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Eine Chance auf Glück?

~ Severus Snapes zweites Leben ~
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, nun habe ich die Geschichte endlich soweit, wie ich sie haben wollte.
Kapitel 1-3 könnte man eigentlich auch in einen ellenlangen Prolog zusammenfassen, denn erst ab hier geht die eigentliche Handlung los. ^^
Viel Spaß ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Lieben Dank für die 11 Favoriten-Einträge! <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein relativ kurzes Kapitel, diesmal aus Lilys Sicht.
Dankeschön für die 14 Favoriten Einträge und ein großes DANKE an Omama63 für die Kommentare. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Lieben Dank für 12 Kommentare und 17 Fav-Einräge! <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein herzliches Dankeschön an Omama63 und jane-pride. Eifrigere Review-Schreiber kann man sich kaum wünschen <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das hier wird das vorerst letzte Kapitel aus Lilys Sicht sein. Viel Spaß beim Lesen. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach über drei Jahren, ein Lebenszeichen von mir. Ich habe diese Fanfiction tatsächlich noch nicht vergessen, und sie liegt mir immer noch sehr am Herzen. Ich habe von damals noch den kompletten Plot in Stichpunkten auf meinem alten Laptop gefunden und dachte mir, ich hauche dieser Geschichte erneut Leben ein.
Ich hoffe, dass sich auch einige von den "alten" Lesern noch hieran erinnern, und sich wieder hierher verirren werden.
Auf alle Fälle ein dickes Sorry dafür, dass es so lange nicht mehr weiterging.

Ansonsten hoffe ich, dass sich mein Schreibstil in der langen Abstinenz nicht allzu sehr verschlechtert hat. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich betagelesen und "vervollständigt" - erneutes Durchlesen könnte sich lohnen :) Komplett anzeigen

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Gefühlschaos

Eine dicke Wolkendecke hing über Hogwarts. Die Sonne war gerade aufgegangen und tauchte das Schlossgelände in ein schummeriges Licht. Die vergangene Nacht hatte große Verluste, jedoch auch eine Welle der Erleichterung über die Zaubererwelt gebracht. Der Kampf gegen Voldemort, den mächtigen schwarzen Magier und seine Anhänger war endlich vorbei.

Jetzt galt es, die Verwundeten zu versorgen und den Hinterbliebenen Beistand zu leisten.

Alle waren in der Großen Halle versammelt und Harry Potter, der Junge, dessen Mut diesen Sieg überhaupt erst ermöglicht hatte, ging von einer Gruppe zur anderen und sprach allen Trauernden sein Beileid aus. Überall empfing man ihn wie einen Helden, doch konnten ihre freundlichen Worte nicht über den Schmerz in ihren Augen hinwegtäuschen.

Schuldgefühle nagten an Harry. Hätte er die vielen Todesopfer verhindern können, wenn er sich Voldemort ausgeliefert hätte? Wären Nymphadora, Remus, Fred und so viele andere noch am Leben, wenn er nicht so lange gezögert hätte? Er fühlte sich verantwortlich für jeden einzelnen Tod, den er nicht verhindert hatte.

Als er schließlich bei Freds leblosen Körper ankam, über dem Mrs. Weasley hemmungslos weinte, fiel Ginny ihm schluchzend um den Hals. Er drückte sie an sich und streichelte beruhigend ihren Rücken. Nachdem ihre Schultern aufgehört hatten zu beben, löste er sich vorsichtig von ihr.

„Ich gehe an die frische Luft, ich muss meine Gedanken ordnen“, flüsterte er. Wenn er noch länger die unglücklichen Gesichter um ihn herum sehen müsste, würde er noch durchdrehen.

Verständnisvoll nickte sie. Wie schon so oft, schien sie in seinen Kopf hineinschauen zu können.

„Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst. Mach dich aber nicht unnötig verrückt, glaube mir keiner macht dich dafür verantwortlich was geschehen ist. Jeder weiß, dass du alles in deiner Macht stehende getan hast.“

Harry gab ihr einen Kuss und machte sich auf den Weg nach draußen.

Gedankenverloren lief er durch das Schulgelände, dabei musste er umständlich um tiefe Krater und umgestürzte Bäume herumgehen. Es tat ihm weh, Hogwarts so zerstört zu sehen. Trotz Magie würde es einige Zeit brauchen, bis das Schloss wieder in seinem alten Glanz erstrahlen könnte.

Es waren jedoch nicht die Verluste des Kampfes gegen den Dunklen Lord, die ihn am meisten beschäftigten. Er dachte immer wieder daran zurück, was er im Denkarium gesehen hatte. Professor Snape's Erinnerungen …

Dieser Mann, den Harry jahrelang so sehr gehasst hatte, hatte ihm kurz vor dem Tod sein größtes Geheimnis anvertraut. Die nicht erwiderte Liebe zu Lily, Harrys Mutter. Eine Liebe, die so stark war, dass sie auch nach all den Jahren nach ihrem Tod nicht erlöschen konnte.

Dieses Erlebnis hatte Harry sehr aufgewühlt, jedoch konnte er mit niemandem, nicht einmal mit Ginny darüber reden, es wäre ihm wie ein Verrat vorgekommen.

Ohne, dass er es zu verhindern vermochte, spürte er wie Tränen über seine Wangen liefen als er an Snapes letzte, mühsam herausgebrachte, Worte dachte: „Sieh mich an... du hast die Augen deiner Mutter...“.

Beim Gedanken an diesen verzweifelten Wunsch, ein letztes Mal in die Augen seiner geliebten Lily blicken zu dürfen, zog Harrys Herz sich schmerzhaft zusammen.

Der Junge lenkte seine Schritte in Richtung der Peitschenden Weide. Er wollte Severus noch einmal ins Gesicht schauen, um darin den Mann zu sehen, der er wirklich war. Den aufrichtig und kompromisslos liebenden Mann, der keine Kosten und Mühen gescheut hatte um ihn, Lilys Sohn, zu beschützen. Und das, obwohl Harrys bloßer Anblick ihn sowohl an seinen schmerzlichen Verlust, als auch an die jahrelange Pein, für die James und seine Freunde verantwortlich waren, jedes Mal aufs neue erinnern musste.
 

Noch bevor er bei dem unheilvollen Baum ankam, richtete er seinen Zauberstab darauf und stellte ihn mit einem „Wingardium Leviosa!“ ruhig. Nachdem er sich sicher war, dass von den Ästen keine Gefahr mehr drohte, kroch er durch den geheimen Durchgang in die Heulende Hütte.

Als er schließlich Severus vor sich sah, konnte Harry den Blick seiner leeren, schwarzen Augen kaum ertragen und war dennoch außer Stande, sich von ihm abzuwenden. Von der eigenen Machtlosigkeit erschüttert, sank er auf die Knie. Was hatte er denn erwartet? Dieser Mann, mit dem sich Harry nun so verbunden fühlte, lebte nicht mehr. Das vermoderte, windschiefe Haus war sein Grab geworden.

So gerne hätte er noch einmal mit ihm gesprochen, hätte ihm für alles was er für ihn getan hatte gedankt. Doch dafür war es nun zu spät.

Erneut fingen Harrys Augen an zu brennen und nur mit Mühe konnte er einen verzweifelten Schluchzer unterdrücken.
 

***
 

Weit von der Heulenden Hütte entfernt, in den Tiefen des Verbotenen Waldes, wuchs ein alter Baum. In seinen oberen Ästen presste sich eine schwarze Katze zitternd gegen den Stamm. Schon viel zu lange saß sie dort oben, sie war inzwischen furchtbar müde und hungrig.

Bereits seit Stunden drangen gedämpfte Schreie zu ihr hinüber, und das obwohl sie so weit von dem Ort, von dem sie kamen, entfernt war. Sie vernahm sie nicht mit ihren Ohren, vielmehr erklangen sie direkt in ihrem Kopf. Sie wusste, dass sie keinem von ihnen helfen konnte. Es lag nicht in ihrer Macht, in das Reich der Toten einzugreifen.

Telepathie war eine Begabung, die so leicht zum Fluch werden konnte. In ihrer Müdigkeit gelang es ihr nicht, die Stimmen ruhig zu stellen. Erst als die Geräusche nach einer langen Zeit stiller wurden, und schließlich ganz verstummten, wagte sie es endlich sich zu entspannen.

Dann drang ein weiteres Geräusch, ein Schluchzen zu ihr hinüber.

Noch ein Mensch, der in diesem furchtbaren Kampf einen Angehörigen verloren hat, dachte sie und wollte sich wieder abwenden, doch dann vernahm sie ganz leise, in unmittelbarer Nähe der Person, die dieses Geräusch ausgestoßen hatte, ein schwaches Flehen.
 

„Lily…"
 

Sie hätte es nicht einmal bemerkt, wenn sie sich nicht in eben diesem Moment auf dessen Nähe konzentriert gewesen wäre. So viel Schmerz lag in diesem einen Wort. Viel mehr, als ein einzelner Mensch jemals zu ertragen vermochte.

Ihre Schnurrhaare zuckten aufgeregt. Diese Stimme kam ihr bekannt vor. Doch wo hatte sie die schon einmal gehört?

Von Neugier gepackt, versuchte sie mehr über diesen Menschen zu erfahren. Doch wie sehr sie es auch versuchte, es gelang ihr nicht zu ihm durchzudringen. Obwohl sie starke telepathische Kräfte hatte, wurde ihr Geist jedes mal brutal zurückgestoßen. Es war, als versuche sie eine Mauer aus Stahlbeton zu durchdringen. Einen so starken Widerstand hatte sie noch nie erlebt. Wer auch immer es war, er hielt sein Innerstes fest unter Verschluss.

In der verzweifelten Hoffnung irgendetwas herauszufinden, konzentrierte sie sich auf die andere Person, einen 17-jährigen Jungen. Diesmal ging es ganz einfach. Es kam ihr sogar so vor, als würde er ihr alles, was sie wissen wollte auf einem Silbertablett servieren. Vor ihrem inneren Auge blitzen Bilder und Erinnerungen auf und mühelos navigierte sie darin.

Mehrmals traf sie dabei auf diesen Mann, den sie bereits als den Besitzer der Stimme identifiziert hatte. Die meisten Erinnerungen waren von einer tiefen Abneigung ihm gegenüber geprägt. Für so viele Gräueltaten hatte der Junge ihn verdächtigt, ja sogar richtig gehasst und jetzt war er plötzlich zutiefst verzweifelt, nur weil dieser im Sterben lag?

Verwundert schüttelte sie den Kopf. Die Menschen würden ihr wohl immer ein Rätsel bleiben.

Bei einer Szene stockte sie. Es war eine der ältesten Erinnerungen die der Junge hatte und eigentlich hatte sie nicht gedacht, da etwas zu finden. Alles war verschwommen und wirkte irgendwie wirr. Vermutlich konnte der Junge dieses Erlebnis nicht einmal selbst abrufen.

Durch seine Augen sah sie hinab auf eine auf dem Boden liegende Frau. Sie rührte sich nicht und schien tot zu sein. An der gegenüberliegenden Wand lehnte der schwarzhaarige Mann, den sie bereits aus anderen Erinnerungen kannte.

Sein ganzer Körper spiegelte sein Entsetzen beim Anblick der Toten wieder.
 

„Lily…"
 

Erneut hörte sie diese Stimme, doch diesmal kam sie aus der Erinnerung des Jungen.
 

Jetzt erinnerte auch sie sich wieder. In dieser Nacht, vor nun schon über 15 Jahren, war sie selbst noch ein Kind, ihre Kräfte waren gerade erst erwacht und zum ersten mal hatte sie den Hilferuf einer gebrochenen Seele gehört …

Damals war sie noch voller kindlicher Naivität und glaubte, die ganze Welt von allem Übel befreien zu können. Voller Übermut wollte sie dem Klang der Stimme folgen, wollte diesem Menschen, der so verzweifelt zu sein schien, irgendwie helfen. Doch der Griff ihres Vaters an ihrer Hand war fest und er zog sie trotz ihrem Weinen unerbittlich weiter … Sie konnte sein Widerwillen zurückzukehren und Hilfe zu leisten, damals nicht verstehen.

Noch Jahre später ging ihr diese Nacht nicht aus dem Kopf und sie hatte mehrmals versucht, diese Seele zu orten, sie wollte wissen, wie es diesem Menschen inzwischen erging, doch dieser blieb unauffindbar.

Inzwischen wusste sie nur zu gut, welche Risiken es mit sich bringen konnte, ihre Kräfte vor anderen zu zeigen. Die vielen Narben und noch nicht ganz verheilte Wunden an ihrem Körper erinnerten sie jeden Tag aufs neue daran. Dennoch wollte sie sich diese Chance, die sich nach so vielen Jahren nun endlich darbot, auf keinen Fall entgehen lassen.

Sie schnupperte kurz, um ihre nähere Umgebung zu erkunden, dann konzentrierte sie sich erneut auf die Richtung, und diesmal tauchte vor ihrem inneren Auge ein schmaler Streifen silbrigen Lichtes auf, der sie direkt zu den beiden Männern führen würde.

Ein ungebetener Gast

Ein einzelner Blitz durchzuckte den Himmel und erhellte für einen kurzen Moment das Außengelände von Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei. Das einst so prachtvolle Schloss glich nun viel mehr einer Ruine. Explosionen hatten riesige Löcher in das Mauerwerk eingerissen, durch die man einen Blick auf spärlich erleuchtete Gänge und Räume werfen konnte. Gesteinsbrocken und Trümmer lagen verstreut auf dem Boden.

Die Umgebung rund um das Schloss war menschenleer. Alle hatten sich in der Großen Halle versammelt, einem der wenigen Räume, die die Schlacht unbeschadet überstanden haben.

Ein lautes Donnergrollen durchbrach die morgendliche Stille. Es übertönte ein leises Rascheln, das aus dem dichten Gebüsch am Rande des nahegelegenen Waldes kam. Eine kleine Katze kauerte darin und spähte unsicher nach draußen. Der silberne Lichtstrahl, dem sie bis hierhin gefolgt war, führte durch eine ebene Grasfläche zu einem alleinstehenden Baum und verlor sich zwischen seinen Wurzeln.

Sie fürchtete sich davor, den Schutz des Waldes hinter sich zu lassen. Ihre Ohren bewegten sich in unterschiedliche Richtungen, während sie angestrengt lauschte. Erst als sie sich absolut sicher war, dass keine Gefahr drohte, verließ sie ihr Versteck.

Winzige Tautropfen funkelten in ihrem pechschwarzen Fell, als sie ins Freie trat. Ein letztes Mal sah sie sich um bevor sie, möglichst ohne ein Geräusch zu machen, ihrer Lichtspur folgte.

An der Peitschenden Weide zögerte sie kurz. Sie spürte eine magische Kraft die davon ausging, und es verunsicherte sie. Vorsichtig schlich sie näher und sprang überrascht zurück, als ein großer Ast nach ihr ausholte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und beinahe hätte sie den Baum angefaucht, konnte sich jedoch im letzten Moment beherrschen.

Sie musterte den Erdspalt, in dem ihre Spur verschwand und versuchte die Entfernung abzuschätzen. Wenn sie schnell genug war, würden die Äste sie vielleicht nicht erwischen. Sollte es ihr jedoch nicht gelingen … Nein, daran wollte sie gar nicht erst denken.

Sie spannte ihre Muskeln an und rannte los. Als sie über sich einen Luftzug spüre, duckte sie sich weg. Ein dicker Ast hatte ihren Kopf nur knapp verfehlt. Schließlich stieß sie sich mit den Hinterläufen ab und sprang auf die Öffnung zu. Ein stechender Schmerz jagte durch ihren Körper, als ihr Schwanz getroffen wurde. Einen Augenblick später flog sie durch das Loch, stolperte und fiel kopfüber, den steilen Abhang hinunter in die Tiefe.

Bei ihrer Bruchlandung hatte sie in dem erdigen Gang eine Menge Staub aufgewirbelt. Niesend und schnaufend kam sie wieder auf die Beine. Sie humpelte leicht, als sie ihren Weg fortsetze. Der Tunnel schien endlos zu sein und langsam zweifelte sie daran, dass er irgendwo hinführte. Als sie schon kurz davor war wieder umzukehren, begann der Gang anzusteigen und sie konnte einen schwachen Lichtschimmer an seinem Ende erkennen.

Kurz bevor sie das Ende des Tunnels erreichte, nahm sie ihre menschliche Gestalt an. Es war ungewohnt, nach all den Monaten wieder ein Mensch zu sein. Alles erschien seltsam verschwommen und alle Geräusche erklangen dumpf in ihren Ohren. Verglichen mit den scharfen Sinnen einer Katze, war die menschliche Wahrnehmung beinahe lächerlich.

Durch die Öffnung am Ende des Tunnels sah sie das Profil eines schwarzhaarigen Jungen mit einer runden Brille auf der Nase und einer seltsamen Narbe an der Stirn. Er kniete nur wenige Schritte von ihr entfernt auf dem staubigen Boden. Seine Augen waren auf etwas außerhalb ihres Blickfeldes gerichtet und er war so sehr in Gedanken versunken, dass er ihr Erscheinen nicht bemerkt hatte. Hinter ihm konnte sie einen verwahrlosten Raum erkennen. Alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt, hier und da waren Stoffreste und Papierfetzen auf dem Boden verstreut. An einem mit Brettern vernagelten Fenster lag ein kaputter Stuhl, der nur noch zwei Beine übrig hatte.

Sie räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des Jungen auf sich zu lenken. Dieser zuckte überrascht zusammen und drehte sich zu ihr um.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte sie mit leiser und brüchiger Stimme. Sie senkte betreten den Blick, als sie den feuchten Schimmer in seinen Augen entdeckte.
 

Ohne ein Wort zu sagen betrachtete Harry die junge Frau, die zusammengekauert in dem Tunneleingang saß. Ihr dunkles, schulterlanges Haar war zerzaust und wirkte ungepflegt. Unter ihren großen, blauen Augen waren Schatten, die von vielen schlaflosen Nächten zeugten. Die viel zu weiten Kleider hingen wie dreckige Lumpen an ihrem mageren Körper.

Insgesamt wirkte sie nicht wie eine Schülerin aus Hogwarts oder eine Bewohnerin von Hogsmeade. Was machte sie also hier? Und vor allem, woher wusste sie Bescheid über den geheimen Durchgang?

„Wer bist du?“, fragte er sie misstrauisch.

Als sie ihm antwortete, waren ihre Augen noch immer fest auf den Boden gerichtet. Ihre Haltung hatte beinahe etwas unterwürfiges an sich.

„Mein Name ist Spera … ich möchte versuchen zu helfen.“

„Ich glaube kaum, dass du mir helfen kannst“. Harry war selbst überrascht, wie unfreundlich seine Stimme klang. Er fühlte sich unwohl dabei, dass sie ihn bei seiner Trauer erwischt hatte und konnte es nicht verbergen.

Bei seinem scharfen Tonfall zuckte sie kaum merklich zusammen.

„Ich bin nicht wegen dir hier.“ Mit einer Kopfbewegung deutete sie in Snape's Richtung.

Sie klang verletzt und er konnte es ihr nicht verübeln. Obwohl er genau wusste wie absurd es war, erwachte in ihm ein Fünkchen Hoffnung.

„Meinst du … man kann ihn noch irgendwie retten?“

Sie seufzte. „Er ist noch nicht endgültig tot, falls du das meinst. Wenn du allerdings noch länger den Durchgang versperrst wird es bald zu spät sein, fürchte ich.“

„Oh.“ Harry rückte beiseite und machte ihr Platz. „Aber woher weißt du das eigentlich? Das er noch am Leben ist, meine ich“ Er sah hinab auf Snapes bleiches, regungsloses Gesicht. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Mann noch lebte.

„Auf ein Lebenszeichen wirst du lange warten. Es ist sogar gut möglich, dass sein Herz bereits aufgehört hat zu schlagen. Seine Seele ist jedoch noch in ihm drin, und das kann ich wahrnehmen.“

„Du kannst was?“ Ungläubig schaute Harry sie an. Er hatte noch nie von jemandem gehört, der so etwas konnte und wüsste auch nicht, wie es funktionieren soll.
 

Spera kaute nachdenklich an ihrer Unterlippe. Konnte sie diesem Jungen vertrauen? Womöglich hatte sie bereits zu viel verraten. Wenn ihm auch nur ein Sterbenswörtchen über die Lippen kommen würde, wäre für sie alles verloren. Noch einmal würde sie nicht fliehen können ...

Seufzend betrachtete sie den schwarzhaarigen Mann, der an der Wand vor ihr lehnte und der verzweifelte Klang seiner Stimme ging ihr nicht aus dem Kopf. Wenn sie ihm irgendwie helfen wollte, würde sie wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen.

Sie atmete einmal tief durch, dann begann sie zu erzählen.

„Wie ich eben gesagt habe, kann ich die Seelen von Menschen wahrnehmen und orten. Im Normalfall ist es mir sogar möglich, mich geistig mit ihnen zu verbinden und so einen Blick auf ihre Erinnerungen und Gefühle zu werfen. Am einfachsten wäre es wohl als Telepathie zu bezeichnen, auch wenn dieser Begriff nicht ganz zutrifft.“

Der Junge runzelte die Stirn. Spera konnte beinahe sehen, wie es dahinter arbeitete.

„Wie kommt es, dass du so etwas kannst?“

„Ich habe meine Fähigkeiten von meinen Eltern geerbt.“ Sie seufzte. „Ich bin kein normaler Mensch, ich bin eine Spicure. Wir treten normalerweise nicht an die Öffentlichkeit, daher hast du vermutlich noch nie etwas von uns gehört. Nur die wenigsten Zauberer wissen von unserer Existenz, und die meisten von ihnen sind uns nicht gerade freundlich gesinnt. Daher muss ich dich bitten, niemandem etwas über mich zu erzählen.“
 

Bei ihrem letzten Satz klang sie so verzweifelt, dass Harry ihr versprach zu schweigen. Noch immer hatte er leichte Zweifel an ihrer Geschichte. Es konnte doch nicht sein, dass nicht ein einziges Wort über sie in der Bibliothek zu finden war! Hermine hatte beinahe jedes Lehrbuch der Schule mehrmals durch, wenn sie von so einer Spezies gelesen hätte, wäre sie ihm und Ron vermutlich tagelang damit in den Ohren gelegen. Selbst wenn das, was diese Spera ihm erzählte, stimmen würde, eine Frage blieb immer noch offen.

„Was führt dich ausgerechnet hierher? Und wie kommt es, dass du Snape helfen willst?“

„Ich habe es mir selbst versprochen, als ich noch ein Kind war.“

„Hä?“ Diese Antwort brachte Harry nicht wirklich weiter.

Sein verwirrter Anblick brachte sie zum schmunzeln.

„Seine Seele war die erste, die ich in meinem Leben wahrgenommen habe. Ich war damals in der Nähe, als ihm etwas so schreckliches passierte, dass sein Geist beinahe zersprang. In so einem Fall, können Spicures den Schmerzensschrei der Seele hören. Dieses Erlebnis hatte mich zutiefst verstört, vor allem weil mein Vater es nicht zugelassen hat, dass ich umkehre und diesem Mann helfe. Damals habe ich mir versprochen, es nicht auf mir sitzen zu lassen. Auch wenn ich inzwischen weiß, dass mein Vater seine Gründe hatte, habe ich an diesem Versprechen festgehalten, als ich ihn heute, nach all den Jahren, erneut wahrnahm. Und nun ja … hier bin ich nun.“

Sie sah zu Snape und runzelte die Stirn. „Es bleibt nicht mehr viel Zeit.“

„Was hast du denn vor?“ fragte Harry.

„Zunächst einmal muss er aufwachen, danach schauen wir weiter.“ sagte sie. „Hilf mir mal, ihn auf den Rücken zu legen.“

Während Harry seinen Oberkörper stützte, zog Spera an den Beinen bis er ausgestreckt auf dem Boden lag. Nachdem das geschafft war, begann sie etwas unbeholfen Snape's Umhang zu öffnen.

Leicht irritiert sah Harry ihr dabei zu. „Und für was soll das nun wieder gut sein?“

„Ich muss sicher gehen, dass sein Herz schlägt.“ Sie klang angestrengt während sie mit den Knöpfen kämpfte. Schließlich gelang es ihr seine magere, kalkweiße Brust freizulegen. Bei diesem Anblick musste sie kichern. „Hat er eigentlich nie die Sonne gesehen? Nicht mal von weitem?“

Der Junge schaute betreten zur Seite. Ihm war diese Situation sichtlich unangenehm.

Spera riss sich zusammen und räusperte sich. Dann wandte sie sich erneut an Harry.

„Mit „normaler“ Telepathie dringe ich nicht zu ihm durch. Ich kann nur versuchen, selbst in seine Gedankenwelt einzutauchen. Gibt es irgendjemanden, dem er bedingungslos vertraut? Es muss eine Person sein, bei der er keinerlei Groll empfindet. Wenn ich mit meinem Geist diese Gestalt annehme, wird es einfacher sein reinzukommen.“

Harry überlegte angestrengt. Zunächst fiel ihm Dumbledore ein, jedoch verwarf er diesen Gedanken schnell wieder. Der Schulleiter hatte Snape's Situation für seine eigenen Zwecke missbraucht, und dieser wusste es. Ansonsten wäre da noch Harrys Mutter … allerdings hatte sie in den späteren Jahren viel Schmerz bei ihm ausgelöst. Anfangs jedoch ...

„Die etwa 9-jährige Lily wäre vielleicht eine Möglichkeit. Damals waren sie und Snape sehr gute Freunde.“, sagte er schließlich.

„Ein Kind?“, sie seufzte. „Also gut, versuche dir ihr Aussehen so gut es geht ins Gedächtnis zu rufen.“
 

Harry konzentrierte sich auf einen bestimmten Moment, den er in Severus's Erinnerungen gesehen hatte. Er bemerkte, wie das Bild in seinem Kopf hell aufleuchtete, als Spera darauf zugriff. Daraufhin ließ sie sich neben Severus nieder und legte eine Hand locker an seine nackte Brust. Mit dem anderen Arm stützte sie sich am Boden ab, während sie sich zu ihm hinab beugte, bis zwischen ihren Nasen nur noch wenige Zentimeter waren.
 

„Das wäre dann wohl schon das zweite Mal in einer so kurzen Zeit, dass ich dabei bin ungebeten irgendwo hereinzuplatzen", murmelte sie. "… langsam wird es zur Gewohnheit“.

Sie begann Nervenimpulse durch ihre Hand zu dem regungslosen Herz in Snape's Brust zu leiten. Ihr Arm begann, unkontrollierbar zu zucken und sie hoffte, dass er nicht abrutschen würde.

Mit all ihrer Geisteskraft versuchte sie dabei die von Snape erschaffene Mauer nur für einen kleinen Moment zu durchbrechen. Trotz der geringen Distanz waren mehrere telepathische Angriffe nötig, bis es ihr endlich gelang, die Barriere zu durchbrechen.

Sie fand sich vor einem halb zerfallenen Haus wieder, alles um sie herum war in tiefe Schwärze getaucht.

Er war irgendwo da drin, das wusste sie. Sie musste ihn nur finden …
 

***
 

Er wusste nicht, wie lange er sich schon in diesem Raum befand. Alles um ihn herum war verwüstet. Durch die teilweise eingestürzte Decke drang silbernes Mondlicht hindurch und schien auf sein Gesicht.

Es war so still, dass ihm sein Herzschlag ohrenbetäubend laut vorkam.

Dieser Ort kam ihm schmerzlich bekannt vor, und doch war er nicht in der Lage, ihn gedanklich einzuordnen.

Wie war er hierher gekommen?

Wieso konnte er sich nicht rühren?

Da war nur dieser brennende Schmerz, der von seinem Hals ausgehend durch seinen ganzen Körper pochte.

Er war außer Stande auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Plötzlich ging ein starker Ruck durch seine gesamte Umgebung

Die Decke über ihm knarrte bedrohlich.

Dann erklang ein Geräusch, das an diesem Ort so fremd erschien, dass er es zunächst gar nicht richtig einordnen konnte.

Ein weiterer Ruck ließ alles um ihn herum erzittern. Erschrocken kniff er die Augen zusammen.
 

Durch seine geschlossenen Augenlider drang ein heller Lichtschein durch, so dass er einen leuchtenden Rotton wahrnahm.

Wie konnte es sein? Eben war um ihn herum noch alles dunkel gewesen.

Er öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne.

Der Raum war verschwunden.

Stattdessen saß er nun draußen und lehnte an einem Baum. Vor ihm erstreckte sich ein schier endloses Feld.

Als er wieder dieses Geräusch hörte, wusste er endlich was es war … das unbeschwerte Lachen eines Kindes.

Ein junges Mädchen, spielte in seiner Nähe und sammelte Wildblumen. In ihren Armen hielt sie bereits einen riesigen Strauß. Die roten Haare des Kindes glänzten in der Sonne. Sie drehte sich zu ihm herum und ihre grünen, mandelförmigen Augen strahlten ihn an.

Er stutzte.

Diese Augen …

Sie rief ihm etwas zu, doch er konnte es nicht richtig verstehen.

Ihr weißes Kleid flatterte im Wind. Ihm kam der absurde Gedanke, sie wäre ein kleiner Engel, so unschuldig sah sie aus. Sie pflückte noch ein paar Blumen, dann kam sie näher.

Sie ließ sich neben ihm nieder, legte ihren Strauß ab und nahm seine Hand in ihre. Als er die Berührung spürte, wurden seine Sinne ein wenig klarer.

Lily, war es wirklich sie?

Kam sie nach all den Jahren voller quälender Einsamkeit zu ihm zurück?

Hatte sie ihm… verziehen?

Die Schmerzen in seinem Hals nahmen zu.

Vor seinen Augen verschwamm alles. Er konnte sie nur noch undeutlich sehen. Verzweifelt versuchte er, den Blick wieder scharf zu stellen. Er wollte sie nicht wieder verlieren.

Als es ihm schließlich gelang, hatte er jedoch nicht mehr grüne, sondern blaue Augen vor sich, wenige Zentimeter vor seinem Gesicht entfernt. Die junge Frau lächelte, als sie seinen Blick bemerkte und richtete sich auf.

Zukunftsvisionen

Wenn an diesem verregneten Frühlingsmorgen jemand auf die Idee gekommen wäre, durch eines der halb vernagelten Fenster in die verlassene Hütte am Rande von Hogsmeade zu blicken, würde sich ihm ein ungewöhnliches Schauspiel darbieten.

Ein schwarzhaariger Mann mittleren Alters mit entblößtem Oberkörper lag auf dem staubbedeckten Holzboden. Sein Blick war zunächst leer, doch dann schien er zu sich zu kommen. Er schnappte nach Luft, blinzelte ein paar Mal hintereinander und schaute aufgebracht zu der jungen Frau, die an seiner Seite hockte und deren Hand auf seiner Brust lag.

