

Im großen Delta des Sana gab es nur wenige Ansiedlungen und Bahnhöfe. Deshalb verbrachten sie die erste Nacht in Torrone auf einem Nebengleis zwischen den Schilfwäldern. Aber Casey, der in Dinahs Personalabteil schlief, hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Mücken gerechnet. Andauernd sirrte etwas an seinem Ohr.

„Scheiß-Viecher! Die Sümpfe sind voll davon!“ fluchte er. „Via Coronna liegt zum Glück außerhalb!“

Am nächsten Morgen war Casey überall von kleinen, roten, juckenden Pusteln bedeckt.

„Mist! Jetzt wünschte ich, ich hätte eure stabile Haut! Da verbiegen sich die Viecher ihre Stacheln!“ knurrte er. Die nächste unangenehme Überraschung kam, als er seine Füße etwas in das kühle Wasser hängen wollte. Blutegel. Und schon war es passiert.

„Uahuah! Hier wimmelts nur so von diesen Blutsaugern!“ rief Casey angewidert und hüpfte herum, in der Hoffung, die Parasiten würden von selbst abfallen. Doch sie taten ihm nicht den Gefallen und so musste er selbst ran.

„Ruuustyyy! Mach mir bitte die Viecher weg!“ rief Casey und hielt einen Fuß hoch.

„Was? Ich?“

„Am besten wäre, wenn Du deine Finger mehr erhitzen könntest. Das würde sie sicher abtöten.“

„Du weißt, das das nicht geht!“

„Oh mann! Es wird wirklich langsam Zeit, das Du eine Feuerattacke lernst! Dann nimm ein Stück glühende Kohle!“

„Da verbrenne ich mir die Finger!“

„Das kannst Du doch gar nicht! Deine Hülle ist doch feuerfest!“

„Nur meine Feuerbüchse! Ich kann mir genauso meine Finger verbrennen! Das hab ich auch in Taiga-Drubania, als ich meine glühenden Kohlen nach dem Schneebären geworfen habe!“

„Komisch. Ich hab damals nichts bemerkt. - Ich glaub eher, Du hast Schiß, mit Feuer zu hantieren! Dein Verhalten spricht mehr und mehr dafür!“

Sollte Rusty wirklich Angst vor seinem eigenen Feuer haben? Angst, es außen anzuwenden? Aber länger konnte er jetzt nicht darüber nachdenken.

„Na schön! Dann mach ichs eben alleine!“
 

Es kostete ihm einige Überwindung, die beiden schlüpfrigen Egel, welche sich an seinen Füßen festgesaugt und mit ihren Raspelzähnen die Haut durchstoßen hatten, anzufassen und abzubekommen.

„Sei bitte etwas vorsichtiger, Casey! Du bist hier in unbekanntem Gebiet und weißt nie, was dich erwartet!“ mahnte Dinah, als sie die Bisstellen desinfizierte und dann etwas gegen die Mückenstiche hervorholte.

„Hier, das lindert den Juckreiz etwas.“

„Danke, Dinah.“

Auch während der Weiterfahrt verirrte sich immer wieder mal eine Mücke in den Führerstand. Deshalb war Casey heilfroh, als sie die Sümpfe hinter sich gelassen hatten. Das Delta war nun offener, Feuchtwiesen, Sandbänke und Auwälder säumten die unzähligen Arme des Sana.

„Bin ich froh, das wir die Sümpfe auf unserer Rückreise nicht mehr durchqueren müssen!“
 

Plötzlich begann sich der Himmel wieder zu verdunkeln.

„Seht nur! Ich habe noch niemals Wolken sich so schnell auftürmen sehen! Brrr...und wie schwarz die sind! Fast wie meine Kohle!“ sagte Rusty unbehaglich. Casey musste bald die Scheinwerfer von Rusty einschalten, da die Wolken selbst das Sonnenlicht abzuschirmen schienen. Ein lauter Donner krachte, dann öffnette der Himmel seine Schleusen.

„Uah! Hört sich an, als sei da einer sehr wütend...“ murmelte Casey und zuckte zusammen.

Es begann in Strömen zu regnen, Blitze zuckten aus den dunklen Wolken und über den Himmel.

„Ich kann fast nichts mehr sehen!“ klagte Rusty.

„Wir müssen das Tempo drosseln.“

So musste der kleine Zug seine Fahrt verlangsamen. Die Sicht war stark begrenzt, kaum fünfzig Meter weit konnte man sehen. Das Flussdelta schien sich in Dunkelheit gehüllt zu haben, obwohl es erst drei Uhr nachmittags war.
 

„Leute, schaut mal zur Seite.“ bemerkte Dustin plötzlich.

„Was ist denn?-Oh nein! Das Wasser steigt rapide, die Flussarme sind schon über die Ufer getreten! Es breitet sich mit unglaublicher Geschwindigkeit aus!“ rief Casey, als ein Blitz die Umgebung erhellte.

„Wenn die Gleise überflutet werden, bekommen wir ein Problem!“ meinte Dinah. „Und es gibt keinen erhöhten Punkt in dieser Gegend!“

„Dieses Unwetter ist irgendwie nicht normal...“ murmelte Casey.

Trotz des heftigen Regens kämpfte sich die kleine Dampflok mutig vorwärts.

„Wir müssen schleunigst hier raus aus dem Delta!“ schnaufte Rusty.
 

Immer höher stieg das Wasser, erreichte den Bahndamm und schwappte dagegen.

„Fahr schneller, Kumpel! Die Gleise hinter uns werden schon überspült!“ rief Dustin.

„Ich merke es!“ keuchte Rusty. Langsam begann sich Panik in ihm breit zu machen. Mehr noch als Wasser an sich fürchtete er Überschwemmungen. Deshalb beschleunigte er wieder sein Tempo. Er wollte nur eins, weg von hier und dem steigenden Wassermassen.

Casey blickte immer wieder aus dem Führerhaus und behielt die Strecke vor sich und den Bahndamm im Auge.

„Freunde, merkt ihr das auch?“

„Was, Casey?“

„Die Strecke steigt langsam an! Vielleicht sind wir auf der Kuppe des Hügels vor den Wassermassen sicher!“

Tatsächlich ging es stetig leicht aufwärts, außerdem begann der Regen schwächer zu werden, das Gewitter verklang in der Ferne.

„Da! Ich habe gerade ein Schild gesehen! Vor uns muss ein Bahnhof liegen!“ rief Casey.

„Dem Starlight sei Dank!“ keuchte Rusty.

Casey gab mit der Pfeife zwei Mal Signal. Rusty wurde langsamer, er schien etwas bemerkt zu haben.

Vor sich konnte Casey jetzt Leute auf der Strecke sehen, die damit beschäftigt waren, Sandsäcke aufzuschichten. Einer der Leute winkte mit einer Laterne, das Zeichen für Rusty, stehenzubleiben. Dann kam er dem kleinen Zug entgegen und blieb neben Rustys Führerhaus stehen.

„Wo kommt ihr denn her?“

„Wir sind auf dem Weg nach Via Coronna, als das Unwetter uns überrascht hat!“

„Da habt ihr aber wirklich Glück gehabt, die Strecke hinter euch und vor euch ist bereits überflutet! –Wartet, wir räumen die Sandsäcke von den Gleisen, dann könnt ihr in den Bahnhof einfahren. Hier seid ihr sicher. Unsere kleine Stadt liegt auf einem künstlich errichteten Hügel, der durch eine zusätzlich Wasserschutzmauer rundum befestigt ist.“

„In Ordnung!“

„Dem Starlight sei Dank! Der Flut entronnen!“ schnaufte die Dampflok erleichtert.
 

Casey war heilfroh, als sie den rettenden Bahnhof erreicht hatten. Hinter ihnen wurden wieder die Sandsäcke aufgetürmt. Nun gab es kein Vor und Zurück mehr, bis das Wasser wieder zurückgehen würde.

Lok und Waggons transformierten unter dem schützenden Bahnsteigdach, Rusty schüttelte sich.

„He, pass auf!“ schimpfte Dinah.

„Sorry.“

Ein Mann in einem Regenmantel der die Abzeichen eines Bahnbediensteten trug, kam den neu Angekommenen entgegen.

„Seid gegrüßt, Reisende. Mein Name ist Remi, ich bin der Stationsvorsteher von Udiana.“

„Ich bin Casey Jones aus Kommoran,“ erklärte der Junge, während er seinen Regenmantel überzog.“Meine Lok heißt Rusty und das sind Dinah und Dustin. Haben sie eigentlich öfters solche Überschwemmungen hier im Delta?“

„So eine wie diese schon lange nicht mehr. Was hat den Vater des Sana nur so erzürnt? Wir haben immer achtgegeben, ihn nicht zu verärgern. Und unsere Vorfahren haben aus den Launen des großen Flussvaters gelernt. Deshalb erbauten wir unsere Städte und Dörfer hier im Delta auf künstlichen Hügeln. Sollte er also wieder über etwas zornig sein, können die Fluten unsere Behausungen nicht erreichen.“

„Es scheint, als würde es langsam zu regnen aufhören.“

„Ist gerade kein weiterer Zug hier?“ wollte Dinah wissen.

„Nein, unsere einzige Lok ist mit den Waggons im Nachbarort. Sie sitzen jetzt auch fest. -Ich muss zur Schutzmauer zurück und sehen, ob sie hält. Der Lokschuppen ist dort drüben.“

„Ich komme mit. Will mir ein Bild von der Sitouation machen.“ sagte Casey.

„Wir begleiten euch.“ sagte Dinah und schloß sich mit Rusty und Dustin den beiden Menschen an.
 

„Ach Du meine Güte! Seht euch das an!“ schluckte Rusty.

Casey starrte auf eine weite, graubraune Wasserfläche. Das ganze Delta um sie herum war überflutet. Nur einzelne Baumkronen sahen noch aus den Fluten heraus.

„Ein einziger, riesiger See....wir sitzen hier erstmal fest. Jetzt kommt man nur mit dem Boot weiter.“ murmelte er.

„Oder als Fisch.“ bemerkte Dustin.

„Wasser, nichts als Wasser...“ murmelte Rusty und schüttelte sich. Ein Alptraum für ihn.

„Keine Angst. Hier seid ihr sicher. Wir-„ begann Remi, doch plötzliche aufgeregte Rufe unterbrachen ihn.

„Casey! Was ist mit Dir?“ rief Rusty erschrocken. Er hatte gerade noch gesehen, wie der Junge ohne einen Laut ins Gras gekippt war.

„Kleiner Lehrling!“ rief Dustin besorgt.

Remi kniete nieder, hob den reglosen Körper an und zog Casey die Kapuze vom Kopf. Das Gesicht des Jungen war gerötet.

„Seine Strin ist ganz heiß! Der kleine Lehrling hat hohes Fieber! Wir müssen ihn schnell ins Trockene bringen! Lasst mich durch, Leute!“
 

Remi eilte in eines der beiden Zimmer des eingeschossigen Lokschuppens. Während des Stationsvorsteher Casey hielt, zog Dinah dem Jungen den Regenmantel aus. Dann legte Remi den Kranken auf dem Bett ab und streifte die übrigen feuchten Kleider ab.

„Ob er sich erkältet hat?“ fragte Dinah.

„Nein. Das ist das Sumpffieber. Habt ihr die letzte Nacht in den Sümpfen verbracht?“

„Ja. Meinen sie, die Mückenstiche haben etwas damit zu tun?“

„Die nicht. Es sind die Blutegel.“ erklärte Remi und wies auf die Wunden an Caseys Füßen. „Einige der Egel tragen den Erreger in sich. Seht ihr die entzündete und stark gerötete Wunde? Da war Einer am Werk und hat dabei den Erreger übertragen. Deshalb vermeiden wir in den Sümpfen barfüßig durch das Wasser zu gehen.“

„Oh nein! Er hat nur kurz seine Füße in das Wasser gehängt, um sich etwas abzukühlen...und da waren sie schon dran.“ schluckte Dinah. „Gibt es eine Medizin dagegen?“
 

Noch bevor Remi antworten konnte, betrat ein Mann das Zimmer. Der Kleidung und der Tasche nach, die er bei sich trug, konnte er nur ein Arzt sein.

„Man hat mir gesagt, hier gäbe es einen kranken Lehrling.“

„Sie kommen gerade recht, Dottore. Ein Fall von Sumpffieber, übertragen durch einen infizierten Egel.“

„Ist es eigentlich ansteckend?“ wollte Rusty wissen.

„Nein, kleiner Negri. Nur die Egel übertragen das Fieber auf uns Menschen.“ (Negri-italienisch für Schwarzer)

Der Arzt öffnette seine Tasche, untersuchte Casey und maß Fieber.

„Vierzig zwei!-Ein ernster Fall. Warscheinlich weil der Junge nicht von hier ist.“

Dann versorgte er noch die entzündete Bisswunde und verband den Fuß.

„Wir kommen aus Kommoran, Ruthia.“erklärte Dinah.

„Verstehe. Er muss alle zwei Stunden zehn von diesen Tropfen nehmen. Löse sie in ein Glas Wasser oder Saft auf.“

„Jawohl, Doktor.“

„Wenn das Fieber steigt, ruft mich sofort wieder.“

Dinah nickte.
 

Plötzlich brachen einzelne Sonnenstrahlen durch die Fenster.

„Oh, der Regen hat wieder aufgehört. Dem Starlight sei Dank!“

„Schaut mal, er macht wieder die Augen auf!“ rief Dustin plötzlich. Tatsächlich kam Casey langsam wieder zu sich. „Hallo, kleiner Lehrling! Wie geht es Dir?“

„Was ist los....mir ist plötzlich schwarz vor den Augen geworden...“

„Du hast Supffieber. Bleib ruhig liegen, der Doktor hat schon nach Dir gesehen.“ erklärte Dinah.

„Keine Sorge, mein Junge. Du bist jung und kräftig, in drei Tagen hast Du es überstanden. So lange dauert ein Sumpffieberanfall normalerweise.“

„Oh mann....mir brummt der Schädel....“ stöhnte der Junge.

„Das ist normal, mein Kleiner. Du musst jetzt viel trinken.“

Casey nickte matt. Er fühlte sich hundeelend.
 

Remi brachte eine kleine Lampe und hängte sie im Zimmer auf.

„Das ist gegen die Mücken. Damit die Biester ihn in Ruhe lassen. Hier außerhalb der Sümpfe kommen sie nur Abends und Nachts. Tagsüber haben wir von ihnen Ruhe.“ erklärte er.

„Die hätten wir gut letzte Nacht brauchen können!“ seufzte Dinah.
 

Nachdem der Doktor und Remi gegangen waren, verabreichte Dinah dem kleinen Patienten die Tropfen und machte ihm kalte Umschläge. Rusty bemerkte das besorgte Gesicht des Waggonmädchens. Er wusste, was gerade durch ihren Kopf ging. Casey stammte nicht einmal aus dieser Welt. Was, wenn er gegen bestimmte Krankheiten hier keine Abwehrkräfte bilden konnte? Rusty fand es furchtbar, seinen Lehrling so leiden zu sehen. Caseys Atem ging unruhig, sein leises Keuchen bedeutete nichts Gutes. Hoffentlich half die Medizin auch bei ihm.

In den nächsten Stunden wich Dinah nicht von Caseys Seite, erneuerte die feuchten Umschläge und maß Fieber.
 

Gegen Abend sahen der Arzt und Remi noch einmal vorbei.

„Keine Besserung?“

„Nein, Doktor.“ schüttelte Dinah den Kopf.

„Lass den Kopf nicht hängen. Auf jeden Fall hat sich sein Zustand in den letzten Stunden nicht verschlechtert.“
 

„Hallo, Remi. Ich bin wieder zurück.“

Ein Waggonmädchen in einem weiß-blauen Einteiler mit weißen Schneeflockensymbolen betrat den Lokschuppen.

„Frigida! Dich habe ich ja ganz vergessen!-Das ist Frigida, unser Kühlwagen. Sie liefert die leicht verderblichen Lebensmittel aus der Stadt hierher. Gerade war sie drüben in unserem Notlager und hat die Vorräte überprüft. Für solche Sitouationen haben wir immer einen Notvorrat angelegt.“

„Was fehlt denn dem kleinen Lehrling?“

„Er hat Sumpffieber.“

„Der arme Kleine! Es geht ihm nicht besonders.“

„Das Fieber ist zu hoch. Normalerweise dürfte das nicht sein.“

„Vielleicht kann ich helfen.

„Wie denn?“ wollte Rusty wissen.

„Berühr mich einmal.“

„Huah! Du bist ja eiskalt!“ rief die kleine Dampflok und riß die Hand zurück.

„Ich bin ja auch ein Kühlwaggon. Vielleicht kann ich das Fieber etwas senken, wenn ich ihn eine Weile im Arm halte.“

„Aber nicht zu lange.“

„Natürlich, Dottore. Sobald er zu frieren anfängt, lege ich ihn wieder zurück.“ nickte Frigida.
 

„Beim Starlight! Der Junge glüht ja richtig!“ stellte das Waggonmädchen fest, als sie ihn vorsichtig auf ihren Schoß setzte. Immer nach etwa fünf Minuten legte sie ihn wieder zurück, wartete eine Viertel Stunde und holte ihn dann wieder zu sich.

„Oh, er wacht auf.“

„Nnh...wer bist Du?“ murmelte Casey benommen, als er das fremde Gesicht über sich sah.

„Ich bin Frigida. Wir wollen versuchen, dein Fieber etwas zu senken.“

„Oh ja...Du bist schön kalt...mir ist so heiß...“

Matt schloss Casey wieder die Augen. Er wollte nur noch eines. Schlafen.
 

Eine Stunde später maß Dinah wieder Fieber.

„Neununddreißig fünf. Viel hat es nicht gebracht, aber wenigstens ist er jetzt unter Vierzig Grad.“ seufzte Dinah.

„Du solltest dich jetzt ausruhen. Ich werde weiter aufpassen. Wir lösen uns ab.“ sagte Dustin.

„Ich werde auch Wache halten.“ bemerkte Rusty.

„Wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr mich jederzeit rufen. Ich bin nebenan in der Werkshalle, meinen Akku aufladen.“

„Danke, Frigida.“
 

In dieser Nacht fanden die Freunde nur wenig Schlaf. Teilweise war es die Sorge um Casey, teilweise die Furcht das Wasser würde noch steigen. Denn der Regen hielt an. Zwar nicht mehr wolkenbruchartig, doch ein stetiges leises Trommeln der Wassertropfen war unter dem Dach zu hören.

Dustin wich nicht von Caseys Seite. Dinah, die kaum ein Auge zugetan hatte, gesellte sich bereits nach zwei Stunden wieder zu ihm. So saßen sie gemeinsam neben dem Bett, Dinah hatte sich müde an Dustins Schulter gelehnt.
 

Kurz nach Mitternacht rollte ein sich die Augen reibender, gähnender Rusty in das Krankenzimmer.

„Ich löse euch jetzt ab, Freunde. Du bist schon seit Stunden auf den Rädern, Dinah. Leg dich wieder hin und versuche zu schlafen.“ sprach er zu den Beiden.

„Ruf mich aber sofort, wenn etwas ist. In zwei Stunden muss er wieder seine Medizin nehmen.“ mahnte Dinah.

„Natürlich.“ nickte die kleine Dampflok und bezog neben dem Bett Posten. Er setzte sich auf den Boden den Rücken an die Wand gelehnt und beobachtete schweigend seinen kranken Lehrling.

„Du schaffst das schon, Casey.“ murmelte die kleine Dampflok.
 

Dinah ging nach draußen vor die Tür um ein wenig frische Luft zu schnappen. Nachdenklich blickte sie in den noch immer wolkenverhangenen, nächtlichen Himmel. Gerade schien der Regen eine kleine Pause eingelegt zu haben. Die Ruhe vor der Flut?

Starlight Express! Bitte rufe Casey noch nicht zu Dir! Er ist doch noch so jung! Und was wird sonst aus uns?“ schickte Dinah ein Gebet in den nächtlichen Himmel.

„Mach Dir keine Sorgen, Dinah. Casey schafft das. Und der Starlight wird nicht zulassen, das er uns verlässt. Da bin ich mir sicher.“

Dinah drehte sich um und blickte in Dustins sanft lächelndes Gesicht.

„Du hast recht. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. –Manchmal frage ich mich, wer von euch Drei das größte gute Herz hat. Du, Rusty oder Casey.“

Dustin errötete und kratzte sich verlegen hinter dem Kopf.

„Wir sollten wieder reingehen. Ich bin hundemüde und werde mich hinlegen.“ murmelte er.

„Du hast recht. Wir brauchen unsere Kraft für morgen.“

Kurz darauf wurde es wieder still im Lokschuppen. Das schwache licht der Mückenlampe in Caseys Zimmer war die einzige angelassene Beleuchtung. Und wieder setzte ein leichter Regen ein...
 

Von Fieberträumen geplagt, wälzte sich Casey unruhig hin und her. Die Decke hatte mit seinen Füßen zur Hälfte heruntergeschoben, da ihm immer noch furchtbar heiß war. Vor einer Stunde hatte Dinah ihn kurz geweckt, um ihm die Medizin zu geben und ein wenig zu trinken.

Gerade träumte der Junge von Red Caboose, wie er ihn als kleine Lok, die er für einen Tag gewesen war, verfolgte.

„Ich krieg dich! Ich krieg dich, Du kleiner Wicht!“

Sein irres, schrilles Lachen hallte hinter ihm her.

„Nein...nein..AH!“

Casey schreckte hoch und verharrte keuchend. Dann ging sein Blick zum Fenster neben dem Bett. Draußen dämmerte gerade der Morgen, es hatte wieder etwas zu regnen begonnen, einzelne Tropfen liefen in langsamen Bahnen die Scheibe herunter.

„Caboose...seine verdammte Lache geht einem durch Mark und Bein...“
 

Plötzlich stutzte er. Wieder dieses Lachen. Diesmal leiser und verstohlener.

„Äh-träum ich noch?“ murmelte er.“Muss das Fieber sein..“

Doch dann erkannte er draußen im grauen Licht des Morgens plötzlich einen roten Schatten. Er konnte ihn nur verschwommen durch das regennasse Fensterglas erkennen, doch es war eindeutig der rote Bremswaggon. Und eindeutig seine Lache. Casey würde sie jederzeit wiedererkennen.

„Das gibts doch nicht! Was macht der hier? Er muss vor uns hierhergelangt sein. Und was schleicht er da herum? Er hat etwas bei sich..das hat er bestimmt geklaut, so wie er sich verhält!“

Casey presste sein Gesicht gegen die kühle Scheibe, seufzte über das angenehme Gefühl auf seinem erhitzen Gesicht.. Aber Red Caboose war bereits ausser Sicht.

„Und schon isser wieder weg. Der Kerl führt doch wieder irgendwas im Schilde! Ich weiß, ich werde das bereuen, doch der Kerl darf nicht ungeschoren davonkommen!“ dachte Casey. Er sah sich im Zimmer um. Rusty lehnte sitzend an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers und war eingeschlafen. Casey lächelte zu ihm hinüber. Dann schob der Junge leise das Fenster hoch, möglichst darauf bedacht, keinen Lärm zu machen. Rusty brauchte seinen Schlaf nach der anstrengenden und aufregenden Herfahrt und er würde ihn sicher nicht mitfahren lassen, wenn er ihm von Red erzählte. Warscheinlich würde er ihm nichteinmal glauben, würde das was der Junge gesehen hatte, es als Fieberträume werten.

Warme Luft drang durch das Fenster herein.

„Gut, dann brauch ich nichts weiter anziehen. In dem Matsch und Regen werden meine Klamotten nur nass und dreckig. Die Shorts reichen. Und mit den Rollerblades fahren kann ich vergessen. Der Boden ist zu aufgeweicht.“

Casey schlüpfte durch das geöffnette Fenster ins Freie und sprang vom Fensterbrett hinunter. Mit einem dumpfen Laut landete er im Gras. Er lief hinüber zu der Stelle, wo er vorhin Red Caboose gesehen hatte und tatsächlich: In der weichen Erde waren deutlich Spuren zu sehen.

„Na also! Ich brauche nur seinen Radspuren zu folgen. Durch den Matsch kommt er nicht schnell vorran.“

So schnell es sein gegenwärtiger Zustand zuließ, folgte er der deutlichen Fährte. Zum Glück kreuzten sie keine anderen Lokradspuren.
 

Die Spur führte weg vom kleinen Bahnhof, die Stadt blieb hinter ihm zurück.

„Wow, da sind sogar einige kleine Felder! Dieser „Hügel“ ist gar nicht mal so klein! Das ist eine große künstliche Insel!“

Zwischendurch musste er anhalten und kurz verschnaufen. Dazu legte er sich rücklings in das nasse Gras, um seinen durch das Fieber erhitzten Körper etwas abzukühlen. Er hielt sich außer Sicht von Red Caboose, seine Spuren waren gut zu sehen. Doch wenn das Gras sich wieder aufgerichtet hatte, würde nicht mehr viel zu erkennen sein.
 

Hinter den Feldern bildeten grasbewachsene Hügel einen zusätzlichen Deich, dahinter fiel das Gelände plötzlich sanft ab und führte in ein kleines Tal, dahinter verlief der äußere Schutzwall. In der Mitte der Niederung erhob sich ein kleiner Berg, auf dessen Kuppe die Ruinen einer alten Festung ruhten. Ein Pfad wand sich um den Hügel herum und führte nach oben.

„Wow, das müssen die Vorfahren der Torroner gebaut haben! Und die Mauern sind im römischen Stil. Demnach muss diese künstliche Insel schon sehr alt sein...schon deren Vorfahren waren große Baumeister....“ murmelte Casey, als er den Radspuren Red Cabooses weiter folgte. Sie führten über den Deich und den gewundenen Pfad hinauf.

Casey sah nach oben und konnte für einen Moment eine rote Gestalt oben bei der Ruine erkennen. Schnell warf er sich zu Boden, um nicht entdeckt zu werden.
 

„Da oben hat sich also der Bursche verschanzt. Ist ja auch ein gutes Versteck. Er darf mich nicht sehen! Ich muss ungesehen da hinaufkommen. Irgendwie. Der gewundene Weg bietet keine Deckung. Red würde mich von da oben sofort entdecken.“

Casey ging um den Hügel herum, die Deckung der alten knorrigen Bäume ausnutzend, welche vereinzelt am Ufer standen. Es waren alte, knorrige Weiden, ein weiterer Beweis, das die Insel schon sehr lange existieren musste. Die dicken weit verzweigten Wurzeln hielten den Boden zusammen und gaben dem Untergrund eine gewisse Festigkeit. Casey warf einen prüfenden Blick über den Schutzwall. Die Wellen leckten begierig an den alten Mauer, an manchen Stellen der Mauer hatte das Wasser bereits begonnen, leicht durchzusickern.

„Das Wasser steigt noch immer. Langsam, aber irgendwann wird es überlaufen, wenn dieser Regen nicht bald aufhört. –„Oh, was ist das?“

Auf einer Stelle des Mauersimes stand ein Torbogen und darin die steinerne, bereits etwas verwitterte Figur eines weiblichen anmutigen Wesens.

„Wie schön...das muss eine Wassernymphe sein, so wie die Leute sie sich vorstellen. Bestimmt wurden sie früher von den Bewohnern verehrt. Oder sie werden es heute noch.“
 

Noch immer war der Himmel grau verhangen, aber es fielen nur noch vereinzelte dicke Tropfen herab. Casey sah in den Himmel. Fast sah es so aus, als würden die Wolken weinen. Doch der Regen kühlte auch etwas seinen fiebrigen Körper. Doch jeder Schritt, jede Bewegung fiel Casey unendlich schwer. Aber er biss die Zähne zusammen und ging weiter.
 

„Hey! Vorsicht! Pass auf, wo Du hintrittst, Menschenjunge!“

„Was? Wer spricht da?“

Casey erstarrte und sah sich um. Als er den Blick zum Boden richtete, sah er im Gras drei dicke, hellbraun-grün gefleckte Kröten sitzen. Sie waren etwa so groß wie Meerschweinchen und glotzten unverwandt zu dem Jungen hoch.

„Wow, ihr seid aber wirklich riesige Kröten!“

Zuerst dachte er, die Tiere hätten gesprochen, doch dann konnte er die seltsamen, kleinen Wesen erkennen, die auf den Rücken der Kröten saßen. Kleine, blaugrün geschuppte humanodie Kreaturen mit struppigen, grasgrünem Haar, spitz zulaufenden Ohren und mandelförmigen, wasserblauen Augen.

Ihre Füße hatten die gleiche Flossenform wie die Ihrer Reittiere, die Zehen waren mit kleinen Krallen besetzt. Auch die dreifingrigen Hände besaßen Schwimmhäute. Sie trugen einfache Kleidung aus einer Art schuppigem Leder.

„Wer seid ihr?“

„Wir sind Sumpfkobolde.“ antwortete eines der Wesen mit piepsender Stimme. Dem Körperbau nach war sie eindeutig weiblich, die anderen beiden männlich. „Was macht ein Junge wie Du hier draußen bei diesem Wetter?-Hm...und Du siehst gar nicht gut aus.“

„Kein Wunder Serafin, er hat das Sumpffieber.“

„Du hast recht, Globb, jetzt sehe ich es auch. Die entzündete Egelwunde an seinem Fuß.“

Erst jetzt bemerkte Casey, das er beim Laufen den Verband verloren hatte.
 

„Ich verfolge einen Bremswaggon. Red Caboose. Habt ihr ihn gesehen? Er ist da oben rauf. Ich glaube, er führt irgendetwas im Schilde.“

„Ein roter Bremswaggon? Den suchen wir auch! Er hat das Ei unserer großen Flussmutter gestohlen!“

„Serafin! Findest Du es vernnünftig, diesem Menschenjungen davon zu erzählen?“ rief der zweite männliche Sumpfkobold.

„Der Junge hat ein gutes Herz und ein ehrliches Gesicht. Wir können ihm vertrauen, Plitsch.“

„Das Ei der großen Flussmutter? Wusst ichs doch! Er hat sich so komisch verhalten, als ich ihn gesehen habe! Ich konnte beobachten, wie er etwas in ein Tuch gewickelt, in den Armen getragen hat. Er hatte sich in einem alten Lagerhaus am Bahnhof versteckt und ich habe ihn bis hierher verfolgt. Aber wie hat der Kerl es in die Finger gekriegt?“

Serafin senkte traurig den Kopf.

„Wir sollten das Ei bewachen. Die Flussmutter hatte es uns anvertraut und wollte es nachher wieder abholen. Doch dann sahen wir diesen roten Bremser alleine die Gleise entlang rollen. Wir dachten uns, machen wir uns einen kleinen Spaß und ärgern ihn ein bischen. So haben wir uns zwischen dem Schilf versteckt und immer gerufen: „Seht, ein Red Caboose! Ein einzelner Waggon –und ohne Lok! Das muss ein Streuner sein! Red Caboose ist ein Streuner! Ein Streuner!“

Das hat vielleicht Spaß gemacht! Er ist stehen geblieben und immer wütender und schimpfend hin und hergerollt. Doch er konnte uns nicht sehen, nur hören.“

„Doch dann wurde einer von uns zu übermütig, sprang mit seiner Kröte auf die Gleise und neckte ihn weiter! „Hey Du Streuner! Du kriegst uns ja doch nicht!“ Der Rote stürtze sich auf ihn-natürlich verfehlte er Plocc und landete im Wasser! Voller Wut pflügte er durch das Schilf, entfernte sich immer mehr vom Bahndamm, setzte seine Attacken ein und wir flohen in das tiefere Wasser. Er uns hinterher. Doch dann verfingen sich seine Beine in den Schlingpflanzen und er fiel der Länge nach wieder hin! Hat das gesprizt! Wir lachten und hatten uns schon lange nicht mehr so amüsiert. Doch das Lachen blieb uns im Halse stecken, als er plötzlich etwas zwischen dem Schilf glänzen sah! Neugierig ging er näher, hatte keine Angst, das ihm das Wasser inzwischen bis zu den Schultern reichte und wir versuchten mit aller Macht, ihn da wegzulocken.„ fuhr Plitsch fort.

„Nein, geh da nicht hin!“

„Wieso? Gibt es da etwas wertvolles? Ich denke, ihr bewacht hier etwas Wichtiges, sonst wärt ihr nicht so aufgeregt!“ grinste Caboose böse. Er riss das das ganze Seegras und die Wasserpflanzen heraus, bis er das Nest geöffntet hatte, in dem das Ei lag.

„Wow! Das ist bestimmt ein Schatz! Und ich hab ihn gefunden! Und wers findet, dem gehörts!“

„Das gehört nicht Dir, Du dummer Bremser! Lass das Ei in Ruhe!“
 

„Doch wir hatten keine Chance. Red Caboose nahm das Ei an sich, uns wischte er wie Fliegen beiseite, obwohl wir so viele waren. Wir hofften, er würde sich wieder in den Schlingpflanzen verheddern oder im weichen Boden einsinken, doch er war wegen seiner Holzkonstruktion nicht schwer genug und kam immer wieder frei. Er watete er auf den Bahndamm zurück und rollte einfach davon! Sein schrilles Lachen hallte noch lange in unseren Ohren!“ erzählte Serafina zu Ende.

„So war das also.“ murmelte Casey. „Das sieht diesem Mistkerl ähnlich!“

„Du kannst Dir vorstellen, das die große Flussmutter und vor allem der große Vater des Sana nicht sehr erfreut waren, als sie von dem Diebstahl erfuhren.“

„Lasst mich raten. Deshalb hat der wütende Papa den Sturm zusammengebraut und die Flussarme über die Ufer treten lassen.“

„Genau. Nur wir drei haben uns getraut, die schützenden Sümpfe zu verlassen und auf den großen Fluss hinauszuschwimmen, um nach dem Ei zu suchen.“

„Sag mal, Serafin, wird aus dem Ei eigentlich etwas ausschlüpfen?“

„Natürlich. Eine neue Wassernymphe! Oder ein kleiner Wassermann. Aber meistens werden es Wassernymphen.“

„Ahh...da kommen also diese kleinen Wesen her!“ lächelte Casey. „Hört zu: Ich werde Red Caboose das Ei wieder abjagen. Wir müssen es wieder zurück in den Fluss bringen, damit das Hochwasser wieder zurückgeht! Ich hoffe, wir können den Flussvater wieder besänftigen, wenn wir sein Kind zurückbringen.“

„Du willst uns helfen? Aber Du kannst dich kaum auf den Beinen halten! Das Sumpffieber macht Dir sehr zu schaffen!“

„Es geht schon. Die Menschen hier sind in Gefahr, wenn das Wasser noch weiter steigt! Wir müssen etwas tun!“

„Du bist ein tapferer Junge! Und Du hast das Herz am rechten Fleck. Hör zu, bei uns gibt es ein Heilmittel gegen das Sumpffieber. Aber einer von uns müsste zurück und es holen!“ sagte Globb.

„Ich werde gehen! Ich habe die schnellste Kröte von uns!“ rief Serafin.

„Gut, aber sei vorsichtig!“

„Keine Sorge! Ich komme so schnell ich kann, mit dem Heilmittel zurück!-Vorwärts, Langflosse!“

Erst jetzt bemerkte Casey den flachen, kaulquappenähnichen Ruderschwanz, den Kobold und Reittier besaßen. Mit einem Satz sprang die Kröte auf die Mauer und landete kurz darauf mit einem dicken Platsch in den Fluten. Bald war sie außer Sicht.

„Wow! Eure Kröten haben ja ganz schön Tempo drauf!“

„Gefleckte Sumpfkröten sind auch die Schnellsten.“
 

Inzwischen, im Lokschuppen...

„Rusty! Casey ist weg!“ rief Dinah aufgeregt.

„WAS?“ schreckte die Dampflok aus ihrem Schlummer.

Rusty starrte auf das Bett. Es war leer. Und das Fenster stand einen Spalt breit offen.

„Er ist aus dem Fenster geklettert! Warscheinlich irrt er da draußen herum! Das Fieber muss seinen Verstand trüben!“

„Oh nein! Und ich bin eingeschlafen! Tut mir leid, Dinah...oh nein! Warum hab ich nicht aufgepasst! Wenn ihm etwas passiert...“

„Gräm dich nicht deswegen, Rusty. Wir waren alle müde und brauchten auch unseren Schlaf.“

„Ich werde ihn suchen, Dinah! Dustin, komm mit, wir teilen uns auf! Dinah, Du bleibst hier, falls er zurückkommen sollte.“

„Ist gut.-Oh, ich hoffe nur, er ist in seinem Zustand nicht ins Wasser gefallen!“

„Die Leute können wir nicht um Hilfe bitten! Die haben genug mit der Sicherung ihrer Insel zu tun!“
 

„Wo fangen wir an zu suchen?“ fragte der dicke Tender, als sie den Lokschuppen verließen.

„Komm mit!“

Rusty und Dustin rollten um das Gebäude herum, bis sie auf Caseys Spuren stießen.

„Er ist da lang!“

„Da sind auch Radspuren von einer Lok oder einem Waggon.“ bemerkte Dustin.

„Die gehören sicher Frigida.“
 

Als sie jedoch die Straße in die Stadt erreichten, verloren sich seine Spuren im Gewirr vieler anderer Fußabdrücke und Radspuren von Karren, die neben oder über die asphaltierte Straße verliefen.

„Oh nein...“ stöhnte Rusty. „Hier sind schon zu viele Leute entlanggelaufen!-Wir müssen uns trennen! Ich suche in der Stadt, Du in der Umgebung! So groß kann die Insel ja nicht sein und Casey kann in seinem Zustand auch nicht große Strecken laufen!“

Dustin nickte und Beide rollten in die entgegengesetzte Richtung davon.
 

„So, und wie holen wir uns nun das Ei zurück?“ beriet sich Casey unterdessen mit den beiden Sumpfkobolden.

„Wir müssen Caboose aus seinem Versteck locken!“

„Genau! Ihr lenkt ihn ab und ich laufe hoch und suche das Ei.-Hoffe, er schleppt es nicht ständig mit sich herum.“

„Das glaube ich nicht. Er hat es sicher irgendwo dort oben versteckt.“

„Also los! Scheuchen wir den Dieb aus seinem Bau.“ nickte Casey.
 

Die beiden Sumpfkobolde auf ihren Kröten hüpften vorraus, Casey krabbelte auf allen Vieren hinterher, die wenigen Sträucher als Halt und Deckung nutzend. Mühsam erklomm der Junge die Steigung auf direktem Wege, durch den Regen war der Boden aufgeweicht und das Gras schlüpfrig. Zum Glück war es warm genug und Casey bereute es nicht, das er nur in seinen Shorts losgegangen war.

„Halt dich bereit. Wir fangen an.“

Während Casey hinter einem Strauch bäuchlings in Deckung verharrte, lenkten die Kobolde ihre Reitkröten bis vor das Eingangsportal.

„Hey! Roter Bremser, Du Streuner! Wir wollen das Ei wiederhaben, das Du uns gestohlen hast!“ rief Globb so laut er konnte.

„Ja! Gib es uns wieder! Sonst lernst Du den Zorn des Flussvaters kennen!“ rief Plitsch.

Aus den Mauern drang ein schrilles Gelächter.

„Hiiahahaha! Vergesst es! Das findet ihr nie! Und ich hab keine Angst vor euch Wichten!“

Gleich darauf erschien Red Caboose am Eingangsportal. Es schien seine Schwäche zu sein, das er Beleidigungen einfach nicht auf sich sitzen lassen konnte und man ihn damit leicht aus seinem Versteck locken konnte.

„Wo seid ihr denn, damit ich euch plattmachen kann! Keiner nennt mich ungestraft einen Streuner!“ rief er.

„Versuchs doch, Streuner!“ rief Globb, während sein Freund seiner Kröte einen leisen Befehl gab.

Mit einem schrillen Kampfschrei seines Reiters kam der große Frosch auf Caboose zugeflogen-und landete mitten in seinem Gesicht!

„UUWWAH! Weg mit Dir, Du ekliges Vieh!“

„Versuchs nur! Wenn sich Algenkauer einmal festgesaugt hat, kriegt man ihn nicht so schnell wieder los!“

„Ist das eklig! Ich will keine Warzen kriegen!“ fluchte Caboose und zog an der Kröte.
 

„Das ist meine Chance!“ dachte Casey zur selben Zeit, sprang aus seinem Versteck und hastete das letzte Stück zur Festung hoch. Während Caboose verzweifelt versuchte, die dicke Kröte von seinem Gesicht zu bekommen, gelangte der Junge durch ein Loch in der alten Mauer in das Innere der Ruine.

Plötzlich musste er anhalten, da sich alles um ihn zu drehen begann. Keuchend stützte er sich an einer Wand ab und wartete kurz, bis er wieder zu Atem kam und der Schwindel sich gelegt hatte.

„Genug Zeit verloren! Ich muss weiter!“

Casey blickte in jede Nische, jede Öffnung im Mauerwerk, steckte zur Sicherheit seine Hand hinein, um zu fühlen, ob sich etwas im Innern befand.

„Wo hat er seine Beute nur versteckt?“

Plötzlich drang aus aus einer Mauernische am Boden ein schwaches glühendes Licht.

„Ah, da hat er dich versteckt!“ flüsterte Casey, robbte halb in die enge dunkle Öffnung und zog das Bündel hervor. Er klappte die Decke auf und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Da Ei hatte eine ovale Form und war etwa so groß wie ein Football. Aber das eindrucksvollste war die glatte, blaugold glänzende Oberfläche.

„Ooohhh....es ist wirklich ein Ei! Und wie das glänzt! So etwas schönes habe ich noch nie gesehen! Kein Wunder, das Caboose nicht die Finger davon lassen konnte!“

Casey verschloss das Bündel wieder sorgfältig und lauschte. Red Cabooses Geschrei war verstummt. Langsam schlich Casey den Weg zurück, den er gekommen war. Unterwegs musste er immer wieder kurz stehen bleiben, weil die Schwindelanfälle zurückkehrten.

„Wenn sich bloß nicht immer alles vor meinen Augen drehen würde!“ dachte er verzweifelt. „Ich darf nicht ohnmächtig werden! Auf keinen Fall!“

„Vorsicht, Menschenjunge!“

Globb kam ihm auf seiner Kröte entgegen. Doch es war zu spät. Der Bremswaggon war ihm auf den Fersen und so war es unvermeidlich, das er Casey entdeckte.

„ARR! Du schon wieder, verdammter Bengel!“ grollte Red. Dann entdeckte er das Bündel in Caseys Armen. „Gib das sofort wieder her! Das ist meins!“

„Von wegen, Du Dieb! Weißt Du nicht, das es deine Schuld ist, das das Wasser immer höher steigt? Das ist das Ei der großen Flussmutter!“

„Quatsch! Das ist ein Schatz und wenn ich den verscherbelt habe, bin ich reich und brauche keinen Finger mehr zu rühren! Für niemanden! Ich werde mein eigener Herr sein!“

„Du bist ein Idiot! Der Lebensinhalt einer jeden Lok oder eines Waggons ist es zu arbeiten und zu reisen, nicht ein faules Leben zu führen! Aber Du Red, schlägst wirklich voll aus der Art!“

„Dann tu ich das eben! Warum soll sich ein Caboose nicht auch mal vergnügen dürfen? Und jetzt her mit dem Ei oder was auch immer es ist!“

„Vergiss es!“ knurrte Casey und wich zurück. Der Bremswaggon bemerkte Caseys schwankenden Gang und die Schweißperlen auf seiner Stirne. Außerdem atmete er schwer, als hätte er einen hundert-Meter-Sprint hinter sich.

„Hmm...es schein Dir nicht besondes gut zu gehen, Bengel...ich werde ein leichtes Spiel haben...also gib mir mein Eigentum zurück!“

Cabooses Hand fuhr vor und bekam Casey am Oberarm zu fassen.

„Loslassen, Du Mistkerl!“

Der Junge versuchte sich loszureißen. Dabei öffnette sich das Bündel etwas und der Junge bekam einen Schreck!

„Hör sofor auf, Red! Das Ei bekommt schon Risse!“

„WAS? Hast Du es etwa kaputtgemacht? Dafür dreh ich Dir den Hals um!!“ schrie Red ihn an. Casey riss sich los und wich zurück, bis er die Wand in seinem Rücken spürte.

„Oh nein!“ rief Plitsch.

Das glühende, goldene Licht verstärkte sich. Und im nächsten Moment zersprang mit einem leisen, hellen“Plink“ die Schale, Splitter regneten als feines Konfetti zu Boden -und Casey hielt ein Wassernymphenbaby mit Wasserblauer Haut und goldorangenen Augen in den Armen.

„Huaah! es ist geschlüpft!“ rief Casey.

Das Baby sah Casey an und lächelte. Dann stieß es einen frohen Laut aus.

„Oh je, hättest Du damit nicht noch etwas warten können?“ seufzte er.

„Das darf doch nicht...das war wirklich ein Ei...“ murmelte der Bremswaggon und starrte das soeben geschlüpfte Wesen an. Auf dem Boden blieben viele winzige Bruchstücke des Eis zurück. Viel zu klein, um noch etwas damit anzufangen. Außerdem glänzten sie nicht mehr.

„Du verdammter Bengel hast mir schon wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht!“ grollte der Bremswaggon. Das Baby stieß eine angstvollen hohen Laut aus.

„Aber...wenn ich schon nicht das Ei verkaufen kann, dann bringt mir sicher dieses Nymphenbaby ein Vermögen! Ein Abnehmer wird sich bestimmt finden!“

„Bist Du total bescheuert?! Ein Baby kann man doch nicht verkaufen! Schlimm genug, das Du das Ei gestohlen hast!“

„Das hast Du nicht zu bestimmen! Also los, her mit dem Balg!“

„Du bist so was von niederträchtig!“
 

„Gut zielen, Mückenschnapper! –Angriff!“

Globbs Kröte stieß sich kraftvoll von einem Mauersims ab, sprang in die Höhe und auf Caboose zu. Im nächsten Moment spuckte sie eine grünes, schleimiges Sekret mitten in das Gesicht des Bremswaggons, landete auf dessen Kopf und sprang von da aus wieder auf den Boden zurück.

„UAARRHH!! -Bremssand und Altöl! Was ist denn das für ein ekeliges Zeug?!“ kreischte Red Caboose erschrocken und versuchte, die schleimige Pampe aus seinem Gesicht zu kriegen. „Und wie das brennt!“

„Hehe, das ist Mückenschnappers Verdauungssekret!-Weißt Du, Menschenjunge, normalerweise setzt er sich damit gegen Fressfeinde zur Wehr. Er würgt es hoch und dann spuckt er!“

„So genau wollte ich das nicht wissen. Übrigends heiße ich Casey.“

„Kommt, hier entlang!“ rief Plitsch und winkte. Casey eilte den beiden Sumpfkobolden hinterher. Die drei eilten durch das Labyrinth der Gänge und Gebäude, bis Casey erschöpft stehenblieb.

„Jungs, ich kann nicht mehr. Ich bin völlig alle! Das Fieber....“

„Armer Bursche! Er zittert bereits vor Erschöpfung.“

„Könnt ihr nicht das Baby..“

„Wir beide sind zu klein und können es nicht richtig tragen. Es könnte außerdem auf unserer Flucht verletzt werden! Wenn wir doch nur mehr wären...“ jammerte Globb.

„Warte, hier ist ein Loch im Boden unter der Mauer! Da können wir uns alle drei drin verstecken!“ rief Plitsch und wies auf eine dunkle Öffnung im Boden. Casey schlüpfte als Letzter, die Füße vorran hinein und verstopfte den Eingang mit trockenem Gestrüpp, das er gefunden hatte.

„Okay. Vielleicht hilft die Pause mir, wieder zu Kräften zu kommen. Und vielleicht ist sogar Rusty schon auf der Suche nach mir.“

„Rusty?“

„Meine Lok. Sicher haben sie mein Verschwinden schon bemerkt.“

Schweigend saßen die drei zusammen und lauschten Red Cabooses Flüchen, die sich langsam entfernten.

„Puh! Gut, er läuft in die falsche Richtung.“

Minuten des Wartens verstrichen, nur das leise Keuchen von Casey war zu hören. Er lehnte an der Wand und hatte die Augen geschlossen.

„Sieh nur, Plitsch, es geht ihm gar nicht gut.“

Caseys Gesicht hatte sich vor Schmerzen verkrampft, hin und wieder entwich ihm ein leises Wimmern.

„Es ist die Entzündung an seinem Fuß. Sie hat sich verschlimmert. Er ist richtig angeschwollen, aber er verbeißt sich so gut er kann, den Schmerz. Tapferer Bursche.“ bemerkte Plitsch.

Das Nymphenbaby sah seinen Beschützer an und gab einen fragenden Laut von sich.

„Ja, Kleines. Es tut sehr weh. Ich weiß nicht, ob ich noch laufen kann.“

Auf einmal rutschte das Wesen aus Caseys Armen und legte sich mit seinem Oberkörper auf den kranken Fuß. Es schloss die Augen und fast sah es so aus, als ob es sich auf etwas konzentriere.

„Oh-was machst Du? Hey, das ist schön kühl....mmmh...tut richtig gut....die Schmerzen lassen sogar nach.“

Die beiden Sumpfkobolde konnten beobachten, wie Casey entspannt die Augen schloss. Kurze Zeit später setzte sich das Baby wieder auf. Casey hob es wieder hoch –und erlebte eine Überraschung!

„Das gibts doch nicht! Mein Fuß-die Schwellung-sie ist weg! Genauso die Entzündung! Nur noch eine kleine Narbe ist vorhanden!-Kleines, wie hast Du das nur gemacht? Du bist doch noch keine Stunde alt!“

„Manche Nymphen können bestimmte Verletzungen heilen. Sie hat anscheinend ein Talent dafür.“ lächelte Globb.

„Danke, mein Kleines. Jetzt gehts mir schon viel besser.“ lächelte Casey dankbar. Das Baby strahlte über das ganze Gesicht und gab einen fröhlichen Laut von sich.
 

„Wo haben die sich versteckt?“ knurrte Red Caboose und rollte suchend in der Ruine umher. Mit seinen Scheinwerfern strahlte er in jedes Loch, das er fand. „Sie sind bestimmt noch hier! Der Bengel ist krank und kann kaum laufen!“
 

Nun konnte sich Casey endlich das kleine Wesen genauer ansehen. Er war wohl der erste Mensch der eine Wassernymphe zu sehen bekam. Doch halt. Die Statue unten auf der Schutzmauer. Wenn man sich vorstellte, wie dieses Baby später einmal aussehen könnte, passte es gut mit dem Bildnis zusammen. Vielleicht war der Erschaffer dieser alten Skulptur einst einer Nymphe begenet. Lächelnd blickte er auf das kleine Wesen, das sich in seine Armbeuge gekuschelt hatte und ihn mit seinen großen, fragenden Augen ansah.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin jetzt so etwas wie dein großer Bruder. Und ich pass auf dich auf, bis Du in Sicherheit bist.-Ich wollte immer eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder haben, doch leider wurde nichts daraus...“

„Warum?“ wollte Plitsch wissen.

„Meine Mutter ist an einer schweren Krankheit gestorben.“

„Oh...das tut mir leid.“

„Aber jetzt bist Du meine kleine Schwester. Und dieser miese Red Caboose wird dich nicht kriegen! –Sagt mal, wie lange kann eigentlich eine Nymphe außerhalb des Wassers leben? Trocknet sie nicht irgendwann aus?“

„Da müssen erst Tage vergehen. Außerdem ist das Wetter gerade ziemlich nass. Das ist nur von Vorteil.“

„Dann bin ich beruhigt.“
 

Inzwischen, auf der anderen Seite der Insel, am anderen Ende der Stadt...

„Und Remi, was meinst Du?“

„Es sieht nicht gut aus, Herr Bürgermeister. Frigida und ihre Gruppe melden das das Wasser bereits an meheren Stellen durch die Mauer dringt. Selbst die Pumpen schaffen es nicht mehr, das Wasser aus den Straßen zu halten. Es sickert bereits an zu vielen Stellen durch das poröse Mauerwerk. Der Druck wird einfach zu groß.“

„Dann müssen wir unsere letzte Zuflucht aufsuchen. Die Ruinen der alten Festung. Bald wird das Wasser die ersten Gebäude erreichen.“
 

„CASEY!!“

Gerade kam Rusty angerollt und sah sich suchend um.

„Was ist los?“ fragte Remi besorgt und lief der Dampflok entgegen.

„Casey ist verschwunden! Wir wissen nicht warum, aber als wir heute morgen nach ihm sehen wollten, war er weg! Hat ihn jemand gesehen? Vielleicht ist das Fieber daran schuld.“

„Warum habt ihr uns nicht um Hilfe gebeten?“

„Ihr habt genug Probleme mit dem Hochwasser. Wir wollten euch nicht auch damit noch behelligen.“

„Es sind immer noch genug Helfer für die Evakuierung vorhanden. Viel wichtiger ist, das der Junge gefunden wird!“ erklärte der Bürgermeister. „Er ist krank und irrt irgendwo da draußen herum!“

„Bitte große Flussmutter, beschütze ihn...“ murmelte eine der Frauen.

„Frigida?“

Der Kühlwaggon nickte Remi zu.

„Ich werde Rusty beim Suchen helfen.“

„Gut, die anderen werden die Augen offenhalten, während die Evakuierung läuft Ich kümmere mich um Dinah.“ erklärte der Stationsvorsteher. Die Bewohner nickten und eilten in ihre Häuser zurück. Jetzt hieß es die wichtigsten zusammengepacken Habseligkeiten zu holen und sich am vereinbarten Treffpunkt wieder zu versammeln. Remi lief zum Bahnhof zurück, um Dinah bescheidzugeben, sich ebenfalls fertigzumachen. Man würde sich dann in der Festung auf dem Berg treffen.
 

„Rusty, Du übernimmst die westliche Hälfte, ich die östliche. Wir treffen uns am Fuße der alten Festung am anderen Ende der Insel.“

„Es gibt hier eine alte Festung?“

„Ja, die Bewohner werden dorhin evakuiert. Die Ruine steht auf einem Hügel und ist schon von weitem sichtbar, wenn Du den Deich überquert hast.“

„Dustin durchkämmt gerade vom Bahnhof her die Insel am östlichen Ende.“

„Die drei Gehöfte dort wurden bereits evakuiert. Vielleicht hat Dustin Erfolg.“ bemerkte Frigida. „Dann schränke ich meine Suche auf den mittleren Teil ein. Also los!“

Dampflok und Kühlwaggon rollten in die entsprechenden Richtungen davon.
 

Fortsetzung folgt...

Der Zorn des Flussvaters

Kapitel 17: Der Zorn des Flussvaters
 

Dustin mühte sich über den matschigen Untergrund. Durch sein Gewicht sanken seine Räder jedes Mal tief ein und er kam nur langsam vorwärts. Vor allem blieb die weiche Erde immer wieder zwischen seinen Rädern kleben. Bald konnte er nur noch stapfen und nicht mehr rollen.
 

Gerade suchte er in den bereits verlassenen Gehöften vor der Stadt und auf den Feldern.

„Oh je! Ich komme kaum noch vorwärts! Ohne Gleise bin ich auf diesem weichen Gelände aufgeschmissen....kleiner Lehrling! Wo bist Du?“

Er lehnte sich gegen die Schutzmauer, um ein wenig zu verschnaufen und versuchte, den gröbsten Schlamm von seinem Fahrgestell zu bekommen.

Besorgt sah er über den Schutzwall auf das unruhige Wasser hinaus. Nur etwas mehr als einen Meter trennte das Wasser von dem Sims. Immer wieder schlugen die Wellen gegen den Wall, als wollten sie mit aller Macht versuchen, ihn zu durchbrechen.

„Großer Flussvater, warum bist Du nur so verärgert? Bitte hilf mir, unseren kleinen Lehrling zu finden! Er ist sehr krank und hat sich irgenwo auf der Insel verirrt!“ bat er leise. „Wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen und Casey ist ein guter Junge. Ich will nicht, das ihm etwas geschieht! Aber ich bin so schwer und bleibe immer im Matsch stecken.“
 

„Ich habe deine Bitte gehört. Aus deiner Stimme spricht ein reines Herz. Ich werde Dir helfen, damit Du schneller vorwärtskommst.“ vernahm der Tender plötzlich eine weibliche sanfte Stimme, die vom Wind herangetragen wurde.

„Wer bist Du? Ich kann dich nirgends sehen.“

„Das kannst Du auch nicht, denn ich bin die große Mutter des Sana. Und Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist kein Kind in die Fluten gefallen. Das hätte ich bemerkt.“

„Wie willst Du mir helfen?“

„Ich werde dir einen Wasserfilm schicken, damit Du schneller vorwärtskommst.“

Kaum waren ihre Worte im Wind verklungen, da schwappten zwei glänzende Pfützen über die Mauer, flossen über den Boden und legten sich um Dustins Fahrgestell.

„Ja, jetzt geht es viel leichter! Hab dank, große Flussmutter!“ freute sich der Tender.

„Mehr kann ich nicht für dich tun.“

„Das hilft mir schon sehr! So finde ich Casey bestimmt!“

Erleichtert über das Wissen, das Casey nicht in den Fluss gefallen war, setzte Dustin seine Suche fort.
 

„Ich wusste nicht, das diese Insel so groß ist...“ murmelte Rusty, während er auf dem Boden nach Fußspuren Ausschau hielt. Aber das Gras hatte deutliche Abdrücke verhindert und sich längst wieder auf gerichtet. Auch er hatte Schwierigkeiten, das Gelände war für sein Fahrgestell nicht der geeignetste Untergrund.

Kurz hinter der Stadt sah er plötzlich etwas im Gras liegen. Er bückte sich und hob es auf.

„Das ist doch der Verband von Caseys Fuß! Er muss hier langelaufen sein...ja, da in der Pfütze ist ein einzelner Fußabdruck der von ihm stammen könnte.-Casey! Antworte mir!“

Aber nur das ferne Rauschen des Wassers drang an sein Ohr.

Einige hundert Meter weiter entdeckte er plötzlich eine kleine Gruppe von Leuten, die etwas herbeitrugen und ablegten. Rusty rollte die leicht schräge Senke hinunter und erkannte bald darauf das die Leute dabei waren, Sandsäcke aufzuschichten. Eine schmaler Kanal durchzog die Senke, durch den sich gurgelnd das Wasser einen Weg bahnte.

„Nanu? Was tust Du hier? Du solltest besser bei den Anderen bleiben! Das Wasser dringt bereits an einigen Stellen durch die Schutzmauer und überflutet die tiefer gelegenen Teile unserer Insel! Wir versuchen, das eindringende Wasser durch diesen Kanal wieder in den Fluss zurückzuleiten. Unsere Vorfahren haben diese natürliche Rinne für solche Fälle angelegt!“ erklärte einer der Männer, seiner Kleidung nach offensichtlich ein Feuerwehrmann.

„Ich suche meinen Lehrling! Habt ihr ihn gesehen? Seine Spuren führen in diese Richtung.“ erklärte Rusty.

„Den kranken Jungen? Was macht er um des Starlight Willen hier draußen?“ fragte der Leiter der Gruppe.

„Dann habt ihr ihn nicht gesehen.“

Die zwölf Männer verneinten.

„Wir sind erst seit kurzem hier und wollen verhindern, das das Wasser über die Rinne tritt. Gleich kommt ein weiterer Trupp, um einen Übergang zu schaffen.“ erklärte Valentino, der Feuerwehrmann.

„Was befindet sich auf der anderen Seite?“

„Die Ruinen der alten Festung. Sie liegt hoch auf einem Hügel und ist die letzte Zuflucht, falls unsere Schutzmauer den Wassermassen nicht standhält. Wenn Du den Deich auf der anderen Seite überquert hast, kannst Du sie schon sehen.“

„Ich muss da rüber! Vielleicht ist Casey durch den Kanal gelaufen, bevor das Wasser gekommen ist.“

„Zu gefährlich!“

„Ich versuche es trotzdem.“

Entschlossen trat Rusty an das Ufer, blickte auf die schnell dahinfließenden braunen Fluten und schluckte. Die Erinnerungen an das schreckliche Hochwasser damals in Kommoran kamen wieder hoch. Doch Casey war vielleicht da drüben. Und er war krank und brauchte vielleicht Hilfe. Und das Wasser in der Rinne war nicht tief. Es würde ihm höchstens bis zum Bauch reichen.

