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Das Dilemma der Puppenmacher

Eine Megamind-Fanfiction
von

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Der Besuch

Es war ein heißer Samstagnachmittag in Metro City. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten ... und ein ziemlich nervös aussehender Ex-Superschurke saß in der Wohnung seiner Freundin auf dem Sofa und klappte bestimmt zum fünfzehnten Mal den Kragen seines Hemdes nach oben.

"Kannst du deinen Kragen nicht mal so lassen wie er sein sollte?", fragte Roxanne und richtete das Kleidungsstück wieder.

"Er war so wie er sein sollte, ehe du ihn plattgedrückt hast." Megamind seufzte theatralisch. "Ich trage dir zuliebe schon Anzug und Krah-Watte, reicht das nicht?"

Roxanne verdrehte die Augen. "Ich werde mich nicht nochmal auf diese Diskussion einlassen. Der Kragen bleibt unten. Du willst doch einen guten ersten Eindruck auf sie machen, oder etwa nicht? Und das geht nicht, wenn du aussiehst wie eine Schildkröte, die den Kopf aus ihrem Panzer streckt."

"Wenn alles andere richtig sitzt, wird's schon keinem auffallen."

"Du wirst dich wundern, was meinem Vater alles auffällt." Sie musterte ihn noch einmal von oben bis unten. Als sie bei seinen Beinen angekommen war, hielt sie inne. "Wo sind deine Strümpfe?"

Megaminds Miene verfinsterte sich. "Ich trage keine Strümpfe. Nie."

Roxanne öffnete den Mund für eine Erwiderung, überlegte es sich dann aber anders und schloss ihn wieder. Vermutlich würde er sie nur wieder in eine endlose Diskussion über die Unnötigkeit von Strümpfen verstricken, so wie er in der letzten halben Stunde über die Notwendigkeit aufgestellter Kragen diskutiert hatte.

Sie beglückwünschte sich dazu, ihn eine Dreiviertelstunde vor dem Eintreffen ihrer Eltern herbestellt zu haben. So konnte sie wenigstens sicher gehen, dass er ordentlich angezogen war. Nun gut, ordentlicher, denn obwohl er tatsächlich einen Anzug trug, so hatte er es sich doch nicht nehmen lassen, seine üblichen Farben zu tragen. Es sah beinahe aus, als wollte er sich unsichtbar machen mit dem hellblauen Hemd, der dunkelblauen Krawatte und der indigofarbenen Leinenhose. Vielleicht glaubte er aber auch, dass seine Hautfarbe dadurch weniger auffiele, auch wenn es genau das Gegenteil bewirkte.

Megaminds Finger strichen nervös am Kragenrand seines Hemdes entlang und er hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Seine grünen Augen zuckten immer wieder zur Tür hinüber.

"Darf ich wirklich nicht...?", begann er bittend und warf ihr einen dieser Hündchenblicke zu, die er so perfekt beherrschte.

Gut, dass sie mittlerweile daran gewöhnt war. Solche Gesichtsausdrücke gehörten verboten.

"Nein", antwortete sie bestimmt. "Der Kragen bleibt, wie er ist."

Gerade als er etwas erwidern wollte, klingelte die Türglocke und Roxanne atmete erleichtert aus. Das war echt perfektes Timing.

Bevor sie die Tür öffnete, strich sie noch einmal den Saum ihres blauen Kleides glatt. Wenn Megamind einen guten Eindruck auf ihre Eltern machen sollte, sah sie besser nicht aus, als hätten sie irgendwas Anrüchiges getrieben.

"Roxanne, Liebling, gut siehst du aus", erklang eine Frauenstimme, als Roxanne die Tür aufgemacht hatte, aber von seinem Standpunkt aus konnte Megamind nichts sehen. Was allerdings auch bedeutete, dass er nicht gesehen werden konnte.

Wenn er den Kopf nur ein bisschen tiefer ziehen könnte, wäre er vielleicht in der Lage, hinter dem Sofa zu verschwinden... Aber gerade als er sich vorbeugte, warf Roxanne ihm einen strengen Blick zu und ruckte mit dem Kopf in Richtung Tür.

Mit einem abgrundtiefen Seufzer stand er auf und ging auf sie zu. Seine Finger spielten nervös mit dem Ende seiner Krawatte.

Hinter der Tür blieb er stehen und sah Roxanne flehend an. Er konnte das einfach nicht. In der Öffentlichkeit vor einer großen Menschenmenge zu sprechen war für ihn kein Problem, aber sobald er im Privaten mit fremden Menschen reden musste - besonders, wenn er einen guten ersten Eindruck machen sollte -, fühlte er sich richtig unwohl in seiner Haut. Erinnerungen an frühere Zurückweisungen waren immer noch, selbst nach all den Jahren, sehr lebhaft in seinem Gedächtnis geblieben. Manchmal war die Erkenntnis, dass er sich immer an alles würde erinnern können, mehr hinderlich denn hilfreich.

"Wo ist denn nun dein neuer Freund?", fragte Roxannes Vater nach einer Weile, während sie versuchte, Megamind aus seinem Versteck hinter der Tür hervorzulocken. Diesem entging nicht, wie ihr Vater das Wort "Freund" dehnte als würde ihm schon von dem Gedanken schlecht werden, dass seine Tochter mit einem ehemaligen Superschurken ausging.

"Hinter der Tür", antwortete Roxanne resigniert und drückte die Tür weiter auf, sodass Megamind jetzt gegen die Wand gepresst dastand. "Kommt erst mal rein. Ich glaube, er hat ein wenig Lampenfieber. Er ist schon den ganzen Tag so zappelig."

"Das ist der immer", brummte ihr Vater. "Das solltest du eigentlich am besten wissen."

Megamind zog verärgert die Augenbrauen zusammen und streckte den Rücken durch. Er war nicht immer zappelig.

Als Roxanne nun also die Tür wieder schloss, stand er kerzengerade da und fixierte ihren Vater mit einem verärgerten Blick. Tatsächlich wich der Mann einen Schritt zurück, was ihn insgeheim freute.

Aber sogleich bemerkte er Roxannes missbilligenden Blick und mühte sich um einen neutraleren Gesichtsausdruck. Sie hatte ja recht. Er sollte sich wirklich um einen guten ersten Eindruck bemühen. Auch wenn er das Gefühl hatte, dass bei ihrem Vater Hopfen und Malz verloren waren.

"Ähm, ollo", grüßte er und musterte die beiden Personen vor ihm nervös.

Aileen Ritchi, so hatte er erfahren, war eine Frau von fünfundsechzig Jahren, Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, Roxanne und Jeremy Ritchi. Ihre kurzen braunen Haare waren nach wie vor nicht vollständig ergraut, was den Eindruck vermittelte, sie hätte vier verschiedene Farben auf dem Kopf. Sie hatte ein rundes offenes Gesicht, graue Augen und einen entschlossenen Zug um die Mundwinkel, was Megamind stark an Roxanne erinnerte. Eigentlich sah sie nicht wie die graue Maus aus, die er sich vorgestellt hatte, nachdem Roxanne ihm erzählt hatte, dass ihre Mutter Hausfrau war. Zumindest trug sie keinen Rock und keine Schürze...

Thomas Ritchi indessen war zwei Jahre älter als seine Frau und ein pensionierter Versicherungsvertreter. Megamind hatte keine Ahnung, was ein Versicherungsvertreter machte und um ehrlich zu sein war es ihm auch egal. Es klang jedenfalls unsagbar langweilig. Und unsagbar langweilig erschien ihm auch das Aussehen des Mannes. Im Gegensatz zu seiner Frau war Thomas Ritchis Haar vollkommen ergraut, aber wenigstens schien er nicht unter Haarausfall zu leiden, wenn der Wischmob auf seinem Kopf irgendein Hinweis darauf war. Eigentlich sah er ein wenig wie sein ehemaliger Gefängniswärter aus, minus dem beeindruckenden Schnurrbart und dem doch recht liebenswürdigen Charakter. Die Augenfarbe und Augenform hatte Roxanne jedenfalls von ihm geerbt, so viel stand fest.

Ihm fiel auf, dass die beiden seinen Gruß nicht erwidert hatten und seufzte resigniert. Das würde ein langer Samstagnachmittag werden, so viel stand fest. Vielleicht konnte er irgendwie Minion kontaktieren und ihn dazu überreden, irgendein wichtiges Ereignis zu erfinden, damit er verschwinden konnte.

Es war Roxanne, die schließlich das unangenehme Schweigen brach, das sich im Raum ausgebreitet hatte.

"Äh, hat jemand Hunger? Ich glaube, es sind noch ein paar von Minions Pastetchen da, oder, Megamind?"

"Eh? Oh, oh, ja, natürlich. Heh...", antwortete er und lachte verlegen. "Ich glaube, er hat sie dir in den Kühlschrank gestellt. Frag mich aber nicht, wo."

Roxannes Gesichtsausdruck spiegelte dieselbe Verlegenheit wider, als sie ihn beim Arm packte und ihn in Richtung ihrer Küchenzeile zog.

"Na, dann hilfst du mir am besten suchen", sagte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit und ließ ihre Eltern an der Tür zurück. "Macht es euch auf dem Sofa gemütlich, wir sind gleich wieder da!"

Halb verdeckt von der Küchenzeile drehte sie sich zu Megamind um. Dieser zuckte zusammen und wartete darauf, von ihr zusammengestaucht zu werden, doch nichts geschah.