Eine weitere Person, ein Jugendlicher, sprang überrascht auf als er eine Regung im Gesicht des Mannes bemerkte. Fassungslos schaute er die beiden an.
 

„Pfoten. Weg. Von. Mir!“, zischte Snape gerade wütend. Seine schwarzen Augen waren zu Schlitzen verengt.

Sie schüttelte jedoch nur den Kopf und lächelte ihn müde an.

„Tut mir sehr leid, aber dieser Bitte werde ich nicht nachgehen.“

Die Haut unter ihrer Hand kribbelte unangenehm. Er wollte sie abschütteln, war jedoch zu schwach um sich zu bewegen.

Dann vernahm er eine ihm nur allzu gut bekannte Stimme.

„P..P..Professor Snape?“

Ausgerechnet der Potter-Junge … er hatte ihm gerade noch gefehlt.

„P..P..Potter?“, äffte Snape ihn nach. „Wollen wir jetzt in Quirrels Fußstapfen treten? Wie ich sehe, leben Sie noch. Demnach waren Sie mal wieder nicht in der Lage einer simplen Aufgabe nachzugehen.“
 

Harry war zutiefst erschüttert bei den Worten des Tränkemeisters. Er dachte eine ganz andere Seite an ihm entdeckt zu haben und hatte dennoch den gleichen, grimmigen Snape vor sich. Wie hatte er auch glauben können, irgendetwas würde sich ändern? Obwohl er seine Hände vor Zorn zu Fäusten geballt hatte, gelang es ihm mit ruhiger und fester Stimme zu reden.

„Sie können getrost sein, Professor. Nachdem ich mein Schicksal erfahren habe, bin ich zu Voldemort in den Verbotenen Wald gegangen in der Absicht, mich von ihm töten zu lassen. Sein Avada Kedavra hat jedoch nur den Horkrux in mir vernichtet ...“

Snape unterbrach ihn mit süffisanter Miene.

„Der berühmte Harry Potter hat also erneut den unabwendbaren Todesfluch überlebt. Sie haben wahrlich mehr Glück als Verstand.“

„Unkraut vergeht eben nicht.“

„Ich möchte euch zwei ja nur ungern bei eurem kleinen Plausch stören, wir haben aber nicht ewig Zeit.“, sagte Spera ungeduldig.

„Das bringt mich auf die Frage zurück, die ich eigentlich stellen wollte: wer zur Hölle sind Sie und wieso verdammt noch mal schaffen Sie es nicht Ihre Finger von mir zu lassen?“, kam es von Snape.

Spera verzog bei seiner unfreundlichen Art keine Miene. Ohne darauf einzugehen stellte sie ihm eine Gegenfrage. „Wenn Sie, nur mal so angenommen, einen Wunsch freihätten welcher wäre es?“

„Was soll das nun für ein Psychospielchen sein?“

Spera reagierte nicht, sie schaute zur Seite und schien sich auf etwas zu konzentrieren. Dann drehte sie sich abrupt zu Snape um, ihre Augen weiteten sich.

„Nein, das werde ich ganz bestimmt nicht tun!“, fauchte sie ihm entgegen. „Ich habe Sie da nicht raus geholt um Sie ins Nirwana zu befördern, nur weil Sie Angst vor Ihrem eigenen Leben haben!“

Der Tränkemeister schaute sie für einen kurzen Moment irritiert an. Woher konnte sie wissen, was er gerade gedacht hatte? Er beschloss jedoch, nicht näher darauf einzugehen.

„Ich habe Sie nicht darum gebeten, mich irgendwo rauszuholen.“ meinte er stattdessen trocken. „Außerdem haben Sie mich um meinen Wunsch gefragt, ich kann nichts dafür wenn meine Antwort nicht Ihren gehobenen Ansprüchen entspricht.“
 

Spera runzelte die Stirn. Sie überlegte fieberhaft. Zu ihrem Unmut musste sie zugeben, dass der Mann vor ihr gegenwärtig nicht die besten Karten bezüglich seiner Zukunft hatte. Er war seines Lebens müde, war für die Zaubererwelt ein Schwerverbrecher und würde vermutlich den Rest seiner Existenz in Haft verbringen müssen.

Dennoch wollte sie ihn nicht einfach aufgeben. Es musste doch einen Weg geben, ihn vor diesem Schicksal zu bewahren!

Ihr kam eine Idee, doch die Durchführung schien ihr sehr riskant. Sie könnte versuchen, eine Art magisches Portal für Severus zu erschaffen. Bisher hatte sie jedoch nur ihren Vater dabei beobachtet, wie er diesen Zauber ausführte. Selbst hatte sie weder eine Gelegenheit noch die Not gehabt, einen Durchgang in eine andere Welt zu öffnen. Um auch nur eine Chance zu haben, dass es funktioniert, müsste sie ihre gesamte Energie bündeln. Dabei war sie körperlich sehr geschwächt und wusste nicht einmal, ob sie die dafür nötige Verwandlung überleben würde.

Viel Zeit blieb ihr nicht. Sie konnte die Seele dieses Mannes nur noch undeutlich wahrnehmen. Diese drohte, dem sterbenden Körper endgültig zu entgleiten. Was auch immer sie tat, es musste schnell geschehen.

Sie musste sich irgendwie Zeit verschaffen. Entschlossen bog sie sich herunter und presste ihre Lippen ohne Vorwarnung auf Snapes.
 

Harry starrte die beiden fassungslos an. Sein Hirn schien einen Moment lang ausgesetzt zu haben und ein verwirrtes „Wahh?“ kam über seine Lippen. Auch Snape riss erschrocken die Augen auf und gab einen undefinierbaren Laut von sich.

Kurz darauf erklang das grässliche, saugende Geräusch, das auch bei einem Dementorenkuss zu hören ist, und Harry wurde übel. Er sah, dass Snapes Augen allmählich ausdruckslos wurden, bis sie nur noch stumpf zur Decke starrten. Erst jetzt ließ Spera von ihm ab und stand auf.

Als ihre Hand seine Brust verließ, schien auch der letzte Rest Leben aus Snapes Körper zu entweichen.

„Was hast du getan?“, rief Harry aufgebracht.
 

„Das würde ich auch nur zu gerne wissen.“, erklang die Stimme von Severus in ihrem Kopf. Man hörte ihm an, das er kurz davor war die Beherrschung zu verlieren.

Spera gab keinem von beiden eine Antwort. Sie war damit beschäftigt, Snapes Erinnerungen nach einem bestimmten Muster zu durchsuchen. Jetzt, wo sein Geist sich in ihr befand, hatte sie keine Mühe mehr darauf zuzugreifen.

Sie spulte, scheinbar willkürlich, in seinem Gedächtnis hin und her. Jedes mal, wenn sie einen Lebensabschnitt bemerkte, in dem Snape eine Entscheidung getroffen hatte, die sein Schicksal beeinflusste, hielt sie inne und ließ diesen Entscheidungsmoment mehrmals mit kleinen Abweichungen ablaufen. Spera konnte zwar nicht in die Zukunft sehen, sie konnte aber ungefähr bestimmen was gewisse Änderungen in seinem Leben bewirken könnten.
 

In ihren Ohren rauschte es. Sie hatte, von mehreren Abschnitten seines Lebens ausgehend, alle möglichen Entwicklungen überprüft. Bei manchen Versionen verendete er seelenlos in Askaban, mal sah sie dabei zu, wie er sich selbst umbrachte, mal erledigten es andere. Eines hatten alle Visionen gemeinsam: Schmerz und Einsamkeit würden in seinem Leben dominieren. Konnte es wirklich sein, dass es diesem Mann einfach nicht vergönnt war, glücklich zu sein?

Sie war schon kurz davor, aufzuhören und seiner Bitte, seine Existenz gänzlich auszulöschen, nachzugeben, als sich ihr endlich ein anderes Bild darbot. Auch wenn die Möglichkeit für diese Entwicklung verschwindend gering war, war es dennoch lohnenswert es zu wagen.

Sie konnte ihn lachen sehen, eine Frau in den Armen haltend, die ihn liebevoll anschaute und einen kleinen, rabenschwarzhaarigen Jungen an sich drückte. Es war seltsam, dass sie jedes mal stechende Kopfschmerzen bekam, sobald sie versuchte, auch nur eine Minute weiter zu blicken, doch sie war so erfreut über ihre Entdeckung, dass sie sich nicht davon verunsichern ließ.

Wenn es ihr gelingen würde, Severus zu diesem Moment in seinem Leben zurück zu schicken, würde sich für ihn vielleicht alles zum Besseren wenden.

Um es zu bewerkstelligen musste sie jedoch … sie schluckte nervös. Nur ihre Spicure-Gestalt war mächtig genug um eine so aufwendige Magie zu vollbringen.
 

In dieser Form empfanden Spicures keinen Schmerz und konnten ihr volles Potential und ihre Energiereserven vollständig ausschöpfen. Sie hatte von ihrem Vater von Spicures gehört, die in dieser Form so lange vor ihren Verfolgern geflüchtet sind, ohne jegliche Müdigkeit zu empfinden, bis sie von einem Moment auf den anderen zusammenbrachen und starben.

Die Verwandlung konnte jedoch nicht bewusst herbeigeführt werden. Es handelte sich dabei um eine Art Schutzmechanismus, der sich selbstständig ausführte, sobald ein Spicure kurz vor dem Tod stand oder zutiefst verzweifelt war.

Dieser Umstand war auch dafür verantwortlich, dass einige Zauberer und Hexen der Einsicht waren, Spicures würden einfach nicht hilfreich sein WOLLEN, denn unter Folter waren sie auf einmal in der Lage, scheinbar unmögliche Dinge zu vollbringen.

Wegen dieser Engstirnigkeit einiger Zauberer, hatten bereits zahlreiche Mitglieder ihrer Spezies das Leben verloren. Sie waren friedliche Geschöpfe und waren nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Auch sie selbst schaffte es nur knapp zu fliehen, nachdem sie dabei zusehen musste, wie ihr Vater eines qualvollen Todes verstarb.

Sie hatte gehofft auf Albus Dumbledore zu treffen, den einzigen Magier, dem ihr Vater vertraut hatte. Es war eine mühsame Reise bis zu dem Schloss, in dem sie ihn zu finden glaubte. Als sie schließlich ankam, musste sie feststellen, dass dieser Mann schon lange tot war.

In ihrer Katzengestalt zog sie sich in den naheliegenden Wald zurück und versuchte, sich durch das Jagen von Mäusen zu ernähren. Ihr fehlte jedoch jegliche Übung und sie war nicht sonderlich geschickt darin. Es dauerte nicht lange, bis sie selbst von der Jägerin zur Gejagten wurde. Schließlich war sie gezwungen, sich tagelang in der Krone eines Baumes zu verschanzen ...
 

Jetzt, zum ersten Mal in ihrem Leben, hatte sie sich aus freien Stücken dazu entschlossen, die Spicure-Gestalt anzunehmen. Mangels Alternativen wandte sie sich an den jungen Zauberer neben ihr...

„Sag mal Junge, beherrschst du den Folterfluch?“

„Wieso?“ Harry wurde mulmig zu mute.

„Ich möchte dich bitten, diesen auf mich zu richten. Du musst dir wegen einer Bestrafung keine Sorgen machen. Zauber, die auf meinesgleichen gerichtet werden sind nicht verfolgbar. Für das Zaubereiministerium existiere ich genau genommen nicht einmal.“

Harry zögerte. Er hatte diesen Zauber vor mehreren Jahren schon einmal verwendet, jedoch ohne Erfolg. Woher sollte er wissen, ob es diesmal klappen würde? Außerdem war es eine Sache, einer Person Schmerzen zufügen zu wollen die man hasst, doch dieses Mädchen kannte er nicht einmal wirklich.

Sie sah ihn flehend an und Harry gab schließlich nach. Seine Hand zitterte, als er seinen Zauberstab auf sie richtete.

„Crucio“

Als der Fluch sie traf, kippte sie nach hinten und krümmte sich. Obwohl ihr Gesicht schmerzverzerrt war, kam kein Laut über ihre Lippen. Ihr ganzes Wesen war darauf konzentriert, den quälenden Schmerz nicht bis zu dem Geist durchdringen zu lassen, dem sie Einlass in ihren Körper gewährt hatte.

Schon bald fing ihre Haut an zu leuchten. Das Leuchten wurde immer stärker, bis sie komplett in diesem Lichtschein verschwand. Harry wurde geblendet und kniff die Augen zu.

Als das Leuchten schließlich nachließ, war Spera kaum wiederzuerkennen.

Ihre schwarzen Haare, die zuvor kaum ihre Schultern bedeckten, reichten ihr nun bis an die Hüften. Sie war gut zehn Zentimeter größer geworden und stand, obwohl Harrys Zauberstab immer noch auf sie gerichtet war.

Sie fasste an Harrys Hand, mit der er immer noch verkrampft den Zauberstab umklammerte und drückte sie herunter.

„Danke“, flüsterte sie und lächelte ihm zu.
 

Nun wurde es ernst. Sie führte sich das benötigte Schlüsselereignis erneut vor die Augen und konzentrierte sich darauf. Schweißtropfen traten ihr auf die Stirn, als sie begann eine Kugel aus purer Energie zwischen ihren Handflächen zu erzeugen. Sie betete, dass die Kraft, die sie dabei zur Verfügung hatte, reichen würde um eine neue Welt aus der Erinnerung des Tränkemeisters entstehen zu lassen.

Nachdem sie so viel ihrer Lebensenergie abgegeben hatte, dass sie kaum noch aufrecht stehen konnte, schleuderte sie die leuchtende Kugel gegen die Wand vor sich.

Um sie herum knisterte es aufgeladen und ihre Körperhaare stellten sich auf, als die Kugel an der Wand zersprang und einen dunklen Riss in der Luft hinterließ. Nur sehr langsam öffnete sich dieser, und mit jedem Herzschlag wuchs Speras Angst, dass es nicht klappen würde.

„Na komm schon … komm schon“, flüsterte sie verzweifelt.

Sie schwankte leicht und wusste, dass sie schnell weitermachen musste.
 

„Severus?“, fragte sie in Gedanken.

Es kam keine Antwort.

„Ich weiß genau das Sie hier sind ..“, versuchte sie es noch einmal.

Wieder nichts.

„Wie dem auch sei, ich wollte Ihnen nur sagen, dass mir das mit Ihrem ersten Kuss leid tut ...“

„Pah ...“

„Und noch etwas … machen Sie nicht erneut die gleichen Fehler.“
 

Noch bevor der Tränkemeister etwas erwidern konnte, hob Spera beide Hände zu ihrem Mund und bildete damit eine Art Gefäß. Sie öffnete leicht die Lippen, und eine dickflüssige, trübe Substanz begann aus ihrem Mund zu rinnen.

Schwermütig betrachtete sie die schwankende Masse in ihren Händen. Sie war daran gewöhnt, dass Seelen leuchteten und mehrere Farben in sich trugen. Diese hier war jedoch einfach nur grau, genauso trostlos wie ihr Besitzer.

Wie schon so oft fragte sie sich, in wie weit so tiefe Wunden, die sogar die Seele so stark verletzten, heilen konnten. Sie hoffte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Es wäre unvorstellbar grausam, diesen Mann erneut ein so schweres Schicksal erleiden zu lassen. Ob es das richtige war, ihn darüber im Unklaren zu lassen, was ihn erwartete? Auch wenn sie befürchtete, dass ein zu starkes Eingreifen ihrerseits unkontrollierbare Folgen mit sich bringen könnte, wäre ein kleiner Schubs in die richtige Richtung vielleicht nicht verkehrt gewesen.

Ruhig, fast zärtlich richtete sie ihre Worte an die Seele.

„Los, nutze deine Chance!“.

Dann pustete sie leicht, worauf hin sich die graue, formlose Masse von ihren Händen abhob und federleicht durch das Portal schwebte.

Sweet Sixteen

Am Ende eines langen Ganges in Hogwarts stand ein schlaksiger Junge mit einer Hakennase und schwarzen Haaren, die an seiner schweißnassen Stirn klebten. Er wirkte unsicher, trat von einem Fuß auf den anderen. Noch nie zuvor ist er in diesem Teil des Schlosses gewesen.

Ungeduldig wartete er darauf, dass sie herauskam. Er musste mit ihr reden, musste sich dafür entschuldigen, dass ihm dieses schreckliche Wort über die Lippen gekommen ist. Nie würde er es sich verzeihen, wenn er dadurch ihre Freundschaft, die ihm so viel bedeutete, verlieren würde.

Dabei wusste er, dass es dafür keine Entschuldigung gab. Er hat aus verletztem Männerstolz gehandelt, wollte nicht, dass sie seine Tränen sah. Der verletzte Blick in ihren grünen Augen, als er ihr dieses Wort entgegenschrie, hatte ihn viel schmerzlicher getroffen, als es Potter, Black und ihre dummen Freunde jemals geschafft hätten.

Erst vor wenigen Minuten war Mary, eine ihrer Freundinnen, draußen und hatte ihn aufgefordert zu verschwinden. Er bestand jedoch darauf persönlich mit Lily zu reden, andererseits würde er die ganze Nacht hier im Gang bleiben und ihr am nächsten Morgen auflauern. Mary hatte ihn böse angefunkelt, meinte jedoch schließlich, dass sie Lily holen geht.

Seitdem ist ihm jeder Herzschlag wie eine Ewigkeit vorgekommen. Er murmelte zusammenhanglose Sätze vor sich hin, überlegte, was er ihr sagen würde. Was, wenn sie ihm nicht zuhört? Dieser Gedanke schnürte ihm die Kehle zu …

Von einem Moment auf den anderen änderte sich die Haltung des Jungen. Er straffte die Schultern, sein Gesicht bekam einen undurchdringlichen Ausdruck.
 

Leicht benommen schaute Severus sich um. Wie um alles in der Welt ist er vor dem Portrait der fetten Dame gelandet? Eben war er doch noch in der heulenden Hütte, zusammen mit dem Potter-Jungen und dieser seltsamen Frau. Zumindest waren seine Schmerzen nun weg.

Er zuckte überrascht zusammen, als das Portrait zur Seite schwang und eine Schülerin herauskam. Sie trug einen Gryffindor-Morgenmantel und hatte ihr langes, rotes Haar hochgesteckt. Als sie ihn schließlich ansah, setzte sein Herz einen Schlag aus und begann dann so wild zu hämmern als wolle es aus seiner Brust herausbrechen. Dieses Mädchen sah genauso aus wie … Nein, das konnte nicht sein.

Sie stand vor ihm, hatte die Arme verschränkt und ihre grünen Augen funkelten vor Zorn.

„Was willst du hier, Severus?“, fragte sie schließlich.

Ihre Stimme klang eisig, und dennoch wurde ihm bei diesem Klang ganz warm. Es bestand kein Zweifel. Es war wirklich sie … Lily, seine geliebte Lily. Er war nicht fähig irgendetwas zu erwidern und schaute sie nur stumm an

„Also wenn ich nur raus kommen sollte, damit du mich anschweigen kannst, kann ich auch wieder reingehen.“, sagte sie und wollte sich bereits wieder umdrehen.

„Wa..Warte!“, brachte Severus mühsam hervor. Seine Stimme zitterte.

„Worauf? Damit du mich erneut beleidigen kannst?“, fauchte sie ihm entgegen.

„Nein … es tut mir leid.“ Er traute sich nicht, ihr in die Augen zu sehen und sah zu Boden.

„Spar dir deine Worte.“

„Glaube mir doch! Ich wollte dich wirklich nicht Schlammblut nennen.“ Die gesamte Situation kam ihm wie ein nicht enden wollendes Déjà-vu vor.

„Aber du nennst jeden, der meine Herkunft hat Schlammblut. Wieso sollte es bei mir anders sein?“

Severus zögerte und biss sich auf die Lippe. Die Worte der seltsamen Frau klangen in seinen Ohren. „Mach nicht erneut die gleichen Fehler!“ War es das, was sie gemeint hatte? Er holte tief Luft, machte seinen Mund auf und zu, ohne einen Laut hervorzubringen. Er sah, dass sie sich inzwischen umgedreht hatte und einen Schritt in Richtung des Portraits gegangen war. In nur wenigen Augenblicken wäre seine Chance verstrichen. Jetzt oder nie.

„Es ist etwas anderes weil … weil ich dich liebe ...“ , nuschelte er schließlich.

Seine eigene Stimme klang fremd in seinen Ohren. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Endlich hatte er es geschafft. Diese drei kleinen Worte, die ihm schon so lange auf der Seele lasteten, waren endlich draußen. Er sah, dass sie zögerte und sein Herz machte ein paar Luftsprünge, gleich würde sie sich sicher umdrehen und … Doch sie nannte der Fetten Dame mit fester Stimme das heutige Passwort (Crura Rana) und verschwand, ohne sich auch nur einmal zurückzublicken, durch das Portraitloch.

Er fühlte sich, als hätte man ihm in den Magen geboxt. Jegliche Luft entwich aus seinen Lungen, ihm wurde etwas schwindelig. Ein paar Minuten lang stand er einfach nur da, versuchte vergeblich das Geschehene zu verarbeiten. Dann, mit taumelnden Schritten, drehte er sich um und begab sich auf den Weg nach unten.

Potter, Black und Lupin kamen ihm entgegen. Scheinbar war heute wieder Vollmond.

Die konnte er jetzt am wenigsten gebrauchen.

„Ach da ist ja der Schniieeefelus“, rief Sirius. Es erklang höhnisches Gelächter. „Was hast du denn in unserem Teil des Schlosses zu suchen?“

Severus ließ den Kopf hängen und trottete an ihnen vorbei. Er hatte jetzt nicht die Energie, sich mit diesen Idioten anzulegen. Sogar als er schon unten war, konnte er ihr Lachen immer noch hören.

Eine Weile irrte er ziellos durch Hogwarts. Irgendwann befand er sich vor der Tür zu seinen Gemächern im Schlosskerker. Offenbar hatte er, ohne nachzudenken, diese Richtung eingeschlagen. Als er die Hand nach der Türklinke ausstreckte, erklang von der anderen Seite ein lautes Schnarchen. Sicher … wenn Lily, Potter und Black hier Schüler waren, dann schlief gerade Slughorn hinter dieser Tür. Ihm blieb keine andere Wahl, als sich dieser Situation zu fügen und sich zu den Slytherin Schlafräumen zu begeben. Vielleicht würde dieser Unsinn ja bald ein Ende haben.

In seinem Schlafsaal waren Avery und Mulciber bereits im tiefen Schlaf. Mit schlürfenden Schritten ging er zu dem Bett zwischen den beiden und ließ sich, ohne sich seiner Schuluniform zu entledigen, darauf fallen.

Er vergrub sein Gesicht in seinem Kissen. Es musste alles ein Traum sein. Ein einziger, verrückter Traum. Diese Worte murmelte er wie ein Mantra vor sich hin.

Tief in seinem Inneren wusste Severus jedoch, dass es nicht stimmen konnte. Schon seit gut einem Jahrzehnt hatte er sich angewöhnt, vor dem Bett den Schlaftrunk für traumlosen Schlaf, den er sich selbst braute, zu nehmen. Es war für ihn die einzige Möglichkeit dem Alptraum, der sich sein Leben nannte, zumindest für ein paar Stunden zu fliehen. Ihm war durchaus bewusst, dass diese Lebensweise keineswegs gesund war. Bei einer so häufigen Einnahme sorgte der Trank unter Anderem für fahle Haut, schnell fettende Haare und ein alles umfassendes Taubheitsgefühl, das sich bis in den Wachzustand erstreckte. Dennoch nahm er die Nebenwirkungen des Trankes lieber auf sich, als sich die ganze Nacht von Alpträumen quälen zu lassen, wenn er denn überhaupt einschlafen konnte.

In dieser Nacht lag er noch lange wach und ließ seine Gedanken schweifen. Einerseits war er überglücklich, sie wieder gesehen zu haben. Andererseits brach ihm ihre Reaktion auf sein Geständnis beinahe das Herz. Im Grunde hatte er aber auch nichts anderes erwartet. Scheinbar war es egal was er tat, sie würde sich so oder so für James entscheiden.

Er zog sich die Decke über dem Kopf als könne er so seine Gedanken abschirmen. Doch sie ließen ihm keine Ruhe, quälten ihn bis in die frühen Morgenstunden. Erst dann fiel er in einen leichten Schlaf, aus dem er immer wieder hochschreckte.

Jedes mal, wenn er wieder wach war konnte er hören, wie Avery im Schlaf vor sich hin murmelte und sich unruhig hin und her wälzte. Scheinbar war Severus nicht der einzige mit einem unruhigen Schlaf.
 

Am nächsten Morgen wurden beide von Mulciber geweckt, der bereits vollständig angezogen war und sie zum Frühstück rief.

„Man, lass mich doch in Ruhe, es ist Samstag. Denkst du eigentlich immer nur ans Essen?“, murrte Avery verschlafen.

„Was ist eigentlich mit dir los, Sev? Seit wann pennst du in Schulklamotten?“, fragte Mulciber belustigt. Das Lächeln wich jedoch aus seinem Gesicht, als er Severus' Miene bemerkte.

„Ach du meine Güte, was ist denn mit dir passiert? Du schaust ja furchtbar aus. Es ist doch nicht etwa wegen diesem Schlammblut?“

„Wage es nicht, sie so zu nennen!“ Schlagartig war Snape hellwach und zeigte drohend mit dem Zauberstab auf seinen alten Schulfreund.

Mulciber hob abwehrend die Hände.

„Ist ja gut, reg dich nicht gleich so auf. Ich verstehe nur nicht, was du an ihr findest.“ Er rümpfte die Nase. „Wie sie immer herumstolziert, mit der Nase oben als wäre sie die Tollste auf der Welt. Aber na ja, ist ja deine Sache ...“

Während er sprach, zerrte er dem wieder eingeschlafenen Avery die Bettdecke weg.

„Nun steht schon auf ihr Schlafmützen, ich sterbe vor Hunger.“

„Ich glaube du wärst von uns dreien der Letzte, der dem Hungertod erliegen würde.“, murrte Avery während er sich aufrappelte.

Es stimmte. Mulciber war der einzige von ihnen, der ein paar Pfunde zu viel hatte. Avery war dagegen genauso mager wie Sev.

Auch Severus setzte sich in seinem Bett auf und betrachtete nachdenklich die beiden Jungs. Jahrelang waren sie, neben Lily, seine einzigen Freunde. Später hatten sie sich zu dritt Voldemort angeschlossen. Hatten zusammen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, all die schrecklichen Morde begangen. Nachdem die Schreckensherrschaft des Dunklen Lords sein Ende fand, wurden seine beiden Freunde zu lebenslanger Haft in Askaban verurteilt, während Severus von Dumbledore unter die Fittiche genommen wurde.

Erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr sie ihm gefehlt hatten. Sicher, sie hatten durchaus ihre Fehler, doch für ihn hatten die beiden viel bedeutet.

Bis auf Dumbledore waren die beiden Jungs die einzigen, denen Severus jemals seine Gefühle für Lily anvertraut hatte. Obwohl sie seine Zuneigung gegenüber einer Muggelstämmigen keineswegs guthießen, hatten sie zu ihm gehalten und ihn nie verraten.

Belustigt sahen Sev und Mulciber, Avery dabei zu, wie dieser auf der Suche nach seinen Socken unters Bett kroch. Der schmächtige Junge mit der blonden Haarmähne war wahrlich die Zerstreutheit in Person, zumindest was seine Sachen anging. Er war recht klein, und reichte Severus damals schon gerade mal bis zur Schulter. Dieser kleiner Makel hatte ihn nie dabei gestört, Slytherin-Mädchen anzubaggern. Seine Anmachsprüche waren jedoch nur selten von Erfolg gekrönt.

Mulciber dagegen schien nicht sonderlich viel vom anderen Geschlecht zu halten. Er verdrehte jedes Mal genervt die Augen, wenn Avery wieder einmal einem Mädchen nachstellte.
 

Als sie einige Zeit später in der Großen Halle beim Essen saßen, bekam Severus keinen Bissen hinunter. Ohne Unterlass blickte er hinüber zum Gryffindor-Tisch, konnte Lily jedoch nicht entdecken. Er konnte sich an keinen Tag entsinnen, an dem sie eine der Hogwarts-Mahlzeiten verpasst hätte. Allmählich machte er sich Sorgen. Lag es vielleicht an seinen Worten gestern?

Avery stieß ihn von der Seite mit dem Ellenbogen an und riss ihn aus seinen Gedanken.

„Schau mal, Professor Dumbledore benimmt sich heute seltsamer als sonst. So langsam glaube ich wirklich, dass er senil wird.“

Der Brief

Severus sah hinüber zum Lehrertisch. Avery hatte recht, alleine schon Dumbledores äußere Erscheinung an diesem Morgen war merkwürdig. Sein Umhang saß schief, seine langen, schneeweißen Kopf- und Barthaare standen wirr zu allen Seiten ab. Auch sein Verhalten war in der Tat seltsam. Der Schulleiter blickte verwundert von einem Schüler zum nächsten, als wäre er im höchsten Maße überrascht, sie zu sehen. Als sein Blick den von Severus traf, runzelte er die Stirn, lächelte dann und prostete ihm quer durch die Halle mit seinem Becher zu.

Diese Geste fiel auch Mulciber auf, der fragend die Augenbraue hob. Severus zuckte mit den Schultern und tat so, als würde ihn der Toast auf seinem Teller weitaus mehr interessieren als der Lehrertisch. Tatsächlich aber fragte er sich die ganze Zeit, was den Schulleiter so durcheinander gebracht haben könnte. So lange er ihn kannte, hatte er ihn noch nie so durch den Wind erlebt.

Ein lautes Flügelflattern erfüllte die Große Halle. Die Eulen brachten die Morgenpost. Ein Waldkauz landete graziös vor Avery auf dem Tisch und gab ihm den Tagespropheten. Währen dieser das Geld für die Eule abzählte, kreischte ein Mädchen in seiner Nähe überrascht auf, als eine Schleiereule wild mit den Flügeln schlagend auf ihrem Teller landete. Diese gehörte Snapes Mutter und hatte sich bei ihrer Landung leicht verschätzt. Augenscheinlich hatte sie ihre besten Jahre bereits hinter sich. Severus murmelte eine Entschuldigung während er den Vogel vorsichtig an sich nahm, darauf bedacht, nicht mit der Butter in Kontakt zu kommen, die an den Brustfedern klebte. Mit einer Servierte tupfte er die Federn notdürftig sauber, bevor er ihr den Brief entnahm. Aus den Augenwinkeln fiel ihm auf, das Averys Hände zitterten, als dieser seine Zeitung nahm. Nachdem er die erste Seite überflogen hatte, entspannten sich seine Züge jedoch kaum merklich und er lehnte sich zurück. Jeden Morgen aufs Neue fürchtete sich der Junge davor zu lesen, dass seine Eltern, beide Todesser, festgenommen wurden.

