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Starlight Express-Die Abenteuer von Casey Jones & Rusty

Nach Motiven des Musicals
von

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Sei vorsichtig mit dem was Du Dir wünschst

15. Sei vorsichtig mit dem, was Du Dir wünschst!
 

Die kleine Reisegruppe hatte Lunia hinter sich gelassen und befand sich nun im Nachbarland Popcornia. Schon lange waren die hohen Erhebungen niedrigeren, sanften Hügeln gewichen.

Sehr zur Freude von Rusty, denn selbst drei Tage nach dem Rennen taten ihm immer noch seine Gelenke weh. Er hatte von Steilstrecken und Steigungen erstmal die Nase voll.
 

Casey betrachtete sich voller Stolz die inzwischen auf sechs Plaketten angewachsene Sammlung.

„Rusty, Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Es sind inzwischen acht Monate vergangen, und wir sind bereits D-Ligisten! Greaseball wird platzen vor Neid!“ grinste der Junge und verstaute die Plaketten wieder vorsichtig in der Mappe.

„Ich kann es auch nicht glauben, was Du geschafft hast, Rusty. Du hast dich wenn es darauf ankam, erfolgreich zur Wehr gesetzt und bis jetzt nur zwei Mal verloren.“

„Ja, beim zweiten und dritten Rennversuch, nach meiner ersten Plakette. Das war vielleicht ärgerlich. Zwei Versuche, und jedes Mal hat mich dieser doofe alteYarrow geschlagen! Erst beim dritten Versuch war ich schneller.“ erinnerte sich Rusty. Danach hatte er keine Rennen mehr wiederholen müssen, weil er es beim ersten Mal nicht schaffte.

Laut den Rennregeln waren drei Versuche erlaubt, klappte es auch beim dritten Mal nicht, musste man erst sechs Monate warten, bis man den Gegner wieder herausfordern durfte.
 

„Heh, ja-und nur weil Du ihm einen Wasserstrahl voll in seinen Helm gespritzt hast. Regelrecht unter Wasser gesetzt hast Du ihn.“ erinnerte sich Casey. „Er war abgelenkt und Du hast deine Chance wahrgenommen.“

„Und wie soll es nun weitergehen? Uns bleiben nur noch zwei Monate, dann musst Du wieder in Kommoran sein für deine erste Zwischenprüfung. Die Reisezeit für Lehrlinge ist auf maximal zehn Monate pro Lehrjahr begrenzt, dann müssen sie zurück zu ihrem Heimatbahnhof.“ erklärte Dinah.

„Aber zuvor versuchen wir uns noch an einen größeren Gegner. -Rusty, fühlst Du dich sicher genug, um es diesmal gegen diesen Espresso aus Torrone zu versuchen?“ fragte Casey.

„Ich denke, schon. Turnov hat zwar gesagt, das er seine Gegner hart rannimmt, aber ich will es trotzdem probieren.“

„Dann also auf nach Torrone! Espresso hat seinen Standort im Hauptbahnhof von Via Coronna. Außerdem grenzt Torrone an Popcornia.“
 

Die Nacht verbrachten sie auf dem Bahnhof von Levian, der Hauptstadt Popcornias.

Als Casey am nächsten Morgen mit Dinah über die Bahnsteige schlenderte, fiel ihm ein Gebäude auf, neben dessen Eingang mehrere Tafeln hingen. Eine Gruppe Leute scharte sich darum.

„Was gibt es denn da besonderes, das dort so viele Leute stehen?“

„Das ist eine Agentur, die Leute vermittelt, wenn irgendwo Not am Mann ist.“ erklärte Dinah.

„Ah, so was wie eine Arbeitsvermittlungsagentur.“

„Normalerweise befinden sich diese Agenturen immer in der Stadt und nicht direkt im Bahnhof. Deshalb haben wir noch keine gesehen.“

Neugierig kam Casey näher und besah sich die Aushänge an den Tafeln.

„Die suchen nur Mitarbeiter für Posten bei der Eisenbahn. Das ist wohl eine spezielle Agentur dafür.“ murmelte er.
 

„Stimmt, junger Lehrling. Wir vermitteln Stellen in ganz Popcornia.“

Die Stimme gehörte einer Frau mit einer runden Brille und blonden, hochgesteckten Haaren. In ihren Armen hielt sie einen Stapel Blätter.

„Verstehe.“

„Wir brauchen dringend noch ein paar Rangierhelfer, am besten mit einer Lok. Hättest Du Interesse, Junge? Zwei der Rangierloks sind zusätzlich ausgefallen und nun sammeln sich die Güterwaggons immer mehr an und die Rangierer kommen nicht mehr nach. Es springt natürlich auch ein guter Verdienst für dich heraus.“

„Wo liegt denn dieser Rangierbahnhof?“

„Etwa dreißig Kilometer von hier, bei Tarvian.“

„Tarvian..,wie weit ist es von dort bis zur torronischen Grenze?“

„Nicht mehr weit. Weniger als 100 Kilometer.“

„Wäre interessant, auch mal etwas über diese Arbeit zu lernen. Für wie lange soll das gehen?“

„Nur drei Tage. Dann müsste der Überschuss abgearbeitet sein und die ausgefallenen Loks wieder repariert.“

„Okay, ich melde mich.“

„Sehr schön! Ich werde mit dem Vorarbeiter telefonieren und ihm sagen, das ihr im Laufe des heutigen Tages eintreffen werdet.“
 

„Was? Arbeiten als Rangierlok? Das ist nicht dein Ernst, Casey!“ maulte Rusty, als der Junge die Nachricht den Übrigen überbrachte.

„Nur für drei Tage. Wir sollen ein wenig aushelfen. Ich wollte schon immer beim Güterwagen Rangierbetrieb live mithelfen und sehen, wie so etwas abgeht.“ erklärte Casey.

„Das hab ich in Kommoran oft genug gemacht!“

„Prima. Dann haben wir schon jemanden, der sich auskennt! Vom Vorarbeiter werde ich dann auch meinen Verdienst erhalten.“
 

Na toll, drei Tage den Job machen, den er ich am meisten hasse, dachte Rusty, als sie Richtung Tarvian unterwegs waren. Er hatte gedacht, auf seinen Reisen von dieser unbeliebten Arbeit wegzukommen, doch er hatte sich geirrt. Nun gut, dann würde er Casey eben zeigen, wie man auf einem Rangierbahnhof arbeitete. Drei Tage würden schnell vergehen.
 

Erst am späten Nachmittag erreichten die Freunde ihr Ziel.

„Unser Vorarbeiter kommt erst morgen wieder. Er kümmert sich gerade um die Reparatur unserer beiden defekten Rangierloks. Es kann sogar sein, das eine im Laufe des nächsten Tages wieder einsatzbereit sein wird.“ erklärte eine junge Frau. Trotz ihrer blauen Arbeitsmonutur und dem gelben Schutzhelm auf dem Kopf war sie eine gutaussehende Person. Ihre brünetten, gewellten Haare fielen ihr locker um die Schultern. Casey wunderte sich, wieso eine solche gutaussehende, junge Frau auf einem Rangierbahnhof arbeitete. Der Junge hatte bereits gemerkt, das es mit der Arbeitsteilung hier nicht so streng gehalten wurde. Es gab viele Frauen, die Arbeiten verrichteten, in denen normalerweise mehr Männer zu finden waren.

„Wir kommen von der Agentur aus Levian.“

„Ah, verstehe. Dann weiß Mr. Colbus Bescheid. Er hat deine Daten dann sicher schon per Fax zugeschickt bekommen. Der Dienst fängt morgen um halb sechs an. Seid pünktilich. Dann werdet ihr für die Arbeit eingeteilt.“

„Verstanden. Miss..“

„Nenn mich einfach Betty. Das tun alle hier. Ich bin Mr. Colbus rechte Hand.“ lächelte sie und tätschelte dem Jungen den Kopf. Dann fiel ihr Blick auf Rusty. „Hm..Du hast einen hübschen Burschen als Lok. Ist das noch eine mit Dampf?“

„Genau.“

Rustys Wangen liefen leicht dunkel an. Es war ihm peinlich, wenn Menschen ihm solche Komplimente machten. Da kein Blut unter der Außenhaut der Humanoid-Loks floss, sondern eine ölige Substanz, konnten sie nicht wie die Menschen erröten, ihre Haut wurde dann einfach an besagter Stelle dunkler.

„Also dann bis morgen, ihr Beiden.“
 

Im Lokschuppen von Tarvian bezogen die Freunde Quartier. Die Übrigen Hilfskräfte für den Rangiebahnhof wohnten in einer Pension in der Stadt.

Nach dem Abendessen saßen Rusty und Casey noch eine Weile draußen vor dem Gebäude und betrachteten den klaren Nachthimmel. Es war ein schöner Frühsommerabend mit angenehmen Temperaturen.
 

„Weißt Du , Rusty....Ich habe mir schon oft gewünscht, selbst eine Dampflok zu sein.“ begann Casey plötzlich.

„Wieso denn das? Ich finde es nicht so toll, eine Dampflok zu sein! Ich wäre lieber eine Diesel-oder E-Lok. Die hat es viel einfacher mit der Wartung.“ bemerkte Rusty. „Oder ein Mensch wie Du.“

„Aber Du bist nun mal das geworden, als was Du gebaut wurdest. Da kann man nichts ändern.“

„Ja-leider.“ seufzte Rusty missmutig.

„Finde ich nicht. Dampfloks haben uns Menschen schon immer fasziniert und sie tun es auch heute noch zuhause in meiner Welt. Wenn eine von euch da so heranschnauft und -stampft, dann ist es uns, als hätten wir ein lebendes Wesen vor uns!“

„Hier ist das nichts besonderes. Wir Züge leben hier alle.“

„Oh, Rusty! Du siehst das alles zu selbstverständlich! Aber Du darfst niemals vergessen, das dieses Leben ein ganz besonderes Geschenk des Starlight Express ist! Unsere Züge daheim sind wirklich nur Maschinen ohne eine Seele.“ ermahnte Casey seinen Partner. „Sei dem Starlight dankbar dafür, das er Dir und den anderen dieses Wunder ermöglicht hat!“

„Ich würde gerne einmal wissen, wie das so ist, ein Mensch zu sein.“

„Nicht viel anders, Rusty, glaub mir. Ihr seid uns in vielen Dingen sehr ähnlich.“

„Aber es wäre trotzdem interessant, das Leben mit den Augen eines Menschen zu sehen.“

„Tut mir leid, Rusty, aber das wird wohl immer ein Traum bleiben, so wie für mich der Wunsch, einmal eine Dampflok zu sein.-Na, komm, es ist schon spät. Zeit, schlafen zu gehen. Der Rangierbetrieb beginnt bereits um halb sechs in der Frühe.“

„Grrmph! Ja, meist mitten in der Nacht!“ knurrte Rusty.

„Heh, nicht das Richtige für einen Langschläfer wie Du.“

„Du sagst es!“
 

Die beiden Freunde erhoben sich und kehrten in den Lokschuppen zurück. Und draußen zog am nächtlichen, sternklaren Himmel eine helle Sternschnuppe vorbei und über den Lokschuppen...
 

Am nächsten Morgen...

„Rusty, aufstehen, in zwei Stunden müsst Ihr am Güterbahnhof sein!“ rief Dinah leise die kleine Dampflok an und rüttelte sie vorsichtig. Rusty brummte etwas unverständliches und zog seine Decke über den Kopf.