Nach einer Weile wagte er einen schnellen Blick auf ihr Gesicht und war erleichtert zu sehen, dass sie nicht wütend auf ihn zu sein schien. Zu seinem Erstaunen sah sie ziemlich beschämt aus.

"Tut mir leid. Mein Vater ist nicht gerade ein taktvoller Mann", seufzte Roxanne. "Aber ich hatte gehofft, er würde sich wenigstens heute Abend zusammenreißen."

"M-mir tut es auch leid", murmelte Megamind. Gott, wie er es hasste, sich entschuldigen zu müssen. Daran würde er sich nie gewöhnen. "Ich hätte mich nicht hinter Tür verstecken sollen. Oder deinen Vater so faxieren sollen."

"Es heißt 'fixieren'. Aber es ist seine eigene Schuld", erwiderte Roxanne und lachte auf, als er ihr einen ungläubigen Blick zuwarf. "Nein, wirklich. Er hat ja gar nicht erst versucht, freundlich zu sein. Die meisten guten Umgangsformen habe ich ohnehin von meiner Mutter gelernt."

"Gegrüßt hat sie aber trotzdem nicht", brummte er, fügte dann aber hinzu: "War nur Spaß!" Ein weiteres verlegenes Lachen entrang sich seiner Kehle. "Ich glaube, damit musste ich rechnen. Man wechselt ja nicht einfach mal so die Seiten. Die Leute müssen ja misstrauisch werden."

Roxanne sah ihn mitleidig an und drückte ihn an sich. "Du machst seit gut einem Jahr die Arbeit eines Superhelden. Die Leute von Metro City lieben dich."

"Eh, das glaube ich erst, wenn ich es sehe", murmelte Megamind verdrossen und erwiderte die Umarmung. "Zehn Jahre als Superschurke geraten nicht einfach mal so in Vergessenheit."

Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und ließ ihn los. "Das schaffst du schon. Und das meine ich auch in Bezug auf meine Eltern," fügte sie hinzu und öffnete die Kühlschranktür. "Also, wo hat er die Dinger hingesteckt?"

"Er hat sie vermutlich in irgendeine Schachtel getan," meinte er und blickte über ihre Schulter in den Kühlschrank. "Meine Güte," sagte er, als er das Innere zu sehen bekam. "Sind bei dir die Hunnen eingefallen oder warum ist dein Kühlschrank so leer?"

"Psst!," flüsterte Roxanne, nachdem sie die Schachtel mit den Pasteten herausgeholt hatte. "Wenn meine Mutter hört, dass mein Kühlschrank leer ist, muss ich mir wieder anhören, wie wichtig ausgewogene Ernährung sei und ich ja sowieso viel zu dünn wäre. Ich hatte einfach keine Zeit zum Einkaufen in den letzten Tagen. Und im Gegensatz zu dir habe ich keinen Minion, der schnell mal für mich irgendwohin düst, wenn ich was vergessen habe," fuhr sie fort, als er den Mund öffnete, zweifellos um ihr zu sagen, dass er bestimmt etwas zu essen daheim gehabt hätte, wenn seine Eltern zu Besuch gekommen wären.

Nachdem die Pasteten auf einem Teller platziert worden waren, trug Roxanne sie zu der Couch hinüber, auf der es sich ihre Eltern bequem gemacht hatten.

Megamind folgte ihr zögernd und in einigem Abstand. Er wusste nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte und dieses Gefühl mochte er gar nicht. Da fühlte er sich direkt in seine Schulzeit zurückversetzt.

Roxanne blickte von dem Wohnzimmertisch auf, auf den sie den Teller gestellt hatte und sah ihn verwundert an. Dann bedeutete sie ihm mit einem Kopfrucken, auf einem der beiden Sofas Platz zu nehmen.

Er lächelte gezwungen, als er sich auf das noch unbesetzten Sofa setzte. Eigentlich war es schon fast ein Zähnefletschen...

"Also, Roxanne, wie läuft es auf der Arbeit?", fragte Aileen, nachdem sich ihre Tochter neben Megamind gesetzt hatte.

"Ganz gut, danke", erwiderte Roxanne und versetzte ihrem Freund einen leichten Stoß, um das hölzerne Lächeln von seinem Gesicht zu bekommen. "Es ist auch in der letzten Zeit recht friedlich gewesen."

'Leider', setzte Megamind in Gedanken hinzu und warf einen kurzen sehnsüchtigen Blick nach draußen. Was gäbe er darum, jetzt im kühlen Versteck zu sitzen. Roxannes Wohnung war einfach zu warm für seinen Geschmack, erst recht an einem Tag wie diesem. Aber zu ihm nach Hause konnten sie Roxannes Eltern schlecht einladen.

Einen Moment lang stellte er sich vor, wie ihre Eltern wohl auf sein Versteck reagieren würden, insbesondere auf die Brainbots und Minion. Er unterdrückte ein Grinsen, als er an die möglichen Szenarien dachte, die daraus resultieren könnten.

"Und wie läuft es bei Ihnen, Mr. ... Megamind?" Erschrocken zuckte er zusammen und sah Roxannes Mutter an, die diese Frage gestellt hatte.

"Äh, sehr gut", antwortete er schließlich. "Könnte nicht besser laufen." Einen Moment dachte er darüber nach, ob er es noch mal mit einem Lächeln versuchen sollte, überlegte es sich dann aber anders. Er wollte nicht den ganzen Nachmittag von Roxanne gestoßen werden, weil sein Lächeln ihre Eltern erschreckte...

"Was ist das denn?", fragte auf einmal Thomas Ritchi, der Megamind die ganze Zeit mit Blicken traktiert hatte, und starrte voll Abscheu aus dem Fenster.

Seine Frau Aileen folgte seinem Blick und blinzelte verdutzt. "Schwebende Quallen?"

Nun drehten sich auch Megamind und Roxanne zum Fenster. Ersterer seufzte resigniert, als er seine Brainbots erblickte, die sie durch das Fenster hindurch anstarrten und mitleiderregend "Bowg-bowg!" machten.

Ein weiterer Seufzer entrang sich seiner Brust, als er aufstand und das Fenster einen Spaltbreit öffnete. "Daddy hat doch gesagt, dass ihr ihn in Ruhe lassen sollt!", zischelte er den Brainbots zu. "Was gibt es denn so Dringendes?"

Die kleinen Roboter tasteten mit ihren Greifarmen die Fenster ab und klopften mit ihren "Köpfen" gegen das Glas.

"Was soll das? Ihr habt doch sicher Arbeit zu tun", seufzte Megamind. "Und ich habe jetzt keine Zeit mit euch zu spielen."

Hinter sich hörte er, wie Roxanne empört "Dad!" rief, während dieser erwiderte: "Ist doch wahr!"

Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Streit etwas mit ihm und seinen Brainbots zu tun hatte und drehte seinen Kopf, sodass er den Raum hinter ihm im Blick hatte. "Ist irgendwas?", fragte er.

Roxanne grinste unsicher und antwortete mit zusammengebissenen Zähnen: "Ach, nein, alles bestens!", während sie ihrem Vater einen vernichtenden Blick zuwarf.

Megamind drehte sich nun gänzlich um, wobei er das Fenster los ließ. Ein fataler Fehler, wie sich eine Minute später herausstellte, denn die Brainbots ergriffen dies als Chance, um ins Innere zu gelangen. Im nächsten Moment waren fünf oder sechs der kleinen Roboter in die Wohnung gesaust und umringten ihren Erfinder.

"Oh, nicht doch!", stöhnte dieser entnervt. Megamind drückte den Kommunikationsknopf seiner Uhr. "Minion!"

"Sir?" Zumindest klang sein Helfer und lebenslanger Freund nicht so, als hätte er irgendetwas mit den Brainbots zu tun. "Gibt es ein Problem?"

"Allerdings!", knurrte Megamind in den Kommunikator. "Hier sind ... Brainbots Nummer Dreihundert, Hundertneun, Fünfundvierzig, Zweihundertvierzehn, Zweiundneunzig und Dreihundertzehn in Roxannes Wohnung! Was machen die hier?"

"Woher soll ich das wissen?", ertönte Minions Antwort aus dem Kommunikator. "Eigentlich sollten sie zuhause sein!"

"Sind sie aber nicht!", seufzte Megamind. Im nächsten Moment schlug er das Fenster mit einem unterdrückten Schrei zu, weil weitere Brainbots versuchten, ins Zimmer zu gelangen. Ein Glück, dass Roxannes Fenster so widerstandsfähig war. Nur der Fensterrahmen wackelte etwas.

"Sir? Sir, ist alles in Ordnung?" Minion am anderen Ende der Leitung klang besorgt. "Hat Zweiundneunzig Sie wieder gebissen?"

Megamind sah die Brainbots vor dem Fenster durchdringend an. Mit der linken Hand hielt er noch immer den Fensterrahmen fest. "Nein, ich musste nur gerade Roxannes Wohnung vor einer noch größeren Brainbotinvasion bewahren."

"Soll ich rüberkommen, Sir?", fragte Minion ratlos.

Megamind beobachtete die anderen Insassen der Wohnung. Roxanne versuchte weiterhin genervt, ihren Vater an weiteren "alienfeindlichen" Aussagen zu hindern, während dieser die Brainbots immer noch mit einer Mischung aus Angst und Abscheu ansah. Ihre Mutter dagegen blieb vollkommen gelassen und streichelte zu Megaminds großen Erstaunen dem kleinsten Brainbot, Nummer Dreihundert, über die Glaskuppel.