Severus las die ersten paar Zeilen von seinem Brief und riss ihn anschließend in winzige Fetzen.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte Mulciber mit vollem Mund. Er hatte ihn bei seiner Zerstörungswut beobachtet. „Hat deine Mum wieder einen ihrer peinlichen Kosenamen für dich benutzt?“

In der Tat lautete die erste Zeile des Briefes „Guten Morgen, Schnuffel!“, doch es war nicht der springende Punkt. Severus konnte jedes einzelne Wort in diesem Brief auswendig, so oft hatte er ihn in all den Jahren bereits gelesen. Versucht, zwischen den Zeilen versteckte Hinweise zu finden.

Dieser Brief war die letzte Nachricht, die er jemals von seiner Mutter bekam. Sie hatte ihren Mann mit einem Täuschungszauber belegt der dafür sorgte, dass dieser nicht einmal mehr seinen eigenen Sohn wiedererkannte und war abgehauen. Nicht den kleinsten Hinweis auf ihren Verbleib hatte sie ihm hinterlassen. Es war beinahe beleidigend, wie alltäglich ihre letzten Zeilen an ihn waren. Ob er auch brav für die Prüfungen lernte, ob er genügend aß und ja keinen Unsinn anstellte. Auch nach Lily hatte sie sich erkundigt, doch diesen Satz hatte er damals schon durchgestrichen. Zu schmerzhaft war er für ihn nach ihrem letzten und endgültigen Streit.

„Wollen wir gleich in die Bibliothek, zum Lernen?“, fragte Mulciber seine beiden Freunde.

„Jop, bin dabei“, meinte Avery. „Habe nämlich keine Ahnung wie ich den ganzen Stoff von Zaubereigeschichte in meinen Kopf bekommen soll.“

Severus würgte seinen längst kalten Toast hinunter und nickte.

Als er vom Tisch aufstand, zögerte er kurz, bevor er den Brief mit einem Schwenker seines Zauberstabes wieder zusammenfügte und in seinem Umhang verstaute. Er hatte seiner Mutter zwar noch immer nicht verziehen, jedoch brachte er es nicht übers Herz diese letzte Erinnerung an sie endgültig zu vernichten.
 

„Oh man bin ich froh, wenn der ganze Prüfungsstress endlich vorbei ist!“, meinte Avery gähnend.

Bereits seit Stunden saßen sie in der Schulbibliothek und lernten für die drei noch anstehenden ZAG-Klausuren. Besser gesagt, Mulciber und Avery lernten, während Severus nur da saß, Löcher in die Luft starrte und gedankenverloren auf seinem Pergament herumkritzelte. In seinen Jahren als Lehrer hatte er mehr als genug aufgeschnappt, um die Zauberkunst und Geschichte der Zauberei aus dem Stegreif zu schreiben. Was Zaubertränke anging … er musste jedes Mal, wenn die beiden die unterschiedlichen Zutaten in der falschen Reihenfolge aufzählten, regelrechte Wutanfälle unterdrücken. Wenn sie es in der Prüfung genauso machten, würden sie die halbe Schule in die Luft jagen.

„Nein Avery, die Affodillwurzel muss fein zerhackt und nicht zerrieben werden, was ist daran denn bitte so schwer zu verstehen?“, entfuhr es ihm schließlich.

Seine beiden Freunde sahen ihn nur mit großen Augen an.

„Seit wann bist du denn so pingelig, Sev?“, fragte ihn Mulciber.

„Er ist schon den ganzen Tag total komisch ...“, meldete sich auch Avery, von Snape's groben Ton leicht eingeschüchtert, zu Wort.

Ohne irgendetwas zu erwidern, sammelte Severus seine Sachen zusammen und verließ die Bücherei.

„Ich sage es dir, der Umgang mit diesem Schlammblut tut ihm echt nicht gut.“, murmelte Mulciber nachdem Severus außer Hörweite war.

„Ich glaube nicht, dass es nur das ist.“ Avery klang besorgt. „Mal ehrlich, ich erkenne ihn kaum wieder ...“
 

Mit wehendem Umhang stürmte Severus durch das Schulgebäude nach draußen. Dort lehnte er sich an die Außenmauer und atmete tief durch. Die warme Junisonne wärmte sein Gesicht und beruhigte ihn allmählich. In Gedanken versunken blickte er hinüber zum See. Die schillernde Wasseroberfläche war beinahe glatt, in ihr spiegelten sich die wenigen Wolken am Himmel über Hogwarts. Er hatte viele Jahre seines Lebens in diesem Schloss verbracht und hatte sich schon viel zu lange nicht mehr die Zeit genommen, die Schönheit dieses Ortes zu bewundern.

Severus war klar, dass er hier nicht den strengen Lehrer spielen konnte. Auf die Art würde er noch die einzigen beiden Menschen vergraulen, die noch mit ihm redeten. Er würde sich zusammenreißen müssen, wenn er am Ende nicht wieder ganz allein dastehen wollte.

„Naja, irgendwie ist er ja schon ganz süß ...“, erklang eine helle Mädchenstimme, die von einem lauten Gekicher begleitet wurde. Drei Schülerinnen in Gryffindor-Uniform liefen an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Als Severus unter ihnen einen roten Haarschopf erkannte, spitzte er die Ohren.

„Klar, wenn man auf hochnäsige Idioten steht.“ Es klang nach Lily.

„Sei nicht so hart zu ihm, er macht dir doch schon seit Jahren schöne Augen.“

„Ja, und darauf kann ich liebend gerne verzichten ...“

Die drei verschwanden im Schulgebäude und Severus bekam den weiteren Verlauf des Gespräches nicht mehr mit. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Über wen haben die drei gesprochen? Über James? Oder vielleicht sogar über ihn? Hatte Lily ihren Freundinnen von seinem Geständnis erzählt? Machten sie sich nun sogar über ihn lustig?

Verdammt, er brauchte dringend eine Ablenkung. Er stieß sich von der Mauer ab und lenkte seine Schritte in Richtung Hogsmeade. Unterwegs begegnete er mehreren Gruppen jüngerer Schüler, die ihre Freizeit genossen, ohne für irgendwelche Prüfungen lernen zu müssen. Bei ihrem ausgelassenen Lachen stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Auch wenn er im Grunde wusste, dass es Unsinnig war, hatte er ständig den Eindruck, sie alle würden über ihn lachen. Er hatte es nicht geschafft, dieses Gefühl in all den Jahren abzuschütteln. Aus diesem Grund hatte er in seinem Unterricht jede Art von Gelächter strengstens untersagt.

Ihm war klar, dass die ständigen Sticheleien von James und Sirius, die er jahrelang ertragen musste, dafür verantwortlich waren. Nicht aus Bosheit, vielmehr mangels besseren Wissens, hatten sie ihn nach und nach zerstört. Er hatte nie verstanden, wieso manche meinten mit „weißer“ Magie würde man niemandem schaden...
 

Er blieb stehen, als die heulende Hütte vor ihm aufragte und betrachtete den windschiefen Bau. Es war nur wenige Stunden her, seit er sich da drin mit dem dunklen Lord unterhalten hat. Er erschauderte, als er sich an den brennenden Schmerz und das Taubheitsgefühl, das darauf folgte erinnerte. Er hatte so kurz vor dem Tod gestanden und war bereit, in dessen eisiger Umarmung zu verschwinden. Wollte nichts mehr fühlen, wollte endlich frei sein. Hatte seine letzte Pflicht erfüllt, hatte dem Jungen, den er so sehr gehasst hatte, seine Erinnerungen anvertraut.

Man zwang man ihn jedoch dazu wieder aufzuwachen … Wieso hatten sie ihn nicht einfach in Ruhe gelassen? Er hatte sie um nichts gebeten.

Irgendwie hatte es diese Frau es auch noch fertig gebracht, ihn hierher zurückzuschicken. Ausgerechnet in die Zeit, die er am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte.

Hatte es irgendeinen Sinn? Wieso musste er die schlimmsten Jahre in seinem Leben erneut durchleben? Wieso war es ihm nicht vergönnt gewesen, endlich Frieden zu finden?

Er seufzte, dann ging er wieder zum Schloss zurück. Bald war es Zeit für das Mittagessen und vielleicht würde er dann Lily wiedersehen, wenn auch nur aus der Ferne.
 

Er stutzte als er bemerkte, dass der Schulleiter nicht an seinem Platz saß. Er war zwar öfter mal beruflich unterwegs, jedoch verließ er die Schule für gewöhnlich nicht in den Prüfungswochen. Und dann auch noch sein komisches Verhalten von heute Morgen … Er konnte sich jedoch nicht mehr erinnern, ob Dumbledore auch damals schon an diesem Tag unterwegs war.

Während des Essens unterhielten sich alle Fünftklässler angeregt über die noch anstehenden Klausuren. Einige hatten sogar ihre Bücher mit an den Tisch genommen und fragten sich gegenseitig ab.

Severus' Blick glitt hinüber zum Griffyndor Tisch. Seine Augen trafen für einen Augenblick auf Lilys, die kaum merklich zusammenzuckte und zur Seite schaute. Wäre der Slytherin Tisch nicht so weit von ihrem entfernt, hätte er vielleicht die leicht rötliche Färbung ihrer Wangen bemerkt.

Wehr dich endlich

Severus war der erste, der mit der Zaubertränke-Prüfung fertig war. Die Aufgaben, die Slughorn gestellt hatte, kamen ihm viel zu einfach vor. Ein solches Niveau hatte er, in seinem eigenen Unterricht, bereits von Drittklässlern erwartet. Es war ihm schleierhaft, wieso Mulciber neben ihm gequält aufstöhnte als er die Aufgaben durchlas. Auch Sirius, der ein paar Tische von ihm entfernt Platz genommen hatte, schien seine Probleme zu haben. Er saß die ersten Minuten der Prüfung mit gerunzelter Stirn da, ohne irgendetwas aufzuschreiben. Bei diesem Anblick empfand Severus reine Schadenfreude.

Lily's Feder dagegen flog beinahe über die Aufgabenblätter. Sie ist schon immer ein Ass in diesem Fach gewesen. Einige Zeit beobachtete Severus verstohlen jede ihrer Bewegungen. Wie sie zwischendurch innehielt und nachdenklich an ihrer Unterlippe kaute, wie sie sich die roten Haare aus dem Gesicht strich.

So viel würde er dafür geben, sie auch nur einmal in den Armen halten zu dürfen. Dieses Privileg stand ihm jedoch nicht zu. Nicht nach dem, was zwischen den beiden vorgefallen ist ...

Nur mit Mühe gelang es Severus schließlich, sich von ihr abzuwenden.

Er stand auf, gab seine Arbeit ab und verließ die Große Halle. Im Schulgang blieb er kurz stehen. Er hatte keine Lust, in den Slytherin-Gemeinschaftsraum zu gehen. Zu dieser Uhrzeit würde er ohnehin leer stehen und zum alleine sein musste er den langen Weg durch das Schloss nicht zwingend zurücklegen. Mit langsamen Schritten ging er durch die Eingangshalle nach draußen.

Das Wetter hatte sich, im Vergleich zu den letzten Tagen, deutlich verschlechtert. Der Himmel war mit dunklen Wolken bedeckt und der Wind blies ihm die Haare ins Gesicht. Insgesamt spiegelte das Wetter seine Stimmung ziemlich gut wieder.

Severus folgte dem schmalen Pfad, der durch das Außengelände führte, hinunter zum See. Es hatte noch nicht angefangen zu regnen, daher konnte er sich ohne Bedenken auf dem Grasboden am Seeufer niederlassen.

Wie schon so oft, verfluchte er sich selbst dafür, dass ihm dieses Wort herausgerutscht war. Schlammblut … Nie hatte er es in Zusammenhang mit ihr gebracht. Noch nicht einmal in Gedanken. Sicher, sie war eine Muggelstämmige, dennoch hat er sie nie als eine gesehen. Welch eine Ironie, dass er sie ausgerechnet für diesen Ausrutscher für immer verloren hatte.
 

Von Selbsthass zerfressen, schloss er die Augen und ließ er seinen Kopf hängen. Wo sollte das ganze nur hinführen? Er fühlte sich so schrecklich einsam und wusste genau, dass es sich die nächsten Jahrzehnte auch nicht ändern würde. Wieso hasste sein Schicksal ihn nur so sehr? Er schüttelte den Kopf. Nein, an das Schicksal glaubte er nicht. Es war alles seine Schuld. Er hat in seinem Leben alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Er hat sie gehen lassen ...

Wenn er doch nur den Mut hätte, einfach in diesen See zu tauchen und nie wieder herauszukommen. Dann wäre alles vorbei. Er war müde … so schrecklich, schrecklich müde und wollte nichts sehnsüchtiger, als seine Augen für immer zu schließen.

Er schüttelte er den Kopf. Seinem Leben einfach so ein Ende zu setzen wäre feige. Und es gab nichts, was der Tränkemeister mehr verabscheute, als Feigheit.

Er schlug die Augen auf und blinzelte, um die Tränen aus seinem Blickfeld zu vertreiben. In ebendieses Blickfeld sprang ihm ein kleiner, weißer Fetzen entgegen. Es war ein zusammengefalteter Zettel, welcher in seiner Umhangtasche steckte.

Severus runzelte die Stirn. Was mochte es sein? Aus der dummen Hoffnung heraus, der Zettel könnte eine Nachricht von Lily sein, begann sein Herz schneller zu schlagen.

Seine Hand zitterte, als er diesen herauszog. Aufgeregt faltete er ihn auseinander.

Ein verbittertes Lachen entsprang seinen Lippen, als er die Schrift erkannte. Was war er doch für ein Narr! Es war nichts anderes, als der letzte Brief seiner Mutter. Der Brief, den er am Wochenende bekommen und beinahe vernichtet hätte.

Der Wind nahm erneut zu, zerrte an dem Blatt Papier in seinen Händen. Vergeblich versuchte Severus, diesen gerade zu halten. Er wollte ihn noch einmal durchlesen.

Plötzlich entglitt der Brief seinen Händen. Im ersten Moment war er zu überrascht, um zu bemerken, dass er entgegen der Windrichtung davonflatterte.

Als er sich umdrehte und den entwischten Zettel wieder fangen wollte, merkte er, dass er nicht länger alleine war. Hinter ihm standen drei Schüler, auf deren Anwesenheit er liebend gerne verzichtet hätte.

Mit gezücktem Zauberstab, nur wenige Meter von ihm entfernt, stand Sirius. Offensichtlich hatte er den Accio-Zauber benutzt, denn der Brief segelte geradewegs in seine ausgestreckte Hand.

James stand, mit einem höhnischen Grinsen im Gesicht, direkt neben seinem Freund.

„Na was haben wir denn da, Schiefelus? Doch nicht etwa einen Liebesbrief?“

„Ach Quatsch, den mag doch keiner.“, stimmte auch Sirius, der inzwischen einen Blick auf den Brief geworfen hatte, mit ein. „Außer seiner Mami ... nicht wahr, Schnuffel?“ Das letzte Wort betonte er mit einer quietschend hohen Stimme.

Lupin dagegen stand, wie immer, etwas abseits und tat, als würde ihn die Wolkenformation ungeheuerlich interessieren.

So viel zum Thema Vertrauensschüler, dachte Severus verbittert.

Augenblicklich war er auf den Beinen. Sein Gesicht glühte vor Zorn und Scham. Seine Augen brannten und er kniff sie für einen Moment zusammen um die Tränen zu unterdrücken. Nie wieder wollte er vor seinen Peinigern Schwäche zeigen.

„Gebt den sofort her!“, rief er.

Als Antwort bekam er jedoch noch mehr höhnisches Gelächter.

Immer mehr Schüler drangen durch den Eingang nach draußen und bildeten eine gaffende Menge.

„Und uns den ganzen Spaß entgehen lassen? Wieso sollten wir das tun?“, rief Sirius zurück. Es war offensichtlich, dass er die Aufmerksamkeit seiner Mitschüler genoss. Er begann, den Brief für alle hörbar vorzulesen, was noch mehr Gelächter zu Folge hatte.
 

„Ich werde es nicht noch einmal sagen!“ Severus zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf die beiden Jungen vor ihm. Er hatte nicht die Absicht, die beiden Schüler ernsthaft zu verletzten, auch wenn er durchaus die Macht dazu hatte. Vielmehr wollte er nur seinen Worten Nachdruck verleihen.

Sofort zückte auch James seinen Stab. „Expelliarmus!“, rief er. Ein roter Lichtstrahl brach aus der Spitze seines Zauberstabes hervor und raste auf das gewünschte Ziel zu.

Der erwartete Effekt traf jedoch nicht ein. Sein gegenüber hielt seinen Zauberstab immer noch fest in der Hand und hatte nicht einmal mit einer Augenbraue gezuckt. Es war, als wäre der Entwaffnungszauber in der Luft zwischen den beiden jungen Männern verpufft.

Vielmehr aus Reflex, als aus einer Überlegung hinaus, hatte Severus diesen mit einem wortlos herausgebrachtem Schildzauber abgewehrt.

James und Sirius musterten ihn irritiert. Sie waren es nicht gewohnt, dass jemand ihre Zauber blocken konnte. Erst recht nicht Schniefelus, der immer ein leichtes Opfer abgegeben hatte.

Inzwischen war Severus ein paar Schritte näher gekommen und streckte fordernd einen Arm nach dem Brief aus.

„Bleib gefälligst wo du bist!“, rief Sirius. „Impedimenta!“

Doch auch dieser Zauber blieb wirkungslos.

Nun stand Severus direkt vor ihnen. „Und mehr habt ihr nicht drauf?“, fragte er mit einem schiefen Lächeln. „Wärt ihr nun bitte so freundlich, mit diesem Kindergarten aufzuhören und euch jemand anderen suchen, den ihr nerven könnt?“ Er war selbst überrascht, wie fest seine Stimme klang.

James und Sirius warfen noch ein paar, wahllos ausgesuchte Zauber auf ihn, die er alle mit Leichtigkeit abblockte. Die Menge um ihn herum amüsierte sich prächtig, jedoch war es dieses Mal nicht Severus, über den sie lachten.

„Wehr dich endlich du Feigling!“, rief James schließlich. Man sah ihm an, dass er von diesem Abblock-Spielchen die Nase voll hatte.

Bei diesen Worten zuckte Severus kurz zusammen. Einen Moment lang sah er nicht James, sondern Harry, dessen Sohn vor sich. Auch dieser hatte von ihm verlangt, dass er sich wehrte.

Er verscheuchte diesen Gedanken. Nein, es war nicht Harry. Severus hatte keinerlei Grund, den Jungen vor sich zu verschonen.

„Nun, wenn dies dein Wunsch ist, Potter.“, sagte Severus. Blitzschnell zeigte sein Zauberstab zuerst auf den einen, dann auf den anderen und Severus murmelte einen Fluch. Auf einmal hingen beide, James und Sirius, kopfüber in der Luft. Einen Moment lang beobachtete er amüsiert, wie sie sich schreiend und fluchend herumwanden. Die Erkenntnis, dass ihm die beiden Schüler endlich, nach all dieser Zeit unterlegen waren, brachte ihn in Hochstimmung. Kurz bückte er sich und hob den Brief auf, den Sirius vor Schreck fallen gelassen hatte, und steckte diesen in seine Hosentasche. Sich um einen gelangweilten Gesichtsausdruck bemühend, drehte er sich schließlich um und wollte in Richtung des Schlosses gehen.

Beinahe wäre er gegen Minerva McGonagall geprallt, die sich ihm in den Weg gestellt hatte. Ihr Gesicht war eine Maske aus Zorn und Verachtung.

„Severus Snape! Ich hätte gedacht, sie wären sich im Klaren, dass es gegen die Schulordnung ist, Zauber gegen seine Mitschüler zu richten. In mein Büro. Sofort!“

Sie schnippte einmal mit dem Zauberstab und ließ die beiden schwebenden Schüler langsam zu Boden sinken.

Der Triumph in ihren Gesichtern war nicht zu übersehen.

Offensichtlich hatte Minerva nur das Ende dieses Schauspieles beobachtet und dachte nun, Severus wäre der alleinige Übeltäter. Als er sich immer noch nicht in Bewegung gesetzt hatte, griff sie grob nach seinem Arm und zerrte ihn mit sich. Die Menge teilte sich schweigend. Einige der Schüler sahen ihm mitleidig, andere belustigt hinterher.

Ohne ein Wort zu sagen, ließ Severus sich von ihr abführen. Es hätte keinen Sinn, sich herauszureden. Sie würde ihm ja doch nicht zuhören. In ihren Augen war er nur ein weiterer Slytherin, der ihre geliebten, unschuldigen Schüler grundlos verflucht hatte.

Als sie in ihrem Büro ankamen, schloss sie die Tür ab, bevor sie ihre Worte an Severus richtete. „Sie haben Glück, dass Albus gegenwärtig außer Haus ist! Er würde sie hierfür zweifellos der Schule verbannen. Was haben sie sich nur dabei gedacht?“, sie schüttelte missbilligend den Kopf. „Bisher hatte ich immer den Eindruck, sie wären vernünftiger als ihre Freunde.“

Severus schwieg. Er ärgerte sich über sich selber. Wie konnte er nur so blöd sein, und sich von James provozieren lassen? Anderenfalls wären es jetzt James und Sirius gewesen, die von Professor McGonagall eine Standpauke kassieren würden.
 

Von der Tür kam ein leises Klopfen.

Als Minerva aufmachte, setzte Severus' Herz einen Schlag aus.

„Lily...“, flüsterte er kaum hörbar.

Sie stand da, keinen Meter von ihm entfernt, schwer atmend und mit geröteten Wangen.

Die Gryffindor-Hauslehrerin musterte besorgt ihre Schülerin. „Stimmt etwas nicht, Evans?“, fragte sie.

„Bitte … sie dürfen Severus nicht der Schule verweisen.“, brachte sie mühsam hervor. „Es war … nicht seine Schuld.“

„Keine Sorge, ich hatte es nicht vor.“

Doch Lily war viel zu aufgebracht, um zuzuhören. Unbeirrt fuhr sie fort. „Sie müssen wissen, Potter und Black haben angefangen. Ich habe alles genau gesehen, ich bin nach der Prüfung noch einmal hoch in die Bibliothek um meine Antworten zu überprüfen und dann habe ich von draußen Gelächter gehört und bin ans Fenster ...“ Sie redete hastig, ohne auch nur Luft zu holen. Ihre Stimme zitterte leicht vor Aufregung. „Als ich dann gesehen habe, dass Sie Severus weggebracht haben, bin ich so schnell ich konnte hierher gerannt.“

Minerva lächelte der jungen Frau freundlich zu. „Es ist sehr lobenswert, dass Sie sich so für ihren Mitschüler einsetzen. Allerdings hatte ich, wie eben schon gesagt, nicht vor weitere Maßnahmen zu ergreifen. Es ist das erste Mal, dass er auffällig wurde, daher wird es bei einer Verwarnung bleiben. Dennoch ...“, nun richtete sie ihren Blick wieder auf Snape, „müssen Sie mir versprechen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt. Sie sind nicht dumm, Severus. Lassen Sie sich nicht unnötig provozieren.“

Severus nickte hastig und warf Lily einen verstohlenen Blick zu. Sie blickte zu Boden.

„Ich werde mich dann mal um Potter und Black kümmern.“, sagte Minerva bevor sie aus ihrem Büro ging und die beiden Schüler alleine ließ.
 

„Danke …“, murmelte Severus und ging hastig an Lily vorbei, durch die Tür. Es hatte ihn mehr als überrascht, dass sie sich immer noch für ihn einsetzte. Dennoch wollte er sein Glück nicht überstrapazieren.

„Warte, Sev.“, sagte sie mit zitternder Stimme.

Er zuckte überrascht zusammen und blieb stehen. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er sich zu ihr umdrehte.

Eine Weile standen sie da, mitten im Schulgang, ohne dass einer von ihnen auch nur ein Wort sagte. Lily wickelte eine ihrer Haarsträhnen um die Finger und trat von einem Fuß auf den anderen. Noch nie hatte Severus sie so nervös erlebt. Sonst wirkte sie immer so selbstsicher ...

Schließlich atmete Lily einmal tief durch.

„Ha ...hast du ... das eigentlich ernst gemeint? Das, was du am Freitagabend zu mir gesagt hast?“

Ihre Wangen glühten rot und sie wagte es immer noch nicht, ihm ins Gesicht zu blicken.

„Lily ...“, flüsterte Severus erneut.

Sein Puls raste.

Er hatte das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.

Seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte Mühe, nur einen von ihnen zu fassen.

Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn.

Wie sollte er bloß reagieren? Welche Antwort wollte sie von ihm hören?

Zögernd kam sie einen Schritt auf ihn zu und er erstarrte. So oft hatte er sich diesen Moment in Gedanken ausgemalt und jetzt, wo er endlich da war, konnte er nichts weiter tun als da zustehen und dumm aus der Wäsche zu schauen.

Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr.

Das Herz hämmerte ihm in den Ohren und sein Mund wurde trocken.

Er schluckte nervös.
 

„Lily! Kommst du? Es wird Zeit fürs Mittagessen.“, erklang eine Stimme hinter ihnen.

„Ja Mary, ich komme gleich.“, rief Lily zurück.

Bevor sie ging, stellte sie sich kurz auf Zehenspitzen und gab dem immer noch regungslosen, Severus einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Dann lächelte sie ihm kurz zu und eilte davon.
 

Erst nachdem ihre Schritte nicht mehr zu hören waren, konnte er sich allmählich aus seiner Erstarrung lösen. Er strauchelte und musste sich an der Wand abstützen.

Sein Atem ging stoßweise.

Es dauerte einige Zeit, bis er sich einigermaßen beruhigt hatte und wieder sicher auf den Beinen war. Dann begab auch er sich in die Große Halle.

Verwirrung

„Ja, und dann hat er mich angesehen, mir direkt in die Augen geschaut. Ich hab gedacht mein Herz bleibt stehen...“

„Mmh“

Mary redete wie ein Wasserfall. Noch bevor sie auch nur die Treppe nach unten erreicht hatten, hatte sie Lily jede Bewegung, ja sogar jeden Pieps von Sirius Black, ihrem großen Schwarm, ausführlich geschildert.

Lily hörte ihr nicht wirklich zu. Sie kannten sich seit Jahren und sie wusste, an welchen Stellen sie nicken oder „Ist nicht wahr!“ sagen musste um den Anschein zu erwecken, sie wäre an diesem Monolog irgendwie beteiligt.
 

Marys Schwärmereien gingen ihr schon seit einiger Zeit gehörig auf den Geist. Es war ihr schleierhaft, was ihre Freundin an Sirius fand. In ihren Augen war er nichts weiter, als ein oberflächlicher und obendrein arroganter junger Mann. Er sah vielleicht ganz gut aus, bildete sich aber so viel drauf ein, dass ihr davon schlecht wurde.

Es war jedoch nicht der einzige Grund für ihre Teilnahmslosigkeit.

Schon seit Tagen war Lily total neben der Spur und die jüngsten Ereignisse machten es nicht gerade besser.

Ihre Gedanken drehten sich nur noch um ihn. Immer wieder erklang sein Name in ihrem Kopf.

Severus...
 

Seit ihrer Kindheit war er ihr bester Freund, ihr größter Verbündeter gewesen. Hatte ihr eine völlig neue Welt gezeigt und ihr geholfen, sich darin zurechtzufinden. Hatte dafür gesorgt, dass sie sich nicht mehr selbst wie ein Freak vorgekommen war, nicht mehr auf die verletzenden Worte ihrer Schwester gehört hatte.

Als der Tag der Einschulung, dem sie sie beide so lange entgegen gefiebert hatten, endlich gekommen war, wurden sie voneinander getrennt.

Er kam nach Slytherin, sie nach Gryffindor – zwei Häuser, die bereits seit mehreren Generationen rivalisiert waren. Seitdem hatten sie sich zunehmend auseinander gelebt, hatten neue Freunde und Interessen gefunden. Dennoch hatte er ihr noch immer viel bedeutet.

Es tat ihr jedes Mal im Herzen weh zu sehen, wie er von ihren Mitschülern schikaniert wurde. Auch wenn sie kaum noch Zeit miteinander verbrachten, hatte sie alles in ihrer Macht stehende getan, um ihm den Rücken zu stärken.

In letzter Zeit verstand sie ihn jedoch gar nicht mehr.

Ein Wort. Nur ein einziges Wort hatte alles zerstört.

Schlammblut...
 

Sie wusste, dass er und seine Freunde Muggelstämmige so nannten. Jedoch hatte sie nicht gedacht, es jemals selbst aus seinem Mund zu hören. Dennoch hatte er es gesagt. Schlimmer noch, er hatte es zu ihr gesagt.

Dabei hatte sie ihm doch nur helfen wollen.
 

Es hatte sie schlimmer als jeder Fluch getroffen.

Sie hatte sich erniedrigt und beschämt gefühlt, konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.

Den ganzen restlichen Tag musste sie sich dumme Sprüche von James anhören.

Dass sie selbst schuld gewesen wäre, da sie sich für so einen Versager eingesetzt hatte. Dass es ja so hätte kommen müssen. Dass sie ohne ihn viel besser dran wäre.

Sie war zu niedergeschlagen gewesen, um seinen Worten irgendetwas entgegenzubringen. War sogar kurz davor gewesen, ihm zu glauben.
 

Später, als sie schon im Bett lag und verzweifelt versucht hatte einzuschlafen, hatte Mary an ihrer Schulter gerüttelt und ihr gesagt, Severus würde, wie bestellt und nicht abgeholt, vor dem Eingang zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum herumlungern.

Sie war nur herausgekommen, um ihn in die Schranken zu weisen.

Er hatte ihr, vor dem Portrait der fetten Dame, die Worte gesagt, mit denen sie in diesen Moment am allerwenigsten gerechnet hatte.

Weil ich dich liebe.“

Er hatte sie damit komplett aus dem Konzept gebracht. Hatte ihrer Wut den Wind aus den Segeln genommen. Sie war zu keiner Reaktion fähig gewesen und hatte sich letztendlich für die einzige Alternative entschieden, die ihr blieb.

Flucht.

Tagelang hatte sie sich nicht getraut, ihn darauf anzusprechen. Zog es vor, ihm aus dem Weg zu gehen.

Im Nachhinein war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob er die Worte auch wirklich gesagt hatte. Vielleicht waren sie auch nur ihrer eigenen Fantasie entsprungen, weil sie es sich schon so lange erträumt hatte, es von ihm zu hören.
 