„Rusty, es wird Zeit!“ mahnte Dinah nun eindringlicher. „Casey! Aufstehen!“

„Schon gut, schon gut!-Mann, es dämmert doch erst gerade...“ knurrte Rusty, stand auf und rieb sich über die Augen. Im selben Moment zuckte Dinah erschrocken zurück und stieß einen Schrei aus!

„Was?-Was ist denn Dinah? Hast Du eine Maus gesehen oder was? Hey, was hast Du denn?“ fragte Rusty ratlos. Aber das Waggonmädchen stand nur wie vom Blitz getroffen da und starrte Ihn entgeistert an, die Hände vor den Mund geschlagen, das Gesicht dunkel angelaufen.

Die Person, die von der Schlafmatratraze aufgestanden war, sich reckte und gähnte, sah aus wie Rusty-und doch war sie anders. Sie hatte nicht mehr den schwarzlackierten Körper, sondern einen rosafarbenen! Die Klappe der Feuerbüchse, die Puffern, der Tender auf dem Rücken, alles war verschwunden! Auch die Markierungen in seinem Gesicht und die Stelle am Kinn, wo er zusammengenietet war!

Jetzt bemerkte auch Rusty selbst, das etwas mit Ihm nicht stimmte. Er starrte auf seine Arme und Hände. Sie waren rosafarben und als er seinen rechten Arm berührte, war seine Außenhaut nicht mehr fest, sondern weich und nachgiebig. Sie fühlte sich wie die von Casey an!

Im selben Moment wurde es Rusty schlagartig klar. Und er merkte noch etwas anderes. Er stand völlig im Freien! Nun stieß auch er einen entsetzten Schrei aus, riß die Decke wieder hoch und verdeckte damit seine Blöße. Sofort schoß ihm die Schamesröte ins Gesicht.

“Heheh, sorry! Aber-was ist nur geschehen?-Dinah! Ich-ich bin ein Mensch!“ rief er fassungslos.

Das Waggonmädchen musste sich daraufhin ersteinmal setzten. Rusty hob seine Decke etwas an und linste darunter. Mit erschrockenem Blick hob er wieder seinen Kopf. Er kannte die Anatomie eines Menschen und musste zu seinem Entsetzen feststellen, das alles vorhanden war! Rusty ließ sich wie betäubt auf die Matratze zurücksinken, hob seinen rechten Fuß in die Höhe und starrte auf seine Zehen, die er als Dampflok nicht gehabt hatte. Neugierig probierte er aus, ob sie sich bewegen ließen. Tatsächlich konnte er mit Ihnen wackeln, sie einziehen und wieder ausstrecken.

„Ich muss sofort zu Casey!“ rief er, schlang seine Decke fester um die Hüften und stand auf. Aber kaum stand er auf seinem Füßen und wollte einen Schritt tun, begann er zu taumeln und stolperte einen Schritt vorwärts.

„Meine Räder....sie sind natürlich auch weg! So ist das also, wenn man direkt auf seinen Füßen steht!“ sprach er und versuchte, das Gleichgewicht zu finden. Dann versuchte er einige Schritte, was Ihm zuerst erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Dinah, die sich nun einigermaßen gefangen hatte, sprang auf und griff Rusty hilfreich unter die Arme.

„Immer einen Fuß vor den anderen setzten...ja, so gehts. - Was ist hier nur passiert?“ fragte sie.

Aber ehe die verwandelte kleine Dampflok antworten konnte, kam oben aus den Lokführerquartier ein Aufschrei und mit einem dumpfen Geräusch fiel etwas Schwehres zu Boden! Von der Decke rieselte etwas Putz herunter.

„Casey!!“ rief Rusty und stürmte auf die Treppe zu. Mehr taumelnd als gehend wankte er die Stufen hoch, Dinah folgte.

Oben angekommen, riß Rusty die Tür zu Caseys Zimmer auf und stürzte hienein. Dabei verlor er das Gleichgewicht, stolperte und fiel der Länge nach hin!

„Auaa!“

Als er den Kopf hob und wieder aufstehen wollte, blickte er in Caseys Gesicht. Der Junge lag Ihm gegenüber-aber er schien kein Junge mehr zu sein! Caseys Gesicht trug nun die Markierungen einer Dampflok und dessen Körper sah aus wie der von Rusty vor seiner Verwandlung! Vorne in Brusthöhe die Tür zur Feuerbüchse, hinten erkannte er einen kleinen Tender! Puffern an den Ellenbogen, Knieschutzvorrichtungen und -Räder an den Füßen! Aber es waren nicht Caseys Inline-Skater, sondern er besaß nun je 2 paarweise angeordnete Räder an seinen Sohlen! Und Caseys gesammter Einteiler war himmelblau gefärbt! Es gab keinen Zweifel: Sie hatten die Rollen getauscht! Aus Casey schien eine kleine Dampflok geworden zu sein und aus Rusty ein Mensch!

„Rusty! Du -siehst ja aus wie...“ ächzte der verwandelte Junge und versuchte aufzustehen.

„Und Du siehst aus wie..“ sprach Rusty und richtete sich ebenfalls auf. Casey reichte ihm nun bis zu den Schultern. Er war also als Humanoid-Lok etwas größer. Und Rusty war entsprechend geschrumpft. Als Humanoid-Lok maß er ja über zwei Meter. Nur Greaseball und die anderen Loks waren größer als er.

„Ich wollte gerade aufstehen, weil ich mich so komisch gefühlt habe und bin dann plötzlich ausgerutscht und hab mich der Länge nach flachgelegt!“

„Casey, wieso haben wir uns verwandelt?“

„Ich weiß nicht...oh Mann! Vielleicht hängt das mit unserem Gespräch von gestern Abend zusammen! Als wir uns wünschten, anders zu sein! Vielleicht hat das der Starlight Express gehört und uns diesen Wunsch erfüllt! Nur er hat die Macht, so etwas zu tun! Wir haben die Rollen getauscht!“

„Du meinst, er hat uns in diese Lage gebracht?“

„Vielleicht ist es auch ein Test...schau mal nach, ob ich eine Lebensflamme habe, Rusty!“

Die verwandelte Dampflok öffnette die Klappe zur Feuerbüchse. Tatsächlich konnte sie im Innern hinter dem Schutzgitter die kleine Flamme sehen.

„Du hast wirklich Eine. Das bedeutet, Du bist jetzt eine Dampflok.“

Als nächstes ergriff Casey Rustys rechte Hand und legte sie auf die Mitte seiner Brust. Und beide konnten es spüren. In Rustys Brust schlug jetzt ein menschliches Herz!

„Es klopft...ist das in Ordnung?“

„Natürlich! Es bedeutet, das Du lebtst! Richtig lebst! Mann, das ist echt irre, dieser Körpertausch! Und ich muss sagen, Du bist ein gutaussehender, junger Bursche geworden, Rusty! Schlank, hochgewachsen, und deine blauen Augen...ist alles dran an Dir?”

“A-alles.” antwortete Rusty kleinlaut und senkte beschämt den Blick. “Dinah hat sich ganz schön erschrocken.”

“Das glaube ich. Aber die Mädchen werden sich sicher um dich reißen!“

„Bloß das nicht! Es ist so schon schlimm genug!“
 

„Äh, Jungs...wie fühlt Ihr euch?“ fragte Dinah.

Als Antwort knurrte bei Rusty plötzlich der Magen.

„Uoh...was ist das?“ fragte er und hielt sich den Bauch.

„Ganz einfach: Du hast Hunger.“ lächelte Casey. Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, die Rollen zu tauschen. Jetzt würde er endlich erleben, wie es so als Dampflok war.

„Und was sollen wir jetzt tun?“ fragte Rusty.

„Am Besten so weitermachen, wie bisher. Nur mit getauschten Rollen.“ schlug Casey vor.“Du wolltest doch wissen, wie es ist, menschlich zu sein! Nun hast Du die Gelegenheit dazu!“

„Also gut. Etwas anderes bleibt uns vorerst nicht übrig.“

„Okay. Dann werde ich erst einmal sehen, ob ich für Rusty etwas passendes an Kleidung finde. Deine Sachen, Casey, werden Ihm wohl kaum passen!“ seufzte Dinah.

„Stimmt.“ nickte Casey grinsend.“Und ich habe ja meinen schönen blauen Einteiler.“
 

Kurze Zeit später halfen Dinah und Casey Rusty in eine dunkelblaue Arbeiter-Montur, die das Waggonmädchen in der nahen Wäscherei aufgetrieben hatte. Sogar ein paar Schuhe hatte sie gefunden. Auch Dustin hatte von der unglaublichen Verwandlung erfahren und es zuerst gar nicht richtig begriffen.

„Und jetzt mit den Arm da rein...na los, mach dich nicht so steif! -Gut so. Die Knöpfe...“bemerkte Casey.“Und jetzt noch die Schuhe.“

„Au! Au! Meine Füße! Das ist ja furchtbar!“ klagte Rusty.

„Stell dich nicht so an! Los, rein mit dem Fuß!“

Schließlich war auch das geschafft.

“Das nächste Mal versuchst Du es selbst.“

„Uff, danke, Kumpel! Ich wußte gar nicht, das Anziehen so komplizert ist! Na ja, wenn man es noch nie musste...“ sagte Rusty und zupfte an seiner Jacke herum. Dann versuchte er mit den Schuhen an den Füßen zu laufen. Zuerst stakste er unbeholfen auf und ab und hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Zwei mal fiel er dabei hin. Aber je mehr er es versuchte, desto besser klappte es. Dabei entdeckte er einen Eimer mit Kohlen, den er gestern aufgefüllt und in eine Ecke seiner Box gestellt hatte. Ohne zu zögern ging er darauf zu, griff sich ein Kohlestück und führte es zum Mund!

„Rusty, nein, das ist keine gute Idee!“ rief Casey noch warnend, doch sein Freund hatte sich den Brocken schon eingeschoben. Im nächsten Moment biß er zu-und verzog angewidert das Gesicht!

„Buääh! Das-ist ja—ekelhaft!!“ rief Rusty und spuckte die Kohlebröckel wieder aus.

„Rusty! Du kannst jetzt keine Kohlen mehr essen! Du bist ein Mensch! Dein Körper verträgt das jetzt nicht mehr! Und deine Geschmacksnerven schon gar nicht!“

„Mann, das hatte ich ganz vergessen! An was man als Mensch alles denken muss!“

„Aber für mich sind sie jetzt genau richtig!“ lächelte Casey und versuchte einen Brocken.“Mmmhh...die sind echt gut! Und mir schmeckts!“

„Und was esse ich jetzt?“ fragte Rusty mit knurrendem Magen.

„Dinah wird Dir ein passendes Frühstück bereiten. Sie ist darin eine Meisterin und wird dich nun in Zukunft verköstigen.“

„Okay.“

„Na, dann komm mal mit, Rusty.“ sprach Dinah und nahm Ihn bei der Hand.“Was macht Ihr jetzt eigentlich wegen der Arbeit im Güterbahnhof?“

„Stimmt! Du liebe Zeit!“ entfuhr es Rusty.

„Wir gehen natürlich hin! Und gearbeitet wird mit getauschten Rollen!“rief Casey mit vollem Mund vom Kohleeimer her.

„Ob das gutgeht?“

„Keine Sorge. Die anderen werden gar nicht merken, was passiert ist.“

„Hoffen wir es. -Kannst Du überhaupt transformieren, Casey?“

„Hey, das muss ich gleich ausprobieren!“ rief der verwandelte Junge, kreuzte die Arme vor die Brust und rief:“Transformation!“

Aber nichts geschah. Casey blieb im Humanoid-Modus. Daraufhin versuchte er es nocheinmal. Aber wieder funktionierte es nicht.