Dreihundert machte glücklich "bowg-bowg" und ließ sich ausgiebig kraulen, während die anderen Brainbots ihn eifersüchtig beobachteten.

"Aileen, bist du von allen guten Geistern verlassen?", fragte Thomas Ritchi und sah seine Frau entsetzt an, die aber nur die Augen verdrehte.

"Ich weiß nicht, Minion", beantwortete Megamind die Frage seines Helfers und blickte wieder zum Fenster hinaus, vor dem die anderen Brainbots immer noch schwebten. "Ich habe keine Ahnung, wie sie auf dich reagieren werden", fügte er flüsternd hinzu.

"Die Brainbots, Sir?", fragte Minion verwirrt.

"Ach, Unsinn!" Megamind verdrehte die Augen, was sein Freund aber selbstverständlich nicht sehen konnte. "Die Ritchis natürlich!"

"Nun, früher oder später müssen sie mich ja zu Gesicht bekommen", gab Minion zu bedenken. "Und ich glaube, wir waren uns einig, dass früher besser ist als später. Sie haben doch sicherlich nicht vergessen, was beim letzten Mal wegen Ihrer Heimlichtuerei passiert ist, oder, Sir?"

Megamind seufzte. War ja klar, dass sein Freund derjenige sein würde, der die unangenehme Erinnerung an ihren großen Streit vor über einem Jahr zur Sprache bringen würde.

"Ja, schon gut, du hast ja Recht", murmelte er in den Kommunikator. "Ich werde es aber weiterhin versuchen. Vielleicht bekomme ich die Brainbots doch ohne deine Hilfe aus dem Haus..."

Von dem Erfolg seines Versuchs war er allerdings nicht sonderlich überzeugt. Es war eben doch besser, einen Plan B zu haben.

"Ich komme so schnell ich kann, Sir", versprach Minion und beendete das Gespräch.

"Ich hoffe nur, Minion kommt an bevor deine Brainbots meine Fenster eingerannt haben", ertönte Roxannes Stimme direkt neben seinem rechten Ohr, sodass Megamind erschrocken zusammenzuckte und instinktiv nach seiner De-Waffe griff, die normalerweise an seinem rechten Oberschenkel befestigt war. Zum Glück für Roxanne hatte er sie aber nicht an der Anzugshose befestigen können.

"Schleich dich doch nicht so an!", zischte er ihr zu. "Hätte ich meine Waffe dabeigehabt, wärst du jetzt ein dehydrierter Würfel! Und wie hätte das denn ausgesehen?"

"Wie jeder andere dehydrierte Würfel auch, nehme ich an", erwiderte sie gelassen, wie üblich vollkommen unbeeindruckt von seinen Erfindungen.

"So meinte ich das nicht!", stöhnte Megamind genervt. "Was würden denn deine Eltern dazu sagen?"

"Nun, deshalb hast du die Waffe im Versteck gelassen, oder? Um einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen", antwortete sie und an ihrem Gesichtsausdruck konnte er sehen, dass sie sich ein Lachen verkneifen musste.

"Ja, nur damit dann sechs Brainbots mir nachstellen und alles ruinieren", grummelte er.

Roxanne gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich glaube nicht, dass sie dir alles ruiniert haben. Meine Mutter scheint jedenfalls sehr von ihnen angetan zu sein."

"Ich verstehe nur nicht, warum sie mir nicht gehorchen. Vielleicht ist Wasser in ihr Inneres gekommen?" Megamind schnappte sich Fünfundvierzig und begutachtete ihn von allen Seiten. Der Brainbot bellte verärgert, als er auf den Kopf gestellt wurde und zappelte hilflos mit den Fangarmen.

Roxanne beugte sich vor. "Sieht eigentlich völlig trocken aus."

"Vielleicht ein Kurzschluss...", überlegte Megamind, doch bevor er den Brainbot diesbezüglich untersuchen konnte, hatte Fünfundvierzig nach seiner Hand geschnappt und zugebissen.

Megamind schrie auf, sodass alle Anwesenden im Zimmer erschrocken zusammenzuckten, und schüttelte seinen linken Arm. Mrs. Ritchi zog verunsichert ihre Hand von Dreihundert zurück, der enttäuscht schirpte, an die Seite seines Herrn schwebte und Fünfundvierzig einen Schlag mit seinen Greifarmen verpasste.

"Ausgerechnet immer dann, wenn ich keine Handschuhe trage", stieß Megamind zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Vielleicht hättest du ihn nicht so halten sollen", meinte Roxanne und versuchte, den aufgebrachten Brainbot vom Arm ihres Lebensgefährten loszuhebeln. "Sie scheinen dich ja nur zu beißen, wenn du sie irgendwie einengst oder schüttelst."

Ehe Megamind etwas darauf erwidern konnte, klingelte es an der Tür.

"Gott sei Dank", murmelte er und stiefelte zur Tür.

"Da bin ich schon, Sir!", grüßte Minion fröhlich, hielt dann aber inne und schielte auf den Brainbot, der immer noch an Megaminds Arm baumelte. "Sir, was muss ich sehen? Sie haben doch behauptet, Sie wären nicht gebissen worden!"

"Das war ich auch noch nicht, als ich dich rief", grummelte Megamind. "Mir wäre lieb, wenn du einfach die Sechs hier einfangen würdest und nach draußen trägst. Das heißt, sobald ich den hier", er zeigte auf Fünfundvierzig, "losbekommen habe."

Minion verdrehte die Augen und betrat die Wohnung. "Alles klar, Boss. Gut, dass ich vorsichtshalber den Werkzeugkasten mitgenommen habe."

Der Alienfisch ignorierte die entgeisterten Blicke, die Roxannes Eltern ihm zuwarfen, stellte den Kasten auf der Küchentheke ab und holte einen Schraubenschlüssel heraus. Sofort blickten alle Brainbots im Zimmer auf und schwebten zu Minion rüber.

"Ein Glück", seufzte Megamind und bewegte vorsichtig seine Hand. "Jetzt zu den Belagerern..."

Die Brainbots vor dem Fenster wichen sofort ein paar Meter zurück, als sie ihren Herrn mit einem verärgerten Gesichtsausdruck auf sie zukommen sahen.

"Jetzt braucht ihr gar nicht mehr abzuhauen!", knurrte er, nachdem er das Fenster geöffnet hatte. "Kommt sofort wieder zurück!"

Die kleinen Roboter bellten und schirpten verunsichert und rückten noch etwas weiter von ihrem Herrn ab.

"Ich warte", sagte dieser nur und hielt das Fenster auf. "Ihr habt mich hier ziemlich zum Narren gehalten!"

Die Brainbots senkten beschämt ihre Glaskuppeln und schwebten zögernd in die Wohnung.

"Was macht er denn jetzt mit ihnen?", hörte Megamind Aileen Ritchi im Hintergrund besorgt fragen.

"Keine Sorge, da passiert schon nichts", versicherte Roxanne ihr.

Megamind hatte sich drohend vor den Brainbots aufgebaut und die Arme vor der Brust verschränkt. "Ich hatte euch doch gesagt, dass ihr nicht in die Häuser reindürft. Das gilt auch, wenn ich in diesem Haus bin. Was habt ihr zu eurer Verteidigung zu sagen?"

Die Brainbots begannen alle gleichzeitig zu bellen, offenbar alle erpicht darauf, ihre Version der Ereignisse zu erzählen. Auch die Roboter, die um Minion herum schwebten, fingen zu schirpen an. Es sah ganz so aus, als würden sie sich gegenseitig ausschimpfen.

"Der ist ja völlig verrückt!", brummte Thomas Ritchi. "Fordert Objekte, die nicht reden können, dazu auf, zu reden!"

Die giftigen Blicke, die ihm sowohl Megamind als auch seine Tochter zuwarfen, hielten ihn aber davon ab, noch mehr zu sagen.

Als er sich sicher war, dass Roxannes Vater still blieb, wandte Megamind sich wieder seinen Erfindungen zu und stieß einen Pfiff aus, der die Brainbots verstummen ließen.

"Mir ist ziemlich egal, wessen Idee es gewesen ist, uns zu überfallen", sagte er. "Ihr seid alle unerlaubterweise hierhergekommen und habt eure Posten verlassen!"

Die Brainbots senkten beschämt die "Köpfe".

"Was wäre, wenn alle das so machen würden?", fuhr Megamind fort. "Wie kann ich mich jemals auf euch verlassen, wenn ihr nicht einmal diesen einfachen Befehl befolgen könnt?"

Die kleinen Roboter machten ein Geräusch, das entfernt nach einem Schluchzen klang.

"Ach, komm, Megamind, es ist schon gut", meinte Roxanne mitleidig und legte ihm ihre Hand auf die Schulter. "Sieh doch, du hast sie zum Weinen gebracht."

Megamind seufzte theatralisch und drehte sich zu ihr um. "Warum sagen mir immer alle, ich würde die Gefühle meiner Erfindungen verletzen?"

Sie sah ihn verdutzt an. "Wer hat denn das behauptet?"

Statt zu antworten streckte er nur die Hand aus und zeigte auf Minion.

Dieser verschränkte seine Roboterarme und reckte trotzig das Kinn. "Sie haben gesagt, dass sie den Spider Bot nicht mehr brauchten, Sir. Während Sie vor ihm standen!"