„Ich kann das! Ich muss endlich aufhören, mich vor jedem Bach zu fürchten!“dachte er.

Also fasste er sich ein Herz und rollte langsam in die Fluten. Bald stand ihm das Wasser fast bis zur Hüfte, er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten und auf dem rutschigen Grund vorwärtszukommen. Zudem spürte er den starken Sog, der an ihm zerrte. Aber er watete tapfer weiter.

„Vorsicht! Eine Flutwelle!“

„Oh nein! Valentino, sie wird die Lok mitreißen!“

Tatsächlich rollte eine braune Woge heran, bereit, über ihm zusammenzuschlagen!

Rusty verdoppelte seine Anstrengungen um vorwärtszukommen. Doch das Wasser war schneller.

„Bitte großer Flussvater, ich suche doch nur meinen Lehrling! Er ist sehr krank und ganz alleine da draußen!“ schickte Rusty als letzte Hoffung ein Stoßgebet zum Himmel.

Schon war die Welle heran! Doch zur großen Überraschung aller beschrieb sie einen eleganten Bogen um die Lok, die fast schon am anderen Ufer war und setzte ihren Weg fort.

„Habt ihr das gesehen? Die Welle hat ihn umrundet!“

Nun musste Rusty nur noch die Böschung hinauf. Aber diese war durch das nasse Gras und die aufgeweichte Erde schlüpfrig und er musste auf allen Vieren hinaufkriechen. Seine Finger krallten sich in das Gras und die weiche Erde, langsam zog er sich aus dem Wasser an das sichere Ufer.

„Geschafft! Ich bin durch! Aber die Welle....ich habe sie hinter mir vorbeirauschen gespürt...sie hat mich verschont...das ist echt unglaublich..“ dachte die Lok, als sie sich wieder auf die Beine zog.

„Viel Glück, Rusty! Hoffentlich findest Du deinen Lehrling!“ rief Valentino und winkte.

Die kleine Dampflok nickte und setzte ihren Weg fort.

„Ein tapferer kleiner Bursche. Das hat selbst der große Flussvater in seinem Zorn bemerkt und ihn verschont.“ meinte einer der Männer.

„Vielleicht weiß er etwas, vovon wir nichts wissen....“ murmelte Valentino.
 

Casey erwachte durch einen erschrockenen Schrei aus seinem Dämmerschlaf. Das Nymphenbaby hatte ihn ausgestoßen. Ein heller Lichtkegel strahlte in das Versteck, draußen riß jemand das Gestrüpp weg.

„Hier steckt ihr also! Jetzt werdet ihr mir nicht entkommen!“

Eine rot behandschuhte Hand fuhr durch die Öffnung, Casey ragierte zu spät und sein rechter Fuß wurde am Knöchel gepackt!

„Oh nein! Jetzt hat er uns doch noch gefunden! Der gibt wohl nie auf!“ rief Plitsch.

„Hab ich dich! Du hättest besser daran getan, deine Spuren richtig zu verwischen, Bengel!“ grinste Red Caboose böse und zerrte Casey an den Füßen aus dem Loch.

„Ah, nein, lass mich los!“ schrie der Junge und trat nach dem Bremswaggon, der auch den anderen Knöchel zu fassen bekam.

„Hör auf so herumzuzappeln, das bringt gar nichts!“

Caboose hielt Casey an den Beinen hoch bis er kopfüber hing.

„Lass das Balg fallen!“

„Niemals!“

Casey hielt die kleine Nymphe fest umklammert als er hin und hergeschüttelt wurde.

„Hör auf damit! So geht man doch nicht mit Kindern um!“ schimpfte Gloob.
 

„Kalter Hauch!“

„He, was ist das, ich kann auf einmal meine Räder nicht mehr bewegen!-Ah, sie sind festgeeist!“ fluchte Red Caboose und sah zu Boden. Tatsächlich umgab sein Fahrgestell ein Eisklumpen, er war am Boden festgefroren. Überrascht hatte er Casey losgelassen, der auf den Rücken fiel und sich schnell außer Reichweite des Roten brachte.

„Frigida!“ rief Casey erleichtert. Das Waggonmädchen stand einige Schritte hinter Caboose, die Arme ausgestreckt. Einer unguten Ahnung folgend war sie auf direktem Wege hierher zur Festung gerollt.

„Wer immer Du bist, wage es ja nicht, dem Jungen noch etwas anzutun!“ knurrte sie. Dann entdeckte sie das fremdartige Wesen in Caseys Armen.

„Großer Starlight! Ist das etwa eine kleine Flußnymphe?“

„Ja, Frigida. Red hat das Ei gestohlen. Ich hab ihn von meinem Fenster aus herumschleichen gesehen und bin ihm gefolgt. Und das Kleine ist vor kurzem erst geschlüpft.“

„Du Wahnsinniger! Du bist also schuld, das der Sana alles überflutet hat! Willst Du, das der Flussvater die ganze Insel unter einer riesigen Flutwelle begräbt? Das ist schon einmal geschehen!“

„Was, wirklich?“ schluckte Casey, welcher aufgestanden war und sich an Frigidas Seite geflüchtet hatte.

„Eine alte Sage erzählt es. Ein Lord, der an der Küste auf einer Halbinsel sein Schloss hatte, stahl das Ei der großen Mutter des westlichen Meeres. Alles Flehen der Untertanen nutzte nichts. Er behielt es bei sich und als die kleine Meeresnymphe geschlüpft war, hielt er sie weiterhin in einem Becken im Schlosshof gefangen. Da schickte der Meeresvater in seinem Zorn eine riesige Flutwelle, die das Schloss und die ganze Halbinsel unter sich begrub und mit in die Tiefe riss!So konnte er seine Tochter befreien, doch der Lord und seine Schergen bezahlten ihre Habgierund ihren Hochmut mit dem Leben! Bei Ebbe kann man noch heute die Ruinen im klaren Wasser sehen, wenn das Meer ruhig ist!“

Casey hatte die ganze Zeit atemlos zugehört.

„Da hast Du wieder mal was schönes angerichtet, Red! Du machst nichts als Ärger!“ knurrte er.

„Ich glaube nicht an Kindergeschichten!“ grollte der Bremswaggon. Es gelang ihm, die Eisfesseln zu zerbrechen und er ging auf Frigida los.

„Eisatem!“

Im nächsten Moment war Cabooses ganzer Körper von einem Eispanzer umgeben.

„Hehe, Caboose tiefgekühlt.“ grinste der Junge.

„Casey schnell! Du musst die kleine Nymphe hinunter an das Wasser bringen! Mein Eispanzer wird ihn nicht ewig aufhalten!“

„Ist gut.“

„Bist Du noch in der Verfassung zu laufen? Es ist ein Wunder, das Du es in deinem Zustand überhaupt bis hierher geschafft hast.“

„Es geht schon wieder. Die kleine Verschnaufpause im Versteck hat mir geholfen.“

„Dann lauf. Ich versuche diesen Bremser hinzuhalten!“
 

Casey begann, so schnell es ging aus der Festung und den gewundenen Pfad hinabzulaufen. Die Sumpfkobolde folgten.

„Die Mauer wird nicht mehr lange standhalten! Ich muss mich beeilen!“

Aber der schlammige Boden bot nicht genug Halt und Casey rutschte aus, fiel auf seinen Hosenboden und schlitterte auf dem Hintern weiter!

„AUA!-Na ja, so gehts auch.“

Das Baby stieß einen jauchzenden Laut aus.

„Das gefällt Dir wohl? Ne Rutschpartie mit deinem großen Bruder.“ grinste Casey.
 

Auf einmal wurde es unter seinem Hinterteil ungangenehm kalt. Den Grund dafür sah er sofort. Frigida hatte das Wasser gefrieren lassen den Pfad in eine Eisbahn verwandelt. Nun ging es noch schneller hinunter. Mückenschnapper und Algenkauer quakten angstvoll, solch eine Schlitterpartie hatten sie noch nie gemacht. Die Kröten drehen sich mehrmals um sich selbst, während sie den Hügel hinunterrutschten.

„Haalt! Hiergeblieben!“ rief Red Caboose. Mit seinen Fäusten und Füßen zertrümmerte er den Eispanzer und machte sich an die Verfolgung. Aber er machte den Fehler, nur auf seine fliehende Beute zu achten.

„Verfolg sie doch!“ grinste Frigida, rollte hinter einer Mauer hervor und versetzte Red Caboose von hinten einen Stoß! Dieser verlor den Halt, stürzte bäuchlings auf die Eisbahn und schlitterte hinterher.

„AUA! Mann, ist das hart!“

Frigida folgte, schlitterte seitlich mit ihren Rädern, hielt dabei geschickt die Balance. Sie konnte sich auf vereisten Flächen am besten bewegen. Rutschige Eisbahnen waren ihre Spezialität.

Fluchend stieß sich der Bremswaggon mit seinen Händen vorwärts, um die Fliehenden einzuholen.

„Gleich hab ich dich! Da vorne ist die Rutschpartie zu Ende!“

„Nicht so schnell, Bremser!-Eisatem!“ rief Frigida.

Wieder gefror das Wasser durch ihren Atem, die Eisbahn bekam eine Abzweigung. Frigida hatte Caboose fast eingeholt, ein Tritt -und er schlitterte nach rechts-auf die dicke Schutzmauer zu!

„Für dich ist hier Endstation!“ grinste das Waggonmädchen.

„Oooaah! Bremssand!“

Aber Red hatte bereits zu viel Schwung. Und so war es unvermeidlich, das er mit der harten Mauer kollidierte.
 

„Ooah! Wir sind zu schnell!“ rief Casey. Wenn sie nicht langsamer würden, krachten sie auch noch irgendwo dagegen. Casey beugte sich zur Seite, beschrieb eine Kurve und rutschte von den Bäumen weg, bis einer der unzähligen kleinen kleiner Bäche, die über die Wiese in die Senke liefen, sie stoppte.

„Geschafft!“ keuchte Casey und zog sich auf die Beine. Eine neue Schwindelattacke überkam ihm, er musste kurz warten, bis sich sein Blick wieder geklärt hatte. Die ganze Aufregung zehrte immens an seinen Kräften.

„Keine Sorge, Kleines, geht schon wieder.“ murmelte er als er den besorgten Blick des Nymhenkindes bemerkte.

„Ist mit euch alles in Ordnung?“

„Ja, danke für die Eisbahn, Frigida und das Du Red „umgeleitet“ hast.“

„Dann komm.“

Frigida hob Casey mit seiner wertvollen Fracht auf die Arme und rollte los.

Aber nach hundert Metern blieb sie plötzlich stehen und ging in die Knie.

„Frigida! Was hast Du?“

„Mein Akku ist fast leer. Dieser Eisatem.... hat mich zu viel Energie gekostet...tut mir leid, Casey....“

„Du hast schon mehr als genug getan. Ich schaffe das schon alleine.“

Frigidas Blick wurde leer, ihre Augenlider schlossen sich. Sie brauchte als Kühlwaggon ständig die Energie ihres Akkumulators. War diese aufgebraucht, verfliel sie in eine Art Starre.
 

Fluchend zog sich in der Zwischenzeit der Bremswaggon wieder auf die Beine.

„Ich wusste gar nicht, wie hart Mauern sein können..“ knurrte er. „Was sehe ich da! Der coolen Lady ist der Saft ausgegangen! Tja, ist echt blöd, wenn man von nem Akku abhängig ist!“

Grinsend sah er sich um. Dann entdeckte er Casey zwischen den Bäumen.

„Hab keine Angst, er wird dich nicht bekommen! Ich bringe dich dahin, wo Du hingehörtst!“ sagte der Fliehende und hielt das Baby an sich gepresst.

„Folge uns, Du hast es gleich geschafft!“

Der Junge rannte die restlichen Meter auf den Schutzwall zu. Dabei bemerkte er, das das Wasser bereits an einigen Stellen durch Löcher in der Mauer sprudelte und in die Senke floss.

„Langsam wird’s brenzlig! Hier ist in Kürze „Land unter“, wenn nichts geschieht!“

Der Junge hastete mit seiner kostbaren Fracht weiter, bis er eine geignete Stelle gefunden hatte. Mit letzter Kraft erreichte er die Mauer.

„So, gleich bist Du in Sicherheit. Spring in das Wasser, dahin kann Dir der böse Red nicht folgen! Es ist hier zu tief.“

Das Baby sah ihn an und stieß einen fragenden Laut aus.

„Da draußen warten sicher deine Eltern auf dich! Hab keine Angst! Der Fluss ist dein Zuhause! Ich wünsche Dir alles Gute...kleine Schwester.“

Ein letztes Mal umarmte Casey das Wesen, dann setzte er es auf die Mauer.

„Was machst Du da, Bengel!“ schrie Caboose und stapfte heran.

„Schnell! Spring! Mach Dir um mir keine Sorgen, Kleines!“

„Spring, Kleine Prinzessin! Du brauchst nichts zu fürchten!“ rief Globb, welcher hinzugekommen war.

Zuerst zögerte das Baby. Doch als es den wütenden Caboose heranrasen sah, sprang es mit einem Satz von der Mauer und in die Fluten! Mit einem leisen Glucksen verschwand es im trüben Wasser.

„Geschafft! Jetzt kannst Du ihr nicht mehr folgen, Red! Das Wasser ist zu tief.“

„Neiiin!“ heulte Red. „Das wird Dir noch leid tun, Bengel! Gleich liegst Du auch am Grund des Flusses!“

Casey wollte davonlaufen, doch er war am Ende seiner Kräfte. Keuchend knicken seine Beine ein, er sank neben der Mauer zu Boden.

„Verdammt, ich bin völlig alle! Das Fieber hat alle Kraft aus mir herausgezogen....Aber wenigstens ist die Kleine in Sicherheit.“
 

„Das wirst Du noch bitter bereuen!“ grollte Caboose, sein Arm schoß vor und packte zu! Ein eiserner Griff schloß sich um Caseys Hals und er wurde in die Luft gehoben!

„Uuarrg! Du erwürgst mich! Lass mich runter, Du Irrer!“ röchelte Casey.

„Du hast mir das letzte Mal in meine Pläne gefunkt!“ knurrte Red und hielt Casey vor sich am ausgestreckten Arm in die Höhe.

„Dieser miese Streuner! Der arme Junge! Er bringt ihn noch um!“ rief Plitsch.
 

Plötzlich schoß eine schwarze Gestalt heran und stieß Caboose zu Boden! Beide rollten ins Gras, Casey entfiel dem Würgegriff.

„Rusty!“

„Dir werd ich helfen, einem kranken Kind wehzutun!“

„Hah! Du willst es mit mir aufnehmen?“

„Du hast meinem Lehrling schon zu viel angetan! Das kriegst Du jetzt zurück!“ knurrte Rusty und stürzte mit erhobener Faust auf seinen Gegner zu. Dieser wich dem ersten Fausthieb lässig aus.

„Ist das alles, was Du kannst, Teekessel? Du bist wirklich ein erbärmlicher Kämpfer! Pass mal auf!“

Red Caboose schoss auf Rusty zu und seine Faust traf voll ihr Ziel! Rusty ging zu Boden und schlitterte über den matschigen Grund. Fluchend hielt er sich die rechte Backe, da wo der Bremswaggon ihn getroffen hatte.

„Oh nein, Rusty!“ rief Casey.

“Steh auf, Großer! Du wirst dich doch nicht von dem fertigmachen lassen!“ rief Plitsch, der mit seiner Kröte plötzlich vor ihm stand.

„Wer seid ihr denn?“

„Oh-pass auf, er kommt!“

Red Caboose rollte herbei und hob ein Bein um nach Rusty zu treten. Die Damplok konnte sich noch rechtzeitig zur Seite rollen. Bisher hatte sie sich noch nie gewehrt, wenn sie Prügel von den Dieseln bekommen hatte. Rusty hatte einfach immer nur abwehrend die Arme vor das Gesicht gehalten und gehofft, es würde schnell vorbei sein. Aber nun wollte er sich das nicht mehr bieten lassen!

„Dampfstoß!“

„Uarrg!“

Fluchend wischte sich Caboose über die Augen, um die Rußpartikel loszuwerden, die mit dem Dampf in sein Gesicht geraten waren. Dies verschaffte Rusty Zeit, um wieder aufzustehen.

„Verdammter Matsch! Meine Räder sinken zu tief ein, Caboose ist leichter und kommt besser vorran!“

„Ich mach dich alle, Teekessel!“ knurrte der Bremswaggon.

Wieder wich er einem Schlag der Dampflok aus, dann drehte er sich so, das er Rusty seine Fäuste in den Rücken rammen konnte.

Die Lok krachte bäuchlings zu Boden, Red Caboose warf sich auf ihn, schob seine Arme unter die seines Gegners, verhakte die Finger seiner Hände hinter Rustys Genick und drückte dessen Gesicht zu Boden. Nun konnte die Dampflok Kopf und Arme nicht mehr heben, sie war am Boden festgenagelt.

„Friss Matsch, Teekessel!“ knurrte er.

„Verdammt, wenn ich ihm doch nur helfen könnte! Aber mein Körper will einfach nicht mehr!“ dachte Casey, der nur hilflos zusehen konnte.

„Friss selber Matsch!“ rief Plitsch. Er hatte eine Schleuder hervorgeholt, eine Handvoll der weichen Erde eingelegt.

„Mückenschnapper! Peitschenzunge!“ rief Globb gleichzeitig. Beide Koblode nickten sich kurz zu und-

„Feuer frei!“

Die Schlammladung klatschte genau in Red Cabooses rechtes Auge, Mückenschnappers Zungenspitze traf das Linke.

„YIIAH! Ihr kleinen Monster!“

Der Bremswaggon löst seineen Griff, um sich die Augen zu reiben und Rusty gelang es, ihn vom seinem Rücken zu stoßen.

„Lass unsere Freunde in Ruhe, Du Mistkerl!“ schimpfte Globb.

„Das macht ihr nicht mochmal!-Bremssand!“

Sofort wurden beide Koblode mit einem Schauer feinen Sandes überschüttet.

„Meine Augen! Ich kann nichts mehr sehen!“ rief Plitsch. „ Und das kratzt so schrecklich auf der Haut!“

Die Kröten samt ihrer Reiter ergriffen die Flucht in eines der nahen Rinnsaale.
 

„Grrr! Diesmal werde ich nicht mehr kneifen!“ grollte Rusty, warf sich auf seinen Gegner, noch bevor dieser wieder aufstehen konnte und setzte sich rittlings auf seinen Bauch. Er holte mit seiner rechten Faust aus-und traf diesmal auch. Red Cabooses Kopf flog zur Seite und Rusty schüttelte seine schmerzende Hand.

„Rauch und Schlacke! Tut das weh!“

„Hehe, das kommt davon, wenn mans nicht richtig kann!“ grinste Caboose hämisch und schon hatte die Dampflok seine Rechte gegen ihr Kinn bekommen! Rusty kippte zur Seite und fluchte. Man merkte wirklich, das Red Caboose wohl öfters von seinen Fäusten Gebrauch machte.

„Du bist wirklich ein erbärmlicher Gegner! Und weißt Du auch warum? Weil Du einfach zu liebenswert bist! Du wirst nie richtig kämpfen können! Ich habe schon früh gelernt, mich gegen die Diesel und ihre Triezereien durchzusetzen! Und deshalb akzeptieren sie mich auch! Du aber bleibst immer ein heulendes Weichei!“ höhnte der Bremswaggon.

„Ich bin kein Weichei!“

„Bist Du doch! Soll ichs Dir beweisen?“

Reds Fuß fuhr vor und die Spitze traf Rusty in den Bauch.

„Das war unfair!“ röchelte die Dampflok, und klappte zusammen.

„Hast Du es immer noch nicht kapiert, dummer Teekessel? Das Wort „fair“ existiert nicht in meinem Wortschatz! Wer sich mit mir anlegt, muss mit allem rechnen!“ lachte der Bremswaggon höhnisch. „Und jetzt kannst Du gleich dem Flussvater Guten Tag sagen! Und dein Lehrlingsbengel folgt gleich hinterher!“

Red packte seinen paralysierten Gegner und schleppte ihn zur Mauer. Dort warf er ihn wie einen nassen Sack über das Sims.

„UAH! Nein! Nicht ins Wasser! Das überlebt meine Lebensflamme nicht!“

„Ich bin endlich froh, wenn ich dein Geschwafel nicht mehr ertragen muss!“

Immer weiter schob Caboose Rusty über die Mauer, welche durch den Wasserdruck und nun auch noch durch zusätzlichen Gewichtsdruck von oben Risse bekam. Der Bremswaggon schien in seiner Wut über seine vereiltelte Chance, reich zu werden, zu allem fähig zu sein.
 

„Rusty...nein...“ keuchte Casey schwach. Er lag auf der Seite nur wenige Schritte entfernt und hatte nicht mehr die Kraft auch nur einen Finger zu rühren. „Starlight Express, bitte hilf ihm!“

„Red, das geht jetzt wirklich zu weit, verdammt!“ rief Rusty, begann mit den Füßen zu zappeln und dabei traf er mit einer Ferse Red genau zwischen die Beine!

„OOUW! Idiot! Auch wenn da unten nicht das selbe wie bei einem Menschen ist, bin ich da voll empfindlich!“

Red taumelte etwas zurück und hielt sich die schmerzende Stelle.
 

„Schädelwumme!!“

Red fuhr herum.

Da kam doch tatsächlich Dustin die Senke hinuntergerast, den Kopf mit dem glänzenden Helm zum Rammstoß gesenkt.

„Was ist denn das für ein Ungetüm? Und was der für´n Tempo draufhat!“ staunte Plitsch.

„Das ist Dustin, unser Tenderwaggon.“ erklärte Casey. Verdammt, er hatte nicht mal mehr genug Kraft zum laut sprechen.

„Oh...nein...“ konnte der Bremswaggon nur noch murmeln. Wie konnte sich der schwehre Tender nur so schnell über den aufgeweichten Boden fortbewegen? Dann erfolgte auch schon der Aufprall.

„UUUWWWOOOOAAAAAHHH!!“

Der Stoss-ausgeführt mit voller Wucht-katapultierte Caboose in hohem Bogen über die Mauer und in das Wasser, eine Fontäne spritzte auf. Dustin beschrieb eine scharfe Kurve, das der Matsch fast bis über die Mauer spritzte und kam zum Stehen,

Prustend tauchte Red wieder auf und schüttelte sich. Das Wasser reichte ihm nur bis etwas über die Knie. Er war wohl an einer seichten Stelle gelandet.

„Na warte, Du Fettsack! Du stößt mich nicht nochmal in diese Flörre!“

„Wen nennst Du hier fett?“ grollte Dustin, welcher Rusty von der Mauer auf sicheren Boden zog.

„Danke, Kumpel Du kamst gerade richtig.“
 

Plötzlich spürte Red Caboose, das sich etwas um seinen rechten Knöchel schlang und im nächsten Moment wurde sein Bein zurückgerissen und er klatschte abermals in das trübe Wasser.

„Hey! Was zum Starlight-“

Aber weiter kam er nicht, denn im nächsten Moment wurde er immer weiter in das tiefere Wasser gezogen, dann plötzlich in die Höhe geschleudert-und wieder zurück.
 

„Rusty! Schau nur!“ rief Dustin, während die Dampflok ihren Lehrling auf den Arm hob.

„Gütiger Starlight! Was geschieht da?“ schluckte Casey.
 

An der Stelle, wo sich Red Caboose befand, brodelte das Wasser. Dann formten sich mehrere längliche Gebilde, die wie die Tentakel eines Kraken aussahen.

Einer dieser aus Wasser geformten Tentakel hielt Cabooses rechtes Bein umklammert und schlenkerte den Übeltäter wie eine Lumpenpuppe hin und her und immer wieder in das brodelnde Wasser hinein und heraus.

„UUUAARRG-glubb-Hilfäääh-gluckgluck-“

„Der Flussvater!“ wisperten Plitsch und Globb leise. „Mann, der ist wirklich sauer! Und jetzt hat er den Übeltäter direkt an der Angel!“

Und wieder wurde das Opfer in die Luft geschleudert. Dann begannen sich die Tentakel zu drehen und wurden zu einem Strudel, in den Caboose hineinstürzte.

„Heeeellllft miiiir!“ heulte der Bremswaggon. Doch es war zu spät.

Fassungslos mussten Casey,Rusty und Dustin mitansehen, wie Caboose in die Tiefe gerissen wurde und nicht mehr auftauchte. Der Strudel verschwand und nur der Wind trieb einzelne Wellen über die Oberfläche.

„Beim Starlight! Ist er...?“

Minuten verstrichen, doch der Bremswaggon tauchte nicht mehr auf.

„Er hat es nicht besser verdient! Wir hatten ihn gewarnt, nicht den Zorn der Flusseltern heraufzubeschwören!“ rief Plitsch. „In solchen Dingen kennt ein Flussvater kein Pardon! Jetzt hat er ihn zu sich geholt!“

„Aber was sagen wir nur Mr. Corell? Wir müssen es ihm auf jeden Fall melden, was passiert ist.“ murmelte Rusty betreten.

„Wir werden ihm die Wahrheit erzählen.“ murmelte Casey, der sich an Rustys Arm angelehnt hatte.

„Es tut mir leid um euren Anhänger, aber wenn ein Flussvater richtig sauer wird, kann ihn nicht einmal seine Gefährtin besänftigen. Er hat seine ganze Wut zu spüren gekriegt.“ meinte Globb.

„Ja, die Suppe hat er sich selbst eingebrockt!“ nickte Plitsch.

Rusty konnte es nicht glauben. Würde er seinen alten Widersacher nie wiedersehen? War dies das Ende von Red Caboose?
 

„Da kommt Serafin! Ich kann sie sehen!“ riß Plitsch die Lok aus ihrem Grübeln.

Es war das letzte, was der Junge noch mitbekam. Dann wurde ihm entgültig schwarz vor den Augen und er sank in Rustys Armen zusammen.

„Oh Casey!“

Der Atem des Jungen ging schwer, das Fieber schien wieder gestiegen zu sein.

„Hab keine Angst. Der Kleine ist zäh wie ein Sumpfpanther. Und Serafin hat das Heilmittel gebracht. Gib es ihm und das Fieber wird morgen weg sein.“

„Wirklich?“

„Du kannst uns vertrauen.“

„Du hast mir noch nicht verraten, wer ihr seid. Und was war hier eigentlich los? Und was hatte Red Caboose damit zu tun?“

„Das erzählen wir Dir noch. Ersteinmal muss dem Jungen geholfen werden.“ erklärte Globb.

Mit zwei Sätzen war Serafins Kröte über der Mauer und hielt auf Rusty zu.

Die Dampflok kniete auf dem Boden und hielt Casey in den Armen, als die Koboldin ihre Kröte vor ihm zum Halten brachte.

„Hier ist das Heilmittel. Langflosse ist so schnell geschwommen, wie sie nur konnte. Und ich glaube, die große Flussmutter hat uns ein wenig geholfen.“

Die Kröte stieß zwei quakende Laute aus und blähte dabei ihren Kehlsack.

„Ich danke euch.“

Rusty nahm das Bambusrohr entgegen und entfernte den Verschluss.

„Casey! Hier, trink das! Das wird Dir helfen!“ sagte er und rüttelte seinen kleinen Lehrling vorsichtig. „Komm, wach auf!“

Der Junge begann sich wieder zu regen und öffnette die Augen einen Spalt. Rusty setzte die Öffnung an Caseys Mund und achtete darauf, das er alles schluckte.

„Uaah....scheußlich...schmeckt wie Brackwasserbrühe!“

„Medizin schmeckt meist schrecklich. Aber sie hilft auch.“ erklärte Serafin.

„Ich...danke euch.“ murmelte Casey leise und schloss wieder die Augen.

„Er wird jetzt schlafen und morgen hat er das Schlimmste überstanden.“ erklärte Serafin.

„Verratet ihr mir jetzt, wer ihr eigentlich seid?“

„Wir sind Sumpfkobolde, kleine Dampflok.“

„Aha. Und was war hier eigentlich los?“
 

Plötzlich begannen die Kröten aufgeregt zu quaken.

„Menschen kommen! Schnell weg!“ rief Plitsch und die drei Kobolde verschwanden mit ihren Reittieren zwischen die Wurzeln einer alten Eiche.

„Na toll!“ brummte Rusty und erhob sich. Tatsächlich bewegte sich eine große Gruppe von Menschen auf sie zu. Ein Teil machte sich daran, den gewundenen Weg zur Festung hinaufzusteigen.

„Da ist Dinah! Hallo! Wir haben Casey gefunden!“ rief Dustin und winkte.

„Rusty! Dustin!“ rief das Waggonmädchen und rollte, so gut es ging, den beiden entgegen.“Beim Starlight, ich habe mir solche Sorgen gemacht!“

„Seht nur! Sie haben den Jungen gefunden!“ rief Remi und lief Rusty entgegen. Zwei von Valentinos Leuten stützen die starre Frigida, welche sie unterwegs gefunden hatten.

„Der großen Flussmutter sei Dank!“ seufzte der Bürgermeister erleichtert. Auch die übrigen Bewohner waren froh, das der Vermisste wieder aufgetaucht war. Vor allem Dinah. Sie eilte durch die Menschenmenge zu der kleinen Dampflok.

„Wie geht es ihm?“ fragte sie.

„Ich glaube, er ist über dem Berg. Zwei Sumpfkobolde haben ein Heilmittel gebracht. Und es scheint zu helfen. Casey geht es besser, sein Atem ist viel ruhiger geworden.“

„Sumpfkobolde?“

„Ich weiß, es kling verrückt, aber da waren drei Wesen auf großen gefleckten Kröten.“

„Dann hast Du wirklich Sumpfkobolde gesehen. Manchmal, wenn wir in den Sümpfen unterwegs sind, hören wir ihre Stimmen. Sie spotten aus ihren Verstecken gerne ein bischen, aber wir nehmen das nicht ernst. Das haben Kobolde nun mal so an sich. Und nur ganz wenige von uns haben jemals einen solchen Kobold zu Gesicht bekommen.“
 

„Seht nur! Das Wasser geht zurück!“ riefen die Leute. Tatsächlich hatte das Wasser begonnen, auf geheimnisvolle Weise, jeder physikalischen Natur zum Trotz, rückwärts aus der Senke über die Mauer in das Delta zurükzufließen. Und nicht nur hier, überall auf der Insel zog sich das Wasser zurück.

„Das kann nur das Werk des Flussvaters sein.“ erklärte Remi.“Valentino, lauf los und sag den Anderen Bescheid, sie können wieder herunterkommen, die Gefahr ist gebannt!“

„Schön. Dann...ist er wohl nicht mehr...sauer...“ murmelte Casey. Der Junge hatte die Augen halb geöffnet und blinzelte in die Sonnenstrahlen, die gerade durch die Wolkendecke brachen.

Remi sah Rusty fragend an.

„Was hat den Vater des Sana nur so erzürnt, das er das Wasser so hoch steigen ließ? Jetzt auf einmal scheint er wieder versöhnt zu sein.“

„Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Casey hat nur etwas von einer Wassernyphe und Red Caboose erzählt.“

„Wir erzählen euch, was passiert ist!“ rief plötzlich Plitsch, der mit seiner Kröte auf dem Sims der Schutzmauer aufgetaucht war. Serafin und Globb lenkten ihre Kröten neben ihn.

„Seht nur! Sumpfkobolde!“ riefen alle aufgeregt durcheinander.

„Hört uns gut zu! Wir zeigen uns Menschen normalerweise nicht, doch weil Ihr bisher immer in Einklang mit dem Delta und seinen Geschöpfen gelebt habt, werden wir euch berichten, was sich zugetragen hat.“

Und die drei Kobolde erzählten den staunenden Bewohnern, was sie in den letzten Stunden erlebt hatten.

„Ich glaube es nicht! Ein fremder Bremswaggon hat das Ei der großen Flussmutter gestohlen?“ rief der Bürgermeister.

„Jetzt wird mir einiges klar.“ murmelte Rusty. Dustin nickte bestätigend.

„Genau. Und nur durch den Einsatz dieses tapferen Lehrlings ist die kleine Nymphe jetzt bei ihren Eltern. Er hat sie mit seinem Leben beschützt!“ erklärte Plitsch nicht ohne Stolz. „Wenn er nicht gewesen wäre, wer weiß, ob wir jetzt hier alle stehen könnten. Und der Dieb hat seine verdiente Strafe erhalten! Der Vater des Sana kannte kein Pardon!“

„WAS? Red Caboose ist....“ Dinah sprach das unvermeidliche Wort nicht aus.

„Er wurde von einem Wasserstrudel in die Tiefe gezogen und ist nicht mehr aufgetaucht.“ murmelte Rusty. Dustin nickte bestätigend.

„Er hätte nicht so böse sein dürfen.“ bemerkte er.

„Ich hätte nicht gedacht, das Red Caboose zu so etwas fähig sein konnte!“

„Oh doch! Er hätte mich auch fast in den Fluss geworfen!“ knurrte Rusty.
 

Die Wolken wichen immer mehr zurück, ein schillernder Regenbogen zog sich über den Himmel.

„Jetzt wird alles gut.“ lächelte der Bürgermeister.

„Ja. Der Schuldige wurde gefunden und bestraft!“ nickte Plitsch.

„Sehr hart bestraft...“ murmelte Rusty.

„Für uns wird es Zeit, in die Sümpfe zurückzukehren. Machs gut, kleiner tapferer Lehrling und vielen Dank für deine Hilfe.“ lächelte Plitsch und strich dem schlafenden Jungen mit seiner Flossenhand über die Wangen.

„Ja, der kleine Lehrling ist ein Held! Er hat uns vor einer Katastrophe bewahrt.“ nickte der Bürgermeister.

Drei dicke Platscher-und die Sumpfkobolde verschwanden zwischen den Wellen des immer weiter stetig zurückgehenden Wassers.

„Die Fluten weichen noch immer zurück. Wir können wieder nach Hause zurückgehen!“ rief Valentino. Lauter Jubel brandete auf.
 

Während des Rückweges begannen die Bewohner zu singen, um zu zeigen, wie sehr sie sich freuten, das alles noch einmal gut ausgegangen war. Darunter war auch eine Dankeshymne an die Flußeltern. Rusty mit Casey in den Armen, bildete mit seinen Freunden das Schlusslicht. Immer wieder sah er anfangs noch zurück, in der Hoffnung, Red Caboose würde vielleicht doch noch auftauchen. Doch der Fluss gab ihn nicht mehr frei.

„Was mach ich mir eigentlich Gedanken? Er hat es sich selbst eingebrockt.“ murmelte er.
 

Schweigend rollten sie eine Weile nebeneinader her, überquerten die nun trockene Abflussrinne über die errichtete Behelfsbrücke. Und wieder einmal hatten die Torroner ihr meisterlichen Baufähigkeiten unter Beweiß gestellt. Die schnell errichtete Brücke hielt sogar das Gewicht der Lok und Waggons statt. Es musste nur jeder einzeln darüberrollen.

„Dustin?“

„Mh?“

„Wie konntest Du dich eigentlich mit deinem Gewicht so schnell über den aufgeweichten Boden bewegen?“

„Ich habe Hilfe bekommen. Die große Flussmutter hat mir einen Wasserfilm geschickt, auf dem ich ohne Probleme vorwärtskomme.“

Tatsächlich konnte Rusty zwischen Dustins Rädern immer wieder eine glitzernde Flüssigkeit gleiten sehen.

„Unglaublich!“

„Ich habe einfach um Hilfe gebeten und sie hat mich gehört.“

„Mir scheint, Du hast einen guten Draht zu den Göttern. Dir hören sie zu.“

Dustin errötete und kratzte sich verlegen unter seinem Helm.

Kurz vor der Stadt lösten sich die beiden glitzernden Pfützen plötzlich von Dustins Fahrgestell, glitten durch das Gras und über die Mauer in den Fluss zurück.

„Danke, große Flussmutter.“ lächelte der Tender.

„Beim Starlight, auf dieser Reise gibt es immer wieder unglaubliche Erlebnisse! Pop wird staunen, wenn ich ihm das alles erzähle!“ dachte Rusty und warf einen leibevollen Blick auf seinen schlafenden Lehrling.
 

Im Lokschuppen war alles unversehrt, das Wasser war nicht bis zu den Gebäuden gedrungen. Dinah packte Caseys Sachen wieder aus, während Rusty den Schlafenden in sein Zimmer zurückbrachte.

„Halt, Rusty! So schmutzig kannst Du ihn doch nicht ins Bett legen!“ rief das Waggonmädchen entrüstet, als sie die Absicht der Lok bemerkte.

„Dinah, mach doch mal ne Ausnahme! Ich weiß, er ist über und über mit Matsch vollgespritzt,

aber er braucht jetzt nur eines. Viel Ruhe. Waschen kann er sich, wenn es ihm wieder gut geht.“ sagte Rusty. Dinah seufzte.

„Du hast recht. In Ordnung.“ nickte das Waggonmädchen. Rusty legte den schlafenden Casey in das Bett und deckte ihn zu.

„Schlaf dich gesund, mein kleiner Held.“ lächelte die Dampflok und verließ das Zimmer.

„So, aber wir machen uns jetzt aber sauber.“ erklärte Dinah.“Seht euch nur an! So macht ihr nur die ganzen Matratzen schmutzig! Und es sind ja nicht eure Eigenen.“

„Oh Mann!“ maulten Rusty und Dustin synchron.

Aber es half alles nichts. Dinah war gnadenlos und schob beide in den Hof hinaus. Dort drückte sie Dustin den Wasserschlauch in die Hände.

„So, Du spritzt jetzt Rusty ab und dann er dich. So geht’s am schnellsten. Und achtet darauf, das ihr keine Stelle vergesst.“

„Jaja, schon gut.“ brummte die Lok und stellte sich auf den betonierten Waschplatz. Dinah machte inzwischen vor und im Lokschuppen den Boden sauber.

„Seid ihr fertig? -Gut.“

„Und jetzt bist Du dran.“ grinste Rusty und zielte mit dem Schlauch auf Dinah.

„IIIH! RUSTY!!“

Ein Wasserstrahl hatte ihr Gesicht getroffen.

„Ups, sorry!“

„Das hast Du mit Absicht getan!“ zeterte das Waggonmädchen und warf den Putzlappen nach der Dampflok, die den Schlauch fallen ließ und sich schnell in das Innere des Gebäudes flüchtete.

Da stand sie nun, mit tropfnassem, aufgelösten Haar, ihr Häubchen hing schief herunter.

„Brauchst Du Hilfe, Dinah?“ fragte Dustin.

„Nein, nur ein Handtuch.“

„Ich hol Dir eins.“

„Danke, Dustin, das ist lieb von Dir. Du bist wenigstens ein Gentelman. -Haarrch, dieser Rusty! Manchmal benimmt er sich richtig kindisch!“
 

Als Casey wieder erwachte, blinzelte er in helles Sonnenlicht, das durch das Fenster schien. Er setzte sich auf.

„Uuuaaahhh......Oh, es hat geholfen! Ich fühl mich wieder gut....kein Fieber mehr. Spitze!“ lächelte er. Er schlug die Decke zurück, reckte seine steifen Glieder und stand auf.
 

Im Lokschuppen schliefen noch alle nach dem ausgestandenen Abenteuer. Leise schob der Junge das Tor einen Spalt auf und schlüpfte hindurch. Warmer Sonnenschein empfing ihn, der Boden war nicht mehr schlammig und aufgeweicht.

„Wow, das ging aber fix. Der Boden ist nur noch ein wenig feucht. Mal sehen, ob die Gleise schon wieder frei sind.“

Auf seinem Weg entdeckte Casey eine Menschenmenge bei der Schutzmauer, die auf das Delta hinaussahen. Neugierig kam er näher-und erlebte eine Überraschung!

„Oooh! Die Gegend hat sich ja völlig verändert!“ staunte Casey, als er über das Delta blickte. Vor ihm lag nun keine graubraune Wasserwüste mehr, sondern sonnendurchflutete Auwälder mit weitverzweigten, blau schimmernden Flußarmen. Vögel zogen über den Himmel, an dem sich nur wenige weiße Wolken zeigten. Ein herrlicher Sommertag, nichts deutete mehr auf die Gefahr hin, in der sich die Insel gestern noch befunden hatte. Es war, als hätte die große Flut nie stattgefunden.

Jetzt erkannte der Junge auch, das die Insel sogar noch höher lag als das Delta zu seinen Füßen, unterhalb der Mauer verlief noch eine Böschung, Pfade und Stufen führten hinunter und an den Ufern entlang.
 

„Seht nur! Da ist ja der tapfere kleine Lehrling!“rief eine der Frauen. Sofort war der Junge von einer Menschenmenge umringt.

„Remi, sieh, es scheint ihm wieder gut zu gehen.“

„Casey! Du bist schon wieder auf den Beinen?“

„Ja, ich fühl mich gut.“

Der Stationsvorsteher befühlte die Stirn des Jungen.

„Du hast wirklich kein Fieber mehr. Den Sumpfkobolden sei Dank!“

Casey lächelte dankbar, als er sah, wie sich die Leute für ihn freuten.

„Mama, warum ist der so schmutzig?“ fragte plötzlich ein kleines Kind. Die Anwesenden lächelten. Casey sah an sich herab und wurde rot.

„Stimmt, sollte vielleicht zuerst mal unter die Dusche. Gut, das Du mich daran erinnert hast, Kleine.“
 

„Casey!-Dem Starlight sei Dank, wir dachten, Du wärst schon wieder irgendwohin verschwunden.-Oh mann, und so kannst Du doch nicht hier herumlaufen! Was sollen denn die Leute denken!“ rief Dinah, welche angerollt kam.

„Daran hat mich schon jemand erinnert.“ lächelte der Junge.

Auch das Waggonmädchen hielt plötzlich inne, als es die landschaftliche Veränderung bemerkt hatte.

„Ich glaube es nicht! So sieht es hier normalerweise aus? Es ist wunderschön....“

„Das stimmt, Dinah. So wie es sein soll.“

„Dinah, Casey ist wieder-ach da seid ihr!“ Rusty kam atemlos angerollt. Dann sah er sich verwundert um. „Hey, sind wir eigentlich noch am selben Ort? Hier ist auf einmal alles so...anders...“

„Wir sind immer noch auf der Insel. So sieht es hier aus, wenn alles in Butter ist.“
 

„Jetzt aber ab mit Dir ins Badezimmer! Ich koche derweil etwas Gutes für dich, du brauchst jetzt etwas anständiges in deinen Magen.“ erklärte Dinah, als sie in den Lokschuppen zurückkehrten. Dustin schlief immer noch friedlich in seiner Box.

„Ist gut. Wird zeit, den ganzen Dreck loszuwerden.“ nickte Casey. Er holte sein Waschzeug aus seinem Zimmer und begab sich nach nebenan. „Äh-was machst Du denn hier?“

„Nach was siehts denn aus?“ lächelte Rusty und schob den Duschvorhang zur Seite.

„Rusty, Du brauchst mir nicht zu helfen. Ich bin wieder okay! Und Ich habe bisher immer alleine geduscht!“ murrte Casey, streifte seine Hose ab und warf sie auf die Bank. Dann ging er Rusty entgegen, der kurz die Wassertemeratur prüfte.

Als er zu seinem Lehrling hinübersah, merkte er, wie dieser plötzlich zu schwanken begann. Er konnte den Jungen gerade noch auffangen.

„Wieder okay, ja? Und was war das? Du wärst beinahe wieder zusammengeklappt!“

„Mist, bin noch etwas wackelig auf den Beinen.“

„Du hast dich vorgestern in deinem Zustand überanstrengt! Man rennt auch nicht mit hohem Fieber in der Gegend herum!“

„Das war ne irre Schlammschlacht vorgestern.“

„Ja, man sieht es. Dinah war nur schwer zu überzeugen, dich so zurück ins Bett zu legen.

„Hehe, das glaube ich.-Hey, schau mich nicht so an. Mir geht es gut. Ich brauche nur etwas anständiges in meinen Bauch und dann ist alles wieder okay. Hab ja seit zwei Tagen nichts mehr gegessen.“

„Der Arzt hat Dir auch geraten, heute noch das Bett zu hüten. Du brauchst noch Ruhe.“

„Okay. Ich esse etwas und dann lege ich mich wieder hin.“ versprach Casey, rutschte von Rustys Armen und kletterte in die gefüllte Duschwanne. Rusty zog ihn sanft in eine sitzende Position und begann seinen Lehrling zu säubern.

„Und jetzt vorne. Setz dich etwas auf. -Casey?“

Der Junge hatte den Kopf zwischen die Schultern, die Arme, mit denen er sich auf dem Boden der Wanne abstützte, rutschten langsam nach vorne.

„Und jetzt ist er sogar eingenickt. Kleiner Lehrling, nicht einschlafen.“

„Mh? -“Mann, jetzt bin ich sogar eingenickt! Bin wohl doch ausgelaugter als ich dachte.“

„Lehn dich zurück...“

„Oh mann, ich bin doch kein Baby mehr! Gib her, das mach ich jetzt alleine!“

„Wie Du willst, kleiner Dickkopf.-Ich möchte aber noch vor Dir hören, was gestern los war.“

„Gut, ich erzähls Dir. Aber nur einen Kurzbericht.“

„Geht klar.“

Und der Junge berichtete, wie er dem Bremswaggon gefolgt war und was er in der alten Festung erlebt hatte.

„Ne Rustschpartie mit Red und Frigida?“

„Ja, sie kann tolle Eisbahnen zaubern! Wie es ihr wohl jetzt geht?“

„Sie lädt noch ihren Akku drüben in der Werkstatt auf. Ich gehe sie nachher besuchen um mich bei ihr für ihre Hilfe zu bedanken.“

„Was wohl aus Red Caboose geworden ist...er liegt wohl jetzt auf dem Grund des Sana...“ murmelte Casey und rubbelte gedankenverloren mit dem Schwamm an seinem Arm.

„Mr. Corell wird nicht gerade erfreut sein, wenn er davon erfährt. Vor allem, das Red uns seit Monaten bereits verfolgt hat. Wir hätten es schon längst melden sollen.“

„Das stimmt.“

Für die Haare brauchten sie am Längsten. Vier Mal musste Casey spülen, bis der ganze Dreck herauswar.

“Endlich fertig. Gib mir mal das Handttuch.“

„Komm zuerst raus.“

„Bin schon-hey!“

Schon fand sich Casey eingewickelt auf Rustys Armen wieder.

„Ruuuuusssstyyy! Lass mich doch selber machen!“ maulte Casey, als die Lok ihn zur Bank hinübertrug, dort absetzte und trockenrubbelte.

„Ich mach das aber gerne.“ lächelte die Dampflok.

„Also schön.“

„Dinah hat Dir dein Lieblingsessen gekocht, damit Du schnell wieder auf die Beine kommst.“

„Aber zuerst würde ich mir gerne noch was überziehen, wenns recht ist.-Hm, die Hose hier ist echt nur noch für den Müll.“ meinte Casey und blickte auf die vor Schmutz starrenden und an mehreren Stellen eingerissenen Shorts.

Auch diesmal begnügte sich der Junge mit nur mit einer kurzen Hose, es war ja angenehm warm.
 

„Hier, lass es dir schmecken.“

„Danke, Dinah.“

Während sich Casey mit Heißhunger über das Essen hermachte, sah der Stationsvorsteher vorbei.

„He, Du hast ja einen guten Apetitt. Dann geht es Dir also wirklich schon viel besser.“

Der Junge nickte mit vollem Mund. Als er heruntergeschluckt hatte, fragte er:“Wie sieht es mit den Gleisen aus?“

„Sie werden bald wieder passierbar sein.“

„Prima.“ gähnte Casey und schob den leeren Teller von sich.“Puh, ich bin satt.“

„Und jetzt ab mit Dir zurück ins Bett. Du brauchst noch Ruhe, dein Körper verlangt danach.“ sprach Dinah und räumte das Geschirr ab.

„Schlaf gut, kleiner Lehrling.“ lächelte Remi.

Casey nickte müde, erhob sich von seinem Stuhl und trottete Richtung seines Zimmers.

„Ich muss jetzt auch los. Bei den Aufräumarbeiten wird jede Hilfe gebraucht.“

„Wir können auch zur Hand gehen, wenn sie noch Helfer brauchen.“ bot Dinah an.

„Ihr habt schon mehr als genug für uns getan.“

„Aber ich habe einen großen Ladebauch! Ich mag nicht mehr hier herumsitzen! Ich kann helfen, den angeschwemmten Unrat wegzuschaffen!“ rief Dustin, welcher inzwischen aufgewacht war und gelangweilt auf seiner Matraze saß.

„Dann komm mit.“ lächelte Remi und Dustin grinste über das ganze Gesicht. Endlich konnte er sich wieder nützlich machen.
 

Casey krabbelte zurück in sein Bett, das Dinah natürlich frisch bezogen hatte und blickte aus dem Fenster. Das Waggonmädchen zog etwas die Vorhänge zu.

„Schau Dinah....und schon ist er eingeschlafen.“ lächelte Rusty.

„Wir lassen ihn jetzt ganz in Ruhe. Er wird sich schon melden, wenn er ausgeschlafen hat.“ erklärte sie und beide verließen leise das Zimmer.
 

Casey konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so gut geschlafen hatte. Er setzte sich auf, gähnte und reckte sich -und verspürte als erstes ein dringendes Bedürfnis. Wie der Blitz war er aus dem Bett und auf dem Klo verschwunden.

„Huuh....das war echt nötig!“ seufzte er und schloß die Tür wieder hinter sich.

Im ganzen Lokschuppen war es noch still. Casey sah auf die Uhr an der Wand.

„Sieben Uhr früh. Die pennen wohl alle noch.“

Tatsächlich schliefen die Lok und beide Waggons noch friedlich in ihren Boxen. Bei Dinah blieb der Junge stehen.

„Wenn sie so friedlich daliegt und schläft, sieht sie wie ein Engel aus.“

Das Waggonmädchen hatte ihr Häubchen abgenommen und ihr offenes Haar umrahmte ihr feingeschnittenes Gesicht. Er verstand wirklich nicht, wie Greaseball so ein anmutiges und kluges Wesen verstoßen konnte.
 

Auf dem Tisch in der Küche stand ein Korb mit Früchten. Casey griff sich einen Apfel und ging nach draußen. Das Wetter war immer noch warm und sonig. Langsam schlenderte er kauend über den stillen Bahnhof, sah in der Werkstatt vorbei, doch Frigidas Platz neben der Ladestation war leer. Offensichtlich war das Waggonmädchen wieder unterwegs.

„Wie lange hab ich wohl geschlafen? Hab jedes Zeitgefühl verloren.“ dachte er und machte sich auf den Weg zum Schutzwall.

Tasächlich waren die Schienen und der Deich, auf dem sie gebaut waren wieder passierbar, die Reise nach Via Coronna konnte also bald weitergehen. Casey schlenderte weiter, genoss die Stille des frühen Morgens.

Auf der Mauer saß ein einsamer Angler.

„Oh, guten Morgen, kleiner Lehrling. Geht es Dir wieder besser?“ fragte der ältere Mann.

„Guten Morgen. Ich fühl mich wieder topfit.“

„Das ist sehr gut.“

„Haben sie schon etwas gefangen?“

Als Antwort zeigte ihm der Angler seinen Korb. Acht Fische lagen darin.

„Der Flussvater meint es heute gut mit mir. Aber wir nehmen niemals mehr, als wir benötigen. Das haben wir ihm versprochen. Jeder Angler oder Fischer, der neu mit seinem Handwerk hier beginnt, legt diesen Schwur im Angesicht des Deltas ab.“ erklärte er.

„Das ist sehr weise. So sollte es überall sein.-Führen eigentlich diese Wege weit in die Auwälder hinein?“

„Du kannst ein wenig am Ufer spazieren gehen, wenn Du willst. Nimm dich aber vor den Sumpfpanthern in Acht, wenn Du einem begegnest.“

„Sumpfpanther?“ schluckte Casey.

„Keine Angst.“ lächelte der Angler.“ Sie gehen uns Menschen aus dem Weg und laufen sofort weg, wenn sie einen von uns begegnen. Sie würden nur im Notfall angreifen, wenn sie sich bedroht fühlen. In die Nähe unserer Insel trauen sie sich eh nicht. Ihr Gebiet ist weiter draußen und in den Sümpfen.“

„Alles klar.“ nickte der Junge, trat durch eine Öffnung in der Mauer und folgte den steinernen Stufen hinunter in den Auwald. Eine ganze Weile folgte er dem Pfad, bis die Insel nicht mehr zu sehen war, lauschte dem Wind, der im Schilf rauschte und den Vögeln. Einem neugierigen Eichhörnchen schenkte er den Rest seines Apfels, welches die Frucht zutraulich annahm und damit in den Bäumen verschwand.

Immer wieder führten Stege vom Ufer in den Flussarm, dem der Kiespfad folgte. Kleine Boote waren an ihnen festgemacht, Casey fragte sich, wo sie wohl während des Hochwassers gewesen waren. Offensichtlich hatte der Flussvater den Bewohnern auch ihren verlorenen Besitz wiedergegeben.

Das Wasser des Flussarmes glitt träge dahin, man konnte im flacheren Teil bis auf den Grund sehen.

„Wenn man bedenkt, wie es noch bei unserer Ankunft hier aussah.... Jetzt ist es richtig paradiesich. Und das klare Wasser sieht verlockend aus. Ich denke, die Flusseltern werden nichts dagegen haben, wenn ich eine kleine Morgen-Schwimmtour mache.“

Da niemand sonst in der Nähe war, warf er seine Hose auf den Steg und sprang lachend in das Wasser.

Eine ganze Weile zog er ruhig seine Kreise.

„Oh, unserem tapferen kleinen Lehrling scheint es wieder gut zu gehen.“

„Äh-wer spricht da?“

Plötzlich tauchte vor ihm im Wasser das Bild einer wunderschönen Nymphe auf. Sie sah genauso aus wie jenes steinerne Standbild und Casey wusste augenblicklich, wer ihm zusah.

„Uaaah! Tut mir leid, ich hätte wohl lieber meine Hose anlassen sollen.“ lief der Junge rot an und versuchte seine Blöße zu bedecken.

Ein helles Lachen ertönte.

„Glaubst Du ich habe noch nie einen Menschen ganz ohne Kleider gesehen? Du brauchst dich nicht zu schämen.“

„Oh-Na gut.“

Casey nahm seine Hände wieder hoch.

„Du bist doch die große Flussmutter, nicht wahr? Und Du zeigst dich mir so einfach?“

„Ich habe einen Spiegel, durch den ich jeden beobachten kann, der sich im und auf dem Wasser bewegt.“

„Oh, ich verstehe.“

„Ich wollte Dir gerne persönlich dafür danken, das Du meine Kleine so fürsorglich beschützt und verteidigt hast. Plitsch und Globb haben mir alles erzählt.“

„Hab ich gern gemacht. Sie ist ja schließlich noch ein Baby.“

Plötzlich teilten sich die Fluten vor Casey und mit einem Jauchzer sprang ein kleines, blaues Wesen mit orangefarbenen Augen direkt in die Arme des überraschten Jungen, der sie gerade noch auffangen konnte.

„He, hoppla! Kleines, Du hast mich nicht vergessen!“

„Als sie dich gesehen hat, war sie nicht mehr zu halten. Du bist wirklich so etwas wie ein großer Bruder für sie. Sie wird dich immer wiedererkennen.“

„Hat sie eigentlich schon einen Namen?“

„Ja, ihr Name ist Lau.“

„Kleine Lau...“

„Sie hat etwas für dich.“

Das Nymhenkind streifte Casey ein Armband über das rechte Handgelenk und gab einen fröhlichen Laut von sich. Es war aus wasserblauen, rechteckigen Steinen

„Das ist für mich? Hab vielen Dank, Kleines.“ freute sich der Junge.

„Dieses Armband zeigt jedem, das Du ein Freund von uns Wassergeistern bist.“ erklärte die große Flussmutter. „ Und ich wünsche Dir und deinen Freunden alles gute für eure weitere Reise.“

„Danke, große Flussmutter.“

Das Nyphenbaby stieß einen frohen Laut aus und sprang mit einem Satz aus Caseys Armen und wieder in das Wasser.

„Leb wohl, kleine Lau. Ich komme auf jeden Fall wieder und besuche dich...kleine Schwester.“ rief Casey und winkte. Dann war er wieder alleine, das Spiegelbild im Wasser und die kleine Nymphe verschwunden.

„Was für ein Abenteuer! Von so etwas habe ich immer geträumt.“ seufzte der Junge.
 

„Casey!“

Die kleine Dampflok war zwischen den Bäumen aufgetaucht.

„Rusty, ich bin hier!“

„Endlich hab ich dich gefunden! Ein Angler hat mir gesagt, das Du in den Auwald spazierengegangen bist.“

„Wie bist Du eigentlich die engen Stufen heruntergekommen?“

„Hab den Weg über den Bahndamm genommen. Dabei hats mich einmal auf den Hintern gehauen!“ brummte die Dampflok. „Der Boden ist schon wieder trocken und verdammt hart!“

„Warte, ich komm raus.“

Casey watete an das Ufer und Rusty warf ihm seine Hose zu, die er auf dem Steg gefunden hatte.

„Wo hast Du denn das schöne blaue Armband her?“ fragte die Lok, während Casey sich anzog.

„Von meiner kleinen Schwester.“ grinste der Junge.

„Du meinst...“

„Genau.“

„Auf jeden Fall scheinen Dir die zwei Tage Schlaf gut getan zu haben.“

„Ich hab zwei Tage durchgeschlafen?“ staunte Casey.

„Das hattest Du auch bitter nötig! Jetzt siehst du wieder frisch und munter aus. -Na ja...einmal bist Du aufgestanden und aufs Klo geschlichen. Wie ein Schlafwandler rein und wieder raus.“

„Hehe, muss komisch ausgesehen haben.“

„Und Du fühlst dich gut?“

„Jep, kein Schwindel mehr und keine wackeligen Beine.“
 

Plötzlich sprang etwas mit einer geschmeidigen Bewegung vor den beiden Freunden auf den Pfad.

„Uah! Ein Sumpfpanther!“schluckte Casey und erstarrte.

Die gefleckte Raubkatze mit der goldbraunen Rückenmähne verharrte ebenfalls reglos und musterte die beiden Fremdlinge.

„Ganz ruhig, Rusty. Keine hastigen Bewegungen. Vielleicht verschwindet er wieder. Der Angler, den ich vorhin getroffen habe, hat gesagt, Sumpfpanther würden Menschen aus dem Weg gehen.“

„Er kommt aber auf uns zu!“ zischte Rusty.

„Er hat aber weder die Ohren angelegt, noch faucht oder knurrt er. Und die Krallen sind auch nicht ausgefahren. Er zeigt keinerlei Aggression. Vielleicht ist er nur neugierig.“

Die Raubkatze brummte und trottete gemächlich näher. Sie strich um Casey herum, rieb ihren Kopf an seinen Beinen und begann zu schnurren.

„So wie er sich verhält, weiß er anscheinend, das wir die kleine Nymphe gerettet haben.“

„Du hast recht. Flußgötter wachen nicht nur über die Natur, sondern auch über die Bewohner ihres Reiches.“

Auf einmal lief der Sumpfpanther ein Stück vorraus, blieb stehen und sah zurück.

„Ich glaube, er will, das wir ihm folgen.“

Die Raubkatze führte Casey und Rusty immer tiefer in die Auwald hinein. Leichtfüßig trabte sie den Pfad entlang, bis sie an einer Stelle des Ufers stehenblieb. Beim Näherkommen entdeckte der Junge etwas Unförmiges, mit Algen und Wasserpflanzen bewachsen, im seichten Wasser liegen.

„Was ist denn das? Sieht komisch aus.“ meinte Rusty.