„Was mach ich da falsch?“

„Vielleicht konzentrierst Du dich nicht richtig, Casey. Eine neue, junge Lok muss auch zuerst ein paar mal üben, bis sie es schafft.“

„Na schön. So lange Du frühstückst, übe ich weiter. Hoffentlich kriege ich es bis zu unserem Dientsantritt hin.“
 

Rusty hatte schon als Dampflok immer wieder menschliche Speisen probiert, da sein Feuer alles verwerten konnte. Aber jetzt war es doch ein anderes Gefühl, die Speisen zu schmecken und zu fühlen, wie sie seinen Schlund und die Speiseröhre hinunterglitten. Und der Geschmack war jetzt besser und intensiver.

„An das Essen könnte ich mich echt gewöhnen.“ lächelte er. Dinah beobachtete die beiden mit sogenvollen Blicken. Wie lange würde dieser Zustand andauern? Für immer? Oder wollte der Starlight Express den beiden nur für kurze Zeit das Leben des anderen kosten lassen? Sie hoffte es. Denn jeder sollte als das existieren, als das er erschaffen worden war.
 

„Transformation!“

Casey konzentrierte sich, so fest er konnte. Aber nichts geschah.

„Es geht nicht! Rusty, an was denkst Du, wenn Du transformierst?“ fragte er.

„An meine Gestalt im Maschinenmodus.“

„Also gut. Ich bin eine Dampflok....eine Dampflok.....Dampflok....eine blaue Dampflok...Transformation!!“

Auf einmal begann Caseys menschliche Form zu verändern und zu wachsen. Und kurz darauf stand eine kleine, blaue Dampflok in der Stellbox!

„Wow! Ich habs geschafft! Wie sehe ich aus?“ fragte Casey.

Dinah holte einen Spiegel und hielt Ihn vor die Lok. Sie wußte, das eine Lok oder ein Waggon auch im Maschinenmodus sehen konnte.

„Das bin ich? Man, spitze! Zwar noch etwas klein, aber ich bin ja noch nicht erwachsen.“

„Sehr klein, um ehrlich zu sein! Das ist keine übliche Größe für eine Lok!“ bemerkte Rusty.

„Es gibt ja auch keine Loks, die in Kinder transformieren, wenn sie vom Maschinenmodus in den Humanoid-Modus wechseln!“

„Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache...“ murmelte Rusty.
 

Schließlich wurde es Zeit.

Dinah begleitete beide nach draußen.

„Rusty!“ rief sie.

„Mmh?“

„Hier. Das ist Vorschrift, weißt Du das nicht?“

Das Waggonmädchen setzte ihm einen gelben Schutzhelm auf.

„Stimmt. So was haben die Rangierer auch immer getragen. Nur Digger nicht, weil er immer in meinem Führerstand war und nie rausmusste, um die Waggons anzukoppeln.“

„Aber hier gehört das dazu. Ich bin als Rangierhelfer gemeldet und nun musst Du meine Arbeit machen. Und ich deine.“ erklärte Casey.

Rusty hatte Mühe, in den Führerstand von Casey zu kommen, er musste sogar etwas gebückt stehen.

Mit gemischten Gefühlen sah Dinah der kleinen Lok nach.

„Ich hab echt kein gutes Gefühl bei der Sache...“

„Ach, die zwei machen das schon.“ meinte Dustin einfach.

„Dein Wort im Ohr des Starlight.“ bemerkte das Waggonmädchen mit einem Seufzer.
 

Die übrigen Helfer waren schon eingetroffen. Eine alte Rangierlok, die einzige, die gerade noch intakt war, hatte sie abgeholt und hergebracht.

Etwas unbeholfen krabbelte Rusty aus dem Führerstand und Casey transformierte zurück in den Humanoid-Modus.

„Der merkt sicher was! Du bist echt etwas zu klein für eine Lok geraten!“ raunte Rusty seinem Partner zu.

„Ich kann nichts dafür. So hat es der Starlight wohl gewollt.“
 

Ein kräftiger, breitschultriger älterer Mann ging mit ernstem Gesicht durch die Reihen. Es war Mr. Colbus, der Vorarbeiter. Betty, wieder in ihrer üblichen Arbeitsmontur, wartete etwas abseits.

„Also, Leute. Die Arbeitszeit ist von halb sechs bis vierzehn Uhr dreißig. Dazwischen eine Stunde Mittagspause. Das Essen wird vorbeigebracht.“

Dann fiel sein Blick auf die beiden Neuanmkömmlinge.

„Wer sind Sie?“ fragte Mr. Colbus.

„Rusty.“

„Rusty-wer?“

„Rusty Jones ist mein Lokführer!“ erklärte Casey schnell.

„Ja, richtig, Rusty Jones.“ nickte die verwandelte Dampflok.

“Wir sind von der Einsatz-Agentur geschickt worden. Sie brauchen doch Hilfe für die Abfertigung der Güterwaggons.” fuhr der Junge fort.

„Ihr kommt von der Agentur? Stimmt, Mrs. Wonda hat mir noch gestern ein Fax geschickt. Na schön. Ihr zwei werdet uns hier helfen! Die Waggons müssen nach dort zu dem Abrollhügel geschoben werden, damit sie zum richtigen Gleis rollen können! Jedes mal, wenn das Signal die Strecke freigibt, kuppelst Du einen Waggon ab und läßt ihn rollen!“

„Verstanden.“ nickte Rusty.

„Hier, diese Reihenfolge auf der Liste muss genau beachtet werden, weil die Weichen danach gestellt werden! Achtet also auf die Nummern auf den Frachtzetteln an den Waggons!“

„Alles klar.”

„Betty, Du gehst mit den Übrigen zum Bahnhof hinunter und teilst die Leute ein, die den anderen helfen sollen, die Frachtzüge zusammenzustellen.“

„Alles klar, Boß.“

Auf eine Wink folgten die übrigen Helfer der Frau.
 

“Sagt mal, habt ihr einen Lehrling und seine Dampflok gesehen? Ich habe gehört, die seien gestern Abend angekommen und wollten auch mithelfen.”

“Die-die hab ich geshen! Sie mussten heut morgen dringend weiter!” sagte Casey schnell. Der Vorarbeiter zog eine zweifelnde Miene, ließ es aber gut sein.

“Also, ihr nehmt euch die Waggons da vorne vor. Das sind die nächsten. Die ganzen langen Reihen da müssen wir heute noch fertigmachen.”

„Endlich Wir warten uns hier schon die Räder in den Bauch!“ kam es von einem Güterwaggon Typ Rocky.

„Warten gehört bei euch nun mal dazu, Jungs! Aber heute geht eure Reise noch weiter, nur Geduld.“ erklärte Mr. Colbus.
 

„Es geht los. Casey.“

„Der Dampflok-Junge nickte.“

Kurze Zeit später kam Betty zurück. Dabei warf sie Rusty einen Blick zu, der ihn ganz verlegen machte.

„So, mein Hübscher, dann wollen wir mal. Die Gruppe roter und gelber Rockies da vorne sind als erste dran. Schieb sie auf den Abrollhügel. Die Männer unten stehen bereit zum Ausbremsen und ankuppeln.“

„Jetzt gehen wir zuerst an das Ende der ersten Partie. Sieben Güterwaggons....“ murmelte Rusty und sah auf die Liste.

Als beide am hintersten Waggonende angekommen waren, transformierte Casey.

„Ich kopple dich an und dann schiebst Du die Rockies hinauf auf den Abrollhügel.“

„Alles klar, Rusty.“

Die verwandelte Dampflok kannte die Arbeitsschritte genau. Schon oft hatten sie und Digger zu Hause in Kommoran auf dem Güterbahnhof ausgeholfen. Zu oft für seinen Geschmack. Aber jetzt würde er das tun, was ein Rangierer sonst immer tat. Er übernahm nun den menschlichen Arbeitspart.

“Okay...ankuppeln ...und einhängen.” murmelte Rusty und drückte die Kupplungshebel zusammen.”AH!”

“Rusty, was ist?”

Casey transformierte rasch zurück und kam angerollt. Rusty schüttelte seine rechte Hand und verzog sein Gesicht.

“Au! Au! Tut das weh! Mein Finger...was ist das?”

“Das blutet ja ganz schön! Was hast Du denn gemacht?”

“Ich bin mit dem Daumen zwischen die Kupplung geraten!-Richtig unheimlich. Bisher lief immer Schmierflüssigkeit aus, wenn meine Außenhaut irgendwo beschädigt war. Aber das ging nicht so schnell!”

“Aber Menschen bluten. Und unsere Haut ist nicht so stabil. Und das Metall ist manchmal scharfkantig. Du solltest etwas darum machen, damit die Wunde sich nicht entzündet.-He, nicht an der Jacke abwischen!”

“Aber es tropft schon!”
 

“Was ist denn hier los?-Jones, warum gehts nicht weiter?”

Der Vorarbeiter kam angestapft.

“Entschuldigen Sie, Sir, aber mein Lokführer hat sich verletzt:”

“Warum trägst Du auch keine Arbeitshandschuhe! Die sind doch Vorschrift!-Betty!”

Die Frau kam hinter einem der Güterwagen hervor.

“Was gibts, Boss?”

“Der Junge hier hat sich den Daumen eingeklemmt. Nimm ihn mit und versorg seinen lädierten Finger. Und gib ihm ein paar Arbeitshandschuhe!”

“Alles klar.” nickte Betty lächelnd. “Na dann komm mal mit.”

Als Rusty zögerte, versetzte Casey ihm heimlich einen Schubs.

“Geh schon! Die frisst dich nicht!”
 

Kurze Zeit später kehrte Rusty zurück. Mit verbundenem Daumen und einem paar ledernen Arbeitshandschuhen, die er nun versuchte, über seine Hände zu ziehen.

„Alles klar?“

„Ja. Sie hat mir was drum gemacht. Aber wie die mich immer anschaut...“

„Du gefällst ihr eben. Das hast sie schon gesagt, als sie dich als Dampflok gesehen hat.“

„Unsinn! Ich glaube eher, sie schöpft Verdacht.“

„Ja sicher. Es tauschen ja jeden Tag Loks und Lehrlinge die Rollen!“

„Shhht, nicht so laut! Die Rockies dürfen doch nichts mitkriegen! Genauso wie die anderen!“ zischte Rusty.

„Braucht ihr noch lange, ihr zwei?“ kam es vom hinteresten Güterwaggon.

„Wie?-Nein, wir sind soweit.-Okay, Casey. Jetzt aber. Schieb die Waggons langsam bis zum Rand des Hügels. Ich kopple sie dann wieder ab. Siehst Du, immer wenn eine bestimmte Nummer auf der Anzeige da erscheint, muss der entsprechende Waggon den Buckel hinunter in den Rangierbahnhof geschickt werden.“

„Also gut. Los gehts!“

Die kleine Lok dampfte los und die Waggons setzten sich quietschend und knarrend in Bewegung. Aber nur seeehr langsam.

„Was ist den Casey? Du bist zu langsam!“

„Hnnnngggrrrrr!!! Ich geb ja schon alles, was ich hab! Scheiße! Ich wusste gar nicht, das die Waggons so schwer sind! Bei Dir sieht das so einfach aus!“

„Oh je! Das hab ich befürchtet! Du bist zwar eine Lok, aber Du hast immer noch die Kraft eines Menschen.“ seuftzte Rusty.