Abrupt blieb Mary stehen und schaute sie misstrauisch an.

„Hörst du mir überhaupt zu?“, fragte sie.

„Klar, natürlich!“ Lily lächelte schwach.

„Dann erzähl mir doch mal, was ich dir eben gesagt habe.“

„Na ja du – ähm – hast eben noch gemeint, dass...“

„Ja?“

Lily wich dem bohrenden Blick ihrer Freundin aus.

„Tut mir leid, Mary.“, sagte sie schließlich. „Mir geht es gerade nicht so gut, ich denke mal ich lass das Essen ausfallen.“

Mary musterte besorgt ihre Freundin.

„Liegt es an diesem... wie nennen sie ihn gleich? Schniefelus? Mensch, Lily lass dich doch nicht von diesem Kotzbrocken unterkriegen. Er ist es nicht wert.“

Schniefelus... Lily verkrampfte sich bei diesem Wort. Irgendwie schaffte sie es jedoch, ihre Stimme ruhig zu halten. Ihr war bewusst, dass Mary es nicht böse gemeint hatte. Ihre Freundin wusste es einfach nicht besser.

„Nein, nein es ist nichts. Ich denke es ist einfach nur der ganze Prüfungsstress. Ich sollte mich lieber mal hinlegen.“

Sie drehte sich auf dem Absatz um und ließ Mary zurück.
 

In Gedanken versunken lief sie durch das Schloss, bog ziellos von einem Gang in den nächsten und lief mehrere Treppen nach oben ohne wirklich auf den Weg zu achten.

Anfangs musste sie sich durch Scharen von Schülern bannen, die allesamt auf dem Weg in die Große Halle waren.

Als sie schließlich alleine war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sie wegzuwischen.

Ihre eigenen Worte hallten in ihrem Kopf nach.

„Hast du das erst gemeint?“
 

Wieso hatte sie es nicht einfach dabei belassen können? Wieso musste sie noch einmal nachhaken?

Er war gar nicht erst auf ihre Frage eingegangen. War nur da gestanden und hat geschwiegen.

War sie ihm wirklich so egal?

Er hatte sie Schlammblut genannt.

Weil ich dich liebe...“

Man nennt doch niemanden, den man liebt Schlammblut, oder?

Es machte keinen Sinn.

Sie hatte sich verhört. Ganz bestimmt hatte sie sich nur verhört.
 

Lily erschrak, als sie hinter sich Schritte hörte. Das war sicherlich Filch, der grimmige Hausmeister der Schule. Ihr Interesse daran ihm zu erzählen, was sie während des Mittagsessens in den Schulgängen zu suchen hatte, hielt sich in Grenzen. Sie schlüpfte durch die nächstbeste offene Tür und fand sich in einer Mädchentoilette wieder.
 

Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann blickte sie in den Spiegel vor sich. Ein nicht gerade berauschender Anblick. Ihre Augen waren rot und verquollen, feuchte Haarsträhnen klebten an ihren Wangen. Überall im Gesicht hatte sie vor Aufregung Flecken bekommen.

„Na super, ich fühle mich nicht nur wie ein Freak, ich sehe auch noch aus wie einer“, murmelte sie.

Resigniert lehnte sie ihre Stirn gegen die kühle Oberfläche des Spiegels und schloss die Augen.

Immer wieder ging sie das kurze Treffen – als Gespräche konnte man es kaum bezeichnen – mit Severus im Kopf durch.

Wie er sie angesehen hatte.

Seine Augen...

Die schwarzen Augen, die früher voller Wärme waren, waren einfach nur leer und ausdruckslos. Was war nur los mit ihm? So kannte sie ihn gar nicht.

Bei der Erinnerung an seinen Gesichtsausdruck verzog sie das Gesicht.

Seinem Blick nach zu urteilen, war ihm von ihrer Nähe höchstens schlecht geworden.

Gut, dass Mary aufgetaucht war. Wer weiß, was sie sonst für Dummheiten angestellt hätte.

Und dann noch dieser total bescheuerte Schmatzer. So etwas kriegt man doch sonst nur von der Oma. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Nun, die Antwort war einfach – gar nichts.

Er musste sie jetzt für total bescheuert halten...

„Verdammt, verdammt, verdammt!“, rief sie in den Raum hinein und schlug bei jedem Wort mit der flachen Hand gegen die Wand.
 

Eine seltsam hohl klingende Stimme erklang hinter ihr.

„Bist du gekommen, um mich zu besuchen? Ich kriege so selten Besuch, weißt du.“

Lily erschrak und drehte sich um. Durch den Tränenschleier vor ihren Augen sah sie ein fast durchsichtiges Mädchen, dass durch eine Kabinenwand schwebte und sie neugierig musterte.

Albträume

„Nein... nicht Lily... Neeein!“

Er schrie und keuchte. Seine magere Gestalt wand sich hin und her, unfähig aufzuwachen. Der schweißnasse Pyjama klebte an seiner Brust. Er zitterte am ganzen Körper.

Der massive Vorhang an seinem Bett wurde beiseite geschoben. Hände griffen nach seinen Schultern und schüttelten ihn sanft. Jemand redete beruhigend auf ihn ein. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis er endlich wach war.
 

Der Blick seiner schwarzen Augen zuckte panisch von einer Seite zur anderen, während er versuchte sich zu orientieren. Er konnte im Dunkeln zwei Gestalten an seinem Bett erkennen, eine von ihnen war über ihm gebeugt.

„Lumos“, flüsterte die andere Gestalt. Ein grelles Licht brach aus der Spitze des Zauberstabes hervor und blendete ihn.

Nur undeutlich konnte er Mulciber erkennen, der über ihm stand und ihn verschlafen ansah. Seine braunen Haare waren zerzaust und standen in allen Richtungen von seinem Kopf ab.

„Jetzt hör schon auf wie ein verschrecktes Kaninchen zu gucken, wir sind es nur“, sagte dieser und gähnte. „Du hattest mal wieder einen deiner Träume.“
 

Stöhnend rieb Severus sich die Augen. Der Schreck, den sein Traum hinterlassen hatte saß ihm noch immer tief in den Knochen.

„Das mit deinen Albträumen muss aufhören. Wenn du nicht endlich zu Madam Pomfrey gehst, sind wir gezwungen in einen anderen Schlafsaal zu ziehen. Wir haben schließlich Prüfungen und bei deinem Geschrei kann doch kein Mensch schlafen“, kam es von der anderen Seite. Avery hielt seinen leuchtenden Zauberstab auf ihn gerichtet. Seine Stimme klang schleppend.

„Heult nicht rum, es kann kaum schlimmer sein als Mulcibers Schnarchen“, murrte Severus halbherzig und setzte sich im Bett auf. Sein Rachen fühlte sich beim Sprechen wund an, offenbar hatte er aus Leibeskräften geschrien. Er fuhr sich durch die Haare, dann sah er an sich herunter und runzelte die Stirn. Er saß auf der nackten Matratze, Decke und Lacken lagen zerknüllt auf dem Boden.
 

An Schlaf war jetzt ohnehin nicht mehr zu denken. Seufzend erhob er sich und ging ohne ein Wort zu sagen, barfuß aus dem Schlafsaal. Darauf bedacht, niemanden zu wecken, schlich er in den Gemeinschaftsraum. Der kalte Steinboden half ihm dabei den Kopf klar zu bekommen.

Er ließ sich in einen Sessel fallen und betrachtete im Schein des Feuers gedankenverloren seinen linken Unterarm. Dort, wo sich noch vor Kurzem das Dunkle Mal unter seiner hellen Haut abgezeichnet hatte, waren nur noch feine, blaue Adern zu sehen. Er konnte es noch immer kaum glauben. Nach all diesen Jahren war er dem dunklen Lord nicht mehr verpflichtet. Er war kein Todesser mehr. Er war frei.

Wenn doch nur diese Träume nicht wären. Jede Nacht aufs Neue erlebte er die schlimmsten Augenblicke seines Lebens. Er war gezwungen alles mitanzusehen, war nicht in der Lage irgendwie in das Geschehene einzugreifen.

Er beugte sich nach vorne und schaute in das prasselnde Kaminfeuer.

Avery und Mulciber hatten Recht, es musste endlich aufhören. Er bezweifelte jedoch, dass Poppy etwas ausrichten könnte. Er zweifelte keineswegs an den Fähigkeiten der Heilerin, jedoch lag sein Problem viel tiefer, als ihre Zauber es hätten erreichen können.

Wenn er doch nur an die Zutaten für den Traumlos-Trank herankommen könnte.

„Slughorn...“, murmelte er, als ihm ein Geistesblitz kam. Sofort sprang er von seinem Platz auf. Natürlich, wieso war er nicht schon vorher darauf gekommen? Der Tränkelehrer müsste alle Zutaten auf Vorrat haben, da sie doch recht häufig gebraucht wurden.
 

Solange Horace Slughorn schlief, müsste es ein Leichtes sein an seine Vorräte dranzukommen. Tatsächlich, noch bevor er auch nur den Eingang zu den Gemächern des Hauslehrers erreichte, hörte er diesen laut schnarchen.

Der bissige Geruch von eingelegten Reptilien und Nagern, sowie etlichen getrockneten Pflanzen, drang in seine Nase als er die Tür auch nur einen Spalt breit öffnete. Welch eine Ironie, dass er sich in diesen Räumen, die fast zwei Jahrzehnte lang sein Zuhause gewesen waren, so fehl am Platz fühlte. Er wollte nur so schnell wie möglich alles Nötige zusammensuchen und verschwinden. Das Gebräu konnte er ebenso gut auch in seinem alten Schülerkessel anfertigen.

Er war so konzentriert, dass ihm die plötzlich aufgetretene Stille nicht weiter beunruhigte.

Er hatte fast alle Zutaten beisammen und suchte zwischen den vielen, mit krakeliger Schrift versehenen Fläschchen nach Nieswurzsirup.

Als er mal wieder versuchte ein Etikett zu entziffern, hörte er hinter sich ein Räuspern. Erschrocken fuhr er herum. Hinter ihm stand niemand anderes als Horace Slughorn, gekleidet in einen dunkelblauen Morgenmantel, und sah auf ihn hinab.

„Was machen Sie hier, Severus? Zu solch einer späten Stunde?“

„Ich...“, begann dieser, wurde jedoch gleich unterbrochen.

„Ich sehe schon, was Sie hier machen. Sie vergreifen sich ohne zu fragen am Schuleigentum. Haben sie auch nur den Hauch einer Ahnung, wie wertvoll all diese Zutaten sind? Marsch ins Bett, junger Mann. Die nächsten Tage werden Sie bei mir nachsitzen. Und so ungern ich es auch tue, werde ich Slytherin hierfür zehn Punkte abziehen.“

Prüfend betrachtete der Tränkemeister das Bündel das Severus immer noch an sich drückte.

„Was wollen Sie überhaupt mit all diesen Sachen?“

Severus zögerte. Wenn er ihm sagen würde, was er vorhatte, würde er wie ein Schwächling dastehen. Eine einzelne Portion dieses Trankes könnte er ebenso gut auch im Krankenflügel bekommen, jedoch wurde er normalerweise nie öfter als einmal im Monat verabreicht. Zu zahlreich waren die Nebenwirkungen dieses Gebräus. Daher griff er zu der erstbesten Ausrede die ihm einfiel.

„Es war eine Wette, Sir. Nur eine dumme Wette.“

Der Hauslehrer schüttelte missbilligend den Kopf.

„Wie dem auch sei. Wir sehen uns dann morgen nach der praktischen Prüfung. Eine schöne Nacht noch.“ Mit diesen Worten schob er ihn nach draußen und schloss die Tür.
 

Die letzten Schultage verbrachte Severus überwiegend in Horaces Büro und schrieb unter dessen Aufsicht seitenlange Strafarbeiten. Lily bekam er kaum zu Gesicht und wenn er sie doch mal sah, marschierte sie mit gesenktem Kopf an ihm vorbei und er traute sich nicht, sie anzusprechen.

Nachts lag er lange wach und ließ seine Gedanken schweifen. Wie schon so oft, versuchte er auf den Grund zu kommen wieso er wieder hier war. Auch Dumbledores Abwesenheit machte ihm immer mehr Sorgen.
 

Schließlich kam der Tag des Abschlussbanketts. Blaue Wappen zierten die Große Halle. Als alle Schüler Platz genommen hatten, erhob sich Professor McGonagall und begann die Abschlussansprache. Soweit es Severus bekannt war, war es in der gesamten Geschichte von Hogwarts nur ein einziges Mal vorgekommen, dass die Rede von einer Vertretung übernommen werden musste und da war er, Severus, dafür verantwortlich gewesen.

Auch Minervas Erklärung, Dumbledore sei auf einer wichtigen Geschäftsreise, beruhigte ihn nicht gerade. Ihr kurzes Zögern war ihm nicht entgangen und zeigte mehr als deutlich, dass nicht einmal die stellvertretende Schulleiterin über dessen Verbleib informiert war.
 

„Ich kann kaum glauben, dass Ravenclaw mit gerade mal zwei Punkten Vorsprung den Jahrespokal gewonnen haben“, murrte Avery nachdem die Rangfolge verlesen wurde.

„Noch vor wenigen Tagen waren wir in Führung, ich frage mich wie sie so schnell aufholen konnten“, murmelte Mulciber.

Severus enthielt sich. Wäre sein nächtliches Abenteuer bei Slughorn nicht gewesen, würde die Große Halle jetzt in Grün erstrahlen. Außerdem hätte er dann öfter die Chance gehabt, Lily zu sehen. Er schaute hinüber zum Gryffindor-Tisch. Sie saß mit dem Rücken zu ihm und war in ein Gespräch verwickelt.

Er ärgerte sich über sich selbst. Was hatte ihn nur geritten diesen Trank brauen zu wollen?
 

***
 

Severus hatte seinen Kopf an die Fensterscheibe gelehnt und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft. Er war in einem Abteil mit Mulciber und Avery und beide waren in eine hitzige Diskussion bezüglich derer Sommeraktivitäten verwickelt.

Sommerferien... Severus lief es kalt den Rücken runter. Wo sollte er bloß hin? Seine Mutter war weg, sein Vater würde ihn nicht einmal in die Nähe der Wohnung in Spinners End lassen.

Damals hatte er diese Ferien bei Avery verbracht, dieses Mal schien es ihm jedoch keine wirkliche Option. Averys Eltern waren beide Todesser und mit denen hatte er in seinem Leben entschieden zu viel zu tun gehabt um dort einen gemütlichen Sommerurlaub verbringen zu wollen.

Seine Nackenhaare stellten sich bei der Erinnerung daran auf, was in diesen besagten Sommerferien passiert war. Er hatte Averys Eltern von seinem Vater erzählt und sie haben diesen kurzerhand aus dem Weg geräumt – somit hatte er die Wohnung für sich. Doch zu welchem Preis! Das Blut seines eigenen Vaters klebte an seinen Händen.
 

Die Abteiltür wurde ein Stück aufgeschoben und Lily erschien in der Öffnung. Die Röte in ihrem Gesicht konkurrierte mit ihren Haaren.

„Ähm... Hallo ihr drei.“ Sie winkte halbherzig Avery und Mulciber zu. „Severus? Kannst du bitte mal kurz kommen, ich möchte mit dir reden.“

Nachdem sie diese Worte gesagt hatte, war sie auch schon wieder verschwunden.

„Ohoho, Severus läuft da etwa was?“ Avery stieß ihn mit dem Ellenbogen von der Seite an.

„Ach Quatsch“, murmelte Severus und stand auf. Er stolperte bei dem Versuch, aus dem Abteil zu gelangen, über seine eigenen Füße und fiel der Länge nach hin.

Das darauf folgende Gelächter seiner Freunde entging auch Lily nicht, die ein paar Schritte von dem Abteil entfernt stand und auf Severus wartete.

Freundschaft

Der Hogwarts-Express fuhr bereits aus dem Bahnhof von Hogsmead und noch immer wurde Lily von ihrer Freundin quer durch den Zug gezerrt. Sie verdrehte genervt die Augen, als Mary sie erneut an einem halbleeren Abteil vorbeizog. Sie hatte allmählich das Gefühl, ihr würde gleich der Arm abfallen, an dem ihre prall gefüllte Reisetasche baumelte.

„Seit wann ist denn kein einziges Abteil gut genug für dich?“, fragte sie schließlich genervt.

„Pschht“, machte Mary und warf einen Blick in das nächste Abteil.

Lily stieß ein erleichtertes Seufzen aus als sie Mary fragen hörte, ob denn noch zwei Plätze frei seien. Sie stand einige Schritte von der Tür entfernt und hatte noch nicht gemerkt, wer sich darin befand.

„Sicher, für euch Mädels ist doch immer ein Plätzchen frei“, kam die Antwort.

„Zur Not schmeißen wir eben Wurmy raus“, sagte jemand. „Schau doch nicht gleich so Wurmschwanz, war doch nur ein Spaß“, fügte die gleiche Person nach einer kurzen Pause hinzu.

Die Rumtreiber... Lilys Nackenhaare stellten sich auf. Sie konnte sich wahrlich besseres vorstellen, als die nächsten neun Stunden mit diesen Jungs zusammenzusitzen. Einen meterlangen Aufsatz in Geschichte der Zauberei verfassen zum Beispiel. Oder aus dem fahrenden Zug springen.
 

Gerade als Lily darüber nachdachte wie hoch ihre Überlebenschancen wären, wenn sie tatsächlich herausspringen würde, lächelte Mary etwas dümmlich und versuchte erfolglos, ihren schweren Koffer hinein zu hieven. Sogleich erschien Sirius an der Tür und nahm ihr diesen ab. Dann drehte er sich kurz zu Lily um und zwinkerte ihr zu. Lily hingegen funkelte ihn böse an und hätte ihm am liebsten die Zunge herausgestreckt. Was bildete dieser Idiot sich eigentlich ein? Er stand direkt vor Mary, die ihm verliebte Blicke zuwarf, und machte solche Gesten.

Als sie schließlich vor dem Abteil stand, sprang James von seinem Platz auf. Er schwankte leicht und wollte ihr dennoch das Gepäck abnehmen.

„Nein danke, es geht schon“, presste sie hervor während sie sich an ihm vorbei zwängte und ihre Tasche auf einen der Gepäckträger wuchtete. Sie blieb einen Moment unschlüssig stehen und sah sich um.

Mary hatte zwischen Sirius und Remus Platz genommen, wobei der letztere der beiden Jungs ziemlich grün im Gesicht war. Lily blieb daher nichts anderes übrig, als sich auf der anderen Seite neben James und Peter niederzulassen.

Als James sich zu ihr umdrehte und sie schief anlächelte, traf sein säuerlicher Atem auf ihre Nase und sie verzog angewidert das Gesicht. Es roch ziemlich stark nach Alkohol.

„Habt ihr Jungs etwa getrunken?“, fragte sie fassungslos.

„Darauf kannst du Gift nehmen, Kleines“, erwiderte James, der sich offenbar unheimlich lässig vorkam.

„Nenne mich nicht Kleines!“, fauchte sie. „Seit wann wird überhaupt Hochprozentiges an Schüler ausgeschenkt?“

„Ach weißt du, wir haben da so unsere Mittel und Wege...“, sagte Sirius und tat geheimnisvoll.

„Ihr habt doch nicht etwa...“ Lily schnaubte verächtlich. „Habt ihr ernsthaft Vielsafttrank genommen, nur um euch besaufen zu können? Wie erbärmlich seid ihr eigentlich?“

„Mensch Lily, jetzt sei doch nicht so spießig. Wir brauchten halt mal eine Ablenkung“, sagte Sirius und grinste schief.

Lily sah besorgt hinüber zu Remus, der aussah, als würde er sich gleich von seinem Mageninhalt verabschieden. Ihm hatte diese „Ablenkung“ auf alle Fälle nicht gut getan. Offensichtlich war er sogar an seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Lesen, gescheitert, denn eines der Schulbücher lag aufgeschlagen auf seinen Beinen, während sein Blick nur stumpf geradeaus ging.

„Wovon habt ihr denn bitte eine Ablenkung gebraucht? Konntet ihr euch nicht mehr vor euren Bewunderern retten? Welch ein überaus schweres Schicksal...“, entgegnete Lily schließlich bissig.
 

„Nee, McGonnagal, diese alte Schreckschraube, hatte sich nach der Zaubertränke-Prüfung wie eine Furie auf uns gestürzt und uns zum Nachsitzen verdonnert“, sagte Sirius, ohne sich von Lilys Ton beeindrucken zu lassen. „Dabei haben wir doch nichts unrechtes getan, oder Leute?“, er blickte einmal in die Runde und lehnte sich anschließend entspannt zurück.
 

Lily verdrehte genervt die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Das sah Sirius mal wieder ähnlich, dass er sich keinen Fehler zugestand. Na das konnte ja noch eine nette Fahrt werden. Ihr Blick fiel erneut auf Lupin und sie runzelte verwundert die Stirn.

„Wieso bist du eigentlich hier, Remus? Müsstest du nicht im Vertrauensschülerabteil sein?“

Es dauerte etwas, bis er reagierte. „Leanne kommt auch ohne mich gut klar. Zudem wäre ich wohl keine große Hilfe“, meinte er schließlich und zuckte mit den Schultern.
 

Damit hatte er vermutlich recht. Lily graute es allerdings schon davor, sich erneut stundenlang Leannes Beschwerden über Remus anzuhören. Sie war die gemeinsame Freundin von ihr und Mary, und wurde in diesem Jahr zusammen mit Remus zur Vertrauensschülern bestimmt.

Seit dem war Leanne nicht müde geworden, Dumbledores Entscheidung, Remus auf diese Position zu erheben, zu bemängeln.

Er wäre nicht nur nicht in der Lage, seine Freunde im Schach zu halten, er hätte erhebliche Probleme, mit den Erstklässlern fertig zu werden. Remus würde seinen Aufgaben nicht nachkommen, er würde dies nicht tun, er würde das nicht tun.

Immer wieder aufs neue hatte Leanne ihr und Mary, das Versagen von Remus in allen Einzelheiten geschildert. In ihren Augen war der ruhige Schüler für eine solche Verantwortungsposition schlichtweg ungeeignet.

Auch wenn Lily Remus im Grunde mochte, in einigen Punkten musste sie ihrer Freundin recht geben. Alleine schon die Tatsache, dass er gerade betrunken vor ihr saß, entsprach nicht gerade seiner Vorbildfunktion.

Mary dagegen schien sich daran überhaupt nicht zu stören. Sie warf immer wieder bewundernde Blicke in Richtung Sirius. Er schenkte ihr jedoch keinerlei Beachtung. Entweder bemerkte er ihr Verhalten nicht, oder es war ihm schlichtweg egal.
 

Lily lehnte sich zurück und rieb sich die Schläfen. Mary sah nicht so aus, als würde sie sich in nächster Zeit von hier wegbewegen. Wohl oder übel musste Lily sich mit dieser Situation abfinden. Um auf andere Gedanken zu kommen, ging sie im Kopf alle Hausaufgaben durch, die sie in den Sommerferien erledigen musste und legte sich in Gedanken einen Plan zurecht, wie sie diese angehen sollte.

Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie dabei zu ignorieren, dass James immer näher an sie rückte. Als er schließlich versuchte, seinen Arm um sie zu legen, platzte ihr Geduldsfaden. Empört sprang sie auf.

„Behalte deine Hände gefälligst bei dir, Potter!“, schrie sie ihn an und stürmte hinaus.
 

Als sie die Tür hinter sich schloss, konnte sie gerade so noch James hören, der „Zicke...“ brummte. Keine zehn Pferde würden sie erneut in dieses Abteil bekommen.
 

Ihr Gesicht glühte vor Empörung und sie ballte die Fäuste zusammen. Was bildete Potter sich überhaupt ein? Glaubte er, sie würde fröhlich in seine Arme hüpfen, nur weil er beliebt war? Dass sie einfach vergessen würde, was er und seine Freunde Severus jahrelang angetan hatten?

Seufzend lehnte sie sich von außen gegen die Wand und blickte gedankenverloren durch das Fenster. Der Hogwarts-Express schlängelte sich durch eine Graslandschaft, kurz tauchte in der Ferne eine kleinere Siedlung auf, ansonsten war die Aussicht recht eintönig. Das monotone Rattern der Räder wirkte sich beruhigend auf ihre angespannten Nerven aus.

Etwas unschlüssig schaute sie sich um. Sie konnte nicht ewig hier im Gang bleiben, doch wo sollte sie nur hin? Sie hatte wenig Lust, sich alleine zu Fremden zu setzen.
 

Andererseits hatte sie in den letzten Tagen recht aufschlussreiche Gespräche mit einer Person geführt, die ihr zuvor noch fremd gewesen war. Mit einer Person, die schon länger nicht mehr unter den Lebenden weilte.

Myrte, dem Geistermädchen, das in der Mädchentoilette im zweiten Stock der Schule spukte. Zugegeben, sie war zeitweise ziemlich anstrengend und reagierte auf fast alles, was auch nur im entferntesten falsch interpretiert werden konnte, im höchsten Maße beleidigt. Für Lily war sie als Gesprächspartnerin dennoch eine gute Abwechslung, da sie ab und an auch mal zuhören konnte und nicht nur von sich selbst sprach, so wie ihre Freundinnen.

Ihr hatte Lily schließlich ihre Unsicherheiten bezüglich Severus gebeichtet und erhielt den Rat, ihren Jugendfreund nicht aufzugeben. Lily fand es ja selbst schade, dass sie und Severus einander in letzter Zeit aus dem Weg gingen.

„Dann sag ihm doch einfach, dass du ihm verziehen hast!“, hatte Myrte ihr geraten.

Dieser Ratschlag hatte sie ins Grübeln gebracht. Hatte sie es ihm wirklich verziehen?

Sie fühlte sich zwar immer noch verletzt, konnte jedoch keinen Funken Wut mehr in sich entdecken.
 

Wenn Lily es sich recht überlegte, würde sie sich in den Ferien kaum entspannen können ohne zu wissen, wie es um ihre Freundschaft zu Severus stand. Vielleicht sollte sie es wirklich wagen und ihn einfach mal darauf ansprechen. Was sollte schon schiefgehen? Nun, er könnte genauso abweisend reagieren wie vor wenigen Tagen, als sie ihn an seinem Geständnis festnageln wollte. Sie würde einfach nicht locker lassen, beschloss sie. Vermutlich hatte sie ihn beim letzten Mal nur überrumpelt und ihm nicht genug Zeit gelassen. Dieses Mal würde sie es besser machen.
 

Voller Entschlossenheit, und mit zitternden Knien, machte Lily sich schließlich auf die Suche nach dem Abteil, in dem Severus sich befinden würde.

Als sie ihn durch die Glasfront erblickt hatte, zögerte sie. Er war mit Mulciber und Avery zusammen, und die beiden wollte sie nicht unbedingt dabei haben.

Etwas unsicher öffnete sie die Tür und bat Severus raus zu kommen. Dann beeilte sie sich aus dem Sichtfeld zu verschwinden um die fragenden Gesichter von seinen Freunden nicht sehen zu müssen.
 

Wenige Augenblicke, nachdem sie sich entfernt hatte, erklang von innen ein dumpfes Poltern, auf das ein lautes Gelächter folgte. Etwas verunsichert runzelte Lily die Stirn.

Was war da los? Sollte sie vielleicht mal nachsehen? Nein, bestimmt würden sie dann denken, sie würde sie belauschen. Und wenn doch irgendetwas schlimmeres passiert war? Quatsch, dann würden sie doch nicht lachen... oder?

Sie konnte Avery und Mulciber beim besten Willen nicht einschätzen. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, ging einen Schritt vor, gleich darauf jedoch wieder zurück. Etwas nervös fuhr sie sich durch die Haare, blieb an einem kleinen Knoten hängen, und riss sich bei dem Versuch, ihre Hand zu befreien, mehrere Haare raus.
 

Ein paar Herzschläge später öffnete sich die Tür und Severus erschien im Gang. Er fluchte leise und rieb seine linke Schulter. Er sah sie schüchtern an und ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer.

„Du... wolltest mit mir reden?“, fragte er sie leise.

Diese Frage war überflüssig, da sie es ihm vor wenigen Minuten selbst gesagt hatte. Offenbar wollte er damit seine eigene Unsicherheit überspielen.

Durch diese Erkenntnis fühlte sie sich ermutigt. Es tat gut zu wissen, das nicht nur sie durch den Wind war.

„Ja, ehm...“, begann Lily, zögerte jedoch und versuchte die richtigen Worte zu finden. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen und hatte das Gefühl, vor ihm zu schrumpfen. Als sie schließlich fortfuhr, verfluchte sie sich heimlich selbst dafür, dass ihre Stimme verräterisch zitterte. „Ich... na ja, ich fände es wirklich schade, wenn wir keine Freunde mehr wären. Weißt du... ich denke, ich kann dir deinen Ausrutscher verzeihen.“

Sie biss sich auf die Zunge. In ihrem Kopf hatte diese Aussage eben noch erheblich besser geklungen, nachdem diese Worte jedoch draußen waren, kam sie sich irgendwie blöd vor.

Obwohl sie sich nicht so recht traute, ihn direkt anzusehen, registrierte sie, wie sich sein Gesicht etwas aufhellte.

„Wirklich? Ich meine... wow. Also...“ Er verstummte. Sein Blick bekam wieder etwas unergründliches und er sah in die Ferne.
 

Kurz darauf sah sie, dass er nachdenklich die Stirn runzelte und sich auf die Lippe biss. Sie konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. Diesen Gesichtsausdruck kannte sie nur zu gut. Einen kurzen Moment sah sie ihn wieder als kleinen Jungen vor sich, der sie über die Abläufe der magischen Welt aufklärte. Er war vor ihr gestanden, kaum größer als sie selbst, mit abgetragenen, schmuddeligen Kleidern und klang dabei, wie ein ungeheuerlich wichtiger Professor.

Damals hatte er genau den gleichen Gesichtsausdruck gehabt wie heute. Der einzige Unterschied bestand wohl darin, dass er sie inzwischen um fast einen Kopf überragte.

Er hob eine Augenbraue und sah sie fragend an.

„Es ist nichts“, sie lächelte ihm zu. „Ich habe mich nur gerade daran erinnert, wie wir uns damals kennengelernt haben, das ist alles.“
 

„Sind wir also... noch Freunde?“, fragte Severus und sah sie hoffnungsvoll an.

Sie zwirbelte eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern. „Ja, ich schätze schon“

„Schön...“, sagte er, drehte sich wieder um und schwieg.
 

Lily sah ihn von der Seite an und seufzte leise.

