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Eine Chance auf Glück?

~ Severus Snapes zweites Leben ~
von

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Die schlimmste Erinnerung

Im Grunde war es immer der gleiche Traum. Mit nur minimalen Abweichungen erlebte er immer wieder aufs Neue die schlimmsten Stunden seines Lebens. Auch der Traum, den er in dieser Nacht hatte, unterschied sich zunächst nicht von den anderen.
 

Ein eisiger Wind, gar untypisch für diese Jahreszeit, pfiff durch eine zersplitterte Fensterscheibe in die kleine Wohnung in Spinners End. Das Innere war genauso trostlos wie die graue und trübe Umgebung rund um das Haus. Keine Spur von Wärme oder gar Geborgenheit war dort zu finden. Die raue Tapete war durchweicht und stellenweise abgeblättert. Die Wände, die dadurch zum Vorschein kamen waren übersät von schwarzen Schimmelsporen. Selbst der alte, fleckige Teppich schien beinahe zu leben, so viele Organismen hatten darin Platz gefunden.

Der einzige Bewohner dieser heruntergekommenen vier Wände kümmerte sich nicht um den fortschreitenden Verfall. Reglos saß er auf dem mottenzerfressenen, alten Sofa und sah ohne auch nur zu blinzeln, auf einen Kalender, den er in den Händen hielt. Es war, als hoffte er, das Datum ändern zu können, wenn er nur lang genug darauf starrte. Er zitterte leicht, jedoch nicht wegen der beißenden Kälte um ihn herum. Eine panische Angst hatte von ihm Besitz ergriffen. Er hatte keine Angst um sich, oh nein, sein eigenes Wohlbefinden war ihm schon seit langer Zeit nur noch zweitrangig.

„31. Oktober, Halloween...“, flüsterte er tonlos. Es bestand kein Zweifel. Heute war es soweit. Der Tag, vor dem er sich nun so lange gefürchtet hatte. Der dunkle Lord hatte angekündigt, an diesem Abend zuzuschlagen und er, Severus, hatte keine Möglichkeit es zu verhindern. Er war noch nicht einmal in der Lage, sie zu warnen. Der Fidelius ließ jegliche Kontaktversuche im Keim ersticken. Es war die pure Ironie, dass der Zauber, der sie schützen sollte, ihren Untergang besiegelt hatte. Wahrscheinlich hätte sie ihm jedoch nicht einmal zugehört, selbst wenn es ihm irgendwie gelungen wäre, sie zu erreichen. Für sie war er nichts als ein Todesser, in ihren Augen daher Abschaum.

Wie aufs Stichwort begann das Mal an seinem linken Unterarm zu brennen. Der Dunkle Lord rief ihn – doch wieso? Das Brennen wurde stärker, er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Er verließ eilig die Wohnung, die er eigenhändig mit einer Appariersperre versehen hatte, und disapparierte. Was er gleich darauf sah, raubte ihm die Luft.

Er fand sich in einem weitläufigen Wohnzimmer wieder, jedenfalls ließen ihn die wenigen noch erhaltenen Möbelstücke erahnen, dass es mal ein Wohnzimmer gewesen sein konnte. Alles um ihn herum war verwüstet und deutete auf einen erbitterten Kampf hin, der in diesem Raum stattgefunden haben musste. Der Kamin war erloschen, nur noch einzelne Kohlestückchen glühten müde vor sich hin. Ein massiver, schwer aussehender Couchtisch war in der Mitte entzwei gebrochen, daneben lag eine zerbrochene Keramikvase um die herum sich eine Wasserlache auf dem Teppich gebildet hatte. Rosenblätter, die sonst eine romantische Symbolik hatten, erinnerten in dieser Umgebung vielmehr an Bluttropfen. Direkt zu seinen Füßen lag James, seine leblosen Augen weit geöffnet, der starre Blick zur Decke gerichtet. Die zersplitterte Brille lag neben ihm auf dem Boden. Severus schluckte die Magensäure, die sich bei diesem Anblick den Weg nach oben gebahnt hatte, hinunter. Wie oft hatte er diesem Mann den Tod gewünscht? Doch jetzt, als er ihn so sah, erfüllte es ihn nicht mit Genugtuung. Er wusste nur zu gut, was es zu bedeuten hatte.