„Ggnnnaarrr...los bewegt euch endlich!“ knirschte Casey.

„Nicht so hastig, deine Räder drehen durch! Nimm den Sand zu Hilfe!“ versuchte Rusty zu helfen.

„Hey Mann! Wieso geht das so langsam? - Mann, was sind das für Nasen?“ fingen die ersten Rockies an zu maulen.
 

„Was ist denn hier los?“

„Oh je, schon wieder der Vorarbeiter!“ seufzte Rusty.

„Jones, was gibts denn jetzt wieder für ein Problem? Ihr haltet noch den ganzen Betrieb auf! Der erste Waggon sollte schon längst über den Abrollhügel nach unten unterwegs sein!“ schimpfte er.

„Tut mir leid, Sir...“stammtelte Rusty, der die Katastrophe kommen sah.

„Was ist denn mit ihrer Lok los? Hat die keinen Mumm? Sagen sie mal, warum ist die so klein? Ist das ne Spielzeuglok vom Rummel oder was?“

Die Arbeiter in der Nähe und einige der Rockies lachten.

„Schein ein bischen schwach auf der Brust zu sein, der Kleine.“ lächelte Betty.

„Ich bin nicht schwach!“ knurrte Casey ärgerlich. „Ich schaff das schon!“

„Wir haben aber nicht den ganzen Tag Zeit, Kleiner!“ meinte der Güterwaggon, den Casey vor sich hatte.“Wir müssen weiter, sonst wird unsere Ladung schlecht!“

„Das wär doch gelacht! Was Rusty kann, kann ich auch!“ dachte Casey und strengte sich noch mehr an. Und tatsächlich begannen sich die Waggons schneller fortzubewegen, die Kraft schien langsam in ihm zu erwachen.

„Ja-gut so Casey! –Haalt! Das war zu weit! Stopp!“ rief Rusty und wedelte mit den Armen.

Aber die ersten beiden Waggons waren bereits über den Scheitelpunkt des Abrollhügels gerollt. Dazu kam noch, das die Ladung der ersten drei Waggons besonders schwer war. Und es kam wie es kommen musste. Das Gewicht der vorderen drei Waggons plus Caseys Schwung zog die Restlichen mit und immer schneller den Buckel hinunter.

„Bremsen, Casey!-Oh nein!“ Rusty schlug die Hände über den Kopf zusammen. Der Junge musste wirklich als Dampflok noch vieles lernen.

„Uaaah! Jetzt gehts aber zu schnell!“

Die kleine blaue Lok zog die Bremsen an, doch die Waggons hatten zu viel Schwung und Casey war zu leicht. So rutschte der kleine Zug immer weiter auf den Güterbahnhof zu.

„Hiilfe! Wir werden unten auf die Anderen donnern! Bremst uns doch einer mal!“ riefen die Rockies.

Auch unten im Güterbahnhof gab es helle Aufregung.

„Was geht denn da ab? Da kommt ne ganze Partie Güterwaggons auf uns zu!“ rief einer der Hilfskräfte. „Mitsamt der Lok hinten dran!“
 

Die beiden Männer, die zum Ausbremsen auf halber Strecke zwischen Abrollhügel und Güterbahnhof eingeteilt waren, bemerkten ebenfalls die herannahenden Waggons.

„Wir müssen sie ausbremsen!“

„Die sind viel zu schnell! Wenn wir die Bremmsschuhe einsetzen, springen die noch aus den Gleisen! Die sind nur für einzelne Waggons, nicht für einen ganzen Zug!“

„Was sollen wir machen? Die werden immer schneller! Sind bei der Lok die Bremsen kaputt?“

Auch der Mann im Stellwerk sah aus dem Fenster und wusste nicht, was er machen sollte.

„Hey! Ihr bringt ja den ganzen Ablauf durcheinander! Doch nicht die ganze Partie auf einmal!“ schrie er auf die Anlage hinaus.

„Ich muss die Waggons stoppen, bevor sie zu schnell werden! -Bremsschuhe!“ rief Betty, packte einige der gelben Stopper und rannte los.

„Verdammt, natürlich!“ fluchte Rusty, schnappte sich ebenfalls so viele er zu fassen bekam und folgte auf der anderen Seite des Gleises. Beide rannten bis sie den vordersten Waggon überholt hatten und legten dann die Bremsschuhe auf die Gleise. Die Räder rollten hinein und wurden zusätzlich abgebremst. Das gleiche taten sie dann auch mit den anderen vorderen Räderpaaren. Immer einen Bremsschuh zwischen zwei Waggons.Und es funktionierte. Quietschend wurde der Zug immer langsamer und kam schließlich zum Stehen.

„Endlich! Danke, Betty.“ keuchte Rusty erleichtert.

Casey stand ziemlich geknickt am hinteren Ende der Waggons.

„Oh mann...ich bin vielleicht ein guter Lokführerlehrling, aber als Lok bin ich ne totale Niete.“ seuftzte er traurig.

„Oh mann Kleiner, das war echt für den Müll!“ bemerkte der Rockie vor Casey.

„Nun mach nicht so nen Aufstand, Rockie yellow 023, dem Kleinen tut es ja leid!“ bemerkte ein roter Güterwaggon.
 

„Rollins!“ rief Mr. Colbus unterdessen.

„Ja, Sir?“

„Hol unserere alte Ersatzlok. Sie soll der Kleinen helfen. Damit so was nicht noch mal vorkommt. Das hätte in einer Katastrophe enden können!“

Während Casey samt Waggons wieder auf den Hügel hinaufgeschleppt wurde, meinte die Ersatzlok:“Du lernst wohl noch, was Kleiner? Na, sei nicht traurig. Wir Zwei machen das zusammen. Mein Name ist übrigends Vincent.“

„Casey.“

„Sie hätten mir sagen sollen, das ihre Lok noch nicht ausgebildet ist, Jones.“ rügte der Vorarbeiter Rusty.

„Schimpfen sie nicht mit ihm, Boss. Es ist ja nichts passiert.“ sagte Betty. Es war unglaublich, wie diese Frau immer einen kühlen Kopf zu bewahren schien. Deshalb war sie wohl auch die rechte Hand von Mr. Colbus geworden.

Endlich konnte das Rangieren weitergehen.

„Wir haben uns ganz schön blamiert, was Rusty?“ raunte Casey seinem Freund zu.
 

Die Sonne stieg höher und es wurde immer wärmer. Aber nun lief das Rangieren ohne Probleme. Waggon um Waggon rollte hinunter zu seinem neuen Zug, wurde ausgebremst und angekoppelt. Und Rusty fühlte zum ersten Mal, wie es war, zu schwitzen.

Zwischendurch gab es eine kurze Pause in der Getränke verteilt und Caseys Wassertank neu befüllt wurde. Und unter Vincents fachlicher Anleitung bekam Casey langsam den Bogen raus, wie er beim Rangieren vorgehen musste.

„Langsam kommen lassen....sehr gut. Noch etwas mehr....Sehr schön. Du lernst schnell.“

„Wirklich?“

„Du hast gerade ganz alleine die Rockies den Hügel hinaufgeschoben.“

„Was, ich ganz allein?“

„Ich hab gar nichts gemacht. Du hast gar nicht bemerkt, das Du mich sogar mitgezogen hast. Ich denke, Du kannst jetzt alleine weiterarbeiten.“

„Woher habe ich auf einmal genügend Kraft? Kommt das einfach nur durch den immer wiederkehrenden Arbeitsgang? Anscheinend geht das bei jungen Loks etwas schneller.“ dachte sich Casey. Und tatsächlich konnte er jetzt problemlos gut elf Rockies auf einmal den Buckel hinaufbewegen.

„Danke für deine Hilfe, Vincent. Du bist ein guter Lehrer.“

„Keine Ursache. Und jetzt ruhe ich mich ein wenig aus. Bin leider nicht mehr der Jüngste.“ seufzte Vincent und transformierte in den Humanoid-Modus. Eine alte, weißhaarige Lok lächelte dem Casey aufmunternd zu.“Aber ich behalte dich im Auge, also keine Angst.“

Auch Mr. Colbus war zufrieden, als er sah, wie reibungslos Casey nun arbeitete.

„Ja, auf unseren alten Vincent kann man sich immer verlassen..“ lächelte er.
 

Und schließlich...

„Mittagspause!“ rief der Vorarbeiter und zog an einer Signalpfeife.

„Uff! Endlich! Casey ließ eine Dampfwolke ab und transformierte in den Humanoid-Modus.

„Hey! Es klappt! Starke Sache!“ rief er.

„Casey...“murmelte Rusty nervös.

„Was ist denn?“

Der Dampflok-Junge merkte, das Rusty unruhig auf der Stelle zu treten begann.

„Irgendwas drückt mich da unten ganz fürchterlich! Wie ein Ventil mit zu viel Dampf!“

„Oh Mann, Du musst mal für kleine Jungs!“

„Was?“

„Du musst aufs Klo! Komm mit!“

Casey ergriff Rustys Arm und zog Ihn mit sich mit. Hinter einem dem Gebäude mit den Umkleiden und Duschen befand sich auch eine Toilettenanlage.

„Halt, nicht da rein! Das ist doch für Damen! Siehst Du nicht das Symbol?“ rief Casey und zerrte Rusty vom falschen Eingang weg.

„Oh, entschuldige.“

„Rein mit Dir!“

Casey schob Rusty durch die andere Tür.

„Äh-Casey, Du musst mir helfen! Ich weiß nicht, wie das geht...“ murmelte Rusty und errötete leicht.

„WAS?! Du weißt doch so viel über Menschen! Hast Du denn noch nie einen -“

„Aber ich gehe doch mit meinem Lokführer nicht zusammen aufs Klo!“jammerte Caseys Freund. „Und auf freier Strecke verschwindet Digger immer hinter einen Busch! So wie Du! Ich guck doch nicht bei solchen privaten Sachen zu!“

„Na schön!“ Casey schubste Rusty in einen gekachelten Raum. Hier gab es keine WC-Becken, sondern nur eine Abfluss-Rinne im Boden mit einem Wasserrohr darüber an der Wand, an der sich mehrere Spülhähne befanden.

„Ein Glück! Keiner da! Hoffentlich kommt jetzt bloß niemand!“

„Casey!!“ jammerte Rusty eindringlich und verstärkte sein auf der Stelle treten.

„Okay! Stell dich vor die Wand. Gut.“ Dann drehte Casey Rusty den Rücken zu.

„Reisverschluss auf!“ instruierte der Junge weiter.

„Hab ich.“

„Hol Ihn raus.“

„Äh-okay.“

„Halt Ihn wie einen Feuerwehrschlauch.“

„Und jetzt?“

„Wasser marsch.“

„Häh?“

„Oh Mann! Entspann dich und lass es einfach laufen!“ brummte Casey genervt und rollte mit den Augen.

„Ah, es geht! Ich habe verstanden!“

„Dem Starlight sei Dank!“

„Das klappt schon ganz toll! Schau mal, Casey!“ Rusty drehte sich etwas herum.

„Hey!! Bist Du verrückt? Doch nicht so! Pass gefälligst auf, wo Du hinpullerst! Bleib ruhig stehen!!“schimpfte Casey und machte einen Satz außer Reichweite des Strahls.

„Ohh-entschuldige!“ Beschämt drehte Rusty sich wieder zur Wand.