„Ich seh mir das mal an. Ich glaube, das wollte uns der Panther zeigen.“

„Sei aber vorsichtig!“

„Keine Angst. Er hätte uns sonst wohl kaum hergeführt.“

Casey rutschte die Uferböschung hinab und watete in das flache Wasser. Dann begann er an einer Stelle vorsichtig die Algen zu entfernen. Eine leuchtend rote Holzkonstruktion kam darunter zum Vorschein.

„Aber...sollte etwa....“

Hastig riß Casey immer mehr Wasserpflanzen ab und fand bald darauf seine Vermutung bestätigt.

„Red Caboose!“

„Ich glaubs nicht!“ brummte Rusty.
 

Kurze Zeit später hatte der Junge alle Wasserpflanzen entfernt. Der Bremswaggon lag auf dem Bauch im seichten Wasser und rührte sich nicht. Unter einem Busch dümpelte seine rote Mütze auf den kleinen Wellen.

„Der Sumpfpanther hat ihn wohl gefunden. -Wo ist er auf einmal hin?“

Lautlos wie ein Schatten war die große Raubkatze wieder im Dickicht des Auwaldes verschwunden.

„Ob er das überlebt hat?“

„Du musst nach seinem Lebensfunken schauen. Aber der Kerl ist unverwüstlich. Und außerdem wäre nur noch seine leere Hülle da, wäre er bereits beim Starlight Express.“

„Wo sitzt sein Lebensfunke?“

„Dreh ihn auf den Rücken.“

„Okay.“

Casey wuchtete den schweren Körper herum.

„Siehst Du die kleine Klappe da vorne? Öffne sie und sieh hinein.“

Der Junge zog sie auf. Tief im Innern konnte er umgeben von schwarzer Dunkelheit einen kleinen, hellen Funken sehen, der wie ein kleiner Stern leuchtete.

„Der Lebensfunke brennt noch. Zwar klein, aber konstant.“

„War ja klar. Der Halunke übersteht selbst den Zorn des Flußvaters!“ knurrte Rusty.

„Oder vielleicht wollte er ihn gar nicht umbringen. Vielleicht hat sogar der Starlight Express Einhalt geboten.“

„Kann sein.“

„Wie kriegen wir den Kerl aus dem Wasser?“

„Lassen wir ihn doch einfach liegen. Irgendwann wacht er schon wieder auf. Hoffentlich hat sich dann seine Holzhülle total verzogen von dem ganzen Wasser!“

„Rusty, ich weiß, das Du ihn nicht ausstehen kannst, aber wir sollten eher dafür sorgen, das er zurück nach Kommoran kommt!“

„Na schön. Holen wir ihn eben da raus. Hier, mit meiner Abschlepp-Kette.“ antwortete Rusty und zog sie vorne aus seinem Gürtel.

„Ach dafür ist das komische Ding da vorne an deiner Gürtelschnalle.“

„Das wurde mir in Kommoran eingebaut für Abschlepparbeiten.“

Also bekam Cabosse das eine Ende um die Handgelenke geschlungen und Casey kletterte zurück an das Ufer. Dann zogen sie gemeinsam den Körper aus dem Wasser hinauf auf den Pfad.

„Geschafft!“ schnaufte Rusty.

Zu dumm, das wir kein Seil dabei haben, um ihn richtig zu fesseln. Hoffentlich hält die Kette. Damit er nicht wieder-Halt, Rusty! Was machst Du da?“

Die Dampflok verpasste ihrem Rivalen einen kräftigen Tritt in die Seite!

„Endlich kann ich es diesem Mistkerl heimzahlen, was er uns angetan hat!“ knurrte die Lok und trat abermals zu. „Und das ist dafür, das Du Casey fast erwürgt hast!“

„Nein, hör auf! Es ist feige, gegen einen Wehrlosen zu treten. Du bist dann nicht besser als Red! Das ist deiner nicht würdig!“

„Aber er hätte dich-„

„Ich weiß, er ist ein riesen Mistkerl, aber ich finde, er hat Strafe genug erhalten. Beinahe ertränkt zu werden ist schlimm genug. Hab Geduld. Eines Tages wirst Dus ihm zeigen! In einem fairen Kampf.“

„Fair? Der weiß gar nicht, was das ist!“ Red war noch niemals fair!“

„Aber wir sind jedesmal schlauer. Und Red kriegt doch meistens eins drauf, wenn er abhaut.“

„Trotzdem! Dieses eine Mal vergesse ich meine gute Kinderstube!“ knurrte Rusty und verpasste Caboose noch einen letzten Tritt gegen den Brustkasten.

„Rusty! Es ist genug!“

Diesmal stöhnte Caboose laut auf, sein Körper zuckte,er hustete und spuckte das geschluckte Wasser aus.

Sofort sprang Rusty einen Schritt zurück, Casey stellte sich auf seine Seite.

„AAAOOOWW!-Uuuhhh....Bremssand und Altöl...ich lebe noch....ich bin ihm entkommen...Äh?--Ihr schon wieder!“

„Du solltest und danken, wir haben dich aus dem Wasser gefischt! Verdient hast Dus eigentlich nicht!“ knurrte Rusty.

„Ich geb Dir einen guten Rat. Roll auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause! Dann ersparst Du Dir ne Menge Ärger, Red! Und wir sehen von einer Meldung bei Mr. Corell ab.“

„Du hast mir nichts zu befehlen, dummer Bengel!“ knurrte der Bremswaggon.

„Rede nicht so mit meinem Lehrling!“ rief Rusty und ruckte an der Kette.

„Aua! Ihr habt mich gefesselt!“

„Genau! Und jetzt nehmen wir dich mit und erzählen den Leuten, was Du angestellt hast!“

„Was? Ihr wollt mich der Wut des Menschenmobs aussetzen? Die zerlegen mich in meine Einzelteile!“

„Wäre nicht schade darum!“ knurrte Rusty.

„Das kannst Du vergessen, Teekessel! Ich wäre da drin beinahe abgesoffen, die Flußkrabben haben mich schon angeknabbert!“

„Selbst schuld!-Mir reichts jetzt! Wir werden Mr. Corell melden, was Du alles angestellt hast!“ knurrte Rusty und ruckte abermals an der Kette.

„Nichts da!“ rief Red Caboose, sprang auf Rusty zu und rammte der Dampflok seinen Ellenbogen in den Brustkasten! Rusty blieb die Luft weg, er taumelte zurück und krachte zu Boden. Dabei riß er Casey mit um. Rasch war die Kette abgeschüttelt und Caboose beugte sich zu Casey herunter.

„Und was dich betrifft, Bengel-“

Aber weiter kam er nicht, denn plötzlich sprang der Sumpfpanther zwischen ihn und den Jungen! Das Fell der Raubkatze war gesträubt, ein drohendes Fauchen drang aus ihrer Kehle.

„UAH! Hau ab, Du Biest!“

Aber der Panther ließ sich nicht beirren, sprang vor und schlug mit seinen Tatzen nach dem Übeltäter. Da hielt es der Halunke für besser, Fersengeld zu geben.

„Red Caboose kratzt wieder mal die Kurve! So schnell er kann!“ rief er und rollte, so schnell ihn seine Räder trugen, den Pfad zurück. Der Panther blieb ihm dicht auf den Fersen.
 

„Rusty? Alles in Ordnung?“

Die kleine Dampflok hustete und hielt sich die schmerzende Stelle.

„Mir ist für einen Moment die Luft weggeblieben! Verdammter Puffernschlag! Tut höllisch weh! Obwohl unsere Puffern gefedert sind.“ keuchte sie.

„Er ist uns wieder entwischt! Wir haben nicht aufgepasst!“ fluchte Casey.

„Wir sollten Mr. Corell endlich von seinen Umtrieben berichten! So kann das nicht weitergehen! Das hätten wir schon längst tun sollen!“

„Was wird dann mit Red passieren?“

„Es wird eine Nachricht an alle Bahnhöfe ausgegeben, das er gesucht wird. Er kann sich dann auf keinem Bahnhof des Kontinents mehr blicken lassen! Sonst wird er festgesetzt und wieder nach Kommoran zurücküberführt! Dann erwartet ihn eine saftige Strafe!“

„Wird er eingesperrt?“

„Vielleicht. Aber er wird wohl auch den Bahnhof fegen und bei der Müllbeseitigung helfen müssen. Das ist die erniedrigendste Arbeit für eine Lok oder einen Waggon!“

„Komm, lass uns nachsehen, ob der Panther Red erwischen wird.“ grinste Casey und beide liefen den Pfad zurück, bis sie den roten Bremswaggon zwischen den Bäumen ausmachen konnten.

„Er ist oben auf dem Bahndamm. Schau, der Panther jagt immer noch hinter ihm her! Er treibt ihn die Strecke zurück, die wie gekommen sind!“ rief Rusty.

„Gut, dann kommt er uns in Via Coronna nicht mehr in die Quere. Dafür sorgt unser Freund schon.“ grinste Casey.
 

Und nicht nur der Panther. Auf dem Rückweg durch die Sümpfe musste Caboose sich abermals den Spott der Sumpfkobolde anhören.

„Hey, Leute! Da ist der Streuner wieder!“ rief Plitsch, welcher mit seiner Kröte auf einem Seerosenblatt hockte.

„Er ist ein Streuner und ein Eierdieb!“ rief ein anderer Kobold. Red Caboose presste die Hände auf die Ohren und rollte weiter, immer noch verfolgt von dem Sumpfpanther, zu dem sich nach einer Weile noch zwei Weitere gestellten.

„OH NEIN!“ heulte Red und begann noch schneller zu rollen. Er wollte jetzt nur noch eins: raus aus diesen Sümpfen und möglichst weit weit weg von dieser Gegend. Um Flussdeltas würde er in der nächsten Zeit einen riesen Bogen machen, das schwor er sich.
 

Fortsetzung folgt....

Ein ernstzunehmender Gegner

Hallo,

so, endlich wieder ein Kapitel geschafft! Hat diesmal etwas länger gedauert, da ich in letzer Zeit viel Arbeit hatte. Nun aber viel Spaß beim Lesen und würde mich über Kommentare freuen.
 

Kaptel 18: Ein ernstzunehmender Gegner
 

Am nächsten Tag wurden die Vorbereitungen für die Weiterreise getroffen. Eigentlich wollte er ja schon längst in Via Coronna sein.
 

Casey suchte den Laden der kleinen Stadt auf, um die Vorräte zu ergänzen. Es gab nur ein einziges, großes Geschäft, aber in diesem bekam man von Lebensmitteln bis hin zu Haushaltswaren alles.

„Oh, die Mücken haben Dir aber übel mitgespielt, kleiner Lehrling. Dann musst Du das nächste Mal ein „Mücken-Ex“ mitnehmen.“ meinte einer der Verkäufer, als er die fast verheilten Stiche an den Armen und Beinen des Jungen bemerkte.

„Mücken –Ex?“

„Die neueste Erfindung aus Elektanis! Eine Lampe, die Batterie wird durch Licht-und Sonnenenergie aufgeladen. Das gelbe Licht in der Mitte zieht die Mücken im Umkreis von hundert Meter wie ein Magnet an und vernichtet sie.“

„Ja, so eine hängt auch in meinem Zimmer. Packen sie mir gleich eine ein. Dann hab ich sie für spätere Fälle gleich zur Hand.“

„Sehr gerne, kleiner Lehrling.“ nickte der Verkäufer und holte eine Schachtel aus einem der unzähligen Regale.

Bald stapelten sich etliche Dinge auf der Theke.

„Gut, ich hätte dann alles. Was macht das zusammen?“

„Oh nein, Du brauchst nichts zu bezahlen. Du hast schließlich unser Zuhause davor bewahrt, unterzugehen. Wir werden Dir für deinen Mut auf ewig dankbar sein!“

„Danke, das ist sehr nett von ihnen. Aber ohne meine Freunde und die Sumpfkobolde hätte ich es nicht geschafft.“

Im selben Moment ging die Tür auf und der Kühlwaggon rollte herein.

„Hallo, Frigida! Alles wieder im grünen Bereich?“

„Natürlich, Casey. Es war ja nur mein Akku, der aufgeladen werden musste. Aber in zwei Monaten werde ich im Betriebswerk von Via Coronna ein neueres und stärkeres Akku-Modell eingebaut bekommen. Das lädt sich dann zum Teil von selbst auf, durch eine Art Dynamo, wenn ich fahre. Dann werde ich nie ganz ohne Energie sein.“

„Das ist toll.“ stimmte Casey zu.

„Tino, ich bringe die bestellten Tiefkühlvorräte. Wo sollen die hin?“ fragte sie.

„Nach nebenan. In den Kühlraum.“

Das Waggonmädchen nickte und begab sich wieder zur Tür. Aber vorher steckte sie Casey noch ein großes Eis zu.

„Für unseren Helden.“ lächelte sie.
 

Dann kam der Abschied. Auf dem kleinen Bahnhof hatten sich unzählige Bewohner der Stadt versammelt und die Freunde konnten noch die einheimische Diesellok Mattheo endlich kennenlernen, welcher erst vor wenigen Stunden in ihren Heimatbahnhof zurückgekehrt war. Sie lauschte mit staunendem Blick der Erzählung der Freunde.

„Und ich saß auf der Nachbarinsel fest. Das Wasser stand uns ebenfalls schon bis zum Hals, doch dann ging die Flut urplötzlich wieder zurück. Schade, das ich nicht dabei war. Ich hätte diesem roten Bremser ordentlich den hölzernen Hosenboden versohlt!“

„Das glaube ich Dir.“ lächelte Casey.

„Danke für deine Hilfe, Frigida.“ sagte Dinah.

„Kein Problem. Wir Waggons und Loks müssen schließlich zusammenhalten.“

„Ja, auch vielen Dank von mir, Remi, das ihr euch so um mich gesorgt habt, als ich krank war.“ erklärte Casey.

„Das gehört zu unseren Pflichten, wenn ein Lehrling krank wird.“ lächelte der Staionsvorsteher und beide gaben sich die Hand.

„Gute Reise! Und viel Glück in Via Coronna!“ wünschten die Bewohner.

„Seid ihr bereit?“ wandte sich Casey an seinen kleinen Zug. Alle drei nickten.

„Transformation!“

Gleich darauf standen eine abfahrbereite, dampfende und zischende Lok und zwei Waggons auf den Gleis. Casey kletterte in den Führerstand, winkte noch einmal zum Abschied und löste dann die Bremsen. Schnaufend und stampfend setzte sich Rusty in Bewegung und der kleine Zug ratterte aus dem Bahnhof. Noch lange winkten die Leute ihrem Retter nach.

„So einen tollen Lehrling hatten wir noch nie hier.“ seufzte Frigida.

„Ich hoffe, er kommt uns wieder einmal besuchen.“

„Das wird er bestimmt, Mattheo.“ lächelte das Waggonmädchen und warf einen wissenden Blick auf das Flussdelta hinaus.
 

Am Nachmittag erreichten Casey und seine Freunde wieder das Festland, das ausgedehnte Delta blieb hinter ihnen zurück. Nun verlief die Strecke wieder zwei-und mehrgleisig.

Die Nacht verbrachten sie auf einem kleinen Bahnhof, am nächsten Morgen ging es früh weiter.

„Schaut mal! Da kommt uns ein Zug entgegen!“ rief Rusty.“Seltsam. Der zuckelt aber langsam vorwärts. Und er ist im Humanoid-Modus.“

Als beide Züge sich begegneten, zog Casey die Bremse und brachte Rusty zum Stehen.

„Beim Starlight! Was ist denn mit euch passiert?“ fragte Casey, als er die E-Lok erblickte, die ihren Arm dick verbunden in einer Schlinge trug. Außerdem hinkte sie leicht und ihr Gesicht zierten zwei Pflaster. Der Waggonanhänger, ein gelber Rocky, sah nicht besser aus.

„Wir haben den Favoriten von Torrone herausgefordert....nehmt euch bloß vor Espresso in Acht! Er ist ein ziemlicher Rabauke!“ stöhnte die Lok.

„Ich hoffe, ihr wollt nicht ebenfalls mit ihm um eine Plakette wettlaufen.“ bemerkte der Lokführer, welcher neben seiner Lok herging.

„Eigentlich schon...“ bemerkte Casey.

„Und in welcher Liga seid ihr?“

„D-Liga.“

„Vergesst es! Wir sind C-Ligisten und seht, was er mit uns angestellt hat!“ klagte der gelbe Rocky.“Unser Lokführer muss sogar zu Fuß neben uns hergehen.“

„Warum seid ihr nicht geblieben, bis eure Verletzungen verheilt sind?“

„Ich hab keinen Bock hier länger zu bleiben! Ich will so schnell wie möglich wieder nach Hause zurück.“ bemerkte die Lok. „Im nächsten Bahnhof werden wir abgeholt.“

Casey spürte, wie Rusty unruhig zu werden begann.

„Dann....wünsche ich euch eine gute Heimkehr.“

„Danke, kleiner Lehrling.“ lächelte der Lokführer. „Und-überlegt es euch lieber nochmal! Der Kerl kämpft mit harten Bandagen!“
 

„Ich hoffe, Du wirst jetzt nicht kneifen!“ sagte Casey, als der verletzte Zug weitergezogen war.

„Ich hätte große Lust dazu! Was treibt der Kerl nur während des Rennens? Drischt er mit nem Knüppel auf seine Gegner ein?“ bemerkte die kleine Dampflok.

„Es wird wohl mehr Kampfeinsatz verlangt, je höher man in der Liga steigt.“

„Na toll! Das ich im Kämpfen eine absolute Niete bin, hat mir Red Caboose mehr als deutlich gezeigt!“

„Lass es uns wenigstens versuchen. Das er sogar C-Ligisten in die Pfanne hauen kann, muss nichts heißen. Vielleicht haben die beiden einfach Pech gehabt.“

Je mehr sich der Zug seinem Ziel näherte, desto mehr schwanden Caseys Hoffnungen, hier eine Plakette zu erringen.
 

„Seht mal! Eine große Stadt! Das muss Via Coronna sein!“ rief Dinah. Am Horizont tauchte ein wahres Häusermeer auf, das mehrere Hügel bedeckte.

Der Hauptbahnhof lag im Zentrum der Stadt.

„Seht euch das an! Was für eine Menge Leute!“ staunte Casey.

„Und wie laut es hier ist!“ brummte Rusty. „Ich hoffe, wir müssen nicht hier die Nacht verbringen!“

Tatsächlich herrschte die ganze Zeit eine Geräuschkulisse aus unzähligen lauten und leisen Stimmen vor. Und die Menschen, die den Bahnhof bevölkerten, unterhielten sich nicht gerade in dem ruhigen Ton, den die Freunde normalerweise gewöhnt waren.

„Diese Torroner hier im südlichen Teil sind lebhafter als diejenigen des Deltas.“ bemerkte Dinah.

„Hektischer, würde ich sagen.“ knurrte Rusty. „Und lauter.“

„Okay, ich geh mich beim Stationsvorsteher melden. Bis nachher.“

Und die beiden Waggons und Rusty warteten.

„Mann, sogar unsere Kollegen hier sind nicht anders.“ brummte Rusty, der zwei Waggonmädchen vor einer Gruppe transormierter Waggons beobachtete, die sich lautstark und angeregt unterhielten. Dann entdeckten sie die Fremden und winkten ihnen zu. Dinah winkte lächelnd zurück. Sie hatte eines der Mädchen als Speisewaggon identifiziert.

Als nächstes kam eine E-Lok dazu und begann hektisch und aufgeregt auf die beiden einzureden. Die beiden Waggons antworteten genauso temperamentvoll.

„Streiten die jetzt oder reden die normal?“ fragte Dustin, der bis jetzt nur schweigend alles beobachtet hatte. Nicht einmal diese laute hektische Umgebung brachte ihn aus der Ruhe.

„Ist wohl ihre Art.“ meinte Dinah.

Schließlich ging der Lokführer dazwischen, ein paar knappe Befehle und die beiden Waggons samt Lok transformierten.

„So, der hat jetzt ein Machtwort gesprochen.“ grinste Rusty.
 

Endlich kam Casey wieder zurück.

„Das hat aber gedauert, diesmal. Wo warst Du so lange?“ fragte Rusty.

„Sorry, musste nach der Anmeldung noch beim Bahnhofsarzt vorbeisehen. Wegen meiner kürzlichen Kranheit musste der mich untersuchen und alles in meinen Unterlagen vermerken.“

„Richtig, das ist Vorschrift. Weil es auf Udiana keinen Bahnhofsarzt gab.“ bemerkte Dinah.

„Und wie geht’s jetzt weiter?“

„Wir beziehen in der großen Arena von Via Coronna Quartier. Dort befindet sich auch das Depot für Züge und Zimmer für die Lokführer. Also, macht euch bereit. Transformieren braucht ihr nicht, ich will mal wieder mit meinen Rollerblades fahren.

Gesagt-getan. Kurz darauf verließen die Freunde den Hauptbahnhof, froh, dem ganzen Lärm hinter sich zu lassen.

Ihr Ziel lag am südlichen Ende der Altstadt.

„Wow! Seht euch das an!“staunte Casey.

„Ist das diese Arena? Die ist ja riesig!“

Vor ihnen wuchs ein imposantes ovales Bauwerk in die Höhe.

„Das sieht aus, wie das Colosseum in Rom...“ murmelte Casey.

„Die Mauern müssen schon uralt sein!“ staunte Rusty.

„Ein weiterer Beweis, das die Ahnen der Torroner schon große Baumeister waren. Seht nur, die schönen Säulen!“ sagte Dinah und wies nach Rechts, wo weitere antike Stätten neben den Gleisen lagen.“Die besten Architekten stammen aus diesem Land. Und hier in Via Coronna gibt es sogar eine Universität für Architektur. Die Führende auf dem ganzen Kontinent.“

„Schon gut, Madame wandelndes Lexikon.“ brummte Rusty leise.
 

Jedes der vier Gleise führte durch einen reich mit Fresken verzierten Torbogen in das Innere der länglich-ovalen Arena. Das Gleis auf dem Casey und seine Freunde eintrafen bog gleich nach rechts ab und führte an der Mauer entlang bis vor die Tore des Depots.

„Wow, hier ist sogar die Lokhalle antik!“ bemerkte Dinah.

„Nur nicht die elektrischen Leitungen da oben.“ meinte Rusty und legte seinen Kopf in den Nacken.

Ein Mann in einer blauen Werkstattmontur kam auf die Freunde zu.

„Seid gegrüßt, Neuankömmlinge! Mein Name ist Giovanni und ich bin der Werksmeister hier.“

Casey stellte sich und seinen Zug vor und erklärte dann warum sie hierwaren.

„So, ihr wollt also gegen unseren Espresso laufen? Wir haben inzwischen noch eine Herausforderung erhalten. Dann gibt es ein dreier-Wettrennen.“

„So wie bei meinem ersten Wettlauf in Juti.“ bemerkte Rusty.
 

„Kommt, ich zeige euch eure Stellplätze und die Wohnräume.“

Innen war alles modern ausgestattet, die Zimmer für das Personal lagen einen Stock höher. Antike Säulen stützen die große Halle des Depots, in dem sich Stellbox an Stellbox reihte.

„Oh, wem gehört denn die große Box mit den Vorhängen?“ wollte Dinah wissen.

„Unserem Favoriten Espresso.“ antwortete Giovanni.“Er hat gerade Dienst und kommt erst am Nachmittag wieder. Hast Du schon zu Mittag gegessen, Casey?“

„Noch nicht.“

„Dann komm mit mir in unsere kleine Kantine, sie liegt gleich nebenan.“
 

„Sag mal, seh ich recht? Rusty!“

Alle fuhren herum. Gerade kam eine blaue E-Lok aus ihrer Stellbox gerollt.

„Hallo Tron! Du auch hier? So sieht man sich wieder.“

„Ich will es gegen den Favoriten hier versuchen. Vielleicht schaffe ich es, eine weitere Plakette zu erringen. Dann kann ich als nächstes gegen einen Oberligsten antreten. Seid ihr etwa auch schon soweit?“

„Selbstredend. Wir wollen schließlich auch weiterkommen. Noch eine Plakette und wir haben sieben zusammen.“

„Übernehmt euch nur nicht. Bis jetzt war es für euch einfach, aber Espresso fährt in einer ganz anderen Liga! Bei ihm müst ihr euch in Acht nehmen!“

„Davon hat man uns bereits gewarnt. Und der Kerl scheint ziemlich stark zu sein. Aber wir haben die sechs erforderlichen Plaketten. Wie Du.“

„Wo ist dein Lokführer?“

„Sitzt wohl gerade in der Kantine.“

„Na klar.“ grinste Casey, der an ihre erste Begegnung dachte. Damals war es genauso gewesen.

Tatsächlich traf Casey Mr. Shine beim Mittagessen.

„Na sowas! Casey Jones! Wann seid ihr denn angekommen?“

„Gerade eben.“

Mit seinem Tablett setzte sich Casey kurz darauf zu Trons Lokführer.

„Seid ihr auch wegen dem Wettrennen hier?“ fragte er.

„Stimmt. Tron und Rusty werden gemeinsam gegen Espresso antreten.“ nickte der Junge.

„Wird diesmal nicht so einfach werden.“

„Stimmt. Uns ist auf dem Herweg eine Lok mit Waggon begegnet. Die sahen übel aus. Sein Lokführer musste sogar nebenher zu Fuß gehen. Aber vielleicht können zwei Gegner gleichzeitig mehr ausrichten.“

"Ach ja, die Beiden vom letzen Rennen vor fünf Tagen. Die haben sich schon auf den Heimweg gemacht?"

"Die Lok wollte möglichst schnell wieder nach Hause."
 

Nach dem Mittagessen schlenderte Casey ein wenig durch die Arena. Drei Reihen Gleise liefen im oval an der Mauer nebeneinander entlang. Die Mitte war freigelassen worden, an zwei Stellen führte je ein Abstellgleis hinein.

„Puh, jetzt um die Mittagszeit ist es zu heiß hier draußen! Kein Wunder, das jetzt kaum Züge unterwegs sind. Ich zieh mich auch in die Kühle zurück.“ seufzte der Junge und begab sich zurück in das Depot.

In einer Ecke der Lokhalle erkannte er Lonzo, welcher sich mit einem Waggonmädchen unterhielt und anscheinend versuchte mit ihr zu flirten. Doch er hatte nicht mit dem Temperament der Torronierin gerechnet. Die gab ihm gleich lautstark Paroli, als er eine Hand um ihre Hüfte legen wollte und es hagelte eine saftige Backpfeife!

„Cretino!“ fauchte sie.

Dann rollte das Waggonmädchen hoch erhobenen Hauptes davon. Casey grinste.

Vor dem Jungen hielt sie wieder an.

„Oh, ein kleiner Lehrling. Wie heißt Du?“fragte sie freundlich.

„Casey Jones aus Kommoran. Ich bin mit meiner Lehrlok hier, die morgen ein Rennen gegen Espresso bestreitet.“

„Aha, der kleine schlafende Neri dort drüben gehört zu Dir! Ich bin Cappuchina, Espressos Waggonpartner bei den Rennen. Willkommen in Via Coronna!“ lächelte sie. Und schon hatte sie sich zu Casey heruntergebeugt und er bekam ein Küsschen von ihr auf die Backe. Der Junge lief rot an, gleichzeitig sah er, wie Lonzos Gesichtszüge entgleisten.

Summend rollte Cappuchina davon.

„Das hat sie sicher gemacht, nur um Lonzo eines auszuwischen.“ dachte Casey, hielt sich die Backe und sah ihr nach. „Baggern lohnt sich nicht immer.“
 

Rusty lag in seiner Box und döste. Nachdenklich besah sich Casey die wenigen noch verbliebenen Roststellen an der kleinen Dampflok.

„Wenn wir nach Kommoran zurückkommen, werde ich dafür sorgen, das dein Anstrich endlich komplett wird.“ murmelte er.

Plötzlich begann sich Rusty zu regen und schlug die Augen auf.

„Oh, hab ich dich aufgeweckt?“

„Nein, mein Aschekasten ist wieder mal voll. Ich merke das sogar im Schlaf und wache manchmal davon auf.“

„Dann komm mit, ich muss sowieso prüfen, ob für den morgigen Tag alles in Ordnung ist. Du musst topfit sein, denn Espresso muss ein ernstzunehmender Gegner sein.“

„Bin gespannt, wie der Kerl aussieht.“
 

Für das Entaschen und Entschlacken musste Casey vor das große Amphitheater fahren. Die längliche Grube befand sich außerhalb des Depots. Dort gab es auch noch ein kleines Kohlelager und einen alten Wasserkran. Man sah der Anlage an, das sie nicht mehr oft genutzt wurde. Demnach gab es auch hier in Torrone keine oder kaum noch dampfbetriebene Lokomotiven.

„Ein Glück, die Aschegrube befindet sich gerade im Schatten. Dann kanns gleich losgehen.“

Casey brachte Rusty in die richtige Position und kletterte dann aus dem Führerstand.

Nach dem Ausputzen untersuchte er noch alle wichtigen beweglichen Teile, zog mal hier, mal da eine Mutter oder eine Schraube an und füllte die Behälter über den Treibstangen mit Öl. Zu Anfang ihrer Reise waren sie oft zu unfreiwilligen Halts gezwungen worden, weil Rustys Getriebe heißgelaufen war. Aber je mehr sie unterwegs waren, desto mehr hatte sich die Laufleistung und auch die Geschwindigkeit der Dampflok verbessert. Er schaffte zwar noch keine hundert Stundenkilometer, konnte es aber für kurze Zeit auf ebener Strecke schon auf 87km/h bringen.
 

Ein lautes Signalhorn ließ beide aufhorchen.

„Da kündigt sich eine Lok an.“ bemerkte Rusty.

„Vielleicht ist es sogar Espresso.“

„Lass uns nachsehen. Wir sind hier sowieso fertig.“

Die kleine Dampflok transformierte, hob Casey auf ihre Schultern und rollte zurück in die Arena.

In der Einfahrt musste er kurz anhalten, weil ein Gleisarbeiter eine Warnflagge schwenkte. Zwei weitere Männer schoben eine seltsame Konstruktion vorbei.

„Was haben die denn vor?“ wunderte sich Casey, als die Durchfahrt wieder freigegeben wurde.
 

Auf einem freien Platz mitten in der Arena wurde das seltsame Teil aufgebaut.

„Das sieht aus wie eine....Halfpipe! Die Rampe ist halbrund nach oben gerichtet! Ich kann mir denken, was...-“

„Casey, schau mal!“

Auf dem innersten Gleis drehte eine leuchtend gelbe Lok vergnügt ihre Runden.

„Wer ist denn das?“

„Das ist Espresso. Er läuft sich gerade warm. Passt gut auf.“ lächelte einer der Gleisarbeiter.

Mit einem lauten „Klack“ sprang eine Weiche um, und der Neuankömmling schwenkte auf das Nebengleis ein. Mit unverminderter Geschwindigkeit hielt er auf die aufgebaute Konstruktion zu, wechselte mit einem kleinen Sprung auf die Rampe, raste die Wölbung hoch, schlug einen Salto rückwärts und kam wieder sicher auf ihren Rädern auf!

„Hast Du gesehen, was der kann?“ schluckte Rusty.

„Ganz ruhig. Für ein Rennen musst Du keine Saltos in der Luft schlagen. Wenns ihm Spaß macht...“ meinte Casey. „Eigentlich sieht er ganz harmlos aus, richtig nett...da, schon wieder ein Salto!“

Die anwesenden Arbeiter applaudierten, als Espresso ausrollte, die Arme ausbreitete und eine kleine Verbeugung andeutete.
 

„Espresso, würdest Du uns bitte einmal helfen?“ rief plötzlich ein Gleisarbeiter und winkte. Die Lok nickte und rollte zu den drei Männern, die an einem der drei Schienenstränge zu tun hatten.

„Wir müssen das Stück Gleis hier erneuern. Kannst Du das herausgeschweißte Teil zur Seite heben?“

„Kein Problem.“ grinste Espresso, bückte sich, hob das etwa zwei Meter lange Stück Stahl hoch und wuchtete es zur Seite.

„Mann, ist der stark! So ein Stück Gleis ist verdammt schwer!“ schluckte Rusty.

„Und nun noch das neue Stück.“ sagte einer der Männer. Espresso nickte, lud sich das neue Gleisstück vom Transportwaggon auf seine Schultern und trug es zur Baustelle. Beim Einpassen halfen die Arbeiter mit.

„Okay, passt! Danke, mein Freund.“

„Gern geschehen. Ist ein gutes Training für mich.“ lächelte die Lok.

„Bei uns nehmen die immer einen Kranwaggon für solche Arbeiten. Greaseball ist sich zu fein, um mal mitanzupacken.“ schnaubte Rusty.

„Probier mal, ob Du das alte Gleisstück anheben kannst.“ schlug Casey vor.

„Soll ich mich vor allen lächerlich machen?“

„Keiner erwartet von Dir, ein Herkules zu sein. Aber probier es einfach mal.“

„Na schön!“ knurrte Rusty, rollte zu dem alten Schienenstück, bückte sich und versuchte sein Glück. Espresso sah mit belustigter Miene den Versuchen der kleinen Dampflok zu.

„Hrrrgggnnnn! -Ich wusste es! Das Ding rührt sich keinen Zentimeter!“

„So wird das nichts, kleiner Neri*. Lass uns zusammen das Teil aufladen.“ lächelte Espresso und rollte langsam heran. Rusty ließ los und richtete sich wieder auf.

„Pass auf. Jeder nimmt ein Ende und bei Drei heben wir zur selben Zeit an.“

Gesagt-getan. Rusty hatte zunächst Bedenken, das er auch so nicht die Kraft dazu hätte, doch zu Zweit war das Gewicht besser verteilt und es bereitete keine Probleme.

„Übrigends: Wer bist Du eigentlich?“

„Rusty aus Kommoran. Ich werde mit Dir morgen ein Wettrennen austragen.“

„Oh, noch ein Gegner! Dann macht es noch mehr Spaß! Und Du kommst aus Kommoran? Ich habe vor, in nächster Zeit euren Champion herauszufordern und mir eure Plakette zu holen.“

„Tu was Du nicht lassen kannst. Aber ich warne dich. Mit dem ist nicht zu spaßen!“

„Das macht es um so interessanter.“ grinste die Lok.

Schließlich war das Gleisstück auf dem Waggon verladen.

„Danke, ihr beiden. Wir sind hier jetzt fertig. Machts gut, wir sehen Dir morgen beim Rennen zu!“ rief einer der Männer und winkte. Die kleine rote Diesellok vorne am Reparaturzug stieß einen Pfiff aus und setzte sich in Bewegung.

„Ciao, Espresso!“ rief sie.

„Ciao, Marco!“ lächelte die gelbe Lok und hob die Hand.
 

„Du bist wirklich unglaublich stark, Espresso.“ sagte Casey, der auf die beiden Loks zukam.

„Bist Du der Musi Neri von Rusty hier?“

„Musi-was?“

Espresso grinste. „So nennen wir Torroner die Lokführer von Dampfloks. Es bedeutet: „schwarze Fratze“.

„Aha. Und ein „Kleiner Neri“ ist ein kleiner Schwarzer.“

„Genau.“

„Grummel...schon wieder nennen mich alle „Kleiner!“ brummte Rusty so leise, das nur er es hören konnte.

„Mit richtigem Namen heiße ich übrigends Casey Jones.“

„Freut mich dich kennenzulernen, kleiner Lehrling.“

„Findet das Rennen hier drin statt?“ wollte Rusty wissen.

Die gelbe Lok nickte.

„Früher wurden hier Wagenrennen veranstaltet und Gladiatoren kämpften gegeneinander. Aber das ist schon sehr lange her. Heute finden hier die Wettrennen gegnen mich, Espresso den Favoriten statt. Das Rennen geht über drei Runden. Seht ihr die Ampeln dort oben? Jedes Mal wenn eine Runde gelaufen wurde, leuchtet eine Farbe auf. Zuerst Grün, dann gelb und rot für die letzte Runde.“

„Und nur der Erste bekommt eine Plakette?“

„Genau. Gehe ich als Erster durchs Ziel, habt ihr Pech gehabt, scusi.“

„Tja, Rusty, es kann nur Einen geben, sagt man so schön.“ seufzte Casey.

"Sonst ist das hier ein ganz normales Depot für uns Loks und Waggons. Und da hinten liegen die Werkstätten. -Und jetzt gehts weiter mit meinen Training. Bis nachher, Leute!"

Schweigend schlenderten der Junge und sein Lokpartner zum Depot zurück, während Espresso noch blieb und sich seinem Training widmete.
 

Eine Stunde später rollte er in die Lokhalle, neben ihm schritt ein uniformierter Mann. Es gab eine kurze, überschwengliche Begrüßung mit Cappuchina, wobei Lonzo, der alles von seiner Box aus beobachtete, wieder eine saure Miene zog.

Die aufgeregten Stimmen hatten Casey und Mr. Shine aus dem Aufenthaltsraum gelockt.

„Das ist Vittorio, Espressos Lokführer.“ erklärte Letzerer.

„Aaah, unsere beiden Herausforderer. Ich wusste, das wir uns hier treffen würden. Und der Zweite ist ein junger Lehrling.“

„Casey Jones ist mein Name, Sir.“ stellte sich der Junge vor.

„Willkommen in Via Coronna.“
 

Beim Abendessen kam Mr. Shine mit der Idee heraus, Rusty und Tron einmal gegeneinander laufen zu lassen, um ein Gefühl für die Rennstrecke zu bekommen.

„Ich würde auch gerne zusehen, was unsere Gegner können.“ erklärte Vittorio.

Gesagt-Getan. Als es dämmerte, standen beide Loks mit ihren Waggons am Startpunkt und warteten auf Mr. Shines Zeichen. Auf Lonzos Wange war noch der dunke Abruck einer zierlichen Hand zu sehen.

„Oh, da hat aber einer eine ziemliche Abfuhr bekommen! Hat Mr. Shine dich nicht gewarnt, mit dem Waggonmädchen von Espresso einen Flirt anzufangen?“ grinste die blaue E-Lok.

„Sehr witzig, Tron!“ knurrte der Viehwaggon.
 

Am Horizont brauten sich dunkle Wolken zusammen, die Vorboten eines Gewitters.

„Und denkt daran, nicht volle Pulle. Wer als erster durchs Ziel geht, ist egal! Es handelt sich hier um einen reinen Trainingslauf, um mit der Strecke vertraut zu werden.“ erklärte Mr. Shine und hob die grüne Flagge. Beide Loks setzten ihre Helme auf und schnallten die Kinngurte fest.

„Achtung-uuund-Los!“

Die Flagge sauste nach unten, beide Gespanne sprinteten los. Rusty lief auf der äußeren Bahn an der Mauer, Tron in der Mittleren.

Morgen würde Espresso das mittlere Gleis nehmen, so war es bei Dreier-Rennen Vorschrift.

„Na komm schon, Kleiner!“ lachte Tron und versetzte Rusty einen Klaps gegen seinen Helm. Dann zog er an ihm vorbei.

„Hey!“

Bald war die erste Runde geschafft.

„Und gleich noch eine!“ rief Mr. Shine und wedelte mit der Flagge.

Beide Loks liefen dicht an dicht und wurden noch etwas schneller, die Anhänger feuerten ihre Zugmaschinen an.

„Die Beiden sind nicht schlecht. Selbst der kleine Neri hält gut mit Tron mit. Ich bin gespannt, wie schnell sie morgen sein werden.“ bemerkte Vittorio.

„Meinen Sie, Rusty, hat eine Chance?“

„Das kann ich nicht genau sagen. Aber er sollte möglichst immer genügend Abstand zu Espresso halten. Denn wenn er angreift, dann richtig. Und er benutzt nur selten eine Attacke. Mehr seine Kraft und seine Fäuste.“

„Verstehe. Danke für den Tipp.“
 

Die Anwesenden unten in der Arena ahnten nicht, das sie von zwei aufmerksamen Augenpaaren bebobachtet wurden. Espresso hockte in einer der hinteren Reihen im oberen Bereich der Tribühnen, neben ihm sein Waggonpartner Cappuchina. Das Waggonmädchen war ein Buffetwaggon, ähnlich wie Buffy, nur gab es bei ihr überwiegend die berühmten torronischen Kaffeespezialitäten und kleine Snacks.

„Und-was meinst Du?“ bemerkte Cappuchina, welche sich an ihren Partner gelehnt hatte und das Trainingsrennen unten in der Arena beobachtete.

„Sie sind beide gut, Cara Mia. Sieh nur, wie viel Mühe sich der kleine Neri gibt, um nicht zurückzufallen.“ bemerkte Espresso.

„Aber Du wirst es ihnen morgen nicht so leicht machen.“

„Das gehört sich für einen Favoriten meiner Liga.“ antwortete die torronsiche Lok und straffte stolz ihre Gestalt.
 

Ein lautes Donnergrollen ließ beide aufsehen.

„Kehren wir ins Depot zurück, bevor der Regen kommt.“ bemerkte Espresso und beide erhoben sich. Unbemerkt gelangten sie in die große Lokhalle zurück.
 

„Okay, das wars! Anhalten, wir machen Schluss!“ rief Mr. Shine und schwenkte eine rote Flagge. „Das Gewitter ist schon zu nahe!“

„Erster!“ rief Tron und rollte über die Ziellinie, dicht gefolgt von Rusty.

„Morgen mach ichs Dir nicht so leicht!“ knurrte die Dampflok.

Als sich die kleine Gruppe auf den Rückweg ins Depot machte, fielen bereits die ersten dicken Regentropfen herab und klatschten auf die Helme der Loks.
 

In der Nacht ging über der Stadt und der Arena das Haupt- Gewitter nieder und es goß in Strömen.

„Dann wird es morgen nicht so heiß.“ murmelte Casey und sah aus dem Fenster. Er zog die Rollos herunter und legte sich wieder hin.
 

Am nächsten Morgen schien wieder die Sonne vom fast wolkenlosen Himmel, aber einige Pfützen waren in der Arena neben den Gleisen zurückgeblieben. Doch auch diese würden bis zum Mittag verschwunden sein.
 

Der große Tag war da. Das Rennen wurde am Morgen abgehalten, bevor die Mittagshitze zu stark wurde.

Mehrere Züge brachten die Zuschauer aus der Stadt in die Arena. Sie hielten in den Einfahrten zur Arena, die Leute stiegen aus und die Stufen zu den Tribühnen hinauf.

Fast alle Ränge waren besetzt. Ganz vorne, hinter der Arenamauer standen die Loks und Waggons, die keinen Dienst hatten und warteten unruhig auf den Beginn des Wettrennens.

„Mann, was für ein Trubel! So viele Zuschauer hatten wir noch nie!“ staunte Casey. Rusty hatte bei der Auslosung diesmal die innerste Bahn bekommen, Tron die Äußerste bei der Mauer. Gestartet wurde versetzt, da die Innerste Bahn ja die kürzeste war. Tron stand also ganz vorne, Rusty an dritter Stelle.

„Mir wird ganz mulmig bei den vielen Leuten.“ murmelte Rusty.

„Nun krieg bloß kein Lampenfieber, Kumpel! Du machste es so wie immer. Konzentriere dich auf deinen Gegner, nur das ist wichtig.“

„Seht mal, warum grinst Espresso nur so?“ fragte sich Dinah.

„Keine Ahnung. Warscheinlich überlegt er sich gerade wie er uns in die Pfanne haut.“ meinte Rusty.
 

„Herzlich willkommen zum heutigen Wettrennen um die Plakette von Via Coronna!“ tönte es aus Dutzenden von Lautsprechern. Die Zuschauer verstummten, Stille kehrte ein.

„Zwei Gegner werden heute gegen unseren Favoriten antreten. Aus Arrosia Tron, die E-Lok! Mit seinem Waggonpartner Lonzo!“

Die Zuschauer applaudierten und Tron und sein Anhänger winkten.

„Aus Kommoran Rusty, die Dampflok! Mit Dustin, dem Tenderwaggon!“

Rusty winkte ebenfalls, als die Menge applaudierte.

„Seht mal, ein kleiner Neri! Und der will unseren Espresso schlagen? Er hat nicht den Hauch einer Chance!“ sagte eine blaue Diesel-Farbriklok zu einem Waggonmädchen.

„Aber er scheint sich qualifiziert zu haben, Olivero.“
 

„Und hier ist unser Favorit! Begrüßen sie-Espresso! Wie immer in Begleitung seiner reizenden Partnerin Cappuchina!“

Nun war das Publikum nicht mehr zu halten. Tosender Beifall und Jubelrufe brandeten auf. Galant und stolz rollte der Favorit auf seinen Platz in der Mitte, schräg gegenüber seinen Gegnern. Er verbeugte sich und winkte nach allen Seiten. Cappuchina verteilte Handküsschen.

„Der hat echt viele Fans!“ murmelte Lonzo geknickt. „Und seine Braut auch.“
 

„Ich bitte, die Zuggespanne an die Startpunkte zu gehen! Das Begleitpersonal bitte die Strecke freimachen!“

„Okay, also Rusty: Gib einfach dein Bestes. Und auch wenn Du verlierst, ist nicht so tragisch. Dann probieren wir es ein anderes Mal.“ sagte Casey und reichte ihm seinen Helm. Dann eilte er mit Mr. Shine und Espressos Lokführer aus der Arena auf die für sie reservierten Sitzplätze in der ersten Reihe.

Dinah wartete bereits.

„Jetzt bin ich gespannt.“ sagte sie.

„Und ich furchtbar nervös! Sieh Dir nur die ganzen Zuschauer an! Wie beim Grand Prix!“ schluckte Casey.
 

Lonzo zwinkerte Cappuchina verstohlen zu, als sie zu ihm herübersah. Er konnte es einfach nicht lassen. Dafür bekam er von Espresso einen kleinen Elektro-Blitz gegen sein Hinterteil.

„Jiautsch!“

„Du kannst es wohl wirklich nicht lassen, was?“ knurrte Tron. „Wegen deiner Anbaggerei hat er uns noch ständig auf dem Kieker!“

„Setzt eure Helme auf.“ bemerkte der Streckenposten, der am Startpunkt die Vorbereitungen überwachte. Die Loks folgten der Aufforderung.
 

„Auf die Gleise und an den Start!“ dröhnte es aus dem Lautsprechern.“Fünf-vier-drei-zwei-eins-START!“

Die roten Ampeln über den Startpunkten sprangen alle auf Grün, gleichzeitig ertönte ein lauter Sirenenton.

„Und es geht los!“

Alle drei Wettläufer spurteten vorwärts. Kurz danach wechselten alle drei Ampeln wieder auf rot. Die Torroner feuerten ihren Favoriten lautstark an.

„Mann, wie bei uns zu Hause auf dem Fußballplatz!“ meinte Casey.

„Fussballplatz?“ wunderte sich Dinah.

„Das kennt ihr hier wohl nicht? Na, nicht so wichtig. Ist eine Art sportlicher Wettkampf bei mir zu Hause.“
 

In der ersten Runde passierte nichts ungewöhnliches. Nur das Espresso ständig Lonzo triezte. Das nützte die kleine Dampflok, um sich an die Spitze zu setzen.

„Rusty liegt in Führung, dicht gefolgt von Espresso und Tron!“

„Nicht verausgaben Rusty! Du hast noch zwei Runden!“ rief Casey.

Schon passierte Rusty die Ampel, welche auf Gelb sprang.

„Noch zwei Runden! Jetzt wird’s ernst...“ murmelte Dinah.

Kurz darauf folgten Espresso und Tron.

Die torronische Lok zwinkerte ihrer Partnerin zu. Cappuchina nickte.

„Tut mir leid, kleiner Neri, aber jetzt muss ich Ernst machen.“

In Windeseile schloß Espresso zu Rusty auf.

„Hey, Kumpel, der Gelbe holt auf!“ rief Dustin.

„Ruß und Schlacke! Und wie schnell der ist!“

Schon liefen beide Züge auf gleicher Höhe. Und Tron zog grinsend an den Beiden vorbei.

„Tron, die Lok aus Arrosia hat sich an die Spitze gesetzt! Espresso und die Dampflok aus Kommoran laufen gerade Kopf an Kopf!“ drang es aus den Lautsprechern.
 

„Rusty, pass auf!“ rief Dustin plötzlich warnend. Aber Espresso hatte sich schon zu Rusty hinübergebeugt, packte mit zwei geübten Griffen zu und hob die kleine Lok von den Gleisen! Lachend hielt er ihn über seinen Kopf und verlangsamte sein Tempo nicht.

„WAH! Was soll das?“ rief Rusty erschrocken. Dustin hatte vor überraschung die Kuppelringe losgelassen. Gelächter war aus den Reihen der Zuschauer zu hören, Einige klatschten.

„Was machst Du mit meinem Kumpel! Lass ihn wieder runter!“ schimpfte er.

„Wie Du willst.“ grinste die gelbe Lok und warf ihren Gegner mit Schwung von sich! Rusty klatschte rücklings in eine große Matschpfütze, ein Überbleibsel des großen Regens von gestern nacht.

„Ciaociao!“ grinste Espresso frech und winkte.

Dustin eilte seinem Kumpel zu hilfe.

„Dieser Mistkerl! Haut mich einfach in den Matsch! Gemein, als wenn Greaseball und seine Bande nicht schon reichen würden!“ knurrte die Lok und ließ sich von dem Tender zurück auf die Gleise zerren. „Aber so leicht lass ich mich nicht rauswerfen! Komm, Dustin!“

„Die Lok aus Kommoran hat ihre Fahrt wieder aufgenommen! Aber wird sie es noch schaffen? Sie legt auf jeden Fall ein schönes Tempo vor!“ tönte es aus den Lautsprechern.

Inzwischen hatte Tron, der noch immer vorne lag, die zweite Runde geschafft, die Ampel über dem Startpunkt sprang auf grün! Gleich darauf folgte Espresso.

„Gerade eben hat auch Rusty die Lok aus Kommoran die zweite Runde geschafft! Jetzt geht das Rennen in die entscheidende Phase! Wird einer der Herausforderer es schaffen, den Sieg zu erringen?-Espresso nimmt sich jetzt Tron vor!“

Ohne große Anstrengung hatte Espresso zu Tron aufgeschlossen. Gleich darauf bekam die blaue E-Lok den Ellenbogen ihres Kontrahenden gegen seinen Helm.

„Aua! Lass das!“ fluchte Tron. Cappuchina trat nach Lonzo. Man merkte das es ihr sichtlich Freude bereitete, ihren Verehrer zu ärgern.

„Mann, Süße, sei doch nicht so nachtragend! Aua!“ fluchte der Viehwaggon, als er wieder einen Tritt gegen das Schienbein bekam. "Nein! Nicht mit heißem Wasser spritzen!"

Das heiße Wasser stammte aus ihrer eingebauten Espressomaschine.

"Die da vorne haben eine Rangelei angefangen! Vielleicht können wir uns unbemerkt vorbeimogeln, so lange sie mit sich beschäftigt sind!" rief Rusty Dustin zu."Ich geb jetzt volle Pulle, das ist unsere Chance! Das Ziel ist nicht mehr weit!"

Rusty ließ sein Feuer noch stärker auflodern, um noch schneller zu werden. Und der Abstand zwischen seinen beiden Gegnern veringerte sich immer mehr.
 

Inzwischen machte ein Fausthieb Espressos Bekanntschaft mit Trons Kinn.

„Mann, jetzt reichts aber! Du willst dich kloppen, kannst Du haben!“ grollte die E-Lok „Blitzstoß!“

Tron lud elektrische Spannung in seine rechte Hand und stieß mit der flachen Innenfläche zu. Espresso steckte einen schmerzhaften Treffer auf seiner linken Seite ein.

Maledetto!" knurrte er."Der Blaue kann auch gut austeilen!"

Diesmal warf sich der Torroner seitlich mit seinem Oberkörper gegen Tron, der zuerst leicht schwankte, sich aber wieder fing und mit seiner Schulter dagegenhielt. Ein Gerangel entstand. Für einen kurzen Moment hakte sich Tron in den Arm seines Gegners ein und ließ sich mitziehen.

"Elektrische Entladung!" knurrte Espresso und setzte seinen rechten Arm unter Strom. Mit einem Fluch zog Tron seinen Arm wieder zurück.

„Oh, da sehe ich gerade, das die Lok aus Arrosia und Espresso aneinandergeraten sind! Keiner will den anderen vorbeilassen! Wird Tron es schaffen?-Oh, der Hieb von unserem Favoriten hat aber gesessen! Und jetzt schlägt der Arrosier genauso zurück!“

Schulter an Schulter rangen, traten und schubsten Tron und Espresso gegeneinander, als plötzlich die torronische Lok kurz ihren Widerstand löste,Tron gefährlich schwankte und das Gleichgewicht verlor. Dann ein harter Stoß mit Espressos Arm, ein Bein gestellt, die blaue E-Lok kippte, strauchelte und knallte mit voller Wucht mit der rechten Schulter gegen einen Signalmast, der zwischen seinem und Espressos Gleis lag und an welchem sie gerade vorbeikamen. Funken sprühten, ein Aufschrei ging durch die Menge. Gleichzeitig brach und löste sich durch den Aufprall ein Stück von Trons linkem Schulterkasten, während Lonzo seinen Partner mit einen Ruck wieder zurückriss. Mit zusammengebissenen Zähnen beschleunigte Tron wieder.

„Nicht so, Kanarienvogel! Den Sieg gönne ich Dir nicht!“ knurrte er.

Das davonwirbelde Trümmerteil unterdessen raste direkt auf Rusty zu, welcher den Kontrahenden hart auf den Fersen war.

„Kumpel, vorsicht! DA! Kopf weg!“ rief Dustin warnend. Er duckte sich und ließ die Kuppelringe los.

Die Dampflok jedoch war zu sehr auf die Gegner konzentriert, bemerkte das heranfliegende Stück zu spät und so kollidierte es wenige Sekunden später mit deren Helm und ging noch mehr in Stücke!

Wieder ging ein Aufschrei durch die anwesenden Zuschauer auf den Rängen, viele sprangen erschrocken auf.

„Oh! Die Lok aus Kommoran wurde von einem herumfliegenden Trümmerstück in Kopfhöhe getroffen! Und sie entgleist!“ rief der Sprecher.

Rusty spürte einen dumpfen Schlag gegen seinen Helm, im nächsten Moment sprühten helle, brennende Funken durch die Sehschlitze, brenneder Schmerz explodierte in seinem Gesicht. Rusty schrie erschrocken auf, verlor das Gleichgewicht und flog in voller Fahrt von den Gleisen! Er überschlug sich zwei Mal, krachte in den Sand der Arena und blieb reglos liegen.

Casey und die anderen sprangen erschrocken auf.

„RUSTY!!“

„Beim Starlight das sieht nicht gut aus!“ rief Mr. Shine.

„Mama Mia! Kommt mit!“ rief Vittorio und hastete die Stufen hinunter.

Die Freunde rannten durch die Arena zur Unglücksstelle. Mehrere der Steckenposten liefen zusammen, Zwei schwenkten rote Warnflaggen mit Signalstreifen, die bedeuteten, das ein Unfall passiert war. Ein weiterer gab gerade die Meldung an die Rennleitung weiter.
 

Dustin kniete ratlos neben seinem Freund.

„He, Kumpel, bist Du in Ordnung? Sag doch was!“ fragte er besorgt. Dann entdeckte er die beschädigte Stelle an Rustys Helm. Nicht weit entfernt lagen zwei Funken sprühende Teile des Trafos.
 

Während Casey mithalf, den Helm abzunehmen, hörte er wie aus weiter Ferne die Durchsage, das die Lok aus Arrosia gewonnen hatte. Zweiter war Espresso geworden. Tron hatte es also geschafft, trotz das er einen Teil seines Transformators verloren hatte.
 

Gerade als Casey den Helm abzog, kam Rusty wieder zu sich. Er schrie auf und presste seine Hände auf sein Gesicht.

„Ah! Aih! Meine Augen!“ schrie er.

„Rusty! Ganz ruhig! Lass mal sehen!“

Nur mit Hilfe von Dinah schaffte er es, die Hände vor dem Gesicht wegzubekommen.

„Oh nein!“ schluckte der Junge. Um die Augen hatte Rusty Verbrennungen von den Entladungen erlitten, aber was das schlimmste -die Pupillen waren getrübt.

„Casey! Meine Augen! Ich kann nichts mehr sehen!“

„Keine Panik! Kannst Du dich noch bewegen?“

„Mir tut alles weh!“ klagte Rusty. „Mein Gesicht...tut so weh...“

Er krümmte sich vor Schmerzen zusammen und begann leise zu wimmern.

Casey war den Tränen nahe. Warum musste so etwas gerade jetzt passieren?
 

Und am Ziel...

„Deine Schulter ist beschädigt. War der Aufprall so hart?“

„Ja, es sogar etwas davon abgebrochen, Du Rüpel!“ knrischte Tron und hielt sich die schmerzende Schulter. Eine weitere elektrische Entladung war die Folge.“ AH, mein Transformator!“

"Aber Du hast mich mit deiner letzten Attacke auch schön ins Schleudern gebracht. Dein Kugelblitz hat mein rechtes Bein voll getroffen und mir den Schwung genommen. Gratuliere."

"Nanu? Warum ist der Stationsvorsteher so aufgeregt?" wunderte sich Tron.

Der rundliche, ältere Mann kam angehastet und redete aufgeregt in sein Headset.

"Was ist passiert?" fragte Espresso.

"Die Lok aus Kommoran ist entgleist!"

"Entgleist?"

"Ein fliegendes Trümmerstück deines Transormatros hat den Helm getroffen."

"Oh nein!" schluckte Tron.

Beide schwiegen betreten, als der Stationsvorsteher eine neue Meldung empfing.

„Espresso! Tron! Gerade erhalte ich Nachricht, das die Lok aus Kommoran schwerer beschädigt wurde, als zunächst angenommen! Deshalb muss die Veranstaltung abgesagt werden! Ob der Sieg als gültig gewertet werden kann, muss die Rennleitung entscheiden.“ erklärte der Stationsvorsteher, welcher über sein Headset in Verbindung zu den Hilfskräften stand.

„Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Wegen eines schweren Unfalls wird die Veranstaltung unterbrochen! Ich wiederhole: Wegen eines schweren Unfalls wird die Veranstaltung vorerst abgebrochen!“ tönte es wenig später aus den Lautsprechern. In der Überwachungszentrale hoch über den Zuschauerrängen hatte man das Geschehen auf einem der Monitore verfolgen können.

„Na toll! Hast Du das gehört?“ brummte Tron.

„Komm mit!“ rief Espresso.

Beide ließen den Stationsvorsteher stehen und eilten sie zu der Unglücksstelle.

„Oh nein!“

„Catastropho! Der Trafo, der bei Dir abgebrochen ist, hat wirklich seinen Helm getroffen!“

Rusty begann immer hektischer und unruhiger zu atmen.

„Lasst mich durch!“

Giovanni bahnte sich einen Weg durch die Anwesenden.

„Mama mia...“entfuhr es ihm. Espresso konnte nur düster nicken.

„Er hyperventiliert...steht unter Schock...ausgerechnet die Augen!“ stellte der Meister nach einer kurzen Untersuchung fest.

„Es...tut mir leid! Das wollte ich nicht!“

„Dich trifft keine Schuld, Tron. Es war ein unglücklicher Treffer.Durch den Aufprall hat sich ein Teil deines Transformators gelöst, als Espresso dich gegen den Mast gestoßen hat. Das war das reinste Gladiatorenrennen!“ sagte Mr. Shine.

„Ich bin untröstlich, das das passiert ist. Giovanni wird sofort nach deinem verletzten Freund sehen und ihn behandeln.“

Rusty hatte unterdessen das Bewusstsein verloren. Der Meister legte einen Arm um Casey, in dessen Augen die ersten Tränen schimmerten.

„Keine Angst, kleiner Lehrling. Ich werde alles tun, damit deine Lok wieder in Ordnung kommt. Solche Dinge passieren leider immer wieder mal und ich und meine Leute sind für solche Notfälle vorbereitet. Willst Du mitkommen oder lieber in deiner Unterkunft warten?“ fragte Giovanni.