Ihr Streit hatte wohl tiefere Spuren hinterlassen, als sie geahnt hatte. Nie zuvor hatten sie solche Probleme gehabt, miteinander zu reden. Sie fand das Schweigen zunehmend unerträglich. Angestrengt suchte sie in Gedanken nach einem Gesprächsthema, doch nichts erschien ihr passend.

Sie konnte schließlich schlecht fragen, wie die Prüfungen gelaufen waren, nachdem sie ihm die ganze Prüfungswoche über aus dem Weg gegangen war. Über das Wetter zu reden, schien ebenfalls keine gute Option zu sein.

„Was machst du eigentlich in den Sommerferien? Hast du irgendwas bestimmtes vor?“, fragte sie schließlich.

Er zögerte, ehe er antwortete.

„Ich weiß es nicht“, murmelte er schließlich matt. Es klang beinahe, als würde dieses Thema ihn beunruhigen.

„Ach komm, irgendwelche Gedanken wirst du dir wohl gemacht haben“, sagte sie und versuchte ihrer Stimme einen aufmunternden Klang zu verleihen.

„Ich weiß nicht mehr, welche Gedanken ich mir darüber gemacht hab“

„Wie meinst du das?“, fragte Lily und war nun endgültig verwirrt.

Severus schüttelte den Kopf. „Nicht so wichtig“, murmelte er.

„Jetzt sag schon! Irgendetwas bedrückt dich doch.“

„Na ja, ich werde in erster Linie schauen müssen, wo ich überhaupt unterkommen kann“,

„Was ist denn mit deinen Eltern? Ich weiß, ihr kommt zwar nicht so gut miteinander aus aber...“

Er unterbrach sie. „Meine Mutter hat meinen Vater verlassen, und ihn mit einem Obliviate-Zauber belegt. Er wird mich kaum nach Hause lassen“

„Was? Oh nein, wann denn? Und warum?“

„Ich weiß auch nicht, wieso.“ Seine Stimme klang verbittert. „Dabei ließ ihr letzter Brief an mich keinerlei Verdacht schöpfen, sie würde so etwas vorhaben. Anscheinend hielt sie es nicht für nötig, mich einzuweihen.“ Er zuckte mit den Schultern und sah wieder durchs Fenster. Anscheinend hatte er mit diesen Thema abgeschlossen.

Lily ließ jedoch nicht locker. Sie konnte doch nicht zulassen, dass ihr bester Freund auf der Straße landete!

„Soll ich vielleicht meine Eltern fragen, ob du solange bei uns wohnen kannst, zumindest bis sich deine Situation geklärt hat?“, schlug sie vor.

Der Halbblutprinz unter Muggeln

Severus schnappte überrascht nach Luft, als er ihren Vorschlag hörte. Er, Severus Snape, der gefürchtete Meister der Zaubertränke, sollte also einen ganzen Sommer bei einer Muggelfamilie verbringen. Abseits jeglicher Magie und allem, was ihm in seinem Leben vertraut gewesen war. Andererseits wäre Lily dann bei ihm. Er würde sie jeden Tag sehen können. Sich mit ihr unterhalten. In ihrer Nähe sein...

Sein Magen zog sich in freudiger Erwartung zusammen. Diese Aussicht war so viel mehr, als er zu träumen gewagt hatte. Noch immer konnte er nicht fassen, dass sie ihm verziehen hatte. Lily Evans wollte ihm tatsächlich eine Chance geben. Wollte wieder mit ihm befreundet sein.

„Also, was sagst du dazu?“, fragte sie erneut. Ihre Stimme klang ungeduldig.

Er war so in Gedanken versunken, dass er einen Moment brauchte um zu bemerken, dass sie eine Antwort von ihm erwartete.

„Was? Oh... Ja, es wäre super. Wenn das keine Umstände macht“, brachte er schließlich etwas zu hastig hervor. Was machte sie nur mit ihm? Er klang wie ein verdammter Idiot. Sein sonst so messerscharfer Verstand war kaum noch in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu bilden.

„Alles klar, dann hoffe ich mal, dass meine Eltern zustimmen werden“, sagte sie und lächelte leicht. „Garantieren kann ich allerdings für nichts, mein Vater ist ziemlich altmodisch, was Besuche angeht.“

Kurz drauf erklang ein lautes Gerumpel und ein sperriger Snackwagen wurde durch die Waggontür geschoben. Gleich darauf erschien auch eine füllige, freundlich aussehende Hexe, die den Wagen vor sich herschob.

„Was macht ihr zwei denn mitten im Gang? Husch, husch, setzt euch irgendwo rein!“, rief sie, als sie die beiden erblickte. Als sie näher kam, mussten Severus und Lily sich flach an die Wand drücken, um den Snackwagen vorbeizulassen. Beim Vorbeigehen schimpfte sie weiter. „Während der Fahrt ist das Aufhalten in den Gängen für Schüler nicht gestattet.“ Als sie ihre langen Gesichter sah, milderten sich ihre Gesichtszüge jedoch rasch ab. „Es tut mir ja leid, aber ich mache hier nicht die Regeln.“
 

Severus seufzte und warf Lily einen Seitenblick zu. Sie würden sich also wieder trennen müssen. Er würde die restliche Fahrtzeit mit Avery und Mulciber verbringen und in seinen Gedanken schwelgen, während sie sicherlich mit ihren Freundinnen zusammensitzen würde.

„Okay, also dann. Wir sehen uns dann in London“, murmelte er und winkte ihr unbeholfen zum Abschied. Er wollte gerade zurück in das Abteil zu seinen Freunden gehen, als er ein leichtes Ziehen an seinem Ärmel spürte. Erst dachte er, er wäre an irgendetwas hängen geblieben. Als er sich jedoch umdrehte, bemerkte er, dass Lily sich nicht von der Stelle bewegt hatte und ihn hielt. Verwundert sah er sie an. „Stimmt etwas nicht? Was hast du?“

„Ich möchte nicht in mein Abteil zurück...“, sagte sie leise. „Können wir uns vielleicht irgendwo zusammensetzen?“ Sie sah schüchtern zu Boden, ließ ihn jedoch nicht los.

Die Snackverkäuferin hatte sie offenbar gehört, denn sie drehte sich, bevor sie sich den nächsten Schülern zuwendete, noch einmal um.

„Das Abteil da vorne im Gang ist noch frei, falls Interesse besteht“, sagte sie und zwinkerte den beiden zu. Lily ließ es sich nicht zweimal sagen. Rasch ging sie in die gezeigte Richtung und zerrte Severus mit sich. Etwas verwundert ließ dieser sich mitziehen.

Kaum, dass sie gegenüber von einander Platz genommen hatten, ergriff er das Wort. „Jetzt sag mir doch endlich, was so Schlimmes vorgefallen ist. Du bist ja ganz außer dir.“

Lily seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Während sie sprach, fummelte sie nervös an dem Sitzpolster neben sich. „Nichts besonderes. Ich bin nur in einem Abteil mit James und seinen Freunden gelandet.“

„Wie kommt es, dass du dich ausgerechnet zu ihnen gesetzt hast?“, fragte er vorsichtig und hatte insgeheim Angst vor ihrer Antwort.

„Auf jeden Fall nicht wegen der netten Gesellschaft.“ Sie verzog das Gesicht. „Meine Freundin Mary hatte mich gewissermaßen dazu genötigt.“

Ihre Worte freuten ihn ungemein, auch wenn er merkte, dass sie die Sache ziemlich mitgenommen hatte. Sie schien nicht sonderlich gut auf den Mann zu sprechen zu sein, den sie ihm damals vorgezogen hatte.

„James ist wirklich ein Idiot. Er war betrunken und hat versucht, sich an mich ran zumachen.“ Sie schüttelte sich angewidert. Dann sah sie ihn direkt an was bei Severus, trotz seines Entsetzens über ihre Worte ein leichtes Kribbeln in der Magengegend verursachte. „Kannst du dir das vorstellen? Als ob ich mit seinen lächerlichen Anmachsprüchen, die er sonst immer ablässt, nicht schon genug gestraft wäre.“

Bei ihren Worten hatte Severus unbewusst die Hände zu Fäusten geballt, so dass seine Fingernägel sich schmerzhaft in die Handinnenflächen gruben.

Die restliche Fahrt verbrachten sie größtenteils schweigend. Severus' Blick war unverwandt nach draußen gerichtet, jedoch ohne dass er das, was er sah, wirklich wahrnahm. Die vorbeiziehende Landschaft vermischte sich vor seinen Augen zu einem matschigen Grün. Zu stark war seine Wut auf James, sie verdrängte jeden anderen Gedanken. Er presste die Zähne so fest zusammen, dass sein Kiefer schon bald zu schmerzen begann. Es war ihm bewusst gewesen, dass James schon lange hinter Lily her war, er hätte jedoch nie gedacht, dass er ohne ihr Einverständnis handgreiflich werden könnte. Was hatte dieser Mistkerl nur getan, dass sie so dermaßen außer sich war? Dass sie seine Nähe der ihrer Freundin vorzog? Nun, für den letzten Punkt war er ihm sogar dankbar.

Wenn er James doch nur in die Finger kriegen könnte, er würde ihn in der Luft zerreißen.

Als sie auf dem Bahnhof King's Cross einfuhren, schnappte Lily nach Luft und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

„Mein Gepäck... Es ist noch in meinem alten Abteil.“

„Ich kann mitkommen, wenn du möchtest“, schlug Severus in der Hoffnung, James noch in dem Abteil zu erwischen, vor. Als Severus sein Gepäck holte, war das Abteil in dem zuvor Avery und Mulciber saßen, bereits leer.

„Wie es ausschaut, brauchst du wohl doch nicht mit. Wahrscheinlich sind die Jungs auch schon ausgestiegen.“

Tatsächlich war auch dieses Abteil bis auf Lilys Tasche auf einem der Gepäckträger bereits leer. Severus rümpfte angewidert die Nase, als er den Boden des Abteils sah. Genau zwischen den beiden Sitzbänken war eine Pfütze, deren Inhalt eher in einen Magen gehörte, als außerhalb. Ein säuerlicher Gestank erfüllte die Luft.
 

Er ächzte angestrengt, als er ihre Tasche hochnahm. „Was hast du da eigentlich so drin? Ziegelsteine?“, fragte er leicht amüsiert.

„Nein, ich habe mir ein paar Bücher aus der Bibliothek über die Ferien ausgeliehen... Ja, ich gebe es zu, es war nicht die beste Idee wenn man bedenkt, dass ich keinen richtigen Koffer habe...“, erklärte sie und lächelte leicht. Sie streckte ihre Hand nach der Tasche aus und wollte sie Severus abnehmen. Er ging jedoch einfach an ihr vorbei.

„Lass mal, ich kann dieses Monstrum von einem Gepäckstück auch für dich tragen.“

Gemeinsam stiegen sie aus dem Zug und schlängelten sich durch die Mengen von Eltern und Schülern, die sich auf dem Bahnsteig drängten.

Direkt als sie hinter die Absperrung kamen, entdeckte Lily auch schon ihre Eltern, die etwas unschlüssig zwischen den beiden Gleisen 9 und 10 standen. Severus schmunzelte bei ihrem Anblick. Typisch Muggel. Nach all den Jahren wirkten sie so nahe an der magischen Welt noch immer völlig fehl am Platz.

Er blieb mit dem Gepäck stehen und sah zu, wie Lily auf die beiden zu gerannt kam und in die Arme ihrer Mutter sprang. Es wurde eine ganze Reihe an Umarmungen und Küssen ausgetauscht. Kurz hatte Severus sogar Angst, sie hätte ihn vergessen. Dann drehte sie sich jedoch zu ihm um und winkte ihn zu sich.

„Mom? Dad? Erinnert ihr euch noch an Severus? Ich weiß, es ist eine Weile her...“, begann sie.

„Natürlich!“, sagte ihre Mutter und kam gleich auf ihn zu. „Bist du groß geworden, mein Junge! Lass dich doch mal ansehen.“ Sie packte ihn an den Armen, hielt ihn auf Armlänge von sich entfernt und musterte ihn. Severus war diese Berührung unangenehm, jedoch versuchte er keine Anzeichen von Abneigung zu zeigen. Wie viele Jahre war es jetzt schon her, seit ihn jemand ohne einen praktischen Grund berührt hatte? Er wusste es nicht mehr.

Lilys Vater sah ihn abschätzend an. Nach einer kurzen Pause fuhr Lily fort.

„Wisst ihr, es gibt da ein kleines Problem, was seine Unterkunft für den Sommer angeht, und da hab ich gedacht er könnte...“

„Kommt nicht in die Tüte!“, schnitt ihr Vater ihr energisch das Wort ab, so das Severus überrascht zusammenzuckte und wegschaute.

„Wieso denn nicht? Früher hat er doch auch oft bei mir übernachtet...“

„Früher wart ihr ja auch noch Kinder.“ Sein Ton duldete keine Widerrede. Severus sah, dass Lily ihrer Mutter einen verzweifelten Blick zuwarf. Offenbar war sie ihre letzte Hoffnung.

Sogleich wandte sie sich an ihren Mann, ihre Stimme hatte einen versöhnlichen Unterton angenommen. „Sei doch nicht so hart zu ihnen. Sie werden schon keine Dummheiten anstellen, hoffe ich doch.“ Sie klopfte Severus leicht auf die Schulter.

Der Vater schnaubte hörbar, murmelte dann jedoch ein „Meinetwegen“, nahm ihm Lilys Tasche ab und ging ohne ein weiteres in Richtung Ausgang.

„Nimm es ihm nicht allzu übel“, flüsterte Lily Severus zu. „Er meint es nicht böse, er hat nur Sorge, seinem kleinen Mädchen könnte etwas passieren.“ Bei ihren Worten verdrehte sie die Augen, lächelte dabei jedoch leicht.
 

„Also wirklich, geben sie euch in dieser Schule denn gar nichts zu essen? Nimm ruhig nach, mein Junge.“

Es waren mehrere Stunden vergangen und sie saßen zusammen am Tisch. Lilys Mutter ließ es sich nicht nehmen, über die Küche in Hogwarts zu schimpfen, wobei sie dabei immer wieder die magere Gestalt von Severus musterte.

Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten hatte Severus das Gefühl, gleich zu platzen. Er hatte es aus Höflichkeit nicht über sich gebracht abzulehnen und ungefähr das Dreifache davon verputzt, was er sonst zu sich nahm.

Lily führte ihn die Treppe nach oben in einen kleinen Korridor, von dem links und rechts zwei Türen abgingen.

„Du kannst in Petunias altem Zimmer schlafen“, sagte sie und zeigte auf die Tür gegenüber von ihrer. „Sie ist vor einigen Monaten zu ihrem Freund gezogen. Konnte es wohl gar nicht erwarten, hier weg zu sein.“

Kindheitsfreund

Nachdem sie Severus eine gute Nacht gewünscht hatte, schlüpfte Lily in ihr eigenes Zimmer. Sie warf ihrer Reisetasche, die in der Zimmermitte lag, einen müden Blick zu. Um das Auspacken konnte sie sich auch morgen noch kümmern. Gähnend setzte sie sich auf ihr Bett. Von der alten Matratze ertönte ein leises Quietschen. Etwas skeptisch sah sie sich in ihrem Zimmer um.

Abgesehen von ihren Kleidern, die zusammengefaltet auf ihrem Stuhl lagen und den wenigen Zauberei-Lehrbüchern, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten, sah der Raum aus als würde er einem Kind und nicht einer Sechzehnjährigen gehören.

Die Wände waren in einem blassen Rosaton gestrichen, hier und da blätterte die Farbe leicht ab. Ein paar selbstgemalte Bilder hingen über ihrem Bett. Die meisten von ihnen waren klägliche Versuche gewesen, Zeichentrickfiguren abzuzeichnen. In ihrem Bücherregal waren alte und längst abgegriffene Märchenbücher gestapelt. Stofftiere und Puppen sahen sie aus allen Ecken des Zimmers vorwurfsvoll mit ihren Glasaugen an.

Seit ihrem elften Lebensjahr hatte sich hier nichts mehr verändert. War ja auch kein Wunder, schließlich verbrachte sie, seit sie ihren Brief aus Hogwarts erhalten hatte, nur noch wenige Wochen im Jahr zuhause. Für die kurzen Besuche hier hatte sie es nie für nötig befunden, irgendetwas an der Ausstattung ihres Zimmers zu verändern. Jetzt zweifelte sie jedoch, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war.

Es grauste ihr bei der Vorstellung, was Severus wohl von ihr halten würde, wenn er das sehe. Würde er sie bei diesem Anblick vielleicht albern oder gar kindisch finden? Vor allem im direkten Vergleich zwischen ihrem Zimmer und dem von ihrer Schwester würde es ihm sicher auffallen. Petunia hatte nicht mal als Kind viel von Märchen oder Puppen gehalten und Lilys Fantasie stets als Unfug abgetan. Ihr eigenes Zimmer hatte ihre Schwester nur spärlich eingerichtet, so dass es auf Lily oftmals kalt und leblos gewirkt hatte.

Sie ließ erneut einen prüfenden Blick durch ihr Zimmer schweifen, dann stand sie auf. So konnte sie ihm ihr „Reich“ ganz sicher nicht präsentieren.
 

Sie hatte einige Bücher, Stofftiere und Puppen in ihren Kleiderschrank gepackt, als ihr Blick auf ein kleines, graues Fellknäuel fiel. Es entpuppte sich als ein alter, verschlissener Stoffhase. Eines seiner schwarzen Knopfaugen saß etwas locker, das andere fehlte komplett. Sie hob ihn behutsam hoch und betrachtete ihn mit einem zärtlichen Blick.

„Na, Fifi du altes Schlappohr“, murmelte sie lächelnd. Gedankenverloren zupfte sie kleine Krümel und Härchen aus seinem Fell. Sie war in etwa zwei gewesen, als sie den Hasen auf diesen Namen getauft hatte. So lange sie denken konnte, war es ihr absolutes Lieblingsstofftier gewesen. Als kleines Mädchen konnte sie es sich nicht einmal vorstellen, ohne ihren Hasen einzuschlafen. Sogar nach Hogwarts hatte sie es mitgenommen, zumindest die ersten paar Jahre. Irgendwann wurde ihr der Hase schließlich zu peinlich und sie ließ ihn zuhause.

So viele Erinnerungen hingen mit diesem verschlissenen Stofftier zusammen. Eine davon handelte von ihrer Schwester und Severus.
 

Lily hatte damals erst vor Kurzem erfahren, dass sie eine Hexe war und war überglücklich darüber gewesen. Ihre Schwester hatte ihre Wut und Enttäuschung darüber, dass sie selbst keine magischen Fähigkeiten besaß, auf Lily projiziert und ihr die Schuld an ihrem Unglück gegeben. So hatte sie eines Tages beschlossen, es ihr heimzuzahlen und machte ihr das kostbarste, was sie besaß, kaputt.

Lily hatte ihren Hasen schließlich auf dem Boden vorgefunden, als sie den Abend nach Hause kam. Sein Körper lag in der Mitte des Zimmers und bot ihr einen überaus kläglichen Anblick. Den Kopf hatte Petunia achtlos in eine Ecke geworfen und überall auf dem Boden lag die Füllung verstreut. Wütend war Lily in das Zimmer ihrer Schwester gerannt und hatte sie angeschrien.

Diese hatte gar nicht erst versucht, ihre Tat abzustreiten. Viel mehr schien es, als wäre sie sogar stolz darauf.
 

Gleich am nächsten Morgen hatte Lily Severus auf dem alten Spielplatz, auf dem er jeden Morgen auf sie wartete, getroffen und ihm alles erzählt.

„Dafür sollten wir ihr ein paar fette Kröten ins Bett schmuggeln“, hatte Severus grinsend vorgeschlagen. Lily, die in sich zusammengesunken auf der Schaukel gesessen hatte, hatte jedoch den Kopf geschüttelt.

„Nein... Das wäre gemein.“

„Sie ist doch immer gemein zu dir, daher wäre es nur fair.“

„Trotzdem. So etwas mache ich nicht.“

Severus hatte sich die Haare aus der Stirn gestrichen und kurz gezögert.

„Dann lass mich wenigstens diesen Hasen sehen, vielleicht kann ich ja was machen.“

„Es nützt doch sowieso nichts. Er ist kaputt. Total hinüber“, hatte sie resigniert gesagt, führte ihn jedoch zu sich nach Hause in ihr Zimmer.

Sie hatte Severus zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange genug gekannt, um seine magischen Fähigkeiten einschätzen zu können. Er hatte ihr,ohne etwas zu sagen, den Hasen aus den Händen genommen, hatte die Füllung in den Körper gestopft und drückte den Kopf an seinen Platz. Dann hatte er konzentriert auf das Stofftier in seinen Händen geschaut und vor Anstrengung die Stirn gerunzelt. Nach einer Weile hellte sich seine Miene auf und er wackelte mit dem Hasen vor ihrer Nase herum, wodurch die riesigen Ohren durch die Luft flogen. Fifi war wieder so gut wie neu. Vor Begeisterung überwältigt war Lily Severus um den Hals gefallen.
 

Sie schmunzelte bei dieser Erinnerung. Wie sie ihn damals vergöttert hatte! Dabei war „Reparo“ ein ganz einfacher Zauber, der bereits in dem Zaubersprüchebuch für Erstklässler vorkam.

Nichtsdestotrotz fand sie es auch heute noch bemerkenswert, dass Severus ihn damals schon, und das sogar ohne einen Zauberstab beherrscht hatte.

In den darauffolgenden Jahren hatte sie sich bemüht, ihm ebenbürtig wenn nicht sogar überlegen zu werden. Sie wollte, dass ihr Kindheitsfreund stolz auf sie sein konnte. Mehrere Jahre in Folge war sie Jahrgangsbeste geworden, doch was hatte es ihr genutzt? Er hatte sich noch nicht einmal dazu geäußert. Schlimmer noch, er hatte irgendwann angefangen Zaubersprüche zu verwenden, die sie noch nicht einmal in den Mund nehmen wollte. Schwarze Magie.

Sie verzog gequält das Gesicht. Daran wollte sie gar nicht denken. Nicht jetzt. Sie wollte einfach nur die Zeit mit ihrem besten Freund genießen, ohne das ihnen seine Todesser-Freunde in die Quere kommen konnten.

Sie gähnte und streckte sich, dann sah sie auf die Uhr. Kurz vor Mitternacht. Höchste Zeit, ins Bett zu gehen.
 

***
 

„Och Lily, jetzt komm endlich, wir wollten noch bei Madam Malkins vorbeischauen. Habe gehört, da ist eine neue Serie an Umhängen im Sortiment. Die sollen todschick sein!“

Lily leckte an ihrem Eis und ließ sich lachend von ihren Freundinnen mitziehen. Es war ein schöner, sonniger Tag. Die Winkelgasse war jedoch so gut wie ausgestorben, was für diese Jahreszeit mehr als nur ungewöhnlich war.

Die Mädchen ließen sich nicht davon beirren und bummelten kichernd durch die Läden. Unterwegs hielten sie bei einigen Trödelmärkten an und besahen die Auslagen. Mary kaufte sich in einem kleineren Kiosk ein paar Schokofrösche und schlang sie gierig hinunter.

Als sie schließlich Madam Malkins erreichten, war von der Besitzerin weit und breit nichts zu sehen.

„Na was meint ihr? Steht es mir?“, fragte Leanne und bemühte sich um einen ernsten Tonfall. Sie hatte sich einen selten hässlichen, grell pinken Spitzhut angezogen, an dessen Spitze eine große Bommel hing. Sie sah sich kurz um und schnappte sich noch einen neongrünen, ausgefransten Schal von einem der Kleiderständer in ihrer Nähe und wickelte ihn sich ein paar mal um den Hals. In diesem Aufzug stolzierte sie vor ihren Freundinnen auf und ab. Der viel zu große Hut rutschte ihr dabei über die Augen.

„Klar! Ist garantiert der letzte Schrei... Wenn man dich sieht, hat man zum letzten Mal geschrien,“ meinte Mary japsend.

„Hmm... das wäre doch mal ein Plan. Du stellst dich so den Todessern entgegen und sie begehen bei deinem Anblick kollektiv Selbstmord. Vor Faszination, versteht sich“, stimmte Lily mit ein und kicherte.

Leanne prustete los und hielt sich beim Lachen den Bauch. Der Hut rutschte nun endgültig von ihrem Kopf und landete auf dem Boden.

Lily bückte sich, um ihn aufzuheben, stoppte jedoch mitten in der Bewegung. Zu dem Lachen ihrer Freundinnen hatte sich ein weiteres Geräusch gemischt, ein leises Wimmern. Sie blickte nach draußen und entdeckte mitten auf der Straße einen kleinen Jungen mit langen, schwarzen Haaren die ihm in fettigen Strähnen über die Schultern fielen. Er trug einen viel zu weiten Zauberumhang, der lose an ihm herunterhing und auf dem Boden unter ihm Falten schlug. Sein Gesicht hielt er mit den Händen bedeckt. Die komplette Gestalt wurde von heftigem Schluchzen erschüttert. Weit und breit war niemand zu sehen, der ihn hätte trösten können. Lily richtete sich auf und machte ein paar Schritte in Richtung Ausgang.

„Hm? Stimmt etwas nicht?“, rief Mary ihr nach.

„Da ist ein Kind. Es weint. Vielleicht hat er ja seine Eltern aus den Augen verloren. Kommt, wir müssen ihm helfen.“

„Was für ein Kind? Wovon redest du? Ich sehe niemanden“, meinte Leanne. Sie schnappte immer noch nach Luft.

Ungläubig drehte Lily sich zu ihren Freundinnen um. Sie sahen zwar in die richtige Richtung, schienen jedoch nichts zu bemerken.

„Aber er steht doch genau...“, sie stutzte. Der Junge war verschwunden. Dennoch erklang sein Wimmern noch immer in ihren Ohren. Kurz darauf hörte sie zusätzlich dazu auch noch, ganz leise, ihren Namen.

„Lily.“ Es klang gedämpft, so als käme die Stimme von ganz weit weg. Jemand rief sie. Vielleicht der Junge?

„Lily“, erklang es erneut. Wer auch immer es war, es klang verzweifelt. Sie schaute sich um, versuchte auszumachen, von wo die Stimme kam. Schließlich lief sie aufs Geratewohl los, drehte sich nach wenigen Schritten zu ihren Freundinnen um. Sie hatten sich keinen Schritt von der Stelle bewegt, Mary zupfte mit einem faszinierten Gesichtsausdruck an dem Schal an Leannes Hals herum. Sie machten keine Anstalten, ihr zu folgen.

„Lily.“

Die Stimme wurde lauter, drängender. Sie hatte keine Zeit, auf ihre Freundinnen zu warten. Sie rannte los. Ein kalter Luftzug streifte ihre Füße. Ohne anzuhalten sah sie nach unten und runzelte die Stirn. Sie hatte keine Schuhe an und, was sie noch mehr verunsicherte, ihre Beine steckten in ihrer Pyjamahose.
 

***
 

Sie schlug die Augen auf und blinzelte verschlafen in die Dunkelheit. Das Fenster zu ihrem Zimmer stand offen, die Vorhänge flatterten im Wind.

„Komischer Traum“, murmelte sie, schob ihre Decke zurecht und wollte sich auf die andere Seite drehen, als sie erneut ihren Namen hörte. Dieses Mal erkannte sie die Stimme. Es war eindeutig Severus. Ohne groß nachzudenken schlang sie ihre Decke beiseite und stand auf. Noch immer etwas schlaftrunken, tappte sie hinüber in Petunias Zimmer. Ihre nackten Füße machten auf dem Parkettboden im Flur ein schmatzendes Geräusch.

Als sie die Tür öffnete und ihn sah, hatte Lily das Gefühl, als würden tausende Messer in ihr Herz stechen. Ihr Kindheitsfreund lag in Petunias Bett und warf sich wimmernd hin und her. Die Decke lag zerknüllt auf dem Boden. Ab und an erstarrte er und rief nach ihr. Lily erschauderte bei der Vorstellung, was für ein Traum ihn so aus der Fassung bringen konnte. Sie blieb unschlüssig an der Tür stehen, unsicher was sie machen sollte. Schließlich ging sie hinüber zum Bett und setzte sich an den Rand.

Sie schüttelte sanft an der Schulter, schaffte es jedoch nicht ihn zu wecken.

„Schschsch, ist ja gut...“, sagte sie etwas verzweifelt, und strich mit ihrer Hand unsicher über seinen Kopf. Sie zuckte zusammen, als sie sein Gesicht berührte. Es war tränennass.

Er reagierte immer noch nicht und zitterte wie Espenlaub. Nervös knabberte Lily an ihrem Daumennagel. Was sollte sie nur tun? Derweil entrann seiner Kehle ein leises, gequältes Stöhnen.

„Reiß dich zusammen“, ermahnte Lily sich selber. Sie rief sich bewusst ihre Kindheit Gedächtnis, als sie nachts öfter Alpträume hatte und von ihrer Mutter getröstet wurde. Das musste sie doch auch hinbekommen können.

Noch immer etwas unsicher beugte sie sich zu ihm hinab und fasste unter seine Arme. Sie zog ihn zu sich und bemerkte, dass er seine Muskeln leicht anspannte und ihr, bewusst oder unbewusst, dabei half. Sie nahm ihn in den Arm, wiegte sich langsam vor und zurück und streichelte über seinen Rücken. Sein Zittern ließ allmählich nach, er regte sich, umfasste sie mit seinen Armen und presste sie an sich.

„Lily... Oh Lily“, murmelte er leise.

„Ja Sev, ich bin da. Es ist alles gut. Es war nur ein Traum“, flüsterte sie ihm ins Ohr. In diesem Moment war ihr egal, wie sie klang. Alles was zählte war, dass Severus sich langsam wieder beruhigte.

Er entspannte sich allmählich, sein Atem wurde ruhiger. Auch der Druck seiner Hände an ihrem Rücken ließ nach. Er war wieder eingeschlafen. Vorsichtig ließ sie ihn wieder auf sein Kissen sinken, und löste sich von ihm. Eine Weile sah sie ihm beim Schlafen zu, dann stand sie auf. Sie war schon an der Tür, als sie ihn erneut hörte.

„Bleib da... Bitte bleib bei mir.“

Es war kaum mehr als ein Flüstern und klang wieder so furchtbar gequält. Lily war sich nicht sicher, ob er wach war oder erneut träumte.

Seufzend ging sie wieder zu ihm rüber und legte sich auf die andere Bettseite. In Gedanken dankte sie Petunia dafür, dass sie sich im Gegensatz zu ihr ein Doppelbett angeschafft hatte.

„Ist ja gut, ich bleibe hier. Schlaf jetzt“, murmelte sie ihm zu.