Roxanne fing an zu lachen, während Megamind entnervt stöhnend das Gesicht in den Händen vergrub.

"Heute kann's einfach nicht mehr schlimmer werden", seufzte er und drehte sich zu den Brainbots zurück. "In Ordnung, vergessen wir das für heute. Aber morgen habt ihr Hausdienst. Und jetzt raus!"

Die Brainbots machten grummelnde Geräusche und flogen wieder zum Fenster hinaus. Megamind schloss das Fenster hinter ihnen und lehnte erleichtert die Stirn gegen den Rahmen.

Ein peinliches Schweigen erfüllte wieder einmal den Raum. Oh ja, das wurde ein laanger Tag...
 

"Na, das lief doch besser als ich erwartet hatte", meinte Roxanne, nachdem ihre Eltern endlich wieder gegangen waren. Sie zog den letzten Teller aus dem Spülwasser und stellte ihn zum Abtropfen beiseite.

Megamind warf ihr einen ungläubigen Blick zu. "Meiner Meinung nach ist alles schief gegangen, was nur schief gehen konnte!"

Er hatte auf einem der Hocker in ihrer Küchenzeile Platz genommen und stützte sich mit den Ellbogen auf der Anrichte ab. Vornübergebeugt saß er da, den Kopf auf den gefalteten Händen, ein Abbild vollkommener Müdigkeit. Gute erste Eindrücke waren anstrengend.

Hinter ihm hockte Minion auf einem der Esszimmerstühle, der unter dem Gewicht des Roboteranzuges bereits bedrohlich knackte und knirschte. Der Fisch selbst war in seinem Wasserbehälter eingeschlafen und schwamm leise vor sich hinschnarchend kopfüber im Wasser.

"Ach, Unsinn!", widersprach Roxanne und trocknete ihre Hände an einem Geschirrtuch ab. "Immerhin hast du versucht, freundlich zu bleiben, obwohl es dir mein Vater weißgott nicht einfach gemacht hat. Und du hast nicht versucht, ihn zu anzugreifen oder deine Brainbots auf ihn zu hetzen."

"Das wäre auch ziemlich schlecht für meine Arbeit", erwiderte Megamind trocken. "Dein Vater scheint mir nämlich ein Mann zu sein, der gerne anderen Probleme bereitet."

Roxanne lachte. "Stimmt schon, fürchte ich. Er hat eben immer gehofft, ich würde mir einen Lebensgefährten suchen, der etwas ... standesgemäßer ist."

Megamind schnaubte. "Und was genau empfindet er als standesgemäß?", wollte er genervt wissen.

"Das weiß ich leider auch nicht", antwortete Roxanne ernsthaft. "Aber selbst wenn du bei meinem Vater nicht gut ankommst, meine Mutter scheint dir auf jeden Fall eine Chance geben zu wollen."

Ihr Freund sah sie skeptisch an. "Ich wusste gar nicht, dass Gedankenlesen eine deiner Fähigkeiten ist. Kein Wunder, dass alle meine Pläne immer schief gingen."

Sie verdrehte die Augen. "Sei nicht albern, ich kann keine Gedanken lesen. Aber ich kenne meine Mutter lange genug, um ihre Gedankengänge nachvollziehen zu können. Sie hat meinem Bruder und mir immer gesagt, dass wir Leuten eine Chance geben sollten, sich zu beweisen. Und meine Mutter steht zu ihren Prinzipien, selbst wenn es ihr manchmal schwer fällt. Und weißt du was?," fügte sie hinzu.

"Was?" Megamind hob den Kopf.

Roxanne drückte lächelnd einen Kuss auf seine Stirn. "Ich glaube, sie fand die Begegnung heute ziemlich amüsant."

"Nicht gerade die Gefühlsregung, die ich mir für ein erstes Treffen gewünscht habe." Er grinste schief.

"Besser als Angst und Schrecken ist es allemal", erwiderte sie belustigt. "Aber das hast du eigentlich noch nie so richtig hinbekommen."

"Ha-ha", lachte Megamind trocken und sah auf seine Uhr. "Ich glaube, es ist das Beste, wenn Minion und ich jetzt wieder ins Versteck zurückgehen. Ist schon ziemlich spät." Er glitt vom Hocker herunter und ging zu dem immer noch schlafenden Minion.

Roxanne blickte zu ihrer Küchenuhr hoch. Es war in der Tat schon zwölf Uhr nachts vorbei. Und nach Megaminds Bewegungen zu schließen war er mindestens genauso müde wie Minion.

"Weißt du, ich glaube es ist besser, wenn ihr beiden heute Nacht hier schlafen würdet", meinte sie in dem Augenblick, als ihr Freund seinen Helfer endlich wach bekommen hatte.

Megamind drehte sich verdutzt zu ihr um. "Was? Wie? Wieso?", fragte er verwirrt.

"Du willst doch wohl keinen Unfall bauen, weil du am Lenkrad eingeschlafen bist, oder?" Sie zuckte mit den Schultern. "Und dasselbe gilt für dich, Minion", fügte sie hinzu, als der Fisch den Mund aufmachte, um etwas zu erwidern.

Einen Moment lang sahen sich die beiden Außerirdischen ratlos an. Dann zuckte Minion mit seinen Roboterschultern und bewegte seinen Fischkörper wie bei einem Nicken auf und ab.

"Ich glaube, es könnte nicht schaden, Sir", sagte er. "Wenn irgendwas ist, werden die Brainbots uns schon kontaktieren."

Megamind sah einen Moment lang unsicher zwischen Minion und Roxanne hin und her, die ihn aufmunternd ablächelten. "Na gut", erwiderte er schließlich. "Sicher, dass es dir nichts ausmacht?"

Sie verdrehte die Augen. "Sicher. Du musst dich nicht immer gleich in dein Versteck zurückziehen, nachdem du hier zu Besuch warst."

"Deine Eltern kommen auch nicht zurück, oder?", fragte er vorsichtshalber.

"Erstens sind meine Eltern schon wieder auf dem Weg nach Hause und zweitens würde ich ihnen was husten, wenn sie hier unerlaubterweise in meine Wohnung kämen", antwortete sie genervt seufzend. "Familie hin oder her, Einbruch bleibt Einbruch."

Megamind nickte langsam und wandte sich an Minion. "Na gut, dann bleiben wir heute Nacht hier. Minion, Code: Schlafenszeit."

"Code: Wird gemacht, Sir." Der Fisch drückte einen Knopf an seinem Anzug und ein kleines Schloss tauchte aus der Versenkung in dem Fischglas auf. Minion quetschte sich in die Öffnung und das Schloss verschwand wieder im Innern des Roboteranzuges.

Roxanne grinste. "Du hast ihm ein Unterwasserschloss eingebaut?", fragte sie ihren Freund belustigt.

Megamind zuckte mit den Schultern. "Irgendwo muss er doch schlafen und wenn er in einem Aquarium schliefe, würde es viel zu lange dauern, ihn im Notfall zurück in seinen Anzug zu stecken. Ganz davon abgesehen, dass es viel zu gefährlich für ihn wäre. Außerdem ist es nicht gut für ihn auf dem Rücken zu schlafen."

"Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen", meinte sie. "Ich vergesse nur manchmal, dass er ein Fisch ist. Aber du musst zugeben, dass das Schloss ein wenig zu klein für ihn ist."

"Psst!", machte er und wedelte mit den Händen. "Er ist da sehr empfindlich! Außerdem passt da sowieso nichts Größeres rein."

"Minion ist empfindlich, weil das Schloss zu klein für ihn ist?", fragte sie schmunzelnd. "Warum? Er ist ein Fisch!"

"Spielt es eine Rolle? Er ist es einfach und nichts kann ihn davon abbringen." Megamind seufzte und setzte sich auf das Sofa, dass dem Fenster zugewandt war. "Schlaf gut, Roxanne."

"Du willst auf der Couch schlafen?"

"Wo denn sonst?" Megamind öffnete die Schnürsenkel seiner Halbschuhe und streifte die Schuhe ab.

"Im Bett natürlich." Roxanne fragte sich, ob es für sie überhaupt möglich war, noch öfter die Augen zu verdrehen als sie es ohnehin schon tat.

Er sah sie an und lachte nervös. "Seit wann hast du ein Gästebett?"

"Habe ich nicht", erwiderte sie.

Megamind musste schlucken. Er war zwar bereits zu verschiedenen Anlässen in ihrem Schlafzimmer gewesen - es war nun wirklich nicht so, als wäre ihre Beziehung zölibatär, eher im Gegenteil -, aber bisher hatte er sich immer dagegen gesträubt, in ihrem Bett einzuschlafen. Was eigentlich vollkommener Blödsinn war, das war selbst ihm bewusst.

"Äh, nun, wenn es dir nichts ausmacht...", murmelte er schließlich und erhob sich von dem Sofa.

"Ich glaube, im selben Bett mit mir zu schlafen, ist wohl das Harmloseste im Vergleich zum Rest", antwortete sie und nahm ihn bei der Hand. "Du musst endlich mal lockerer werden."

"Seid bitte nicht zu laut da drinnen, ich will hier schlafen", ertönte es dumpf aus dem Inneren des Roboteranzuges, als die beiden bereits die Tür zum Schlafzimmer erreicht hatten.

"Minion!"

Roxanne lachte.
 