„Nein, ich lasse Rusty jetzt nicht alleine!“ sagte Casey mit fester Stimme und wischte sich über die Augen.

„In Ordnung. -Espresso!“

„Si, Giovanni?“

„Hilf mir, den kleinen Neri aufzurichten.“

Die gelbe Lok nickte und rollte langsam näher.

„Greif ihm unter die Arme...vorsichtig...ja gut so.“

„Lehnt Rusty an meinen Rücken! Ich schleppe ihn ab.“ bot sich Dustin an.

Während die Zuschauerränge der Arena sich langsam leerten, wurden die Verletzten abtransportiert. Die Siegerehrung, sollte es eine geben, war verschoben worden.

Wie in Trance folgte Casey schweigend mit Dinah dem Konvoi...
 

Fortsetzung folgt....

Bange Stunden um Rusty

19. Bange Stunden um Rusty
 

Eine lange Steinrampe mit zwei Gleisen führte in das unterirdische Depot.

„Das waren früher mal alte Aufenthaltsräume der Gladiatoren. Heute nutzen wir sie als Werkstatt um bei solchen Zwischenfällen schnell Hilfe leisten zu können.“ erklärte Giovanni.

Die Torflügel zum unterirdischen Werkstatt wurden aufgestoßen und Dustin, der Rusty mit seinem Rücken stützte, rollte als erster ein, gefolgt von Casey, Dinah und den Hilfskräften. Tron bildete mit seinem Lokführer und zwei weiteren Mechanikern das Schlusslicht.

„Hier herein.“

Tron wurde in einem Nebenraum geführt während die andere Gruppe sich um Rusty kümmerte.

„Ich hoffe, es ist nicht allzu schlimm.“ bemerkte die blaue E-Lok.

„Giovanni kennt sich am besten mit Verletzungen von hummanoiden Loks aus. Wenn Einer helfen kann, dann er. Wir werden derweil dich wieder in Ordung bringen.“ erklärte Luigi, einer der Gesellen. "Setz dich hier her. -Mr. Shine, sie können dort drüben warten."
 

„Legt ihn hier auf die Werkbank!“ rief Giovanni und begann mit zwei Helfern das Werkzeug und Kleinmaterial von der Tischplatte zu räumen. „Aber nehmt ihm erst den Tender ab. Und die Ellenbogenpuffern und den Gurt.“

Nachdem dies geschehen war, wurde Rusty mit vereinten Kräften auf die Tischplatte gehievt.

„Und jetzt gemeinsam...eins-zwei-drei!“

Durch die heftigen Bewegungen kam Rusty wieder zu sich.

"Giovanni, er ist wieder wach." sagte Cappuchina.

"Ja, aber noch nicht ganz da. Er reagiert nicht auf uns."

Die kleine Dampflok nahm die Stimmen um ihn herum nur undeutlich wahr. Zu groß war noch der Schock und die Schmerzen von dem Unfall.

„Okay. Lasst mich jetzt mal ran.“ erklärte Giovanni. Espresso und Capuccina wichen mit den anderen zurück um Platz zu schaffen. Nur Casey blieb und hielt Rustys rechte Hand.

„Keine Angst, Kumpel, ich bin hier. Ich lass dich nicht alleine.“ murmelte er. Rusty musste schreckliche Angst haben, da war er sich sicher. Jetzt hatte er zum zweiten Mal einen schweren Unfall gehabt.

Ein Werkzeugwagen wurde hereingerollt und die schwenkbare Lampe über der Werkbank wurde eingeschaltet. Giovanni drehte Rustys Kopf langsam in das Licht und untersuchte die Augen und das Gesicht.

„Verbrennungen...durch die elektrischen Entladungen...zuerst muß ich die äußeren Verletzungen behandeln.“

Der Meister zog eine Schublade seines Wagens auf und entnahm eine Tinktur und Gazepads. Es ging jetzt nicht anders zu als bei einem Notarzt.

„Das wird jetzt etwas wehtun, Kleiner...beiß die Zähne zusammen...“

Er tränkte das erste Pad mit der Tinktur und setzte es an.

Im selben Moment begann Rusty plötzlich angstvoll zu schreien und um sich zu schlagen!

„He! He! Ganz ruhig! So schlimm ist es doch nicht! Hör auf damit, Du tust Dir nur noch mehr weh, kleiner Neri*!“ rief Giovanni und sprang vor den schlagenden Gliedern in Sicherheit. „Schnell, haltet ihn fest!“

Casey wurde von Rustys hochschnellender Faust getroffen und ging zu Boden.

„Au!“

„Casey!“

„Schon gut, Dinah. Ist nicht schlimm....uh, der kann aber ganz schön zuhauen..-jetzt ist er auch noch in Panik geraten! Rusty!“

„Seine Beine! Maledetto! Wir müssen ihn ruhig halten!“ rief Giovanni, der zusah, wie sich seine Männer abmühten, die Beine und Arme zurück auf den Tisch zu drücken.

„Rusty! Die Leute wollen Dir doch nur helfen!“ rief Dinah, den Tränen nahe.

„Hilft nichts. Er hat furchtbare Angst und der Schock, schon der kleinste Schmerz und er ist in Panik; ich muss ihn ruhigstellen.“

„Was?“

Casey zuckte erschrocken zusammen, als Giovanni plötzlich eine Spritze zusammensetzte und aufzog.

„Gibt es denn auch so was-für Loks?“

„Das Zeug wirkt nicht nur bei uns Menschen, haben wir festgestellt.....allerdings brauchen wir eine stärkere Nadel und man kommt nur am Hals durch das Gewebe.“ erklärte einer der Männer.

„Ist das nicht schädlich für ihn?“

„Keine Angst, Casey. Ich hab das schon ein paar mal gemacht. Und der berühmte Dottore Sammer hat dieses Präparat entwickelt. Bisher gab es nie Komplikationen.“

„Dr. Sammer! Wir sind ihm schon begegnet. Er hat damals Rusty geholfen. Wenn er das Mittel entwickelt hat, habe ich keine Sorge. Es gibt keinen Besseren für hummanoide Loks als ihn!“

„Si.“ nickte Espresso.
 

„Was ist denn das für ein Tumult?“ wunderte sich Tron. Dann zuckte er zusammen, als einige Kabel neu verlötet wurden. „Hsss...“

Luigi hatte einen neuen Trafo besorgt und machte sich gerade an den Einbau. Der Alte war irreparabel beschädigt.

„Versuche still zu halten, Tron. Und beiß die Zähne zusammen.“ erklärte Mr. Shine. Lonzo hockte schweigend in einer Ecke. Er musste das Ganze erstmal verdauen. Er hatte noch niemals solche schweren Verletzungen gesehen.
 

„Okay, dreht jetzt seinen Kopf zur Seite. Langsam...“ ordente Giovanni an.

Rustys Kopf zuckte noch immer panisch hin und her, Tränen liefen aus seinen angstvoll aufgerissenen Augen. Vier Männer und Espresso waren nötig, um ihn festzuhalten.

„Jetzt..“ dachte Giovanni und stach die Nadel in eine bestimmte Stelle an Rustys Hals.

Die kleine Lok bäumte sich in den Griffen auf und schrie panisch auf. Casey kniff die Augen zusammen und wandte sich ab. Es war schrecklich Rusty so schreien zu hören.

Wenn er noch länger zusah, würde er zu heulen anfangen.

„Willst Du doch nicht lieber draußen warten?“

„Nein, Dinah! Ich bin sein Lokführer, wenn auch nur Lehrling. Ich bleibe an seiner Seite!“

„Der kleine Neri hat ja schreckliche Angst.“ meinte Espresso.

„Das kommt warscheinlich durch den Schock, den er erlitten hat. Und wenn er selbst von Natur aus ängstlich ist - jeder plötzliche Schmerz löst solche Anfälle aus... ..Du hattest noch nie solch einen Unfall.“

„Nein, Giovanni. Bis jetzt ging es immer glimpflich aus.“
 

Langsam erlahmte Rustys Gegenwehr.

„Es fängt an zu wirken. Ganz ruhig...es ist gleich vorbei. Dann schläfst Du und merkst nichts mehr...“sagte Giovanni mit sanfter Stimme und strich der kleinen Lok sachte durch das zerzauste Haar. Dabei beobachtete er untentwegt die starren angstgeweiteten Augen, einem Kollegen hatte er angeordnet, die Lebensflamme im Auge zu behalten.

„Ihr könnt jetzt loslassen.“

Vorsichtig drehte er Rustys Kopf wieder herum und fuhr mit der Behandlung fort.

„Unglaublich. Er ist wirklich betäubt.“ murmelte Casey.

„Das hat Dr. Sammer doch damals auch getan, als er Rusty behandelt hat.“ bemerkte Dinah.

„Ja, aber damals hatte er auch das Bewusstsein verloren. Es wäre besser gewesen, wenn er jetzt bewusstlos geblieben wäre.“

Nachdem Giovanni die Verletzungen desinfiziert und gereinigt hatte, strich er vorsichtig eine Salbe auf die Stellen und eine Andere auf die Augen. Dann schob er behutsam die Lider über die getrübten Augen.

„Wie ist der Zustand seiner Lebensflamme?“

„Brennt schwach, aber stabil.“

„Heb mal den Kopf etwas an, Tino.“ sprach der Betriebsmeister und streifte Rustys Stirnband ab. Zuerst legte er einen Streifen Gaze über die Augen und legte dann einen Verband an. „So. Dieser Verband muss jeden Tag erneuert werden. Ich komme nachher noch einmal vorbei und schau nach ihm.-Jetzt wollen wir noch sehen, ob er sich bei dem Sturz vorhin verletzt hat.“

Mit geübten Griffen tastete Giovanni Rustys Gliedmaßen ab, prüfte die Beweglichkeit der Gelenke.

„Scheint nichts gebrochen zu sein, keine größeren Schäden in der Hülle. Nur ein paar Schrammen.“

Auch die kleineren Blessuren wurden versorgt.

„Soll er hier liegenbleiben?“ fragte Espresso.

„Nein, wir bringen ihn hinunter in die Ruheräume. Dort ist er am Besten aufgehoben.“
 

Also wurde der Patient wieder von der Werkbank gehoben, Dustin erklärte sich wieder bereit, Rusty abzuschleppen. Seine Arme wurden über die Schultern des Tenders gelegt, der Kopf ruhte auf der rechten Seite. Espresso stützte von hinten, damit der Betäubte während des Transports nicht zu Boden sackte.

„Wohin jetzt?“ fragte Casey.

„Diese Rampe hinunter. Dort unten liegen Ruheräume für uns und die Verletzten.“erklärte Gionvanni.

„Ihr habt hier wirklich an alles gedacht.“

„Früher, als die Gladiatoren hier kämpften, gab es auch viele Verletzte.“ erklärte Espresso. „Und diese Räume waren damals das Lazarett für die Verwundeten. Früher wirkten hier die Medicusse, heute Giovanni und seine Männer. Und in den Räumen darüber, die heute die Werkstätten sind, machten sich die Gladiatoren für den Kampf in der Arena bereit.“

„Hab ich mir fast gedacht.“ murmelte Casey.

Hinter Espresso gingen Tino und Giovanni, ersterer trug eine Plastikkiste, in der sich Rustys abgenommene Komponenten befanden.
 

„So, da sind wir. Legt ihn auf der Matratze ab.“

Sie befanden sich in einem weiteren unterirdischen Raum, zwei Türen verbanden ihn mit weiteren Gängen und Kammern. Schräg von oben fiel Sonnenlicht durch einen Schacht herein. Aber es gab auch elektrisches Licht. Giovanni legte einen Schalter um und zwei Deckenlampen spendeten ein angenehmes Licht.

Im Raum befanden sich zwei große Lager, je eine Lokmatratze mit einem Kissen auf einem steinernen Podest. Daneben zwei kleinere Betten, offensichtlich für das menschliche Personal. Die Einrichtung war zwar spartanisch, bot aber das Wichtigste.

„Da geht es auf den Gang hinaus und zu den Waschräumen, Casey. Ein weiteres Zimmer befindet sich gegenüber.“ erklärte Espresso, während Rusty vorsichtig und mit vereinten Kräften auf die Matratzte des ersten Lagers bugsiert wurde.

„Das hätten wir.“ sagte Giovanni erleichtert.

Casey rückte das große Kissen zurecht und achtete darauf, das Rustys Kopf bequem lag.

„Wir lassen euch jetzt alleine. Nachher kommt noch Tron in eines der Nebenzimmer, dann seid ihr nicht ganz allein hier unten.“ erklärte Espresso.

„Sollen wir Dir etwas zu essen schicken lassen?“ fragte Cappuchina Casey.

„Ich habe keinen Hunger. Aber wir bräuchten etwas Kohle für Rusty.“

„Ich sorge dafür, kleiner Lehrling.“ nickte Tino. „Übrigends: Ein Telefon ist auch draußen im Gang. Daneben eine Liste mit den wichtigsten Rufnummern. Du kannst Dir sogar etwas zu essen bestellen, wenn Du willst.“

„Okay.“

„Was meinen Sie, Giovanni? Kommt das wieder in Ordnung mit seinen Augen?“

„Das kann ich Dir noch nicht sagen, Casey.“ seuftze er.“ Vielleicht wissen wir morgen mehr.“
 

Casey und seine Begleiter blieben alleine zurück, nachdem Tino dem Jungen noch Mut zugesprochen hatte. Erschöpft ließ er sich auf den Rand der Matraze sinken und barg sein Gesicht in seinen Händen. Dinah setzte sich zu Casey, legte einen Arm um ihn und zog den Jungen zu sich.

"Wir dürfen die Hoffung nicht aufgeben, kleiner Lehrling." sagte sie.

"Rusty wird doch wieder gesund, oder?" fragte Dustin leise, der sich auf der zweiten freien Matratze niedergelassen hatte. Dinah und Casey schwiegen. Zum jetzigen Zeitpunkt konnten und wollten sie ihm keine Antwort darauf geben.
 

Kurz darauf kam Tron mit seiner Begleitung herein.

"Stören wir?" fragte Mr. Shine.

Casey hob den Kopf.

"Neinnein. -Wie geht’s Dir, Tron?“ fragte Casey.

„Die haben mich wieder hingekriegt. Habe einen neuen Trafo bekommen. Und wie geht es Rusty?“

Casey seufzte.

„Nicht gerade bestens. Wir machen uns alle große Sorgen, ob er sein Augenlicht wiederkriegt.“

„Casey, wenn Du Hilfe brauchst, wir sind gleich nebenan. -Aber Du musst den Unfall nach Kommoran melden. Oder soll Giovanni das machen? Auf jeden Fall muss solch ein Fall innerhalb von achtundvierzig Stunden dem Heimatbahnhof telefonisch gemeldet werden.“ erklärte Mr. Shine.

„Ich weiß. Der alte Pop wird sich sicher furchtbar aufregen.“

„Ist das Rustys Lokführer?“

„Nein, eine andere, große Dampflok. Sein väterlicher Freund"

"Verstehe. - Und wir müssen abwarten, was die Rennleitung sagt. Es kann sein, das dieses Rennen nicht gewertet wird."

"Nach allem was Tron durchgemacht hat? Das wäre nicht fair!"

"Das Leben ist selten fair."

"Das stimmt." nickte Casey.

Mr. Shine zog sich mit seinem Zug nach nebenan zurück.
 

Plötzlich begann sich Rusty zu regen.

„Er kommt wieder zu sich!“ rief Dinah.

Casey sprang auf und lief an das Lager seines Freundes.

„Rusty? Kannst Du mich hören?“

„Casey? Wo...sind wir hier?“ krächzte die kleine Lok.

„Unterhalb der Arena. Bleib ruhig liegen. Wie geht es Dir?“

„Mir tut alles weh...vor allem mein Kopf...und meine Augen brennen...und mein Hals..“

„Kein Wunder, so wie Du vorhin geschrien hast. Du bist fast heiser.“

„Kann ich etwas Wasser haben?“

„Na klar. Sofort.“

Casey eilte zum Schrank und entnahm ihm eine Plastikflasche mit Wasser, schraubte sie auf und brachte sie Rusty, den Dustin mitlerweile geholfen hatte, etwas aufzusitzen.

„Warte, ich helfe Dir....hier. Langsam...ja gut.“

Rusty setzte die Flasche erst wieder ab, als sie leer war.

„Uff, danke. Sorry, das ich mich vorhin so angestellt habe, aber ich hatte solche Angst...“

„Das war der Schock. Mach Dir nichts draus.“

Rusty zupfte an dem Augenverband.

„Diese Dunkelheit ist so unheimlich...“

„Nicht, der muss dranbleiben. Leg dich wieder zurück, Du brauchst jetzt viel Ruhe.“

„Werde ich wieder sehen können, Casey?“

„Giovanni konnte noch nichts konkretes sagen. Wir müssen abwarten. Er kommt heut nachmittag wieder und will nach Dir sehen.“
 

Um die Mittagszeit erhielten Casey und seine Freunde Besuch.

Eine kleine, weiß lakierte Diesellok brachte einen großen Korb mit Früchten. In der anderen Hand hielt sie eine große Tasche, in der sich volle Wasserflaschen befanden.

"Das schickt euch die Köchin aus der Kantine. Ich heiße übrigends Gallo. Man hat mich so genannt, weil meine Haare so rot wie der Kamm eines Hahnes sind. Und auch so hoch stehen." lächelte die kleine Diesellok. Tatsächlich wirkte ihre feuerrote Punk-Haartracht wie ein Hahnenkamm.

"Danke Dir. Das ist sehr nett." lächelte Dinah.

Casey, der im Gedanken am Tisch saß, sah nur kurz auf und nickte der Lok einmal stumm zu.

"Der Unfall seiner Lok bedrückt den jungen Lehrling wohl sehr." meinte Gallo.

"Wir sind gerade alle so ziemlich am Boden." erklärte das Waggonmädchen.

"Wenn ich nur wüsste, wie ich euch aufheitern könnte."

"Das einzige, was wir gerade tun können, ist abwarten."
 

Selbst Dinahs Zureden half nicht. Casey brachte keinen Bissen herunter. Dazu fühlte er sich zu schlecht. Immer wieder saß er an Rustys Lager und zermarterte sich den Kopf, was er nun tun sollte. Auf jedenfall musste er Pop und Mr. Corell Bescheid geben, was passiert war.

Rusty lag die ganze Zeit reglos da, Casey konnte nicht sagen, ob er schlief oder wach war.
 

Der Werkstattmeister sah wie versprochen am späten Nachmittag vorbei. Espresso begleitete Ihn.

„Ich will einen Standtest mit ihm machen, um zu sehen, ob wirklich nichts gebrochen ist. Klagt er über Schmerzen?“

„Ja, aber nicht über Starke.“

„Gut. -Rusty?“

Die kleine Lok wandte ihren Kopf.

„Schön, Du bist wach. Willst Du veruschen, alleine aufzustehen oder soll Espresso Dir helfen?“

„Ich versuche es alleine.“ murmelte Rusty. Langsam setzte er sich auf, während Giovanni die Decke zurückschlug.

„Deine Beine über die Bettkante, gut so. Kannst Du bis jetzt alle Gliedmaßen richtig bewegen?“

Die kleine Dampflok nickte.

„Gut. Dann steh jetzt langsam auf. Hab keine Angst. Dustin und Espresso sind an deiner Seite, um dich sofort festzuhalten, falls Du fallen solltest.“

Rusty richtete sich langsam auf, bis er wieder auf seinen Rädern stand. Zuerst sah es so aus, als ob er das Gleichgewicht verlieren würde. Deshalb ergriffen ihn Espresso und Dustin sicherheitshalber an den Armen.

„Gehts, kleiner Neri?“ fragte Espresso.

„Ihr könnt mich wieder loslassen.“

„Gut, er kann schon wieder selbständig stehen. Und wo stehe ich, Rusty?“ fragte Giovanni.

„Vor mir.“

„Richtig. Du bist also nicht vollständig orientierungslos. Und nun komm ein paar Schritte auf mich zu...sehr schön...halt.“

„Also bis auf seine Augen hat er den Unfall glimpflich überstanden. Die Prellungen und Schrammen verheilen rasch wieder. Morgen komme ich wieder und wechsle den Verband.“ erklärte Giovanni Casey.
 

Wenig später schrieb der Meister in seinem kleinen Büro zwei Unfallberichte. Einen für Tron und einen für Rusty.
 

In der Nacht erwachte Casey aus seinem unruhigen Schlaf. Sein Blick wanderte durch die Dunkelheit hinüber zu Rustys Schlafstätte, von der ein leises Stöhnen kam. Casey stand auf, knipste das Licht an und trat an das Lager seines Freundes.

„Dinah! Dinah, wach auf!“ rief er in die Ecke, wo das Waggonmädchen schlief.

„Was ist, Casey?“

„Ich glaube mit Rusty stimmt etwas nicht!“ antwortete der Junge und befühlte die Stirn seines Partners.

„Sie ist ganz heiß! Zu heiß. Das sieht nicht gut aus. -Dinah, können Loks auch Fieber bekommen?“

„Ich habe es bis jetzt noch nicht erlebt.“

„Ich werde Hilfe rufen!“

Casey eilte zum Telefon und wählte die Notrufnummer. Eine männliche Stimme meldete sich kurz darauf.

„Notrufzentrale.“

„Hier spricht Casey Jones. Meiner verletzten Lok geht es nicht gut!“

„Ich melde es sofort Giovanni! Er wird so schnell er kann bei Dir sein. Was hat sie?“

„Sie scheint so etwas wie hohes Fieber bekommen zu haben! Jedenfalls verhält sich Rusty so.“

„Verstanden.“
 

Zur gleichen Zeit, in Espressos Stellbox...

„Was ist los?“ fragte Cappuchina, als die gelbe Lok sich langsam erhob.

„Ich weiß nicht, Cara Mia, aber irgendetwas sagt mir, das es dem kleinen Neri nicht gut geht.“

„Sehen wir einmal drüben in der Werkstatt nach.“ meinte sie, erhob sich ebenfalls und ergriff seine Kuppelringe.
 

Unten in den Krankenräumen wies das Licht ihnen den Weg. Dort fanden sie Casey und die beiden Waggons um Rustys Lager stehen.

„Casey, was ist los?“

„Ich weiß nicht, Espresso. Sein Körper ist ganz heiß. Viel zu heiß. Ich glaube, er hat Fieber.“

„Hast Du in der Notrufzentrale Bescheid gesagt?“

Der Junge nickte. „Giovanni ist bereits auf dem Weg.“

„Gut.“

„Der Werkstattmeister traf zehn Minuten später ein.

„So, da bin ich. Lasst mal sehen.“

Giovanni besah sich die kleine Dampflok und fühlte seine Stirne.

„Er ist tatsächlich zu heiß. Jetzt, im Ruhezustand, ist die Temperatur eindeutig zu hoch. Mal sehen...“

Der Meister holte ein kleines, in Leder gebundenes Buch hervor und schlug es auf. Casey erkannte handgeschriebene Texte und Notizen.

„Was ist das?“

„Das Tagebuch meines Vorgängers Vincenzo, der vor über 50 Jahren hier Meister war. Er hat hier alles über Verletzungen bei Loks und Waggons notiert und wie er sie behandelt hat. Er hatte hauptsächlich noch mit Dampfloks wie Rusty zu tun. -Da haben wir es ja.“

Giovanni überflog kurz die Aufzeichnungen.

„Steht auch etwas über Augenverletzungen darin?“

„Leider nein, junger Lehrling.-Hm, der alte Vincenzo schreibt hier auch etwas von einem Fieber....er nennt es Rostfieber...es trat bei schweren Verletzungen auf.“

„Rostfieber? Heißt das, Rusty kann davon total...“

„Der Rost breitet sich von den Verletzungen aus und kann den ganzen Körper befallen, falls nichts dagegen getan wird. Ich muss auf jeden Fall noch mal den Verband wechseln. Doch zuerst müssen wir nach seiner Feuerbüchse sehen. -Casey, brennt nur seine Lebensflamme oder auch sein Kohlefeuer?“

Der Junge öffnette vorsichtig die Klappe der Feuerbüchse.

„Sein Kohlefeuer brennt auch.“

„Dann müssen wir das Feuer löschen. Aber sehr vorsichtig. Und dann die Kohle herausnehmen. Einfach mit dem Schürhaken das Feuer herausnehmen geht auf keinen Fall. Er könnte sonst einen Schock kriegen.-Cappuchina, ich brauche ein nasses Tuch.-Espresso, Dustin, ihr bringt Rusty in eine seitlich liegende Position an der Bettkante.
 

Durch das Rumoren in den Nachbarraum war Lonzo erwacht. Er stand auf,schlich den Gang entlang, schob den Vorhang des Eingangs ein klein wenig zur Seite und linste hindurch.

„Was machen die alle da? Dem kleinen Dampfer scheint es wohl nicht gerade gut zu gehen.-Oh! Heyy..“ Lonzos Lebensfunke strahlte stärker, als er die rassige Cappuchina hereinrollen sah.
 

„Hier Giovanni. Ist das geeignet?“

„Sehr gut. Ich muss mir das nasse Handtuch um die Hand wickeln, um das Feuer vorsichtig zu ersticken. Espresso, achte darauf, das der kleine Neri sich ruhig verhält. Wer weiß, wie er reagiert, wenn jemand in seine Feuerbüchse greift.“

Atemlos sahen Casey und Dinah zu, wie Giovanni langsam seine dick umwickelten Hand in die Feuerbüchse schob und vorsichtig die Flammen zu ersticken begann. Gleichzeitig behann er die kohlen in den bereitgestellten Eimer zu schieben. Plötzlich begann Rusty unruhig zu werden und erwachte.

„Ganz ruhig, kleiner Neri. Wir sind hier um Dir zu helfen.“ sagte Espresso der seine Hände festhielt.

„Wa-was macht ihr an meiner Feuerbüchse?!“

„Keine Angst, Rusty. Wir müssen das restliche Kohlefeuer entfernen, deine Ruhetemeratur ist zu hoch. Du hast Fieber.“ erklärte Casey, welcher zu ihm trat. „Wir haben es gleich.-Ho! Halt still!“

Rusty begann unruhig zu werden und stieß einen angstvollen Laut aus.

"Bleib ruhig liegen! Es passiert Dir nichts! Aber es muss sein, das wir dein Kohlefeuer herausnehmen!" sagte Espresso.

"Ich weiß, das habt ihr Dampfloks gar nicht gerne....Rusty, ganz ruhig! Deiner Lebensflamme wird nichts passieren, ich pass schon auf. Aber hör auf, so herumzuzucken, sonst verbrenne ich mir noch meinen Arm!" sagte Giovanni.

"Hey, Kumpel, hör auf zu treten!" bemerkte Dustin, der Rustys Beine festhielt.

"Wir habens gleich...."
 

Zwei nasse Handtücher benötgte Giovanni, bis er dieFlammen erstickt und die ganze, noch glühende Restkohle heraus hatte.

„Geschafft. Jetzt brennt nur noch seine Lebensflamme. -Wickelt jetzt die restlichen nassen Tücher um seine Arme und Beine und den Rumpf, damit wir ihn herunterkühlen. Dazu könnt ihr ihn wieder auf den Rücken legen. Aber der Oberkörper sollte etwas erhöht liegen, ich muss jetzt nach den Verletzungen sehen.“

Espresso nickte und drehte die kleine Dampflok langsam in die richtige Position.

„Wie voll ist sein Wassertank?“

„Fast leer.“

„Er muss sofort gefüllt werden. Das könnte auch ein Grund für das Fieber sein.“

Dinah übernahm das Befüllen. Mit drei Flaschen Wasser schaffte sie Abhilfe.

„Espresso, halte seinen Kopf.“

„Si.“

Vorsichtig wickelte Giovanni den Verband ab.

„Die Verwundung hat sich entzündet. Vincenzo beschreibt in seinen Aufzeichnungen so etwas ähliches. Seht ihr den grünlichen Belag? Warscheinlich habe ich nicht allen Sand oder Verunreinigungen beim ersten Mal entfernen können.“

„Igitt, das sieht ja aus wie Grünspan. Aber bei seiner metallischen Hülle ist das nicht abnormal.“ meinte Casey.

Rusty versuchte, seine Lider zu öffnen, doch es ging nicht.

„Lass deine Lider ruhig! Und halt jetzt still, kleiner Neri. Ich muss die Verletzungen wieder desinfizieren. Solche Wunden müssen richtig behandelt werden und abheilen, sonst rostet das Gewebe an dieser Stelle und kann sich ausbreiten.“

„Wirklich? Das hab ich noch nie gehört.“ bemerkte Casey.

„Es stimmt aber. Besonders geschwächte Loks und Waggons kann es treffen. Das weiß sogar ich. Aber es kommt sehr selten vor. Doch der alte Vincenzo hatte wohl mehrere solcher Fälle erlebt, seinen Beschreibungen zufolge.“
 

Espresso und Dustin hielten je ein Handgelenk fest, während Cappuchina ihm sanft durch die Haare strich und dabei leise summte.

„Oh mann! Ich würde da jetzt am liebsten liegen!“ brummte Lonzo eifersüchtig. Natürlich ohne diese schlimme Verletzung!“

Plötzlich wurde er am Kragen ergriffen, eine Hand legte sich um seinen Mund.

„Was tust Du hier?“ zischte Tron.

„Ich bin aufgewacht und habe nachgesehen. Rusty scheint es nicht gut zu gehen.“flüsterte Lonzo.

„Ph, vor allem, weil dein rassiges Objekt der Begierde wieder da ist, was?“

„Das hab ich-“

„Ssshhht!“ zischte Tron und presste Lonzo abermals die Hand auf den Mund.
 

„Rusty, hörst Du mich?“ fragte Giovanni.

Die kleine Dampflok nickte matt.

„Es wird jetzt leider wieder wehtun. Ich muss die Wunde nochmals reinigen und ich will dich nicht wieder betäuben. Zu viel davon ist auch nicht gut.“

„Hier, beiß darauf, kleiner Neri, das hilft ein wenig.“ bemerkte Espresso und klemmte Rusty ein zusammengerolltes stück Tuch zwischen die Zähne.

„Gute Idee, mein Freund. -Cappuchina, Dustin, Ihr haltet seine Hände fest. Espresso, Du den Kopf. Er soll ihn möglichst nicht bewegen. Außerdem brauche ich noch zusätzlich Licht. Schalte einen deiner Scheinwerfer ein.“ ordnete Giovanni an. Die gelbe Lok nickte und trat an das Kopfende des Lagers. Vorsichtig ergriff sie Rustys Kopf und drehte ihn in die richtige Position. Dinah und Casey standen etwas abseits, das Waggonmädchen hatte ihre Arme um den Jungen gelegt.

„Casey, Du behältst die Lebensflamme im Auge.“

„Mach ich.“

Bei der Desinfizierungsprozedur versuchte Rusty, sich die Schmerzensschreie zu verbeißen. Er wollte nicht, das die anderen ihn für wehleidig hielten. Und das Tuch zwischen seine Zähnen erstickte sowieso die lauten Schreie.

„So, das müsste reichen. Ihr könnt ihn wieder loslassen.“ sagte Giovanni schließlich. „Jetzt säubere ich noch deine Lider, damit Du sie wenigstens öffnen kannst.“

„Ich hoffe, das brennt nicht wieder wie die Hölle!“ murmelte der Verletzte leise.

„Nein, wird es nicht. Es wirkt sogar etwas kühlend.“

Als der Meister die andere Tinktur anwandte, fühlte er, wie Rusty sich wieder etwas entspannte.

„Casey, wie ist der Zustand seiner Lebensflamme?“

„Brennt stabil, Meister.“

„Gut.-Na, das ist angenehmer, nicht wahr?“

Rusty nickte. Als er wieder versuchte, die Lider zu öffnen, klappte es.

„Ich ..ich kann immer noch nichts sehen...“ klagte er.

„So schnell geht das nicht, kleiner Neri. Du musst Geduld haben. So, und jetzt mache ich wieder etwas von der Salbe darauf und dann wird das Ganze wieder verbunden.“
 

Nachdem die Verletzungen frisch verbunden worden waren, konnten auch die feuchten Tücher wieder abgenommen werden.

„Sehr gut. Seine Temperatur ist wieder im normalen Bereich.“ stellte Giovanni fest. „Ich danke euch allen für eure Hilfe.“

„Dank auch euch, Espresso und Cappuchina.“ sagte Casey.

„Das ist das mindeste, was wir tun konnten.“ antwortete die gelbe Lok.

„Du solltest wieder schlafen gehen, kleiner Lehrling. Wir alle sollten uns wieder zur Ruhe begeben.Rusty ist versorgt, wir brauchen uns vorerst keine Sorgen zu machen. Schließlich wartet morgen wieder eine Menge Arbeit auf uns.“ erklärte Giovanni. „Rusty, vor allem Du brauchst jetzt viel Schlaf.“

„Würden sie mir das Buch hierlassen, Meister? Ich möchte mir einige Notizen machen.“

„Aber natürlich.“ nickte Giovanni und reichte es Casey.
 

Und draußen, im Gang...

„Komm, Lonzo, hier gibt’s nichts mehr zu sehen.“

Der Viehtransportwaggon warf Cappuchina immer noch schmachtende Blicke zu.

„Jetzt komm schon! Du weißt, das Du bei ihr nicht landen kannst! Also schlag sie Dir endlich aus dem Kopf! Du und deine Baggergeschichten!“ schnaubte Tron verächtlich und zog seinen Waggonpartner am Arm mit sich.
 

Als Dustin am nächsten Morgen erwachte und nach seinem Kumpel sehen wollte, erlebte er eine Überraschung. Casey lag an Rustys Seite, sein Kopf ruhte auf seinem Bauch. Dustin lächelte und weckte Dinah.

„Schau mal. Ist das nicht süß?“

„Oh ja. Ein Herz und eine Seele.“

Als die Sonnenstrahlen durch den Lichtschacht auf das Krankenlager Rustys fielen, erwachte Casey. Er rieb sich die Augen und sah nach seinem Partner. Reglos lag die kleine Dampflok auf ihrem Lager, ihr Atem ging ruhig und gleichmäßíg. Casey rutschte vorsichtig von der Matratze, um seinen Freund ja nicht aufzuwecken.

Während der Morgentolliette überlegte der Junge fieberhaft, was er tun sollte. Sollte er selbst in Kommoran anrufen und den Unfall melden? Sollte er es direkt Mr. Corell melden oder lieber vorher mit Digger oder Francis sprechen? Oder sollte Giovanni die ganze Sache erledigen? Er wusste es nicht. Ehrlich gesagt, fürchtete er sich davor. Sicher, niemand würde mit ihm schimpfen, aber es war so verdammt schwer, eine schlechte Nachricht zu überbringen.
 

Am Vormittag konnte Casey sich endlich dazu durchringen, ans Telefon zu gehen und zu Hause in Kommoran anzurufen. Er hatte sich entschlossen, es selbst zu melden. Der dunkelhäutige Lokführer meldete sich am anderen Ende der Leitung.

„Hallo, Digger...“

„Hallo, Casey! Schön, wieder von Dir zu hören! Wie geht es Dir?“

„Nicht gut.“

Digger zuckte zusammen. Da schien wirklich etwas nicht in Ordnung zu sein. Er hörte es an der Stimme des Jungen.

„Was ist los? Wo seid ihr gerade?“

„In Via Coronna. Gestern ist Rusty gegen den Favoriten Espresso gelaufen...dabei gab es einen Unfall..“

„Gütiger Starlight! Wurde Rusty verletzt?“

Stockend berichtetete Casey was sich zugetragen hatte.

„Jetzt wissen wir nicht, ob er jemals wieder sehen kann! Oh Digger, ich hab solche Angst! Was soll ich nur machen, wenn Rusty erblindet?-Mist, jetzt fang ich auch noch an zu heulen!“

Bis jetzt hatte Casey tapfer seine Tränen zurückgehalten. Aber jetzt konnte er nicht mehr.

„Beruhige dich erst einmal, Junge. Hör zu. Ich werde sehen, das ich oder Francis zu euch nach Via Coronna kommen! Das ist eindeutig ein Notfall. Die Leute hier werden sich um euch kümmern, aber es ist natürlich besser, wenn jemand von uns euch Halt in dieser Sitouation gibt. Ich werde gleich mit Mr. Corell sprechen.“

„Danke, Digger.“ schniefte Casey und wischte sich über die Augen.
 

Und wenig später, im Büro des Staionsvorstehers...

„Was? Rusty ist verletzt? Die Augen? Oh nein!“ schluckte Francis, als er von Digger die schlechte Neuigkeit erfuhr.

„Wenn ich das dem alten Pop erzähle, will er sofort nach Via Coronna! Selbst wenn er Gefähr läuft, auseinanderzufallen!“ seufzte Digger.

„Ich werde fahren! Casey braucht dringend Beistand! Er klang so verzweifelt und hat sogar geweint, hast Du gesagt.“

„Stimmt.“

„Mr. Corell, Bobetta kann mich vertreten. Und Digger. Wir können Casey jetzt nicht alleine lassen!“

„In Ordnung. Sie können fahren, Loghead.“ nickte der Stationsvorsteher.

„Danke, Boss. Ich nehme die nächste Reisemöglichkeit nach Torrone!“

„Silvia kann Dir bestimmt Auskunft geben, wie Du am schnellsten nach Via Coronna kommst.“ erklärte Digger.

„Alles klar. Bis bald, Leute. So bald ich angekommen bin, melde ich mich.“

„Gute Reise, Francis.“ wünschte Digger.

Silvia die an einem der Fahrkartenschalter arbeitete, hatte per Computer die schnellste Direkt- Verbindung heruausgesucht. Francis bekam den Spezialfahrschein für Bahnbedienstete, welche jederzeit umsonst mit der Bahn reisen durften und eilte nach Hause, um in aller Eile das Wichtigste zusammenzupacken. Sein Zug fuhr in vier Stunden und er würde zwei Tage und zwei Nächte unterwegs sein.
 

Nun stand Digger vor der schweren Aufgabe, Pop zu beichten, das seinem Schützling etwas passiert war. Natürlich reagierte die alte Dampflok dementsprechend.

„Jetzt beruhige dich wieder, Pop! Francis reist in drei Stunden nach Torrone ab.“

„Oh, ich wünschte, ich könnte mit! Mein armer Kleiner! Er hat sicher schreckliche Angst! Und erst der Junge! Er gibt sich sicher die alleinige Schuld an dem Unfall!“

„Ich weiß. Deshalb habe ich Casey auch versucht, zu beruhigen, das es nicht seine Schuld war. Aber per Telefon bringt das nicht viel...“
 

„Also Bobetta. Ich weiß nicht, wie lange ich wegbleibe, aber es ist ein familiärer Notfall! Mr. Corell wird Dir alles weitere erklären.“ erklärte Francis. Er trug jetzt normale Kleidung, vom Anfang des Zuges sahen Greaseball und Iron intressiert herüber.

„Doch nicht etwa dein Mündel? Ist ihm etwas passiert?“ rief die Lokführerin erschrocken.

„Neinnein, Bobetta. Es ist..-“ Loghead sah auf die große Uhr über dem Bahnsteig.“Tut mir leid, ich muss los! Mein Zug fährt gleich!“

Und schon hastete er über den Bahnsteig davon, seine Reisetasche unter dem Arm.

„Hey, Big „G“! Hast Du das gerade mitgekriegt?“ fragte Iron, der auf dem Gleis neben Greaseball stand.

„Ja, da muss etwas passiert sein, Bruderherz. Entweder mit dem kleinen Lehrling oder mit dem Rosteimer!-Aber warte nur, gleich wissen wir mehr. Mit meinem Charme bringe ich Bobetta immer zum Reden.“ lächelte der Diesel scheinheilig und winkte die Lokführerin zu sich.

„Was ist los, Bobetta? Wo will Francis auf einmal hin?“

„Nach Torrone. Irgendetwas muss mit Casey oder seinem Zug passiert sein. Mehr hat er auch nicht gesagt.“

„Aha. Danke, Baby.“

„Kein Problem, Großer.“ lächelte sie. „Oh, da kommt schon unser Schaffner. Wir fahren gleich los, Grease.“

Also transformierte der große Diesel und Bobetta stieg in den Führerstand.

„Hast Du gehört, Iron? Bestimmt hat dieser Espresso den Rosteimer plattgemacht und nun heult sich der Bengel die Augen aus. Dieser Torroner war wohl ne Nummer zu groß für unseren kleinen Rusty.“ raunte er Iron zu.

„Ich hab gehört, er soll ein ziemlicher Rabauke sein.“ antwortete Iron, während auch er transformierte, damit sein Lokführer einsteigen konnte.

„Falls was passiert ist, werden wie es bald in der Eisenbahnerzeitung lesen.“

Der Schaffner bließ in seine Pfeife und gab das Zeichen zur Abfahrt. Dann stieg er ein und schloss die Tür. Greaseball setzte sich langsam in Bewegung, kurz darauf verließ auch Iron mit seinem Gespann den Bahnhof.
 

Dinah begann sich langsam auch um den Jungen Sorgen zu machen.

„Casey, hast Du immer noch keinen Hunger?“

Er schüttelte den Kopf.

"Du solltest langsam aber wirklich etwas essen. Wenigstens von den Früchten."

Schritte ließen die Beiden aufhorchen. Ein Mädchen in einer Lokführeruniform betrat die Unterkunft. Sie hatte einen großen Henkelkorb dabei, den sie auf dem Tisch abstellte.

„Hallo, ich bin Rosa. Cappuchina schickt mich. Sie und ich haben etwas zu essen für dich geschickt.“

„Du bist im dritten Lehrjahr.“ bemerkte Casey, als er die grünen Streifen auf der Uniform bemerkte.

„Stimmt, ich mache in drei Monaten meine Abschlussprüfung.“

„Ich bin Casey. Erstes Lehrjahr.“

„Du hast bestimmt Hunger.“ sagte der weibliche Lehrling und begann mehrere eingepackte Schüsseln aus dem Korb zu holen.

„Eigentlich nicht so. Ich mache mir große Sorgen um Rusty.“

„Dein kleiner Neri, ich weiß. Wie geht es ihm?“

„Er fühlt sich schrecklich. Genau wie ich.“

„Aber Du solltest trotzdem versuchen, etwas zu essen. Cappuchina kocht nicht nur den besten Espresso, sie versteht sich auch excellent im Zubereiten von Speisen.“

„Danke, Rosa.“
 

„Casey..“

Beide Lehrlinge fuhren herum.

„Rusty, ist alles in Ordnung?“

„Wer ist gerade bei Dir?“

„Ein Lehrling aus Via Coronna. Ihr Name ist Rosa. Sie steht kurz vor ihrer Abschlussprüfung.“ antwortete Casey.

Rosa trat an das Lager des Verletzten und strich sanft durch das zerzauste Haar der kleinen Lok. Casey hatte bemerkt, das viele Menschen scheinbar nicht drumherum kamen, seinem Kumpel durch den Schopf zu kraulen. Warscheinlich verlockte sein liebenswertes Aussehen dazu. Aber er merkte auch, das es eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte. So wie jetzt. Der Junge bemerkte, das Rusty sich entspannte.

„Hab keine Angst, kleiner Neri. Du darfst jetzt die Hoffnung nicht aufgeben.“ sprach sie sanft.

"Casey..."

"Ja, Rusty?"

"Du solltest wirklich etwas essen...auch wenn es Dir schwer fällt. Ein Kranker reicht schließlich."

"Na gut, Rusty. Wenn sogar Du es sagst.."

"Dein Neri hat recht. Cappuchina hat sich solche Mühe gegeben."

"Ich brauche auch wieder etwas von meiner Kohle. Sonst werde ich immer schwächer." murmelte die kleine Dampflok und tastete nach der Kiste mit der Kohle, die neben seinem Lager in Reichweite gestellt worden war.

"Hast Du noch genug Wasser, Rusty?"fragte Casey.

"Mein Tank ist noch halbvoll."

Das Essen schmeckte tatsächlich vorzüglich. Der Junge beobachtete seine Lok, wie sie langsam einen Kohlebrocken nach dem anderen zu sich nahm. Ihre Hand fand dabei sicher ihren Weg. Dies beruhigte Casey etwas. Rusty war also nicht völlig hilflos.
 

Nach dem guten Essen und als Rosa wieder gegangen war, legte sich Casey ein wenig hin.

Er versuchte, einen Teil der endlosen Wartezeit zu verschlafen. Doch es klappte nicht. Unruhig wälzte er sich von der einen Seite auf die Andere, zu viele Gedanken hinderten ihn daran, zur Ruhe zu kommen.

„So geht das nicht weiter! Ich brauch einen klaren Kopf!“ knurrte er und sprang aus seinem Bett. Ein kurzer Blick zu Rustys Lager zeigte ihm, das die kleine Damplflok wieder eingeschlafen war. Er holte seine Inliner, schlüpfte hinein, zog sich die Ellenbogen und Knieschützer über und setzte seinen Helm auf, den er von Francis geschenkt bekommen hatte. Entschlossen stapfte er nach draußen und begann zwischen den Gleisen eine Runde nach der anderen zu drehen. In einer Ecke stand noch die Traningshalfpipe von Espresso. Casey fuhr darauf zu und fuhr immer wieder schräg an der Rampe auf und ab. Die Arbeiter und Rangierer sahen ihm verwundert zu.

„Ich glaube, er will auf andere Gedanken kommen. Deshalb fordert er sich.“

„Schau mal, Espresso!“

Gerade kamen er und Cappuchina von ihrem Dienst zurück und sahen Caseys Fahrübungen zu.

„Der Kleine ist gut! Fast wie einer von uns! Und sieh mal, wie er die Rampe nimmt! Er ist sehr sicher auf seinen Räderschuhen. Wo er die wohl herhat? Solche habe ich noch nie gesehen!“

„Sicher aus Elektanis.“ meinte einer der Arbeiter.

Espresso nickte.

Schließlich rollte Casey aus und ließ sich erschöpft am Rand der Rampe nieder. Er nahm seinen Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Espresso rollte langsam näher.

„Ist alles in Ordnung mit Dir, Casey?“

„Wie manns nimmt. Das hab ich jetzt gebraucht.“

„Ich verstehe dich gut. Wann wird dein Vormund hier sein?“

„Nicht vor zwei Tagen. Via Corrona liegt nicht gerade um die Ecke.“ seufzte Casey.
 

„Wie geht es ihm?“ fragte Giovanni, als er anderntags wieder vorbeisah.

„Nicht gut. Er hat Angst.“ sagte Casey leise.

„Das verstehe ich. Leidet er immer noch unter Schmerzen?"

"Nicht mehr so sehr. Er sagt, sie haben etwas nachgelassen."

"Dann wollen wir einmal zuerst den Verband wechseln.

Zuerst wickelte Giovanni langsam den Verband ab, nachdem Rusty in eine bequeme, sitzende Lage gebracht worden war.

„Das sieht ja schon sehr gut aus. Keine entzündeten Stellen mehr, die Wunden beginnen abzuheilen. Kannst Du deine Augen öffnen?“

Rusty versuchte es, verzog schmerzhaft das Gesicht und schüttelte den Kopf.

„Das dachte ich mir. Die Lider sind wieder verklebt. Aber das haben wir gleich.“

Mit der speziellen Lösung schaffte Giovanni schnell Abhilfe und schließlich konnte Rusty die Lider wieder öffnen. Besorgt stellten die Freunde fest, das die Pupillen immer noch trüb waren.

„Ich kann immer noch nichts sehen!“ klagte die kleine Lok, Tränen sammelten sich in ihren Augen.

"Wirklich gar nichts? Kannst Du auch kein Hell und Dunkel unterscheiden?"

Rusty reckte etwas den Kopf und blinzelte einige Male.

"Mmh....jetzt wo sie es sagen....doch...aber der Unterschied ist nicht sehr groß. Eher schwarz und grau...aber das ist so gut wie gar nichts."

„Hab Geduld, kleiner Neri. Solch eine Verletzung braucht Zeit zum Heilen. -Die Tränenkanäle sind anscheinend in Ordnung. Das ist schon mal gut. Dann besteht keine Gefahr einer Austrocknung."

Der Salbenverband wurde erneuert und der Verletzte wurde wieder zurückgelegt.

"Wir warten bis morgen. Falls keine Besserung eintritt, werde ich eine Augenarzt rufen, er soll sich unseren kleinen Neri dann genau ansehen. Ich bin kein Spezialist für solche Verletzungen."
 

Später beschäftigte sich Casey wieder mit dem alten Notizbuch.

„Rostfieber...Kesselfieber...Überhitzung...echt toll! Das Buch sollte gedruckt werden als Handbuch für alle Lokführer.“ sagte er und klappte sein Heft auf. Dann begann er sich Notizen zu machen.

„Oh mann...Rusty, hör mal zu:„Heute wurde Ricardo von seinem Lokführer zu mir gebracht. Die Schlepptenderlok hatte sich mit einer Anderen aus dem Ostbahnhof angelegt. Wie ich erfuhr, ging es dabei um die Gunst eines Waggonmädchens. Wenn es um die Partnerwahl geht, können männliche Loks gegenüber Konkurrenten ihrer Art sehr angriffslustig werden, was bis zu einem Kampf ausarten kann. Meist genügt eine kurze Demonstration der Stärke, doch nicht immer. Das liegt wohl an unserem toronischen Temperament, das sie wohl von uns haben. Ricardo sagte, da seien richtig die Fetzen geflogen. Ein Eingreifen von menschlicher Seite wäre zu gefährlich gewesen. Und dementsprechend sah der Arme auch aus. Nicht nur das, er hatte auch gegen seinen Rivalen verloren. Etliche Schäden durch Feuerattacken und physische Krafteinwirkung. Die Verletzungen behandelte ich mit-arch, was heißt das hier....die Schrift ist kaum lesbar von dem Rußfleck...“

„Na toll! Rangkämpfe! Da hab ich sowiso nichts mitzureden! Und jetzt erst recht nicht mehr... Außerdem bist Du mein einziger Partner, Casey.“ schnaubte Rusty verächtlich.

„Na wer weiß? Irgendwann vielleicht...“

„Ach ja? Welches Waggonmädchen interessiert sich für eine blinde, schwache Dampflok!“ brach es wütend aus ihm heraus.

„Rusty...“ seufzte Casey traurig.“Bitte reg dich nicht auf, ich wollte dich nicht aufziehen.“

„Tut mir leid.“ gab Rusty zurück.

„Schon gut.“

Schweigend las Casey weiter und machte sich Notizen.
 

Vier Tage waren vergangen. Francis sollte heute ankommen. Da er jedoch einen Anschlusszug verpasst hatte, hatte sich seine Ankunft um einen halben Tag verzögert.

Giovanni war immer wieder vorbeigekommen und hatte den Verband gewechselt. Heute hatte er einen Augenarzt aus der Stadt zu Rate gezogen. Es war zwar ein Arzt für Menschen, aber die Augen einer humanoiden Lok waren nicht viel anders aufgebaut.

"Und? Was sagt der Arzt?" fragte Casey, als der Doktor wieder gegangen war.

Giovanni winkte den Jungen und Dinah aus dem Zimmer in den Vorraum, der in das obere Geschoss führte.

„Ich will euch nichts vormachen. Es sieht nicht gut aus.“

„Was?“ schluckte der Junge.

„Der Dottore hat ihn sich genau angesehen. Weder er noch ich können ihm helfen. Der Schaden, den seine Augen davongetragen haben, ist zu schwer. Der Helm hat ihn zwar vor Kopfverletzungen bewahrt, aber die elektrischen Entladungen haben seine Augen nachhaltig geschädigt. Die Salbe lindert die Schmerzen und hilft bei der Heilung seiner Gesichtsverletzungen, aber seine Augen kann sie nicht wieder sehend machen.“

„Sie meinen er wird blind bleiben?“

„Ich fürchte....ja. Er kann zwar hell und dunkel erkennen, aber das ist auch alles. Es tut mir leid, kleiner Lehrling...“

„Oh nein!“ schluckte Dinah, ihre Augen füllten sich mit Tränen.

"Nein...bitte nicht.." schluckte Casey. Rusty sollte nie wieder sehen können? Was sollte nun aus ihm werden? Was würden die Anderen in Kommoran sagen? Würden sie ihm die Schuld geben? Dinah legte ihre Hand auf die Schulter des Lehrlings doch dieser riss sich plötzlich los und stürmte aus dem Raum.

"Casey!"

Doch der Junge war schon die Rampe nach oben gerannt. Er hetzte durch die jetzt stille Werkstatt und nach draußen in die nächtliche, beleuchtete Arena. Über sich konnte er den klaren Sternenhimmel erkennen. Eine ganze Weile stand Casey schweigend da, die Hände zu Fäusten geballt, Tränen liefen über seine Wangen.

„Starlight Express, warum lässt Du Rusty so leiden? Hat er es denn schon schwer genug?“ rief er den Sternen entgegen. Dann seuftze er und ließ seine Arme und seinen Kopf hängen.“ Ich weiß, Du kannst nicht überall gleichzeitig sein und ein Rennen ist nun mal immer mit einem Risiko verbunden. Ich weiß auch, das eine solche Reise immer Prüfungen mit sich bringt, aber diese ist wirklich hart...und was soll ich nur Pop und den anderen sagen?“

Doch er erhielt keine Antwort. Die Sterne hingen schweigsam am Himmel und leuchteten auf den kleinen Lehrling und seine Sorgen. Doch plötzlich ging eine helle Sternschnuppe nieder. „Bitte Starlight Express, mach, das Rusty wieder sein Augenlicht zurückbekommt. Was für einen Sinn hätte sein Leben noch als blinde Lok? Er könnte keinen Dienst mehr verrichten.“wünschte sich Casey.
 

Auch über Emmenthal war die Sternschnuppe zu sehen.

„Sehen sie Dr. Sammer. Der Starlight Express schickt wieder einen Gruß.“

„Oder es ist ein Zeichen...“

Die beiden Männer standen auf der Dachterrasse eines großen Gebäudes und sahen in den nächtlichen Himmel. Unter ihnen pulsierte der Stadtverkehr, Leute strömten durch das Eingangsportal in das Innere.
 

Später, am Abend, in Emmenthal...

„Dr. Sammer, das war ein gelungener Vortrag über ihre medizinische Arbeit. Keiner weiß so gut über unsere „Hummanoid-Loks“ bescheid wie sie.“ sagte ein Kollege zu Ihm. Beide Männer waren auf dem diesjährigen Ärztekongress als Vortragende eingeladen worden. Gerade war Pause und sie hatten die Bar aufgesucht.

„Dann wird sie das sicher interessieren, Doktor.“ meinte ein anderer und reichte ihm die Eisenbahner- Zeitung.

„Schwerer Zwischenfall beim Wettrennen in Via Coronna?“ las Dr. Sammer. Er schlug die Zeitung auf, bis er den Artikel fand und überflog den Bericht. „Bei einem Ligawettrennen um die Plakette von Torrone ereignten sich vor drei Tagen zwei schwere Unfälle........die E-Lok aus Arrosia wurde mit mittelschweren Schäden im Betriebswerk der Arena wiederhergestellt. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Regeneration für eine Dampflok aus Kommoran, die ebenfalls am Rennen teilgenommen hatte. Die elektrischen Entladungen eines Trümmerstücks aus der E-lok haben schwere Verbrennungen an beiden Augen hinterlassen...es ist unwarscheinlich, das diese Lok jemals wieder ihr Augenlicht....“

Dr. Sammer las nicht weiter.

„Rusty!“ sagte er."Oh nein, der arme Kleine!"

„Sie kennen eine der beschädigten Loks?“

„Ja, sie war einmal bei mir in Behandlung. –Sie gehört zu einem Lehrling. Die beiden sind wirklich ein sympatisches Paar und nun das. -Dr. Humbold, ich muss sofort nach Via Coronna!“

„Alligator ist die schnellste Lok von Rätina. Vielleicht kann er sie hinbringen. Aber meinen sie, sie könnten helfen?“

„Ich vielleicht nicht direkt. Aber Dr. Franco. Sagen sie ihm, er soll sich nach der Veranstaltung mit mir in meinem Hotel treffen!“

„Dr. Franco, der Augenspeziallist?“

„Genau! Ich hörte, er hat einige bahnbrechende Fortschritte bei der chriugischen Behandlung von Augenkrankheiten und -verletzungen gemacht.“

„Ich verstehe.“

"Wo ist das nächste Telefon?"
 

In dieser Nacht wich Casey nicht vom Lager seines Verletzten Freundes. Zusammen mit Dustin und Dinah wachte er über jeden Atemzug seines Partners. Er durfte ihn jetzt auf keinen Fall alleine lassen. Nicht in dieser schwehren Stunde. Dinah hatte die schwere Aufgabe übernommen, es Rusty zu sagen.

"Ich weiß es schon, Dinah. Ich habe es am Tonfall des Doktors gehört, als er mit Giovanni leise in einer ecke des Raumes gesprochen hat. "

"Du hast ein gutes Gehör, Rusty."

"Das werd ich wohl jetzt auch brauchen, Dinah..."

Casey musste immer wieder dagegen ankämpfen, nicht wieder loszuheulen.

„Jetzt bist Du sicher sauer auf mich. Denn ich habe dich immer gedrängt, bei den Wettrennen mitzumachen. Und nicht auf die Warnungen der Anderen gehört! Es tut mir leid, Rusty. Ich bin schuld, das Du jetzt blind bist!“ schluchzte er.

Trotz seiner Lage lächelte Rusty plötzlich.

„Casey...ich bin Dir nicht böse. Und Du bist nicht schuld. Durch dich habe ich so viel schönes gesehen und erlebt. Ich durfte den Kontinent bereisen und habe neue Freunde gefunden. In Kommoran wäre ich sicher langsam versauert und verrostet. Und Du hast mir geholfen, mutiger zu werden. Ich bin glücklich darüber, das wir uns begegnet sind. Es ist, als hätte mein Leben neu begonnen.-Verletzungen wie diese kommen bei den Rennen manchmal vor, das habe ich von Anfang an gewusst. Auch das es mich mal erwischen könnte. Ich bin das Risiko eingegangen. Aber nicht, weil Du mich überredet hast. Ich hab es von mir aus getan. Mach Dir also keine Vorwürfe. Du bist mein Lehrling und mein allerbester Freund.“

„Oh Rusty...“

Mit Tränen in den Augen umarmte der Junge seinen Lokpartner. Dinah fiel ihm gerührt von der anderen Seite her um den Hals. Und Dustin umarmte alle von hinten.

„Und ich gebe nicht auf. So lange es noch Hoffnung gibt, dein Augenlicht zurückzubekommen.“sagte Casey mit fester Stimme.
 

Und die Hoffnung kam.

„Casey! Telefon!“

Espresso steckte seinen Kopf durch den Vorhang.

„Telefon? Wer ist es?“

„Gespräch aus Emmenthal. Weißt Du wer? Es ist Dottore Sammer.“

„Dr. Sammer! Natürlich! Wenn einer Rusty helfen kann, dann er!“ rief Casey und sprang auf.

"Si! Er hat von Rustys Unfall gelesen. Komm, er ist oben im Depot am Telefon!"

Casey sprang von Rustys Matratze und eilte hinter der gelben Lok her.
 

"Und?" fragte Dinah, als der Lehrling wieder zurückkehrte.

„Rusty! Dr. Sammer kommt hierher! Und er bringt einen Kollegen mit! Er ist ein Speziallist auf dem Gebiet der Augenheilkunde! Die Sternschnuppe hat meinen Wunsch erhört!"

„Oh Casey! Hoffentlich können sie Rusty helfen! Das wäre wunderbar.“
 

„Casey...“ Espresso betrat den Raum.

„Ja?“

„Scusi, das ich noch einmal störe. Da ist jemand für dich.“

Hinter der Lok trat Francis in das Zimmer. Müde stellte er seine Reisetasche ab und breitete seine Arme aus um sein Mündel aufzufangen, das auf ihn zurannte.

„Oh Francis! Mann bin ich froh dich zu sehen!“

"Casey! Wie geht es Dir?"

"Besser. Stell Dir vor: Gerade eben hat Dr. Sammer angerufen! Er kommt mit einem Augenspezialisten hierher um Rusty zu helfen!"

