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Telefongespräch Humor, Literatur

Autor:  halfJack
Als Einstieg:

>Dringlingling... Klick!<

"Zum Geburtstag viel Glück. Zum Geburtstag viel Glück. Zum Geburtstag dir...
Oh, ich habe deinen Namen vergessen."

"Wer sind Sie?"

"Ah, danke. Zum Geburtstag dir Wer-sind-sie. Zum Geburtstag viel Glück.
Alles Gute zum 31. Geburtstag!"

"Sie müssen mich mit jemandem verwechseln. Ich habe nicht..."

"Halt den Mund! Heute ist dein 24. Geburtstag.
Also... ich habe ein Geschenk für dich. Was ist dir lieber? Schmerzen zuzufügen oder sie zu erleiden?
Du kannst das haben, was du am meisten hasst. Hi hi hi...
Alles Gute zum Geburtstag!"

>Klack!<

Aus: Silent Hill 3


Letztens habe ich ein interessantes Gespräch geführt.
Sie kennen diese Art von interessanten Gesprächen, die sich die ganze Zeit nur um ein Thema drehen, wobei beide Parteien entweder derselben Meinung sind und sich in ihrer Übereinkunft gar nicht genug bestätigen können oder wo besagte Parteien gegensätzlicher Meinung sind, diese jedoch nicht auf Falschheit zurückzuführen ist. Es geht also um Geschmack und Ansichten.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Es soll tatsächlich Leute geben, die diesen Aphorismus ernst nehmen. Offensichtlich war die geschätzte Persönlichkeit jenes Geistesblitzes, insofern sie überhaupt existierte, ein Scherzkeks, wie für alle Beteiligten zu erkennen sein sollte. Geschmack ist eines der wenigen Themen, die man am ausführlichsten, kaum schöner ausgeschmückt und belegt, als Streitpunkt verwenden kann. Mit Verlaub, die eigenen Ansichten vertreten viele Menschen in intensivster Weise – ein professioneller Regentanz ist nichts dagegen. Gesprächsstoff geht nie aus, solange man um den eigenen Brei tanzen kann, ist es nicht so?
Ein einfaches Beispiel: Was haben Sie bis jetzt in diesem Bericht, von meiner Wenigkeit erzählt, gelernt beziehungsweise erfahren? Natürlich nichts. Allein vom eigenen Hauptgedanken abzuweichen ist eine Sache, die wohl nicht einfacher zu bewerkstelligen wäre, erst recht, wenn sich plötzlich die Prioritäten verschieben. Sehen Sie, was ich meine? In meinem ungeheuren Wortschwall ist es Ihnen gar nicht möglich, zu Wort zu kommen. Dabei habe ich mit meiner eigentlichen Erzählung noch gar nicht angefangen. Ich führe momentan quasi einen monologischen Dialog.
Und hier wären wir also bei meinem persönlichen Hauptgedanken: Gespräche.
Gespräche werden erst richtig interessant, wenn man den Partner dabei beobachten kann, seine Mimik, Gestik, ganz wichtig sind die Augen. Aber das wissen Sie sicher alles selbst. Außerdem sollen diese Einflüsse bei dem von mir geführten Gespräch ausgeblendet sein.
Es ist nämlich so, dass ich telefonierte.
Um auf den Punkt zu kommen: Ich telefonierte mit dem Tod.
Nichts Neues, denken sie jetzt sicher. Wieder ein Klischee, das im Grunde jeder vollzieht oder zumindest kennt. Nun, für mich war es durchaus etwas Neues. Ich hätte gehofft, diese bereichernde Erfahrung zu machen, bevor ich sterbe. Allerdings war es nach meiner Geburt schon zu spät. Sie kennen das – man stirbt sein ganzes Leben vor sich hin. Und irgendwann klingelt das Telefon, sie gehen ran und eine tiefe Stimme sagt zu Ihnen:
„Sie sind tot.“
Humbug, sicher doch. Aber anders könnte es doch gar nicht sein. Es wäre schön gewesen, hätte mich der Tod angerufen, um mir den Unterschied zwischen dem Sterben und dem Tod zu erklären. Hierbei hat er mich allerdings ausgespart.
Was blieb mir also Anderes übrig, als mich in mein Grab zu legen und anzurufen? Somit ist auch das 'Wo' geklärt: Ich lag in meinem Grab und telefonierte mit dem Tod.
Sie fragen sich, was dabei herauskam? Ich mich auch, das können sie mir glauben. Ich verweise auf den ersten Absatz – Tod und ich waren eindeutig nicht derselben Meinung. Worum es ging, spielt keine Rolle. Jedenfalls legte er kurze Zeit später wieder auf.
„Schlafen Sie jetzt. Sie sind tot.“
Logischerweise war ich erregt, wütend über so viel Unverfrorenheit. Warum hatte der Tod mich nicht angerufen, wenn mein Sterben nun endlich ein Ende hatte. Es hatte eindeutig kein Ende und ich wollte gerechterweise meinen Tod haben, den ich mir nicht nehmen ließ, nur wegen eines verpassten Telefonanrufes. Wenigstens Rache wollte ich. Eine sympathische Eigenschaft des Menschen: bekommt er seine Rache, dann geht es ihm wieder gut und alles scheint vergessen.
Am anderen Ende klingelte es. Tod nahm ab:
„Ja?“
„Sie sind tot“, versuchte ich.
„Ja, ich bin Tod.“
„Nein, Sie sind nicht Tod, Sie sind tot“, versuchte ich es weiter.
„Logischerweise.“
„Müssten Sie dann nicht an meiner Stelle hier liegen?“
„Warum rufen Sie mich zweimal an?“
Dass der Tod dazu neigt, auf Fragen immer Gegenfragen zu stellen, konnte ich mir schon denken. Also antwortete ich.
„Weil Sie es nicht getan haben.“
„Ich muss Sie doch nicht anrufen, damit Sie wissen, dass sie tot sind.“
„Ich dachte, sie seien Tod.“
„Ich bin beides.“
Der Tod seufzte, bevor er fortfuhr.
„Also, gut. So geht es auch.“
Jetzt merkte ich, dass ich gleichgültig wurde. Sie können mit Sicherheit erraten, was geschah: Ich hörte auf zu sterben.
Den Bruchteil einer Sekunde implodierten meine Gedanken, welche sie hier lesen konnten. Es ging (und geht Ihnen wahrscheinlich soeben) viel zu überstürzt. Warum das Wichtigste – das eigentliche Gespräch – weggelassen wurde, werden Sie selbst erfahren. Bei Ihrem eigenen Telefongespräch mit dem Tod.
Gute Nacht und auf Wiederhören.

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