„Beim Starlight, ist das peinlich!-Bist Du bald fertig?“

„Bin gleich fertig!“

„Dann mach schnell, ich höre jemand kommen! Lass Ihn wieder verschwinden und Reisverschluss zu!“

“Okay!-WUUUAAAAH!!“

„Großer Starlight steh uns bei! Jetzt hat er Ihn auch noch im Reißverschluss eingeklemmt! Wie kann man sich nur so doof anstellen!“ stöhnte Casey, als er Rustys Mißgeschick entdeckte. Sein Freund stand zusammengekrümmt da und hielt sich die schmerzende Stelle.

„Grrrzzz....ich wußte nicht, das ein Mensch da unten so empflindlich ist!“ keuchte die verwandelte Dampflok, hantierte am Hosenstall herum und brachte das „Mißgeschick“ in Ordnung.

„Wir Jungs müssen da eben besonders aufpassen!“ brummte Casey.

Dann hörte er, wie sich die Eingangstüre zur Toilette öffnette!
 

Als die beiden Rangiererkollegen den gekachelten Raum betraten, fanden sie einen halbverkrümmt dastehenden Rusty vor, der sie schief angrinste. Von Casey selbst fehlte jede Spur.

„Alles in Ordnung mit Dir, Kollege?“

„Wie? Jaja, äh, alles okay.“ nickte Rusty und beeilte sich, nach draußen zu kommen. Kopfschüttelnd sahen Ihn die beiden Männer nach.

Draußen versteckte sich Rusty hinter der Ecke des Häuschens. Als er die beiden Männer wieder nach draußen gehen sah, wartete er, bis sie ausser Sicht waren und schlich dann in das Innere zurück. Gerade öffnette sich eine der WC-Kabinentüren und Casey rollte heraus.

„Das war knapp! Wenn die mich mit Dir zusammen hier drin gesehen hätten....jetzt wasch Dir noch schnell die Hände und dann aber nichts wie raus hier!“ zischte Casey und zog Rusty mit sich zu den Waschbecken.
 

„Du hast dich furchtbar angestellt!“ bemerkte Casey, als sie zum Güterbahnhof zurückgingen.

„Hey, das war das erste Mal! Ich habe vorher so was noch nie gemacht! Das ist ein bischen anders als den Aschekasten zu entleeren!“ verteidigte sich Rusty.

„Trotzdem, es war mehr als megapeinlich! Das nächste Mal gehst Du alleine!“
 

Ein Wagen brachte das Mittagessen, die Mahlzeiten wurden unter den Arbeitern verteilt. Caesey bekam eine Ration Kohlen, jedoch war ihm der Apetitt vergangen.

„Ich schütte sie Dir in deinen Tender. Du wirst sie brauchen, sonst hast Du nachher keine Kraft mehr.“

Nach dem Essen lagen alle im Schatten im Gras am Bahndamm und dösten.

„Okay, Leute! Es geht weiter!“ rief Mr. Colbus als er auf die Uhr gesehen hatte und gab das Signal zum Ende der Pause.

Während der Arbeit kam Rusty wieder mit einem Problemchen an.

„Casey....es drückt mich schon wieder...aber diesmal ein wenig woanders...“ jammerte er leise.

„Oh nein...aber diesmal gehst Du allein! Setz dich auf den Topf und mach einfach!“ zischte Casey.“Und schließ hinter Dir ab!“

„Was?“

„Nun geh schon! Und probier es selber!“

„Also das mag ich am Mensch sein absolut nicht!“

Kopfschüttelnd sah Casey ihm nach. Hoffentlich blamierte er sich nicht wieder bis auf die Knochen.
 

Kurze Zeit später kehrte er wieder zurück.

„Und?“

„Ich hab mich wieder an was erinnert. Ich habs so gemacht, wie ich es mal auf einer Werbung für Klopapier im Fernsehen gesehen habe. Ich habe damals Digger darüber ausgefragt und es war ihm auch peinlich, doch er hats mir erklärt, wofür Menschen dieses Papier auf der Rolle brauchen.“

„Na siehst Du. So schwer ist das doch nicht.“

„Aber es ist trotzdem peinlich für einen, der so was zum ersten Mal tun muss.“
 

Schließlich ertönte das Signal zum Feierabend.

„Okay, Leute. Wir haben heute schon eine beachtliche Menge Waggons auf die Weiterreise geschickt. Ich bin sehr zufrieden mit euch. Auch die Helfer haben gute Arbeit geleistet. Also bis morgen dann!“

Die Arbeiter räumten die Ausrüstung auf und begaben sich zu den Umkleideräumen.

“He, Leute, wer geht mit uns mit an den See?” rief plötzlich Betty in die Runde.

“Ich wusste, das Du das fragen würdest. Deshalb haben wir auch unsere Badesachen mitgebracht.” antwortete einer der männlichen Arbeiter.

„Ja, das ist viel besser als nur Duschen bei der Hitze!“ bemerkte ein Anderer.

“Dann nichts wie los, Leute! Wer kommt alles mit?”

Bis auf Vier, die mit der Rangierlok zurück nach Tarvian fuhren, ging der ganze Trupp mit.

“Und Du, Rusty?” fragte Betty.

“Ähääh....ich hab leider keine Badehose.” grinste dieser verlegen.

“Das macht doch nichts. Los, komm mit!”

Betty ergriff kurzerhand sein Handgelenk und zog die verwandelte Dampflok mit.

“Nein, Betty-ich...hey!”
 

“Was ist denn nun schon wieder los?” wunderte sich Casey.”Hey, wo will denn die mit Rusty hin?”

Der Junge rollte den Beiden hinterher.
 

Der See befand sich ganz in der Nähe des Güterbahnhofs in einer Senke. Ein breiter Steg führte in das Wasser, gerade stürzten sich die ersten in das kühle Nass.

“Na komm schon, das tut gut, nach der harten Arbeit!”

Rusty bekam richtig Panik, als er den großen See erblickte. Er stemmte seine Füße in den Boden und wollte nicht weitergehen. Seine alte Angst vor Wasser war wieder erwacht.

“Rusty, was ist denn? Man könnte meinen, Du hättest Schiß ins Wasser zu gehen.” lachte Betty, welche sich inzwischen umgezogen hatte und zurückkehrte.

“Rusty kann nicht schwimmen.” erklärte Casey, der hinzugekommen war.

“Oh, ich verstehe. So ein großer Junge und kann noch nicht schwimmen? Das kann doch jeder hier bei uns.”

Die verwandelte Dampflok errötete peinlich berührt.

“Ich gehe unter wie ein Stein, ich bin zu schwer!”murmelte sie.

“So ein Quatsch! Na, dann wird es Zeit, das Du es lernst.” erklärte Betty.

“Hey, eine gute Idee, Rusty.”meinte Casey.

“WAS?!”

“Es wird Zeit, das Du dich deinen Ängsten stellst. Und jetzt ist die Beste gelegenheit dazu. Betty kann Dir das Schwimmen beibringen.”

“Antonio! Hilfst Du mir mal?” rief Betty. Ein gut gebauter Mann mit sonnengebräunter Haut stapfte heran. Er war der Rettungsschwimmer und überwachte das Treiben am und im Wasser.

“Was gibts, Betty?”

“Der Neue hier kann nicht schwimmen. Er braucht ein bischen Unterricht.”

“Alles klar.”

“Brauch ich nicht!” gab Rusty trotzig zurück.

Aber alles sträuben half nichts. Ruck-Zuck hatten die Beiden ihn seiner Kleider entledigt, bis er nur noch in seinen Shorts dastand. Dann hob ihn Antonio einfach hoch und trug ihn hinunter zum See. Casey rollte hinterher, blieb aber dann zurück, da seine Räder im Sand einsanken und er nicht mehr vorankam. So setzte er sich einfach hin und beobachtete das weitere Geschehen.

“Sollen sie ihm ruhig das Schwimmen beibringen. Vielleicht verliert er endlich dann seine Abneigung gegen Wasser. Ein Mensch besteht schließlich größtenteils aus Wasser und wir sind schließlich einmal vor langer Zeit auch aus dem Meer gekommen.”
 

So sehr sich Rusty auch wehrte, es half nichts. Antonio trug ihn auf den Steg und wandte die harte Tour an. Kurz und schmerzlos. Er warf den armen Rusty einfach am Ende des Stegs ins Wasser!

“Au weia! Das war vielleicht doch kein so guter Gedanke!” dachte Casey unbehaglich.
 

Rusty glaubte, sein Herz würde stehenbleiben, als die Wellen über ihn zusammenschlugen. Aber instinktiv begann er plötzlich wild mit den Armen und Beinen zu rudern und durchstieß kurz darauf mit seinem Kopf die Wasseroberfläche.

“Glubb! Hilfe! Ich geh unter! Ich will hier raus! Ich kann nicht schwimmen, Hilfe!!” schrie Rusty und zappelte wie ein Ertrinkender herum.

“Mann, stell dich nicht so an, Kleiner! Du kannst hier stehen!” rief Antonio kopfschüttelnd.

“Äh?”

Tatsächlich fühlte er plötzlich sandigen Grund unter seinen Füßen. Und als er stand, reichte ihm das Wasser nur noch bis zur Brust.

“Mann, ist das peinlich!” seuftze Casey und schüttelte den Kopf.
 

“So, mein Kleiner. Und jetzt schau gut zu. Es ist ganz einfach.” lächelte Betty, nachdem sie und Antonio über eine Leiter in das Wasser gelangt waren.

Die Frau machte es vor.
 

Der Rest des Nachmittags verging damit, das Antonio ihn waagerecht hielt und Betty Anweisungen gab. Allerdings war Rusty zuerst mehr mit seinem Kopf unter als über Wasser und zappelte herum. Er hätte bestimmt auch den halben See ausgetrunken, wenn Antonio nicht aufgepasst hätte.

Aber die Beiden blieben hartnäckig und schließlich hatte die verwandelte Dampflok es begriffen und schaffte es sogar, über Wasser zu bleiben.

“Wow, sie haben es geschafft! Er schwimmt tatsächlich! Zwar noch etwas unsicher und mehr wie ein Hund, aber es klappt! Irre!” staunte Casey.”Dinah und Dustin werden Augen machen, wenn ich das erzähle!”
 

“So jetzt ist aber genug, deine Lippen sind schon ganz blau vor Kälte.” meinte Betty.

“Finde ich auch, bin völlig alle!” keuchte Rusty. “Und mir ist kalt.”
 

Kurz darauf hockte Rusty zähneklappernd im Sand. Betty warf ihm eine Decke über.

“Beim Starlight! Das war vielleicht ein schwieriger Fall.” meinte Antonio.” Mann könnte meinen, er wäre noch niemals an einem See gewesen.”
 

„Das war ein toller Nachmittag! Das machen wir morgen wieder, Betty!“ rief einer der Arbeiter, als sie sich für den Heimweg fertig machten.

„Na klar, Ricco!“ rief die Frau und winkte.

„Bis morgen, Betty!“

„Bis morgen, Antonio!“

Auch Rusty schlüpfte wieder in seine Sachen und mühte sich mit den Schuhen ab.

„Ohne mich!“ murrte er leise. „Nochmal lass ich mich nicht ins Wasser werfen!“

„Die anderen sind schon alle gegangen. Fahren wir nach Tarvian zurück?“ fragte Casey.

„Gleich. Ich ...ich muss nur wieder mal...warscheinlich wegen dem ganzen Wasser...“ murmelte Rusty.

„Dann geh, ich warte hier. Du weißt ja jetzt, wies geht. Und pass auf, das Du Dir nicht wieder was einklemmst.“

„Musst Du mich daran erinnern?“ knurrte Rusty und trollte sich.