"Wirklich? Das ist toll! Dann gibt es noch Hoffung."

Casey nickte und wischte sich über die Augen.

"Aber sag mal..Du wolltest doch erst morgen ankommen? Hast Du einen früheren Zug erwischt?"

"Nein, aber ich habe auf dem Hauptbahnhof von Oledin einen Kurierflieger kennengelernt. Als er gehört hat, was los ist, hat er mich mitgenommen, da er auch nach Via Coronna musste. So bin ich einige Stunden früher hier."

"Klasse! Jetzt gehts mir schon viel besser!" seufzte Casey.

"Mir auch." bemerkte Rusty.

Francis beugte sich über den Verletzten.

"Armer Freund. Wie geht es Dir?"

"Abgesehen davon, das ich nichts sehen kann, ganz gut. Die positiven Neuigkeiten und deine Ankunft haben mich etwas aufgebaut. Die Schmerzen meiner Verletzungen sind auch kaum noch zu spüren."

"Du bist sehr tapfer, Rusty. Lass den Kopf nicht hängen. Wir machen das schon. Der alte Pop wäre am liebsten auch mitgekommen, aber die große Entfernung würde er nicht schaffen."

"Ich weiß. Aber Pop würde alles für mich tun." murmelte Rusty.

"Das ist wahr."
 

Francis bezog das noch freie Bett, aber er und Casey hatten sich noch so viel zu erzählen, das sie erst nach Mitternacht einschliefen. Caseys Hoffnungen, das Rusty wieder sein Augenlicht zurückerhielt, waren gestiegen. Er hatte großes Vertrauen in Dr. Sammer und seinen Kollegen, wenn jemand es schaffen konnte, dann diese beiden Spezialisten.
 

Fortsetzung folgt....

Die letzte Hoffnung

So, und jetzt geht es weiter. Sind diesmal auch wieder fast zwanzig Seiten geworden.
 

Kapitel 20

Die letzte Hoffnung
 

Als Giovanni am nächsten Tag von der Neuigkeit erfuhr, war auch er erleichtert.

"Vielleicht kann dieser Dottore wirklich helfen. Aber jetzt will ich Dir zeigen, wie Du Rusty selbst weiter behandeln kannst. Willst Du diesmal den Verband abwickeln?"

Der Junge nickte.

"Na komm, Kumpel, setz dich auf." sprach Francis.

Der Verband war schnell entfernt und Rustys Lider klebten nun nicht mehr zusammen. Er konnte seine Augen wieder ohne Probleme öffnen, doch sie waren trüb geblieben.

"Mmm...Du hast ja wirklich ganz schön was abgekriegt, Du Armer." murmelte Francis traurig.

"Der Heilungsprozess geht gut vorran, kein Rost hat sich gebildet. Und jetzt sieh her. Jeden Abend machst Du etwas von der Salbe auf die verletzen Stellen und Diese hier vorsichtig in die unteren Augenränder. Dann kommt wieder der schützende Verband darum. So lange, bis die Verletzungen ganz verheilt sind.“

„Giovanni!“

Tino, der Geselle, betrat den Raum.

„Ja, bitte?“

„Da sind die zwei Dottore aus Emmenthal am Telefon.“

„Sie wollen bestimmt wissen, wie weit die Genesung fortgeschritten ist. Ich komme.“
 

Dr. Sammer und Dr. Franco besprachen sich telefonisch mit Giovanni, um sich über den genauen Zustand von Rusty zu erkundigen.

"Unser Sonderzug fährt heute nachmittag vom Hauptbahnhof Emmenthal ab. In zwei-drei Tagen werden wir hiersein. Mein Kollege musste noch auf einige wichtige Instrumente aus Elektanis warten."

"Ich werde den Anderen Bescheid sagen."
 

Und so verließ am späten Nachmittag eine große Rätina-Lok mit einem Personenwaggon den Hauptbahnhof.

"Leg dich ins Zeug, Alligator, wir haben es eilig!" rief der junge Lokführer-Lehrling.
 

Als Casey am nächsten Morgen erwachte, war Rustys Schlafplatz leer.

„Rusty? Großer Starlight, wo ist er hin?“

Der Junge sprang aus dem Bett und eilte aus dem Raum. Er brauchte nicht lange zu suchen. Rusty tastete sich an der Wand entlang die Rampe hinauf.

„Wo willst Du denn hin? Du musst vorsichtig sein.“

„Ich muss mal wieder ins Freie. Und ich mag nicht immer nur herumliegen, meine Gelenke sind schon ganz steif. Wenn ich die Sonne schon nicht mehr sehen kann, so will ich sie doch wenigstens an mir spüren. Außerdem ist mein Aschekasten randvoll.“

„Oh je! Das haben wir in der Aufregung ganz vergessen!“

„Warte, leg deine Hand auf meine Schulter, ich führe dich.“

Gemeinsam stiegen sie die Rampe hoch, durchquerten die Werkstatt und stiegen die zweite Rampe zum Ausgang hinauf.

Schließlich standen sie wieder draußen in der Arena. Rusty atmete tief durch.

„Kannst Du irgendetwas erkennen?“

„Es ist jetzt etwas heller vor meinen Augen. Aber mehr nicht.“

„Na komm, da gehts zur Aschegrube."

Casey ergriff Rustys Hand und führte ihn langsam vorwärts. Die kleine Lok folgte unsicher, hatte wohl Angst hinzufallen, weil sie keine Hindernisse sehen konnte."

"Keine Angst. Ich seh jetzt für dich.-Achtung, da vorne kommen jetzt die Gleise."

Schließlich waren sie außerhalb der Arena angelangt.

"So, wir sind da. Transformiere jetzt, damit ich deinen Aschekasten leeren kann.“

Rusty konzentrierte sich, doch es ging nicht.“

„Was ist los?“

„Ich schaffe es nicht! Ob meine Verletzung daran schuld ist?“

„Das glaube ich nicht. Ich glaube, Du hast einfach zu viel Angst. Versuch es gleich nochmal.“

Doch es klappte nicht.

„Na macht nichts. Dann mache ich es eben in diesem Status. -Äh, da fällt mir ein, im Humanoid-Modus hab ich ja noch nie deinen Aschekasten geleert. Wo ist denn die Klappe?“

Rustys Wangen bekamen einen dunklen Schimmer.

„Was hast Du?“

„Im Humanoid-Modus habe ich das bisher immer selbst gemacht. Denn die Öffnung ist-“ er wies peinlich berührt auf die Stelle unterhalb seines Gurtes.

Jetzt lief auch Casey rot an.

„Ach so. Jetzt versteh ich. Na ja, ist eigentlich auch irgendwie logisch.“

„Du weißt ja, wir sehen euch zwar ähnlich, aber sind innen anders gebaut als ihr...“

„Und ihr habt da unten natülich auch nicht das, was wir Jungs haben, das hat Red doch erwähnt, als Du ihn in den Schritt getroffen hast.“

„Genau. Ob wir männlich oder weiblich sind, bestimmt einzig unsere äußerliche Körperform und unser äußerliches Aussehen.

„Wie dem auch sei. Der Protector vorne unterhalb deines Gurtes ist also die Öffnung. Dann lass mal sehen.“

„Nein, lass nur, das mach ich lieber selber.“

„Kriegst Du das hin ohne zu sehen?“

„Jaja, führ mich nur an eine geeignete Stelle.“

Casey wählte eine Ecke der Aschengrube, die der Mauer am nächsten war.

"Kann mich hier nicht jeder sehen?"

"Nein, Du stehst im Schatten. Du genierst dich ganz schön."

"Darf ich das nicht?"

"Dochdoch. Ich staune nur, wie ähnlich ihr uns immer wieder seid."

"Du kannst mich jetzt alleine lassen."

"Aber fall nicht rein, hörst Du?"

"Neinnein.."

"Und pfeife zwei mal, wenn Du soweit bist."

Als Casey langsam davonging, blickte er immer wieder kurz über seine Schulter. Rusty zögerte noch, sah immer in seine Richtung und versuchte am Geräusch herauszufinden, wie weit sein Lehrling schon weg war. Er wollte wirklich ungesehen sein. Wie hatte er das nur im Kommoran gemacht, ohne das die Diesel ihn beobachteten? Heimlich, nachts? Casey zuckte die Schultern, stopfte seine Hände in die Hosentaschen und tappte kopfschüttelnd wieder zum Eingangsportal.

"Ich bin jetzt ausser Sicht!" rief er.
 

„Wo ist Rusty?“ fragte Francis, als Casey in die Arena zurückkehrte.

„Er wollte etwas an die frische Luft. -Francis, er kann gerade nicht mehr transformieren.“

„Vielleicht ist der Schock daran schuld. Es ist sicher nicht leicht für ihn. Damals, nach dem schweren Unfall konnte er auch lange Zeit nicht mehr transformieren.“

„Das glaub ich auch.“

„Aber wo ist er gerade? Ist es eigentlich gut, das Du ihn in seinem jetzigen Zustand alleine gelassen hast?“

"Er macht seinen Aschekasten sauber.“

„Oh.....verstehe. Das wollte er wohl lieber alleine.“

Casey nickte.

"Jaja..auch Loks möchten manchmal nicht überall angefasst werden. Besonders wenn sie im humanoid-Modus sind."

"Sowas stand auch in den Notizen des alten Vincenzo. Er hat geschrieben, das Humanoid- Dampfloks es absolut nicht mögen, wenn man in ihre Feuerbüchse greift. Ist wohl ein reiner Schutzinstinkt. Rusty war auch ziemlich unruhig, als Giovanni das Feuer ersticken und die glühenden Kohlen herausholen musste, um die Temperatur zu senken. Na ja, und wer verbrennt sich schon freiwillig die Finger..."

"Da kommt er ja. Ein weißer Diesel führt ihn."

"Das ist Gallo."

Casey und Francis liefen ihnen entgegen.

"Ich habe deinen Neri draußen getroffen und ihn gleich mitgebracht. Ich konnte ihn noch rechtzeitig davor bewahren in die falsche Richtung zu rollen, sonst wäre er in der Aschegrube gelandet."

"Danke, Gallo. -Warum hast Du nicht gepfiffen Rusty, so wie vereinbart?" tadelte Casey seinen Freund.

"Wollte ich ja. Aber dann hab ich das Gleichgewicht verloren. Nur weil Gallo mich an meinen Kuppelringen festgehalten hat, bin ich nicht in die Aschengrube gefallen. Nichts zu sehen ist wirklich nicht einfach." seufzte die kleine Dampflok.

"Und wie Du aussiehst! Du hast dich beim Entleeren der Asche total eingesaut. Na komm, Du brauchst sowieso wieder einmal eine große Wäsche."

"Grrrmph! Nicht einmal jetzt bleibe ich davon verschont!"

"Nimms leicht, kleiner Neri. Ich werde fast jeden zweiten Tag gewaschen, wegen meiner weißen Lakierung." lächelte Gallo.

"Ich werde diesmal auch vorsichtig sein, wegen deiner Verletzungen." sagte Casey.
 

Rusty hielt die ganze Zeit still, während Casey und Francis ihn von Ruß und Schmutz befreiten. Tatsächlich gingen beide äußerst behutsam vor.

"Die Schrammen sind schnell verheilt. Nach zwei Tagen waren schon keine Verbände oder Pflaster mehr nötig." erklärte der Junge.

Dann bekam Rusty noch seinen Wassertank aufgefüllt.

"So, fertig. Jetzt kannst Du-Hey!"

Francis hatte einen Eimer Wasser über sein Mündel ausgekippt.

"Ich dachte, Du könntest eine Abkühlung gebrauchen." grinste er.

"Ich dachte eher an eine kalte Limonade." brummte Casey, zog sich sein nasses T-Shirt über den Kopf und wrang es aus. Und er konnte Rusty vergnügt grinsen sehen.

"Haha..sehr lustig." brummte der Junge.
 

Ein Lokführer kam aus dem Depot und zu den beiden herüber.

"Gut das ich euch treffe. Da ist ein Anruf aus Kommoran." sagte er. "Drüben, am Apparat im Depot."

"Für wen?"

"Für den kleinen Neri."

Der Mann wies auf die Dampflok.

"Was? Für Rusty? Wer ist denn am anderen Ende der Leitung?"

"Ein gewisser "Pop". Er will unbedingt seinen Freund Rusty sprechen, hat er gesagt."

"Ich geh mit Rusty. Du kannst dich hier so lange in der Sonne trocknen." schlug Francis vor."Na komm, der alte Pop wird sich riesig freuen, wieder deine Stimme zu hören."
 

Tatsächlich stand über tausend Kilometer entfernt im heimatlichen Lokschuppen die alte Dampflok am Telefon und wartete. Endlich drang die vertraute Stimme an seine Ohren.

"Hallo, Pop."

"Rusty, mein Kleiner! Wie geht es Dir? Kannst Du schon wieder aufstehen?"

"Es geht mir schon besser, alter Freund."

"Und deine Augen? Kannst Du wieder sehen?"

"Es wird langsam besser." log Rusty.

Das er so gut wie blind war, wollte er der alten Lok vorerst nichts erzählen. Sie sollte sich nicht noch mehr aufregen.

"Ist Francis schon angekommen?" fragte Pop.

"Ja, gestern Nacht. Und wie ist es bei euch?"

"Alles beim Alten."

Nach Rusty sprach Francis noch kurz mit der alten Lok und auch Casey ließ es sich nicht nehmen, mit seinem Freund ein paar Worte zu wechseln, während Francis mit einem Handtuch ihm die Haare trockenrubbelte.

"Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, Pop."

"Wieso?"

"Das ich deinen Schützling in solch eine Lage gebracht habe."

"Na hör mal! Ich war doch auch dafür, das er die Liga-Rennen fährt, hast Du das vergessen?"

"Nein, Pop."

"Na also. Ich muss mir eher Vorwürfe machen. Aber Rusty geht es ja wieder besser."

"Uns allen geht es wieder besser." murmelte Casey.
 

Der Junge stieß geräuschvoll die Luft aus, als er den Hörer wieder aufgelegt hatte.

"Mir ist es auch nicht leicht gefallen, es vor ihm zu vertuschen. Aber es ist besser so. Und bald werden wir erfahren, ob es noch Hoffnung für Rustys Augenlicht gibt."
 

Als Casey durch die Werkstatt ging, um sich umzuziehen, sah er Tino an einer Werkbank arbeiten.

"Das ist doch Rustys Helm."

"Ich will ihn reparieren. Er liegt schon seit dem Unfall hier herum und der Kleine wird ihn sicher noch brauchen."

"Pop hat ihn mir kurz vor unserer Abreise geschenkt. Er hat dafür Meinen behalten. Wenn ich den aufgehabt hätte, hätte es mich noch schlimmer erwischt....“ murmelte Rusty leise, welcher mit Francis folgte.

"Hat dein Eigener keinen Gesichtsschutz gehabt?" fragte Tino.

"Nein, er sieht eher aus wie eine Mütze."

"So ein Helm ist bei Ligarennen gar nicht zulässig. Nur Helme die den ganzen Kopf schützen. Du hast ja erfahren, warum. Die Liga Leitung erwägt sogar, eine Helmpflicht oder einen Gesichtsschutz für Waggons einzuführen."

"Waggonmädchen mit Helm? Das wird lustig." bemerkte Dinah, welche gerade von unten heraufkam."Jungs, ich habe etwas zu essen für euch bestellt. Es wird in einer halben Stunde gebracht."

"Danke, Dinah."

"Aber zuvor ziehst Du Dir etwas trockenes an."

"Das wollte ich gerade."

"Und dann zeigst Du mir endlich einmal die Plaketten, die ihr bisher gewonnen habt."

"Stimmt. Hab ich in der Aufregung ganz vergessen."
 

Wenig später hockten Casey und Francis auf der Kante von Rustys Matrazte und der Junge öffnette die Ledermappe. Rusty hatte sich wieder hingelegt und hörte den beiden zu.

"Ho, nicht schlecht! Die hast Du alle gewonnen, Rusty? In nur einem Jahr? Kleiner, Du warst ja echt fleißig!" lobte Francis.

"Das verdanke ich nur Casey. Schade nur, das es hier nicht geklappt hat."

"Du kannst es nächstes Jahr noch mal versuchen. Oder ein anderes Mal, wenn Du meinst, es gegen Espresso zu schaffen."

"Zuerst einmal muss die OP gelingen." murmelte die kleine Dampflok.

"Auf jeden Fall darfst Du die Hoffung nicht aufgeben."
 

„Hallo, Leute! Ich bringe das Mittagessen! Frische Pizza aus der Stadt!“ rief plötzlich eine bekannte Stimme.

Die gelbe Lok rollte in den Raum und balancierte vier flache Kartons auf ihren Armen.

„Oh, hallo, Espresso! Das ist aber nett!“ lächelte Casey und nahm ihm einen der Kartons ab. "Bin gespannt wie die schmecken."

Die gelbe Lok lächelte.

„Scusi, aber ich bin nicht Espresso.“

„Nicht Espresso? Aber Du siehst genauso aus wie...“

„Ich bin sein jüngerer Bruder Pendolino. Ich heiße so, weil ich eine spezielle neue Neigetechnik in meinem Fahrgestell habe. So kann ich noch schneller in den Kurven fahren. Aber sonst bin ich genauso gebaut wie mein älterer Bruder.

„Er hat recht.“ nickte Rosa, welche nun hinter der Lok hervorkam „Du kannst beide nur an den Markierungen im Gesicht unterscheiden. Und an ihrer Fahrtechnik. Pendolino ist meine Lehrlok.“

"Hallo Rosa!-Weißt Du schon das neueste?"

"Das Rusty wieder sehen könnte? Davon hab ich gehört, Casey."

"Dr. Sammer mit seinem Kollegen müsste morgen abend hier eintreffen."
 

Und so war es auch. Im letzten Tageslicht rollte die Krokodillok aus Rätina in die Arena ein und hielt kurz vor dem Depot.

„Dr. Sammer! Was bin ich froh, sie zu sehen!“rief Casey und lief den gerade aussteigenden Fahrgästen entgegen.

"Hallo mein Junge. Darf ich Dir Dr. Franco vorstellen? Er wird sich nachher Rusty Augen ansehen."

"Guten Tag, Doktor. Ich hoffe, sie können meiner Lok helfen."

"Ich werde nichts unversucht lassen."

„Casey!“

„Loisel! Du hier?“

Der ältere Lehrling kletterte aus dem Führerstand.

„Ich hab die beiden mit Alligator her gebracht. Er ist die Schnellste unserer Loks. Und ich dachte mir, Du brauchst sicher etwas Beistand.“

„Danke, mein Freund. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.“

"Jungs, helft ihr uns mal mit dem Gepäck?" bat Dr. Sammer.

"Na klar, Doc!" nickte Loisel.

Aligator transformierte und streckte sich, das Waggonmädchen wartete noch damit, bis das ganze Gepäck ausgeladen war. Dinah und Francis kamen dazu und nach der üblichen Begrüßung machten sich alle daran, das Mitgebrachte in die Werkstatt zu schaffen.

Tino und Giovanni zeigten, wo die Instrumente deponiert werden konnten und der Werkstattmeister übergab die Unfallunterlagen an die beiden Ärzte.
 

Die rätinische Lok war inzwischen hinunter in den Ruheraum zu Rusty gerollt. Casey hatte heute das erste Mal den Verband weggelassen, die Verbrennungen heilten nun besser, wenn Luft hinkam. Rusty lag auf dem Rücken und hatte die Arme hinter seinen Kopf verschränkt. Mit seinen getrübten Augen starrte er schweigend an die Decke. Aligator seufzte traurig.

„Hallo, Rusty. Was machst Du nur für Sachen...“

„Krokodil?“

Die kleine Lok setzte sich auf und sah in die Richtung, aus der sie die Stimme vernommen hatte.

„Hehe, nein, ich bins Alligator. Die beiden Docs hatten es verdammt eilig und ich bin ein bischen schneller als mein kleiner Bruder. Aber Loisel hat mich hergefahren.“

"Oh, da hat sich Casey bestimmt gefreut."

"Na klar. Die anderen kommen gleich nach."
 

Dr. Franco las sich die Berichte genau durch und besprach sie kurz mit Dr. Sammer. Dann besah sich der Augenspezialist genau den Patienten und stellte ihm einige Fragen. Dr. Sammer hielt sich diesmal mehr im Hintergrund.

Nach der Untersuchung zogen sich beide Ärzte wieder zu einer ausführlichen Besprechung zurück.

"Jetzt fachsimpeln die beiden schon gut eine Stunde miteinander." murmelte Casey. "Bin gespannt, was sie sagen werden."

Schließlich betraten die beiden Ärzte den Ruheraum. Casey sprang von seinem Platz auf und lief ihnen entgegen.

„Und? Wie sieht es aus?“

„Die Hornhaut beider Augen wurde durch die elektrischen Entladungen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Aber man kann sie operativ durch zwei gesunde Komponenten ersetzen. In Technopolis hat man ein Verfahren entwickelt, diese Hornhaut künstlich aus Zellen heranzuzüchten. Dr. Franco hat entscheidend bei der Entwicklung mitgeholfen. Er ist der Beste auf diesem Gebiet.“

„Das heißt, wir haben eine Chance?“

„Ja. Aber erst nach der OP wird sich zeigen, ob er wieder richtig sehen wird. Ich habe das noch niemals bei einer Lok gemacht und ich weiß nicht, ob der Erfolg derselbe sein wird wie bei einem Menschen."

"Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert!" sagte Dinah. Casey nickte.

"Stimmst Du auch zu, Rusty?" fragte Dr. Sammer.

"Ja, ich will nichts unversucht lassen."

"Gut. Morgen beginne ich mit den Voruntersuchungen. Es sind einige Tests notwendig, um die genaue Beschaffenheit des Gewebes festzustellen. Damit die Komponenten später nicht abgestoßen werden." erklärte Dr. Franco.

"Verstehe." nickte Casey.
 

So umringten also am nächsten Morgen die beiden Doktoren mit Giovanni Rustys Lager. Für eine genaue Untersuchung wurde ein kleiner Teil der äußeren Hülle entnommen und ein wenig der öligen Substanz, die sie durchfloss. Die kleine Lok ließ alles geduldig über sich ergehen und keine Klage kam über ihre Lippen.
 

"So, jetzt haben wir alles. Wir werden die Proben nun auswerten, damit bei der OP nichts schiefgeht."
 

Unterdessen, in Kommoran...

"Ich hab sie!"

Steel kam über die Gleise gerollt und schwenkte eine Zeitung.

"Ah, die letzte Ausgabe der Eisenbahnerzeitung! Na endlich!" brummte Greaseball. Er lehnte mit Chrome und Lead an der Außenwand des Lokschuppens.

"Jetzt werden wir sehen, ob es einen Bericht gibt." meinte Steel und reichte sie seinem Anführer. "War gar nicht so leicht, an ein Exemplar zu kommen. Und keiner konnte oder wollte wegen dem Dampfer etwas sagen. Aber in der Lokführerkantine bin ich dann fündig geworden."

"Mal sehen...."Greaseball blätterte die Seiten durch." Wo sind denn die Rennligaergebnisse....ah, da! Mmmh...mhm...uninteresant...ah, sieh an, Turnov, die drubanische Pfeife, hat tatsächlich eine weitere Plakette gewonnen?"

"Hehe, als er mal gegen dich antreten wollte, hast Du ihn einfach vom Gleis in einen Stapel Gleischotter gestoßen! Das hat vielleicht gestaubt!" erinnerte sich Steel. Seine beiden Brüder lachten.

"Hmph! Das war ja noch vor meinem Aufstieg." meinte Greaseball abschätzend. "Ah, wartet mal! Hier! Schwerer Unfall beim Ligarennen in Torrone!"

"Schwerer Unfall? Hört sich gar nicht gut an...lies schnell weiter, Grease!" drängte Steel.

"Beim letzten Rennen um die Plakette von Via Coronna..."

"Ach ihr habt meine Zeitung! Da kann ich ja lange suchen. Gebt sie mal schön wieder zurück."

Die Stimme gehörte Digger. Er hatte Greaseball und seine Kumpane die letzten Minuten aufmerksam beobachtet. Bis jetzt war es ihm immer gelungen, mit Hilfe seiner Kollegen dafür zu sorgen, das weder Pop noch die Diesel eine der Zeitungen in die Finger bekamen. Vor allem wurde Stillschweigen über Rustys Unfall gewahrt. So lautete die Anordnung von Mr. Corell. Keiner wollte, das die alte Dampflok sich unnötig aufregte oder die Diesel über Rustys Unfall lästerten.

"Och mann! Dürfen wir vorher nicht den Artikel zu ende lesen?" murrte Chrome.

"Nein, ich habs eilig. Und die brauch ich noch."

Und schon hatte Digger dem überraschten Greaseball die Zeitung aus der Hand gefischt und schritt mit ihr davon.

"So ein Murks!" fluchte der Diesel wütend und stampfte mit einem Fuß auf.

"Die verheimlichen irgendwas! Keiner macht den Mund auf! Nicht mal Bobetta!" knurrte Steel. "Aber wir kriegens schon raus, verlass dich drauf, Alter!" grollte Greaseball Digger hinterher.
 

"Wenn ich wüsste, wer die Zeitung in der Kantine vergessen hat..." murmelte Digger, als er die Blätter zusammenlegte, während er hinüber zum Bahnhof stapfte.

In der großen Eingangshalle kam ihm Tingle entgegen.

"Hallo, Digger! Ich habe Neuigkeiten!"

"Gute oder schlechte?"

"Schwer zu sagen...Casey hat vorhin bei Mr. Corell angerufen. Er sagt, zwei Ärzte sind aus Emmenthal gekommen um Rusty zu helfen! Sie wollen Ihm durch eine Operation sein Augenlicht wiedergeben!"

"Beim Starlight! Das ist wirklich eine gute Nachricht. Wollen wir nur hoffen, das die Ärzte Erfolg haben."

"Ich wünsche es mir auch." nickte Tingle. "Unser Rusty ist nicht umsonst der Liebling aller Lokführer von Kommoran. Er hat schon so viel schlimmes mitgemacht und hat es immer wieder überstanden."
 

Ein weiterer Tag war vergangen.

"So, wir haben jetzt alle Tests durchlaufen. Und wir haben passende Implantate, die seinem Zellgewebe ähnlich sind. Die OP werden wir übermorgen durchführen. Bis dahin bringt ein Kurierflieger die Implantate aus dem Labor in Technopolis." erklärte Dr. Franco, als alle beim Abendessen zusammensaßen. Auch Mr. Shine war mit Tron und Lonzo anwesend.

"Oh je!" schluckte Rusty.

"Keine Angst, Rusty. Du wirst schlafen und von alledem nichts merken." beruhigte ihn Dr. Sammer.

"Das beruhigt mich nur wenig."

"Komm, wir besuchen Espresso und Cappuchina, das bringt dich auf andere Gedanken." meinte Casey. "Kommst Du mit, Loisel?"

"Na klar."

"Ich gehe auch mit und helfe Rusty."

"Lonzo!!" riefen Tron und Mr. Shine ernst wie aus einem Mund.

"Oh mann!" brummte die Viehwaggon.

"Ich geh mal besser. Du machst doch wieder nur Dummheiten, wenn Du Espressos Braut siehst." bemerkte Tron und ergriff Rustys freien Arm.

"Mach ich nicht!" protestierte Lonzo. Alle lachten.
 

Alle Loks und Waggons im Depot freuten sich über den Besuch.

Jeder versuchte, Rusty Mut zu machen und wünschte ihm Glück.

"Hör zu, kleiner Neri. Wenn Du das hier überstanden hast, dann bringe ich Dir ein paar von meinen Tricks bei. Damit Du dich in Zukunft besser wehren kannst." erklärte Espresso.

"Etwa Saltos schlagen?"

"Das wohl eher weniger. Aber ich kann Dir andere Kniffe zeigen."
 

Die restliche Zeit verging wie im Flug. Nach dem Aufstehen fuhren Casey, Loisel und Francis mit Aligator noch kurz in die Stadt um einige Einkäufe zu erledigen. Auf der Rückfahrt zum Depot bemerkten sie das kleine Flugzeug am Himmel.

"Das muss der Kurier aus Technopolis sein!" sagte Casey, der aus einem Seitenfenster sah.

"Stimmt. Er fliegt in die selbe Richtung."
 

Bei ihrer Rückkehr bemerkte Casey Espresso und Cappuchina in einem der Seitengänge der Arena. Sie knieten vor etwas, das eine Art Schrein zu sein schien. Langsam ging der Junge näher. Tatsächlich hielten die beiden ihre Köpfe etwas gesenkt und ihre Hände gefaltet, als beteten sie.

"Ich komm gleich nach, Freunde."

"Ist gut. Gib mir deine Taschen." sagte Francis.

Caseys Vormund brachte die Einkäufe in die gemeinsame Unterkunft, während die beiden Lehrlinge sich langsam und leise auf die beiden in Andacht versunkenen zubewegten.

In der Mauer befand sich eine Nische, in der eine etwa einen Meter große Statue aus demselben Gestein stand. Der Form nach sah sie wie eine Lok im Humanoid-Modus aus. Loisel stupste seinen Freund an und dieser räusperte sich verlegen. Lok und Waggonmädchen sahen auf.

„Was...tut ihr da?“ fragte der Junge.

„Wir bitten Cyrill Rusty Kraft zu geben und ihm beizustehen, damit die Operation ein Erfolg wird.“

„Cyrill?“

„Er wird vielerorts genauso verehrt wie der Starlight Express. Er war ein Neri wie dein Rusty, nur viel größer und stärker und lebte vor über 200 Jahren. Er ist der Schutzpatron vieler Loks.“

„Von Cyrill höre ich das erste Mal. In Kommoran haben sie mir nichts davon erzählt.“

„Er ist auch mehr bei den Zügen und Menschen der südlichen Länder des Kontinents bekannt. In den nördlichen Ländern wird mehr der Starlight Express verehrt.“

Espresso und Cappuchina erhoben sich wieder.

„Wir müssen los. Unser Dienst beginnt. Sag Rusty, wir sind im Gedanken bei ihm und wünschen ihm viel Glück.“

„Danke. Ich werds ausrichten, Cappuchina.“

Nachdem die Beiden davongerollt waren, blieben Casey und Loisel noch eine Weile vor dem Schrein stehen.

„Cyrill....weißt Du etwas über ihn?"

"Nicht viel. Ich weiß nur, das er ein großer Held war und in Technopolis gebaut wurde. Wir haben damals das Thema in Geschichte nur kurz behandelt. Aber er war ein echter Kämpfer."

"Ich hoffe, Francis kann mir mehr über ihn erzählen.“

Aber damit wollte er bis nach der OP warten.
 

"Der Kurier war wirklich vorhin da und hat die Implantate gebracht. Da sind sie drin. Tiefgefroren." sagte Francis, als Casey mit seinem Freund die Werkstatt betrat. Ein zylindrischer Metallbheälter stand auf einem Schränkchen. Mehrere Warnaufkleber waren an der Hülle angebracht.

Da es natürlich keinen geeigneten Operationsraum für solche speziellen Eingriffe in der Werkstatt gab war ein kleiner Nebenraum der Werkstatt speziell hergerichtet worden. Dieser durfte bis zur OP nicht mehr von normalen Leuten betreten werden, wegen der Keimfreiheit. Nur Dr. Franco und Dr. Sammer, der ihm assistieren würden, gingen dort ein und aus. Ersterer holte nun den Behälter.

"Die Implantate sind noch tiefgefroren. Ich werde sie jetzt langsam vorbereiten. Es befinden sich sechs Stück darin. Zwei Paar sind immer als Reserve gedacht, falls eines fehlerhaft ist."

"Verstehe. Wir gehen dann mal zu Rusty."

Als Casey in den Ruheraum kam und seinen Lokpartner erblickte, konnte er sich das Lachen nur mit Mühe verkneifen. Genauso erging es Loisel. Rustys Haare steckten unter einer hellblauen Haube, wie sie bei Operationen von der Ärzten und auch Patienten getragen wurde. Hier machte man offenbar keine Ausnahme.

Die kleine Dampflok zupfte nervös an der Haube und tastete auf ihrem Kopf herum.

"Was ist das für ein Ding?"

"Das tragen die Patienten im Krankenhaus auch immer." erklärte Casey und versuchte ernst zu klingen.

"Ich sehe bescheuert aus, nicht wahr?"

"Nein nein, überhaupt nicht?" schüttelte Francis den Kopf. Aber Casey merkte, das auch er Schwierigkeiten hatte, ernst zu bleiben.

Dr. Sammer betrat den Raum.

"Wir sind soweit. Ihr könnt Rusty jetzt nach oben bringen."

"Na dann komm."

Francis, Casey und Loisel halfen der Lok auf die Beine. Dr. Sammer nahm einen Arm, Loghead den anderen.

"Rusty...viel Glück. Wir drücken alle die Daumen." sagte Dinah. Dustin nickte.
 

Langsam ließ sich die Dampflok nach oben führen."

"Rutsty sieht irgendwie ulkig aus mit dem blauen Ding auf dem Kopf." bemerkte Dustin grinsend, welcher mit Dinah zurückblieb.

"Das hab ich gehört, Dustin!" knurrte Rusty von draußen. Dinah verpasste dem Tender einen Klaps gegen den Hinterkopf.

"Manchmal bist Du so taktvoll wie ein Rocky!"knurrte sie ärgerlich.
 

"In Ordnung. Ab hier übernehmen wir." sagte Dr. Franco als sie vor dem Eingang zum hergerichteten Operationsraum standen.

"Also, Kopf hoch, Kumpel. Und beiß die Zähne zusammen, wenn er Dir die Spritze gibt." sagte Casey und drückte Rusty die Hand.

"Bis später, Casey."

"Halt die Ohren steif." wünschte Loisel.

Ein sanfter Druck von Francis zum Abschid gegen die Schulter, dann gab sich Rusty in die Obhut der beiden Ärzte. Casey konnte noch einen letzten Blick auf seinen Freund erhaschen, bevor Francis die Tür fest verschloss.

"Jetzt heißt es warten."
 

"So, mein Kleiner, jetzt geht es los. Wie gesagt, wirst Du von allem nichts spüren." erklärte Dr. Franco. Gemeinsam bugsierten sie Rusty auf die zu einem OP -Tisch umfunktionierte Werkbank, über die ein hellblaues Laken .gebreitet worden war.

"Leg dich zurück...gut so."

Die obere Partie von Rusty, nämlich Kopf und Schultern, hatte man ebenfalls versucht, so steril wie möglich zu halten. Der Rest wurde mit einem großen, hellbauen Tuch abgedeckt, das in Höhe der Feuerbüchse ein Loch hatte, um die Lebensflamme im Auge behalten zu können. Das Kohlefeuer war wieder vorsorglich entfernt worden. Die für Menschen schädlichen Bakterien hatten zwar keine Wirkung bei humanoiden Loks, aber man konnte nie wissen. Und dies war schließlich das erste Mal, das bei einem biomechanischen Lebewesen eine solche OP durchgeführt wurde.

Dr. Sammer und Dr. Franco trafen die nötigen Vorbereitungen.

"Was riecht denn da so komisch?" knurrte die Dampflok unbehaglich.

"Das ist nur ein Desinfektionsmittel.- Ich werde dich jetzt betäuben. Hab keine Angst, Du wirst nur einen Stich in deinem Hals spüren, also keine Panik." sagte Dr. Sammer. Vorsichtig drehte er Rustys Kopf zur Seite, um besser an die Stelle am Hals zu kommen. Der Patient hielt ganz still, nur als er den Stich spürte, zuckte er etwas zusammen.

"Schon vorbei. Zähle jetzt langsam bis fünfzig."

Am Klang der Stimme konnten die beiden Ärzte den Zustand der Betäubung feststellen. Bei dreiundzwanzig wurde Rustys Stimme immer leiser, bei einunddreißig hörte er auf zu zählen und sein ganzer Körper entspannte sich.

"In Ordnung. Der Kleine ist im Land der Träume. Behalten sie immer wieder die Lebensflamme im Auge, Kollege." bat Dr. Franco.
 

Und draußen....

"Casey, Du bist ja schrecklich nervös." bemerkte Francis.

"Kein Wunder. Meine Mutter..."

"Ich weiß. Du hast mir davon erzählt."

"Sie wurde auch operiert. Aber es hat nichts genützt....sie ist trotzdem einige Tage später verstorben..."

"Armer Bursche..." murmelte Mr. Shine.

"Na komm, lass uns in die Kantine gehen." sagte Loghead." Hier können wir jetzt eh nichts tun."
 

Die Kantine hatte auch einen Außenbereich. Die beiden Lokführer und Lehrlinge nahmen unter einem der Sonnenschirme Platz , Mr. Shine spendierte vier Eisbecher. Eine ganze Weile fiel kein Wort, Casey stocherte zuerst lustlos in seinem Becher herum, begann aber dann doch zu essen.

"Sag mal, Francis, war Greaseball eigentlich schon immer so gemein?" brach der Junge schließlich das Schweigen.

"Oh nein. Ich habe es Dir ja schon einmal gesagt, als er mir zugeteilt wurde, war er noch eine normale Diesellok. Wir verstanden uns sehr gut, haben viel miteinander gelacht und als er von meinem Krafttraining erfahren hat, wollte er so etwas auch machen. Damit er noch viel stärker werden würde. Und das tat er dann auch."

Francis zeigte Casey ein paar alte Fotos.

"Siehst Du? So sah Grease früher aus.-Diese Fotos dürfte ich euch gar nicht zeigen, wenn Greaseball davon erfährt, macht er mir die Hölle heiß! Sein früheres Leben vor der Weiterentwicklung existiert für ihn gar nicht!"

"Keine Angst. Wir halten alle dicht.-Hey, da hatte der noch nicht mal seine Tolle!-Hehe, der hat da nen Wuschelkopf wie Pewter." grinste Casey.

"Dann bemerkten Mr. Correl und ich seine Rennqualitäten. Vielleicht könnten wir aus ihm einen Favoriten machen. Kommoran hatte bis dahin noch keinen Geeigneten gehabt. Wir meldeten uns für die Liga und reisten herum, wie Du jetzt. Hier in Torrone waren wir auch schon. Damals hieß der Favorit allerdings noch Continent Star. Beim Rennen gegen Ihn hat Greaseball seine siebte Plakette gewonnen." schwelgte Francis in Erinnerungen."Und dann, vor dem Rennen zur zehnten Plakette ist es geschehen. Zuvor hatte er zwei Mal gegen den Favoriten Volta aus Elektanis verloren und war durch Elektroattacken verletzt worden. Doch sein unbändiger Drang zu siegen hat ihm schließlich die Weiterentwicklung ermöglicht. Und er konnte Volta schlagen."

Francis Gesicht verdüsterte sich plötzlich.

"Aber nach seiner Verwandlung hatte er sich total verändert. Hochmütig ist er geworden und machte einen auf hartem Typ. Ich war auf einmal nur noch ein Klotz am Bein." seufzte Francis traurig."Er hat sogar behauptet, ich sei nicht mehr klug genug für ihn."

"Was? So ein mieser Kerl! Nach all dem was Du für ihn getan hast! Durch dich ist er erst zu dem geworden, was er heute ist, da wette ich!"

"Und dann kam das große Finalrennen...Greaseball schlug alle Gegner und wurde Champion. Ab da lief natürlich gar nichts mehr. Er duldete mich nur noch als Lokführer, weil Mr. Corell es so wollte. Auch drei Jahre später ging er als Champion hervor und Volta steckte eine herbe Niederlage ein. Seitdem glaubt er, das keine andere Lok ihn je schlagen wird."

"Na der wird sich noch wundern, wenn er eines Tages auf die Nase fällt!" brummte Casey und knabberte an seiner Eiswaffel. Und er nahm sich fest vor, mit Rusty Greaseball diese Niederlage zu bescheren. Sein Freund musste nur sein Augenlicht wiederbekommen.
 

Als Rusty wieder die Augen öffnette, sah er vor sich nur undurchdringliche Schwärze.

"Wo bin ich hier? Es ist so dunkel...oder hat die Operation etwa nicht geklappt?"

Angst machte sich in ihm breit.

"Hallo? Ist da jemand?"

"Rusty!"

Der Gerufene wandte sich herum. Ein Schatten löste sich plötzlich aus der Schwärze, wurde zu einer grünen, eindeutig weiblichen Lok. Einer Dampflok.

"Ich kann wieder sehen!"

Die rothaarige Fremde lächelte nur.

"Wer bist Du?" bohrte Rusty weiter.

"Kennst Du mich nicht?"

"Nein....aber ich glaube, dich schon irgendeinmal gesehen zu haben....in anderen Träumen und Erinnerungen...aber seit meinem Unfall habe ich einen Teil davon verloren! Bitte sag mir, wer Du bist."

"Das musst Du selbst herausfinden. Ich bin auch nur ein Bruchstück deiner verlorenen Erinnerungen. Suche weiter nach deinen Wurzeln."

Die Erscheinung vor Rusty begann langsam zu verblassen.

"Nein! Geh nicht weg! Bitte! Nein-"
 

Rusty schüttelte sich -und erwachte!

"Ho, ho, ganz ruhig, mein Kleiner." vernahm er plötzlich Dr. Sammers Stimme. Rusty brauchte nicht lange, um zu bemerken, das er wieder wach war. War die Operation bereits vorbei?"

"Mein Augen..."

"Stecken noch unter einem Verband. Der kommt erst morgen wieder herunter. Dann wird sich zeigen, ob wir Erfolg hatten." hörte er jetzt Dr. Franco zu seiner Rechten. Er fühlte, wie eine Hand sanft seinen rechten Arm berührte.

"Dann hab ich es schon...hinter mir?"

"Ja, das hast Du, mein Kleiner. Du hast drei Stunden geschlafen. In dieser Zeit haben wir die Implantate eingesetzt."

Rusty atmete erleichtert aus.

"Bleib noch etwas liegen, bis die Nachwirkungen der Betäubung ganz weg sind. Dann bringen wir dich wieder zu deinen Freunden." erklärte Dr. Sammer.

Die kleine Lok blieb still liegen und lauschte den Geräuschen in ihrer Nähe. Er hörte die beiden Ärzte leise miteinander reden und das klappern von Instrumenten, die eingepackt wurden.
 

"So...dann komm mal..."

Rusty wurde aus seiner liegenden Position in eine Stehende gebracht.

"Kannst Du wieder richtig stehen? Kein Schwindel?" hörte er Dr. Sammer zu seiner Rechten. Eine Hand zog ihm die hellblaue Haube vom Kopf und ordnete dann etwas die wirren Haare.

"Geht schon wieder."
 

"Da sind sie!" rief Casey, als er die beiden Doktoren erblickte, welche langam mit ihrem Patienten hinunter in den Ruheraum kamen.

"Und?" fragte Francis.

"Er hat es gut überstanden. Jetzt müssen wir bis morgen warten. Dann kommt der Verband weg.-Rusty, hör mir gut zu. Solltest Du plötzlich starke Schmerzen oder etwas anderes Unangenehmes im Augenbereich spüren, sage sofort Bescheid! Deine Freunde werden uns dann rufen." erklärte Dr. Franco. "Ich und Dr. Sammer haben unsere Zimmer ja weiter hinten am Gang."

Rusty nickte.

"Möchtest Du ein paar von deinen Kohlen?" fragte Casey, als sich die beiden Ärzte zurückgezogen hatten.

Die kleine Lok schüttelte den Kopf.

"Wie gehts Dir?"

"Soweit ganz gut. Aber ich bin schrecklich nervös! Morgen wird sich entscheiden, ob es geklappt hat!"

"Ich weiß. Das Warten ist immer das Schlimmste."
 

Auch in der Nacht brachte Rusty kein Auge zu. Glücklicherweise traten keine Beschwerden auf und die leichten Schmerzen ließen nach.
 

Und dann war es soweit. Jeder, der konnte, wartete vor dem Ruheraum oder oben in der Werkstatt auf das Ergebnis der Implantation. Rusty konnte kaum ruhig sitzen, als Dr. Franco langsam den Verband abwickelte. Casey saß neben ihm auf der Matratze und hielt seine Hand. Er war genauso aufgeregt. Hing doch der Erfolg davon ab, ob sie auch nächstes Jahr wieder auf Reisen gehen und Rusty gegen andere Loks rennen konnte.

"Es...es wird heller..."murmelte die kleine Dampflok.

"Ein gutes Zeichen..es fällt wieder Licht in das Innere deiner Augen..."erklärte Dr. Franco."Ich glaube...so."

Der Arzt nahm langsam die Verbandauflage ab und trat zurück.

Casey beugte sich nach vorne und blickte in Rustys Augen. Sie waren nicht mehr trüb, sondern so klar und blau, wie er es gewohnt war.

"Rusty?" fragte er leise. Die Lok blinzelte einmal, blinzelte zweimal.

"Ich..ich seh wieder was!"

"Kannst Du alles klar erkennen?" fragte Dr. Franco und besah sich die Augen mit einer Spaltlampe.

"Nein...ist noch alles etwas unscharf...bleibt das so?"

"Mach Dir keine Sorgen. Die Implantate müssen sich erst an deine Augen gewöhnen und sich justieren. Das ist normal. In ein paar Tagen müsste deine Sehkraft wiederhergestellt sein."

"Dann war die Operation wohl erfolgreich, Herr Kollege." bemerkte Dr. Sammer.

"In der Tat. Es funktioniert also auch bei biomechanischen Lebewesen."

Rusty fiel ein Stein vom Herzen. Er würde wieder seinen Dienst normal verrichten können.

"Hast Du das gehört, Loisel?"

"Dem Starlight sei Dank!"
 

Jetzt waren die Anwesenden nicht mehr zu halten. Sie brachen in Freudengeschrei aus, Dinah fiel Dustin um den Hals, Casey umarmte Rusty. Genauso war es auch im Gang vor dem Ruheraum und es setzte sich bis nach oben in die Werkstatt fort. Espresso schickte ein Dankgebet zum Himmel und verlieh dann seiner Freude lautstark Ausdruck. Auch die anderen Loks stimmten mitein. Das Echo der Signalhörner hallte von den Wänden wieder und durch die Gänge.

"Oh mann! Meine Ohren!" stöhnte Loisel und hielt sie sich zu.

"Hörst Du, wie die sich alle für dich freuen?"

Rusty war gerührt. "Das habe ich noch nie erlebt. Das sind wirkliche Freunde."
 

"Du musst in den nächsten zwei Tagen noch sehr vorsichtig sein, Rusty. -Casey, mach ihm jeden Tag diese Topfen drei mal täglich in die Augen. Das desinfiziert und beschleunigt den Heilprozess. Und Du solltest darauf achten, das Du die ersten Tage deine Augen nicht wirbelnden Sand und Staub aussetzt. Also halte dich mehr im Inneren auf." erklärte Dr. Franco als die größte Aufregung sich gelegt hatte. "Und vermeide größere Anstrengungen."

"Verstanden." nickte Rusty.

"Ich weiß nicht, wie ich ihnen danken soll, Doktor." sagte Casey."Und auch ihnen, Dr. Sammer. Sie waren es ja, der alles in die Wege geleitet hat."

"Ich konnte euch doch nicht im Stich lassen. Außerdem ist es meine Pflicht als Arzt, in Notfällen zu helfen."

Natürlich kamen alle vorbei, um dem Patienten zu beglückwünschen.

Später, am Abend, besah sich Rusty sein Gesicht in einem Spiegel. Die Verbrennungen an seinen Schläfen waren fast verheilt. Die Haut war an diesen Stellen viel heller, doch sie würde sicher mit der Zeit nachdunkeln. Dr. Sammer hatte gesagt, das keine sichtbaren Narben bleiben würden, die intensive Behandlung mit der Salbe hatte alles gut abheilen lassen. Darüber war Rusty froh. Er wollte nicht vernarbt wie ein alter Haudegen aussehen.

"Oh mann! Ich mach mir Sorgen um mein Aussehen? Bin etwa doch eitel?"dachte er.
 

Die beiden Ärzte blieben noch zwei Tage, dann war es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Dr. Franco stellte mit Zufriedenheit fest, das die Implantate gut mit dem übrigen Gewebe verwuchsen und Rusty von Tag zu Tag besser sehen konnte.

"Du nimmst die Augentropfen bis sie aufgebraucht sind. Und vermeide noch, in zu helles Licht zu sehen." erklärte der Augenspezialist.

"Wann können wir wieder weiterreisen?" fragte Casey.

"Wartet noch zehn Tage. Wenn es keine Probleme gibt, kann Rusty wieder seine normalen Dienst verrichten. Aber mit den Rennen solltet ihr noch einige Monate warten."

"In Ordnung. Für uns wird es sowieso Zeit, nach Hause zurückzukehren."
 

"Alles gute, ihr Beiden. Und viel Glück auf eurem weiteren Wegen." wünschte Dr. Sammer.

"Kommt uns mal wieder besuchen." sagte Loisel und stieg in Alligators Führerstand.

"Auf jeden Fall, wenn wir Aligator herausfordern." lächelte Casey.

Die Krokodillok ließ zum Abschied noch einmal ihr Signalhorn erschallen, dann rollte der kleine Zug aus der Arena.
 

Am nächsten Tag...

"Na, bereit für ein kleines Training?"

Espresso kam in die Werkstatt gerollt. Rusty besah sich gerade seinen frisch reparierten Helm.

"Oh, dein Helm ist auch wieder heil." lächelte die gelbe Lok.

"Ja, Tino hat ganze Arbeit geleistet. Vielen Dank."

"Keine Ursache. -Setz ihn am besten auf, wenn Du draußen einige Runden drehen willst. Dann sind deine Augen besser geschützt." riet der Mechaniker.

"Eine prima Idee. Ich bin schon ganz steif von dem langen herumliegen." bemerkte die kleine Dampflok.

"Dann komm mit. Lass uns ein kleines Wettrennen versuchen."

"Espresso, der Dottore hat noch keine Anstrengung erlaubt! Und der wirbelnde Staub ist auch nicht gut für seine Augen!"mahnte Tino.

"Dann zuckeln wir eben." meinte die torronische Lok achselzuckend.
 

Also drehten beide kurz darauf mit Cappuchina einige gemütliche Runden. Rusty war hinter Espresso angekuppelt, damit der Fahrtwind ihm möglichst nichts in die Augen wehte.

"Das tut richtig gut, wieder sicher rollen zu können. Ich sehe zwar noch immer alles verschwommen, doch es ist schon besser geworden." erklärte die kleine Dampflok.
 

"Gut. Und jetzt komm einmal her." sprach Espresso nachdem sie sich durch das Laufen aufgewärmt hatten. "Nimm deinen Helm ab."

Rusty tat wie ihm geheißen.

"Puh, wird auch ganz schön heiß darunter mit der Zeit. Die Sonne ist ziemlich stark hier." schnaufte er und hängte den Helm an einen Signalmast.

"Stell dich gegenüber von mir auf."

"Und jetzt?"

"Schlag zu, Rusty."

"Wirklich?"

"Nun tu schon, was Espresso sagt. Zeig ihm, wie fest Du zuschlagen kannst." lächelte Cappuchina , legte ihre Hände auf seine Schultern und schob ihn sachte vorwärts. Aufmunternd strich sie ihm mit den Fingern ihrer rechten Hand über die Wange und lächelte dabei Espresso verschmitzt zu. Der nickte lächelnd zurück.
 

"Grrrmbl! Lok müsste man sein!" knurrte Lonzo, der das Ganze aus sicherer Entfernung beobachtete und ließ sich auf einen Stapel alter Schwellen nieder. Espresso war die Anwesenheit des Viehwaggons nicht entgangen und deshalb ließ er es zu, das Cappuchina so liebevoll mit Rusty umging. Sie freuten sich jedes Mal, wenn sie Lonzo damit so richtig eifersüchtig machen konnten.

"Hier steckst Du! War ja klar. Dein Blick klebt noch immer an Espressos Braut!" meinte Tron, welcher hinter dem Stapel auftauchte.

"Ich könnte in die Luft gehen! Schau nur, wie lieb sie zu dem kleinen Dampfer ist! Warum kann sie auch nicht zu mir so nett sein?"

"Ganz einfach: Du bist nicht ihr Typ. Uns sie mag deine Art nicht, Casanova!" grinste die E-Lok.

"Willst Du keine Freundin oder Partnerin?"

"Hab noch nicht die Richtige gefunden."
 

Rusty holte aus und ließ seine Faust auf Espressos vorgestreckten Arm niedersausen. Espresso verzog keine Miene.

"War das mit voller Kraft?"

"Äh..."

"Traust Du dich nicht? Hau mal richtig zu! Ich hab kaum was gespürt!"

In den nächsten Schlag setzte Rusty all seine Kraft.

"Ja, jetzt hab ich auch was gespürt. Aber da steckt wirklich nicht viel Mumm dahinter. Das werden wir üben. Deine Gegner lachen sich ja kaputt, Du sollst sie schlagen, nicht streicheln."

Und Espresso zeigte Rusty, wie er mehr Kraft in seine Schläge bringen konnte. Besonders eindrucksvoll demonstrierte er es, indem er mit der bloßen Faust eine alte Holzschwelle in zwei Teile spaltete. Dabei grinste er Lonzo herausfordernd zu. Der wollte schon aufstehen und zu Espresso um ihn zu zeigen, das er genausogut eine Schwelle zertrümmern konnte, doch zum Glück kam Mr. Shine und rief ihn und Tron zu sich.

"Siehst Du, Rusty? Schon ein Schlag mit deiner vollen Kraft könnte einem Menschen den Arm brechen. Aber wir haben ja ein Stahlskelett und vertragen wesentlich mehr. "erklärte die gelbe Lok.
 

"Espresso! Was macht ihr da? Rusty soll sich doch noch nicht so anstrengen! Seine Augen sind noch nicht ganz ausgeheilt!" rief Giovanni, welcher über den Platz gestapft kam.

"Ich pass schon auf, Maestro, machen sie sich keine Sorgen."

"Und hier draußen kann er noch zu viel Verunreinigungen in seine Augen bekommen, wie Sand oder feiner Staub. Außerdem ist es heute recht windig."

"Si, Maestro. Scusi, daran hab ich nicht gedacht. Dann machen wir eben im Lokschuppen weiter."

"Ich wollte euch sowieso holen. Die Rennleitung hat endlich eine Entscheidung getroffen."
 

Im Lokschuppen hatten sich gerade alle dienstfreien Loks und Waggons versammelt. Der Stationsvorsteher mit seinem Gehilfen wartete, bis es ruhig geworden war. Dann, nach einer kurzen Ansprache bekam Tron feierlich die Plakette von Torrone überreicht.

Das Klatschen lockte auch Casey und Francis an.

"Schaut mal." lächelte Tron.

"Die Plakette! Hat man deinen Sieg doch für gültig erklärt!" freute sich Casey.

"Ich habe ehrlich gewonnen.-Wie gehts Dir, Rusty?"

"Ganz gut. Meine Sehkraft wird täglich besser. Der Doc hat gemeint, meine Augen brauchen noch eine Weile, bis sie sich richtig justiert haben. In sieben Tagen können wir aufbrechen."

"Wir brechen heute nachmittag auf. In Arrosia wartet man schon ungeduldig auf unsere Rückkehr."
 

Also hieß es noch einmal Abschied von guten Freunden nehmen. Espresso und Cappuchina fuhren ein Stück auf dem Nebengleis mit, da ihr Dienst wieder begonnen hatte. Und bevor sie sich trennten, gab das Waggonmädchen Lonzo zum Abschied im Vorbeifahren einen ordentlichen Klaps auf sein Hinterteil!

"Sie steht doch auf mich!" seufzte der Viehwaggon und sah den Beiden nach.

"Spinner! Sie macht sich doch nur über dich lustig!" knurrte Tron genevt. Mr. Shine lachte.

"Na komm, Lonzo, transformiere auch, damit wir endlich nach Hause fahren können."
 

Casey war mehr als froh, das alles noch einmal gut ausgegangen war. Aber in Zukuft würde er noch mehr auf Rusty achten und das Trainig verbessern.

Die letzten Tage vor der Abreise vergingen wie im Flug. Espresso und Cappuchina waren immer mit ihnen zusammen, wenn sie frei hatten. Und sie unternahmen auch kleine Ausflüge mit ihren Gästen.

Rustys Sehfähigkeit verbesserte sich immer mehr. Bald konnte er wieder alles so klar und deutlich wie früher erkennen.

Der Augenarzt, der zuerst keine Hoffung mehr hatte, das die kleine Lok wieder ihr Augenlicht zurückbekommen konnte, war auf Giovannis Wunsch noch einmal vorbeigekommen um einen letzten Sehtest zu machen.

"Dr. Franco hat wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Die Augen des kleinen Neri sind wieder in Ordnung. Im Prinzip kann er ab morgen seine Arbeit wieder aufnehmen."

"Sehr gut. Dann können wir nach Kommoran zurückkehren." sagte Francis erleichtert.

"Dann werden wir dies morgen an eurem letzten Tag ausgiebig feiern!" rief Espesso.

"Eine Abschiedparty? Wo?"

"Das wird noch eine Überraschung." zwinkerte die gelbe Lok schelmisch.
 

Ein Hochplatteau über der Stadt war am nächsten Tag das Ziel von Espresso, Cappuchina und ihren Gästen. Eine mit unzähligen Mosaiksteinen gepflasterte Straße wand sich den Berg hinauf. Francis war in die Stadt gefahren um noch einige Dinge zu erledigen.

"Scheint noch so ein antiker Bau zu sein." bemerkte Dinah.

"So, wir sind da." sagte Espresso schließlich.

Vor ihnen lag eine großer, Platz, umrahmt von unzähligen Säulen, der Boden war mit Marmormosakien gefliest. In der Mitte befand sich ein rechteckiges, flaches Becken mit einem kleinen Springbrunnen.

"Wow! Wo sind wir hier?"

"Das hier war in alten Zeiten ein Tempel. Die Säulen wurden restauriert, sie haben früher einmal das Dach getragen. Früher wurden hier die alten Götter verehrt. Doch heute wird hier jemand anders geehrt."

Die Freunde folgten Espresso und Cappuchina bis an das andere Ende des weitläufigen Platzes. Dort stand ein großer Sockel, darauf die steinernen Figuren zweier Personen.

"Aber das ist doch..." Casey hatte eine der Gestalten erkannt.

"Das hier ist Cyrills Frieden. Ein großer Teil der damaligen Getreuen, die mit ihm gegen den Tyrannen zogen, waren Torroner. Zu Ehren all jener und für unseren Helden und seiner Gefährtin wurde dieser Ort erwählt.-Dies ist auch der beste Ort, um zu tanzen."

"Tanzen?" fragte Rusty verwirrt." Hier? -Übrigends: Ich tanze nicht."

"Das bringe ich Dir schon bei. Es ist ein Teil des Trainings, was ich Dir versprochen habe. Wo lernt man besser bewegtlicher zu sein, als im Tanz."

"Hör ich das erste Mal." brummelte die Dampflok.

"Ach, das wird bestimmt lustig. Gut das ich meine Inliner mitgenommen habe! So viel Freifläche zum herumflitzen!"

"Genau!" lächelte Cappuchina und stellte den Radiorecorder auf einer Säule ab. Dann drückte sie einen Knopf und Musik beschallte den großen Platz.

Als erstes ergriffen sich alle an den Händen und bildeten einen Kreis.

"Zuerst einmal einfach im Kreis herum." sagte Espresso.

"Na toll, Ringelreihn! Sind wir jetzt kleine Kinder?" brummte Rusty, der sich ziemlich albern vorkam.

"Das ist nur zum Aufwärmen!" lächelte Espresso. Dann trennte er sich aus dem auflösenden Kreis und ergriff Rustys Hand. "Und nun gib gut acht! Jetzt zeige ich Dir, wie wir Torronischen Loks fahren, wenn wir nicht im Dienst sind!"

Die gelbe Lok zog die Kleinere mit sich mit, schwang sie herum, sodaß ihr fast ganz schwummerig wurde.

"Langsam Espresso! Nicht so heftig! Woaaaah!"

Espresso ergriff mit seiner Hand eine dünne Säule, schwang herum und ließ wieder los.

"So kann man Kurven viel schneller nehmen.-Versuche es selbst einmal."