Die Gasse, die die beiden Männer jetzt betraten, war vollkommen in Finsternis gehüllt. Den ganzen Tag schon suchten sie nach ihm, ohne auch nur einen Hinweis auf seinen Verbleib gefunden zu haben.

"Glaubst du wirklich, dass es so eine schlaue Idee ist, hier nach ihm zu suchen?", fragte der Jüngere der beiden besorgt. "Hier gibt es keinerlei Versteckmöglichkeiten, sollte er denn hier sein. Du weißt, dass wir keine Chance in einem Kampf gegen ihn hätten."

"Ich glaube nicht, dass er sich wirklich hier herumtreibt, Ansgar", antwortete der Ältere. "So langsam bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob er überhaupt in dieser Stadt ist."

"Wieso?"

"Hast du nicht die ganzen Roboterquallen gesehen, die hier überall herumfliegen?", erwiderte der Ältere. "Wenn er hier gewesen wäre, hätten sie doch schon längst Alarm geschlagen. Du weißt, dass er keinerlei Zurückhaltung kennt, nicht einmal dann, wenn es für ihn selbst am besten wäre."

Ansgar strich sich ein paar vorwitzige Strähnen seines schwarzen Haares aus der Stirn und blickte in das von Runzeln zerfurchte Gesicht seines Kompagnions. "Und was ist, wenn er es gelernt hat?", wollte er wissen. "Du weißt, wie schnell seine Geschwister neue Fähigkeiten gelernt haben und er ist schließlich schon seit zwei Wochen unterwegs."

Sein Begleiter schüttelte den Kopf, doch Ansgar ließ nicht locker. "Mir ist nicht wohl bei der Sache. Er hat sich in der Vergangenheit schon unberechenbar verhalten. Was ist, wenn er uns die ganze Zeit zum Narren gehalten hat?"

Der Ältere legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. "Wenn es dich beruhigt, dann brechen wir für heute ab und kontaktieren die Gruppe. Heute werden wir ihn ohnehin nicht mehr finden." Er klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken und bedeutete ihm, vorauszugehen.

Ansgar blinzelte und verengte die Augen zu Schlitzen als er versehentlich in das Licht einer Straßenlaterne trat, die am Eingang der Gasse stand. Warum Stadtmenschen so viel Energie in Lampen investieren mussten, war ihm ein Rätsel. Zuhause konnten die Menschen auch ohne elektrisches Licht erkennen, wo sie langliefen. Mal abgesehen davon, dass der grelle Schein seinen Augen schadete. Er konnte so gut wie gar nichts sehen.

Ein Krachen hinter ihm ließ ihn herumfahren, doch noch immer hatten sich seine Augen nicht ganz an den Lichtwechsel gewöhnt und er sah nur eine verzerrte Gestalt auf ihn zukommen. "Mach doch nicht so einen Lärm, Fulco!", fuhr er seinen Begleiter an. "Du weckst noch die ganze Nachbarschaft auf!"

Statt zu antworten, holte die Person vor ihm mit der Hand aus und Ansgar wich erschrocken zurück, aus dem Schein der Straßenlaterne heraus.

"Was soll das, Fulco?", grummelte er. "Verträgst du keine Kritik mehr?"

Noch immer orientierungslos stolperte er die Straße entlang, der Andere einige Meter hinter ihm. Zum Glück fuhren im Moment keine Autos hier herum. In seinem Zustand könnte er sie nicht heranfahren sehen.

Ansgar brummte verärgert. Fulco musste doch sehen, dass er im Moment blind wie ein Maulwurf war. Warum half er ihm nicht?

Nach ein paar Metern knallte er gegen ein Verkehrsschild und stampfte gereizt mit dem Fuß auf. "Verdammt noch mal, Fulco, konntest du mir nicht sagen, dass hier eine Stange ist?"

Wieder kam keine Antwort.

Langsam wurde Ansgar unruhig. Fulco blieb nie so lange still. Vielleicht war das Krachen ja dadurch entstanden, dass er hingefallen war und sich verletzt hatte. Womöglich sagte er deshalb nichts, weil er sonst anfing zu schreien.

Er, Ansgar, sollte vermutlich wirklich nicht so gemein zu dem alten Mann sein und sich besser mal anschauen, ob und wo er sich verletzt hatte.

Doch als Ansgar sich umdrehte, blieb ihm die Luft im Halse stecken.

Da stand Er. Ansgar hatte Recht behalten, Er hatte dazugelernt.

"Wo ist Fulco?", fragte Ansgar mit dünner Stimme, obwohl er wusste, dass sein Gegenüber ihm nicht antworten würde, ja, es nicht einmal konnte.

Die Gestalt vor ihm grinste schadenfroh und versetzte ihm einen Schlag ins Gesicht, der ihn einige Meter durch die Luft fliegen ließ.

Mit einem Schmerzensschrei prallte Ansgar auf dem Asphalt auf und er rappelte sich so schnell er konnte auf. Seine rechte Gesichtshälfte war aufgeschürft und sein Ohr protestierte schmerzhaft gegen die grobe Behandlung, die ihm zuteil geworden war. Sein Arm fühlte sich an, als hätte er ihn ausgekugelt.

Die Gestalt kam sehr langsam auf ihn zu, gerade so als wüsste sie, dass er nicht entkommen konnte.

Nun, Ansgar war immer gerne bereit, andere eines Besseren zu belehren. Er drehte sich um und rannte los.

Wenn er nur ein gutes Versteck finden könnte...

Die Schritte schienen immer näher zu kommen, noch schneller konnte er nicht laufen...

Überall nur Sackgassen...

Gleich war Er direkt hinter ihm...

Wenn er doch nur ein Versteck finden könnte...

Plötzlich hörten die Schritte auf und Ansgar kam schlitternd zum Stehen. Er konnte Ihn doch unmöglich abgehängt haben, oder? Verunsichert blickte er über die Schulter zurück. Nichts.

Ein paar Schritte ging er noch, dann knallte er gegen etwas Hartes und fiel hin. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei und hielt seinen verletzen Arm.

Als er aufblickte, erkannte er, dass er seinem Verfolger direkt in die Arme gelaufen war. Ansgar wich zurück und sah sich panisch um. Er war an einem Abhang angelangt, hinter ihm war eine Ruine, die aussah, als wäre sie mal ein Observatorium gewesen. Irgendetwas hatte sie inzweigerissen und es war bestimmt nichts Natürliches. Aber was kümmerte ihn das jetzt?

Das Gesicht seines Verfolgers verzog sich zu einem teuflischen Grinsen, kam aber nicht näher.

Hinter Ansgar war jetzt der Abhang. Er konnte nirgendwo mehr hin, er saß in der Falle!

Sein Angreifer streckte die Hand nach ihm aus und setzte sich in Bewegung, immer noch dieses Grinsen auf den Lippen. Er würde ihn sicherlich nicht einfach umbringen, wahrscheinlich wäre ein Sprung in die Tiefe schmerzloser.

Entschlossen stand Ansgar auf und blickte seinem Verfolger trotzig ins Gesicht.

Er war schon fast bei ihm. Gleich würde Er ihn bei den Haaren packen und davonschleifen...

Seine Hand packte zu...

Und Ansgar sprang.

Das Rätsel

Als Megamind an diesem Morgen aufwachte, nahm er drei Sachen auf einmal war. Erstens, er lag bäuchlings auf einem Bett - was seltsam genug war, weil er normalerweise auf einem Sofa schlief -, zweitens, er war noch immer in diesen unmöglichen Anzug gekleidet, in den Roxanne ihn gezwungen hatte und drittens, irgendjemand schrie irgendetwas Unsinniges in sein Ohr.

Genervt drehte er sich auf den Rücken und blickte in Minions besorgtes Gesicht.

"Na endlich!", seufzte dieser erleichtert. "Sir, Sie müssen sofort aufstehen! Es gab einen Notfall!"

Megamind setzte sich auf und streckte den Rücken durch. Jetzt da er wach war, erinnerte er sich auch wieder, warum er auf einem Bett geschlafen hatte.

"Wo ist Roxanne?", fragte er müde.

"In der Küche, frühstücken", antwortete Minion und verdrehte die Augen. "Aber das ist jetzt nicht wichtig! Wir müssen sofort los! Die Brainbots haben schon Ihre Kleidung gebracht."

Wie auf Kommando schwebten fünf Brainbots mit einem Umkleidevorhang ins Zimmer und blieben vor Megamind stehen.

Seufzend stand er vom Bett auf und hob die Arme über den Kopf.

"Also, worum geht es, Minion?", fragte er, während er sich umzog. "Warum diese Eile?"

"Weiß ich leider auch nicht, Sir", gestand der Fisch. "Aber wir sollen sofort ins Arbeiterviertel kommen, hat der Mann am Telefon gesagt."

"Achso." Es dauerte einen Moment, ehe sein immer noch im Halbschlaf liegendes Gehirn das Paradoxe dieser Situation erkannt hatte. "Äh, Minion?"

"Ja, Sir?"

"Wir haben gar kein Telefon."

"Nein, Sir", gab Minion zu. "Es war Miss Ritchis Telefon."

"Woher kennt denn der Mann Roxannes Nummer?", fragte Megamind verwirrt und richtete seinen Kragen. "Wer war der Mann überhaupt?"

"Ein Polizist, Sir", erwiderte Minion. "Offenbar haben sie erst versucht, uns über die Brainbots zu kontaktieren, konnten aber keinen dazu bringen, auf sie zu hören. Dann haben sie Miss Ritchi angerufen."