Sie hoffte nur, dass ihre Eltern nicht auf die Idee kommen würden, sie am nächsten Morgen wecken zu wollen. Vor allem ihr Vater könnte die Tatsache, dass sie und Severus in einem Bett schliefen leicht missverstehen.

Die schlimmste Erinnerung

Im Grunde war es immer der gleiche Traum. Mit nur minimalen Abweichungen erlebte er immer wieder aufs Neue die schlimmsten Stunden seines Lebens. Auch der Traum, den er in dieser Nacht hatte, unterschied sich zunächst nicht von den anderen.
 

Ein eisiger Wind, gar untypisch für diese Jahreszeit, pfiff durch eine zersplitterte Fensterscheibe in die kleine Wohnung in Spinners End. Das Innere war genauso trostlos wie die graue und trübe Umgebung rund um das Haus. Keine Spur von Wärme oder gar Geborgenheit war dort zu finden. Die raue Tapete war durchweicht und stellenweise abgeblättert. Die Wände, die dadurch zum Vorschein kamen waren übersät von schwarzen Schimmelsporen. Selbst der alte, fleckige Teppich schien beinahe zu leben, so viele Organismen hatten darin Platz gefunden.

Der einzige Bewohner dieser heruntergekommenen vier Wände kümmerte sich nicht um den fortschreitenden Verfall. Reglos saß er auf dem mottenzerfressenen, alten Sofa und sah ohne auch nur zu blinzeln, auf einen Kalender, den er in den Händen hielt. Es war, als hoffte er, das Datum ändern zu können, wenn er nur lang genug darauf starrte. Er zitterte leicht, jedoch nicht wegen der beißenden Kälte um ihn herum. Eine panische Angst hatte von ihm Besitz ergriffen. Er hatte keine Angst um sich, oh nein, sein eigenes Wohlbefinden war ihm schon seit langer Zeit nur noch zweitrangig.

„31. Oktober, Halloween...“, flüsterte er tonlos. Es bestand kein Zweifel. Heute war es soweit. Der Tag, vor dem er sich nun so lange gefürchtet hatte. Der dunkle Lord hatte angekündigt, an diesem Abend zuzuschlagen und er, Severus, hatte keine Möglichkeit es zu verhindern. Er war noch nicht einmal in der Lage, sie zu warnen. Der Fidelius ließ jegliche Kontaktversuche im Keim ersticken. Es war die pure Ironie, dass der Zauber, der sie schützen sollte, ihren Untergang besiegelt hatte. Wahrscheinlich hätte sie ihm jedoch nicht einmal zugehört, selbst wenn es ihm irgendwie gelungen wäre, sie zu erreichen. Für sie war er nichts als ein Todesser, in ihren Augen daher Abschaum.

Wie aufs Stichwort begann das Mal an seinem linken Unterarm zu brennen. Der Dunkle Lord rief ihn – doch wieso? Das Brennen wurde stärker, er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Er verließ eilig die Wohnung, die er eigenhändig mit einer Appariersperre versehen hatte, und disapparierte. Was er gleich darauf sah, raubte ihm die Luft.

Er fand sich in einem weitläufigen Wohnzimmer wieder, jedenfalls ließen ihn die wenigen noch erhaltenen Möbelstücke erahnen, dass es mal ein Wohnzimmer gewesen sein konnte. Alles um ihn herum war verwüstet und deutete auf einen erbitterten Kampf hin, der in diesem Raum stattgefunden haben musste. Der Kamin war erloschen, nur noch einzelne Kohlestückchen glühten müde vor sich hin. Ein massiver, schwer aussehender Couchtisch war in der Mitte entzwei gebrochen, daneben lag eine zerbrochene Keramikvase um die herum sich eine Wasserlache auf dem Teppich gebildet hatte. Rosenblätter, die sonst eine romantische Symbolik hatten, erinnerten in dieser Umgebung vielmehr an Bluttropfen. Direkt zu seinen Füßen lag James, seine leblosen Augen weit geöffnet, der starre Blick zur Decke gerichtet. Die zersplitterte Brille lag neben ihm auf dem Boden. Severus schluckte die Magensäure, die sich bei diesem Anblick den Weg nach oben gebahnt hatte, hinunter. Wie oft hatte er diesem Mann den Tod gewünscht? Doch jetzt, als er ihn so sah, erfüllte es ihn nicht mit Genugtuung. Er wusste nur zu gut, was es zu bedeuten hatte.

„Wie nett, dass du mir Gesellschaft leistest, Severus“, erklang eine leise, zischende Stimme in seiner Nähe. Er hob den Kopf und sah den Besitzer dieser Stimme nur wenige Meter von sich entfernt auf dem Treppenabsatz stehen. Seine Umgebung und vor allem der Anblick von James hatten ihn so sehr abgelenkt, dass er ihn zunächst nicht bemerkt hatte. Es wäre vergeblich, in dem Gesichtsausdruck dieses Mannes vor ihm nach Spuren von Menschlichkeit zu suchen. Sein Blick war kalt, die schmalen Lippen zu einem verächtlichen Lächeln verzogen. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass dir ziemlich viel an diesem dreckigen, kleinen Schlammblut liegt. Da wäre es doch überaus schade, wenn du dich nicht von ihr verabschieden könntest, meinst du nicht auch?“

Bevor Severus etwas sagen oder auch nur seinen Zauberstab ziehen konnte, richtete Voldemort seinen Zauberstab auf ihn und sprach einen Fluch, der es ihm fortan unmöglich machte, auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Er war zu einer Salzsäule erstarrt. „Verstehe mich bitte nicht falsch“, sprach der dunkle Lord derweil ungerührt weiter und verlieh seiner Stimme dabei einen zuckersüßen Klang, der seine Worte zusätzlich makaber machte. „Ich weiß deine Fähigkeiten in den dunklen Künsten sehr zu schätzen. Allerdings kann ich mit einem Diener, der sich derart von einer kleinen Schwäche leiten lässt, nur wenig anfangen. Sei gewiss, eines Tages wirst du mir noch dafür danken.“ Von oben erklang ein polterndes Geräusch und Voldemort lachte auf. „Ach, wie unhöflich von mir! Wir sollten sie nicht länger warten lassen.“

Erneut schwenkte er mit seinem Zauberstab und sprach dabei einen Zauber aus der dafür sorgte, dass Severus, wie ein Heißluftballon wenige Zentimeter über dem Boden schwebend, die Treppe hochflog. Voldemort lief gemütlich neben ihm und hielt seinen Zauberstab auf ihn gerichtet. Noch immer konnte Severus sich weder rühren, noch einen Ton herausbringen. So musste er diese Prozedur stumm über sich ergehen lassen und hoffte nur, sein Verstand möge sich ausschalten. Dem, was jetzt passieren würde, wollte er auf keinen Fall beiwohnen müssen. Die Treppe knarrte, als sie die letzten Stufen erklommen und nur wenige Augenblicke später fanden sie sich vor einer verschlossenen Zimmertür wieder. Severus gab sich einen Moment lang der idiotischen Hoffnung hin, eine einfache Holztür könnte den Dunklen Lord irgendwie aufhalten. Dieser deutete jedoch nur kurz mit seinem Zauberstab darauf und die Tür sprang aus den Angeln und fiel scheppernd in den dahinterliegenden Raum. Darauf folgte ein überraschter Schrei, bei dem sich Severus' Nackenhaare aufstellten. Voldemort ließ ihn wie ein unnützes Möbelstück im Eingang stehen und drängte sich an ihm vorbei in den Raum, den Lilys angsterfüllte Stimme sogleich ausfüllte.

„Nicht Harry… Bitte nicht, nimm mich, töte mich an seiner Stelle. Bitte… Bitte verschone ihn.“

Severus traute seinen Ohren kaum. Lily flehte den Dunklen Lord um das Leben ihres Sohnes an, und das obwohl dies der einzige Grund war, wieso dieser überhaupt hierher gekommen war. Sie war sogar bereit, sich selbst dafür zu opfern. Er hörte Voldemort vor sich laut lachen, dann ging dieser zur Seite und Lilys Blick fiel auf ihn. Sie schien gar nicht zu merken, dass er keineswegs aus freien Stücken hier war. Der stumme Blick, den sie ihm zuwarf war voller Hass und versetzte ihm einen so heftigen Stich, dass er kurz glaubte an Ort und Stelle zu sterben. Das Schicksal meinte es jedoch nicht gut mit ihm. Sein Herz schlug nach diesem kleinen Aussetzer unbeirrt weiter und schien ihn mit jedem Schlag zu verspotten.

„Du törichte Göre“, höhnte Voldemort derweil, „Nun gut, wenn dir dein eigenes Leben so wenig wert ist – dann wirst du eben auch sterben.“

Severus war nicht imstande auch nur seinen Blick abzuwenden, als der Dunkle Lord seinen Zauberstab auf Lily richtete und den unverzeihlichen Fluch aussprach. Der grüne Lichtstrahl, der sogleich aus der Spitze herausbrach blendete Severus für einen kurzen Moment.

Er wünschte sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als statt Lily auf der anderen Seite des Stabes zu stehen. Das dumpfe Geräusch, mit dem Lilys lebloser Körper auf dem Boden aufschlug, verursachte ihm Übelkeit. Dies war um ein Vielfaches mehr, als er ertragen konnte. Dennoch war er immer noch gezwungen, reglos mitanzusehen wie Voldemort sein Werk vollendete.

„Das war ja leichter, als einem Kind die Süßigkeit zu stehlen. Wie armselig.“, sprach er, richtete seinen Zauberstab dann auf den kleinen, schwarzhaarigen Jungen, der in einem Kinderbett vor ihm saß und ihn mit großen Augen stumm ansah, offenbar nicht in der Lage, das eben Geschehene zu begreifen.

„Avada Kedavra!“

Erneut wurde der Raum von einem grünem Lichtstrahl erleuchtet, dieses Mal schien er jedoch an seinem Ziel abzuprallen und fiel zurück auf seinen Erzeuger, der sogleich zusammensackte. In dem Moment, in dem Voldemort seinen letzten Luftzug nahm, wurde Severus von seiner Erstarrung gelöst. Als er nicht mehr von dem Zauber festgehalten wurde, gaben seine Knie nach und er sackte zu Boden.

Die Stille, die darauf folgte, schmerzte in seinen Ohren. Kein einziges Geräusch konnte ihn von seinen eigenen Gedanken ablenken, die viel zu laut in seinem Kopf erschallten. Es war seine Schuld. Es war alles seine Schuld. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre sie jetzt noch am Leben. Nicht nur, dass er die Prophezeiung ausgeplaudert hatte, noch bevor er selbst verstanden hatte um wen es darin ging. Mit seiner idiotischen Bitte, Lily am Leben zu lassen, hatte er Voldemort überhaupt erst das Motiv gegeben, sie umzubringen. Würde sie jetzt noch leben, wenn er sich nicht eingemischt hätte?

Endlich, endlich schien sein Verstand nachzugeben. Er hatte das Gefühl, in einem tiefen Loch zu versinken, die Luft kam ihm eiskalt und irgendwie dickflüssig vor und er konnte kaum noch atmen. Es war, als würde er in einen Sumpf hineingezogen werden. Es war ihm jedoch egal. Nichts zählte mehr. Alles, was ihm in seinem Leben etwas bedeutet hatte, hatte er vor wenigen Augenblicken verloren. „MÖRDER! VERRÄTER!“, schrien ihn die Stimmen in seinem Kopf an und er war ihnen vollkommen ausgeliefert. Sein Brustkorb schmerzte wegen dem zu schnellen Herzschlag, seine Augen brannten.

Plötzlich spürte er warme Hände, die nach ihm griffen. Ihn sanft, fast zärtlich berührten. Wie konnte das sein? Er war doch ein Verräter, ein Mörder. Dennoch waren da Finger, die ihm über den Kopf strichen, ihm eine Träne aus dem Augenwinkel wischten. Dazu eine Stimme, deren Klang sein Herz erweichte.

Als er sanft gepackt und langsam nach oben aus der Dunkelheit gezogen wurde, ließ er es nur allzu bereitwillig geschehen, reckte seinen Körper der darauf folgenden Umarmung entgegen. Er umfing sie mit seinen Armen und war berauscht vor Glück und Erleichterung. Es schien ihm so real, dass er sogar den Duft ihrer Haare wahrnehmen konnte.

„Lily... Oh Lily“, murmelte er und drückte sie fest an sich. Er hoffte so sehr, dass dieser wunderschöne Traum niemals enden möge. Erneut hörte er ihre Stimme, die ihm versicherte, dass alles gut werden würde. So gerne wollte er das glauben.
 

Es wurde Morgen und obwohl er sich dagegen sträubte, wurde er langsam wieder wach. Er begann seine Umgebung wahrzunehmen. Sonnenstrahlen, die seine Haut wärmten, den etwas rauen Stoff des Kissens, auf dem sein Kopf ruhte.

Er wollte seine Augen nicht öffnen. Hielt sich verzweifelt an dem Traum fest, den er gerade noch hatte. Den ersten schönen Traum nach all diesen Albträumen, die ihn nun schon viel zu lange gequält hatten.

Sie war da gewesen. Lily... Sie war zu ihm gekommen und hatte ihn in ihren Armen gehalten. Es war ihm alles so unglaublich real vorgekommen. Er versuchte, sich jede Berührung erneut ins Gedächtnis zu rufen um sie für immer dort abzuspeichern. Um in den vielen, weniger schönen Momenten in seinem Leben einen Trost zu haben. Das Glücksgefühl, das diese Umarmung in ihm ausgelöst hatte ließ sich mit kaum etwas, was er jemals erlebt hatte, vergleichen. Nur ein einziges Mal in seinem Leben war er ähnlich glücklich gewesen. Als Lily und er noch Kinder waren, hatte er ihr bei etwas geholfen – er konnte sich nicht mehr an die genauen Umstände erinnern. Aus Dankbarkeit war sie ihm in den Arm gefallen. Eben diese Erinnerung war es, die er seitdem hervorholte, wann auch immer er einen Patronus brauchte.

Es erklang ein leises Geräusch – was war das? Severus lauschte angestrengt. Da war es wieder – ein leises, schlaftrunkenes Murmeln, genau vor ihm. Etwas widerstrebend öffnete er die Augen und hielt sogleich die Luft an.

Sie lag neben ihm, ihr rotes Haar war über das Kissen verteilt, einige Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und er konnte sehen, dass sie sich hinter den verschlossenen Liedern leicht bewegten. Offenbar träumte sie gerade. Er wagte kaum sich zu rühren, aus Angst, sie könnte aufwachen. Wann hatte er das letzte Mal die Möglichkeit, sie so genau zu betrachten? Er sog jede auch nur noch so kleine Einzelheit in sich ein. Jede Sommersprosse in ihrem hellen Gesicht. Die kurzen, flaumigen Härchen an ihren Mundwinkeln. Ihre blassen, leicht geöffneten Lippen. Severus ließ seinen Blick an ihr entlang gleiten. Sie lag auf der Seite, das Gesicht zu ihm gewandt. Beide Arme hatte sie unter dem Kopfkissen vergraben.

Ein unbändiges Verlangen sie zu berühren, ihre Haut erneut an seiner zu spüren ließ ihn eine Hand nach ihr ausstrecken. Seine Finger zitterten und er ließ die Hand einen Moment lang wenige Millimeter über ihrem Gesicht verweilen. Ihr Atem strich über seine Haut. Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Augenlider flatterten leicht und er zog seinen Arm erschrocken zurück.

Sie öffnete die Augen und sah ihn kurz verschlafen an. Dann lächelte sie.

„Guten Morgen, Sev. Eine komische Nacht, was“, sagte sie, setzte sich dabei auf, strich sich die Haare nach hinten und rieb sich die Augenwinkel.

„Morgen... Lily.“

Es fühlte sich komisch an, ihren Namen auszusprechen. Wie kam es, dass sie hier bei ihm war? Hatte er letztendlich doch nicht geträumt? Er traute sich nicht, sie darauf anzusprechen.

Etwas umständlich stieg sie derweil über ihn hinweg, stand auf und streckte sich.

„Ich schau mal, was es so zu essen gibt. Man habe ich vielleicht einen Hunger“ Wie zur Bestätigung gab ihr Magen ein lautes Brummen vor sich. Lily kicherte leise, dann lief sie zur Zimmertür. Als sie die Hand nach der Klinke ausstreckte, öffnete die Tür sich scheinbar von allein und ihr Vater erschien im Eingang.

„Nanu, was machst du denn hier?“, fragte er Lily.

„Ich – ähm – habe Severus nur mal eben geweckt“, stammelte sie und drückte sich an ihm vorbei. Ihr Vater sah ihr kurz nach und zuckte dann mit den Schultern.

Severus begrüßte ihn und beeilte sich dann, ihr zu folgen.

Spinner's End

Der Sommer war in voller Blüte und zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren lebte Severus einfach nur in den Tag hinein und genoss dabei jeden Augenblick. Dies lag vor allem daran, dass er sie nun fast immer in seiner Nähe hatte.

Lily … Er konnte es noch immer nicht glauben.
 

Tagsüber waren sie meist in ihrem Zimmer und saßen an den Hausaufgaben, wobei Lily sich jedes Mal aufs Neue erstaunt darüber zeigte, wie viel er zu den verschiedensten Themen ihrer Aufsätze beitragen konnte, ohne auch nur einen Blick in ein Buch geworfen zu haben. Irgendwann schien sie jedoch Vertrauen in sein Gedächtnis gefasst zu haben, jedenfalls hörte sie nach und nach auf, die meisten seiner Aussagen in den Büchern nachzuschlagen.

Besonders schätzte Severus die warmen Abende, an denen sie einfach nur im Garten saßen, in ihren gemeinsamen Kindheitserinnerungen schwelgten und heißen Tee nippten.
 

Wenn doch nur nicht die Nächte wären. Nach wie vor musste er auf seinen Traumlos-Trank verzichten, wodurch ihn Nacht für Nacht Alpträume plagten. Doch jedes Mal, wenn es besonders schlimm wurde, konnte er sich nun sicher sein, dass Lily zu ihm ans Bett schleichen und ihn aus den Abgründen seines Selbst retten würde.
 

Aus Tagen und Nächten wurden schließlich Wochen und auch diese zogen beinahe unbemerkt vorüber. Der Anfang des neuen Schuljahres rückte immer näher und allmählich machte Lily sich Sorgen, da sie noch immer keinen Brief von Hogwarts erhalten hatten.

„Haben sie uns irgendwie vergessen?“ Sie betrachtete wieder einmal ungeduldig den eulenlosen Himmel über ihrem Haus „So lange hat es doch noch nie gedauert. Wir müssen doch für das neue Schuljahr einkaufen, dabei haben wir noch nicht einmal die Bücherliste!“

Severus legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Die Briefe schon noch ankommen. Ganz bestimmt!“

Insgeheim ahnte er den Grund für das Ausbleiben der Briefe und dieser bereitete ihm Unbehagen. Albus Dumbledore hatte es sich, obwohl eigentlich Minerva für das Verfassen der Briefe an die Schüler verantwortlich war, nie nehmen lassen, sich selbstständig um die Erstellung der Buchlisten für das jeweils kommende Schuljahr zu kümmern. Dabei zog er nicht nur die Empfehlungen der Lehrkräfte in Betracht, sondern stöberte in den langen Ferien auch selbst durch Buchläden und besah neue Ausgaben verschiedenster Lehrbücher. Erst, nachdem die Buchliste fertig, geprüft und durch ihn abgesegnet wurde, konnten Briefe an die Schüler verschickt werden.

Was wäre also, wenn der Schulleiter noch immer nicht von seiner plötzlichen Reise zurückgekehrt war?
 

Am nächsten Morgen schlief Severus ungewöhnlich lange. Schließlich weckte ihn leises Geschirrgeklapper aus der Küche. Die Bettseite neben ihm war leer, allerdings zeugte das zerknüllte Kissen davon, dass jemand in der Nacht bei ihm gewesen sein musste.

Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und lief gähnend nach unten. Als er dort Lily sah, schmunzelte er und blieb in der Tür stehen. Sie lehnte an der Küchentheke und las. Ihre roten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, einzelne Strähnen hingen ihr wirr ins Gesicht. Auf dem Herd neben ihr stand eine Pfanne, von der bereits leichter Rauch aufstieg.

„Ein spannendes Buch, hmm?“, fragte Severus schließlich amüsiert, als der Rauch anfing immer dunkler zu werden. Beim Klang seiner Stimme zuckte sie überrascht zusammen und blickte zu ihm hinüber.

„Was? Oh nein, so ein Mist!“ Sie legte ihr Buch weg, nahm die Pfanne vom Herd, besah mit verzogenem Mund deren schwarzen, klebrigen Inhalt und schmiss sie schließlich in die Spüle. Rasch drehte sie das Wasser auf, woraufhin sich zu dem Rauch nun auch noch Wasserdampf mischte. Sie hustete, fluchte leise und versuchte das Rauch-Dampf-Gemisch aus ihrem Gesichtsfeld zu vertreiben. Severus drückte sich an ihr vorbei und riss das Fenster auf.

„Oh man, mir ist das so peinlich!“ murrte Lily und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Sollte eigentlich eine Überraschung sein.“

„Na, die ist dir ja wohl geglückt. Und wäre ich etwas später gekommen, wäre die Muggel-Feuerwehr sicher auch ganz überrascht gewesen.“

Lily boxte ihm in die Schulter. „Sei nicht so gemein!“ Ein Grinsen konnte sie sich jedoch nicht verkneifen. „Also, hast du Lust auf ein Sandwich? Da kann wenigstens nichts anbrennen.“

„Ja, gerne.“ Er lächelte schief. „Wo sind eigentlich deine Eltern?“

„Sie sind heute früh los und wollten Tunia besuchen. Meine Mum hat noch versucht mich zum Mitkommen zu überreden, aber du weißt ja.“ Lily verzog das Gesicht. „Sie sind nicht gerade gut auf mich und ‚meinesgleichen‘ …“ – Sie deutete mit den Fingern Gänsefüßchen in der Luft an und verdrehte die Augen – „… zu sprechen.“

Severus zuckte mit den Schultern. „Ich konnte deine Schwester noch nie besonders leiden. Sie wollte sich immer in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angingen.“
 

Während Lily mit zusammengezogenen Augenbrauen den Inhalt des Kühlschranks beäugte und sich leise murmelnd darüber ärgerte, dass ihre Eltern es am Vortag versäumt hatten, einzukaufen, besah Severus neugierig das Buch, das den beiden soeben beinahe das Frühstück gekostet hatte.

‚Stephen King – Carrie‘ stand in großen Lettern auf dem Cover. Weder der Titel noch der Autor sagten ihm irgendetwas. Er las sich gerade den Klappentext durch, als Lily es bemerkte, rot anlief und ihm das Buch aus den Händen riss.

„Es … ist ein Muggelbuch. Es gehört meiner Mutter. Ich weiß auch nicht … Irgendwie hat diese Geschichte etwas an sich. So, als wäre die Protagonistin eigentlich eine von uns doch müsste in der Muggelwelt leben. Ich weiß auch nicht. Du findest es bestimmt albern.“

„Na, schlecht kann es ja nicht sein. Schließlich warst du ziemlich darin vertieft.“

Lily streckte ihm die Zunge raus und widmete sich wieder dem Frühstück.
 

Sie waren kaum fertig mit dem Essen, da hörten sie ein lautes Flügelrauschen und kurz darauf flog ein kleiner Steinkauz durch das noch offene Fenster. Zwei dicke Briefumschläge in seinen Krallen sorgten dafür, dass er heftig mit den Flügeln schlagen musste um das Gewicht auszugleichen. Kaum, dass er die schwere Last abgeworfen hatte, schüttelte er sich kurz durch und fing an gierig aus Snapes Wasserglas zu trinken.

„Es müssen ja richtig viele Briefe gleichzeitig unterwegs sein“, meinte Lily schließlich erstaunt. „Soweit ich weiß, wird diese Art doch sonst nur für kurze Strecken eingesetzt.

„Und mit deutlich leichteren Lasten“, ergänzte Severus. „Das arme Ding ist ja völlig erschöpft.“
 

Lily begann, nach etwas Essbaren für den gefiederten Briefzusteller zu kramen. Derweil nahm Severus seinen Brief an sich, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung, als er ihn gerade aufmachen wollte. Er hatte kein Geld. Nicht einen einzigen Sickel. Wovon sollte er sich die vielen Bücher kaufen? Alle zusammen kosteten sie sicherlich wieder mal ein halbes Vermögen und er wollte beileibe nicht die Gastfreundschaft von Lilys Eltern überstrapazieren.

Hatte es vielleicht einen Sinn, es in Spinners End zu versuchen? Schließlich musste er ja irgendwo noch den Türschlüssel haben. Soweit er sich allerdings entsinnen konnte war damals, als er in einem früheren Leben zum Besitzer dieser Wohnung wurde, dort noch nicht einmal ein einzelner Knut zu finden. Seine Mutter musste bei ihrem Aufbruch, wohin auch immer dieser geführt haben mochte, alles mitgenommen haben.

Er rieb sich die Schläfen. War da vielleicht sonst irgendetwas, was er zu Geld machen könnte? Etwas, was sein Vater nicht vermissen würde? Es könnte sich lohnen, nachzusehen. Viel Anderes blieb ihm schließlich nicht übrig.

Er sah auf die Uhr. Es war gerade mal kurz vor Mittagszeit. Sein Vater müsste also noch bei der Arbeit sein. Wenn er jetzt gehen würde, wäre er wieder zurück noch bevor der alte Muggel etwas merken würde.
 

Mittlerweile hatte Lily den Steinkauz mit einer kleinen Stärkung versorgt und sich wieder an den Tisch gesetzt. Gerade, als auch sie nach ihrem Brief griff, stand Severus auf.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie ihn überrascht. „Fehlt dir etwas?“

„Ich … gehe mir nur kurz die Beine vertreten. Dauert nicht lang. Du könntest ja schon mal die Liste studieren, schließlich müssen wir die Tage mal in die Winkelgasse.“

Sie sah erst auf seinen Brief und dann zurück zu ihm. Ihr Blick war skeptisch. „Irgendetwas stimmt doch nicht! Wieso willst du von einem Moment auf den anderen spazieren gehen und das, obwohl du deinen Brief gerade mal zur Hälfte geöffnet hast? Jetzt sag schon, was los ist!“

Severus seufzte. Er hätte sich wirklich eine bessere Ausrede einfallen lassen sollen. Jetzt blieb ihm nichts Anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu erzählen. Dass er vorhatte, in die Wohnung seines Vaters einzubrechen und dort etwas zu stehlen – obwohl die Sachen ja streng genommen zum Teil auch ihm gehörten.

Zu seiner Überraschung stand nun auch sie auf. „Hol deine Schlüssel. Ich komme mit.“

„Du machst was?“ Erstaunt sah er sie an. Die brave, anständige Miss Evans wollte doch nicht allen Ernstes einen Einbruch begehen? Er hätte erwartet, dass sie versuchen würde ihn von seinem Vorhaben abzubringen, ihn ausschimpfen und vielleicht sogar sauer werden. Aber das?

„Ich lasse dich doch nicht alleine dahin gehen!“ Sie sah ihn trotzig an. „Was ist, wenn dir etwas passiert?“

„Was soll schon passieren? Er ist doch noch nicht mal da.“, murmelte er halbherzig, doch es war ihm bereits klar, dass er sie kaum davon überzeugen konnte alleine zuhause zu bleiben. Also ging er nach oben, leerte seinen Schulranzen über dem Bett aus um Stauraum zu haben, fand nach längerem Suchen den Hausschlüssel und zögerte schließlich, mit der Hand über seinem Zauberstab.

Er wusste natürlich, dass er ihn eigentlich nicht verwenden durfte. Allerdings fühlte er sich bei dem Gedanken, nach all den Jahren ohne ihn unterwegs zu sein, irgendwie unwohl, ja beinahe nackt. Schließlich steckte er den Zauberstab in seine hintere Hosentasche und ging nach unten, wo Lily bereits ungeduldig auf ihn wartete.
 

Als sie nach einem kurzen Fußmarsch die Wohnung betraten, kam ihnen ein strenger Alkoholgeruch entgegen. Die Vorhänge waren zugezogen, so dass es trotz helllichten Tag stockfinster war. Lily drückte auf einen Lichtschalter, doch der Strom schien abgestellt worden zu sein.

„Puh. Ziemlich verwahrlost hier“, sagte sie schließlich, nachdem sie sich kurz umgesehen hatte. „Wie lange sagtest du, ist deine Mutter schon weg?“

„So genau weiß ich das gar nicht“, meinte Severus und kickte eine leere Bierflasche beiseite, die laut scheppernd gegen die Wand rollte.

„Pschht, nicht so laut!“, zischte ihm Lily zu. „Also, wo wolltest du anfangen zu suchen?“

„Ich will erst einmal in mein Zimmer. Könnte ein paar Anziehsachen mehr vertragen. Ich kann schließlich nicht ewig die alten T-Shirts von deinem Dad tragen.“

„Alles klar. Ich schau dann, ob ich sonst irgendwo noch etwas finden kann.“
 

Es war kein leichtes Unterfangen, in seinem alten Kleiderschrank etwas aufzutreiben, was ihm noch passte. Schließlich fand er doch noch zwei Hosen die ihm nicht zu kurz waren sowie einen Pullover, dessen Ärmel gerade so noch lang genug waren. Eine ganz schön magere Ausbeute, fand Severus. Im letzten Halbjahr musste er einen ganz schönen Wachstumsschub gehabt haben.

„Ein paar Nachteile hat das Jungsein also doch“, murmelte er leise während er die Sachen in seinen Ranzen stopfte und dachte beinahe sehnsüchtig daran, dass er seine Kleider im Kerker von Hogwarts bereits seit über einem Jahrzehnt besaß und sie alle nach wie vor, wie angegossen passten. Oder besser gesagt gepasst hatten. An seinem sechzehnjährigen Ich würden sie vermutlich nicht ganz so elegant aussehen.

Vom Flur war ein leises Rascheln zu hören. Offenbar war Lily gerade dabei, die Kommode zu durchsuchen. Hoffentlich würde sie darin etwas Brauchbares finden.

Severus besah sich kurz das Durcheinander, was er beim Suchen angerichtet hatte. Der Inhalt des Kleiderschranks war über den Boden verstreut. Wozu sollte er sich die Mühe machen, aufzuräumen? Er hatte nicht vor, in nächster Zeit wiederzukommen. Was ging es ihn also an, wenn sein Vater sich darüber aufregte? Wenn er dieses Zimmer denn überhaupt benutzen sollte. Lily dagegen könnte sicher Hilfe gebrauchen.