"Das kann ich nicht!" klagte Rusty.

"Versuch es doch einmal. Du musst Dir einen wendigeren Fahrstil angewöhnen. Dann kannst Du auch viel besser auf Gefahren reagieren. Rennen zu fahren, bedeutet nicht nur stur die Gleise entlangzurauschen! Ein bischen Fantasie gehört auch dazu. Und mehr Risikobereitschaft."

"Mehr Risikobereitschaft? Deswegen habe ich beinahe mein Augenlicht verloren!" grollte Rusty. "Ich denke eher, mehr Vorsicht walten lassen ist eher angebracht!"

"Wenn Du das was ich Dir zeige, weiter trainierst, kannst Du beim Rennen mehr riskieren, wenn Du diese Fähigkeiten richtig einsetzt."

"Grrmph! Na schön! Ich probier mal die schnelle Kehrtwende. Aber wozu soll die Gut sein? So kurvige Gleise gibts gar nicht!"

"Du glaubst nicht, wie dir so etwas manchmal von Nutzen sein kann. -Also: Du kannst jeden Signal oder sonstigen Mast dafür nutzen. Nur stabil genug muss er sein."

Rusty versuchte es ein paar Mal, bis er genug hatte.

"Schau nur, dein kleiner Lehrling kriegt das schon prima hin.- Und jetzt zur zweiten Lektion. Kannst Du eigentlich springen?"

"Springen?"

"Na, zum Beispiel, wenn ein Hindernis auf der Strecke liegt."

"Na ja, nicht sehr gut. Ich halte da lieber an. Außerdem geht springen im Maschinenmodus schlecht."

"Oder einen Spin."

"Was ist das denn?"

"Das geht so." lächelte Espresso, stellte sich auf die Vorderräder und begann sich schnell und elegant um die eigene Achse zu drehen.

"Eine Pirouette." erklärte Casey.

"Wozu braucht man so was? Wir sollen doch Waggons ziehen, kein Ballett aufführen!" brummte Rusty. "Greaseball und die anderen lachen sich kaputt, wenn sie mich so die Gleise entlangwackeln sehen!"

"Oh, Du weißt also nicht, das diese Figuren auch für Attacken eingesetzt werden?"

"Wirklich?"

"Kombiniere einmal eine solche Drehung mit einer Feuerattacke. Was hast Du dann?"

"Wow! Er hat recht! Das wäre so etwas wie eine Feuerspirale oder so ähnlich!" rief Casey, der es sich in seiner Fantasie gut vorstellen konnte.

"Richtig, kleiner Lehrling!"

"Ich kann aber keine Feuerattacken. Dann nutzt mir das auch wenig."

"Es ist aber nicht schlecht, es zu können. Und irgendwann lernst Du auch Feuerattacken zu gebrauchen. Komm, probier es. Wenn Du dann richtig sicher bist, kannst du es sogar nur auf einem Bein machen. Das geht dann so. Siehst Du?"

"Toll, lass Dir alles von Espresso zeigen!" nickte Casey. "Je mehr Du weißt, was eine Lok mit ihren Rädern noch alles machen kann, desto besser."

"Na schön." seufzte Rusty.

"Also, auf die vorderen Räder stellen-und nun versuch dich zu drehen."

Beim ersten Versuch wäre Rusty beinahe hingefallen, doch Espresso fing ihn auf.

"Nicht aufgeben! Gleich nochmal!"

"Schade, mit meinen Rollerblades ist das nicht möglich." sagte Casey, der es zwei Mal versucht hatte.

Espresso ließ während Rusty übte, die kleine Lok nicht aus den Augen. Er wollte auf keinen Fall das er hinfiel. Nicht nachdem er erst kürzlich operiert worden war.

"Ich mag nicht mehr! Mir ist schon ganz schwindelig! Machen wir ne kleine Pause!"

"In Ordnung. Schwindelig soll Dir ja nicht werden.- Aber schau uns mal zu. Wir können noch ein paar andere Dinge. Die machen wir einfach zum Spaß. Und mann wird dabei noch sehr sicher auf den Gleisen."

Also setzte sich Rusty auf eine Säule. Espresso winkte Cappuchina zu sich und beide nahmen sich an der Hand.

Staunend sahen Rusty und die anderen zu, wie Espresso und seine Partnerin fast synchron nebeneinander einen Drehsprung vorführten.

"Wow, das ist ja wie beim Eiskunstlauf! Die zwei haben echt was drauf! Kein Wunder, das Espresso so verrückt fahren kann." meinte Casey.

"Hast Du gesehen, Rusty? Versuche das einmal."

"Springen und sich um sich selbst drehen? Das kann ich nicht!"wehrte Rusty ab. Aber es half nichts. Espresso und Cappuchina übten so lange mit Rusty, bis er begriffen hatte, worauf es ankam. Er schaffte zwar noch keinen richtigen Drehsprung, doch der Ansatz zum Trainieren war da.

"Du musst nicht alles stur von uns nachahmen. Entwickele deine eigenen Techniken oder wandle sie ab, für den Zweck, für den Du sie benötigst." riet Espresso.
 

Casey machte es großen Spaß, mit den anderen über den weiten Platz zu jagen. Manchmal hing er sich bei Dinah oder Dustin ein, manchmal bei Cappuchina. Sie waren hier oben ganz unter sich. Auf dieses Hochplatteau schien sich kaum jemand zu verirren. Wie gesagt, schien.

Auf einmal sah Casey zwei Männer, einen Hochgewachsenen und einen kleineren, Rundlicheren, zwischen den Säulen auftauchen. Sie blieben kurz stehen, dann kamen sie langsam näher. Der Junge rollte neugierig näher, etwas an der Art, wie die beiden Männer sich bewegten, machte ihn stutzig. Als er dann nahe genug war und die Kleidung der Männer sah, hielt er sich erschrocken die Hand vor den Mund, raste zurück und schaltete blitzschnell das Cassettengerät aus.

"Was ist denn?" wunderte sich Espresso und drehte sich herum. Als er die beiden menschlichen Personen entdeckte, erbleichte er.

"Espresso! Ich würde mal sagen, die Beiden da sehen aus wie...Priester. Verheimlichst Du uns etwa was? Ist das hier etwa ein heiliger Ort?" zischte er.

Wie ein Junge, der etwas angestellt hatte, rollte Espresso den beiden Männern entgegen. Die übrigen rollten schweigend zusammen.

"Wer sind die beiden Männer?" fragte Rusty leise.

"Der Hohepriester und sein Vertreter." antwortete Cappuchina schuldbewusst.

"WAS?"

"Shhht!"
 

"Pontefice...wir...haben sie nicht so früh erwartet..." stammtelte Espresso.

"Du hast es wieder gewagt, Cyrills Frieden mit deinen Umtrieben zu stören?!" wetterte der kleinere Mann.

"Scusi, Prete ..wir wollten keinen Frevel begehen. Dem ehrenwerten Cyrill und seiner Gefährtin macht es bestimmt Freude uns von oben zuzusehen."

"Lass es gut sein, Leonardo. Ich denke auch, das es Cyrill ihnen nicht übel nehmen wird." antwortete der größere der beiden Männer.

"Wie ihr meint, Hohepriester."

"Wie ich sehe, hast Du heute Besuch dabei. Ist das nicht dieser kleine Neri, der beim letzten Rennen sein Augenlicht verloren hatte?"

"Si, Pontefice. Aber seit der Operation kann er wieder sehen."

"Das ist sehr gut. Würdest Du uns miteinander bekannt manchen?"

"Aber sicher, Pontefice. Kommen sie."

Während sie auf die kleine Gruppe zugingen, atmete Espresso erleichtert auf. Das war noch mal gutgegangen.
 

"Warum hast Du uns nicht gesagt, das das Platteau noch immer ein Tempel ist? Bei mir laufen wir auch nicht in der Kirche Rollschuhe!" brummte Casey, als sie sich auf den Rückweg machten. Sie hatten sich mit den beiden Männern noch ein wenig angeregt unterhalten und waren zum Glück nicht ausgeschimpft worden.

"Dieser Ort ist die meiste Zeit wie ausgestorben! Die Priester kommen nur selten dort hinauf! Und nur zu den Erinnerungsfeiern ist es dort oben wirklich voll. Und ich denke, das der alte Cyrill nichts dagegen hat, wenn wir seinen Ehrenplatz für unser Training nutzen."
 

Und am abend stieg wie versprochen in der Mitte der Arena auf dem freien Platz eine Abschiedsparty unter dem klaren nächtlichen Sternenhimmel. Menschen, Loks und Waggons waren gleichermaßen anwesend. Es wurde gegessen, gescherzt und gelacht. Musik spielte und wer wollte und konnte, schwang das Tanzbein.

Casey entfernte sich nach einer Weile von den Feiernden und stieg die Ränge hinauf. Dort blieb er eine Weile reglos stehen und sah zum Himmel.

"Danke, Starlight Express, das Du meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt hast." murmelte er.

Francis Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

"Ach hier bist Du. Ist etwas?"

"Nein. Ich habe nur einem guten Freund gedankt."

Francis verstand und lächelte.

"Nimm auch meinen Dank, großer Zug der Sterne."
 

Später am Abend, als Casey sich an das Packen machte, brachte Espresso Casey ein kleines Buch vorbei.

"Dies ist ein kleines Abschiedsgeschenk von mir und Cappuchina. Hier drin findest Du alles über Cyrills Leben, was bis heute überliefert wurde. Was wahr und was Legende ist, kann ich nicht sagen. In den Wirren der kontinetalen Kriege gingen viele Aufzeichnungen verloren."

"Danke, Espresso. Das ist echt toll."
 

"Es gab also auch hier dunkle Zeiten..." dachte sich Casey, als Espresso wieder gegangen war und er die erste Seite aufschlug.

Sie zeigte ein sehr altes Foto der legendären Lok, eines der ganz wenigen, die bis heute erhalten geblieben waren. "Werde mich eingehender mit der Geschichte dieses Kontinents befassen müssen, wenn ich zurückkehre. Offensichtilich ist diese Welt auch nicht von Kriegen verschont geblieben." Er seufzte. Das Paradies, wo alle Wesen friedlich und im Einklang miteinander auskamen, gab es wohl nirgendwo. Nicht einmal in einer anderen Dimension.
 

Endlich war alles bereit für die Heimreise. Francis verstaute noch das restliche Gepäck.

Espresso und Cappuchina hatten es sich nicht nehmen lassen, bei der Verabschiedung dabeizusein.

"Hier sind alle Unterlagen über Rustys Behandlung. Du gibst sie am besten Mr. Corell." erklärte Giovanni.

"Mach ich. Und nochmals vielen Dank für alles."

"Zu helfen ist die oberste Pflicht eines jeden Werksmeisters. Vor allem wenn ein Lehrling und seine Lok in Not sind."

Gerührt umarmte Casey jeden seiner neu gewonnen Freunde. Von Cappuchina bekam er wieder rechts und links zwei Küsschen auf die Backen.

"Oh mann, dieser Arrosianer Lonzo würde platzen vor Neid, wenn er das jetzt sehen könnte." grinste der Werkstattmeister.

"Ciao, Rusty. Halt die Ohren steif. Und übe das was ich Dir gezeigt habe. Die höheren Ligen verlangen mehr Herausforderungen. " erklärte Espresso. "Und pass gut auf deinen kleinen Lehrling auf. Ihr beide seid ein tolles Team. Solch einen intensiven Zusammenhalt habe ich schon lange nicht mehr gesehen."

"Nochmals vielen Dank für alles, was sie für die beiden getan haben, Giovanni." sagte Francis und beide Männer gaben sich die Hand.

Das Signal für die Abfahrt sprang auf Grün. Der kleine Zug transformierte und Francis und Casey bestiegen das Führerhaus.

Rusty stieß zwei fröhliche Pfiffe aus, dann setzte er sich schnaufend in Bewegung.

"Ciao Freunde, ciao!" rief Gallo und winkte.
 

"Endlich geht es wieder zurück nach Kommoran. Ich kanns gar nicht erwarten, Pop und den anderen unsere Plaketten zu zeigen!" sagte Casey und schwang eine Schaufel Kohle in Rustys Feuerbüchse.
 

"Meinst Du, sie schaffen es bis ins Finale?" fragte Cappuchina und sah zu, wie Dustin als letzter durch das Portal der Arena und in einer Kurve verschwand.

"Das weiß nur der Starlight Express, cara mia."
 

Fortsetzung folgt..
 

Fremdsprachen-Glossar:
 

Sucsi: italienisch (torronisch) für „Tut mir leid“, „Entschuldigung“

Maestro: Meister

Pontefice: (italienisch)Hohepriester

Prete: (italienisch) Priester

Das geheime Grabmal

Kapitel 21: Das geheime Grabmal
 

Im Grenzland zwischen Torrone und dem Tiefland von Arrosia wurde die Gegend immer steiniger und öder.

"Dieser Rückweg ist zwar kürzer, aber diese eingleisige Strecke wird kaum noch benutzt. Warum, siehst Du ja. Hier in dieser Einöde lebt niemand." erklärte Francis. "Wir sind hier weitab von jeder Hauptverkehrsstrecke. Man erzählt, diese Gegend sei verflucht!"

"Das merkt man! Die Gleise sind so was von wackelig!" schnaufte Rusty, der nur langsam fahren konnte. Deshalb hatten sie auf der letzten Zwischenstation auch Dustin mit Kohle vollgeladen. Auch etliche Flaschen Wasser waren vorsorglich in Dinah gebunkert worden.

Damit die Zeit nicht zu langweilig wurde und man auf keine besonderen Signale achten musste, fragte Francis Casey für die erste Zwischenprüfung ab. Aber schließlich wurde auch das zu langweilig und so war Casey auf der kleinen hölzernen Sitzbank eingenickt und Francis starrte gedankenverloren in die vorbeiziehende Landschaft hinaus.

Fast waren ihm auch die Augen durch das monotone Schaukeln zugefallen, da entdeckte er etwas Auffälliges, am Horizont, das langsam immer größer wurde, je näher Rusty darauf zufuhr.

"Casey, das solltest Du dir ansehen."

"Mmmh...was?"

Der Lehrling rieb sich verschlafen die Augen.

"Sieh mal, da vorne."

Francis wies auf einen großen, rechteckigen Gedenkstein, der jetzt immer höher neben den Gleisen in den Himmel wuchs. Casey brachte Rusty neben dem Klotz zum Stehen und stieg aus. Zuerst lief er einmal drumherum.

"Das ist ein Denkmal! Hm, nicht gerade der beste Platz für sowas." sagte er. "Ah, da steht was geschrieben. Mal sehen..."

Casey las die Inschrift.

"An diesem Ort fand die letzte Schlacht zwischen diesem Tyrannen und Cyrill statt. Und hier verlor er auch sein Leben.-Das Denkmal wurde bereits vor über hundert Jahren hier aufgestellt." erklärte Casey, als er geendet hatte. Oben auf dem Sockel befanden sich zwei in Bronze gegossene Figuren. Sie zeigten ein am Boden kniendes Waggonmädchen, das den reglosen Körper einer humanoiden Lok in ihren Armen hielt.

"Das sind Belle und Cyrill. Belle war seine Waggonpartnerin."

"So wie sie um ihn trauert, waren sie sicher mehr als das."

Als Casey Rustys unverständlichen Blick bemerkte, fügte er hinzu:"Na, ein Liebespaar."

"Ach so..."

"Jetzt verstehe ich. Wegen dieser Schlacht wird diese Gegend gemieden. Man glaubt immer noch, die Geister der Gefallenen haben dieses Land so unfruchtbar werden lassen." bemerkte Francis. "Ich habe schon viele Geschichten aus dem dunklen Zeitalter gehört. Die Meisten sind ziemlich gruselig und düster."

"Dann lasst uns schnell weiterfahren. Mir gefällts hier nicht." bemerkte Rusty.

Casey verdrehte die Augen.

"Hat unser kleiner Rusty wieder Schiß? Klappen ihm die Achsen vor Angst?" frozzelte er.

"Hey, Du klingst jetzt genauso gemein wie Greaseball!" rief die Dampflok beleidigt.

"Oh mann! Glaubst Du, Cyrills Geist spukt hier irgendwo herum? Und Du bist doch schon einem Geist begegnet! Also mach nicht so einen Aufstand!"

"Was? Davon habt ihr mir noch gar nichts erzählt! Habt ihr wirklich einen Geist gesehen?"

"Ja, den eines alten Bremswaggons. War ne irre Geschichte."

Während der Weiterfahrt berichtete Casey, was sich auf dem alten Eisenbahnfriedhof zugetragen hatte.

"Mann, das war echt knapp! Ein Glück, das ihr Beistand von oben hattet." sagte Francis. "Es gibt also tatsächlich gute Geister, die über uns wachen."

"In der Tat."

"Aber sag mal, Du hast Red Caboose erwähnt. Er wird schon eine ganze Weile vermisst."

"Wenn Du wüsstest! Er tauchte während unserer gesammten Reise immer wieder auf und hat uns Streiche gespielt! Das letzte Mal haben wir ihn im Delta von Torrone gesehen."

"Ist das wahr? Das müssen wir Mr. Corell melden, wenn wir zurück sind."

"Stimmt. Ich wollte es längst tun, aber immer kam was dazuwischen."

"Na so ein Halunke! Hätt ich nicht von ihm erwartet! Aber er war ja schon immer ein Tunichtgut!"

“Wir sollten Greaseball zur Rede stellen, wenn wir wieder zu Hause sind. Vielleicht hat er etwas damit zu tun, das Red uns immer wieder dazuwischenfunkt.” bemerkte Casey.

“Du meinst wirklich Grease hat CB losgeschickt?”

“Zuzutrauen wärs ihm. Caboose hat es nicht direkt zugegeben, aber hältst Du es für möglich, das der Bremswaggon auf eigene Faust losrollt und seinen Bahnhof ohne Erlaubnis verlässt? Das darf doch normalerweise keine Lok oder Waggon! Er oder sie braucht die schriftliche Erlaubnis des Stationsvorstehers oder seiner Vertretung.” meinte Dinah.
 

"Leute, mein Wassertank wird langsam leer!" meldete Rusty einige Zeit später.

"Oh weh und kein Bach in der Nähe! Da wird wohl ein Teil unseres Flaschenwassers draufgehen." seufzte Casey.

"Nein, schau mal, da vorne glitzert etwas längliches in der Sonne. Zwar nur ein kleines Rinnsaal, aber wir haben Wasser."
 

Nachdem Rusty angehalten und sich abgekoppelt hatte, transformierten die Lok und die beiden Waggons. Etwas missbillig besah sich die Dampflok das kleine Bächlein, das von einer kleinen Berggruppe zu kommen schien.

"Jetzt stell dich nicht so an! Das Wasser ist klar und sauber. Ich weiß, Du trinkst nicht gerne aus Bächen und Tümpeln, aber so viel Flaschenwasser haben wir nicht."

"Dann gebt mir nachher wenigsten drei Flaschen dazu."

"Zwei." entgegnete Casey.

"Drei!" gab Rusty trotzig zurück.

"Na meinetewegen. Du bist manchmal wirklich wie ein Kind!-So, hier ist die Erste.

Casey reichte Rusty eine Plastikflasche, Rusty setzte an und im Nu war sie leer.

"Schluckspecht." grinste der Lehrling.

Die leere Flasche benutzte Rusty, um Wasser aus dem flachen Rinnsaal zu schöpfen. Dabei achtete er darauf, das so wenig Sand wie möglich mitkam.

"Der ist erstmal beschäftigt. Packen wir unser Mittagessen aus. -Dinah, würdest Du bitte wieder in den Maschinenmodus transformieren? Ich möchte heute selber kochen."

"In Ordnung." nickte das Waggonmädchen.

Während Francis am Gasherd werkelte und Casey Zwiebeln schnitt, klopfte es an die Waggontür.

Der Lehrling öffnete und Rusty beugte sich durch die Tür herein.

"Ich möchte jetzt meine restlichen Wasserflaschen!"

Casey ging zum Vorratschrank, öffnette ihn und warf der Lok nacheinander zwei Flaschen zu.

"So, das wars. Mach deinen Tank ja gut voll, wer weiß, wann wir wieder auf Wasser stoßen."

Rusty zog mit seinen Flaschen ab und Casey schloß wieder die Waggontür.
 

Nach dem ausgibigen Mittagessen erkundeten Rusty und Casey das Gelände. Francis hatte sich in Dinahs Abteil aufs Ohr gelegt und hielt ein Schläfchen. Das Gleiche tat auch Dustin, er hatte sich an mit dem Rücken an Dinah gelehnt.

„Von dort oben hat man sicher eine gute Aussicht. Ich klettere mal rauf.“ sagte Casey und wies auf einen felsigen Hügel. Er schlüpfte aus seinen Inlinern und wechselte in seine leichten Schuhe, die er dabeihatte. Dann machte er sich daran, den kleinen Berg zu erklimmen.

„Und? Wie ist es?“

„Man kann weit in die Steppe hineinsehen.“

„Ich komm auch rauf.“

„Sei aber vorsichtig.“

„Keine Sorge. Ich ziehe einfach meine Bremsen an. Dann sind meine Räder blokiert und ich kann klettern.“

Auf allen Vieren krabbelte Rusty die felsige Wand hinauf, bis er schließlich neben Casey auf dem kleinen, flachen, Platteau stand.

"Ich wusste gar nicht, das Du klettern kannst. Das eine Lok überhaupt klettern kann."

"Na ja...ächz-normalerweise machen wir das auch nicht. Aber wenn ich Lust darauf habe, irgendwo hinaufzuklettern, tu ich es halt."

"Um Grease und seinen Brüdern zu entkommen, was?."grinste Casey. Im Gedanken sah er Rusty vor Angst schlotternd auf einem Baum sitzen, darunter lauerten die Dieselloks.

"Ha-ha! Sehr lustig!"
 

Oben angekommen, nahm er seinen Helm ab und klemmte ihn sich unter den Arm.

„Du hast recht. Die Aussicht ist prima. Aber die Gegend öde. Nur Steine und dazuwischen einige Hügel. Einer der wenigen öden Landstriche auf diesem Kontinent. Ich hoffe, wir haben dieses Gebiet bis zum Abend hinter uns gebracht.“

"Hmm...dieser Hügel hier scheint anders zu sein. Schau, das hier sieht aus, als wäre der Fels bearbeitet worden.“ meinte Casey. "Man hat hier einmal einen Eingang geschaffen und ihn dann wieder verschlossen. Aber der Verschluss passt nicht genau in die Öffnung. Und in den Ritzen am Rand hat sich jede Menge Schutt eingelagert. Sieht aus wie ein runder Deckel.."

Rusty trat auf die unregelmäßig geformte Fläche und begann mit seinen Rädern einige Steine beiseite zu scharren, als plötzlich der Boden unter ihm einbrach und beide in ein schwarzes Loch stürzten!

„RUSTYY!“

Die kleine Dampflok kugelte und purzelte einen engen Tunnel hinab, prallte immer wieder von Wänden ab, bis ihr Sturz gebremst wurde. Eine harte Landung war die Folge. Kurze Zeit später landete Rustys Helm polternd ganz in der Nähe. Gefolgt von Casey.

"Uah! Aua!" rief der Junge.

„Vorsicht!“

Ein lautes Rumpeln veranlasste Rusty, seinen Lehrling von der Öffnung wegzuzerren. Gerade im rechten Moment. Der Boden unter ihren Füßen vibrierte, Rusty schaltete seine Scheinwerfer ein. Wenige Augenblicke später erfassten seine Lichtkegel die Steinlawine, die aus der Röhre polterte, durch die sie gekommen waren. Und einer der größten Felsbrocken fiel auf seinen Helm!

„Nein! Ruß und Schlacke! Der ist doch erst repariert worden!“ fluchte er und zog sich mit Casey an eine Felswand zurück um nicht von den nachfallenden Brocken getroffen zu werden. Immer mehr Felsbrocken regneten durch den Tunnel, es staubte und man sah kaum noch etwas. Rusty kniff die Augen zusammen und hob zum Schutz noch seinen Arm vor das Gesicht. Er wollte nicht, das der Staub in seine frisch operierten Augen drang.

Endlich hörte das Poltern auf und der Staub verzog sich.

"Auch das noch! Der Tunnel ist verschütet! Dieser Sandstein ist so porös, das Du mit deinem Gewicht einiges zum Einstürzen gebracht hast." bemerkte Casey.

"Ja natürlich! Ich mal wieder!" ließ Rusty eine Schimpftriade los. "Immer auf Rusty! Jaja! Alle auf die dumme, kleine Dampflok! Schiebt es nur auf mich!"

"Rusty! -Rusty!"

"Was?"

"Keine-Panik!" antwortete Casey und unterstrich seine Worte mit den entsprechenden Gesten.

"Oh-tschuldigung."
 

Als sich beide sicher waren, das der Felsregen wirklich aufgehört hatte, machte sich Rusty daran, die Brocken beiseite zu rollen. Dabei stieß er auch auf seinen lädierten Helm.

„Oh nein! Auch das noch! Der Fels hat ihn total geschrottet! Was soll ich jetzt nur Pop sagen!“ jammerte die kleine Dampflok.

„ Was ist los, Kumpel?“

„Meinen Helm hats erwischt! Da! Sieh Dir das an! Total zerdrückt! Das kann man nicht mehr reparieren!“

„Na, auf jedenfall besser als dein Kopf. Und in Kommoran macht Dir Mr. Kelmon bestimmt einen Neuen.“

„Wo sind wir hier?“

„Sieht aus wie eine Höhle....“ Casey untersuchte die Felswände.“ Die sind auch bearbeitet worden. Man hat die Höhle vergrößert. Das ist alles Sandstein hier, läßt sich leicht bearbeiten. Den Abraum hat man in die Spalten und Nischen gefüllt. Aber warum? Für was wurde diese Höhle verändert?“

Rusty leuchtete die Felswände ab und rollte etwas vorwärts. Auf einmal stieß er einen lauten angstvollen Schrei aus, der von den Felsen mehrfach zurückgeworfen wurde!

„UUUUUWWWAAAAHHHH!!!“

„Was ist denn?“ fragte Casey erschrocken und eilte zu seinem Partner. Rusty stand zitternd auf der Stelle und konnte sich nicht rühren. Seine Augen waren angstgeweitet und starrten auf einen Punkt am anderen Ende der kleinen Höhle, den seine Scheinwerfer beleuchteten.

Dort, auf einem aus dem Fels roh zugehauenen thronählichen Stuhl, saß eine hochgewachsene Gestalt. Casey ging langsam näher-und stieß ebenfalls einen erschrockenen Schrei aus.

„WWUUAAH! Das ist...wir sind hier in ner Gruft!“

Zuerst dachte Casey das es sich bei dem Toten um einen Menschen handelte. Doch dann fiel ihm die Größe auf. Die humanoide Gestalt war gut über zwei Meter groß, wenn nicht noch mehr. Und das Skelett war nicht menschlich, nein, es schien aus Metall zu bestehen und sah eher aus wie das Gerüst eines Roboters, dem man die Verkleidung abgenommen hatte. Aber ein Teil der Verkleidung hing noch darüber. Deutlich konnte Casey Schulterkästen ausmachen und-eine Feuerbüchse!

„Bei der großen Sternenlok! D..das...ist...war...eine Dampflok im Humaoidmodus!“ schluckte der Junge.“Ich dachte, nur die leere Maschinenhülle bleibt zurück, wenn eine Lok oder ein Waggon stirbt...“

„Anscheinend ist das nicht immer so...“ krächzte Rusty.

Während Rusty noch immer wie erstarrt an seinem Fleck stand, siegte bei Casey die Neugier und er ging vorsichtig näher.

„Geh nicht näher, Casey!“

„Oh man, der Typ ist sicher kein Zombie und steht gleich auf! Hm...die äußere Hülle hat sich zersetzt.. wer weiß wie lange der schon hier sitzt....der Schädel ist fast wie bei einem Menschen, nur eben aus Metall und nicht aus Knochensubstanz....und nur noch das Stahlskelett mit den Metallkomponenten ist geblieben...und es hat auch Rost angesetzt.“

Auf dem Boden entdeckte Casey eine flockige Staubschicht.

„Und ist wohl der Rest seiner äußeren Hülle...zu Staub zerfallen....weil es nicht rein organisch ist, wie unsere Haut und Muskeln.-Ich bin sicher, Dr. Sammer würde alles darum geben, das hier zu sehen...“

„Wi-wieso?“

„Weil wir warscheinlich die Ersten sind, die die Überreste einer humanoiden Lok zu gesicht bekommen haben. Aber wer war der Kerl?“

„Das will ich gar nicht wissen! Ich will nur eins: Hier raus! Aber ich sehe keinen weiteren Ausgang! Der andere ist verschüttet! Warum muss immer mir so was passieren! Warum?“ begann Rusty wieder lautstark zu lamentieren. "Frraaaaanciiis! Diiiinah! Duuuustin! Wir sind hier eingeschlossen!! Holt uns hier raus!"

„Jetzt beruhige dich mal wieder! Francis kann uns nicht hören! Und der Geist von dem wird uns sicher nicht heimsuchen. Warum hast Du nur immer so viel Schiß?“

"Ich mag nicht unter meterdicken Felsen eingeschlossen sein!"

"Angst vor langen Brücken, Angst vor Schiffen, Angst vor geschlossenen Höhlen..na großartig! Rusty! Nimm dich doch mal zusammen!"

"Wie kannst Du in dieser Sitouation nur so ruhig sein!"

"Denk doch mal logisch: Francis wird irgendwann merken, das wir fehlen und ohne uns fährt er sicher nicht weiter! Wir kommen hier schon wieder raus! Die Sioutation ist nicht lebensbedrohlich, also reg dich nicht auf."

Casey begann sich die Überreste der Lok weiter anzusehen. Rusty zog sich zurück und versuchte, ruhiger zu werden.

"Keine Angst. Casey ist bei mir. Und Casey findet sicher eine Lösung. Casey ist so mutig...und er ist erst vierzehn...ach, warum bin ich auch nur so ein Feigling! Das muss besser werden!" dachte er sich während er auf einer Stelle hin -und herrollte.
 

Eine skeletierte meltallene Hand der Lok ruhte auf einem Helm.

„Der hier sieht dem von Rusty ählich. Aber er würde niemals einen Helm von einem Verschiedenen aufsetzen. Und es wäre auch unehrenhaft, ihm dem Burschen hier wegzunehmen. Na vielleicht ist Rustys demolierter Helm noch zu retten.“ dachte der Junge.

Dann entdeckte Casey eine Tafel neben dem Thron.

„Rusty! Leuchte mal hierher! Das sieht aus wie eine Art Inschrift! Vielleicht erfahren wir, wer der Bursche war!“

Rusty Scheinwerfer beleuchteten die Tafel, in die offenbar etwas ohne große Sorgfalt hineingeritzt worden war. Casey wischte den Staub weg.

„Kannst Du das lesen?“ fragte er.

„Mal sehen...“Hier ruht in Ehren der Bewahrer vieler Leben und Bezwinger des Tyrannen Sydar, der Held des Kontinents, Cyrill, der Starke“ las Rusty.

„Cyrill? DER Cyrill! Oh mein Gott! Rusty, weißt, Du wo wir hier reingeraten sind?“

„Oh ja. In die letzte Ruhestätte einer Legende! Und sein Geist wird das nicht gutheißen!“

„Aber warum wurde er hier an so einem einsamen Ort bestattet?“

„Nun, die Zeiten waren unruhig damals. Sydar war zwar besiegt, doch es herrschte noch immer Chaos auf dem Kontinent. Seine verbliebenen Anhänger waren hinter uns her. Meine Kameraden hoffen zuerst, ich würde wieder erwachen, weil ich nicht transformiert war. Doch meine Lebensflamme und mein Feuer waren für immer erloschen und mein Seelenstern wieder zur großen Sternenlok zurückgekehrt.“ vermahm Casey plötzlich eine tiefe Stimme hinter sich. Er fuhr herum -und entdeckte die durchsichtige Gestalt einer grünen Lok.

„Wooahh! Cyrills Geist!“ schrie Rusty erschrocken, machte einen Satz zurück und fiel recht unsanft auf seinen Hosenboden, das es schepperte.

„Beim Starlight! Wo kommst Du denn auf einmal her?“fragte Casey, der nur einen leichten Schreck bekommen hatte. Das sein Kumpel immer so übertreiben musste!

„Ich habe gefühlt, das jemand meine letzte Ruhestätte auf Erden entdeckt hat. Ihr beide seid also durch Zufall hier bei mir reingeschneit.- Damals, auf unserer Flucht entdeckten meine Kameraden diese Höhle hier. Sie fanden die Zeit, sie so herzurichten, damit niemand meine letzte Ruhe stören würde. Meine treuen Begleiter hatten entschieden, meine sterbliche Hülle hier aufzubahren, bis die Zeiten sich bessern würden. Hier war ich vor der Rache von Sydars verbliebenen Anhängern sicher. Doch es dauerte zu lange, und der Ort geriet in Vergessenheit. Vor allem, weil meine treuen Kampfgefährten das Geheimnis mit ins Grab nahmen. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, das meine sterbliche Hülle wieder nach Hause zurückkehrt. Nach Technopolis. Wo ich einst erbaut wurde. In meinem Helm befindet sich ein Dokument, auf dem ich meinen letzten Willen verfasst habe. Gebt es vertrauenswürdigen Leuten.“

„Aber wie ist das nur möglich, das Du nach deinem Tod nicht transformiert bist?“

„Das kann ich Dir nicht sagen. Vielleicht, um so den Menschen, denen ich und meine Brüder unsere Existens verdanke, näher zu sein.“

„Rusty ist auch, als er schwer verletzt wurde, in den humanoid Modus transformiert.“

„Aha. Dann fühlst Du dich wohl auch sehr den Menschen verbunden.“

„Sie bedeuten mir sehr viel. Vor allem Casey, mein Lehrling.“ antwortete Rusty, in dessen Stimme immer noch Furcht mitschwang.

"Hohoho, willst Du hier die ganze Zeit sitzen bleiben?" lächete Cyrill. "Ich bin zwar ein Geist, doch ich beiße nicht. Das hat Zebulon doch auch nicht."

"Du kennst Zebulon?"

"Natürlich. Er hat mir von euch erzählt. Ich freue mich, das ich euch nun persönlich kennenlernen kann."

"Wir auch. Man sagt, Du warst unglaublich stark."

"Hoho, ja, das war ich. Ich war eine große Lok für schwere Arbeiten. Meistens zog ich lange Güterzüge mit Erz oder Stahl, das in Technopolis gebraucht wurde. Na ja, jedenfalls bis das dunkle Zeitalter begann. Ich konnte irgendwann nicht mehr mitansehen, wie die Menschen litten. So versuchte ich, ihnen zu helfen und erkannte bald die Wurzel allen Übels. Sydar. Er stammte aus dem Nachbarreich von Elektanis, einem nicht so entwickelten Land, das schon immer neidisch auf die Errungenschaften der klugen und fleißigen Menschen meiner Heimat war. Die Kleptomanier dagegen waren schon immer faule Burschen, die es sich einfach machen wollten und lieber Streit mit den Nachbarn anzettelten."

"Oh mann, wenn ich meine erste Prüfung abgeschlossen habe, reise ich nächstes Jahr als Erstes nach Elektanis!"

"Aber halte dich von Kleptomania fern! Auch heute noch stehen die anderen Länder und Reiche in keinem guten Verhältnis zu ihnen! Die Bewohner genießen bis heute ihren schlechten Ruf!"

"Verstanden." nickte Casey. "Sag mal, hattest Du auch einen Waggonpartner?“

Cyrill nickte.

„Ihr Name war Belle. Sie war einer der ersten Schlafwagen und eine mutige und tapfere Waggonpartnerin. Sie begleitete mich überall hin und nie kam ein Wort der Klage über ihre Lippen. Doch es hat ihr das Herz gebrochen, als ich sie und meine treuen Kameraden verlassen und ich hier zurückgelassen werden musste, um nicht dem Feind in die Hände zu fallen. Siehst Du den roten Seidenschal? Er hat ihr gehört und sie hat ihn mir als letzten Gruß hiergelassen.“

Casey blickte auf das zerschlissene Stück Stoff den Hals des Toten.

„Meine Kameraden flohen weiter, ihre Anzahl schmolz dahin, Sydars Anhänger gaben nicht auf. Und schließlich stellten sie die letzten Überlebenden. Hinter der Grenze, in Arrosia, erinnert ebenfalls ein Denkmal daran.- Doch keiner gab das Geheimnis um mein Grabmal preis, als sie in der letzten Schlacht fielen. Auch meine geliebte Belle war darunter. Und ich musste alles von oben mitansehen und konnte ihnen nicht beistehen! Das war das Schlimmste für mich!“

„Das kann ich gut verstehen. Doch sie sind nicht umsonst gestorben.“

„Nein, sie waren Helden, wie ich. -Man fand die Toten später und die leere Hülle meiner Partnerin, überführte sie nach Technopolis. Sie wurde liebevoll restauriert und fand einen Platz im neu gegründeten Museum.“
 

"Espresso hat mir eine Biografie über dich besorgt. Waren die Zeiten damals so schlimm?"

"Das waren sie. Sei froh, das Du damals nicht gelebt hast, kleiner Lehrling. Unzählige meiner Brüder wurden damals für Sklavendienste eingesetzt, mussten Kanonen und anderes Kriegsmaterial über schwer zugängliches Gelände ziehen. Dieselloks gab es zu meiner Zeit noch nicht. Die Ersten wurden siebzig Jahre nach mir entwickelt und gebaut.“

"Und ihr konntet euch nicht wehren?"

„Tja, einige taten es und haben es bitter bereut. Unser Schwachpunkt ist unsere Lebensflamme. Im Maschinenmodus ist es für die Menschen einfach, unsere Lebensflammen zu löschen! Selbst im Humanoid-Modus ist dies möglich, wenn wir festgesetzt werden konnten, also man uns fesselte. Und das taten Sydars Männer! In diesem Zustand waren wir wehrlos, wenn unsere Lokführer uns nicht verteidigen konnten!“

„Dieser Sydar war wirklich ein Tyrann!“

„Seine Herrschaft wird auch als das „dunkle Zeitalter“ beschrieben. Aber die Menschen haben aus ihren Fehlern gelernt. Zwar nicht alle, aber die Meisten.“

"Ich kenne das gut. Da wo ich herkomme, gibt es auch heute noch immer wieder Kriege. Die Menschen meiner Welt sind noch nicht so vernüftig. -Aber nun bin ich hier und möchte noch mehr von eurer Welt kennenlernen."

"Hohoho, ich habe gesehen, wie Du damals auf diesen Angeber Greaseball gelandet bist als Du in unsere Welt kamst! Ich hatte mich schon lange nicht mehr so amüsiert! Und es ist gut, das Du und Rusty zueinander gefunden habt. Ihr steht euch immer zur Seite, auch in schweren Stunden. Das hast Du in Via Coronna bewiesen, kleiner Lehrling."

"Ich hatte aber auch Unterstützung. Und Rusty hat sich um mich gekümmert, als ich so krank war."

"Haltet nur weiter zusammen, dann werdet ihr es noch weit bringen."

"Stimmt. Zuallererst muss ich Rusty dazu bringen, nicht so überängstlich zu sein."

"Nun, ich hätte da eine Idee. -Rusty, komm einmal her."

"Äh-ja, Cyrill?"

„Na komm noch etwas näher, Du kleiner Angsthase. -Ich sehe, das dein Helm durch die Felsen zerstört wurde. Deshalb sollst Du meinen bekommen. Er wird Dir bestimmt passen.“

„Was? Ich soll..“

„Du musst ihn mir nur abnehmen und er gehört Dir.“

Rusty graute es, den Überresten der humanoiden Lok auch nur noch einen Schritt näher zu kommen.

„Rusty! Nun sei doch nicht so ein verdammter Feigling! Cyrill hat gesagt, Du kannst ihn nehmen!“ rief Casey verärgert. "Zieh ihn einfach vorsichtig unter der Hand hervor."

"Du siehst doch, ich bin hier und habe es erlaubt. Du wirst doch wohl nicht vor dem alten Metallgerippe Angst haben? Es ist nur Stahl und wird Dir nichts tun."

"Mensch, Rusty! Es sollte Dir eine Ehre sein, wenn Du in Zukunft den Helm einer Legende tragen darfst!" versuchte Casey, die kleine Dampflok anzuspornen.

"Mmpf...Du hast recht. Cyrill hat es erlaubt..."

Vorsichtig ging er näher, ergriff vorsichtig den verstaubten Helm und zog sachte.

"Na los!" rief Casey. Langsam zog Rusty weiter bis die metallenen Finger herabglitten und auf der Lehne des steinernen Thrones landeten. Ein leichtes Zittern ging durch das ganze Stahlskelett, Staub rieselte. Rusty schüttelte sich und wich fast bis in die Mitte der Höhle zurück.

"Na also. Und -hat dich jemand gefressen?" grinste Cyrill.

"N-nein." stammelte Rusty. Dann besah er sich den Helm. "Ziemlich groß. Ob der mir passt?"

"Mr. Kelmon wird ihn schon passend machen." meinte Casey. "

"Ich hoffe, ich darf ihn schwarz lakieren lassen. Denn Grün und schwarz sieht etwas komisch aus."

"Hey, natürlich. Ich sagte Dir doch. Das ist jetzt Deiner." lächelte Cyrill.

Casey sah auf seine Uhr.

"Es ist schon spät. Cyrill, wie kommen wir hier raus? Der Tunnel durch den wird gefallen sind, ist verschüttet."

Dort hinten in der Ecke führt eine Treppe nach oben. Der Durchschlupf ist zwar etwas eng, doch dort haben sie mich damals auch hier herabgelassen. Der Ausgang läßt sich leicht freiräumen. Dort hinten, wo ihr reingefallen seid, hat sich die ganze Decke gesenkt, weil zu viele Hohlräume im Fels waren."

"Da ist die Treppe. Komm, Rusty.-Cyrill, wir werden Elektanis von unserer Entdeckung berichtigen und von deinem letzten Wunsch." sprach Casey."Du wirst wieder nach Hause zurückkehren, versprochen."

"Ich danke Dir, kleiner Lehrling."

"Leb wohl, Cyrill. Wenn wir nach Elektanis kommen, besuchen wir dich."

Casey begann die roh herausgehauenen Stufen langsam hochzusteigen.

"Rusty..."

"Ja, Cyrill?"

"Du hast dich bereits gut entwickelt in deinem ersten Reisejahr. Mach weiter so, mein Kleiner. Ich setzte große Hoffungen in dich."

"In mich?"

"Unsere Art ist vom Aussterben bedroht. Diesel-und E-Loks werden uns bald abgelöst haben. Fast dreihundert Jahre waren wir Dampfloks das wichtigste und einzige Schienen-Transportmittel auf dem Kontinent. Beweise, das wir noch nicht zum alten Eisen gehören, trotz Diesel und Elektrizität."

"Ich werds versuchen. Und nochmals danke, für den Helm."

"Rusty, kommst Du? Ich brauche dich hier oben!"

"Komme schon!"

"Lass deinen Lehrling nicht warten." lächelte Cyrill und begann sich langsam aufzulösen.

"Danke, Cyrill. Ich werd dich nicht enttäuschen."
 

Gemeinsam schafften es Lehrling und Dampflok, die Öffnung freizuräumen, sodass Casey zuerst hindurchschlüpfen konnte.

"Ich hole Francis! Zusammen kriegen wir die restlichen Felsen weg und holen dich dann raus!"

"Ist gut. Ich warte so lange."

"Keine Angst, das ich nicht wieder kommen würde?" grinste Casey.

"Das würdest Du niemals tun."

"Genau."
 

Kurz darauf wurde auch Rusty mit der gemeinsamen Hilfe von Francis und Dustin befreit. Danach wurde der Eingang wieder verschlossen.
 

Casey lief wieder zum Ausgangspunkt und kletterte auf den Hügel. Oben war jetzt eine große Vertiefung enstanden, deren Boden mit Felsbrocken verdeckt war.

"Hier ist wirklich alles dicht. Wenn Cyrill uns nicht den anderen Ausgang gezeigt hätte, hätten wir ganz schön alt ausgesehen!" dachte der Junge unbehaglich.

"Gab es da unten etwas Besonderes?" fragte Francis." Oder warum mussten wir das Loch wieder verschließen?"

"Du wirst nicht glauben was da unten ist, Francis. Wir haben Cyrills Grabmal entdeckt."

"WAS? Da unten liegt der legendäre Cyrill? Das ist unmöglich! Er war doch riesig! Wie konnten sie so eine Lok damals.."

"Da unten liegt nicht seine leere Hülle, Francis. Sondern seine Überreste im Humanoid-Modus."

"Wie bitte? Ich dachte-"

"Das dachte ich auch zuerst, aber unsere biomechanischen Freunde sind immer für eine Überraschung gut. Wir müssen das den Behörden von Elektanis melden!"
 

Zurück am Lagerplatz, unterzog Rusty den grünen Helm einer gründlichen Säuberung.

"Und ihr seid wirklich Cyrills Geist begegnet?" staunte Dinah.

"Ja und ich durfte seinen Helm behalten. Weil meiner ja jetzt platt ist."

Dustin drehte den beschädigten Helm in seinen Händen.

Als Rusty den grünen Helm von Innen säuberte, meinte er:" Auf jeden Fall muss der lederne Einsatz und der Riemen erneuert werden. Es löst sich schon alles auf-Hey, was ist das? Unter dem Futter steckt etwas...eine kleine Metallröhre...In der ist etwas drin! -Ein zusammengerolltes Stück Papier?"

"Das muss das Testament sein, von dem Cyrill sprach.“ bemerkte Casey.

Rusty entrollte vorsichtig die Nachricht und überflog sie.

„Wie er es gesagt hat. Sein letzter Wille. Er möchte, das seine sterblichen Überreste nach Technopolis überführt werden, dort, wo er gebaut wurde.“ sagte er. "Heh, und das gibts nicht! Hier steht sogar, das er mir seinen Helm vermacht hat! Wie hat er das nur hingekriegt? Er kennt mich doch erst seit heute!"

"Das glaube ich nicht, Rusty. Er kann uns schließlich von da oben beobachten." lächelte Casey und deutete zum Himmel.

Dann lasst uns aufbrechen, wir haben noch einige Tagesreisen bis nach Kommoran. Von dort aus werden wir uns mit den zuständigen Behörden in Verbindung setzen." erklärte Francis.

"Genau! Auf gehts!"
 

Die Weiterreise verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Über Arrosia und Rätina gelangten sie wieder nach Vivania und von da aus in das heimatliche Ruthia. Zu Rustys Erleichterung mussten sie nun keinen Fluss auf einer Fähre überqueren, sondern konnten sich an Brücken halten. Und schließlich tauchte vor ihnen wieder der heimatliche Bahnhof von Kommoran auf.

"Oh mann! Ich habe fast schon vergessen, wie es hier aussieht! Endlich sind wir wieder zurück!"

rief Casey.

Buffy, die gerade Pause hatte, lehnte gelangweilt an einem Signalmast. Dann aber vernahmen ihre Ohren ein vertrautes Stampfen. Und sie wusste genau, wer dieses Geräusch verursachte, sie würde es unter hunderten anderer Stamfpgeräusche erkennen.

"Das ist ja unser Rustyschätzchen! Sie sind zurück! Endlich!" jauchzte sie und machte einen Satz. So schnell sie konnte, rollte sie zum Rundschuppen der Waggons und durch das erstbeste Tor mitten in die Arme von Sugar.

"Hey, warum bist Du so aufgeregt?"

"Leute, hört her! Rusty ist zurück! Gerade eben kommt er in den Bahnhof gedampft!" rief Buffy aufgeregt.

"Was? Sie sind zurück? "

"Los, kommt!"

Alle gerade anwesenden Waggonmädchen eilten aus dem Depot um die Heimkehrer zu begrüßen.
 

Mit einem zischenden "Huffff" kam Rusty vor dem Prellbock zum Stehen und als Francis und Casey ausgestiegen waren, transformierten Loks und Waggons.

"Endlich wieder zu Hause." seufzte die kleine Dampflok. "Kommoran, Du hast mich wieder."

"Oh, seht mal! Da ist Rusty! Sie sind zurück! Hey, Francis!" rief einer der Schaffner und kam ihnen entgegen.

"Hallo, Baldwin!"

"Wir haben das mit Rusty gehört. Ist wieder alles okay mit dem Kleinen?"

"Alles bestens. Er kann wieder ausgezeichnet sehen. Dieser Dr. Franco hat seine Augen wieder hingekriegt."

"Dem Starlight sei Dank!"

"Mein Zuckerschneckchen!!" hallte plötzlich eine quietschende Stimme durch die Bahnhofshalle.

Alle zuckten zusammen. Jeder kannte Buffys überschwengliche Gefühlsausbrüche und die damit verbundnenen Umarmungen und Küsschen. Dinah sprang rechtzeitig auf das Nebengleis vor dem herannahenden goldfarbenen Waggonmädchen in Deckung, sodaß es in Rustys Armen landete.

"Oh, was freu ich mich, dich wiederzusehen!"

"Ugh-äh, hallo Buffy."

"Kleiner, ist mit deinen Augen wieder alles okay? Ich hab gedacht, mein Lebensfunke gefriert, als ich davon hörte!"

"Mnnghh...es ist alles okay, Buffy. Du kannst mich wieder loslassen."

"Ich bin ja so froh, mein Zuckerstückchen!" strahlte Buffy und kniff ihm in die Backe. Zum Glück entdeckte sie jetzt Casey, den von den anderen Waggonmädchen umringt war und nun war der Lehrling an der Reihe.

"Lass dich auch umarmen, mein Sahnehäubchen! Oh, Du bist gewachsen! Ja, das sieht man! Deine Uniform passt Dir jetzt viel besser!"

"Uah! Oh Buffy! Einmal erdrückst Du mich noch!" seufzte Casey, als er in ihren Armen hing.
 

Pewter, der Jüngste von Greaseballs Bande, stand ein wenig abseits auf einem Nebengleis und musterte das fröhliche Treiben.

"Sie sind also zurück! Ich muss das sofort Grease melden, wenn er zurückkommt!" murmelte er.

"Hey, Pewter, Du kannst jetzt ins Depot zurück." meldete der Rangierarbeiter. "Die Strecke ist jetzt frei, Kleiner."

"Na endlich!"

Und schon rauschte die kleine Diesellok davon.

"So freundlich wie immer." seufzte der Arbeiter sarkastisch.
 

"Okay, wir melden uns jetzt noch bei Mr. Corell zurück. Wartet ihr so lange auf uns oder wollt ihr gleich zurück in den Lokschuppen?" fragte Francis.

"Dürfen wir gleich? Ich möchte endlich wieder Pop sehen." antwortete Rusty.

"Na klar. Rollt ihr schon vor. Ihr müsst nicht auf uns warten." nickte Casey.

"Also bis später." winkte Dinah und schloss sich Buffy an.
 

"Hallo, ihr Beiden! Willkommen zurück!" rief Mr. Corell und erhob sich von seinem Schreibtisch. Er ging den Beiden entgegen und schüttelte ihnen die Hände.

"Casey, schön, dich wiederzusehen. -Ho, Du bist aber gewachsen."

"Sieht man das wirklich? Das haben die anderen unten im Bahnhof auch schon gesagt."

"Nartürlich. Du bist jetzt richtig in deine Uniform hineingewachsen, sie sitzt jetzt tadellos. Du musst nicht einmal mehr die Ärmel hochschlagen, wie zu Beginn."

"Hehe, stimmt."

"Und Du bist etwas stämmiger geworden. Sicher von dem stetigen Kohleschaufeln."

"Ja, das macht Mumm."

"Und mit Rusty ist alles wieder in Ordnung?"

"Ja, Sir. Sie glauben nicht, was für eine Angst ich hatte, das mein Kumpel für immer blind bleiben würde!"

"Deshalb habe ich auch Francis zur Unterstützug zu Dir nach Via Coronna kommen lassen."

"Hier sind übrigends die ganzen Berichte über den Fall." erklärte Francis und reichte dem Stationsvorsteher eine Mappe.

"Sehr gut. Ich sehe sie mir nachher an und dann kommen sie in Rustys Akte.-Ich brauche auch noch dein Lehrberichtsbuch, Casey. Deine erste Zwischenprüfung steht ja bald an."

"Das hab ich auch hier, Sir." nickte der Junge und reichte es dem Stationsvorsteher.

"Sehr schön. Und bei Dir gab es keine größeren gesundheitlichen Probleme?"

"Eigentlich nicht. Nur bin ich einmal flach gelegen, weil mich das Sumpffieber erwischt hat. Aber das war nach wenigen Tagen wieder weg."

"Melde dich morgen bei unserem Arzt, wegen dem Gesundsheitscheck."

"Mach ich, Sir."

"Und außerdem werde ich nach deiner Prüfung verlanssen, das Du noch einen neuen Uniforsatz bekommst. Aus den jetzigen Sachen wirst Du sicher bald herauswachsen und sie sind nach einem Jahr ständigem Tragen und darin arbeiten auch schon abgenutzt. Und gib einfach immer Bescheid, wenn Du irgendetwas Neues an Arbeitskleidung brauchst. Sie wird Dir auf jeden Fall immer von uns gestellt."

"Danke, Sir. -Jetzt muss ich ihnen noch Etwas mitteilen. Eine ernste Sache. Es geht um Red Caboose."

"Red Caboose? Weit Du etwa, wo er ist? Seit eurer Abreise fehlt jede Spur von ihm! Er wurde einmal oben in Taiga Drubania gesehen, wurde mir gemeldet, doch dann verliert sich die Spur. Ich frage mich, was in den Burschen gefahren ist!"

"Die Sache ist die, Mr. Corell. Red Caboose hat uns die ganze Zeit immer heimlich verfolgt und ist immer wieder mal aufgetaucht, um Ärger zu machen. Zum Glück konnten wir es jedes Mal geradebiegen, aber der Kerl ist uns immer abgehauen! Zuletzt haben wir ihm im Delta von Torrone gesehen."

"WAS? Er ist euch gefolgt? Das glaub ich nicht!"

"Es ist aber wahr, Sir. Als wollte er verhindern, das wir Plaketten gewinnen."

"Ja-und habt ihr? Das in Torrone ging ja nicht so gut aus."

"Stimmt. Aber davor...sehen sie."

Casey holte die Mappe hervor, klappte sie auf und zeigte stolz die Siegespreise, die Rusty errungen hatte.

"Sechs Plaketten! Sag mal Junge, wie hast Du denn das gemacht? Und ich habe gesehen, das Rusty einen fast neuen Anstrich hat!"

"Wir haben hart gearbeitet und Rusty hat sich richtig Mühe gegeben. Das Meiste ist sein Verdienst. Ich hab nur Hilfestellung gegeben. Sie sehen Sir, er kann, wenn er will."

"In der Tat...aber jetzt, in den oberen Ligen wird es schwieriger..und härter..."

"Das haben wir schon bemerkt."

"Aber nun zurück zu unserem Streuner. Unglaublich, das hat es hier noch nie gegeben! Erzähl mir alles, was Du weisst. Ich werde dann eine Suchmeldung an alle Hauptbahnhöfe herausgeben. Die leiten die Meldung dann an die anderen Stationen weiter."

Also gab Casey einen Kurzbericht über Red Cabooses Übeltaten ab und wo er und Rusty ihm begegnet waren.

"So ein Halunke! Was er damit Kommoran antut, weiß er gar nicht! Durch ihn bekommen wir noch einen schlechten Ruf, das wir auf unsere Waggons nicht achten können!" rief Mr. Corell ärgerlich.

"So habe ich das noch gar nicht gesehen. Wenn ich wüsste, wo der Bursche gerade steckt..."

"Zurück wird er sich nun wohl kaum trauen.." meinte Francis.

"Es tut mir leid, das ich es nicht früher gemeldet habe, Sir. Aber es kam immer was dazwischen..." murmelte Casey.

"Ist schon in Ordnung. Ich werde mich jetzt darum kümmern. Das ist auch nicht Sache eines Lehrlings."

"Da ist noch etwas Mr. Corell... auf unserer Rückreise machten ich und Rusty eine Entdeckung der ganz besonderen Art. Durch Zufall sind wir auf Cyrills Grabmal gestoßen."

"WAS? Auf das verschollene Grabmal des Legendären? Viele glauben, das Cyrills leere Hülle von Sydars Männern aus Rache zerstört wurde."

"Dem ist nicht so. "

"Bist Du Dir da auch ganz sicher, das es Cyrill war?"

"Ich habe die Inschriften gelesen. Rusty kann es bezeugen. Wir sind sogar Cyrills Geist begegnet." antwortete Casey und erzählte, was er und Rusty in der Höhle entdeckt hatten. "Und hier-das fanden wir in seinem Helm. Ein von ihm verfasster letzter Wille."

Casey reichte Mr. Corell das alte Schreiben, das er sorgfältig in einer Plastikhülle verstaut hatte.

"Unglaublich! -Ich werde mich sofort mit den zuständigen Stellen in Technopolis in Verbindung setzten! Sie werden eine Expedition in diese Gegend schicken. Hast Du Dir den genauen Standort gemerkt?"

"Er war schwer zu bestimmen in dieser Einöde. Aber ein großes Denkmal befindet sich nicht weit davon. Und die Stelle befindet sich in der Nähe der Bahnlinie, die durch das Gebiet führt."

"Gut. Es kann sein, das die Forscher aus Technopolis noch einige Fragen an dich haben werden."
 

Nach einer Stunde waren beide mit ihren Berichten endlich fertig.

"Puh, ich gehe jetzt ersteinmal nach Hause, springe unter die Dusche und leg mich aufs Ohr." seufzte Francis.

"Das mach ich auch."

"Dann bis morgen, Casey."

"Bis dann, Francis."

Casey sah ihm lächelnd nach. Es war gut, das sein Vormund nach Via Coronna gekommen war und mit ihm die Rückreise zusammen gamacht hatte.

Fröhlich lief er über das Bahngelände zum alten Lokschuppen hinüber. Es war noch alles so, wie er es in Erinnerung hatte. Die alten Bäume, der alte Wasserkran und die Gleise zwischen dem Gras, die zum Tor des Backsteingebäudes führten. Noch herrschte Sommer in diesen Breiten und es war sehr warm. In sechs Wochen würde er seine Zwischenprüfung ablegen. Bis dahin musste er noch lernen.
 

Casey schob das Tor einen Spalt breit auf und schlüpfte hinein.

"Hallo! Ich bin wieder da!" rief er.

"Hallo Casey! Pop und Digger sind noch nicht da, die haben noch Dienst, hab ich am Plan gesehen."meldete sich Rusty aus seiner Box. Er hatte sich bäuchlings auf seine Matratze gelümmelt und sah zu seinem Lehrling herüber." Gleich morgen bringe ich den Helm zu Mr. Kelmon, damit er ihn richtet und neu lakiert. -Seufz, doch zuerst muss ich Pop beibringen, das sein Helm Schrott ist."

"Ach, der wird Dir nicht böse sein! Was glaubst Du, wie der sich freut, wenn er dich wiedersieht!-Okay, ich bin oben."

Casey ergriff seinen Rucksack und die Reisetasche, die Rusty neben der Treppe abgestellt hatte , stieg die knarrenden Stufen empor und öffnette die Tür zu seinem Zimmer. Es war noch alles so, wie er es verlassen hatte.

"Jetzt aber zuerst ab ins Bad, auspacken kann ich meinen Kram später.." seufzte er.
 

Während er noch damit beschäftigt war, das letzte Restchen Ruß aus seinen Haaren zu bekommen, hörte er auf einmal von unten ein vertrautes Stampfen.

"Pop! Sie sind zurück!"

Schnell spülte er das Shampoo aus seinen Haaren, sprang aus dem Wasser, trocknete sich mehr schlecht als recht ab und eilte, nur mit dem Handtuch um die Hüften, aus dem Badezimmer. Unten vernahm er bereits Pops und Rustys freudige Rufe, als die beiden Dampfloks sich herzlichst begrüßten.