"Verstehe", seufzte Megamind und öffnete die Schlafzimmertür. "Erinnere mich daran, die Brainbots auf das Nachrichtenüberbringen zu programmieren."

"Jawohl, Sir."

Im Wohnzimmerbereich des Vorzimmers wartete Roxanne auf sie, noch immer in Schlafanzug und Morgenmantel und mit einer Kaffeetasse in der Hand. "Morgen, du Frühaufsteher", grüßte sie Megamind, als er sich zu einem Morgenkuss herüberbeugte.

"Was? Wieso? Wie spät ist es denn?", fragte er verwirrt und starrte aus dem Fenster. Der Himmel war schon ziemlich hell.

"Es ist halb sieben", erwiderte sie gähnend. "Minion und ich waren erstaunt, dass du nicht von dem Lärm, den das Telefon gemacht hat, aufgewacht bist." Mit einem Blick auf den Fisch fügte sie dann aber hinzu: "Na gut, nur ich war erstaunt. Ihn schien das nicht zu überraschen."

Megamind warf seinem Freund einen eisigen Blick zu, den dieser aber nur mit einem unschuldigen Lächeln quittierte.

"Wir sollten jetzt wirklich los, Sir", meinte er und öffnete die Wohnungstür. "Es klang jedenfalls sehr dringend."

Ohne einen weiteren Blick zurück verließen die beiden die Wohnung und ließen die Tür mit einem Knall ins Schloss fallen.

Roxanne verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Egal ob sie jetzt Superhelden oder Superschurken waren, ganz normal eine Tür schließen konnten sie immer noch nicht. Sie sah zu den Brainbots herüber, die niedergeschlagen auf die geschlossene Tür blickten, und seufzte. Das bedeutete wohl, dass sie mal wieder auf die kleinen Radaumacher aufpassen musste.
 

Das Arbeiterviertel war früher einmal eine Wohnsiedlung gewesen. Tatsächlich so viel früher, dass sich Megamind nicht einmal daran erinnern konnte, dort jemals irgendjemanden gesehen zu haben. Nachdem viele Firmen in Metro City pleite gegangen waren, wurden die Wohnungen genauso aufgegeben wie die zahlreichen Fabrikgebäude rund um die Stadt. Zwar diskutierte der Stadtrat seit einem halben Jahr darüber, diesen Stadtteil zu sanieren, aber bisher war es nur bei der Diskussion geblieben.

Die Gasse, in die Megamind und Minion bestellt worden waren, war bereits vollkommen mit Plastikband abgesperrt worden, was eine nicht gerade kleine Menschenmenge angezogen hatte, was aufgrund der Tatsache, dass eigentlich niemand mehr in diesem Stadtteil lebte, doch recht verwunderlich war. Polizisten standen hinter der Absperrung und leierten den üblichen Sermon herunter, dass es hier nichts zu sehen gäbe und die Leute doch bitte weitergehen sollten.

Minion parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite, da er es nicht riskieren wollte, jemanden anzufahren und stellte den Motor ab. "So, da wären wir, Sir."

"Ich frage mich, warum sie uns zu einem Tatort gerufen haben", wunderte sich Megamind. "Mordfälle gehören eigentlich nicht zu unseren Aufgaben."

Sein Helfer wurde blass. "Glauben Sie, wir müssen eine Leiche identifizieren?", fragte er entsetzt. "Ich kann mir sowas doch schon im Fernsehen nicht ansehen."

Megamind verdrehte die Augen und griff nach dem Türgriff. "Reg dich ab, Minion, dann hätten sie uns nicht zum Tatort sondern ins Leichenschauhaus bestellt." Er öffnete die Wagentür und schwang die Beine aus dem Auto.

Wie üblich wenn er sich irgendwo blicken ließ, waren sofort alle Blicke auf ihn gerichtet. Daran hatte auch sein "Berufswechsel" nichts geändert. Kam vermutlich von der blauen Haut und dem großen Kopf, ganz zu schweigen davon, dass er immer in Begleitung eines sprechenden Fisches war.

Megamind und Minion schlängelten sich durch die Menschenmenge und duckten sich unter der Absperrung durch. Dabei blieb Minion am Plastikband hängen und riss es entzwei.

"Ups!" Er sah die Polizisten verlegen an, die resigniert zurückblickten. "Tut mir leid."

Während er sich mit der Hilfe der Polizisten versuchte zu befreien, sah sich Megamind in der Gasse um. Teile der Gebäude links und rechts sahen aus, als hätte jemand versucht, sie in die Luft zu sprengen.

"Ah, Mr. Megamind, da sind Sie ja endlich!"

Megamind drehte sich um und sah sich einer Frau mit streng zurückgekämmtem hellbraunem Haar und noch strengerer Miene gegenüber. Sie sah ganz so aus, als wäre mit ihr nicht gut Kirschen essen.

"Äh, ja, da bin ich", murmelte er. "Waren Sie diejenige, die uns hierherbestellt hat?"

"Ja, ich bin Rebecca Jones, Leiterin dieses Einsatzes. Ich dachte mir, dass dieser Fall eher in ihren Zuständigkeitsbereich fällt", antwortete sie.

"Und wie kommen sie auf diese Idee, Miss Jones?", fragte Megamind und sah sich in der Gasse um. "Für gewöhnlich werde ich gerufen, wenn irgendwo ein Notfall vorliegt und nicht um bei Polizeiarbeit zu helfen."

"Nun, wir vermuten, dass das hier", sie gestikulierte zu den Gebäuden, "nicht die Tat gewöhnlicher Krimineller ist. Wir haben alles abgesucht, aber keinerlei Spuren von Sprengkörper gefunden. Und der Tote, der in den Trümmern gefunden wurde, gibt uns auch einige Rätsel auf."

"Inwiefern?"

"Außer einem blauen Fleck auf der Brust weist er keinerlei Verletzungen auf", erklärte Miss Jones. "Der Arzt ist sich aber sicher, dass er durch Fremdeinwirkung starb. Natürlich muss die Leiche erst obduziert werden, um Näheres feststellen zu können, aber eines scheint sicher: Irgendjemand oder irgendetwas muss ihn so heftig gegen die Brust geschlagen haben, dass sein Herz dabei verletzt wurde. Der Mann ist innerlich verblutet."

Sie sah ihn erwartungsvoll an, aber noch immer konnte Megamind keinen Zusammenhang zwischen sich und diesem Fall erkennen.

"Wie heißt der Tote denn?", fragte er deshalb, in der Hoffnung sich daraus einen Reim machen zu können.

"Wissen wir nicht, der Mann hatte keine Papiere bei sich, durch die wir seine Identität feststellen könnten", seufzte sie. "Er hatte bloß ein paar beschriebene Pergamentseiten bei sich. Scheint sich aber nicht um historische Stücke zu handeln."

"Pergament?" Megamind starrte die Frau ungläubig an. "Welcher Mensch benutzt heutzutage noch so was?"

Rebecca Jones zuckte mit den Schultern. "Das ist nur eine von vielen Fragen, die wir uns stellen, Mr. Megamind. Die Gebäude wurden zwischen zwei und drei Uhr nachts eingestürzt, zur selben Zeit muss auch unser Unbekannter zu Tode gekommen sein. Eine Zeugin will gesehen haben, dass zu dieser Zeit zwei Männer in diese Gasse gegangen wären, ein Älterer und ein Jüngerer. Wenige Minuten später ist der Jüngere wieder aus der Gasse herausgekommen und blieb unter der Straßenlaterne da vorne stehen." Sie deutete auf eine etwas schief gebogene Laterne vor dem Eingang zur Gasse. "Dann hörte die Zeugin ein Krachen als wäre etwas abgebrochen oder umgefallen, sagt sie." Sie verstummte und runzelte die Stirn.

"Und weiter?", fragte Megamind. "Das ist ja wohl kaum die ganze Geschichte."

Miss Jones seufzte. "Ja, da kommt noch was", gab sie zu. "Aber der letzte Teil ist vermutlich bloß Altweibergewäsch."

"Das lassen Sie mal meine Sorge sein", erwiderte er. "Fahren Sie nur fort."

"Nun gut. Offenbar kam nach dem Krachen ein weiterer Mann aus der Gasse heraus. Die Zeugin wollte ihn aber nicht näher beschreiben." Sie zuckte abermals mit den Schultern. "Er folgte dem Jüngeren, der orientierungslos die Straße entlanggetaumelt sein soll, bis dieser gegen ein Verkehrsschild gestoßen war. Offenbar soll der junge Mann erst dann erkannt haben, dass der Mann, der ihm folgte, nicht sein Begleiter war. Und dann hat sein Verfolger ihm so heftig ins Gesicht geschlagen, dass er einige Meter durch die Luft geflogen sei. Der junge Mann soll sich dann wieder aufgerappelt haben und davongerannt sein." Sie verdrehte die Augen. "Verstehen Sie nun, warum ich das für Altweibergewäsch halte? Einen solchen Schlag, wie die Zeugin beschrieben hat, hätte kein Mensch überlebt."

"Nun, aber ein Mensch kann auch kein Gebäude ohne Sprengstoff oder Abrissbirne einstürzen lassen, oder?", erwiderte Megamind und zog eine Augenbraue hoch. "Glauben Sie, es handelt sich hierbei um einen Superschurken?"

"Sagen Sie es mir. Sie sind hier der Experte."