„Wie nett, dass du mir Gesellschaft leistest, Severus“, erklang eine leise, zischende Stimme in seiner Nähe. Er hob den Kopf und sah den Besitzer dieser Stimme nur wenige Meter von sich entfernt auf dem Treppenabsatz stehen. Seine Umgebung und vor allem der Anblick von James hatten ihn so sehr abgelenkt, dass er ihn zunächst nicht bemerkt hatte. Es wäre vergeblich, in dem Gesichtsausdruck dieses Mannes vor ihm nach Spuren von Menschlichkeit zu suchen. Sein Blick war kalt, die schmalen Lippen zu einem verächtlichen Lächeln verzogen. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass dir ziemlich viel an diesem dreckigen, kleinen Schlammblut liegt. Da wäre es doch überaus schade, wenn du dich nicht von ihr verabschieden könntest, meinst du nicht auch?“

Bevor Severus etwas sagen oder auch nur seinen Zauberstab ziehen konnte, richtete Voldemort seinen Zauberstab auf ihn und sprach einen Fluch, der es ihm fortan unmöglich machte, auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Er war zu einer Salzsäule erstarrt. „Verstehe mich bitte nicht falsch“, sprach der dunkle Lord derweil ungerührt weiter und verlieh seiner Stimme dabei einen zuckersüßen Klang, der seine Worte zusätzlich makaber machte. „Ich weiß deine Fähigkeiten in den dunklen Künsten sehr zu schätzen. Allerdings kann ich mit einem Diener, der sich derart von einer kleinen Schwäche leiten lässt, nur wenig anfangen. Sei gewiss, eines Tages wirst du mir noch dafür danken.“ Von oben erklang ein polterndes Geräusch und Voldemort lachte auf. „Ach, wie unhöflich von mir! Wir sollten sie nicht länger warten lassen.“

Erneut schwenkte er mit seinem Zauberstab und sprach dabei einen Zauber aus der dafür sorgte, dass Severus, wie ein Heißluftballon wenige Zentimeter über dem Boden schwebend, die Treppe hochflog. Voldemort lief gemütlich neben ihm und hielt seinen Zauberstab auf ihn gerichtet. Noch immer konnte Severus sich weder rühren, noch einen Ton herausbringen. So musste er diese Prozedur stumm über sich ergehen lassen und hoffte nur, sein Verstand möge sich ausschalten. Dem, was jetzt passieren würde, wollte er auf keinen Fall beiwohnen müssen. Die Treppe knarrte, als sie die letzten Stufen erklommen und nur wenige Augenblicke später fanden sie sich vor einer verschlossenen Zimmertür wieder. Severus gab sich einen Moment lang der idiotischen Hoffnung hin, eine einfache Holztür könnte den Dunklen Lord irgendwie aufhalten. Dieser deutete jedoch nur kurz mit seinem Zauberstab darauf und die Tür sprang aus den Angeln und fiel scheppernd in den dahinterliegenden Raum. Darauf folgte ein überraschter Schrei, bei dem sich Severus' Nackenhaare aufstellten. Voldemort ließ ihn wie ein unnützes Möbelstück im Eingang stehen und drängte sich an ihm vorbei in den Raum, den Lilys angsterfüllte Stimme sogleich ausfüllte.

„Nicht Harry… Bitte nicht, nimm mich, töte mich an seiner Stelle. Bitte… Bitte verschone ihn.“

Severus traute seinen Ohren kaum. Lily flehte den Dunklen Lord um das Leben ihres Sohnes an, und das obwohl dies der einzige Grund war, wieso dieser überhaupt hierher gekommen war. Sie war sogar bereit, sich selbst dafür zu opfern. Er hörte Voldemort vor sich laut lachen, dann ging dieser zur Seite und Lilys Blick fiel auf ihn. Sie schien gar nicht zu merken, dass er keineswegs aus freien Stücken hier war. Der stumme Blick, den sie ihm zuwarf war voller Hass und versetzte ihm einen so heftigen Stich, dass er kurz glaubte an Ort und Stelle zu sterben. Das Schicksal meinte es jedoch nicht gut mit ihm. Sein Herz schlug nach diesem kleinen Aussetzer unbeirrt weiter und schien ihn mit jedem Schlag zu verspotten.

„Du törichte Göre“, höhnte Voldemort derweil, „Nun gut, wenn dir dein eigenes Leben so wenig wert ist – dann wirst du eben auch sterben.“

Severus war nicht imstande auch nur seinen Blick abzuwenden, als der Dunkle Lord seinen Zauberstab auf Lily richtete und den unverzeihlichen Fluch aussprach. Der grüne Lichtstrahl, der sogleich aus der Spitze herausbrach blendete Severus für einen kurzen Moment.