"Hey, Leute!" rief Casey und eilte die Stufen herab.

"Da ist ja auch unser kleiner Lehrling!-Hohoho! Das darf ich ja gar nicht mehr sagen! Schau nur Digger, wie groß er geworden ist!" lachte Pop und strahlte über sein ganzes Gesicht.

"In der Tat! Casey, lass dich umarmen!"

"Digger! Ich bin froh, wieder bei euch zu sein!" lachte Casey und flog in die Arme des alten Lokführers.

"Lass dich ansehen, Junge!-Ho, verlier dein Handtuch nicht."

"Na, bleib hier." grinste Casey verlegen und verknotete beide Enden.

"Du hast recht, Pop. Er hat sich zu einem Prachtburschen entwickelt."

"Na ja, aber in vier Monaten werde ich erst fünfzehn."

"Na wenn schon! Du bist zwar der bisher jüngste Lehrling, aber auch einer der fleißigsten!" lachte Pop und zog ihn in eine herzliche Umarmung.

"Jetzt geh aber wieder nach oben und zieh Dir was über, sonst erkältest Du dich noch. Auch wenn noch Sommer ist, solltest Du nicht so halbnass herumlaufen." grinste Digger.

"Alles klar, Bis gleich!"

Und schon stürmte Casey die Treppen hoch.

"Heheh, er wäscht sich tatsächlich schon richtig reglemäßig selbst." grinste Digger. "Wenn ich daran denke, wie er anfangs baden gehasst hat.."

"Dafür hat sicher Dinah gesorgt. Ich werde mich nachher bei ihr bedanken, das sie sich so gut um den Kleinen gekümmert hat." lächelte Pop.
 

Wenig später saßen alle unten zusammen und lauschten Caseys und Rustys Erzählungen. Zuallererst

zeigte Casey natürlich voller Stolz den Beiden die errungenen Plaketten.

Pop war mächtig stolz auf seinen Schützling.

"Schade nur, das das in Torrone so übel ausgegangen ist." seufzte Digger."Aber Du hattest Glück im Unglück, Rusty."

"Vor allem Dr. Sammer verdanken wir sehr viel. Er hat uns nicht nur ein Mal geholfen. Aber-es tut mir auch leid, das ich dich anlügen hab müssen, Pop, als Du damals angerufen hast. Aber wir wollten nicht, das Du dich noch mehr aufregst." sagte Casey.

"Ist schon in Ordnung. Hauptsache ist, das Rustys Augen wieder okay sind." lächelte die alte Dampflok.

"So, jetzt wird es aber Zeit fürs Abendessen."

"Oh ja, ich hab schon einen riesen Hunger!"
 

Nach dem Essen sah Casey noch bei Dinah vorbei.

"Na, hast Du dich wieder eingelebt?" fragte er.

Das Waggonmädchen nickte.

"Und ich bin schon morgen wieder zum Dienst eingeteilt."

"Ich und Rusty auch."

"Dann solltest Du bald schlafen gehen."

"Dinah, ist der Junge nicht schon alt genug, um selber zu wissen, wann er schlafen gehen muss?" meinte Sugar.

"Genau-kch-kch-der Kleine ist sícher schon selbstständig genug." hustete Ashley.

Dinah seufzte.

"Schon gut. Es ist immer gut, wenn man jemanden hat, der einen an bestimmte Dinge erinnert." lächelte Casey. "Es stimmt, ich bin wirklich müde. Also bis morgen dann."

"Schlaf gut, kleiner Lehrling." lächelte Dinah.

Bevor Casey den Lokschuppen verließ, drehte er sich noch einmal zu dem Speisewaggonmädchen um.

"Dinah...danke dafür, das Du dich so toll während unserer Reise um mich gekümmert hast."

"Hab ich doch gern getan, Casey." lächelte Dinah dankbar zurück.

"Und es würde mich freuen, wenn Du im nächsten Jahr wieder mit uns mitfahren könntest."

"Es wäre mir eine Ehre, kleiner Lehrling. Mal sehen, ob Mr. Corell es erlaubt."
 

Am nächsten Morgen suchte Casey zuerst den Bahnarzt in seiner Praxis zum grossen Check auf, wie Mr. Corell es ihm aufgetragen hatte, Rusty tat das selbe bei Mr. Kelmon in der Werkstatt des Depots.

"Du hast wirklich ordentlich zugelegt in den letzen Monaten. Die anderen Lehrlinge, die mit Dir die Ausbildung angefangen haben, sind jetzt zwar alle schon fünfzehn oder darüber, aber das macht nichts. Du bist kerngesund und gut beinander." sagte der Doktor.

"Ich werde auch bald fünfzehn. Nur noch vier Monate."

"Stimmt. Einzig dieses Sumpffieber war wohl eine ernstere Sache."

"Ja, aber es hat nicht mal eine Woche gedauert."

"Deshalb bekommst Du jetzt von mir zwei Impfungen als Vorbeugung für deine nächsten Reisen. Leg dich schon mal auf den Bauch."
 

Kurz darauf verliess Casey die Praxis wieder und rieb sich noch einmal verstohlen sein Hinterteil.

"Oh mann, immer in den Allerwertesten!" brummte er.

"Aha, deine Impfungen erhalten?"

"Was-ach, morgen, Francis! Ja, ich hasse diese Spritzen!" knurrte Casey und errötete leicht.

"Mach Dir nichts draus. Selbst wir bleiben davon nicht verschont." lächelte Loghead.

"Fährst Du heute wieder mit Greaseball?"

"Ja, mal sehen, wie er drauf ist. Vermisst haben wird er mich sicherlich nicht und er wird mich sicher mit Fragen wegen Rusty löchern, wenn ers nicht schon anderweitig herausgefunden hat. Und was hast Du jetzt vor?"

"Ich schau nach Rusty. Und dann werde ich mit Digger die heutigen Einsätze besprechen."
 

Zur selben Zeit, in der Werkstatt...

"Wer ist das?" fragte Rusty, als er einen Mann entdeckte, der kleidungsgemäss überhaupt nicht in die Werkstatt passte.

"Das ist Dr. Rubens, mein Augenarzt. Ich habe ihn extra hergebeten, damit er sich deine Augen noch einmal genau ansieht. Ich bin was Augenverletzungen betrifft, kein Fachmann. Mr. Corell hat mir eine Kopie deines letzten Unfall-und Reparaturberichts zukommen lassen."

"Oh, verstehe."

"Setz dich da hin, Kleiner und lehn dich zurück."

Rusty tat wie ihm geheissen und der Arzt machte sich an die Untersuchung.
 

"Und?" fragte Mr. Kelmon, als Dr. Rubens fertig war.

"Alles ist gut verheilt. Und seine Sehkraft ist auch ausgezeichnet. Der Bursche hat wirklich nochmal Glück gehabt."

"Da bin ich aber froh, Doc."

Auch Rusty war erleichtert.

Der Augenarzt verabschiedete sich Mr. Kelmon begleitete ihn bis zu den Bahnsteigen, wo den Doktor vorhin auch jemand abgeholt hatte. Denn Unbefugten war das Betreten der Bahnanlagen nicht erlaubt.

"So, mein Kleiner. Und jetzt zu deinem normalen Check-up.-Hm...Casey hat sich grosse Mühe mit deinem Anstrich gegeben. Nur noch ein paar Stellen, die bearbeitet werden müssen. Dann siehst Du wieder prima aus."

Der Werkstattmeister bat die Dampflok in den Maschinenmodus zu transformieren und ging um sie herum.

"Mr. Kelmon..."

"Ja, Rusty?"

"Wissen sie, das es eine Krankheit namens Rostfieber gibt?"

"Ich habe davon schon gehört."

"Als ich damals meinen ersten schweren Unfall mit dem Stahlträger hatte, glauben sie das vielleicht das Rostfieber mit schuld war, das ich so unansehnlich wurde?"

"Hmm...schon möglich. Aber Mr. Netsmith, der damalige Werkstattmeister, gab der mangelnden Wartung die Schuld. Und der Prozess ging ja langsam vor sich. Ich war ja damals noch Lehrling, als das passiert ist."

"Verstehe."

Mr. Kelmon zog hier eine Mutter fest, erneuerte einige Schrauben, füllte Oel in die Gelenke der Treibstangen und warf einen Blick in die Feuerbüchse.

"Sehr schön. Diese Langstreckenfahrten haben Dir richtig gutgetan. Du bist viel besser in Schuss als vor deiner Abreise.- Du kannst wieder Transformieren."

Zuletzt warf der Meister noch einen prüfenden Blick auf Rustys humanoide Erscheinung.

"Ja, es stimmt. Du kommst mir sogar nicht mehr so schmächtig vor. Und wenn Du atmest, rasselt auch nichts mehr." lächelte er und tätschelte Rustys Arm. "Ihr solltet in nächster Zeit mal wegen dem Anstrich nochmal vorbeisehen. Damit wir ihn vollenden können."

"Das hat Casey auch vor."
 

In den kommenden Tagen versah Casey mit Rusty seinen Dienst nach Plan, um auch wieder ein Gefühl für die Arbeit im Bahnhof zu bekommen. Mr. Kelmon hatte Cyrills Helm instand gesetzt, neu lackiert und innen so konstruiert, das er ihm gut passte und schütze. Pop war seinem Schützling überhaupt nicht böse gewesen.

"Rusty, ich sagte Dir doch, das ist jetzt Deiner. Mir genügt diese einfache Ausführung." lächelte die alte Dampflok. "Und nun hat Dir sogar der alte Cyrill einen Ersatz geschenkt. Das ist eine große Ehre! Halte dieses Stück auch in Ehren."

"Das werde ich, Pop."
 

Eines Tages reisten zwei hochrangige Mitglieder der Gesellschaft zur technischen Geschichte von Elektanis an. Sie führten ein langes Gespräch mit Casey und Rusty, betrachteten staunend das handgeschriebene Testament, das er ihnen übergab und verglichen es mit anderen erhaltenen Schriftstücken aus Cyrills Hand.

"Unfassbar! Das Schriftstück ist echt. Kein Zweifel, es ist Cyrills Handschrift. Und das Alter des Papiers lässt sich auch in diese Zeit datieren.-Du hast uns einen großen Dienst erwiesen, mein Junge. Elektanis wird Dir für diese Entdeckung ewig dankbar sein. Du hast ein wichtiges Geheimnis gelüftet. Jetzt wird unsere Legende endlich nach Hause zurückkehren und an der Seite seiner Gefährtin seine letzte Ruhe finden."

"Ich hoffe, sie finden die Stelle anhand meiner Angaben."

"Das werden wir. Unsere Forscher haben die richtigen Geräte dafür."
 

Eine weitere Woche war vergangen.

"Hey, Casey! Heute abend kommt ein Sonderbericht im Fernsehen! Sie haben tatsächlich Cyrills Grabmal gefunden! Die Zeitungen sind voll davon!" rief Digger und brachte einige Zeitungen mit, die er auf dem Frühstückstisch ausbreitete. Rusty schnappte sich ebenfalls eine davon und sah sich mit Pop die Berichte an.

"Und vor diesem alten Gerippe hast Du dich gerfürchtet, Kleiner?" meinte Pop kopfschüttelnd.

"Fall Du mal in so eine dunkle und unheimliche Gruft! Dann klappern Dir bestimmt auch deine Kolben!" murrte Rusty. Die alte Dampflok lachte herzlich.

Und am Abend sahen sich Casey und seine Freunde den Bericht im Fernsehen an. Außerdem folgte eine Biografie über Cyrill und sein Leben.

„Es ist unglaublich, nach über hundert Jahren wurde das Grabmal des legendären Cyrill entdeckt. Lange Zeit wusste man nicht, was aus der sterblichen Hülle dieses großartigen Helden geworden war. Nun wird das Geheimnis gelüftet.“ erzählte ein Journalist. Die ganze Höhlenhalle war nun mit Scheinwerfern beleuchtet.

„Da! Da ist Dr. Sammer!“

„Lassen wir nun den Exprerten für humanoide Loks und Waggons zu Wort kommen.“

„So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist das erste Mal, das ich die sterlblichen Übereste einer humanoiden Lok gesehen habe. Und dazu noch die einer Legende! Das ist noch niemals vorgekommen. Alle bisherigen Loks und Waggons, die aus dem Leben schieden, transformierten in ihrer letzten Stunde in den Maschinenmodus, bevor ihre Seelen ihre letzte Reise antraten. Bei Cyrill war dies nicht der Fall.“

"Was meinen Sie, könnte der Grund dafür gewesen sein, Doktor?"

"Darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Der genaue Grund wird uns wohl immer geheim bleiben."
 

Die sterblichen Überreste wurden später in einem eigens dafür errichteten Mausoleum nahe des technischen Museums von Technopolis in einem feierlichen Akt beigesetzt. Hier fand der große Held nun seine endgültige Ruhe. Im Innern stand Belles restaurierte Hülle in der Mitte der großen Haupthalle und in ihrem Inneren des Mittelganges lag der mit der Landesflagge von Technopolis verhüllte Cyrill aufgebahrt.

„Es war sein letzter Wille, immer mit seiner einstigen Gefährtin vereint zu sein. Diesen Wunsch haben wir ihm erfüllt.“ erklärte Elias einem Reporter, der von der Einweihung berichtete.
 

Cyrill saß im großen Himmelsbahnhof am Rand eines Brunnens, Belle neben ihm.

„Bedrückt dich irgendetwas, Cyrill?“

„Ach, Du bist es, Starlight Express. Ich habe über meine Begegnung mit Rusty und dem kleinen Lehrling nachgedacht. Ich fühle, das mein Feuerbruder etwas Besonderes ist und ich würde ihn so gerne auf seinen weiteren Reisen beistehen.“

„Du weißt, das das nicht geht. Deine Zeit auf Erden ist schon lange um. Rustys und das Schicksal seiner Freunde muss sich erst noch erfüllen. Aber...es wäre gut, wenn jemand stets ein wachsames Auge auf die Beiden und ihre Begleiter haben würde. “

„Ich soll Rusty als Menthor zur Seite stehen?“

„Du kannst zwar nicht bei ihnen sein, doch Du kannst ihnen mit guten Ratschlägen manchmal sicher weiterhelfen. Es ist ja kein Problem, mit ihm Kontakt aufzunehmen.“

„Du hast recht, Starlight Express. Rusty hat schon Fortschritte gemacht, doch er muss lernen, noch mehr über sich hinauszuwachsen. Und um seine Ängste endlich zu überwinden. Ich habe meine Kraft in mir gefunden. Diese Tatsache hat mir meine Weiterentwicklung ermöglicht. Auch Rusty muss diese Kraft finden.“

"Ich bin sicher, das wird er, Geliebter." sagte Belle und blickte auf die spiegelnde Wasseroberfläche, die verschiedene Ereignisse aus der Welt der Lebenden zeigte. "Egal was auch geschieht, die Beiden werden zusammenhalten."
 

Fortsetzung folgt....

Die erste Zwischenprüfung

Kapitel 22: Die erste Zwischenprüfung
 

Wenn Casey keinen Dienst hatte, lernte er für seine Zwischenprüfung. Meistens saß er dabei draußen vor dem Lokschuppen auf einer alten Öltonne oder unter einem Baum im Gras, studierte sein Lehrbuch und machte sich Notizen. Manchmal fragten ihn Pop oder Rusty ab.

"Hohoho! Alles richtig! Ich sehe keine Probleme für deine erste Prüfung! Du kennst inzwischen alle Signalschilder, Zeichen und Hinweistafeln und hast auch den übrigen Stoff fast intus."lachte Pop.

"Wenn es einen wirklich interessiert, lernt man auch leichter und schneller." lächelte Casey.
 

Francis unternahm in seiner Freizeit auch viel gemeinsam mit Casey. Jetzt, im Sommer, fuhren beide oft an einen großen See nicht weit von Kommoran. Meist begleiteten sie noch andere Kollegen. Diese gemeinsamen Ausflüge liebte Casey am Meisten.

Rusty blieb oft traurig im Depot zurück und wünschte sich mehr als einmal, er könnte wieder ein Mensch wie damals sein und seinen Lehrling begleiten. Pop hatte diese unglaubliche Gesichte zuerst für einen Scherz gehalten, als Rusty ihm davon berichtet hatte.

"Beim Starlight! Ihr habt ja wirklich tolle Sachen erlebt!"

Plötzlich war in der Ferne das dumpfe Grollen eines Donners zu hören.

"Oh, es zieht ein Gewitter auf! Da werden Casey und die Anderen bald zurückkehren." sagte Pop.

"Und es gibt wieder Pfützen..."

"Hoho, denkst Du wieder an das, was kurz nach deiner Rückkehr passiert ist?"

Rusty nickte und begann plötzlich zu grinsen, als sie sich an diese Begebenheit erinnerte..
 

Natürlich war die kleine Dampflok auch wieder Greaseball uns seiner Bande über den Weg gerollt. Zwei Tage nach seiner Rückkehr nach einem sommerlichen Gewitterschauer fuhr Rusty wieder seit langer Zeit alleine auf die freie Strecke hinter dem Bahnhof, wo er früher immer hinwar, wenn er alleine sein wollte.

“Hey, nun sieh mal, wer wieder zurück ist! Unser kleiner Rusty!” rief plötzlich eine Stimme.

Lead war hinter dem Gebäude aufgetaucht.

“Ja, genau! War ja sehr lange weg, der Kleine!”

Diese Stimme gehörte Copper. Mit ihm traten noch Steel und Brass hervor.

“Uh-äh, hallo Jungs.” sagte Rusty nervös und wich etwas zurück. Na toll, Greaseballs Bande, die haben mir grade noch gefehlt, dachte er.

Die vier Diesel musterten die kleine Dampflok.

“Nun seht euch den Kleinen nur an! Der hat ja nen neuen Anstrich gekriegt!” bemerkte Copper.

“Aber da fehlt ja noch ein bischen! Heh, typisch für Lehrlingsarbeit! Sollen wir dich jetzt “Flecki” nennen?”

“Wage es ja nicht, schlecht über Caseys Arbeit zu reden, Brass! Er hat immer nur gute Noten bekommen! Alle Betriebsmeister waren zufrieden mit ihm!” knurrte Rusty. “Und ihr wisst, das ich schon immer Rusty heisse, wegen meiner rostbraunen Haare!”

“Ho! Der Kleine wird aufmüpfig!”

“Und was machen wir mit aufmüpfigen, kleinen Dampfloks?”

“Na was schon! Unser Begrüssungsritual!” rief Copper grinsend.

“Oh nein...” stöhnte Rusty. Er machte kehrt und versuchte zu türmen, doch da warf sich bereits Copper auf ihn und beide gingen zu Boden. Und Rusty landete wieder mal bäuchlings in einer matschigen Pfütze!

“Auf ihn, Jungs!” rief Lead und die restlichen drei Diesel warfen sich ebenfalls bäuchlings auf das Opfer. Rusty wurde mit jedem Gewicht mehr auf sich immer tiefer in den Matsch gedrückt. Stöhnend versuchte Rusty seinen Kopf zu drehen, als er noch ein fünftes Gewicht auf sich bekam!

"AAH! Auah!"

“Hallo, Rusty-Boy.”

“Greaseball! Das hätt ich mir denken können!” ächzte die kleine Lok.

Der Diesel thronte sitzend auf dem Rücken des zuoberst liegenden Diesels und blickte lässig auf Rusty hinab.

“Willkommen zuhause, Kleiner.” grinste der Favorit von Kommoran. “Und-hast Du den Einstieg in die Renn-Liga geschafft?”

Jetzt war es Rusty, der etwas grinste.

“Hab ich. Ich hab sogar schon sechs Plaketten gewonnen!”

“Hah, erzähl keine Märchen! Das glaub ich Dir nicht! Du würdest nicht mal gegen den schwächsten F-Ligisten gewinnen!”

“Dann frag doch Casey! Der kann sie Dir ja zeigen!”

“Hey, Big G! Kann das sein?” fragte Copper von unten.

Der grosse Diesel erhob sich von seinem “Thron” und seine Kumpane mit ihm.

“Rusty-Boy, ich warne dich! Flunkern kann ich gar nicht leiden! Schon gar nicht von Dir!”
 

Die kleine Dampflok erhob sich aus ihrer Pfütze und wischte sich den Matsch aus dem Gesicht, was ihr nicht ganz gelang. Und zur Ueberraschung aller Diesel wurde ihr Grinsen immer breiter.

“Das gibts doch nicht! Der grinst einfach zurück! Sonst ist er nach unserer “Begrüssung” immer heulend weggerollt!” staunte Copper.

“Dieser Bengel hat irgendwas mit ihm gemacht!” knurrte Steel.

“Tja, was soll ich sagen, ich müsste euch ja inzwischen kennen. Ihr seid eben so.” grinste Rusty weiter und kratzte sich nervös am Hinterkopf. Früher hätte er sich nie getraut, Graseball und seinen Kumpels auch nur einmal zu widersprechen. Hoffentlich gabs jetzt keine Kloppe! Die hatte er früher von den Dieseln oft genug bekommen.
 

Plötzlich aber wurde hoch oben im Stellwerksgebäude ein Fenster geöffnet und ein Mann steckte seinen Kopf heraus.

“He! Ihr da! Habt ihr nichts Besseres zu tun? Ihr solltet euch lieber um euren Dienstplan kümmern, statt immer nur den Kleinen zu ärgern! Der tut wenigstens brav seine Arbeit!” rief der Stellwerksmitarbeiter herunter. Greaseball erkannte ihn sofort.

“Ah, Mr. Keith! Wir haben nur eine kleine Wiedersehensrunde gefeiert!” lächelte Greaseball unschuldig.

“Dann bewegt eure Hintern zurück in den Bahnhof, wo ihr hingehört! “

“Sofort, Boss!” nickte Copper und salutierte.

“Kommt, Jungs.” gab Greaseball seinen Kumpels ein Zeichen und die ganze Bande trollte sich in Richtung Bahnhof.

“Alles okay, mit Dir, mein Kleiner?”

“Alles bestens.” grinste Rusty zurück. Es störte ihn nicht mal, das er schon wieder “Kleiner” genannt worden war. Dann rollte er ebenfalls in Richtung Bahnhof davon.
 

“Haben sie den kleinen Burschen wieder geplättet, Bill?” fragte Mrs. Flemming, seine Kollegin.

“Es ist immer das selbe. Das macht mich immer stinksauer, wie die mit dem Kleinen umgehen! Er hat schon genug schlimmes durchgemacht und wird immer noch gemobbt! Aber diesmal schien Rusty anderes. Als hätte es ihm gar nichts ausgemacht. Er hat einfach nur gegrinst.”

“Die Reise hat ihn wohl verändert.”
 

Das Gewitter hatte nur wenig Abkühlung gebracht. Aber Casey wusste sich zu helfen. Er hatte eine alte Zinkwanne unter den Wasserkran gestellt, sie gefüllt und sich hineingesetzt. Jetzt hockte er im kühlen Nass und lernte für seine erste Zwischenprüfung. So bemerkte er nicht den lautlosen Schatten zwischen den Bäumen und die Hand, die langsam nach dem Zugseil griff...
 

Ein Schwall Wasser riss Casey unsanft aus seinen Gedanken! Prustend sprang er aus der Wanne, schüttelte sich und hustete.

“Greaseball!” rief er wütend. Der grosse Diesel hielt sich den Bauch vor Lachen.

“Wollte nur mal Hallo sagen, little Boy.” grinste er.

“Tolle Begrüssung! Du hast mein Lehrbuch gewässert!” knurrte der Junge und hob das durchweichte Buch auf. Dann legte er es zum Trocknen auf eine alte Tonne. “Was willst Du?”

“Nun...Rusty hat mir erzählt, ihr hättet es geschafft, in die Renn-Liga einzutreten und hättet sogar schon sechs Plaketten gewonnen!” tat Greaseball ganz beiläufig.

“Rusty? Habt ihr ihn wieder geärgert, Du und deine Bande? Greaseball, ich warne dich! Lasst meinen Partner in Ruhe!”

“Es gab nur das übliche Begrüssungsritual unter uns.”

“Was für ein Begrüssungsritual?” knurrte Casey.

“Nichts ernstes, kleiner Lehrling. Aber könnte ich bitte einen Blick auf eure errungenen Plaketten werfen? Ich glaubs nämlich erst, wenn ich sie sehe.”

“Ah, ich verstehe.” grinste Casey. “Warte hier.”

Der Junge warf sich sein Handtuch über und eilte in den Lokschuppen.

“Na, da bin ich aber mal gespannt...”
 

Halbwegs trocken und mit einer braunen Ledermappe kam er wieder heraus. Greaseball traute seinen Augen nicht. Der Junge hatte wirklich eine offizielle braune Ledermappe der Rennliga! Das war der erste Beweiss, das sie in der Liga waren und mindestens 1 Plakette gewonnen hatten.

“So. Und jetzt schau und staune!” lächelte Casey und öffnette die Mappe. Die Einsteckhülle klappte heraus und gab den Blick auf sechs Plaketten frei.

“Holy Crap!” entfuhr es Greaseball.

“Na? Glaubst Du uns jetzt?” grinste Casey.

Der Rosteimer hat also nicht gelogen! Was hat der Bengel nur gemacht, das sie soweit gekommen sind! Und was hat dieser Idiot Red Caboose gemacht! Und wo steckt dieser Versager nur? Er ist noch nicht zurückgekehrt, dachte sich der gelb-schwarze Diesel.

“Rätina....Eulenstein...Taiga Drubania....Arrosia ...Kotar..Lunia..nicht schlecht für den Anfang. Aber ihr müsst noch hart arbeiten, bis ihr in die Oberliga kommt.” meinte Greaseball gleichgültig. Aber in seinem Inneren Brodelte es. Warte nur, Red, bis ich dich in die Finger kriege, dachte er.

“Es dauert nicht mehr lange. Nur noch eine Plakette. Espresso will Rusty eine zweite Chance geben. Und Rusty hat zugesagt, es nächstes Jahr nochmal zu versuchen.-Ach übrigends: Ich wollte dich auch etwas fragen, Favorit von Kommoran. Wo steckt eigentlich Red Caboose? Hab ihn seit unserer Rückkehr nicht mehr gesehen.”

“Der rote Bremser? Woher soll ich das wissen? Schliesslich bin ich nicht sein Kindermädchen.”

“Du weisst also gar nicht, das er uns die letzten Monate, während wie unterwegs waren, uns heimlich verfolgt hat und uns immer Steine in den Weg geworfen hat?”

“Was?-Moment, jetzt, wo Du es ansprichst...ich hab mich manchmal echt gewundert, wo der Kerl abgeblieben ist. Auch die Rockies, Tank und Cablu haben darüber geredet. Sein Bruder macht sich natürlich die meisten Sorgen um ihn. Aber ich hab das nur am Rand mitgekriegt, ich als Superiror-A Favorit hab doch nichts mit Güterzügen zu tun.”

“Wir dachten schon, ob Du nicht dahintersteckst und Red Caboose befohlen hast, uns zu verfolgen.” setzte Casey jetzt alles auf eine Karte. Er wollte wissen, wie der Diesel darauf reagierte.

“Wie bitte? Ich hör wohl nicht recht! Willst Du mir etwa unterstellen, CB wäre mein Handlanger? Das wäre unter meiner Würde! Ich regle Probleme grundsätzlich selbst!”

“Natürlich. Du würdest so etwas nie wagen. Vor allem wegen dem Aerger, den so etwas einbringen würde.” antwortete Casey und dachte sich:” Wers glaubt, wird seelig.”

“Jetzt muss ich aber los. Danke fürs Zeigen, kleiner Lehrling.” lächelte der grosse Diesel unschuldig und rollte davon. Als er weit genug weg war, stiess er einen saftigen Fluch aus. Dieser Bengel ahnte etwas. Er war ja nicht dumm und konnte sich leicht eins und eins zusammenreimen. Hoffentlich hatte Red das Maul gehalten und nicht seinen Auftraggeber genannt.
 

Casey räumte die Tasche wieder auf und brachte sie zurück in sein Zimmer. Dort hatte er ein besonderes Versteck für die Trophäen, falls irgend jemand auf dumme Gedanken kommen sollte.

Dann kehrte er wieder nach draussen zurück. Im Lokschuppen war es zu heiss und zu stickig. Seufzend sah er sich sein durchweichtes Lehrbuch an, als Pop angerollt kam. Neben ihm ging Digger.

“Oh, was ist mit deinem Lehrbuch passiert?” fragte letzterer.

“Dieser doofe Greaseball! Ich räkelte mich gemütlich in meiner Wanne und habe gelernt, da hat er einfach am Seil des Wasserkrans gezogen und mich fast ertränkt! Aber dem ist das Lachen vergangen, als er unsere Plaketten gesehen hat!”

Jetzt begann Pop herzlich zu lachen.

“Das geschieht diesem Burschen recht! Jetzt weiss er, das Rusty ihm doch Konkurrenz machen kann!”
 

“Hallo, Leute.”

“Rusty! –Wie siehtst Du denn aus? War das dieses komische”Begrüssungsritual”? Alle auf Dir drauf und ab in den Matsch?” fragte Casey, als er die schmutzige kleine Dampflok erblickte.

“Greaseball und seine Kumpels mal wieder.” seufzte Rusty, doch dann grinste er plötzlich wieder.”Ist eben ihre Art, Hallo zu sagen.”

“Hey, sehe ich richtig? Du grinst?”

“Ja, Pop. Es ist komisch, aber es ärgert mich nicht mehr. Ich habe es einfach akzeptiert. Und Dreck kann man ja abwaschen.”

“Hohoho! Das stimmt, mein Sohn!” lachte Pop.

“Siehst Du, Digger? Der erste Erfolg hat sich eingestellt.” lächelte Casey.

“Gut gemacht, mein Junge.” nickte Digger.
 

“Komm, Rusty. Ich mach dich sauber.” lächelte der Junge, lief los und holte einen Schwamm und eine Flasche Seifenlauge. Die Wanne war ja schon gefüllt.

“Dann will ich aber auch.”

“Okay. Ich hol noch einen Schwamm.”

Rusty stellte sich brav hin und liess sich saubermachen. Nach einer Weile bückte er sich und fing mit seinem Schwamm bei Casey am Rücken an.

“Nun sieh Dir das an. Ist das nicht allerliebst? Die beiden seifen sich gegenseitig ein.” grinste Digger.

“Wundert euch nicht. Unterwegs haben wir das manchmal so gemacht, wenn wir im Freien übernachtet haben und es warm genug war.” grinste Casey. “Okay, Rusty. Geh in die Hocke.”

“Hallo, ihr Beiden, was geht denn hier ab?”

Francis Loghead kam auf den Lokschuppen zu. Er hatte seine Uniformjacke aufgeknöpft, die Mütze abgenommen und wischte sich gerade den Schweiss von der Stirne.

“Hallo Francis! – Das siehst Du doch. Grosse Wäsche.” grinste Pop.

“Hey, Francis!” rief Casey und winkte.

“Da kriegt man doch glatt Lust, mitzumachen.”

“Dann tus doch!” grinste der Junge herausfordernd.

“Okay.” nickte Loghead und schon flogen Jacke, Mütze, Hemd und Hosen auf eine Kiste. Die Schuhe und Strümpfe landeten daneben.

“Das darf doch nicht...also früher hätte sich das unser Francis nie getraut.” grinste Digger.

“Schön, das der Junge wieder da ist. Da kommt richtig Leben in die Bude!” lachte Pop. Amüsiert beobachteten die Beiden, wie nun Zwei an Rusty herumschrubbten und es am Ende noch eine wilde Wasserschlacht gab.

“Sieh Dir das nur an. Unser Rusty scheint gar keine Angst mehr vor Wasser zu haben.”

“Kein Wunder, bei seinem neuen, fast fertigen Anstrich.”
 

Am Abend berichtete Casey Rusty von seinem Gespräch.

“Greaseball bestreitet natürlich alles. War ja klar.”

“Der Kerl ist schlau. Er wird sich hüten, Aerger zu provozieren.” meinte Rusty.
 

Die Gedanken der kleinen Dampflok wurden unterbrochen und kehrten in die Gegenwart zurück, als das Tor aufgeschoben wurde und Casey und Francis hereinstürzten. Draußen hatte es inzwischen in Strömen zu regnen begonnen.

"Puah, so ein Pech! Der Tag hat so schön angefangen und nun das!" schnaufte Loghead und schüttelte sich.

"Ich glaube, die warmen Tage sind vorbei, der Wetterbericht hat gesagt, das es die nächsten Tage kälter wind. Der Herbst steht vor der Tür." erklärte Pop.
 

Zur selben Zeit, in einem alten, halb verfallenen Schuppen, nicht weit vom Güterbahnhof...

In einer trockenen Ecke lag ein Haufen alter Kartoffelsäcke. Plötzlich begann sich der Haufen zu bewegen und ein strubbeliger Haarschopf mit einer roten Mütze kam zum Vorschein.

Es war Red Caboose, der ebenfalls wieder seinen Weg nach Hause gefunden hatte. Doch er getraute sich nicht auf das Bahnhofsgelände, den Ärger, der ihm dann blühte, wollte er nicht über sich ergehen lassen.

"Sauwetter!" fluchte er wütend und schleuderte einen Sack zur Seite. "Wenn ich doch nur ins Depot zu Cablu und den anderen Güterwaggons zurückkönnte! Dort ist es wenigstens schön warm und trocken. Aber ich mag mir nicht Mr. Corells Strafpredigt anhören! Sicher werd ich dann zum Straßenkehrer verdonnert! Und von Grease würde ich auch eine Abreibung kriegen! Er weiß sicher schon vom Erfolg der Beiden! Und als ich das noch mit Rustys Augen gelesen hab...Big G würde sich niemals für mich einsetzen! Und wenn ich ihn als Drahtzieher des Ganzen verpfeife, bin ich meines Lebens nicht mehr sicher!"

Nachsinnend starrte er hinaus in den Regen. Seit er nach Ruthia und Kommoran zurückgekehrt war, hielt er sich ständig versteckt und bewegte sich nur nachts. Er wusste inzwischen, das er offiziell als Streuner gebrandmarkt war, in Vivania hatten ihn einige Loks erkannt und wollten ihn festsetzen, doch er konnte ihnen noch entkommen.

"Wie soll das nur weitergehen? Ob ich mich vielleicht doch kurz bei Grease melden soll? -Lieber nicht, der Spott der Diesel ist das letzte was ich brauche! Ich warte erst mal ab. Der Bengel geht sicher nächstes Jahr wieder auf Reisen. Dann könnte ich es ja wieder versuchen. Doch wo bleibe ich so lange? Ich muss mir einen besseren Unterschlupf suchen."
 

In der Nacht ließ der Regen nach und Red Caboose machte sich auf die Suche nach einem neuen Unterschlupf außerhalb von Kommoran...
 

Der Herbst kam und es wurde immer kälter. Casey überarbeitete die Notzen, die er sich aus Vincenzos Tagebuch notiert hatte.

Plötzlich wurde das Tor derb zur Seite gestoßen und ein ziemlich übellauniger Rusty stapfte herein.

Dabei grummelte er immer wieder Sätze wie:"Das werde ich melden!" "Die habens schon wieder getan!"-"Diese kleinen Mistdiesel!"

"Hä? Sag mal, was ist Dir denn passiert?" wunderte sich Casey, als er in Rustys Gesicht sah. Sein Gesicht zierten mehrere bunte Farbkleckse.

"Das waren Brass und Pewter! Ich musste an einem Signal vor dem Tunnel zum Güterbahnhof halten! Und plötzlich landete ein Farbbeutel auf mir!-Jemand war oben auf dem Tunnelportal und hat ihn heruntergeworfen!"

"Aber Rusty! Wie sollen die zwei da oben hinaufkommen?"

"Das waren sie auch nicht! Die haben zwei Bengels angeheuert, die ich schon oft auf dem Berg über dem Tunnel spielen habe sehen!-Letzten Herbst war es ein Kürbis, der in meinem Schornstein gelandet ist und jetzt ein Farbbeutel! Und ich habe Pewter und Brass von einer Brücke hinter mir mitlachen hören! Sie stiften immer diese Burschen an, weil Mr. Corell es ihnen verboten hat!"

"Die beiden jüngsten Brüder von Grease scheinen ja wahre Lausbuben zu sein!"

"Das kannst Du laut sagen! Ich sah schon schlimmer bekleckert aus, als heute!"

"Erzähl mal! Was haben die zwei so getrieben, um dich zu triezen?" wollte Casey wissen.

"Das war vor zwei Jahren. Am Hafenkai führt die Strecke doch unter drei Brücken hindurch. Und auf einer dieser Brücken haben mir diese kleinen Biester immer wieder aufgelauert und mir "Überaschungen" von oben beschert! Am liebsten taten sie es von der Brücke, wo ich immer halten musste, wenn die Lastkähne aus-und beladen wurden. Ich bin oft in den Humanoid-Modus transformiert, am Kai gesessen und habe auf den Fluss hinausgesehen, bis die Waggons beladen worden waren. Und einmal machte ich den Fehler, zu nahe an einem der Brückenpfeiler zu sitzen..."
 

"Achtung-jetzt!" Brass gab ein Zeichen und Pewter stiess schnell die vier Kübel vom Geländer. Kurz darauf hörte man ein schepperndes und klatschendes Geräusch, begleitet von einem lauten Aufschrei!

"UAAHH! PEWTERRRR!!!" schrie Rusty wütend. Rote, gelbe, grüne und blaue Farbe begann von seinen Schultern und seinem Haarschopf nach unten zu laufen.

"Hahaha! Bunt steht Dir echt viel besser als der ganze Rost! Sieht doch gleich besser aus." kicherte Brass von Brücke herab.

"Ihr kleinen-"

"So, da bin ich wieder-beim Starlight, wie siehst Du denn aus, Rusty! Was ist passiert?"

"Das waren Pewter und Brass! Sie haben die Farbkübel von der Brücke geworfen!" zeterte Rusty und wies nach oben. Aber die beiden Diesel waren schon verschwunden.

Digger seufzte. Die beiden jüngsten Diesel trieben es manchmal wirklich zu bunt. Als beim letzten Wort der Blick auf den versauten Rusty fiel, der versuchte, das inzwischen völlig ineinandergelaufene Farbgemisch abzuwischen, musste er ungewollt grinsen.

"Na komm, wir fahren zurück. Ich helf Dir auch beim Saubermachen."

"Na toll! Schon wieder waschen! Das machen die mit Absicht! Damit ich noch mehr roste!"
 

"Tja, Casey. Und so gings weiter. Immer wieder wenn ich unter einer Brücke durchfuhr oder neben einer Mauer stand oder vorbeifuhr, immer wieder mal kam etwas von denen auf mich heruntergeflogen. Mal ein alter, ölgetränkter Lappen, mal ein gefüllter Wasserballon, oder eben eine Farbbombe. Einmal hab ich Pewter erwischt und ihm ordenlich den Hintern versohlt! Der hat dann ganz schön gejammert und geschrien! Leider bekam ich das fünffach von Greaseballs Brüdern zurück!

Doch als Mr. Corell von den Streichen erfuhr, war damit Schluss. Es handelte sich ja hier um eine Behinderung des Bahnverkehrs. Die Zwillinge erhielten eine Strafe für ihre Streiche und wurden angewiesen, mich in Zukunft in Ruhe zu lassen. Aber jetzt stiften sie andere an!"

"Soll ich mal mit Grease oder den Zwillingen reden? Sie müssten doch auf mich hören."

"Auf einen Lehrling sicher nicht! Die würden dich nur verspotten!" winkte Rusty ab.

"Wer sind meistens die Lokführer von den Zwillingen?"

"Meistens Mr. Shosey und Mr. Ballantine. Aber das bringt auch nichts, wenn Du mit denen redest! Brass und Pewter machen eh nur, was sie wollen, wenn sie keinen Dienst haben. Oder das zu was Greaseball sie anstiftet."

„Ich frage mich, wie konnte Greaseball nur alle Diesel auf seine Seite bringen?“

„Hah! Der kann jedem das Gehirn so lange weichreden, bis sie nicht anders können, als ihm zu folgen. Und sie finden es voll „cool“, wie sie das sagen, ihn als Anführer zu haben. Er ist auch der Stärkste von allen. Steel hat ihn mal herausgefordert. Er ist kläglich gescheitert und hat von Grease ganz schön den Frack vollgekriegt!“ erklärte Rusty.

„Brass und Pewter, diese beiden Wuschelköpfe, sind die wirklich Zwillinge? Die gleichen sich nicht gerade wie ein Ei dem Anderen."

„Sie sind aber Zwillingsbrüder. Wurden am selben Tag fertiggestellt und erhielten fast gleichzeitig Leben vom Starlight eingehaucht, behauptet Pop. Er war bei der ersten Tranformation der Beiden dabei."

„Also so etwas wie zweieiige Zwillinge." lächelte Casey.

„Auf jeden Fall sind sie die Jüngsten in Greaseballs Gang. Pop hat zuerst versucht, sie als Freunde zu gewinnen, keine Chance. Grease hat ihnen das gründlich ausgeredet und uns Dampfloks mehr als schlecht gemacht. So war es eigentlich immer, wenn ein neuer Diesel bei uns dazukam. Jeder stellte sich auf Greaseballs Seite. Aber egal, wie frech oder abweisend sich Greaseballs Brüder verhalten, der gute alte Pop ignoriert alles und bleibt immer freundlich.“

„Verstehe. Er hat wirklich ein Herz aus Gold. Und scheinbar immer gute Laune.“

„Ja, ich hab ihn nur einmal richtig wütend gesehen. Das war da, als sie mich in die Schlackegrube geschubst haben. Da hat er richtig Feuer gespuckt und die Bande verjagt.“

"Hehe, selbst er läßt den Burschen nicht alles durchgehen!"
 

Casey versuchte trotzdem, mit Brass und Pewter zu reden.

"Ph! Von einem Lehrling lass ich mir doch nichts sagen!" rief Pewter und streckte frech die Zunge heraus.

"Du hast wirklich keinen Respekt!" knurrte Casey.

"Hat man Dir nicht beigebracht, das man auf Ältere hören soll?" fragte plötzlich eine Stimme hinter dem Diesel. Pewter fuhr herum und sah zuerst nur den unteren Rand einer Feuerbüchse. Sein Blick wanderte nach oben, er musste seinen Kopf in den Nacken legen, um in das Gesicht seines Gegenüber sehen zu können. Es gehörte zu einer großen, grünen Dampflok.

"He, wer bist Du denn? So einen Riesen wie dich hab ich hier noch nie gesehen!"

"Cyrill!" rief Casey erstaunt.

"Was? Der, von dem Du das Grabmal gefunden hast? Aber der ist doch tot!-Moment....wäääh! Du bist ein Geist!"

"Sehr richtig! Und wenn Du kleiner Ölfleck nicht aufhörst Rusty zu ärgern, kommt der da und holt dich! Und der bringt dich nicht zum Starlight Express, sondern dahin, wo alle unartigen Loks und Waggons hinkommen!" sagte Cyrill drohend und wies auf einen weiteren Geist der hinter ihm erschienen war und ziemlich furchterregend aussah. Doch Casey erkannte ihn sofort und versuchte, nicht zu grinsen. Es war Jerome, Zebulons Bremser.

"Buuh...wo ist der kleine Frechdachs, den ich mitnehmen soll?" fragte der Alte und sein Gesicht verzog sich zu einer schaurigen Fratze.

"UWWÄÄÄH!" begann Pewter plötzlich zu heulen und rollte, so schnell ihn seine Räder trugen, davon. Er hatte bestimmt noch nie Geister gesehen und vielleicht hatten ihn seine Brüder sogar mit Gruselstories Angst gemacht.

"Nun sieh Dir den Kleinen an! Jetzt hat er auf einmal die Hosen voll!" grinste Cyrill. "Danke, Jerome."

"Keine Ursache!" lächelte der alte Bremser und nach einem kurzen Nicken in Caseys Richtung löste er sich wieder auf und ein winziger, heller Stern flog in Richtung Himmel.

"Danke, Cyrill. Ich wünschte, die Diesel würden auf mich hören. Aber die denken, als Lehrling bin ich zu dumm."

"Daran ist nur ihr schlechtes Vorbild schuld. Jede Lok und jeder Lokführer verdient es, mit Respekt behandelt zu werden!" erklärte Cyrill.

"Du hast recht. Ich hoffe, wir werden uns mal wiedersehen."

"Ich halte von da oben ein wachsames Auge auf euch." hörte Casey die Lok noch sagen, während sie sich vor seinen Augen auflöste und der Seelenstern wieder in den Himmel stieg.
 

Mit dem Herbst kamen auch die Stürme. Der Wind rüttelte an den Fensterläden und dem Tor des alten Lokschuppens. In der Frühe war es jetzt empfindlich kalt und Rauhreif bedeckte die Gleise und Pflanzen. Wenn Rusty die Schienen entlangschnaufte, war er jetzt immer von weißen Wolken umgeben, da der Dampf jetzt in der Kälte schneller kondensierte.

Eines Tages erhielt Casey einen Telefonanruf, sich bei Mr. Corell zu melden.

“In einer Woche ist deine erste Zwischenprüfung zusammen mit zwölf weiteren Lehrlingen von hier und anderen Bahnhöfen. Sie findet wieder bei der Eisenbahnergilde statt. Ich hoffe, Du hast dich gut darauf vorbereitet.” sprach Mr. Corell.

“Natürlich, Sir.” nickte Casey. Dann fragte er. “Sagen sie, Mr. Corell, haben sie eigentlich so etwas wie Dokumente über Rusty?”

“Aber natürlich. ?ber jede Lok und jeden Waggon führen wir hier eine Akte.”

“Wäre es möglich, diese Akte einmal einzusehen?”

“Sicher. Du als sein Lehrling hast die Befugnis dazu. Geh nach nebenan zu Mrs. Alpa, sie wird sie Dir bringen lassen.”

“Danke, Sir.”

Casey erhob sich von seinem Platz und begab sich in das Büro der Sekretärin.

“Oh hallo, Casey! Was führt dich zu mir?”

“Ich würde gerne die Akte von Rusty sehen.”

“Die Akte von deiner Lok? Das haben wir gleich.”

Mrs. Alpa drückte einen Knopf auf ihrem Sprechgerät.

“Edward, bringen sie doch bitte die Akte von Rusty.”
 

Kurz darauf betrat der Lehrling und zukünftige Assistent des Bahnhofsvorstehers, Edward Tingle das Büro. Unter seinem Arm hielt er einen dicken Ordner.

“Danke, Edward. Sie können sie gleich Casey geben.” erklärte Mrs. Alpa.

Während Tingle die Mappe an Casey übergab, erklärte die Sekretärin:”Weisst Du, Edward verwaltet die ganzen Akten unserer Loks und Waggons und bearbeitet sie. Wenn Du also etwas wissen willst, geh am besten zu ihm.”

“Alles klar.”

“Du kannst dich da an den Tisch setzten und sie ansehen.” fuhr Mrs. Alpa fort, während der Assisstent wieder das Büro verliess. Casey nickte und liess sich an dem kleinen Ecktisch nieder. Er schlug den Aktendeckel auf.

Auf der ersten Seite befanden sich die “Personalien” der kleinen Dampflok. Wo sie gebaut wurde und wann. Der Junge begann zu rechnen. Rusty war erst achtundzwanzig Jahre alt, wenn er sich nicht verrechnet hatte. Auch zwei Fotos waren vorhanden. Eines im Humanoid-und das andere im Maschinenmodus. Sein Gesicht wirkte auf dem ersten Foto noch jünger.

“Herkunftsland: Amazonien?-Es stimmt also. Rusty wurde nicht hier gebaut.” dachte Casey und las weiter. Es folgten technische Angaben über Grösse, Gewicht, Zahl der Achsen, Höchstgeschwindigkeit. und vieles mehr.

“Wow, er kann 130km spitze fahren? Für diese Geschwindigkeit ist er ausgelegt? So schnell fuhr bei mir zu Hause nur eine Dampflok. Und die war ziemlich gross.” staunte Casey. “Aber in seinem jetztigen Zustand kann er noch nicht so schnell sein. Er muss weiter trainieren, um zu seiner alten Form zurückzufinden.”

Hinter den Personalien war ein grosser Konstruktionsplan von Rusty im Maschinenmodus abgeheftet.

“Das ist der Originalplan aus dem alten Werk von Amazonien. Mr. Kelmon hat eine Zweitausfertigung in der Werkstatt. Von jeder Lok und von jedem Waggon.” erklärte Mrs. Alpa, als Casey versuchte, den Plan ohne störendes Rascheln zu entfalten.

Es folgten Reparaturberichte aus der Werkstatt und der Unfallbericht. Es waren sogar Fotos von den Schäden vorhanden.

“Oh je! Armer Kumpel! Was hast Du nur schon alles mitgemacht.” seufzte Casey.

“Ja, wir alle dachten damals, er kommt nicht mehr auf die Räder. Er war durch den Schock in den Humanoid-Modus transformiert und das machte eine Reparatur noch schwieriger. Aber er ist ein unglaublicher zäher kleiner Bursche.” erklärte Mrs. Alpa. “Und er hat so ein liebenswertes Lächeln.”

“Das stimmt.” nickte Casey.

“Blättere einmal weiter.”

Auf der nächsten Seite folgte das Dokument das belegte, das Rusty nun eine Lehrlingslok war. Es gab sogar ein Gruppenfoto von ihm, wo Rusty ihn auf seinen Armen hielt und beide in die Kamera lächelten. Der Junge erinnerte sich noch genau daran, wie das Foto entstand. Ein Abzug hing in seinem Zimmer im alten Lokschuppen an der Wand.

“Ja, ihr beide passt wirklich zusammen. Es gibt keinen besseren Lehrling für Rusty.”

“Danke, Mrs. Alpa, das ich mir die Akte ansehen durfte.”

“Gern geschehen, kleiner Lehrling.” lächelte die Sekretärin.
 

Dann war es soweit. Casey und die anderen Lehrlinge fanden sich im Prüfungsraum der Eisenbahnergilde ein. Casey war tatsächlich der Jüngste von allen. Und der Kleinste.

"Sag mal, stimmt das, das deine Lok wirklich sechs Plaketten errungen hat?" fragte einer der Lehrlinge. "Die ist doch ne Dampflok, oder?"

Casey nickte. "Warum sollte eine Dampflok nicht auch Plaketten gewinnen können?"

"Seit es die Rennliga gibt, war noch nie eine Dampflok continentaler Champion. Die moderneren Loks waren immer besser. Außerdem gab es schon damals kaum noch Dampfloks, die es mit den Neueren aufnehmen konnten."

"Ich und Rusty werden den anderen zeigen, was Dampf noch alles kann."

"Na, dann viel Glück."

"Du bist der Jüngste von uns und warst bereits auf Reisen? Hattest Du nicht Angst, so ganz alleine unterwegs zu sein?" fragte ein Weiterer der Anwesenden.

"Ich war nicht alleine. Dinah und Dustin haben uns ja begleitet. Ich sag euch, man kann verdammt viel auf so einer Reise lernen."
 

Der Ablauf war nicht viel anderes als bei seiner Aufnhameprüfung, nur waren die Fragen jetzt schwieriger und komplexer. Wie immer gab es eine gemeinsame schriftliche Prüfung und dann wurde jeder nochmal einzeln in den Raum gerufen und mündlich abgefragt.
 

"Und? Wie ist es gelaufen?" fragte Digger, als Casey zurückkehrte.

"Ich denke, ganz gut. Hab mich nur bei einer mündlichen Frage vor Aufregung verhaspelt, doch als der Prüfer nochmal nachgefragt hat, hab ich mich korrigiert. Mal sehen, wie die das bewerten."
 

Drei Wochen später standen die Ergebnisse fest und alle Prüflinge wurden noch einmal zusammengerufen. Diesmal war auch Mr. Corell anwesend.

"Zuerst einmal, ihr habt alle Bestanden." lächelte der Stationsvorsteher.

Die Lehrlinge seufzten erleichtert.

"Am besten haben Michael Wellington mit 95 von 100 möglichen Gesammtpunkten und unser Jüngster, Casey Jones, mit 94 von 100 möglichen Punkten abgeschnitten. Gratuliere!"

Der Junge wurde ganz verlegen, als alle Blicke auf ihn gerichtet war.

"Ist ja klar. Wer so eng mit Loks und Waggons zusammenlebt, lernt leichter." meinte Wellington.

"Aber Du bist trotzdem besser als ich." lächelte Casey.

"Ihr erhaltet eure neuen Streifen und Uniformsätze in etwa einer Woche. Von nun an beginnt euer zweites Lehrjahr. Mr. Pudd wird euch gleich eure neuen Lehrbücher aushändigen. Euer Lehrberichtsheft führt ihr weiter wie bisher."
 

"Hohoho! Ich habs ja gewusst! Unser Kleiner ist unschlagbar! Und sogar noch zweitbester bei der Prüfung!" lachte Pop dröhnend und hob Casey hoch über seinen Kopf.

"Ja, Casey lebe hoch!" rief Digger.

Später kamen auch Dinah und einige der anderen Waggons vorbei um zu gratulieren.
 

"WAS? Bestanden? Und sogar Zweitbester?" rief Greaseball, als Iron ihm die Nachricht überbracht hatte und stiess einen saftigen Fluch aus!

"Big G...ich frage mich gerade, was eigentlich aus Red Caboose geworden ist. Ich habe gehört, das er zuletzt versucht hat, im torroischen Delta dem Bengel in die Quere zu kommen." murmelte Iron.

"Was geht mich dieser Versager an! Der kann von mir aus bleiben, wo der Pfeffer wächst!" fauchte der große Diesel und hieb mit seiner Faust wütend gegen die Mauer, neben der er stand, sodass der Putz abbröckelte.
 

Zur gleichen Zeit, in Technopolis....
 

In einem streng bewachten Bereich der Entwicklungsabteilung für Schienenfahrzeuge sass eine Gruppe Ingineure an ihren Computern. Sie gaben Daten ein oder bearbeiteten sie. Auf den Monitoren waren Konstruktionsgrafiken einer Lok und mehrerer Waggons in dreidimensionaler Abbildung zu sehen, im Maschinen –und Humanoid-Modus.

Jetzt erhob sich einer der Konstrukteure und alle sahen von ihren Geräten auf.

“Werte Kollegen, wir haben es geschafft. Die Entwicklungsphase unserer neuesten Baureihe von Zügen ist abgeschlossen. Serie 2065-00 kann in Produktion gehen.” verkündete der leitende Ingineur.

“Diese Baureihe ist unsere bisher grösste Errungenschaft!”

Zufrieden betrachteten die Entwickler und Konstrukteure ihre neuesten Schöpfungen auf dem grossen Hauptmonitor. 3-D Modelle von fünf Schienenfahrzeugen bekamen eine “Haut” und nahmen endgültige Gestalt am PC an.

“Bald werdet ihr über unsere Gleise rollen, besser und schneller als jemals zuvor. Project “Electra & Components” geht nun in die entscheidende Phase.”
 

Fortsetzung folgt...

Ein stimmungsvoller Jahresausklang

Hallo!

Dies ist das letzte Kapitel des ersten Buches dieser FF. Caseys erstes Lehrjahr ist beendet und das erste Buch somit abgeschlossen. Für das zweite Lehrjahr werde ich die Fanfic neu anlegen. Es wird auch noch ein drittes Buch über Caseys drittes Lehrjahr geben. So ist es jedenfalls geplant. Genaue Titel sind noch nicht bekannt, sie werden aber ähnlich sein. So und nun wünsche ich viel Spaß´beim Lesen, wenn noch welche hier sind, die sie lesen. Ein abschließendes Kommi wäre nicht schlecht.

23. Ein stimmungsvoller Jahresausklang
 

“Hallo, Jungs! Ich hoffe, ich störe nicht?” Mr. Kelmon, der Betriebsmeister, betrat den Lokschuppen.

“Hallo, Joey! Nein, Du störst nicht.” lächelte Digger. "Wir sind gerade mit dem Mittagessen fertig."

“Das soll ich Dir von Mr. Corell geben.” sagte der Betriebsmeister und reichte Casey einen Beutel.

“Hey, meine neuen Abzeichen! Die sind jetzt alle rot.”

“Genau. Und das ist auf dem ganzen Kontinent gleich. Egal aus welchem Land ein Lehrling kommt. So erkennt man sofort, in welchem Lehrjahr er gerade ist.”

“Dinah näht sie Dir bestimmt später an deine Uniformen, wenn sie von ihrem Dienst zurückkommt.” bemerkte Digger.

"Ich werde sie nachher fragen gehen."

“Bist Du nur gekommen um die neuen Lehrlingsstreifen vorbeizubringen, Joey?” fragte Pop. “Nein, ich bin aus eigentlich aus einem ganz anderen Grund hier. Es ist mal wieder Zeit für Rustys “HU”.

“HU”?” wurnderte sich der Junge.

“Hauptuntersuchung.”

Im selben Moment ertönte aus der ganz rechten Box ein missmutiger Laut. “Maaannnn!!”

“Dem Kleinen scheint das nicht so zu gefallen.” grinste Digger.

“Das kenne ich. Bei mir zu Hause müssen auch alle Loks und Waggons irgendwann den grossen Check-up machen.” bemerkte Casey.

“Vorschrift ist alle drei Jahre. Wegen der Sicherheit.”

“Und wann sollen wir uns im Betriebswerk einfinden?”

“Morgen um 9 Uhr. Die HU erfolgt im Maschinen-und Hummanoid-Modus.”
 

“Oh Mann! Das letzte Mal bin ich mit Ach und Krach durchgekommen! Sonst wäre ich ausser Dienst gestellt worden!” erzählte Rusty später am Abend, während Dinah auf einem Hocker sass und die neuen Streifen auf die Kleidung nähte.

“Aber jetzt siehst Du doch viel besser aus. Dein neuer Anstrich ist fast vollständig. Nur noch im oberen Bereich. Und den machen wir so bald wie möglich fertig. Ich werde gleich morgen mit Mr. Kelmon darüber reden. Er hatte bis jetzt immer so viel zu tun und die Werkstatt war immer voll. Aber in unsere nächste Reise startest Du vollständig lackiert.”
 

Pünktlich um neun Uhr fanden sich Lok und Lehrling in der Werkstatt ein.

"Schön siehst du jetzt aus mit deinen neuen Streifen."lächelte der Werkstattmeister.

"Gestern konnte ich auch meine neuen Uniformsätze abholen. Und meine alten Klamotten werden mir tatsächlich langsam zu klein. Auch meine Inliner musste ich größer stellen. Zum Glück ist das möglich, aber wenn ich über Schuhgröße 38 hinauswachse wirds schwierig."

"Rusty, komm her, wir wollen anfangen. Transformiere in den Maschinenmodus." sprach Mr. Kelmon. "Und zwar hier über dem Untersuchungskanal."

"Kann ich ihnen irgendwie zur Hand gehen, Mr. Kelmon?"

"Sollst Du auch. Ich muss dich auch in einige neue Dinge einweisen. Du sollst in Zukunft auch anspruchsvollere Reparaturen durchführen können, nicht nur an Dampfloks. Und nenn mich Joey."

"Alles klar."

"Jeder Lokführer muss ein gewisses Maß an Fertigkeiten erwerben, um Schäden selbst beheben zu können, wenn er unterwegs ist. Das gillt besonders für dich, da Du ja wieder auf Reisen gehen willst."

Beide stiegen die Stufen hinunter in den Untersuchungskanal.

"Jetzt kannst Du Rusty auch mal von unten sehen." erklärte Mr. Kelmon.

"Wow...sieht echt verwirrend aus."

"Das ist nur am Anfang. Mit der Zeit kriegst Du ein Gefühl für die ganzen Teile. Nimm Dir deshalb öfters auch mal die Pläne zur Hand. Ich habe hier eine Kopie des Originals, in die du immer wieder Einsicht nehmen kannst. Außerdem werde ich dafür sorgen, das Du auch eine Kopie von Rustys Plan bekommst, wenn Du wieder auf Reisen gehst. Dann haben es die anderen Werkstattmeister einfacher."

"Stimmt."

"So und nun fangen wir an."
 

Gut eine halbe Stunde dauerte die Inspektion der Unterseite von Rusty.