"Ich kann das auch nicht so genau sagen", gab Megamind zu. "Ein gewöhnliches Verbrechen scheint es jedenfalls nicht zu sein. Vielleicht könnte ich mal mit der Zeugin reden, was meinen Sie?"

Miss Jones nickte. "Sicherlich. Sie lebt in dem Haus direkt gegenüber von dieser Gasse, ich glaube, Ihr Wagen parkt sogar genau davor. Aber ich muss Sie warnen, sie ist ein wenig merkwürdig."

"Ich komme schon zurecht", versicherte Megamind ihr und ging zu Minion zurück, der sich mit einem etwas rundlichen Polizisten unterhielt.

"Ah, Sir, haben Sie was herausgefunden?", fragte sein Freund, als er ihn bemerkt hatte.

"Vielleicht, Minion, vielleicht", erwiderte Megamind und zog ihn mit sich zur Absperrung. "Jetzt müssen wir aber erst einmal eine Zeugin befragen."

"Oh, toll, ich wollte schon immer mal Detektiv spielen", freute sich Minion.

Sein Boss verdrehte nur die Augen.
 

"Ich bekomme so selten Besuch. Und jetzt habe ich nicht einmal alles im Haus, um Gäste richtig zu bewirten." Die alte Dame stellte einen Teller mit Kuchen und Kekse auf den Wohnzimmertisch vor Megamind und Minion ab und drückte den beiden jeweils eine Tasse Tee in die Hand, wobei in Minions Teetasse ein Trinkhalm steckte.

"Äh, ich glaube, das reicht vollkommen, Mrs. ... äh ... Bearhunter", murmelte Megamind verunsichert und jonglierte die heiße Tasse von einer Hand in die andere. "Aber eigentlich wollten wir nur wissen, was Sie heute Nacht gesehen haben."

"Achja, natürlich, der arme Junge", sagte Mrs. Bearhunter geistesabwesend und fuhr mit der linken Hand durch ihr kurzgeschnittenes Haar.

"Äh, nein, der Tote ist bestimmt kein Junge mehr", widersprach Minion, während er versuchte, den Trinkhalm durch die Klappe seines Fischglases zu schieben, ohne dabei den Tee zu verschütten. "Der Arzt schätzt, dass er zwischen fünfundsechzig und siebzig Jahren alt war."

"Ach nein, ihn meine ich ja gar nicht." Sie stellte die Teekanne auf den Wohnzimmertisch und ließ sich mit einem Plumps in einen Sessel fallen. "Ich meine seinen Begleiter."

"Der, der durch die Luft geflogen sein soll?", fragte Megamind und stellte seine Tasse auf der Sofalehne ab, was Minion mit einem missbilligenden Kopfschütteln bedachte.

Mrs. Bearhunter sah ihn ernst an. "Seien Sie nicht albern, junger Mann, kein Mensch kann durch die Luft fliegen. Nein, der dritte Mann hat ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen und der Junge wurde von der Wucht des Schlages nach hinten geschleudert."

"Und wie dieser unbekannte Dritte aussah, können Sie uns nicht sagen?"

Ein Zucken ging durch das Gesicht der alten Frau. "Ich weiß leider nicht genau, wie ich sein Gesicht beschreiben soll", gab sie zu. "Es war einfach zu ... gewöhnlich."

"Gewöhnlich?", fragten Megamind und Minion wie aus einem Mund.

Mrs. Bearhunter nickte. "Ja, gewöhnlich. Ein Gesicht wie ... wie eine Schaufensterpuppe. Sie wissen schon, sieht man eine, kennt man alle. Richtig gruslig war das."

Megamind und Minion wechselten einen verunsicherten Blick.

"Natürlich, als ich den Polizisten das gesagt habe, haben die sich so wissend angegrinst. Ganz nach dem Motto, die alte Schachtel hat nicht mehr alle Tassen im Schrank." Sie sah die beiden vorwurfsvoll an, als hätten sie irgendetwas in dieser Richtung gesagt. "Die Polizei taugt auch nichts mehr. Dabei soll sie doch jedem Hinweis nachgehen."

"Nun, vielleicht klingt das auch einfach zu weit hergeholt für die Polizisten...", mutmaßte Minion und saugte den letzten Rest Tee aus seiner Tasse.

"Ach, zu weit hergeholt!", schnaubte Mrs. Bearhunter. "Jahrelang haben die Nachrichten behauptet, hier in der Stadt gäbe es einen fliegenden Mann, der irgendwas Blaues bekämpfen würde. Und da soll das, was ich gesehen habe unglaubwürdig sein?"

Megamind verschluckte sich an seinem Tee und fing zu husten an, während Minion sich ein Lachen verkneifen musste.

"Tja, das ist leider alles, was ich zu diesem Fall beitragen kann, fürchte ich", seufzte sie. "Nachdem ich gesehen habe, dass der junge Mann verfolgt wurde, habe ich natürlich sofort die Polizei gerufen, aber als die endlich angekommen waren, waren er und sein Verfolger längst verschwunden. Und sie haben dann noch nicht einmal die Stelle untersucht, an der der Junge gefallen ist. So wie er aufgekommen ist, hätten man sicher irgendwelche Spuren finden müssen."

"Verstehe", murmelte Megamind und stellte seine leere Teetasse - deren Inhalt zur Hälfte auf seinen Knien und dem Teppich gelandet war - auf den Wohnzimmertisch. "Also hätten wir drei Unbekannte, von denen wir bisher nur einen 'gefunden' haben, ein paar eingestürzte Gebäude und nicht die leiseste Ahnung, was das alles miteinander zu tun hat." Er stand umständlich auf, wobei er versuchte, so unauffällig wie möglich den Tee von seinen Knien zu wischen, und streckte Mrs. Bearhunter die Hand entgegen. "Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Madame. Das war sehr aufschlussreich."

Die alte Dame schüttelte seine Hand mit einer Kraft, die ihn überraschte. "Kein Problem, ich freue mich immer über ein wenig Unterhaltung. Auch wenn das Thema alles andere als erfreulich war."

"Ja, selbstverständlich." Megamind lächelte gezwungen. "Aber wir müssen jetzt wirklich gehen, wenn wir dieses Phänomen weiter untersuchen wollen."

Es sollte noch mindestens zehn Minuten dauern, ehe Minion und er aus der Wohnung und wieder auf der Straße waren.

"Meine Güte, ich wusste gar nicht, dass man so oft 'Auf Wiedersehen' sagen kann", seufzte Megamind theatralisch.

"Nun, Mrs. Bearhunter hat ja gesagt, dass sie nicht oft Besuch bekommt", meinte Minion. "Da will man seine Gäste natürlich nicht gleich wieder loswerden. Vielleicht sollte ich mal ab und zu vorbeischauen..."

"Wenn es dir Freude macht", brummte Megamind und ging die Straße hinunter.

Sein Freund sah ihm verwirrt nach. "Äh, wohin gehen Sie, Sir? Der Wagen ist direkt vor uns."

"Ja, das weiß ich auch.", wurde ihm augenrollend geantwortet. "Ich will nur mal nachprüfen, ob das, was die Frau gesagt hat, stimmt."
 

Das Schweigen, das die beiden Freunde umhüllte, als sie zurück zum Versteck fuhren, hätte man mit Messern schneiden können.

Minion saß am Steuer des unsichtbaren Wagens und blickte aus den Augenwinkel immer wieder besorgt zu seinem Boss, der gedankenverloren aus dem Fenster blickte.

Nach einigen Minuten vollkommener Stille seufzte dieser und sagte: "Es ist bestimmt nur ein Zufall, Minion."

"Äh, was ist ein Zufall, Sir?", fragte der Fisch verunsichert.

"Ich meine diese Delle im Asphalt." Megamind fuhr sich mit beiden Händen über den kahlen Schädel. "Das ist doch bestimmt schon früher dagewesen."

"Ich würde das nicht unbedingt eine 'Delle' nennen, Sir", warf Minion ein. "Schlagloch trifft es schon eher."

"Nenn' es wie du willst", brummte Megamind. "Aber wahrscheinlich war es ein Auto, das dafür verantwortlich ist. Oder irgendwelche Jugendliche."

"Und diese rotbraunen Flecken?", fragte Minion. "Das sah doch fast so aus wie-"

"Farbe", unterbrach sein Freund ihn. "...Vermutlich." Unbehaglich schlang er die Arme um seinen Torso. "Alles andere ergibt keinen Sinn. Es müsste doch noch eine zweite Leiche geben."

"Vielleicht wurde die Leiche mitgenommen, um Spuren zu verwischen", mutmaßte Minion.

Megamind warf ihm einen ungläubigen Blick zu. "Nachdem er mehrere Gebäude halb zum Einsturz gebracht hat? Und außerdem widerspricht das der Tatsache, dass die andere Leiche noch am Tatort war."

"Oder es ist so, wie die Polizei vermutet und es gab nur zwei Personen: Der Tote und sein Begleiter."

Ehe Megamind darauf antworten konnte, begann das Handy an seiner Hüfte zu klingeln.

"Von Miss Ritchi?", fragte Minion, bekam aber nur ein zustimmendes Grunzen als Antwort.

Nachdem er die Nachricht ausführlich durchgelesen hatte, sagte Megamind: "Sie will, dass wir uns in einem Café am Rathaus treffen."

Minion sah vor sich auf die Straße. Sie waren schon fast am Versteck angekommen. "Soll ich umdrehen und Sie hinbringen, Sir?"