Er wünschte sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als statt Lily auf der anderen Seite des Stabes zu stehen. Das dumpfe Geräusch, mit dem Lilys lebloser Körper auf dem Boden aufschlug, verursachte ihm Übelkeit. Dies war um ein Vielfaches mehr, als er ertragen konnte. Dennoch war er immer noch gezwungen, reglos mitanzusehen wie Voldemort sein Werk vollendete.

„Das war ja leichter, als einem Kind die Süßigkeit zu stehlen. Wie armselig.“, sprach er, richtete seinen Zauberstab dann auf den kleinen, schwarzhaarigen Jungen, der in einem Kinderbett vor ihm saß und ihn mit großen Augen stumm ansah, offenbar nicht in der Lage, das eben Geschehene zu begreifen.

„Avada Kedavra!“

Erneut wurde der Raum von einem grünem Lichtstrahl erleuchtet, dieses Mal schien er jedoch an seinem Ziel abzuprallen und fiel zurück auf seinen Erzeuger, der sogleich zusammensackte. In dem Moment, in dem Voldemort seinen letzten Luftzug nahm, wurde Severus von seiner Erstarrung gelöst. Als er nicht mehr von dem Zauber festgehalten wurde, gaben seine Knie nach und er sackte zu Boden.

Die Stille, die darauf folgte, schmerzte in seinen Ohren. Kein einziges Geräusch konnte ihn von seinen eigenen Gedanken ablenken, die viel zu laut in seinem Kopf erschallten. Es war seine Schuld. Es war alles seine Schuld. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre sie jetzt noch am Leben. Nicht nur, dass er die Prophezeiung ausgeplaudert hatte, noch bevor er selbst verstanden hatte um wen es darin ging. Mit seiner idiotischen Bitte, Lily am Leben zu lassen, hatte er Voldemort überhaupt erst das Motiv gegeben, sie umzubringen. Würde sie jetzt noch leben, wenn er sich nicht eingemischt hätte?

Endlich, endlich schien sein Verstand nachzugeben. Er hatte das Gefühl, in einem tiefen Loch zu versinken, die Luft kam ihm eiskalt und irgendwie dickflüssig vor und er konnte kaum noch atmen. Es war, als würde er in einen Sumpf hineingezogen werden. Es war ihm jedoch egal. Nichts zählte mehr. Alles, was ihm in seinem Leben etwas bedeutet hatte, hatte er vor wenigen Augenblicken verloren. „MÖRDER! VERRÄTER!“, schrien ihn die Stimmen in seinem Kopf an und er war ihnen vollkommen ausgeliefert. Sein Brustkorb schmerzte wegen dem zu schnellen Herzschlag, seine Augen brannten.

Plötzlich spürte er warme Hände, die nach ihm griffen. Ihn sanft, fast zärtlich berührten. Wie konnte das sein? Er war doch ein Verräter, ein Mörder. Dennoch waren da Finger, die ihm über den Kopf strichen, ihm eine Träne aus dem Augenwinkel wischten. Dazu eine Stimme, deren Klang sein Herz erweichte.

Als er sanft gepackt und langsam nach oben aus der Dunkelheit gezogen wurde, ließ er es nur allzu bereitwillig geschehen, reckte seinen Körper der darauf folgenden Umarmung entgegen. Er umfing sie mit seinen Armen und war berauscht vor Glück und Erleichterung. Es schien ihm so real, dass er sogar den Duft ihrer Haare wahrnehmen konnte.

„Lily... Oh Lily“, murmelte er und drückte sie fest an sich. Er hoffte so sehr, dass dieser wunderschöne Traum niemals enden möge. Erneut hörte er ihre Stimme, die ihm versicherte, dass alles gut werden würde. So gerne wollte er das glauben.
 

Es wurde Morgen und obwohl er sich dagegen sträubte, wurde er langsam wieder wach. Er begann seine Umgebung wahrzunehmen. Sonnenstrahlen, die seine Haut wärmten, den etwas rauen Stoff des Kissens, auf dem sein Kopf ruhte.

Er wollte seine Augen nicht öffnen. Hielt sich verzweifelt an dem Traum fest, den er gerade noch hatte. Den ersten schönen Traum nach all diesen Albträumen, die ihn nun schon viel zu lange gequält hatten.