„Händewaschen nicht vergessen.“ rief Casey ihm noch grinsend nach.
 

Zehn Minuten später trat Rusty aus der WC-Tür ins Freie und bog um die Ecke des Gebäudes.

„Hallo, mein schöner Junge! Wohin denn so eilig?“

Rusty stoppte abrupt und bekam einen Schreck!

Betty lehnte an der Hauswand und lächelte verführerisch zu Rusty hinüber. Schon während der Arbeit hatte die Rangierarbeiterin Ihm immer wieder verstohlene Blicke zugeworfen. Sie trug nun nicht mehr ihre blaue Arbeitsmontur, sondern war in ein leichtes Sommerkleid gewechselt.

„Äääh...ich will zu meinem Freund Casey..“

„Deiner kleinen Dampflok? Die ist wirklich süß! Sie sieht im Humanoid-Modus noch wie ein kleiner Junge aus! Solch eine Lok habe ich noch nie gesehen.“ säuselte sie, stieß sich von der Wand ab und kam auf Rusty zu.

„Das glaube ich Dir...“

„Aber Du bist noch viel süßer!“

„Äääähh....“

Rusty schluckte schwehr. Er begann vor Nervosität zu schwitzen, am liebsten wäre er auf und davon! Er wich zurück und hatte plötzlich selbst die Wand des Gebäudes im Rücken, als sich die junge Frau Ihm immer mehr näherte. Sie schien etwa in Rustys menschlichem Alter zu sein und ließ nun all ihre weiblichen Reize spielen. Nur sprach die verwandelte Dampflok nicht darauf an. Sie bekam es eher mit der Angst zu tun.

„Betty, was machst Du?“

„Na was wohl? Wir haben jetzt Feierabend und könnten ein bischen Spaß miteinander haben!“

„Ich glaube, das ist keine so gute Idee!“ schluckte Rusty.

„Das sehe ich anders, mein Hübscher...ich hab schließlich geholfen, das Du schwimmen kannst. Willst Du dich nicht dafür etwas erkenntlich zeigen?“

Schon stand sie Rusty gegenüber, beugte sich etwas vor und stützte sich mit Ihrer linken Hand an der Wand des Schuppens ab.

„Großer Starlight hilf! Was soll ich jetzt tun?“ dachte Rusty verzweifelt. In solchen Dingen war er total unerfahren, als Lok wie als Mensch. Aber er hatte solch eine Anbaggerung schon einmal in einem Fernsehfilm gesehen und wenn die Sache so weiterging wie dort, wollte er nicht dabei sein!

Mit Ihrer rechten Hand fuhr Betty Ihm langsam durch das Haar, dann strichen Ihre Fingerspitzen an Rustys Wange entlang bis zu seinem Kinn. Scheiße, dachte er. War der Tag nicht schon schlimm genug? Und jetzt auch noch das!
 

Zur gleichen Zeit entdeckte Casey, der sehen wollte, wo sein Freund so lange blieb, in was für einer misslichen Lage Rusty steckte.

„Oh nein! Auch das noch! Dieses verdammte Weibsbild verführt meinen Kumpel! Ich muss was tun, sonst gibt das eine Katastrophe!“ dachte er und überlegte. Dann hatte er einen Plan...
 

Betty unterdessen hatte Rusty am Kinn ergriffen, brachte Ihr Gesicht ganz nahe an das Seine und küsste Ihn! Das Gesicht von Caseys Freund lief rot an, sein ganzer Körper versteifte sich. Als sie wieder Ihre Lippen von den seinen löste, fühlte sich Rusty wie paralysiert. Und er konnte sich gegen diese Anmache nicht wehren, dazu hatte er viel zu viel Angst. Außerdem fühlte er, das in seinem neuen Körper verschiedene Dinge und Gefühle abzulaufen begannen, die er sich nicht erklären konnte!

„Betty, bitte nicht! Was sollen denn die anderen denken!“

„Hier sieht uns keiner, Schätzchen!“

„Schätzchen?“ Rustys Nackenhaare sträubten sich, als sie mit Ihren Fingern an den Knöpfen seiner Jacke zu nesteln begann! „Das ist nicht richtig, was Du hier machst!“

Schon waren die oberen Drei offen-als plötzlich eine schwarze Rauchwolke die Beiden einnebelte!

Betty und Rusty begannen zu husten und letzterer spürte auf einmal wie Ihn jemand am Arm ergriff und wegzerrte!

„Komm schon, Rusty, bevor Die was merkt!“

„Casey! Du bist meine Rettung!“

Beide eilten durch die Rauchwolke davon und als sich die Sicht zu klären begann, beschleunigten sie Ihren Lauf. Casey transformierte als sie die Gleise erreichten und Rusty sprang in den Führerstand, während der Dampflok-Junge so schnell er konnte, Richtung Tarvian davondampfte.

„Danke, huff-Casey! Du hast mir das Leben gerettet! Die hätte mich sonst...Deine Rauchwolkenattacke war toll!“

„Sie war auch kurz davor, dich zu vernaschen, mein Lieber! Ich sagte es Dir ja, Du bist ein gutaussehender, junger Bursche und sehr anziehend für Frauen!“

„Das ist auch ein Teil, der mir am Menschsein gar nicht gefällt!“ schnaufte Rusty, schüttelte sich und knöpfte sich seine Jacke wieder zu.

„Du musst eben lernen, dich gegen solche Anbaggerei zur Wehr zu setzen! Sag einfach fest und bestimmt: Nein! Zeig den Mädels, das Du keine Angst hast! Ein selbstsicheres Auftreten verschafft Dir den nötigen Respekt! Betty kann auch nicht einfach machen, was sie will!“
 

Beide waren heilfroh, als sie wieder im Bahnhof von Tarvian ankamen.

“Oh mann! Jetzt aber nichts wie ab in den Lokschuppen!”

“Haaalt, Rusty!”

“Was ist denn? Ich bin hundemüde und habe Hunger!”

“Hast Du nicht etwas vergessen? Was ist mit mir? Du bist jetzt der Lokführer und Du kannst mich nicht einfach so abstellen! Mein Aschekasten ist voll und ich spüre, das meine Gelenke dringend Öl brauchen. Bei manchen Bewegungen knirscht es schon etwas komisch. –Tja, Rusty, jetzt musst Du das für mich tun, was ich sonst jeden Abend für dich tue. Um die Wartungsarbeiten kommst Du nicht herum.”

Rusty brummte genervt.

Aber es half alles nichts, er musste wohl oder übel nochmals ran. Casey transformierte in den Maschinenmodus und Rusty machte sich ans Entaschen und Warten.

“Mann, wie das staubt...meine Nase kitzelt...ich muss –Haaaa-Tschieeee!”

Rusty nieste einmal heftig und der ganze feine Aschestaub flog nach allen Seiten. Vor allem in Rustys Gesicht.

“Na toll! Schau dich bloß an! Ein richtiger schwarzer Mann!” meinte Casey.

“Sehr komisch!” knurrte Rusty und versuchte mit dem Ärmel seiner Jacke den Ruß aus dem Gesicht zu bekommen.
 

Schließlich war auch diese Arbeit getan und beide schlichen müde zurück zum Lokschuppen.

“Du siehst schlimmer aus als ich wenn ich mit der Wartung fertig war. Ich hoffe, Dinah kriegt keinen Schreck.” bemerkte Casey.
 

“Rusty! Mir scheint Du hast den Rekord im Schmutzig sein gebrochen! Hast Du dich in der Asche gewälzt?”

“Natürlich nicht!”

“Also so dreckig kommst Du mir nicht an den Tisch! Also ab ins Bad mit Dir, Rusty! Und ich meine keine Katzenwäsche! Ich konnte inzwischen noch einen Satz sauberer Kleider für dich finden.“

„So, Rusty, das bedeutet für dich -ab unter die Dusche, hihi!“

„Auch das noch!“

„Du kannst mein Waschzeug haben. Geh schon mal vor, ich bringe es Dir nach.“

Rusty seufzte und trottete in Richtung Waschräume.

In der Umkleide entledigte er sich zuerst der Schuhe.

„Endlich! Diese Dinger sind eine Plage!“ seufzte er erleichtert.“Da hatte ich es als Dampflok besser. Nur mein Fahrgestell unter den Füßen und sonst nichts!“

Dann folgten Jacke und Hemd und die Hosen. Dann entdeckte er den großen Spiegel an der Wand. Er stand langsam auf, trat davor und betrachtete nachdenklich sein Abbild in der spiegelnden Fläche.

„So ist es also, ein richtiger Mensch zu sein. Überall eine weiche, rosafarbene Haut, die noch empfindlicher als meine alte Hülle ist, Zehen an den Füßen, und nicht nur Haare auf dem Kopf...ein richtiger erwachsener Menschenkörper...“

Dabei fiel sein Blick auf seinen rechten Zeigefinger. Hier hatte er sich beim ersten Ankuppeln an dem scharfen Metall geschnitten. Zuerst war er über das austretende Blut erschrocken, doch mit dem Verband hatte Betty schnell Abhilfe geschaffen und Ihm dann ein paar lederne Schutzhandschuhe in die Hände gedrückt.

“Damit passiert Dir so was nicht mehr, Süßer.” hatte sie noch gelächelt. Und dann vorhin hatte sie ihn sogar geküsst! Rusty berührte seine Lippen. Für einen Moment hatte er sich gefühlt, als wenn er von einer E-Lok eins verpasst bekommen hätte. Rusty schüttelte sich.
 

„Ah, da bist Du ja.“ sprach Casey und schloß die Tür hinter sich. „Oh, Du betrachtest dein Spiegelbild.“

„Sag, Casey, bin ich wirklich gutaussehend?“

„Was soll die Frage? Du hast es doch selbst bemerkt, wie Betty hinter Dir her war! Du siehst als Mensch und sogar als Dampflok im Humanoid -Modus toll aus. Jeder kann in deinem Gesicht sofort deinen guten Charakter erkennen. Und vor allem deine Augen sind so sanft und ehrlich. Das haben schon viele zu mir gesagt.-Aber das Wichtigste ist nicht das Äußere, sondern das, was hier drinnen ist, Rusty. Deine inneren Werte.“ erklärte Casey und legte seine Hand auf die Brust seines Freundes.“So und jetzt genug geredet! Ab zur Wäsche!“

Rustys Abneigung gegen Wasser war trotz seiner Umwandlung und dem heutigen Schwimmkurses geblieben.

„Na los! Jetzt kann doch bei Dir nichts mehr rosten! Und untergehen kannst Du auch nicht!“ sprach Casey genervt.“Du bist wirklich schlimmer als ein kleines Kind!“

Er stand mit den Füßen in der gefüllten Wanne und zog an Rustys Arm, der sich hartnäckig weigerte, Ihm zu folgen!

“Für meinen Geschmack hatte ich heute schon genug Wasser! Mir reichts!”

“Aber so schmutzig kannst Du nicht bleiben. Das gehört sich nicht!”

“Ist mir egal!” gab Rusty trotzig zurück.

„Oh mann, ich gebs auf!“ stöhnte Casey und ließ locker. Auch Rusty gab seinen Widerstand auf. Darauf hatte der Dampflok-Junge nur gewartet! Blitzschnell fasste er das Handgelenk seines Partners wieder fester, ein kräftiger Ruck -und Rusty landete Bauch und Gesicht voran im Wasser! Hustend und keuchend tauchte er wieder auf und klammerte sich wie ein Ertrinkender am Wannenrand fest.