Gerade, als er die Tür öffnete, musste er zu seinem Erschrecken feststellen, dass just in diesem Moment noch eine weitere Tür zum Gang aufging. Dahinter befand sich das Schlafzimmer seiner Eltern. Im Durchgang stand niemand anderes als Tobias Snape persönlich, mit hochrotem Kopf und ebenso roten, trüben Augen. Er war nur in ein dreckiges Unterhemd, sowie, nicht wesentlich frischer aussehende, Boxer gekleidet. Tobias Snape hatte noch nie besonders viel Wert auf sein Äußeres gelegt, doch dieser Anblick übertraf es noch bei Weitem.

„Ihr wagt es, mich zu bestehlen? Auf frischer Tat ertappt, würde ich mal sagen!“ Seine Stimme klang schleppend, er lallte ein wenig.

Dann geschahen mehrere Dinge beinahe gleichzeitig, doch Severus kam es vor, als würde alles in Zeitlupe ablaufen.

Lily zuckte erschrocken zusammen und drehte sich zur Stimme hin um.

Der Arm von Tobias verschwand kurz hinter der Wand und tauchte gleich darauf mit einer Schrotflinte wieder auf. Mit einem lauten Knacken lud er die Waffe nach.

Severus griff nach seinem Zauberstab.

„Petrificus Totalus!“, rief er, doch sein Zauber kam zu spät.

Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, Lily wurde vom Aufprall zurückgeschleudert und sank schließlich leise wimmernd zu Boden.

Gleich nach ihr fiel auch Tobias krachend nach hinten um, doch das bemerkte Severus nur am Rande. In seinen Ohren rauschte es laut. Mit einem Satz war er bei Lily und sank vor ihr auf die Knie. Ihm blieb der Atem weg, als er den großen rot-feuchten Fleck auf ihrem Kleid, direkt unterhalb der Brust, bemerkte, der rasch größer wurde.

„Oh nein … oh Lily … das darf doch jetzt nicht wahr sein …“, flüsterte er verzweifelt, während er vorsichtig die Arme um sie legte.

Mit einem leisen Plopp lösten sie sich im Nichts auf und tauchten nur Augenblicke später, mehrere Hundert Kilometer vom Unglücksort entfernt, am Notfalleingang des Krankenhauses St. Mungo wieder auf.

„Hilfe! Wir brauchen hier Hilfe!“, rief Severus verzweifelt aus, während er angestrengt versuchte Lily so hochzuheben, dass die Blutung nicht noch unnötig erhöht wurde, sofern es überhaupt noch möglich war. Seine Knie zitterten und er konnte sie kaum gerade halten. Sie war inzwischen bewusstlos, Schweißtropfen glänzten auf ihrer Stirn. Ihr Gesicht hatte sämtliche Farbe verloren.

Wie durch einen langen Tunnel sah er, dass mehrere Personen mit einer Trage heran geeilt kamen. Spürte, wie sie ihm vorsichtig entnommen und fortgebracht wurde.

St. Mungo

Wie betäubt war Severus der Trage mit Lily in das Innere des Krankenhauses gefolgt. Er wurde mehrmals etwas gefragt, das Rauschen in seinem Kopf war allerdings so laut, dass er es nicht verstehen und nicht darauf reagieren konnte. Schließlich hatten die Helfer ohne seine Hilfe entschieden, wo sie die Patientin hinbringen sollten. Kurz darauf fand er sich mit ihr in einem großen Behandlungsraum im ersten OG wieder. Allmählich kehrten seine Sinne wieder zu ihm zurück.
 

Nachdem die Helfer weg waren, blieb Severus etwas unschlüssig vor Lilys Bett stehen und betrachtete sie. Sie war so blass, dass sie sich farblich kaum noch von der weißen Bettwäsche abhob. Ihr Körper zitterte und sie schnappte immer wieder rasselnd nach Luft. Verdammt warum dauerte es nur so lange? Jede Sekunde, die verging, kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Dann, endlich, wurde die Tür erneut aufgerissen und eine Heilerin stürmte hinein. Sie war eine kleine, stämmige Hexe mit einem runden Gesicht und kleinen, müden Augen. Sie reichte Severus kurz die Hand, stellte sich ihm als Mrs. Leech vor und wies ihn dann an, beiseite zu gehen. Gleich darauf widmete sie sich der Patientin.

„Na, dann wollen wir mal sehen…“, mit diesen Worten machte sie einen Schwenk mit ihrem Zauberstab über Lilys Körper. Ein feiner Schnitt entstand in dem ohnehin ramponierten Kleid, woraufhin es von Zauberhand auseinander klappte. Nun lag die Verletzung darunter offen.

Severus lief bei diesem Anblick ein kalter Schauer über den Rücken. Es war noch viel schlimmer, als er befürchtet hatte. Sicher, er hatte bereits viele Verletzte zu Zeiten der beiden Kriege, die er miterleben musste, gesehen. Diese Menschen hatten ihm allerdings nichts bedeutet.

Selbst die Heilerin sog scharf die Luft ein, was ihn nicht gerade beruhigte. Dann sah sie ihn kopfschüttelnd an. „Sie wissen, dass wir hier nur magische Verletzungen behandeln? Dies hier sieht eher aus, als wäre es ihr von einem Muggel zugefügt worden.“

Severus erstarrte. Vor lauter Aufregung hatte er gar nicht daran gedacht, dass St. Mungo nicht der passende Ort sein könnte. „Können Sie ihr nicht trotzdem irgendwie helfen?“, fragte er dennoch mit rauer Stimme. Es bestand kein Zweifel, dass ihnen die Zeit davonlief.

Als Antwort bekam Severus nur ein leises Glasklirren. Mrs. Leech war zu einem großen Vorratsschrank hingeeilt und durchkämmte nun mit flinken Fingern verschiedenste Phiolen mit Tränken und Pulvern. Schließlich schien sie gefunden zu haben, wonach sie suchte. Mit zwei Fläschchen und einer kleinen Pulverdose bewaffnet, eilte sie zurück zum Behandlungsbett.

Erneut zückte sie ihren Zauberstab, zeigte damit auf die Verletzung und murmelte einen Zauberspruch. Lily kam kurz zu sich, krümmte sich zusammen und stieß einen erstickten Schrei aus, der Severus durch Mark und Bein ging. Gleich darauf schossen mehrere, metallisch aussehende Kügelchen aus ihr heraus und landeten nebeneinander auf einem kleinen Nachttisch neben dem Bett. Sie schimmerten feucht von Blut.

„Damit müsste sich die Blutung vorerst stillen lassen“, erklärte die Heilerin, als sie vorsichtig ein weißes Pulver über der Wunde streute. Ein leichter Dampf stieg auf und Lily stöhnte leise. Sie hatte erneut das Bewusstsein verloren. Sie reagierte nicht einmal, als ihr gleich darauf einer der beiden Tränke eingeflößt wurde.

„Nun zu dir, mein Junge“, sagte Mrs. Leech schließlich und wandte sich an Severus. Er bedachte sie mit gerunzelter Stirn. Was mochte sie von ihm wollen? Ihm fehlte schließlich nichts, körperlich zumindest. Unterdessen hatte sie ihm das zweite Fläschchen, das mit einer leicht lila schimmernden Flüssigkeit erfüllt war, in die Hände gedrückt. „Trink das!“, sagte sie in einem strengen Befehlston. Offenbar war sie an störrische Jugendliche gewöhnt, dachte er. „Gegen den Schock“, fügte sie nach einer kurzen Pause, nun etwas freundlicher, hinzu.

Severus drehte das Fläschchen kurz in den Händen und erkannte anhand des Etiketts, dass es sich um einen leichten Beruhigungstrank handelte. Er selbst hatte so einen Trank schon oft für Poppy zubereiten müssen. Sie verteilte ihn immer wieder an Schüler, meistens aus den oberen Klassen, die ihr kurz vor wichtigen Schularbeiten das Krankenzimmer einrannten.

Severus hatte seine Zweifel daran, dass dieser Trank ihm jetzt helfen könnte. Dennoch, hauptsächlich um unangenehmen Fragen zu entgehen, nahm er einen kräftigen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. Es schmeckte scheußlich. Bei wem auch immer das Krankenhaus seine Tränke bestellte, ein Meister seines Faches war es auf alle Fälle nicht.

Erneut warf er Lily einen besorgten Blick zu. Hoffentlich beherrschte der Trankhersteller zumindest Heiltränke, wenn sein Beruhigungstrank schon so lausig war.

„Wird … sie wieder?“, fragte er dann.

Die Heilerin warf ebenfalls einen kurzen Blick auf Lily und seufzte leise. „Das ist nicht so einfach zu sagen. Sie hat schwere, innere Verletzungen erlitten. Ich habe ihr zwar einen Heiltrank gegeben, dieser bringt aber nur dann etwas, wenn es nicht bereits zu spät ist. In ein paar Stunden wissen wir mehr.“

Severus konnte spüren, wie etwas tief in ihm bei diesen Worten einen deutlichen Riss bekam. Ihm wurde erneut schwindelig. Er musste hier raus. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, stand er auf und wankte auf viel zu weichen Knien aus dem Zimmer. Ihm drückte es die Kehle zu und seine Augen brannten. Als er sie reiben wollte, fiel sein Blick auf seine Hände. Geschockt stellte er fest, dass diese immer noch rot von Lilys Blut waren.

Er ballte die Fäuste zusammen, so dass sich seine Fingernägel in seine Handflächen bohrten.

Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, um gefühlsduselig zu werden. Schließlich war es allein seine Schuld. Er hatte es mal wieder vermasselt. Mit etwas Anstrengung gelang es ihm, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Er richtete sich auf, sah sich kurz um und ging mit festen Schritten in Richtung Wartezimmer. Egal, wie lange es auch dauern möge, er würde dort sitzen und warten.

Außer ihm waren nur wenige Wartende anwesend, die ihn mit einem Kopfnicken begrüßten und sich anschließend wieder ihren Tätigkeiten widmeten. Zwei ältere Herren hatten ihre Nasen in die aktuelle Ausgabe des Tagespropheten gesteckt. Das Titelblatt berichtete wieder einmal von brutalen Angriffen auf Muggelstämmige sowie weiteren Verhaftungswellen seitens des Ministeriums.

„Wo soll das Ganze denn noch hinführen?“, murmelte eine junge Hexe kopfschüttelnd, nachdem sie, ebenso wie Severus, einen Seitenblick auf das Titelblatt erhascht hatte.

Er selbst sagte nichts dazu, da das Ministerium aus seiner Sicht mit Kanonen auf Spatzen feuerte. Schließlich wurden die meisten dieser Morde von Anwärtern und jenen, die unter dem Imperius-Fluch standen, verübt, während die „echten“ Todesser an Seite Voldemorts im Hintergrund agierten.
 

Die nächsten Stunden vergingen nur quälend langsam. Zwischendurch war Mrs. Leech kurzzeitig noch einmal aufgetaucht und hatte ihm versprochen Bescheid zusagen, sobald sich etwas Neues ergab.

Etwas Neues … wollte er es überhaupt wissen?

„Machen Sie nicht erneut die gleichen Fehler!“ Das waren die letzten Worte, die er in seinem früheren Leben gehört hatte. Es kam ihm vor, als wäre es bereits eine Ewigkeit her.

Er lachte gequält auf. Nicht die gleichen Fehler hatte sie gesagt. Wozu auch, wo es doch so viele Neue zu machen gab!

Er hätte sie niemals mitkommen lassen dürfen! Wie konnte er nur so töricht gewesen sein?

Wieder und wieder ging er die letzten Ereignisse im Kopf durch. Warum hatte er es nicht geschafft, die einzig logische Schlussfolgerung aus dem Zustand der Wohnung zu ziehen? Und warum um alles in der Welt hatte er nicht bereits an der Tür, mit einem einfachen Zauber, überprüft, ob sein Vater zuhause war? Wen kümmerte es schon, ob das Ministerium etwas dagegen gehabt hätte!
 

Wie aufs Stichwort riss ein komisches Geräusch ihn abrupt aus seinen Gedanken. Überrascht drehte er sich um und sah sich direkt einer Eule gegenüber, die mit einem Brief im Schnabel auf einem Fenstervorsprung saß, ihn vorwurfsvoll ansah und mit einer Kralle gegen die Scheibe klopfte. Leicht verwirrt zog Severus die Augenbrauen zusammen. Was mochte das wohl sein? Schnell ließ er den Vogel hinein und nahm den Brief an sich.
 


 

Sehr geehrter Mr Snape,

wir wurden in Kenntnis gesetzt, dass an Ihrem Wohnort am heutigen Tag um die Mittagszeit ein Ganzkörperklammerfluch gegen einen Muggel, sowie ein nicht genehmigter Apparierzauber verwendet wurden.

Wie sie wissen, ist es minderjährigen Zauberern nicht gestattet, außerhalb der Schule zu zaubern.

Insbesondere sollte Ihnen bekannt sein, dass das das Apparieren, ohne eine gültige Apparierlizenz, strengstens untersagt ist!

Da es sich hierbei bereits um Ihr zweites Vergehen handelt, werden Sie gemäß Abschnitt 13 des Geheimhaltungsabkommens der Internationalen Zauberervereinigung mit sofortiger Wirkung von ihrer gegenwärtigen Schule suspendiert.

Es steht ihnen selbstverständlich frei, innerhalb von 14 Tagen Widerspruch gegen diesen Beschluss einzulegen und um eine offizielle Anhörung zu bitten.

Haben Sie noch einen schönen Tag!
 

Hochachtungsvoll,
 

Mafalda Hopfkirch

Abteilung für unbefugte Zauberei

Zaubereiministerium
 


 

Severus schnaubte abfällig, seine Hand zitterte vor Wut. Was für eine Frechheit! Das Ministerium machte sich offenbar noch nicht einmal die Mühe nachzuvollziehen, wieso die Körperklammer notwendig gewesen sein könnte. Wozu denn auch? Zaubernde Minderjährige waren für sie nichts weiter als eine lästige Bürokratieangelegenheit. Dabei hätten sie spätestens dann von der Waffe erfahren müssen, als Ministeriumsabgeordnete den Zauber wieder aufgehoben hatten. Nach Severus‘ Kenntnisstand hätte das schon längst passiert sein müssen.

Jetzt musste er sich also auch noch mit dem Ministerium herumschlagen. Verständnislos schüttelte er den Kopf. Sie sollten lieber froh sein, dass ihm in diesem Moment nichts schlimmeres, als ein einfacher Erstarrungszauber rausgerutscht war. Nachdem, was sein Vater Lily angetan hatte…

Lily … Wenn sie sich nicht wieder erholen würde – allein dieser Gedanke jagte ihm erneut einen Schauer über den Rücken – wäre es ohnehin egal, ob er zurück nach Hogwarts durfte. Dann wäre alles egal.

Er knüllte den Brief zusammen und steckte diesen, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, in eine Hosentasche. Dabei ignorierte er die vielen fragenden Blicke, die ihm daraufhin zugeworfen wurden.
 

In diesem Moment wurde die Tür zum Wartezimmer endlich wieder geöffnet. Severus hob den Kopf und blickte in das erschöpfte Gesicht der Heilerin. Sein Herz setzte aus.

„Ich habe eben nach ihr gesehen, es sieht ganz gut aus“, sagte sie und lächelte ihn an. „Jetzt braucht sie vor allem Ruhe.“

Mit einem Mal wich die ganze Anspannung von ihm und er sackte kaum merklich in sich zusammen.

„Kann ich zu ihr?“
 

***
 

Mit etwas Mühe öffnete Lily die Augen. Sie konnte ihre Umgebung nur verschwommen wahrnehmen. Ihre Kehle fühlte sich rau und trocken an. Sie versuchte sich aufzusetzen, stoppte jedoch, als sie ein jäher Schmerz durchzuckte. Vorsichtig befühlte sie die Stelle, konnte allerdings nur einen dicken Leinenverband spüren, der von ihrem Rippenbogen bis zum Bauchnabel reichte.

„Oh, Sie sind endlich wach“, sagte eine freundlich klingende Stimme ganz in ihrer Nähe. Sie kam von einer Hexe in einem Umhang in St. Mungos-Farben.

„Was ist mit mir passiert?“, fragte Lily. Sie konnte sich nur noch undeutlich daran erinnern, mit Severus in die Wohnung seines Vaters eingedrungen zu sein. Doch dann?

„Sie wurden angeschossen, mein Kind. Sie befinden sich gerade in St. Mungo-Hospital.“

Vor ihrem geistigen Auge konnte Lily plötzlich den langen Lauf einer Waffe sehen. Panisch riss sie die Augen auf. „Was ist mit Severus? Er war damals bei mir. Ist ihm etwas passiert?“

Die Heilerin lächelte sie an. „Keine Angst, der junge Mann ist wohlauf“, sagte sie und zeigte zur anderen Bettseite, wo Severus zusammengesunken auf einem Stuhl saß und schlief. „Sie hatten Glück, dass er so schnell reagieren konnte. Nur wenige Minuten mehr, und Sie wären verblutet. Sie waren beinahe drei Tage lang bewusstlos und er ist nicht einen Moment von Ihrer Seite gewichen. Hat sogar Essen und Trinken verweigert, war die meiste Zeit wach und hat nur Ihre Hand gehalten. Jetzt hat die Erschöpfung wohl doch gesiegt.“ Sie schüttelte den Kopf. „Der Junge muss Sie wirklich wie verrückt lieben.“

„Wir sind nur… Freunde“, stammelte Lily verwirrt. Sie konnte spüren, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

Die Frau sah sie vielsagend an. „Für ihn sind Sie weit mehr als nur das. Halten Sie den Jungen ja gut fest.“ Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um. „Und sorgen Sie bitte dafür, dass er, wenn er aufwacht, endlich etwas isst. Ich kann gerade wirklich nicht noch mehr Patienten aufnehmen.“

Als sie weg war, wandte Lily sich wieder zu Severus um und betrachtete ihn mit gemischten Gefühlen.

So wie er dasaß, wirkte er um mindestens zwei Jahrzehnte gealtert. Dies lag nicht zuletzt auch an den dunklen Bartstoppeln, die einen starken Kontrast zu seiner hellen Haut bildeten. Obwohl er fest zu schlafen schien, war sein Gesicht voller Sorgenfalten, der Mund zu einem dünnen Strich verzogen.

Es tat ihr weh, ihn so zu sehen und zu wissen, dass sie ihm so viele Sorgen bereitet hatte. Gleichzeitig hatten die Worte der Heilerin sie auf eine seltsame Art und Weise gefreut, hatten sie erneut an seine Worte vor dem Portrait der fetten Dame erinnert. Sie hatte sich nicht getraut, ihn noch einmal darauf anzusprechen und es schließlich im Laufe des Sommers verdrängt.

Der starke Widerspruch zwischen seinen Worten, seinen Taten und seinem Auftreten verwirrte sie noch immer.
 

Schließlich richtete sie sich mit etwas Mühe auf, so dass sie eine Hand auf seine Schulter legen konnte.

„Hey“, murmelte sie leise und schüttelte ihn leicht. Seine Augenlider zuckten, dann wachte er auf. Sofort bekam Lily schlechtes Gewissen, ihn geweckt zu haben. Seine Augen waren von Schlafmangel ganz rot. Verschlafen sah er sie an. Gleich darauf hellte sein Blick sich auf.

„Selber Hey“, sagte er zögerlich. „Wie fühlst du dich?“

„Könnte besser sein…“ Sie verzog das Gesicht. Jedes einzelne Wort schien schmerzhaft in ihr nachzuhallen. Dennoch wollte sie ihm unbedingt ihre Dankbarkeit ausdrücken, daher fuhr sie direkt fort. „…Es hätte aber auch viel schlimmer sein können. Du hast mir das Leben gerettet …“ Sie wollte noch etwas hinzufügen, wurde jedoch von ihm unterbrochen.

„Oh Lily, es tut mir leid …“, murmelte er und ließ den Kopf sinken. Lily blinzelte ihn verwirrt an.

„Was genau tut dir denn leid?“

„Alles … ich hätte dich nicht in Gefahr bringen dürfen.“

Verwundert betrachtete sie ihn einen Moment. Warum sagte er das? Sie war schließlich freiwillig mitgekommen.

„Es ist ja nicht so, als hättest du mich gezwungen“, sagte sie kühl. „Außerdem, wer weiß, was er sonst mit dir angestellt hätte.“

„Das wäre mir egal“, murrte er.

Lily blieb der Mund offen stehen. Doch schon im nächsten Moment hatte sie sich wieder gefasst und fuhr ihn an. „Nein, wäre es nicht! Rede keinen Blödsinn, Severus. Und was sollte überhaupt deine Aussage mit dem ‚Nicht in Gefahr bringen‘?“

Ihre Stimme klang gröber als beabsichtigt und sie sah, wie er bei ihren Worten zusammenzuckte. Das ließ sie versöhnlicher werden. Etwas ruhiger fuhr sie nun fort. „Weißt du, ich bin kein Kind mehr, du musst nicht ständig auf mich aufpassen“, sagte sie halb im Scherz und warf ihm einen spitzbübischen Blick zu.

Als Antwort kam ein nicht definierbares Schnauben von ihm. Es klang, als würde er sich über sie amüsieren, jedoch auf eine Art, die ihr missfiel.

„Trotzdem… Danke“, murmelte sie schließlich, als von ihm keine Reaktion kam.

Die Nachricht von Eileen Prince

Es vergingen einige Tage, an denen Lily zu jeder Mahlzeit übelriechende Heiltränke zu sich nehmen musste, bis Mrs. Leech sie endlich als gesund genug befand, um das Krankenhaus zu verlassen. Endlich wurde Lily ihr Verband abgenommen und mit einer Mischung aus Neugier und Entsetzen besah sie das wulstige, rosafarbene Narbengewebe, das fast ihren kompletten Bauch bedeckte.

„Bleibt das so?“, fragte sie schließlich mit zitternder Stimme.

„Es wird mit der Zeit verblassen, ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass es ganz weggehen wird“, sagte die Heilerin bedauernd und fügte, nach einem kurzen Blick in Lilys schockiertes Gesicht hinzu, „Es tut mir leid, mein Kind. Auch Zauberei hat ihre Grenzen.“

Severus, der das kurze Gespräch stumm mitangehört hatte, legte beruhigend eine Hand auf Lilys Schulter.

„Nimm es nicht so schwer. Unter deinem Umhang sieht es schließlich keiner“, versuchte er sie aufzumuntern.

Lily schluckte nervös, nickte dann und zog ihre Bluse darüber. Vor ein paar Tagen waren ihre Eltern da gewesen – nachdem sie trotz der Hilfe von Severus einige Probleme hatten, den Eingang zu finden – und hatten ihr einige Sachen zum Anziehen, sowie Schulgepäck für sie und Severus mitgebracht. Schließlich würden sie kaum noch die Zeit haben, sie abzuholen. So kurz vor dem Schuljahresbeginn…

Wie vom Blitz getroffen erstarrte Severus. Das Ministerium! Nach der Erleichterung darüber, dass es Lily wieder besserging, hatte er den Brief vollkommen verdrängt. Er kramte ihn wieder hervor und überflog ihn kurz. Die Ministerin hatte diesen offenbar in ziemlicher Eile verfasst haben, schließlich stand da kein Wort davon, dass sie eigentlich gemäß den Vorschriften seinen Zauberstab zerstören mussten. Vermutlich hatte sie ohnehin zu viel um die Ohren mit jungen Todessern, um sich noch zusätzlich mit solchen Lappalien wie zaubernden Minderjährigen zu befassen, vermutete er.

„Was hast du denn da?“, fragte Lily neugierig und riss ihn aus seinen Gedanken. Wortlos reichte Severus ihr den Brief. Sie überflog die ersten Zeilen und ihre Gesichtszüge entgleisten.

„Du hast allen Ernstes einen Verweis bekommen, weil du mich gerettet hast?“, fragte sie ungläubig.

Auch die Heilerin, die gerade dabei war den Raum zu verlassen, drehte sich bei diesen Worten überrascht um, stemmte die Hände in ihre ausladenden Hüften und seufzte verärgert.

„Das glaube ich ja nicht! In Notfällen dürfen doch selbst Minderjährige zaubern. Zeig doch mal her!“, rief sie entrüstet aus. Sie eilte heran und riss Lily den Brief aus den Händen.

„Ich nehme an, die konnten keinen Notfall feststellen, da wir ja nicht magisch angegriffen wurden“, entgegnete Severus trocken.

„Aber es WAR doch eindeutig ein Notfall!“ Wie zur Verdeutlichung zeigte Lily auf ihren Bauch. „Das müssen wir doch irgendwie beweisen können!“

„Wir?“

„Ja, natürlich wir!“, entgegnete sie und schaute ihn ungläubig an. „Schließlich ist es doch irgendwo auch meine Schuld, dass du zaubern musstest!“ Während sie sprach, schwang sie ihre Füße vom Bett und kam, zunächst etwas wankend, auf die Beine. Dann schenkte sie ihm ein Lächeln. „Außerdem, brauchst du eine Zeugin.“

Mrs. Leech hatte den Brief zwischenzeitlich gelesen und schüttelte missbilligend den Kopf. „Sofortiger Schulverweis wegen so einer Lappalie! Man könnte ja meinen, dass das Ministerium, vor allem in der jetzigen Situation, keine anderen Sorgen hätte...“, sagte sie entrüstet. Gleich darauf stahl sich jedoch ein leises Lächeln auf ihr Gesicht. „Wartet kurz, mir kam da gerade eine Idee. Mit Miss Lilys Krankenakte müsste sich dieses Missverständnis schnell aufklären lassen.“ Mit diesen Worten stürmte die Heilerin mit wehendem Umhang aus dem Zimmer.

Severus sah ihr eine Weile nach. Er seufzte laut. „Damit dürfte es tatsächlich weniger Probleme geben, als gedacht.“

Doch Lily sah ihn nur mit großen Augen an. Sie schien einen Moment zu brauchen, um die richtigen Worte zu finden.

„Habe ich das vorhin eigentlich richtig gelesen? Du bist mit mir hierhin appariert?“, fragte sie schließlich erstaunt.

„Was dachtest du denn, wie ich dich innerhalb von Sekunden hierhergebracht habe? Ich hätte dich ja schlecht soweit tragen können.“

„Aber … wie hast du…“, begann sie, wurde jedoch von der Heilerin unterbrochen, die mit einer dünnen Akte in den Händen zurückgekehrt war.

„Bringt die aber ja wieder zurück“, sagte Mrs. Leech außer Puste. „Ich darf sie eigentlich gar nicht an Unbefugte rausgeben.“
 

Lily und Severus hatten beschlossen, ihre Sachen vorerst in St. Mungo zu lassen. Als sie durch die hohe Eingangspforte getreten waren und endlich im Freien standen, hielt Lily inne.

„Hätten wir nicht nach dem Weg fragen sollen?“, fragte sie verwundert. „Ich war jedenfalls noch nie dort.“

„Ich weiß schon, wohin. Folge mir einfach“, sagte er unwirsch und warf einen Blick auf die große Turmuhr des Krankenhauses. Mit Erschrecken musste er feststellen, dass das Ministerium bereits in wenigen Stunden schließen würde, und ohne Termin würden sie bestimmt nicht schnell genug drankommen. „Wir müssen uns beeilen“, fügte er daher hinzu und eilte los. Es ärgerte ihn, nicht einfach zum Eingang apparieren zu können, wie er es sonst immer tat.

Sie hatten es zwar nicht besonders weit, dennoch war Lily schon vollkommen aus der Puste und hielt keuchend ihre Seite, als sie endlich bei der roten Telefonzelle ankamen. Severus warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. Sie war wieder ganz blass geworden.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Warum wollte sie auch unbedingt mitkommen? Es war offensichtlich, dass ihr ihre Verletzung noch immer zu schaffen machte.

„Es geht schon“, murmelte sie und sah sich um. „Warum bist du stehen geblieben?“

„Weil wir da sind.“ Er öffnete die Kabinentür. „Hier herein.“

„Ganz schön klein, dieses Ministerium“, murmelte Lily verwirrt, als Severus sich hinter ihr in die Kabine zwängte und die Tür hinter sich schloss. Doch er ging nicht auf ihren Einwand ein. Er hatte bereits den Hörer abgehoben und tippte mit geübten Handgriffen die Zahlen sechs-zwei-vier-vier-drei in die Ziffernleiste ein.

„Willkommen im Zaubereiministerium. Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihr Anliegen“, erklang eine laute, monotone Stimme aus dem Hörer.

Severus zögerte kurz. Er war zwar schon etliche Male im Ministerium gewesen, allerdings nie ohne einen vereinbarten Termin zu haben.

„Mein Name ist Severus Snape. Ich brauche eine Anhörung in Bezug auf Zauberei Minderjähriger. Meine Begleitung ist Lily Evans, sie tritt als Zeugin vor“, ratterte er schließlich, etwas abgehackt, herunter.

„Vielen Dank. Bitte nehmen Sie die Plakette aus dem Geldfach und befestigen Sie sie vorne an Ihrem Umhang.“

Unterdessen sprach die Stimme noch die üblichen Floskeln, Severus hörte jedoch nur mit halben Ohr zu und war damit beschäftigt, die Plakette mit dem Aufdruck ‚Severus Snape, disziplinarische Anhörung‘ an seinem T-Shirt anzubringen.

Lily entfuhr ein überraschter Aufschrei, als der Boden unter ihnen kurz darauf erzitterte und die Telefonzelle schließlich begann langsam abzusinken.
 

Nachdem ihre Zauberstäbe gründlich untersucht und registriert wurden – ein Prozedere, das Severus als äußerst nervig und zeitraubend empfand, durften sie endlich in den Aufzug und von dort aus in die Abteilung für unbefugte Zauberei.

Die Empfangsdame – eine jüngere, knochige Frau mit einem strengen Gesicht und einer dicken Hornbrille sah sie einen Moment lang prüfend an.

„Haben Sie einen Termin?“, fragte sie gedehnt.

„Nein, aber ich brauche dringend eine Anhörung, ich wurde fälschlicherweise der Schule suspendiert“, sagte Severus leicht gereizt. Bei seinen Worten verengten sich ihre Augen sich zu Schlitzen, was ihr einen noch unsympathischeren Gesichtsausdruck verlieh.

„Und da haben Sie gedacht, Sie kommen einfach so vorbei, ohne Anmeldung?“ Ihre Stimme klang eisig. „Ja glauben Sie denn, das verehrte Zaubergamot sitzt nur Däumchen drehend da und wartet darauf, dass irgendwelche Rotzlöffel hereinschneien?“

„Es ist schon okay, Samantha!“, erklang eine tiefe Männerstimme von weiter hinten im Büro, worauf hin die Angesprochene den Kopf einzog und verstummte. Ein fülliger, kleiner Mann mit dickem Schnauzer und ausgeprägten Geheimratsecken ließ einen hohen Pergamentstapel, der vor ihm her geschwebt war, vorsichtig zu Boden sinken und kam auf Lily und Severus zu.