Sie war da gewesen. Lily... Sie war zu ihm gekommen und hatte ihn in ihren Armen gehalten. Es war ihm alles so unglaublich real vorgekommen. Er versuchte, sich jede Berührung erneut ins Gedächtnis zu rufen um sie für immer dort abzuspeichern. Um in den vielen, weniger schönen Momenten in seinem Leben einen Trost zu haben. Das Glücksgefühl, das diese Umarmung in ihm ausgelöst hatte ließ sich mit kaum etwas, was er jemals erlebt hatte, vergleichen. Nur ein einziges Mal in seinem Leben war er ähnlich glücklich gewesen. Als Lily und er noch Kinder waren, hatte er ihr bei etwas geholfen – er konnte sich nicht mehr an die genauen Umstände erinnern. Aus Dankbarkeit war sie ihm in den Arm gefallen. Eben diese Erinnerung war es, die er seitdem hervorholte, wann auch immer er einen Patronus brauchte.

Es erklang ein leises Geräusch – was war das? Severus lauschte angestrengt. Da war es wieder – ein leises, schlaftrunkenes Murmeln, genau vor ihm. Etwas widerstrebend öffnete er die Augen und hielt sogleich die Luft an.

Sie lag neben ihm, ihr rotes Haar war über das Kissen verteilt, einige Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und er konnte sehen, dass sie sich hinter den verschlossenen Liedern leicht bewegten. Offenbar träumte sie gerade. Er wagte kaum sich zu rühren, aus Angst, sie könnte aufwachen. Wann hatte er das letzte Mal die Möglichkeit, sie so genau zu betrachten? Er sog jede auch nur noch so kleine Einzelheit in sich ein. Jede Sommersprosse in ihrem hellen Gesicht. Die kurzen, flaumigen Härchen an ihren Mundwinkeln. Ihre blassen, leicht geöffneten Lippen. Severus ließ seinen Blick an ihr entlang gleiten. Sie lag auf der Seite, das Gesicht zu ihm gewandt. Beide Arme hatte sie unter dem Kopfkissen vergraben.

Ein unbändiges Verlangen sie zu berühren, ihre Haut erneut an seiner zu spüren ließ ihn eine Hand nach ihr ausstrecken. Seine Finger zitterten und er ließ die Hand einen Moment lang wenige Millimeter über ihrem Gesicht verweilen. Ihr Atem strich über seine Haut. Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Augenlider flatterten leicht und er zog seinen Arm erschrocken zurück.

Sie öffnete die Augen und sah ihn kurz verschlafen an. Dann lächelte sie.

„Guten Morgen, Sev. Eine komische Nacht, was“, sagte sie, setzte sich dabei auf, strich sich die Haare nach hinten und rieb sich die Augenwinkel.

„Morgen... Lily.“

Es fühlte sich komisch an, ihren Namen auszusprechen. Wie kam es, dass sie hier bei ihm war? Hatte er letztendlich doch nicht geträumt? Er traute sich nicht, sie darauf anzusprechen.

Etwas umständlich stieg sie derweil über ihn hinweg, stand auf und streckte sich.

„Ich schau mal, was es so zu essen gibt. Man habe ich vielleicht einen Hunger“ Wie zur Bestätigung gab ihr Magen ein lautes Brummen vor sich. Lily kicherte leise, dann lief sie zur Zimmertür. Als sie die Hand nach der Klinke ausstreckte, öffnete die Tür sich scheinbar von allein und ihr Vater erschien im Eingang.

„Nanu, was machst du denn hier?“, fragte er Lily.

„Ich – ähm – habe Severus nur mal eben geweckt“, stammelte sie und drückte sich an ihm vorbei. Ihr Vater sah ihr kurz nach und zuckte dann mit den Schultern.

Severus begrüßte ihn und beeilte sich dann, ihr zu folgen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jane-pride
2013-08-24T15:25:08+00:00 24.08.2013 17:25
Dann ist alles noch mal gut gegangen. Zum Glück tauchte ihr Vater keine drei Sekunden früher auf.
Der Traum war richtig schrecklich. Armer Severus. Hoffentlich muss er das nicht noch mal durchstehen.

jane-pride
Von:  Omama63
2013-08-19T10:49:58+00:00 19.08.2013 12:49
Ein klasse Kapitel.
Das ist ja gerade noch mal gut gegangen. Wenn ihr Vater 5 Minuten früher reinkommt, dann hätte es bestimmt ein Donnerwetter gegeben.
Der Traum war grausam. Der Spinner, lässt Severus auch noch zusehen, wie er Lily umbringt.
Bin schon gespannt, wie es weiter geht.


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