„Na endlich! Ist doch gar nicht schlimm oder?“

„Mach das nie wieder, Casey!“jappste Rusty.

„Jetzt entspann dich endlich! Du wirst bald merken, das es gar nicht so unangenehm ist. Mir war es erst auch zuwider, fast jeden Tag eine große Wäsche abzuhalten, aber jetzt habe ich mich daran gewöhnt.“ anwortete Casey und setzte sich auf den Wannenrand.“Pass mal auf, ich zeige Dir etwas lustiges.-Heb mal einen deiner Füße an.“

„Ist das wieder einer deiner schlechten Scherze?“

„Nein, jetzt mach schon.“

Also hob Rusty seinen linken Fuß aus dem Wasser. Casey ergriff Ihn und begann Ihn zwischen den Zehen und an der Sohle zu kitzeln.

„Wuah, was machst Du denn da! Aufhören!“rief Rusty und begann hin - und herzuzappeln!

„Aha, Du bist also kitzelig!“

„Huahaha! Bitte laß das bleiben! Das ist -haahaha-ja furchtbar!“

„Aber es bringt dich zum Lachen. So kann ich dich wenigstens etwas aufheitern!“

„Das-haha-nennst Du aufheitern?“ Rusty zog schnell seinen Fuß weg, versenkte Ihn wieder im Wasser und starrte Casey ärgerlich an. Doch dann wurde Rustys Blick wieder freundlicher. „Verzeih mir, Casey. Du bist so lieb und versuchst mir, wo immer Du kannst zu helfen. Und ich stelle mich so dumm an und danke es Dir nicht einmal!“

„Nein, Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, mein Freund. Mir fehlt auch manchmal die Geduld und so wie jetzt Verständnis für deine Probleme. Unsere Situationen haben sich verändert und das führt zwangsläufig zu größeren und kleineren Problemen. Wichtig ist, das wir Freunde bleiben, egal was kommen mag.“

„Genau. Und weder Red Caboose noch jemand anders wird diese Freundschaft auseinanderbringen!“

„Meine Rede, Rusty!-Und jetzt beug dich etwas vor, dann helfe ich Dir beim Rückenwaschen....sooo....und jetzt die Brause.“

„Uaah!“

„Und jetzt kommen die Haare dran!“

“Au! Das brennt in den Augen!”

“Stell dich nicht so an! Das ist nur das Shampoo. Ts, hätte nicht gedacht, das ich mal einen Erwachsenen waschen muss. Komm, nimm den Schwamm und versuche es vorne selber.”
 

„Ist jetzt endlich alles weg?“ brummte Rusty.

„Jetzt bist Du blitzblank.“ grinste Casey. „Komm raus.“

Der verwandelte Junge warf ihm ein großes Handtuch über und half beim abtrocknen.

„So sauber habe ich mich noch niemals gefühlt. Es ist wirklich etwas anderes als sauber geputzt.“bemerkte Rusty später, als er versuchte, wieder in sein Unterhemd zu schlüpfen. Wieder musste Ihm Casey ein wenig dabei helfen.

„Verstehe ich gut.“nickte der Dampflok-Junge. „Das Wasser war am Ende richtig schwarz von dem ganzen Ruß.“

„Wie bei Dir damals in Oledin, nachdem Du in die Aschegrube gefallen bist.“
 

“Wie war eigentlich euer Arbeitstag?“ fragte Dinah.

„Frag nicht! Es ging einiges daneben! Wir sind beide ziemlich erledigt!“ antwortete Rusty.

„So schlecht lief es nun auch wieder nicht! Na ja, am Anfang vielleicht... Aber dann, als Rusty...-“ begann Casey, doch Rusty brachte seinen Freund mit einem strengen Blick zum Schweigen.

„Schon gut, ich sag nichts mehr.“ murmelte der Junge.

„Rusty, dein Abendessen ist bald fertig. -Casey,willst Du ausnahmsweise auch etwas anderes als deine Kohlen?“

„Gerne, Dinah.“
 

Wenig später saßen beide am Esstisch. Rusty versuchte nun das erste Mal, mit Messer und Gabel zu essen, was diesmal auch gut klappte, da er ja schon oft Digger dabei zugesehen hatte.

„Beim Starlight! Rusty hat schwimmen gelernt? Von den anderen Menschen?“ staunte Dinah.

„Ja. Er hatte zuerst eine heiden Angst, doch seine „Lehrerin“ blieb hartnäckig und hat das durchgezogen, bis er es begriffen hatte.“

„Das ist toll Wer weiß, vielleicht kann es Dir einmal von Nutzen sein.“

„Na, ich weiß nicht. Morgen mache ich auf jeden Fall einen großen Bogen um Betty und den See!“
 

An diesem Abend gingen die beiden Freunde früh schlafen. Und diesmal wurden auch die Schlafplätze getauscht. Rusty bezog Caseys Quartier und der Dampflok-Junge die Matratze in der Stellbox.

„Gute Nacht, kleiner Lehr-äh, ich meine, kleine Dampflok....“ sprach Dinah und deckte Casey zu.

„Gute Nacht, Dinah.“

Dann sah das Waggonmädchen noch nach Rusty.

„Und-wie liegt es sich in einem Bett?“ fragte sie.

„Schön bequem. Und die Matraze ist nicht so hart.“

„Dann schlaf gut.“

„Gute Nacht, Rusty.“

Dinah stieg wieder die Treppen hinunter.
 

„Dinah....“ Dustin winkte das Waggonmädchen zu sich.

„Was ist denn?“

„Sag mal, meinst Du, das Casey genug Kraft haben wird, mich und dich zu ziehen? Er ist doch viel kleiner als Rusty und nicht so stark!“

„Das werden wir noch sehen, Dustin. Zerbrich Dir nicht deinen Kopf darüber.“ meinte Dinah und trat an das Fenster. Sie sah hinaus in den sternenklaren Himmel und murmelte:“Starlight Express, ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Ich wünsche mir, es wäre alles wieder so wie vorher!“
 

Als sie in die Stellbox zurückkehrte, um nach Casey zu sehen, wälzte dieser sich gerade unruhig auf der Matratze herum.

„Dinah, ich kann nicht einschlafen!“ klagte der Dampflok-Junge.
 

Zur gleichen Zeit wälzte sich Rusty oben in Caseys Quartier ebenfalls unruhig hin und her.

„Mist! Ich komme einfach nicht zur Ruhe! Verstehe ich nicht! So ein Bett ist doch viel bequemer als eine Lokmatratze!“ knurrte er.
 

„Du bist Rustys Schlafplatz nicht gewöhnt. So eine Lokmatratze ist etwas anderes als ein Bett.“ erklärte Dinah.“Viel härter als eure Bettmatratzen.“

„Das ist wahr.“

Rusty kam die Stufen herunter.

„Kannst Du auch nicht einschlafen?“

„Nein, Casey.“

„Dann sollte vielleicht jeder zu seiner alten Schlafstätte zurück.“ schlug Dinah vor.“Oder halt-ich weiß etwas besseres....“
 

Oben in Caseys Zimmer legte das Waggonmädchen einen Schutzüberzug über das Bett, damit Casey das Laken nicht ölig und rußig machte.Und Rusty bekam eine normale Matratze neben Caseys Bett auf dem Boden.

„Besser jetzt?“

„Ich glaube, so geht es. Danke, Dinah.“ lächelte Casey.

„Dann schlaft schön, Ihr beiden!“

Tatsächlich konnte das Waggonmädchen kurze Zeit später die ruhigen Atemzüge der beiden Freunde vernehmen. Sie löschte das Licht und begab sich wieder nach unten.
 

Langsam ging es auf Mitternacht zu.

Casey wälzte sich unruhig im Schlaf herum und murmelte:“Starlight Expresss....“
 

„Junger Lehrling!“

Casey erwachte durch den Ruf und fand sich auf einmal zwischen den Sternen wieder. Er stand auf einem silbern schimmernden Gleis, das sich in der Ferne verlor. Und irgendwer rief Ihn aus der Ferne!

„Junger Lehrling!“

Casey lief los. In gleichmäßigem Tempo folgte er den Gleisen, die Ihn durch das sternenübersäte Himmelszelt führten.

Plötzlich tauchte vor Ihm ein helles funkelndes Licht auf. Casey blieb stehen.

„Starlight Express, hast Du mich gerufen?“ fragte er.“Hier bin ich! Casey, die kleine, blaue Dampflok!“

Auf einmal nahm das Licht eine Form an und wurde zu einer großen, glitzernden, stromlinienförmigen Lok aus unzähligen Sternen!

„Starlight Express!“

„Du hast also meinen Ruf gehört.“

„Natürlich! Nachts träume ich oft davon, dich zu treffen! So wie jetzt! Sag, hast Du mich und Rusty verwandelt?“

„Es war dein Wunsch, eine Dampflok zu sein, so wie es Rustys Wunsch war, ein richtiger Mensch zu werden. Hat es dich glücklich gemacht, junger Lehrling?“

„Nun ja. es war schon toll. Ich habe beim Rangieren geholfen. Zuerst fehlte mir die Kraft, da ich ja so klein bin. Ich konnte leider die Güterwagen noch nicht alleine schieben. Eine größere Rangierlok musste hinter mich gekuppelt werden. Aber dann, nach einigen Stunden, ging es plötzlich immer besser und ich konnte ohne Vincent weitermachen!“

„Und wie hat sich Rusty in seiner menschlichen Gestalt zurechtgefunden? Hat es Ihm Spaß gemacht?“

„Es war furchtbar! Er weiß vieles noch nicht! Nicht einmal die einfachsten menschlichen Bedürfnisse kennt er! Nun ja, er lernt schnell, doch wenn ich so darüber nachdenke, ich weiß nicht, ob es richtig ist. Vielleicht wäre es besser für ihn wieder eine Lok zu sein. Jeder hat seinen festen Platz in dieser Welt. Die ganze Sache traf uns auch etwas unvorbereitet.“

„Und wie ist es mit Dir? Willst Du auch lieber wieder das sein, was Du warst?“

„Ich glaube, jeder sollte das Leben führen, für das er bestimmt ist.“

„Das denke ich auch. Auch Dinah wünscht, das alles wieder so ist, wie vorher.“

„Ich sollte wohl wirklich besser wieder ein Lokführerlehrling sein und Rusty eine Dampflok. Und eines Tages, wenn ich zu meinem Vater nach Hause zurückkehre, kann ich ihm ja nicht so unter die Augen treten. -Kannst Du es wieder rückgängig machen, Starlight Express?“

„Du musst nur durch diesen Sternenvorhang laufen.“

Vor Casey war auf einmal ein Gebilde aus glitzernden Sternen erschschienen.

„Ja, es soll wieder wie vorher sein! Aber es war toll, das Du uns für einen Tag die Rollen hast tauschen lassen! Trotz allem hat jeder von uns einiges gelernt. Und das war ja wohl auch der Sinn der Sache.“

„Das hast Du ganz richtig erkannt, kleiner Lehrling.“

Casey lief los-und durch den glitzernden Sternenvorhang.

„Danke, Starlight Express....“
 

Als Casey am nächsten Morgen erwachte und an sich herabsah, war er wieder ein ganz normaler Junge. Und neben Ihm auf der Matratze lag sein Partner Rusty-wieder als Dampflok.

„Rusty! Rusty, wach auf!“ rief Casey.

„Was ist los?“ murmelte sein Freund. „Ist schon wieder Morgen?“

„Schau dich mal an!“

Rusty schlug die Decke zurück.