„Gibt es ein Problem?“, fragte er freundlich. Severus schilderte erneut kurz die Lage und der Mann bedeutete den beiden, ihm zu folgen.

„Sie müssen mich für das Benehmen meiner Sekretärin entschuldigen. Eine Squib, wissen sie. Hat leider überhaupt keine Manieren, aber ihr werter Herr Papa hat darauf bestanden, dass sie diese Stelle kriegt“, erzählte er ihnen, während sie ihm durch mehrere Korridore und danach eine lange Treppe nach unten folgten.

Schließlich kamen sie in einem spärlich durch Fackeln beleuchteten, steinernen Gang an. Auf der rechten Seite waren in weitem Abstand zueinander mehrere, massiv aussehende Türen, links eine lange Holzbank, eingelassen in die Wand.

Er führte sie an einigen Türen vorbei und bedeutete ihnen schließlich, sich zu setzen.

„Ich fürchte, sie werden etwas Geduld haben müssen. Gerade läuft dort noch eine andere Anhörung, aber ich werde mich bemühen, dass euer Fall noch hinten dran geschoben wird.“ Mit der Hand am Türgriff drehte er sich noch einmal um. „Es kann allerdings eine Weile dauern, sie haben erst vor kurzem angefangen“, fügte er noch hinzu, öffnete leise die Tür und verschwand im Gerichtssaal.
 

Seufzend klopfte Severus seine Hose ab – er hatte mangels passender Kleidung die Hose seiner Schuluniform an – und setzte sich auf die Bank neben Lily. Etwas in seiner Tasche gab ein raschelndes Geräusch von sich. Verwundert zog er es heraus und hatte den letzten Brief von seiner Mutter in der Hand.

Lily sah ihm neugierig über die Schulter, überflog kurz den Brief und runzelte die Stirn.

„Das ist aber merkwürdig“, meinte sie.

Severus zuckte überrascht zusammen, sah sie kurz an und schüttelte belustigt den Kopf.

„Nicht wahr? Da schreibt sie schon zum letzten Mal ihrem einzigen Sohn und hat nicht einmal die Güte mir mitzuteilen, was los ist.“

„Das meine ich nicht. Schau mal, hier!“ Sie zeigt auf die letzte Zeile des Briefes, die lautet ‚PS: Wünsche Lily bitte von mir viel Erfolg bei der Alte Runen Prüfung ‘.

„Und was soll daran so komisch sein? Sie hatte dich eben gern.“

„Na… die Tatsache, dass sie genau wusste, dass ich diese Prüfung nicht mitschreiben würde. Sie selbst hatte mir noch vor Schuljahresbeginn geraten, dieses Fach zugunsten anderer abzuwählen.“

Severus hob eine Augenbraue hoch. „Hat sie? Wann denn?“

Lily winkte ab. „Irgendwann in den Sommerferien. Du warst ja die ganze Zeit mit Avery oder Mulciber oder was weiß ich noch wem unterwegs und ich brauchte wem zum Reden, da ich mit diesem Fach überhaupt nicht zurechtkam.“ Sie runzelte die Stirn und überlegte. „Was will sie damit sagen?“

„Vielleicht hat sie es ja vergessen“, meinte Severus halbherzig.

„Das glaube ich nicht … warte mal, sie hatte mir am gleichen Abend noch etwas gezeigt, was ihnen ihr damaliger Alte Runen Professor nebenbei beigebracht hatte. Sie meinte zu mir, das wäre das einzig sinnvolle gewesen, was sie in den fünf Jahren, in denen sie seinen Unterricht besucht hatte, gelernt hat. Einen Versuch ist es wert, schätze ich…“ Sogleich zückte Lily ihren Zauberstab und Severus sah sie erschrocken an.

„Warte. Hältst du das für eine gute Idee? Schließlich sind wir doch gerade wegen unberechtigtem Zaubern hier.“

„Ich denke nicht, dass der Spurzauber hier funktioniert“, wisperte sie zurück. „Dafür sind zu viele andere Zauberer in der Nähe. Außerdem, siehst du hier irgendwo einen Muggel?“, fügte sie dann hinzu und sah sich demonstrativ um. „Hm… ich hoffe ich kriege es noch halbwegs zusammen“, murmelte sie nachdenklich, dann tippte sie den Brief an mehreren Stellen an und sagte ein paar kompliziert klingende Beschwörungen auf. Im ersten Moment geschah nichts, doch schon bald darauf begann die Tinte auf dem Pergament zu zerlaufen und unter Severus‘ erstaunten Blick bildeten sich nach und nach völlig neue, in Eileen Princes ordentlicher Handschrift verfasste Zeilen.
 

Mein lieber Sohn,
 

es tut mir leid, dass ich dir diesen Brief verschlüsselt zusenden muss und hoffe, dass Du und Lily keine allzu großen Schwierigkeiten haben werdet, ihn wieder lesbar zu machen. Zu groß ist meine Angst, dass er in die falschen Hände fallen könnte.

Dennoch ist es mir sehr wichtig, Dir Einiges mitzuteilen und ich hoffe, du kannst deiner alten Mutter vergeben.

Ich fürchte, ich habe mich in dem Versuch, Dir und deinem Vater ein besseres Leben zu ermöglichen, ein wenig übernommen.

Ich war die letzten zwei Jahre im Untergrund tätig und mir gelang es, unter einem falschen Namen das Vertrauen einiger Anhänger von Du-weißt-schon-wem zu gewinnen. Sämtliche Informationen, die ich erhielt verkaufte ich an das Ministerium. Es war leider die einzige Möglichkeit, trotz des extremen Alkoholproblems deines Vaters, Deine Schulbildung zu ermöglichen.

Nun ist man mir jedoch auf die Schliche gekommen und ich sehe mich gezwungen, unterzutauchen. Bitte versuche nicht nach Spinners End zurück zu kommen. Ich musste dafür sorgen, dass man keinerlei Verbindung zu Dir herstellen kann und habe daher, bevor ich ging, Deinen Vater mit einem Verwirrungszauber belegt. Ich fürchte, dass er in seinem Zustand gefährlich sein könnte.

Ich denke jedoch, dass Du in den Sommerferien bei den Evans unterkommen könntest. Dort wärst Du vorerst sicher.

Versuche bitte nicht, mich zu erreichen. Ich melde mich, sobald ich eine sichere Bleibe gefunden habe.
 

In Liebe,
 

Eileen Prince
 

PS: Ich habe für Dich ein Verließ bei Gringotts angelegt und nahezu meine sämtlichen Ersparnisse darin hinterlassen. Ich weiß, es ist nicht besonders viel, doch ich hoffe, Dir damit eine Art Starthilfe geben zu können. Du musst dort lediglich diesen Brief vorzeigen und bekommst dann deinen Schlüssel.
 

Ungläubig starrte Severus noch eine Weile auf diese Nachricht. Seine Hände zitterten. So viele Jahre über hatte er versucht, hinter das Geheimnis des Briefes zu kommen und sämtliche Zauber, die ihm eingefallen waren, darauf angewendet. Wie hätte er wissen sollen, dass ausgerechnet Lily stets des Rätsels Lösung gewesen war?

Lilys großer Auftritt

Es verging noch einige Zeit, in der Lily immer wieder nachgehackt hatte, woher Severus bereits bei der Heimfahrt gewusst hatte, dass seine Mutter verschwunden war. Dieser wich jedoch jedes Mal aus, bis sie schließlich aufgab und stattdessen begann nervös an ihrer Krankenakte herumzufummeln.

„Hör auf mit diesem Geraschel. Es nervt“, herrschte Severus sie nach einer Weile an. Mit einem Seufzen rollte sie die Akte zusammen, stützte ihr Kinn in die Hand und blickte zu Boden.

„Was machen wir, wenn sie uns nicht glauben?“, nuschelte sie. Severus warf ihr einen langen Blick zu.

„Mach dir keine Gedanken. Das wird schon.“

Severus verlieh seiner Stimme einen überzeugenden Klang, obwohl selbst in ihm langsam Panik aufstieg. Sein Blick fixierte die Tür. Wenn er sich nicht irrte – und auf sein Gedächtnis war in der Regel verlass – war es genau dieser Gerichtssaal gewesen, in dem er damals nur knapp, mit Dumbledores Hilfe, den Fängen der Dementoren entkommen war. Der Ort, in dem Avery und Mulciber… Er schluckte. Es behagte ihm ganz und gar nicht, erneut dort hinein zu gehen.

Als die Tür schließlich aufgerissen wurde, zuckten Lily und Severus zusammen. Es traten nur wenige Personen nach draußen, darunter ein ziemlich blasser und verängstigt aussehender Junge, der nach Severus‘ Schätzung allerhöchstens Zweit- oder Drittklässler sein konnte. Begleitet wurde er von einer streng dreinschauenden, hageren Hexe. Im Vorbeigehen warf sie Severus einen missbilligenden Blick zu, fast so als würde sie ihn persönlich für das Missverhalten ihres Sohnes verantwortlich machen.

Kurz darauf erschien erneut der kleine Mann und bedeutete den beiden wartenden, mit hektischen Armbewegungen, hinein zu kommen.

Severus straffte seine Schultern und beeilte sich, dicht gefolgt von Lily, der Forderung nachzukommen.

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er den weitläufigen Kerkerraum hinter der Tür betrat. Es bestand kein Zweifel, es war tatsächlich schon einmal, unter weitaus schlimmeren Umständen, an diesem Ort gewesen. Zu einer Zeit, in der ihm sein eigenes Leben keinen einzigen Knut mehr wert gewesen war. Er blieb einen Moment lang verdattert stehen und spürte sogleich, wie Lily ihn von hinten anrempelte und sich hastig entschuldigte. Nachdenklich schüttelte er leicht den Kopf, bevor er weiter ging. Nein, die Situation heute war etwas völlig Anderes.

Trotz dieser Erkenntnis, stellten sich sämtliche Haare an seinem Körper auf, als er sich unter den bohrenden Blicken aller Anwesenden auf den riemenbesetzten Stuhl in der Mitte des Saales niederließ. Ganz kurz glaubte er sogar zu spüren, wie sich die Ketten bewegten und sich jeden Moment um seine Arme und Beine schlingen würden. Doch sie hatten sich kein bisschen gerührt. Das Zaubergamot hatte keinen Grund, ihn zu fixieren. Das beruhigte ihn ein wenig und er schaute sich im Saal um. Er war voll mit ihm unbekannten Hexen und Zauberern, die ihn neugierig musterten. Auf einer der vordersten Bänken saß ein, etwas dicklicher, in einen besonders kostspielig aussehenden Umhang gekleideter Mann, den Severus nach einiger Überlegung als den damaligen Zaubereiminister Harold Minchum erkannte. Wenn er sich recht erinnerte, war es diesem nur für eine relativ kurze Zeit gelungen, im Amt zu bleiben.

Die Tür zum Gerichtssaal wurde erneut aufgerissen und niemand anderes als Samantha, die als Sekretärin in der Abteilung für unbefugte Zauberei tätig war, kam herein. Ihre Absätze klackerten auf dem Steinboden, als sie stolzen Blickes und mit betont schwingenden Hüften herein stolzierte, was bei ihrer Figur eher hölzern als feminin wirkte. Sie ging direkt auf den Minister zu und drückte ihm eine dünne Akte in die Hände.

„Ah, und da sind auch schon die Falldokumente. Herzlichen Dank, Liebes.“ Er warf ihr ein strahlendes Lächeln zu und Severus kam nicht umhin, bei diesem Anblick die Augen zu verdrehen. Sein Umgang mit der Sekretärin erschien im höchsten Maße unprofessionell.

Der Zaubereiminister breitete die Dokumente vor sich aus, räusperte sich kurz und begann, mit einer ruhigen, magisch verstärkten Stimme zu sprechen.

„Außerplanmäßige Sitzung des Zaubergamots am 28. August 1976, Beginn um achtzehn Uhr neunzehn…“

Samantha hatte sich inzwischen auf einer der vorderen Bänke niedergelassen, ein Pergament samt Feder aus ihrer Umhangstasche herausgeholt und schrieb hastig mit. Der Minister fuhr derweil fort, alle Anwesenden namentlich zu nennen, wobei Severus kaum zuhörte. Nur ein Name erregte kurzzeitig seine Aufmerksamkeit.

„…Das Protokoll führt Samantha Ignis Minchum.“

Nun, somit wäre auch die Frage, wie es ihr gelingen konnte, an einen Job im Zaubereiministerium zu gelangen, auch beantwortet, dachte Severus und gluckste im nächsten Moment leicht. Es musste ganz schön bitter für einen so hochangesehenen Zauberer sein, ausgerechnet eine Squib zur Tochter zu haben.

 

Nachdem Harold Minchum seine Einführungsrede beendet hatte, überflog er kurz die Dokumente und richtete seinen Blick erneut auf Severus. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas genervt-gelangweiltes.

„Nun, Mister Snape. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum Sie unsere kostbare Zeit vergeuden. Sämtliche Beweise deuten darauf hin, dass Sie wider besseren Wissens einen direkten Angriff auf einen wehrlosen Muggel verübt haben.“ Seinen Worten folgte ein kollektives Aufseufzen. „Und anschließend sind Sie mittels einem nicht genehmigtem Apparrierungszauber vom Ort des Geschehens geflüchtet. Für mich sieht dieser Fall ziemlich klar aus“, sagte er und gähnte. „Mr. Bennet?“, rief er nach einer kurzen Pause.

„J..Ja?“, kam die Antwort von einer Severus bereits bekannten Stimme. Es war der Schnauzbartträger, der ihn und Lily zum Gerichtssaal gebracht hatte.

„Würden Sie Mr. Snape bitte seinen Zauberstab abnehmen? Warum wurde dieser nicht bereits durch Ihre Abteilung beschlagnahmt? Ich denke, wir sind fertig für heute.“ Schon während er sprach, fing er an zusammenzupacken.

 „Wie bitte? Wehrlos?“, erklang plötzlich eine aufgebrachte Stimme hinter Severus. Er drehte sich um und sah, dass Lily von ihrem Platz aufgestanden war und den Zaubereiminister wütend anfunkelte. Sie hatte vor Aufregung die Fäuste geballt. „Was denken Sie, was der besagte Muggel in jenem Augenblick getan hat? Uns Tee serviert?“ Ihr Tonfall mochte unpassend sein, besonders angesichts des Regierungsführers der britischen Zauberergesellschaft, und doch erfüllten ihre Worte Severus mit Stolz.

Minchum erstarrte mitten in der Bewegung – er war gerade dabei gewesen, die letzten Dokumente in einer Mappe zu verstauen. Er blickte sie an und stützte dann mit einem genervten Seufzen seinen Kopf in die Hand.

„Und Sie sind?“, fragte er.

„Lily Evans. Ich war bei dem Zwischenfall dabei.“ Trotz der unfreundlichen Reaktion des Zaubereiministers klang ihre Stimme fest.

„Ich denke nicht, dass es etwas an der Situation ändert …“, versuchte Minchum abzuwehren, klang jedoch etwas verunsichert.

„Und ob es das tut!“ Jetzt hatte Lily auch das letzte bisschen Beherrschung verloren. Sie stampfte quer durch den Saal auf den Tisch des Ministers zu und knallte ihm ihre Krankenakte offen auf den Tisch. „Hier! Schauen Sie mal, wie wehrlos dieser Muggel war. Er hatte uns angegriffen.“ Sie deutete auf die Zeilen, in der ihre Verletzungen in medizinischer Akribie beschrieben waren. 

Widerwillig besah der Minister die Akte und in seiner Stirn zeichneten sich tiefe Falten ab.

Severus musste leicht schmunzeln. Lily war es doch tatsächlich gelungen, den Zaubereiminister persönlich einzuschüchtern. Alle Augen im Raum waren nur noch auf die beiden gerichtet, er selbst war völlig aus dem Fokus verschwunden. Selbst Samantha starrte mit offenem Mund auf Lily und hatte ihre Schreibfeder längst vergessen.

„Ihr wurdet angeschossen?“, fragte Minchum schließlich und sah Lily verwundert an.

Sie nickte. „Und wenn Severus nicht so schnell reagiert hätte, würde ich jetzt die Radieschen von unten betrachten“, fügte sie mit kühler Stimme hinzu. „Soweit ich weiß, ist es minderjährigen Zauberern in Notlagen, selbst in Anwesenheit von Muggeln, erlaubt zu zaubern, oder irre ich mich da?“ Jetzt hatte ihre Stimme etwas Triumphierendes an sich.

Einige der Anwesenden nickten bestätigend und ein immer lauter werdendes Gemurmel erfüllte den Saal.

„Ich bitte um Ruhe!“, rief der Minister und schlug mit einer Faust auf den Tisch. „Wissen Sie“, begann er, als die Anwesenden sich wieder beruhigt hatten. „Es mag sein, dass der…“ – er durchblätterte noch einmal kurz die Unterlagen – „…Körperklammerzauber durchaus berechtigt war, aber, und verzeihen Sie mir meine Neugier, wie kommt ein Fünftklässler dazu, apparieren zu können? Und dazu auch noch seit-an-seit mit einer bewusstlosen Hexe?“

„Ähm…“, Lily sah verunsichert zum Anklagestuhl rüber. Minchum setzte ein Lächeln auf, das Severus und Lily gleichermaßen erschaudern ließ. Samantha fing wieder an, hastig etwas auf ihr Pergament zu kritzeln.

Severus schluckte schwer. Hierfür hatte er keine plausible Erklärung.

Noch während er fieberhaft nach einer Ausrede suchte, die sich nicht so unglaubwürdig wie die Wahrheit anhörte, erklangen hastige Schritte hinter der Tür und schon im nächsten Moment wurde sie aufgerissen. Herein kam niemand anderes als Albus Dumbledore. Hinter ihm stolperte eine Hexe herein, die den Zaubereiminister entschuldigend zulächelte. Offenbar war es ihr nicht gelungen, den Schulleiter von Hogwarts davon abzuhalten, den Gerichtssaal zu stürmen.

„Dumbledore? Was tun Sie denn hier?“ Der Zaubereiminsiter sah ihn, nun völlig aus dem Konzept gebracht, erstaunt an.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass einer meiner Schüler ungerechtfertigt suspendiert wurde. Da wollte ich mir das Ganze mit eigenen Augen ansehen. Das ist doch sicherlich kein Problem für Sie.“ Die Stimme des Schulleiters war ruhig, dennoch schwang in ihr ein Ton mit, der keinen Widerspruch duldete. Der Zaubereiminister erbleichte. „Und verzeihen Sie mir die Verspätung“, fügte Dumbledore mit einem Lächeln hinzu. „Wie bereits erwähnt, habe ich soeben erst von diesen Umständen erfahren. Und das auch nur, weil ich einen kleinen Plausch mit meiner guten Bekannten in St. Mungos geführt habe. Wie kommt das Ministerium eigentlich dazu, meine Schüler zu suspendieren, ohne mir Bescheid zu geben?“

„Da muss es wohl Probleme mit der Briefeule gegeben haben…“, murmelte Minchum irritiert, doch Dumbledore winkte ab.

„Wie dem auch sei. Fahren Sie fort.“ Der Schulleiter, die Ruhe selbst, setzte sich auf eine der hinteren Bänke und sah den Minister gespannt an.

Der Minister räusperte sich und brauchte einen Moment, um sich wieder zu sammeln. „Nun, wo war ich? Achja.“ Er sah direkt zu Severus. „Ich habe Sie gerade gefragt, woher Sie in ihrem Alter das Wissen haben, um apparieren zu können.“

Zu seinem sichtbaren Unmut und zu Severus‘ großer Verwunderung mischte sich in diesem Moment erneut Dumbledore ein.

„Ich denke, dies kann ich Ihnen erklären. Ich selbst habe diesem Schüler das Apparieren beigebracht. Er erschien mir sehr begabt in dieser Hinsicht zu sein“, sagte er lächelnd. Severus sah ihn mit großen Augen an. Wovon zur Hölle redete Dumbledore da?

„Denken Sie nicht, dass ein Fünftklässler ein wenig … uhm … zu jung für diese Art von Zauberei ist?“, kam von einer der anwesenden Hexen aus dem Zaubergamot.

„Denken Sie nicht, dass ich als Schulleiter durchaus in der Lage bin, die geistige Reife meiner Schüler selbst einschätzen zu können?“

„Aber es ist dennoch ein Vergehen, ohne Apparierlizenz zu…“, begann Minchum, doch Dumbledore schnitt ihm das Wort hab.

„Papperlapapp. Wen kümmern Lizenzen, wenn es um Leben oder Tod geht? Aus meiner Sicht hat Mr. Snape das einzig Richtige in besagter Situation getan.“

 

Es ging noch eine ganze Weile hin und her, doch schließlich musste der Zaubereiminister einlenken. Murrend zerriss er vor Augen aller Anwesenden die Anklageschrift und marschierte aus dem Saal. Es war ihm anzusehen, dass ihm die ganze Situation höchst unangenehm war. Offenbar hatte er gehofft gehabt, den ganzen Fall schnell hinter sich bringen zu können ,um anschließend den Feierabend zu genießen.

 

Severus und Lily waren mit die Letzten, die den Gerichtsraum verließen. Etwas abseits der Tür blieben sie schließlich stehen.

„Lily… Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Du warst großartig! Danke…“, sagte Severus aufrichtig und sah ihr in die Augen.

„Ich konnte einfach nicht anders. Was ist schon ein Zauberer ohne seinen Zauberstab? Und außerdem…“ Sie biss sich nervös auf die Unterlippe, lächelte ihn dann an und überbrückte die Entfernung zwischen ihnen mit nur einem Schritt. Noch ehe Severus sich versah, hatte sie die Arme um seinen Hals geschlungen. „Wäre Hogwarts einfach nicht dasselbe ohne dich“, murmelte sie an seiner Brust.

Es vergingen einige Sekunden, bis Severus imstande war, ihre Umarmung zu erwidern. Bei Merlin, wie gut sie roch! Er drückte sie fest an sich und nahm mit geschlossenen Augen all die Sinneseindrücke auf, die auf ihn einprasselten – den süß-herben Duft ihrer Haut, ihr Haar, das sein Gesicht kitzelte, die weiche Haut ihrer Arme, die locker auf seinen Schultern ruhten. Irgendwo am Rande seines Verstandes registrierte er außerdem die weiche Rundung ihrer Brust, die gegen seinen Bauch drückte und sein Herz höher schlagen ließ. Als sie sich schließlich von ihm löste, ging sein Atem deutlich schneller und er dankte im Stillen dem Himmel dafür, dass sie es nicht zu bemerken schien.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass Dumbledore ihm zuzwinkerte.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Meine eigenen, dummen Gedanken beim Schreiben:
[...] Plötzlich ging ein starker Ruck durch seine gesamte Umgebung und er hörte die Decke über sich bedrohlich knarren.
UUUUND der Elefant ist gelandet! Applaus, Applaus ... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Übrigens: das hat man davon wenn man es zulässt, dass Freunde einem beim Schreiben über die Schulter schauen ... man wird MSTet noch bevor das Kapitel fertig oder auch nur ansatzweise überarbeitet ist xD

Beispiel: [...] deren Hand auf seiner Brust ruhte. Abseits seines Blickfeldes hatte sich ein Jugendlicher niedergelassen und betrachtete gespannt das Geschehen.
Harry: *mampf mampf* *mit Chipstüte in den Händen gechillt in der Ecke hock* *glubsch* *kau kau*

Ohne Worte ... xD Diese Textstelle habe ich dann gründlich überarbeitet ..... Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (31)
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Von:  Omama63
2017-03-27T09:03:27+00:00 27.03.2017 11:03
Gut, dass Dumbledore gekommen ist, denn das mit dem Apparieren hätte er bestimmt nicht erklären können.
Minchum hätte Severus gar nichts erklären lassen, wenn Lily nicht so energisch eingegriffen hätte.
Ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie missmutig Minchum, die Anklageschrift zerrissen hat.
Severus ist ganz heiß geworden, als ihn Lily umarmt hat.
Ich hoffe, dass es hier für Severus ein Happy End gibt.

LG
Omama63
Antwort von:  StarCat
27.03.2017 11:53
Lieben dank für deinen Kommentar.
Ja der gute alte Dumbledore hatte ja schon immer ein Händchen für gute Auftritte. :) Und ja, Minchum hat sich alles andere als vorbildlich/professionell verhalten. Da ist es gut, dass Severus jemand wie Lily an seiner Seite hatte.
Liebe Grüße

StarCat
Antwort von:  StarCat
27.03.2017 11:55
Und die Umarmung hatte Severus nach den letzten Strapazen wirklich gebraucht. ^^
Von:  Omama63
2017-03-20T08:57:36+00:00 20.03.2017 09:57
Ein super Kapitel.
Severus Mutter lebt also noch. Das finde ich super. Vielleicht kann Severus seine Zukunft so beeinflussen, dass seine Mutter überlebt.
Lily traut sich. Zaubert, ob wohl sie wegen dem Zaubern von Severus da sind.
Apparieren kann der alte Severus. Mich wundert ja, dass er nicht öfters zaubert, da er es ja gewohnt ist zu Zaubern, weil er es sein langes Leben lang getan hat.
Bin schon gespannt, was das Zaubergamot zu Severus Zaubern sagt.

LG
Omama63
Antwort von:  StarCat
22.03.2017 16:28
Severus würde gerne öfter zaubern, allerdings darf er es in seinem sechzehnjährigen Ich ja nicht. Aber stimmt schon, es muss eine heftige Umstellung gewesen sein. :)
Lieben Dank für deinen Kommentar. ^^
Von:  Omama63
2017-03-11T15:36:40+00:00 11.03.2017 16:36
Das war knapp.
Severus kann einem nur leid tun. Kein Geld, so einen Vater und dann darf er nicht mal mehr nach Hogwarts.
Er sollte Widerspruch einlegen, denn es kann doch nicht sein, dass er zusehen soll, wie sein Vater Lily erschießt und dann abwarten soll, bis er dran ist.
Ich hoffe, dass er nach Hogwarts darf.
Bin schon gespannt, wie es weiter geht.

LG
Omama63
Antwort von:  StarCat
11.03.2017 18:46
Lieben Dank dafür, dass du immer so fleißig kommentierst! :) Das hilft mir wirklich sehr.
Ich muss zugeben, ich bin mit der Formulierung des Briefes nicht ganz glücklich und hoffe, dass mein Betaleser da noch was gerissen bekommt. XD Das mit dem Widerspruch klingt mehr nach Beamtendeutsch als es sollte.
Aber keine Sorge, Severus wird sich auf alle Fälle darum kümmern, wieder nach Hogwarts zu dürfen. Schließlich ist "seine" Lily ja auch da. :)
Von:  Omama63
2017-03-03T11:54:07+00:00 03.03.2017 12:54
Wie kannst du nur an so einer Stelle nur aufhören.
Es wäre besser gewesen, wenn sie erst nachgesehen hätten, ob er zu Hause ist.
Du wirst Lily doch nicht sterben lassen, oder?
Bin schon gespannt, wie es weiter geht.

LG
Omama63
Antwort von:  StarCat
03.03.2017 16:14
Ich freue mich, dass du nach über drei Jahren noch diese Fanfiction verfolgt hast. :)
Leider war Severus vollkommen davon überzeugt, dass sein Vater nicht zuhause sein würde - obwohl er ja eigentlich schon wegen dem Zustand der Wohnung (abgestellter Strom etc) hätte merken können, dass etwas nicht stimmt.
Über diesen Leichtsinn wird er sich in den folgenden Kapiteln noch ziemlich ärgern.
Und wegen dem Cliffhanger: Ja, ich weiß ich bin böse. xD Lag aber eher daran, dass das Kapitel sonst locker doppelt so lang wäre, wenn ich die "Auflösung" noch mit rein genommen hätte. Daher lieber zwei Kapitel daraus machen und bei meiner üblichen Länge bleiben.
Aber ich kann dich beruhigen, Lily wird natürlich nicht sterben. Wäre sonst eine ganz schön traurige Rest-Fanfiction wenn man bedenkt, dass noch locker 12 weitere Kapitel kommen werden. :)

Danke schön für deinen Kommentar :)
Von:  jane-pride
2013-08-24T15:25:08+00:00 24.08.2013 17:25
Dann ist alles noch mal gut gegangen. Zum Glück tauchte ihr Vater keine drei Sekunden früher auf.
Der Traum war richtig schrecklich. Armer Severus. Hoffentlich muss er das nicht noch mal durchstehen.

jane-pride
Von:  WendyAleina
2013-08-19T11:59:53+00:00 19.08.2013 13:59
Total tolle Fanfic :) sehr in character und vor allem auch im Handlungsstrang total logisch und gut durchdacht! ^-^ Klasse.
Von:  Omama63
2013-08-19T10:49:58+00:00 19.08.2013 12:49
Ein klasse Kapitel.
Das ist ja gerade noch mal gut gegangen. Wenn ihr Vater 5 Minuten früher reinkommt, dann hätte es bestimmt ein Donnerwetter gegeben.
Der Traum war grausam. Der Spinner, lässt Severus auch noch zusehen, wie er Lily umbringt.
Bin schon gespannt, wie es weiter geht.
Von:  jane-pride
2013-08-14T16:56:16+00:00 14.08.2013 18:56
Dann wünsche ich den beiden, dass ihr Vater nicht auf diese Idee kommen wird.
Ein sagenhaftes Kapitel! Die Idee mit dem Traum finde ich sehr gut, es hinterlässt viel Interpretationsfreiraum. Also, stiylistisch, wie immer, ganz gut gelungen. Auch die Länge der Kapitel sagen mir zu. Alles Wichtige ist immer vorhanden und ausführlich erklärt. Man kann der Geschichte angenehm folgen.

jane-pride
Von:  Omama63
2013-08-11T08:17:28+00:00 11.08.2013 10:17
Ein klasse Kapitel.
Da hat Severus bestimmt von Lilys Tot geträumt.
Ja ich denke auch, dass Lilys Vater da was falsch verstehen könnte, wenn sie bei Severus schläft. Hoffentlich entdeckt sie ihr Vater nicht bei Severus im Bett, denn sonst muss sich Severus bestimmt eine andere Bleibe suchen.
Bin schon gespannt, ob Lily rechtzeitig aufwacht.
Von:  jane-pride
2013-08-10T13:35:34+00:00 10.08.2013 15:35
Da hat Severeus wirklich Glück gehabt! Jetzt kann er endlich seiner großen Liebe näher kommen. Hoffentlich vermasselt er es nicht. Und Lily kann ich sehr gut verstehen. Wer möchte schon bei solchen Idioten sitzen, wie James und Sirius.

Gruß, jane-pride


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