"Sieht gut aus. Achsen und Räder sind noch okay, ebenso die Treibstangen. Aber von unten müsste er auch mal gereinigt werden. Es gibt da ein paar Stellen, wo man von der Seite schlecht hinkommt."

"Oh nein..." war Rustys Kommentar zu vernehmen.

Mit einem Hochdruckreiniger wurden die schwer erreichbaren Stellen gesäubert. Dabei ging immer wieder ein Ruck durch die kleine Dampflok.

"Das gibts doch nicht! Der ist da unten kitzelig." grinste Casey kopfschüttelnd.

"Das sind die meisten Loks und Waggons. Aber nur eine gründliche Reinigung erhält oder erhöht sogar die Laufleistung."

Nach der Spezialreinigung ging es oben weiter. Mr. Kelmon nahm wirklich jedes Teil der Lok genau in Augenschein. Vier Muttern, eine Druckluftanzeige und sechs Schrauben mussten erneuert werden, außerdem ein Scharnier der Rauchkammertür, da es schon zu sehr verrostet war.

"Wär ja schlecht, wenn während der Fahrt die Tür abfallen würde." meinte Mr. Kelmon, als er zusammen mit Casey die Reparatur durchführte.

Zwei Stunden später war dann die Begutachtung der Außenhülle dran.

“Für den Anstrich müssen noch die kleinen Flächen hier vorne noch bearbeitet und grundiert werden. Aber hier-“Mr. Kelmon zeigte auf ein Stück im hinteren Bereich-“hat sich der Rost schon zu sehr durch die Verkleidung gefressen. Dieses Stück müssen wir erneuern.”

“Und das bedeutet?”

“Das defekte Stück Stahlblech wird enfternt und durch ein Neues ersetzt. Und das bedeutet Schweiss-und Nietarbeiten.”

“Oh-oh! Das wird Rusty gar nicht gefallen!”

“Schweissen? Vergesst es! Und schon gar nicht da unten! Ich bin da sehr empfindlich!”

“Rusty! Im Maschinenmodus spürst Du doch so gut wie gar nichts!” Also stell dich nicht so an!” meinte Mr. Kelmon. "Wir reparieren das gleich und dann sind wir mit der Untersuchung im Maschinenmodus fertig. -Doch zuerst wollen wir uns stärken. Es ist bereits Mittag."

Das Mittagessen nahmen sie zwischendurch kurz in einem Nebenraum der Werkhalle ein. Einer von Mr. Kelmons Lehrlingen übernahm immer wieder die Aufgabe des Essenholens aus der großen Kantine. Rusty harrte brav aus, bis die Arbeiten an ihm forgesetzt werden konnten.

"Und fertig. Bald hat der Rost bei Dir keine Chance mehr." sagte der Werkstattmeister schließlich und schaltete das Schweißgerät aus.
 

Rusty transformierte wieder in den Humanoid-Modus, drehte seinen Oberkörper und sah von hinten an sich herab.

“Was hast Du denn, Rusty?-Moment mal, das was wir ersetzt haben...sitzt das Teil etwa da wo ich denke?”

Rustys Gesicht lief dunkel an und er drehte sich schnell wieder nach vorne.

Casey musste sich sehr zusammennehmen um nicht laut loszuprusten.

“Heisst das, das kaputte Teil sass an deinem....Hintern?”

“Casey!” fauchte Rusty gereizt.

“Schon gut. Sorry, Kumpel. Das ist so, als hättest Du ein Loch im Hosenboden gehabt.”

"Oh mann, Kleiner, das muss Dir doch nicht peinlich sein." meinte Mr. Kelmon kopfschüttelnd.

"Mrm!" knurrte Rusty nur und verschränkte die Arme.
 

Dann kam der Check-up im Humanoid-Modus.

“Mach deinen Mund auf, Rusty...noch etwas mehr...”

“Mähr gneth nich” nuschelte die kleine Lok. Mr. Kelmon leuchtete in den Rachen.

“Zähne ok....Rachen ok. –Die Augen....ist alles gut verheilt. Keine Narben. Jetzt testen wir deine Sehkraft. Und dann das Gehör.”

Auf einer Tafel musste Rusty nun wie beim Augenarzt Symbole, Buchstaben und Ziffern benennen.

"Sehr schön. Alle Sinne okay. Jetzt noch deine Gelenke und dein Fahrgestell."
 

Rusty war heilfroh, als die Untersuchung abgeschlossen war.

"Bravo! Du bist in viel besserem Zustand als beim Letzen Mal! Eine Verbesserung um fast siebzig Prozent! So viel ist bei Dir schon lange nicht mehr instand gesetzt worden!"

"Das meiste hat Casey unterwegs gemacht. Zusammen mit den Werkstattmeistern."

"Ich habe die Berichte gelesen. Diese Reise hat Dir sehr gut getan, mein Kleiner. Und zum Abschluss will ich noch sehen, wie schnell Du jetzt fahren kannst."
 

Gemeinsam fuhr Rusty im Maschinenmodus mit Mr. Kelmon und Casey hinaus auf eine freie Strecke, wo die kleine Dampflok mit voller Leistung beschleunigen konnte. Dabei beobachtete der Meister genau jedes Messintrument und jede Anzeige im Führerhaus.

"Er läuft viel ruhiger als früher. Und sogar leiser. Und schnell und ausdauernd ist er geworden. Man merkt wirklich, das jetzt viel mehr Kraft hinter seinen Bewegungen steckt. Früher ist er manchmal einfach immer wieder langsamer geworden oder sogar stehengeblieben, weil er keine Puste mehr hatte." erklärte er.

"Hörst Du, Rusty? Du hast dich gewaltig gesteigert." lobte Casey.

"Und nun halten wir hier. Ich will sehen, was Du im Humanoid-Modus leistest. Der ist ja für die Rennen wichtig."
 

Zischend kam die kleine Lok zum Stehen und ließ Dampf ab. Casey und der Werkstattmeister stiegen aus und Rusty transformierte.

"Okay, Kleiner. Du läufst jetzt die gerade Strecke bis zum nächsten Signal und wieder zurück. So schnell Du kannst. Ich will dich jetzt richtig rennen sehen! Zeig mir, wie Du deine bisherigen Plaketten errungen hast!"

Rusty nickte.

"Auf mein Zeichen. Achtung-Los!!"

Mr. Kelmon betätigte die Stoppuhr und die kleine Dampflok spurtete los.

"Hey, wie der abzischt! Unglaublich! Bin ich gar nicht von ihm gewöhnt!"

"Sie werden staunen, was Rusty für Fortschritte gemacht hat."

In kürzester Zeit hatte Rusty die Strecke zum Signal zurückgelegt, wendete und flitzte zurück.
 

Keiner ahnte, das sie von einem dunklen Augenpaar beobachtet wurden.

Red Caboose lag oberhalb der Gleise auf der Böschung im Gras und hatte gefaulenzt, als er die Stimmen erkannt hatte.

"Ich fass es micht! Der Bengel mit dem Werkstattmeister- und der Rosteimer! Grr..und rostig ist er so gut wie gar nicht mehr! Und wie schnell der geworden ist! Wenn der so weitermacht, kommt der noch in die Oberliga!" knurrte er, während er hinter den Stäuchern auf der Lauer lag und das Gleis unter sich beobachtete. Dann fiel ihm etwas ein. Rechts von ihm lagen einige Baumstämme aus dem nahen Wald aufgestapelt. Einer davon lag daneben am oberen Rand der Böschung und war nicht durch Pfähle gesichert. Ein böses Grinsen stahl sich auf Red Cabooses Gesicht.

"Dann wollen wir dich mal ein wenig abbremsen..."

Rusty jagte im vollen Lauf auf Casey und Mr. Kelmon zu. Der Wind zauste seine Haare und der kleinen Lok machte es inzwischen keinerlei Mühe, solch ein hohes Tempo länger zu halten. Plötzlich erfüllte ein Poltern die Luft. Ein dicker Baumstamm rollte und sprang die Böschung hinunter! Und er würde auf ihn prallen, wenn er nicht sofort abbremste.

"Rusty! Pass auf!" schrie Casey warnend.

"Zu spät! Er wird mit dem Stamm zusammenstoßen!"

Doch plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Rustys Augen wurden plötzlich für Sekunden leuchtnd weiß und pupillenlos. Der Stamm unterdessen rollte über einen Felsen und flog auf die kleine Dampflok zu! Rusty stieß einen Schrei aus, riß den rechten Arm, Puffer voran hoch und vor das Gesicht und ballte die Fäuste. Ein berstendes Krachen ertönte, Holz splitterte. Der Stamm brach mitten durch, beide Hälften stürzten neben das Gleis, Holzsplitter regneten durch die Luft. Und Rusty rollte unversehrt weiter!

Casey und Mr. Kelmon konnten nur noch sprachlos starren.

"Er...er hat..."

"Den Stamm mit einem Puffernschlag und seinen Fäusten durchgehauen! Das Ding war mindestens vierzig Zentimeter dick!"

Rusty hatte inzwischen abgebremst und war in die Knie gegangen. Die kleine Lok sah zurück und verstand selbst nicht, was gerade geschehen war.

"Hab..ich...gerade....den..Stamm durchgeschlagen..?"

"Rusty! Bist Du verletzt?" rief Casey besorgt und kam atemlos neben seinem Lokpartner zum stehen.

"Ich glaube nicht...." murmelte die Dampflok verwirrt.

"Kleiner, seit wann bist Du so stark geworden? Deine Arme sind blitzschnell hochgeschossen, Du hast nur einmal ausgeholt und das Ding war entzwei! Und der Schrei den Du ausgestoßen hast, war kein Angstschrei... er klang wild und entschlossen."

"Ich...ich weiß gar nicht, was ich gemacht habe...das ging so schnell... Bestimmt ist der Stamm innen total morsch."

"Das werden wir gleich haben." meinte Mr. Kelmon. Rusty erhob sich und folgte ihm.

"Und Dir tut wirklich nichts weh?"

"Nein, Casey." schüttelte Rusty den Kopf.

Der Werkstattmeister untersuchte die beiden Teile des geborstenen Baumstammes.

"Da ist nichts vermodert oder morsch. Wenn der dich getroffen hätte, hättest Du jetzt eine ganz schöne Beule! Und Du hast so schnell zugeschlagen...zeig mal deine Arme."

Mit geübten Griffen tastete Mr. Kelmon die Arme der Lok ab. Rusty zuckte nicht einmal zusammen.

"Kleiner, Du versetzt mich nur noch in Erstaunen! Du willst wohl Greaseball einholen?"

"Unsinn! Das war sicher nur Zufall..."

"Rusty! Hat Dir das etwa Espresso beigebracht?" fragte Casey.

"Hat er nicht! Ich..ich weiß nicht, was das war...als hätte sich irgendeine verborgene Kraft plötzlich in mir aktiviert...."

"Das ist vielleicht eine reine Schutzreaktion. Sie tritt wohl nur in höchster Gefahr zu Tage." meinte der Werkstattmeister.

"Aber warum erst jetzt? Warum nicht schon früher?"

"Vielleicht liegt es an deinem neu gewonnenen Selbstvertrauen."

"Oder in Rusty schlummert wirklich was Größeres..."
 

Fluchend hieb Red Caboose mit seiner Faust in den Boden.

"Arragh! Bremssand und Altöl! Ich hatte ihn fast! Und seit wann ist der so stark geworden?-Besser ich kratze die Kurve, bevor die mich noch sehen!"

Langsam zog sich der rote Bremswaggon kriechend rückwärts zurück bis er nicht mehr gesehen werden konnte und eilte dann zu seinem Versteck zurück.
 

"Der Stamm muss sich da oben gelöst haben. Vielleicht durch die Vibrationen, die Rusty beim Fahren erzeugt hat." bemerkte Mr. Kelmon und sah die Böschung hinauf, wo der Stapel Stämme teilweise zu sehen war. "Überprüfen wir das besser mal, nicht das sich noch mehr lösen."

Oben auf der Böschung fanden Mr. Kelmon und Casey sehr schnell heraus, warum der Stamm ins Rollen gekommen war.

"Der lag gar nicht auf dem gesicherten Stapel. Sondern daneben. Im Gras sind noch deutlich Spuren zu sehen. Auf jeden Fall droht vom Rest keine Gefahr. Lass und zurückfahren."
 

Zurück im Betriebswerk, füllte Mr. Kelmon noch die Untersuchungsunterlagen aus.

"Gratuliere Rusty! Du hast keine Mängel mehr, alles in bester Ordnung."

"Danke, Meister. Wenigstens muss ich jetzt keine Angst mehr haben, außer Dienst gestellt zu werden." seufzte die kleine Lok.

"Das wirst Du sicher nicht. -Und was den restlichen Anstrich betrifft, kommt in zwei Tagen vorbei, dann machen wir ihn fertig."

"Alles klar." nickte Casey.
 

Pop und Digger staunten nicht schlecht, als Casey ihnen von dem Zwischenfall erzählte.

"Sein Reaktionsvermögen muss sich ganz schön verbessert haben. Ich hätte das zu gerne geshen!" sagte Digger.

"Und ich möchte dich auch mal so richtig rennen sehen! Du hast mir nämlich noch gar nicht gezeigt, wie schnell Du geworden bist, mein Kleiner." lachte Pop.
 

Zwei Tage später war es dann soweit. Die letzten rostigen Stellen wurden bearbeitet und lackiert. “Und nun...” Casey vollführte den letzten Pinselstrich wie ein Ritual.” ...bist Du endlich fertig.”

Er trat zurück und ging langsam um die Lok herum.

"Er ist wieder so wie am ersten Tag, als er zu uns kam. Ein prächtiger Anblick, ihn wieder in tadellosen Anstrich zu sehen." lächelte Mr. Kelmon." Dann transformiere mal, Kleiner."

Rusty folgte der Aufforderung und rollte vor eine spiegelnde Fläche.

“Toll! Wieder überall glänzend schwarz und mein rotes Fahrgestell....So kann ich mich jetzt wenigstens überall sehen lassen. Vor allem nach Elektanis hätte ich mich nicht halbrostig getraut. Ich danke euch beiden, aber vor allem Dir, Casey, für die Mühe, die Du dir mit dem Anstreichen gegeben hast.”
 

Zwei Gleise weiter stand Greaseball in der großen Halle. Teile an seinem Fahrgestell mussten erneuert werden und ein Abluftgitter, das sich halb gelöst hatte.

"Grmbl! Jetzt ist er wirklich kein Rosteimer mehr! Aber glaub nicht, das mich das beeindruckt, Teekessel!" grollte er in sich hinein. "Rußige Dampflok bliebt rußige Dampflok!"
 

Am meisten freute sich natürlich auch Pop, das sein Schützling nun wie am Tag seiner Ankunft aussah.

"Jetzt musst Du dich für nichts mehr schämen! Und ich habe gehört, Mr. Corell will dich jetzt auch mehr für den Personenverkehr einsetzen. Viele Leute mögen es noch immer, mit einer Dampflok zu fahren." sagte er.

"Das wäre toll! Das ewige Rangieren hängt mir schon zur Feuerbüchse raus!"
 

Das Jahr neigte sich langsam dem Ende zu und es war noch frostiger geworden. Beinahe jeden Morgen lag nun Rauhreif auf dem Gras und den Bäumen. Und Rustys Dampfwolken traten nun in der kalten Luft besonders imposant zu tage. Manchmal war er fast gänzlich in seinen weißen , wabernden Dampf eingehüllt. Rusty tat nun vermehrt seinen Dienst auf einer Nebenstrecke mit unzähligen kleinen Bahnhöfen. Am Haken hatte er meistens vier oder fünf Personenwaggons, manchmal begleitete sie auch ein Rocky oder ein anderer Güterwaggon, wenn auf den Bahnhöfen Stückgut abzuholen war. Neben dem Personenverkehr gab es auch immer wieder Frachttransporte zu erledigen.

Mit Freude stellte Casey fest, das die kleine Dampflok mit der Zeit immer mehr Fans bekam, die lieber mit ihm als Zuglok fahren wollten, als mit einem der Diesel. Denn Rusty war genauso püntktlich und schaffte die zulässige Höchstgeschwindigkeit für die Nebenstrecke ohne Probleme. Das wurmte natürlich Steel und die anderen.

"Und wir können gar nichts dagegen machen! Mr. Corell hat neuerdings ein Auge auf uns geworfen! Wenn wir den Teekessel noch mal ärgern, könnten wir ne Menge Ärger kriegen!" knurrte Steel.

"Das ist wahr. Sollte dem Dampfeimer was passieren, fällt der erste Verdacht gleich auf uns!" grollte Greaseball.

"Dann dürfen wir nicht mal unsere Freunde anstiften, dem Dampfer einen Streich zu spielen?" fragte Pewter.

"Nicht mal mehr das!"

"Oh menno!" maulten die Zwillinge.
 

Eines Abends nach getanem Dienst rief der alte Pop den jungen Lehrling in seine Stellbox.

“Schau mal, Casey. Das wollte ich Dir zeigen.”

In einer Ecke hing ein altes eingerahmtes Foto in der Wand, daneben eine Plakette.

“Erster Sieger beim grossen Finalrennen? Du bist selber auch mal Rennen gelaufen?”

“Ja, aber das war vor langer langer Zeit. Über achzig Jahre ist das schon her. Damals gab es diesen ganzen Ligakram noch gar nicht. Es wurde einmal die schnellste Dampflok des Kontinennts gesucht. Ich habe mitgemacht und alle anderen hinter mich gelassen. Man nannte mich damals den “Rasenden Pop McCoy”. Johnson McCoy war der Mann, der mich konstruiert hat.”

“Cool! Hät ich nicht von Dir gedacht. Weiss Rusty davon?”

Der alte Pop nickte. “Aber er hat es sicher wieder vergessen.” meinte er.

“Nein, habe ich nicht.”

“Rusty!”

Die kleine Lok war im Eingang der Stellbox erschienen.

“Ich habe dich dafür immer bewundert, Pop. Ich wollte einmal so werden wie Du. Auch gegen andere meiner Art ein Rennen laufen. -Doch dann kam dieser Unfall und es gab ja auch fast keine Dampfloks mehr. Wie sollte ich da noch eine Chance haben? Mein Zug war abgefahren.”

“Aber wir sind nun auf einen anderen Zug aufgesprungen. Einem Erfolgszug.” meinte Casey.

"Na hoffentlich bleibt das auch."

"Immer noch Pessimist, wie?"

"Vor allem, um weiterzukommen, müssen wir noch mal gegen Espresso antreten."

"Du hast doch nicht etwa Angst vor ihm?"

"Das nicht, aber der Unfall hat sich in mein Gedächtnis gebrannt."

"Dann suchen wir einen anderen D-Ligisten, wenn Du nicht gegen ihn laufen willst. Ich werde dich zu nichts zwingen."

"Nein, Casey. Trotz allem, kneifen werd ich nicht! Ich versuche es noch einmal. Aber ob ich gegen Espresso gewinnen kann, weiß ich nicht."

"Das werden wir nächstes Jahr sehen. Das Du aber neuerdings Baumstämme zertrümmern kannst, gibt mir Anlass zu guter Hoffung. Du bist stark, aber Du kannst diese Kraft noch nicht bewusst einsetzen."
 

Als Casey am nächsten Morgen die Bahnhofshalle betrat, erlebte er eine Überraschung. Auf Gleis 1 stand eine elegante stromlinienförmige Lok mit einem dazu passenden Waggon.

"Wow, wo kommt denn die Lok her? So eine habe ich auf meinen Reisen noch nie gesehen. Obwohl...die Bauart kommt mir irgendwie bekannt vor...."

Im selben Moment glitt die Tür des Waggons auf.

Casey blieb stehen und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Aus dem Waggon stiegen gerade zwei Menschen, ein Mann und eine Frau in exotischer Kleidung. Der Mann trug eine perfekt sitzende dunkelblaue Lokführeruniform mit weißen Handschuhen.

“Ich fass es nicht! Japaner? Dann kann der Zug nur ein Shinkansen sein! Das es den hier auch gibt..."

Bei den beiden Neuankömmlingen handelte es sich wirklich um Asiaten. Casey überlegte, ob er zu ihnen gehen sollte, um sie zu begrüßen, doch dann entdeckte er zwei Gleise weiter Buffy und Ashley, die sich für die Abfahrt bereitmachen wollten. Er lief auf sie zu.

“Hallo Buffy! Habt ihr auch die weiss-blaue Lok gesehen? Ist das ein neuer Herausforderer?”

“Ja, Schneckchen. Das ist Honda Hashamoto aus dem Kaiserreich Edo.” lächelte das Waggonmädchen.

“Genau. Und-kch-kch-sein Waggon heisst Suzukiku. Auch der Kaiserwaggon genannt. Kch!” antwortete Ashley mit ihrer kratzigen Stimme.

"Da, schau! Jetzt transformieren Beide gerade."

“Edo....so heißt das Land aus dem sie stammen? In meiner Welt gibt es ein Land in dem es fast die gleichen Leute und Züge gibt. Das ist echt interessant. Aber ich hätte es ahnen sollen. Schon der Name. Hashamoto...er ist in der B-Liga." erinnerte sich Casey an die Daten im Ligahanndbuch. "Na ja...warum soll es nicht auch Gemeinsamkeiten zwischen meiner und dieser Welt geben..."

“So Zuckerstückchen, wir müssen! Hier, für dich.” lächelte Buffy und steckte Casey schnell einen Schokoladenriegel in die Brusttasche. Ein verschmitztes Augenzwinkern, dann war sie auch schon mit den anderen Waggons transformiert.

“Danke, Buffy!”
 

Die beiden Fremden besprachen sich mit der Lok und begannen sich dann umzusehen. Casey entschied sich nun doch, die Neuankömmlinge zu begrüßen, da gerade kein anderer Lokführer in der Nähe war. Denn das gehörte auch bereits zu seinen Aufgaben. Also ging er noch etwas verunsichert auf die kleine Gruppe zu und versuchte eine Verbeugung.

"Ich heiße sie in Kommoran herzlich willkommen. Mein Name ist Casey Jones. Kann ich Ihnen irgedwie behilflich sein?"

Die Anwesenden lächelten und erwiderten die Verbeugung.

"Wir danken Dir für die freundiche Begrüßung, junger Lehrling. Du scheinst die Gepflogenheiten bei uns in Edo zu kennen."

"Ein bischen." lächelte Casey verlegen.

“Mein Name ist Yoshimoto Kazuga und das ist Shika. Sie ist eine Miko. Eine Priesterin, die bei uns die heiligen Schreine hütet.”

Casey nickte verstehend. Er hatte zu Hause schon viele Fernsehberichte über Japan gesehen. Es gab wirklich viele Gemeinsamkeiten.

"Kannst Du uns sagen, wie wir zum Büro des Stationsvorstehers kommen? Wir wollen gegen den Favoriten von Kommoran antreten.” sprach Mr. Kazuga "Honda Hashamoto ist unser Favorit. Und Suzukiku Inabi ist seine Waggonpartnerin."

"Es freut mich, euch beide kennenzulernen." sagte Casey höflich.

Lok und Waggonmädchen verneigten sich lächelnd.

"Ich werde sie jetzt zum Büro des Stationsvorstehers bringen."

"Wir folgen Dir, junger Lehrling."
 

Honda und Suzukiku sahen den dreien nach.

"Ich habe selten einen solch höflichen und ehrenwerten jungen Lehrling außerhalb unseres Reiches gesehen." sprach das Waggonmädchen.

"Das ist wahr." nickte Honda.
 

Nach den üblichen Formalitäten beauftragte Mr. Corell Casey, den Gästen Ihr Quartier zu zeigen.

"Ich fahre mit meiner Lehrlok auch Ligarennen."

"Darf ich fragen, wie viele Plaketten ihr schon errungen habt, Casey-san?" fragte Honda.

"Sechs."

"Ho! In deinem ersten Lehrjahr? Und was für eine Lok ist dein Partner?"

"Eine Dampflok. Ihr Name ist Rusty."

Honda zog eine erstaunte Miene.

"Du hast einen ehrenwerten alten Samurai als Partner?"

"Hehe, so alt ist Rusty gar nicht. Er ist eine der jüngsten Dampfloks. Aber ein Kämpfer ist er." lächelte Casey verlegen.

"Ich würde deine Lehrlok gerne kennenlernen."

Man einigte sich darauf, das Casey mit Rusty am Abend vorbeisehen würde.
 

Später, als er und Rusty auf ihrer Strecke unterwegs waren, erzählte der Junge der Lok von seiner neuen Bekanntschaft.

"Aus Edo? Na hoffentlich schlägt der Greaseball! Er hätte es mal wieder verdient! Die Schmalzlocke hat in letzter Zeit zu oft keinen Herausforderer gewinnen lassen, hab ich von Happy gehört!"

"Honda hat gute Chanchen. Ein Shinkansen ist ziemlich schnell."

"Shinka-was?"

"So nennen wir die Hochgeschwindigkeitszüge aus Japan in meiner Welt."

"Ich hoffe nur, er wischt Grease eins aus!"
 

Am Abend machten sich Rusty und Casey auf dem Weg hinüber zum Gäste-Lokschuppen.

"Und sei ja höflich! Blamier mich nicht!" zischte der Lehrling.

"Hey, ich weiß, wie man sich benimmt!"

"Shhht!"

Gerade wurde eines der Tore von Honda aufgeschoben. Die weiß-blaue Lok verbeugte sich und sprach:" Sei gegrüßt, Casey-san."

"Guten Abend, Honda. Das hier ist Rusty, meine Lehrlok."

"Es freut mich, dich kennenzulernen."

"Ganz meinerseits."

Rusty versuchte, Hondas Verbeugung zu erwiedern.

"Tretet ein, meine Freunde."

Nachdem Rusty allen vorgestellt wurde, nahm man gemeinsam am Tisch platz.

Shika hatte Tee gekocht und man begann zu erzählen. Honda und die anderen staunten nicht schlecht, als Casey von seinen Reisen mit Rusty erzählte.

"Ihr Beiden habt bereits eine Menge in deinem ersten Lehrjahr erlebt." bemerkte Mr. Kazuga.

"Das stimmt. Und ich habe vor, nächstes Jahr nach Edo und Elektanis zu reisen."

"Es wäre eine Freude, wenn Du uns besuchen würdest."

"Und wir werden gegeneinander laufen." lächelte Honda zu Rusty.

"Uh-kein Problem. Wann ist eigentlich dein Rennen gegen Greaseball?"

"Morgen nachmittag um 14 Uhr."

"Wir werden da sein und euch anfeuern." sagte Casey.

"Nimm dich nur vor Grease in acht! Er hat ein paar üble Tricks auf Lager." mahnte Rusty.

"Ich auch." lächelte Honda.

"Echt? Es wäre nämlich toll, wenn Du dem Angeber eins auswischen könntest."

"Ihr beide seid wohl nicht gerade die besten Freunde."

"Kann man wohl sagen! Spinnefeind sind wir!"

"Dampf-und Dieselloks stehen hier etwas auf Kriegsfuß." lächelte Casey verlegen.

"Weil Greaseball immer anfängt!" knurrte Rusty.

"Danke für den Tipp. Aber ich mache mir keine Sorgen." lächelte Honda.
 

Zehn Minuten vor vierzehn Uhr lief Rusty mit seinem Zug im Hauptbahnhof ein.

"Wir sind noch rechtzeitig. Drüben auf dem Bahnsteig von Gleis 16 a und b haben sich schon alle versammelt!" sagte Casey, als die kleine Dampflok transformiert hatte.
 

Unter den Zuschauern befanden sich auch Dinah und Dustin.

"Hallo, Freunde! Lange nicht mehr gesehen!" rief Casey.

"Rusty! Casey! Geht es euch gut?" fragte das Waggonmädchen.

"Alles Bestens." nickte der junge Lehrling.

Dinah musterte die kleine Dampflok von oben bis unten.

"Es stimmt also wirklich, was ich von den Dieseln gehört habe. Du siehst phantastisch aus mit deiner vollständigen Lakierung." lächelte sie.

"Ich fühl mich so auch viel wohler."

"Das merkt man. Du siehst gesund und kräftig aus."

Rusty lächelte verlegen über das Kompliment.

"Und wie gehts euch so?" fragte Casey.

"Wir verrichten unseren Dienst wie gehabt. Grease zeigt mir immer noch die kalte Schulter und das ist mir auch recht so!" antwortete Dinah.

"Wenn man vom Teufel spricht...da kommt er gerade." bemerkte Rusty grimmig.
 

In seiner wie immer großspurigen Art, rollte der Diesel ein. Happy war hinter Ihm angekuppelt, aber ihr Lächeln wirkte etwas gequält, fand Casey. Cablu machte die Einweisung.

"Bitte zurücktreten, der Favorit von Kommoran und Champion des Kontinents fährt ein-Greaseball! Mit seiner bezaubernden Partnerin Happy!" rief der blaue Bremswaggon.

Dinah wandte sich ärgerlich ab.

"Red Caboose ist immer noch nicht zurückgekommen. Deshalb macht sein Bruder jetzt die Ansagen." bemerkte Dustin.

"Stimmt. Mr. Corell hat bis jetzt auch keine Rückmeldung von anderen Bahnhöfen bekommen. Der Kerl ist wie vom Erdboden verschluckt! Ich wette, er versteckt sich. Und warts nur ab, wenn wir wieder auf Reisen gehen, taucht er hunderprozentig wieder auf!" erklärte Casey.

"Dann werden wir ihn erwischen! Ich setz mich einfach auf ihn drauf und dann kann er nicht mehr weg!"rief der Tender enthusiastisch. Casey grinste.
 

"Auf Gleis 16b fährt nun ein, der Herausforderer aus Edo! Honda Hashamoto mit seiner Partnerin Suzukiku! Der Favorit Edos aus dem Hauptbahnhof von Nara hat es bisher auf 11 Siege gebracht und der Gewinn der Kommoran-Plakette würde Ihn in die A-Liga bringen! Wir dürfen also gespannt sein!" erklärte Cablu.

Honda kam mit seinem Waggonmädchen auf dem Gleis daneben angerollt und vor dem Prellbock zum Stehen. Dann verneigten sich Lok und Waggonmädchen in Richtung des Stationsvorstehers.

"Seid gegrüßt, Reisende aus Edo. Ich wünsche euch viel Glück." erklärte Mr. Corell.

Honda und Suzukiku wendeten und kamen neben Greaseball zum Stehen.

Nun reichte die Miko der blau-weißen Lok eine hölzerne Kelle, mit der sie aus einem hölzernen Bottich Wasser geschöpft hatte. Den Inhalt leerte Honda mit einer fliessenden, eleganten Bewegung auf das Gleis und in das Kiesbett rechts und links von sich.

“Was macht er da?” fragte Casey neugierig Mr. Kazuga.

“Er bringt ein Opfer für die Götter und mit dem Salz reinigt er den Startplatz. Das macht er immer vor einem Rennen, Casey-san.”

Als nächstes streute Honda Salz auf die Gleise vor sich.

“Hehe, es ist doch gar nicht glatt, was soll das?” grinste Greaseball zu Happy. Die zuckte nur mit den Schultern.

“Verstehe. Das hab ich schon mal bei einem anderen Wettkampf gesehen. Beim Sumo-Ringen.” bemerkte der Lehrling.

Der Lokführer aus Edo nickte. Aha, Sumo ist auch bei denen bekannt, dachte Casey.

Greaseball beobachtete den Fremden abschätzend bei seinen kultischen Handlungen. Er hatte auch mehr Augen für die Miko-Priesterin, welche die Schale mit dem geweihten Salz hielt.

"Bitte bereitmachen für den Start!" rief Mr. Corell dann in sein Megaphon. "Wenn die Siganale auf Grün schalten, gehts los!"

Tingle, Mr. Corells Lehrling, hielt die Fernbedienung zum Umschalten der Signale in den Händen und wartete auf das Zeichen seines Chefs. Man konnte mit ihr nur die beiden Signale steuern, alle Anderen wurden über die zentrale Leitstelle des Hauptbahnhofs bedient.

"Achtung...fertig...-LOS!"

Bei "Los" schaltete Tingle die Signale auf Grün und die beiden Kontrahenden sputeten vorwärts. Greaseball übernahm sofort die Führung, während sich Honda Zeit zu lassen schien.

"Schau genau zu, Junge. Ich glaube, von dem kannst Du noch was lernen."

"Pop? Du auch hier?"

"Hoho, ich wollte mir den weitgereisten Burschen doch nicht entgehen lassen!" lachte die alte Dampflok.

"Was soll ich von Honda lernen? Der Abstand zwischen den Beiden wird immer größer!" bemerkte Rusty.

"Klar. Weil er nich wie ein Irrer gleich mit voller Geschwindigkeit fährt. Er teilt sich seine Kraft sehr genau ein, das sehe ich."

"Pop hat recht, Kumpel." nickte Casey, den die alte Lok auf seine Schultern gehoben hatte.
 

Auch Greaseball wunderte sich.

"Hey, Grease, der Kerl bleibt immer weiter zurück!" rief Happy.

"Ts, da sieht manns mal wieder! Erst so groß tun und dann nicht mithalten können!-Hey, Edorianer! Mir wird das ganze langsam langweilig! Willst Du nicht um deine Plakette kämpfen?" höhnte der Diesel.

"Honda-chan, er fordert dich heraus." sagte Suzukiku.

"Ich habe es gehört. Wollen wir?"

Das Waggonmädchen nickte.
 

"Und jetzt holt Honda mit seiner Partnerin auf! Der Abstand wird immer geringer, noch ein bischen und er hat Greaseball eingeholt!" kommentierte Cablu das Rennen, während er den großen Monitor beobachtete.

Auch Hondas Lokführer und die Miko waren die Ruhe selbst. Als wüssten sie bereits über den Ausgang des Rennens Bescheid.
 

Bald liefen beide Gespanne auf gleicher Höhe.

"Alle Achtung! Ich dachte schon, Du holst nie mehr auf." grinste Greaseball. "Chromfaust!"

Honda reagierte auf diesen Angriff blitzschnell und blockte die Faust mit seinem Unterarm ab.

Der Diesel versuchte, noch weitere Schläge zu landen, doch Honda blockte sie jedes Mal ab und landete selbst einen gezielten Hieb gegen Greaseballs Helm.

"Tritt des blauen Kranichs!"

Suzukikus linkes Bein fuhr ausgestreckt seitlich hoch und traf die Wade von Happy. Die quietschte erschrocken auf.

"Grease! Die hat mich getreten!" kreischte das Waggonmädchen und rieb sich die Wade.

"AH!-Pass halt auf! Ich hab genug mit diesem Honda zu tun! Du kannst dich doch selber wehren, oder? Der Anhänger ist immer deine Sache, klar?"knurrte der Diesel, welcher überraschend von seinem Gegner im Genick getroffen worden war.

Wütend versuchte Happy, Ihre Kontrahendin mit der Faust zu treffen. Doch Suzukiku blockte ihre Hiebe einfach ab.

"Grr..das hat noch keiner gewagt!" grollte Greaseball.

"Einmal ist immer das erste Mal, ehrenwerter Champion!" erklärte Honda. Plötzlich entdeckte er neben dem Gleis eine Öllache. Ein verstohlendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er streckte seinen rechten Arm aus, schloß die Augen und schien sich auf etwas zu konzentrieren.

Casey glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er plötzlich zwei kleine, rundliche Ölkugeln wie Seifenblasen durch die Luft schweben sah, knapp hinter Hondas Hand.

"Rusty! Rusty! Siehst Du das! Ich weiß nicht wie ers gemacht hat, aber er hat Öl aus einer Lache zu Kugeln geformt, die er jetzt an seiner Hand hinter sich herzieht! Durch die Luft!-Da! Jetzt schleudert er sie nach vorne!" rief der Lehrling aufgeregt.

"Ich hab nichts gesehen. Wie soll er das denn gemacht haben? Er hat das Öl sicher aus seinem Tank in seine Hände geleitet. Einige Loks können das."

"Nein, ich-"

Eine Ölkugel klatschte auf das gegnerische Gleis, die andere traf das Visier seines Helms. Der Diesel stieß einen saftigen Fluch aus und wischte mit dem Handrücken über das verschmierte Visier. Als nächstes rollte er über die Lache auf dem Gleis, geriet dank seines Gewichts aber nur leicht ins schlingern.

Happy aber geriet stärker ins Schleudern, da sie um einiges leichter war, ihr rutschten die Füße weg, sie fiel nach vorne und gegen Greaseballs Rücken.

"Pass doch auf, Du dumme Gans!" fauchte der Diesel und stieß sie mit dem Ellenbogen zurück. Happy ließ erschrocken die Kuppelringe los und landete auf ihrem Hinterteil im Kiesbett des Gleises.

"Ha, Happy hats auf den Hintern gehauen!" freute sich Rusty.
 

"Das darf doch nicht wahr sein! Steh sofort wieder auf und komm her, dumme Pute!"

Ziemlich uncharmant packte Greaseball Happy am Arm und zerrte sie auf das Gleis zurück.

"Tut mir leid, ich bin auf dem Öl ausgerutscht, das der Kerl aufs Gleis hat fallen lassen! Aih! Sei doch nicht so grob!"
 

Honda hatte inzwischen den Wendepunkt erreicht, die Weiche davor sprang um und Lok und Waggonmädchen traten den Rückweg an. Zähneknirschend folgte Greaseball.

"Von dem lass ich mich nicht zum Narren halten! Jetzt gibts Beulen in seiner Hülle!" grollte der Diesel.

Schnell hatte der Champion wieder aufgeholt, faltete beide Hände über den Kopf, drehte seinen Oberkörper und ließ sie auf Hondas Schulter niedersausen.

"Doppelschlag!"
 

"Und da fällt Honda zurück! Greaseballs Doppelschlag hat ihn wohl ganz schön durchgeschüttelt." kommentierte Cablu.

"Oh nein! Er wird langsamer! Komm schon Honda!" rief Rusty. "Bitte lass nicht wieder Schmalzlocke gewinnen!"
 

"Alles in Ordnung, Honda-chan?" fragte Suzukiku unterdessen.

"Hai! Der letzte Schlag hat mich zwar voll erwischt, aber wir haben ja noch eine Überraschung."

"Hai!" nicke das Waggonmädchen lächelnd. "Er ist zwar stark, doch Stärke ist nicht alles."
 

"Mann, jetzt kriechen die Beiden nur noch! Was soll das? So schlimm kanns ihn doch nicht erwischt haben!" maulte Rusty.

"Oder er hat noch ein As im Ärmel.-Schau nur, Mr. Kazuga und Shika sind immer noch die Ruhe selbst."
 

"Nur noch etwa zweihundert Meter trennen Greaseball vom Ziel! Ich glaube, es ist jetzt schon abzusehen, wer als Erster durchs Ziel rollen wird!" erklärte Cablu. "Es ist für Honda unmöglich, jetzt noch aufzuholen!"
 

"Junbi ga dekita, Suzukiku-san?-Bereit, Suzukiku?"

"Hai!-Ja!" nickte diese.

"Turbo-Beschleunigung!"

Lok und Waggon umgab plötzlich eine helle Aura, im nächsten Moment rasten beide mit unglaublicher Geschwindigkeit vorwärts, die Räder der Lok sprühten Funken. Die Herausforderer rauschten an Greaseball vorbei-und durchs Ziel!

"Wawawas war den...das?!" rief Greaseball verwirrt. "Der ist einfach vorbeigerauscht wie ein Blitz!"

"Hast Du gesehen, Iron? Der kann nen Turbo zuschalten! Mist! Der hat "Big G" ganz schön gelinkt!" fluchte Steel, der mit seinem jüngeren Bruder dienstfrei hatte und zusah.

"Es ist unglaublich!" rief Cablu aufgeregt."Mit einer wahnsinnigen Beschleunigung hat Honda im letzten Moment Greaseball überholt und ist als erster durchs Ziel gegangen! Somit gewinnt er die Plakette von Kommoran! Meinen herzlichen Glückwunsch! Ein phantastisches Finish!"
 

"Hehe, darum hat er sich Zeit gelassen. Er hat all seine Kraft für den Schlussprint aufgespart. Sehr schlau." grinste Casey.

"So ist es, Casey-san. Deine Folgerungen sind genau richtig. Aber er braucht dafür sehr viel Energie, deshalb wendet er ihn nicht immer an. Außerdem besteht die Gefahr, das seine Stromabnehmer verglühen."

"Ich kanns nicht glauben! Den hol ich ja niemals ein, wenn der den Turbo einschaltet, sollte ich mal gegen ihn antreten!" stöhnte Rusty leise.

"Na wer weiß? Wer Baumstämme kleinkriegt, hat vielleicht auch noch irgendwo nen Turbo unter den Zylindern." lächelte Dinah und ruffelte der kleinen Lok durch das Haar.

"Sehr witzig Dinah!"
 

Greasball hatte ziemlich üble Laune, doch er musste dem Sieger gratulieren. Dann aber trollte er sich sofort in seinen Lokschuppen. Seit langer Zeit war er wieder einmal geschlagen worden. Und dies passte ihm gar nicht! Niemand durfte es wagen, ihn zu schlagen, er war der Champion!

"Ich bin reingelegt worden! Und das mir! -Und Du musst auch noch entgleisen!" wetterte er.

"Was kann ich dafür, wenn der Öl auf die Gleise sprizt? Du bist viel schwerer und kannst es kompensieren, aber ich-" klagte Happy.

"Oh, shut up! Ich will nichts mehr hören!"

Mit Tränen in den Augen verzog sich das Waggonmädchen in ihre Stellbox. Greaseball warf sich auf seine Liege und schmollte.
 

Honda bekam unterdessen seine zwölfte Plakette überreicht und war nun in die A-Liga aufgestiegen.

"Nun hast Du dich ebenfalls für das nächste Finalrennen qualifiziert." erklärte Mr. Corell.

"Ich danke Ihnen, Mr. Corell. Und ich freue mich darauf, dann gegen die Besten des Kontinentes anzutreten."
 

Am Abend gab es eine kleine Feier.

"Das war erste Sahne, Honda! Wie konntest Du so schnell am Schluss beschleunigen?"

"Durch das richtige Sammeln und freisetzen meiner Kräfte."

"Meinst Du...Rusty könnte so etwas auch lernen?"

"Das ist sehr schwierig. Man braucht einige Jahre, um solch einen Erergieschub in die richtigen Bahnen lenken zu können, Casey-san."

"Jetzt habe ich einen Grund mehr, nächstes Jahr nach Edo zu reisen. Ein Training mit Dir würde sich bestimmt für ihn lohnen."

"Ihr seid jeder Zeit herzlich willkommen."

"Ich danke Dir, Honda. "
 

Bereits am nächsten Morgen machten sich Honda und Suzukiku mit ihrer Begleitung auf die lange Rückreise.

"Bis nächstes Jahr also, Casey!" rief Honda und winkte.

"Abgemacht! Gute Heimreise!"

„Ein Finalist mehr...“ seufzte Rusty. „Und ich muss erst mal so weit kommen.“
 

Zwei Tage später...

Casey blätterte in der neuesten Ausgabe der Eisenbahnerzeitung, als er auf einen interessanten Artikel stieß.

"Rusty, hör mal. Die schreiben hier, das in Technopolis mit dem Bau einer neuen hochmodernen E-Lok und der dazugehörigen Waggons begonnen wurde. "

"Na toll, noch ein neumodischer Typ! Der fährt wohl am Ende noch selbst ohne Lokführer, was?" schnaubte Rusty verächtlich aus seiner Box.

"Diese Lok und ihre Waggons, genannt Components, sollen mit neuester Technologie ausgestattet werden, steht hier. Sie sind das Modernste, was Elektanis je hervorgebracht hat und werden den Bahnverkehr revolutionieren." zitierte Casey.

"Sag ichs nicht? Am Ende gibts keine Lokführer mehr!"

"Red doch keinen Unsinn, mein Kleiner! Eine Lok braucht immer einen Lokführer." sprach Pop, welcher in den Lokschuppen rollte.

"Richtig. Die Beiden müssen immer zusammenarbeiten. So war es schon immer gewesen und so wird es auch bleiben, egal, wie viel hochmodernen Schnickschnack die da reinbauen!" nickte Digger. "Der Eine kann einfach nicht ohne den Anderen. Es ist quasi wie eine Art Symbiose. Nimm Casey als Beispiel. Die Arbeit mit Zügen liegt ihm einfach im Blut. Glaub mir, aus ihm wird einmal ein toller Lokführer. Nur wenige wie er verstehen Loks und Waggons so gut."

"Du gehörst auch dazu, Digger. Für uns seid ihr nicht einfach Maschinen, sondern Partner-und Freunde." erklärte Rusty.

"Ein wahres Wort, mein Sohn!" dröhnte Pop.

"Wann habt ihr eigentlich wieder vor, auf Reisen zu gehen? Schon Pläne gemacht?" fragte Digger.

“Das weiss ich noch nicht. Ich möchte noch einige Zeit mit euch zusammen verbringen. Ich denke, nächstes Jahr im Frühling machen wir uns wieder auf den Weg. Ich habe vor, nach Elektanis und Edo zu reisen. Doch zuerst gehts nochmal nach Torrone, wir brauchen die siebte Plakette.”

“Dieser Hashamoto Honda hat es Dir wohl angetan, wie?”

Casey nickte. "Ich spüre, das von ihm irgendetwas Mysteriöses ausgeht. Ihr erinnert euch doch noch an die Attacke, mit der er Greaseball und vor allem Happy ganz schön ins Schleudern gebracht hat. Und dann dieser Turbo...und ich könnte schwören, er hat diese Oelkugeln zum Schweben gebracht.” meinte Casey. "Irgendwie."

“Aber Edo ist ziemlich weit weg. Ihr werdet lange unterwegs sein.”

“Aber ich bin sicher, die Reise lohnt. Ich hoffe, Mr. Corell erlaubt Dinah wieder, uns zu begleiten. Es war so toll mit ihr. Sie weiß über Vieles bescheid. Und sie kocht natürlich super.”

"Ja, sie ist ein heller Kopf unsere Dinah. Nur ein gewisser Greaseball weiß das nicht zu würdigen." nickte Pop.

"Auf jeden Fall ist in fünf Wochen das Jahreswechselfest."

"Jahreswechselfest?"

"Man nennt die Nacht in der das neue Jahr beginnt, auch die Nacht der fallenden Sterne, weil der Starlight Express in dieser Nacht überall seine Sterne auf die Erde niedergehen läßt."

"Wow! Da bin ich aber gespannt!"

"Nach Dienstschluss treffen wir uns alle mit unseren Freunden in der großen Bahnhofshalle und feiern gemütlich."
 

Casey hatte herausgefunden, das Weihnachten hier gänzlich unbekannt war. Aber das machte ihm nichts aus. Und am letzten Tag des Jahres wurden hier immer die Kinder beschenkt.

"Und wer weiß, vielleicht bekommt auch Mancher von uns etwas." lächelte Digger.
 

Schließlich war der Abend gekommen. Alle Loks und Waggons hatten sich mit dem Personal in der großen, festlich mit Wimpeln und Flaggen geschmückten Bahnhofshalle versammelt. Wer Famile hatte, hatte diese mitgebracht.

Nur Einer aus Kommorans gesammten Waggonpark konnte nicht dabei sein. Red Caboose. Der hockte niedergeschlagen und wütend zugleich in seinem Versteck und starrte in den Nachthimmel.
 

Zu Caseys Überraschung gab es doch eine Bescherung -für die Lehrlinge. Casey, Tingle und alle anderen Auszubildenden bekamen eine kleine Anerkennung für ihre gute Arbeit.

"Na, hab ichs Dir nicht gesagt? Für unsere Frischlinge gibt es immer etwas." grinste Digger.
 

Greaseball stand mit seinen Brüdern ein wenig abseits zusammen.

"Mann, das ist wieder mal so öde wie jedes Jahr!" maulte Steel.

"Wir harren noch ein bischen aus und dann verschwinden wir."
 

Je später es wurde, desto mehr zerstreute sich die Gesellschaft, Digger und Casey zogen sich mit ihren Freunden in den Lokschuppen zurück. Dinah, Dustin und Buffy begleiteten sie, wobei Letztere ein Tablett mit Kuchen und Süssigkeiten anbrachte. Casey fühlte sich wie in einer großen, glücklichen Familie. Das er dabei hin und wieder von Buffy gedrückt und geknuddelt wurde, störte ihn nicht.
 

Casey! Rusty! Kommt alle raus, es ist soweit!" vernahmen sie plötzlich von draußen Dinahs Stimme.

"Auf gehts!" rief Digger und erhob sich der alten Couch.

Pop schob das Tor auf und alle traten oder rollten nach draußen. Was Casey dann erblickte, würde er sein Leben lang nicht vergessen.Vom sternenklaren, nächtlichen Himmel regneten unzählige, winzige helle Lichtpunkte und verglühten, noch bevor sie den Boden erreichten. Sie erinnerten ihn an Sternschnuppen, doch diese bewegten sich langsam und träge, aber auch sprialförmig drehend nieder.

"Ich..ich habe noch nie so etwas wunderschönes gesehen. Wie leuchtende Schneeflocken." seufzte Casey.

"Bei uns schneit es nur sehr selten. Aber dieses Phänomen kannst Du überall auf dem Kontinent beobachten, egal wo Du bist." erklärte Digger. "Und es passiert nur einmal im Jahr und zwar genau dann in der Nacht des Jahreswechsels um Mitternacht. Casey riß die Arme hoch.

"Yaah! Auf ein frohes, neues Jahr! Mit genauso viel Erfolg und weiteren Siegen!" rief er. Buffy verteilte die warme Neujahrsbowle und alle hoben ihre Gläser.

"Viel Glück und Erfolg im neuen Jahr für uns alle!"
 

Ende.
 

Ende des Ersten Buches.

22.05.2009



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (33)
[1] [2] [3] [4]
/ 4

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Festung-CookieCorner
2015-02-24T12:44:34+00:00 24.02.2015 13:44
Also erstmal ein großes Lob an dich, auch wenn es etwas spät kommt. Die FF ist wirklich brilliant und sehr Schön und spannend geschrieben. Ich hab sie fast in einem mal durchgelesen und frei mich schon gleich mit dem zweiten Teil anfangen zu können, wäre schön wenn der vielleicht mal weiter gehen könnte *lieb guck* . Ich werde nebenbei auch noch versuchen die anderen Kapitel im einzelnen zu kommentieren.
Von:  Festung-CookieCorner
2013-01-30T19:29:41+00:00 30.01.2013 20:29
Ich liebe deine FF das kapitel war auch wieder so geil. Du hast voll gute Ideen.
Von:  Venka
2011-11-24T15:07:21+00:00 24.11.2011 16:07
Na da war Caboose ja zur Abwechslung mal zu was gut...
Von:  Venka
2011-11-24T14:58:52+00:00 24.11.2011 15:58
Der Flashback, den finde ich sehr interessant. Ich hoffe man erfährt noch was das war.
Von:  Venka
2011-11-24T14:29:45+00:00 24.11.2011 15:29
> Taiga-Drubania

Ich muss grade an Drübenien denken. Frag mich bitte nicht warum, das drängt sich grade so auf. - OK, vielleicht kommts daher, das Turnov ja Russe ist und Drübenien in Cpt. Balu als Equivalent zu Russland gesehen wurde...

> Mein Lokführer ist der lange Trinkoff!

Na hoffentlich ist da Name nicht Programm. ^^()

> Katjuscha! Ich trinke doch kein Wasser! Njet! Als echter Drubanier kommt für mich nur eines in Frage! Hier!

Oh, Oh... - Aber wenn der Lokführer schon Trinkoff heißt, dann ist es kein Wunder, wenn auch die Lok trinkt. XD - Wie der Herr so s Gscherr, nicht?

> Allerbester Vodka!

Das Zeug gefriert allerdings nicht. Es ätzt einem nur alles weg XD - Vielleicht sollte Rusty Greaseball eine Flasche als Geschenk mitbringen. - Das Resultat wäre bestimmt schön anzusehen.

> Als sich die beiden auch noch küssten, verleierte Rusty die Augen und wandte sich genervt ab.
> „Wie romantisch!“ seufzte Dinah wehmütig.

Kopf einziehen, Rusty. Wenn Dinah jetzt an Greaseball denken muss, dann braucht sie sicher was zum abreagieren. ^^()

> Zur selben Zeit kämpfte sich ein einsamer roter Bremswaggon durch den hohen Schnee.

Ja! Da isser wieder, ich hab ihn schon vermisst. - Mal sehen, wie er diesmal auf die Mütze kriegt. :)

...wie kann man so blöd sein und einem Bären seine Beute klauen...

> „Scheiße! Das Vieh ist immer noch hinter mir her!“

Wundert dich das? Du riechst nach der geklauten Beute du Blödfisch... - Aber wie sagt man? Planung gut, Ausführung mangelhaft...

> Turnov war erst zufrieden, als er zwei Flaschen Wodka geleert hatte.

Säufer ^^() Aber er verträgt sicher auch mehr als Menschen.

> Die Freunde nahmen Abschied von den freundlichen Drubaniern.

Mir sind die Drubanier auch eindeutig lieber und sympathischer als die oben schon erwähnten Drübenier. ^^() Die Assotiation werde ich wohl nie wieder loswerden.

> “Heb ihn gut auf, vielleicht leistet er Dir einmal im Notfall gute Dienste.”

Ja, kipp ihn Greaseball in den Diesel und sieh zu wie es ihn umhaut. - Na ja man wird noch träumen dürfen, das Zeug ist viel zu schade
für Greaseball...

> Der zweite bärtige Fallensteller grinste und zog eine kleine Korbflasche mit Vodka hervor. „Gleich kannst Du wieder rollen, Briderchen.“

XDXD
Jetzt kommts...

> „Es hat gewirkt. Wie immer.“ grinste Igor und sah mit seinem Kumpel dem Davoneilenden nach.

Ja, hat es. Und wie XDXD
Antwort von:  Festung-CookieCorner
29.01.2013 20:53
Also wie Greaseball auf den Wodka reagiert würd ich echt gern sehen XD
Von:  Venka
2011-11-24T13:50:48+00:00 24.11.2011 14:50
> Und Cäcilia

Ich hätte mich weggeschmissen, wenn er jetzt Hedwig gesagt hätte XD - Aber Cäcilia passt auch wunderbar.

> „Toll! Eine Briefeule.“

So erstaunt, Casey? Noch nie Harry Potter gelesen, was? ^^

> „Hey, meine Frisur!“ kreischte Mimi.

...ich würde ja sagen: "Weiber..." aber ich bin ja selber eins...

> Sein sonst so freundliches Gesicht verzerrte sich und mit einem wilden Schrei packte Dustin plötzlich Rusty an der Tallie, hob ihn einfach von den Gleisen und schlenkerte ihn nach rechts! Und was geschah? Rustys Fahrgestell traf den behelmten Kopf von Willi, der plötzlich nur noch Sterne sah, beide Kuplungsringe seiner Lok losließ und entgleiste! Mit Mimi zusammen rutschte er das Schotterbett herab und ins Gras.

Never underestimate a pissed Big Hopper... - Schöne Aktion auch wenn ich mich an Rustys Stelle dafür bedankt hätte als Schlagwerkzeug missbraucht zu werden.

> „Tut mir leid, Kumpel, aber ich war echt sauer, dieser Willi hätte mir fast meine Hand gebrochen. Tut jetzt noch immer weh.“
> „Und da musstest Du mit mir zurückschlagen?

Gegenfrage: Womit denn sonst, die Hand tat Dustin ja schließlich noch weh...

> Übrigends: Die „Fürstin“ gibt es wirklich. So heißt eine historische Dampflok der slowakischen Eisenbahn.

Ja, und sie ist einfach nur eine absolute Schönheit. :)

Gleichberechtigung bei den Loks kann so weitergehen ich hätte gerne noch mehr davon.

And maybe one that kicks Greaseballs but. ^.~
Von:  Venka
2011-11-24T13:33:07+00:00 24.11.2011 14:33
Ich vermisse Caboose irgendwie.

Na ja so ein bisschen Ruhe tut auch mal gut. :)
Von:  Venka
2011-11-24T13:14:18+00:00 24.11.2011 14:14
> „Was für eine gute Luft!“ seufzte Pearl und atmete tief durch. Dustin tat es ihr gleich.

Was macht denn Pearl auf einmal da? ^.~ Ich nehm an, es ist ein Verschreiber und da gehört Dinah hin. ^^

> Und hab keine Angst vor den Attacken der anderen Loks! Die werden schon nicht so doll zuhauen!

Zumindest nicht so stark wie Greaseball, möchte ich meinen.

> Na warte! Der lernt mich noch kennen!

^^() Irgendwie sind die alle auf Krawall gebügelt. Der soll sich mal nicht so haben, das nennt man sportliches Risiko... - Shit happens...

> Verdammt, ich will auch mal der Erste sein!

*Daumen drück* Na los Rusty. ^^

> Nun begannen beide Loks auf den Armen einzudreschen.

Das is dezent fies. - Das ist genau wie das Finalrennen im Musical. Nur dass es da Greaseball und Elektra sind die auf Rusty eindreschen. >.>

> Alpin! Gletsch! Ich brauche eure Hilfe!“
> „Geht klar, Doc!“

Ach nee... - Auf einmal...

> „Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft...“

Ich glaubs auch XDXD
Von:  Venka
2011-11-23T20:31:15+00:00 23.11.2011 21:31
> Tatsächlich hatte der rote Bremswagen Ihm hinter dem Stapel aufgelauert!

Der is wie Kaugummi am Schuh, den wird man genau so schwer los...

> “Red Caboose kratzt mal wieder die Kurve!“

a.k.a. Das war mal wieder ein Schuss in den Ofen? - XDXD - Sehr gut eingebracht. ^^ Passt zu diesem roten XXXXXXXXXXXXXXXX

> Aber ein Seil hätte es auch getan!

Vielleicht. XD Aber darauf muss man auch erstmal kommen.

> Ein Waggon ist zu so einer niederträchtigen Tat fähig?

Wenn er Red Caboose heißt dann ja...

> Im nächsten Moment blieb dem Bremswaggon sein hämisches Lachen im Hals stecken, als es Tonnen von Kohle auf Ihn herabregnete und er darunter begraben wurde!

MUHAHAHAHAHAHAHAAA!! Ich weiß ich bin gehässig aber das musste sein!

> Mann, die sehen genauso aus wie die Berge in meiner Welt in der Schweiz!

Rätina erinnert mich auch iwie an einen schweizer Kanton...

Und die Duschszene ist auch total Kawai. ^^

Ich les dann demnächst weiter ^^ Bis dahin ^^
Von:  Venka
2011-11-23T20:05:35+00:00 23.11.2011 21:05
> In Ihrer Not hat sie sich mit der niedersten Lok verbündet! Was für eine Schande! Gut, das ich sie los bin!

Arschgeige... - Bist selber schuld, wenn du sie nicht zu schätzen weißt du aufgeblasenes Elvisimitat... (^^() ich lass mich glaube ich grade hinreißen...)

> Hämisch grinsend beobachtete der große Diesel, wie Caboose die Verfolgung aufnahm.

*Augenbraue heb* Wie kommt der denen eigentlich nach? Er hat doch keinen eigenen Antrieb und Dinah sagte ein Wagon ohne Lok ist wie ein Fluss ohne Wasser. Hm... - Na mal sehen.

Metalking macht mir die Diesel grade wieder sympathischer. ^^

> da ein Waggon alleine selbst im Humanoid-Modus nur sehr langsam vorankam.

Ah ja da haben wir die Erklärung für meine Frage von vorhin. :)

> „Ich will über alle Gleise regieren
> und mir mein eigenes Reich kreiren!
> Liebe und Freundschaft-darüber lache ich!
> mehr Macht und Einfluss, ist das Richtige für mich!
> Ich bin Red Caboose und spiele nicht fair,
> gebt lieber auf und wehrt euch nicht mehr!
> genau!“

*LACHFLASH* Nein wie geil!

Nein, hey... - Die Pokemonnummer ist der Kracher schlechthin. - Jetzt weiß ich auch wieder, was ich damals schon so zum Schießen fand. Caboose vs. Team Rohkost XDXD


Zurück