„Ich -ich bin wieder wie vorher! Eine kleine Dampflok! -Und Du bist wieder ein Junge! Mein Lehrling!“

Beide sahen sich an. Jeder war wieder so, als wäre der gestrige Tag gar nicht gewesen.“

„War das jetzt alles nur ein Traum?“ fragte Rusty.

„Das glaube ich nicht. Sieh doch!“

Tatsächlich trug die kleine Dampflok noch das Unterhemd und die Shorts von gestern! Nur saßen die Kleidungsstücke jetzt ziemlich knapp an seinem Körper.

„Stimmt! Hilf mir mal, das Zeug schnürt mich ein!“

Mit Caseys Hilfe befreite sich Rusty von den zu eng gewordenen Sachen.

„So. Das brauche ich jetzt nicht mehr. Und zum Glück muss ich auch nicht mehr diese gräßlichen engen Schuhe tragen!“bemerkte die kleine Dampflok glücklich.

„Es ist alles so wie es war...wie es sein soll. Aber es war trotzdem toll, das wir einen Tag unsere Rollen tauschen durften! Das haben wir dem Starlight Express zu verdanken! Ich habe Ihn in meinen Träumen gesehen.“

„Du hast von Ihm geträumt? Wie sah er denn aus?“

„Ich sah nur eine große Lok aus Sternen geformt. Und seine Stimme klang irgendwie weit weg. Ich weiß nicht, ob das seine richtige Form war, die ich gesehen habe.“

„Och mann...“ maulte Rusty leise.
 

„Ich bin gespannt, was Mr. Colbus sagen wird, wenn er uns sieht.“ bemerkte Casey, als er mit Rusty nach dem Frühstück in Richtung Güterbahnhof fuhr.

„Wir sollten lieber von hier verschwinden....ich möchte nicht wieder dieser Betty unter die Augen treten.“

„Das wäre nicht richtig. Ich habe doch einen Vertrag für die drei Tage unterschrieben.“

„Na schön. Aber wie willst Du das von gestern erklären?“
 

“Hey, wo kommt ihr zwei jetzt auf einmal her? Diese kleine Lok von diesem Jones hat doch behauptet, ihr seid wieder abgereist.” meinte der Vorarbeiter, als er den Beiden begegnete. „Und was das komische war, von den Beiden hat die Agentur gar nichts gewusst! Auf dem Fax war nur dein Foto zu sehen. Und Du heißt doch auch Jones, oder? Bist Du etwa mit diesem Rusty Jones verwandt?“

„Äh...wissen sie, das ist alles ein bischen kompliziert...“ antwortete Casey und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
 

Betty, welche den Lehrling und seine Lok nun erblickte, bekam große Augen. Sie kam angelaufen und musterte beide eingehend.

“Moment mal! Ich hab euch zwei doch vorgestern noch gesehen. Dann hieß es, ihr seid weitergereist und -Das gibts doch nicht! Was ist hier los? Du warst doch noch gestern ein Mensch! Und Du warst diese zu klein geratene Dampflok, ja, ich erinnere mich noch genau an deinen roten Haarschopf!“

“Sie müssen geträumt haben. Ich war schon immer eine Lok und Casey schon immer ein Mensch.” meinte Rusty verlegen.

“Ich bin doch nicht blöd! Ich erkenne dich wieder! Du bist dieser Rusty Jones!”

Casey seufzte.

“Am besten, wir erklären es ihnen Rusty, Betty ist nicht auf den Kopf gefallen. Die wird nicht eher Ruhe geben.”

“Allerdings. Da bin ich aber mal gespannt.”

„Und ich genauso. Ich habs nähmlich nicht gern, wenn man mich für dumm verkauft.“ brummte der Vorarbeiter.
 

Interessiert hörten Mr. Colbus und Betty der Erzählung der Beiden zu.

„Also so etwas verrücktes habe ich noch nie gehört!“ brummte der Vorarbeiter.

„Aber so war es. Oder wie erklären sie sich unsere getauschten Rollen?“ bemerkte Casey.

„Das ist wahr...ich habe dich transformieren sehen...,“ murmelte Betty. Dann blickte sie zu Rusty hinüber, der eingeschüchtert etwas zurückwich. „Und wenn ich daran denke, das ich dich gestern beinahe vernascht hätte...jetzt wird mir einiges klar...“

Rustys Gesicht lief dunkel an.

„Müssen sie das erwähnen?“ knurrte er leise.

„Der Starlight Express vollbringt manchmal wirklich seltsame Wunder. Aber ich denke, es hatte einen bestimmten Grund. So wie alles, was die Sternenlok da oben tut.-So, aber jetzt macht euch fertig, die Arbeit fängt gleich an!“ bemerkte Mr. Colbus und stapfte davon.

Damit schien der Fall für ihn erledigt.

„Da hat mein Boß recht. Also, seid das nächstemal vorsichtiger mit dem was ihr euch wünscht.“
 

Nach zwei Stunden rief der Vorarbeiter Casey und seinen Lokpartner zu sich.

„Haben wir wieder was falsch gemacht?“ fragte Casey besorgt.

„Hehe, nein, ihr Beiden. Aber so wie ich das sehe, hast Du sicher schon auf einem Güterbahnhof gearbeitet, Rusty, nicht wahr?“ fragte Mr. Colbus, welcher der Dampflok einige Zeit zugesehen hatte.

„Mehr als genug.“

„Dann wirst Du deinem Lehrling helfen und ihm das beibringen, was Du weißt. Casey macht das schon ganz gut, aber ihm feht es noch etwas an Kraft. -Wir kriegen außerdem heute noch zusätzliche Hilfe. Eine unserer Rangierloks ist wieder betriebsbereit. Die übernimmt jetzt das Schieben.“ erklärte der Vorarbeiter und wies in Richtung der Lokschuppen.

„Hallo, ich bin Peppi.“ lächelte der grünlakierte Diesel und rollte näher.

„Hey, schön dich wiederzusehen, Peppi!“ rief einer der Rockies.

„Wieder alles okay mit Dir?“ fragte Flat-Top, ein Plattformwaggon, der über und über mit Backsteinen beladen war.

„Na klar, Jungs!“

„Prima, dann muss ich heute nicht mehr aushelfen.“ lächelte Vincent zufrieden.

„Für ein bischen Hilfe wäre ich schon dankbar, Oldtimer.“ meinte Peppi halb scherzhaft.

„Hey, ich würde dich doch nie im Stich lassen.“
 

Die kommenden zwei Tage vergingen wie im Flug. Viele Güterwagen wurden rangiert und auf die Weiterreise geschickt. Und Casey lernte die verschiedenen Waggontypen kennen und den gesammten Ablauf auf solch einen Bahnhof. Er durfte auch beim Ausbremsen mithelfen oder unten im Bahnhof, wo die neuen Güterzüge zusammengestellt wurden.
 

Da das sommerliche Wetter anhielt, vergnügten sich die Leute nach der Arbeit wieder am See. Aber diesmal war es Casey, der sich mit den anderen in die Fluten stürzte. Rusty saß ein ganzes Stück abseits auf einem Felsen und sah zu.

„Keine zehn Pferde bringen mich je wieder in einen See!“ knurrte er uns schüttelte sich.
 

Dann war es soweit.

„Vielen Dank, Leute. Ich bin sehr zufrieden mit euch. Dank eurer guten Zusammenarbeit haben wir den Rückstau aufgearbeitet. Jetzt läuft es bei uns wieder normal und unsere beiden Loks sind auch wieder einsatzbereit.“ lobte Mr. Colbus die Helfer nach Feierabend.“Und nun folgt mir in mein Büro, da bekommt jeder seinen wohlverdienten Lohn für seine Arbeit.“

Das ließen sich die Helfer nicht zweimal sagen.

Mit seinem Lohn bekam Casey auch sein Lehrbuch zurück, in dem Mr. Colbus eingetragen hatte, was Casey in den drei Tagen gemacht hatte. Natürlich hatte er nicht hineingeschrieben, das der Lehrling am ersten Tag eine Lok gewesen war.
 

„Und wo geht ihr als nächstes hin?“ fragte Casey die Arbeiter, welche sich für die Abreise fertig machten.

„Oh, es gibt für uns immer etwas zu tun. Manchmal bleiben wir länger an einem Ort, manchmal nur ein paar Tage, so wie jetzt. Und manchmal bekommen wir auch eine unbefristete Anstellung. Aber vielen von uns machen diese wechselden Einsätze Spaß. Und die Agentur in Levian weiß immer, wo wir zu finden sind.“

„Dann seid ihr so etwas wie Wanderarbeiter.“

„So kann man es nennen, kleiner Lehrling.“
 

„Und? Hat es sich gelohnt?“ fragte Dinah, als beide nach Tarvian zurückkehrten.

„Ich bin zufrieden. Ich werde einen Teil auf das Konto einzahlen, das Mr. Corell für mich eingerichtet hat.“

„Stimmt. Da ist dein Vermögen am besten aufgehoben.“

Für die Eisenbahner gab es eine spezielle Bank, die überall auf dem Kontinent ihre Filialen hatte. In den Städten und Ortschaften oder auch direkt auf den Bahnhöfen.

Auf dem Rückweg begegnete er Betty.

„Hallo, kleiner Lehrling.“

„Hi, Betty. Sie suchen doch nicht etwa meinen Kumpel?“

Die junge Frau lächelte.

„Ich möchte mich nur von euch verabschieden. Schade, das ihr morgen schon weitermüsst. Ich hätte noch gerne etwas länger mit euch zusammengearbeitet.“

Casey grinste. Hat die sich doch tatsächlich in meinen Lokpartner verguckt, dachte er.

„Wir wollen nach Via Corrona. Den dortigen Favoriten herausfordern.“

„Espresso? Da habt ihr euch aber etwas vorgenommen. Popcornia hat schon lang keinen Favoriten mehr gehabt. Aber vielleicht findet sich irgendwann einmal eine Lok, die es wissen möchte. So wie dein Rusty. Aber ich gebe euch einen guten Rat: Unterschätzt den Torroner nicht! Espresso ist stark und kämpft härter, als ihr es bis jetzt gewohnt wart!“

„Das haben wir schon gehört. Und wir werden deinen Rat beherzigen, Betty.“
 

„Das ist also Betty, von der ihr so viel erzählt habt.“ sagte Dinah, als beide sich vorgestellt wurden.

„Ja, sie ist ganz schön tough (sprich „taff“) und behält immer einen kühlen Kopf.“ erklärte Casey.

Man saß ein Weilchen zusammen und plauderte, dann hieß es Abschied nehmen.

„Gute Weiterreise und viel Glück in Via Coronna. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“ lächelte Betty und ruffelte Casey durch das Haar. „Und passt gut auf euch auf.“

„Das werden wir.“

Dann war Rusty an der Reihe.

„Machs gut, mein Hübscher. Und lass Dir von Espresso nichts gefallen!“

„B-bestimmt nicht.“ stammelte Rusty und wurde wieder dunkel um die Nase. Er war heilfroh, als sie endlich gegangen war.

„So wie es aussieht, hattest Du wohl noch nie eine Freundin.“ meinte Dinah.

„Wie denn auch? Wer will mich alten rostigen Teekessel schon haben?“

„Warte nur, das kann sich bald ändern..“ lächelte das Speisewaggonmädchen und ließ einen verwirrten Rusty stehen.
 

Forstetzung folgt...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Festung-CookieCorner
2013-01-30T19:29:41+00:00 30.01.2013 20:29
Ich liebe deine FF das kapitel war auch wieder so geil. Du hast voll gute Ideen.


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