Megamind sah ebenfalls nach vorne und schüttelte dann den Kopf. "Nein, das ist nicht nötig. Sobald wir im Versteck sind, kann ich den Wagen oder das Hoverbike nehmen. Außerdem muss ich sowieso die Hose wechseln wegen des verschütteten Tees."

Minion nickte und steuerte das ehemalige Fabrikgebäude an, das ihnen nun schon seit gut zwei Jahren als Versteck diente.

Wie üblich wurden sie sofort von ein Dutzend Brainbots umringt, sobald sie das Auto verlassen hatten.

"Die Brainbots müssen sich wohl immer noch daran gewöhnen, dass sie Sie nun jeden Tag sehen können, Sir", lachte Minion und ging frische Kleidung holen, während Megamind seine Erfindungen streichelte und mit ihnen "Fang-den-Schraubenschlüssel" spielte.

Ein paar Minuten später hörte Megamind ihn entsetzt rufen: "Sir! Hilfe! Schnell!"

Beunruhigt ließ dieser den Schraubenschlüssel fallen und lief in die Richtung, aus der Minions Stimme kam.

Megamind fand ihn am Hinterausgang der Fabrik über etwas gekniet, das ausgestreckt auf dem Boden lag. Erst hielt er es für ein Bündel nasser Kleidung und fragte sich, warum Minion sich so aufregte, doch dann begann das Bündel sich zu regen.

Verunsichert streckte Megamind die Hand aus und zog an dem braunen Stoff, der die bewusstlose Gestalt fast vollkommen einhüllte. Zum Vorschein kam ein schwarzhaariger Mann von vielleicht zwanzig Jahren und er sah aus, als wäre er in eine Prügelei verwickelt gewesen.

"Wie ist der denn hier reingekommen?", wunderte sich Megamind und befühlte den Stoff, der offenbar als Umhang oder Decke gedient hatte.

"Anscheinend war die Tür offen", erwiderte Minion und deutete mit dem Daumen auf den Ausgang, der zum See hinausführte. "Er muss zuvor wohl im See gelandet sein."

"Vielleicht ein Betrunkener, der hineingeplumpst ist?", mutmaßte Megamind und drehte den Mann auf den Rücken. Als er an die rechte Schulter des Fremden stieß, entrang sich ein schmerzerfülltes Wimmern dessen Kehle.

Stirnrunzelnd untersuchte Megamind die Schulter. Sie fühlte sich irgendwie falsch an und er war sich sicher, dass der Knubbel, der ein wenig unterhalb des Schultergelenks zu spüren war, da nicht hingehörte.

"Ich glaube, er hat sich die Schulter ausgekugelt", meinte er schließlich und zog seine Hand wieder zurück. Obwohl er selbst sich schon mehrfach solche und ähnliche Verletzungen zugezogen hatte, verspürte er doch einen leichten Brechreiz aufsteigen und er schluckte schwer.

"Was machen wir denn mit ihm, Sir?", fragte Minion besorgt und untersuchte die Schwellung im Gesicht des Mannes. "Er sieht nicht so aus, als könnten wir ihn transportieren."

Einen Moment lang überlegte Megamind angestrengt. Er wusste genau, was man in diesem Fall machen musste, aber das würde bedeuten, dass er sein Versteck preisgeben müsste. Andererseits...

"Ich rufe einen Krankenwagen", seufzte er und holte das Handy hervor.

"Was?" Minion sah ihn beinahe entsetzt an. "Aber was wird dann aus dem Versteck? Sie haben doch immer gesagt, dass es unbedingt geheim bleiben müsste, damit niemand unsere Geheimnisse herausfindet."

"Minion, wir können ihn in seinem Zustand nicht transportieren", erwiderte Megamind genervt. Und ich will mir nicht unterlassene Hilfeleistung vorwerfen lassen, nur weil ich mein Versteck nicht preisgeben wollte. Mal abgesehen davon hat es Roxanne selbst gesagt: Als einziges Gebäude mit einem falschen Observatorium auf dem Dach ist es nicht besonders schwer zu finden."

Ihm missfiel diese Situation genauso wie Minion, aber es blieb ihnen keine andere Wahl. Sie konnten immer noch umziehen, wenn es ihnen nicht mehr sicher genug war.

Während er dem Notdienst Instruktionen gab, wie sie ihn finden konnten, suchte Minion ein paar alte Kissen zusammen, die er dem Mann unter den Kopf schob.

"Glaubst du ernsthaft, dass das was hilft, Minion?", fragte Megamind, nachdem er wieder aufgelegt hatte.

"Das ist das Einzige, das mir einfällt, Sir", meinte Minion schulterzuckend. "Aber Sie sollten lieber noch einen Anruf tätigen."

Megamind sah ihn verwirrt an. "Was? Warum?"

"Sie wollen Miss Ritchi doch nicht etwa sinnlos auf Sie warten lassen, oder? Sie müssen schließlich auf den Krankenwagen warten."

"Ah", machte Megamind und griff sich an den Kopf. "Natürlich. Danke, Minion."
 

Roxanne starrte gedankenverloren aus dem Fenster ihres Lieblingscafés und fragte sich gerade, ob sie vielleicht doch - wie von Megamind vorgeschlagen - nach Hause gehen sollte, als sie hörte, wie sich jemand ihrem Tisch näherte.

Sie drehte den Kopf und erkannte ihren Freund, der ziemlich müde und abgekämpft vor ihr stand.

"Entschuldige die Verspätung", murmelte er und setzte sich auf den Stuhl ihr Gegenüber.

Ihr fiel auf, dass er zur Abwechslung mal wieder den Overall mit dem großen Kragen trug, in dem sie ihn seit seinem Berufswechsel eigentlich nicht mehr gesehen hatte. Nach so langer Zeit ohne derartig hohen Kragen wirkte er beinahe, als wollte er sich verstecken.

Wirklich wie eine Schildkröte in ihrem Panzer, dachte sie amüsiert.

"Was ist so komisch?" Megamind sah sie misstrauisch an.

"Ach, gar nichts", erwiderte Roxanne lächelnd und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich bin nur froh, dass du es doch noch hierher geschafft hast."

"Oh." Sein Gesichtsausdruck entspannte sich. "Ich habe dich ziemlich warten lassen, oder?"

Sie schüttelte den Kopf. "Ist schon in Ordnung. Notfälle haben schließlich Vorrang."

Megamind lächelte sie erleichert an, offenbar froh darüber, dass sie ihm nicht böse war.

"Also", sagte sie, nachdem sie einen Schluck aus ihrem Wasserglas genommen hatte, "was war im Arbeiterviertel los?"

"Wie immer ganz die neugierige Reporterin, was?", erwiderte er amüsiert. "Aber solche Tricks wirken bei mir nicht."

Roxanne verdrehte die Augen und versetzte ihm einen spielerischen Stups an die linke Schulter. "Ich habe heute frei und kann zudem Beruf und Freizeit sehr gut von einander unterscheiden."

"Ohoho!", lachte Megamind. "Wer war denn diejenige, die in ihrer Freizeit versucht hat, mein Versteck zu infiltrieren?"

"Ich habe es nicht nur versucht, mein lieber Megamind", antwortete sie gespielt überheblich. "Mir ist es eindeutig gelungen, dein Versteck zu durchsuchen."

Megamind grinste, offensichtlich sehr angetan von ihrem kleinen Wortgeplänkel. "Meine liebe Roxanne, das war aber doch nur, weil Minion diese Fußmatte vor den Geheimeingang gelegt hatte."

Ehe Roxanne eine Antwort darauf geben konnte, räusperte sich der Kellner, der in der Zwischenzeit zu ihrem Tisch herübergekommen war. "Möchten Sie etwas trinken?", fragte er.

Megamind verbarg seine Verärgerung darüber, in seinem Geplänkel unterbrochen worden zu sein. "Natürlich", sagte er stattdessen. "Äh, ein Wasser bitte."

Der Kellner nickte und verschwand.

"Seit wann trinkst du Wasser?", fragte Roxanne überrascht. "Ich dachte, das wäre dir zu fade."

"Ich musste heute einen ausgesprochen starken Tee trinken." Megamind verzog das Gesicht. "Den muss ich erstmal irgendwie verdünnen."

Roxanne lachte.

Nachdem der Kellner mit dem Wasser zurückgekommen war und ihre Essensbestellungen aufgenommen hatte, fragte sie noch einmal nach: "Also, was ist jetzt im Arbeiterviertel passiert? Es gab jedenfalls keinen Kampf."

"Nicht während ich da war, nein", antwortete Megamind und trank einen großen Schluck Wasser.

Roxanne hob fragend die Augenbrauen.

Seufzend stellte er das Glas wieder auf den Tisch und faltete die Hände. "Du wirst mir keine Ruhe lassen, bis ich alles erzählt habe, oder?"

"Nun, zwei Perspektiven zu einem Fall sind besser als eine." Sie legte den Kopf schief und grinste leicht.

Megamind verdrehte die Augen. "Also schön, du hast gewonnen."

Er begann zu berichten, was Minion und er herausgefunden hatten, nur innehaltend als er den Kellner mit dem Essen zurückkommen sah.

"Also, verstehe ich das richtig?", fragte Roxanne und biss eine Ecke ihres Sandwichs ab. "Diese Mrs. Bearhunter will drei Männer gesehen haben, aber die Polizei hat nur eine Leiche gefunden und geht daher von zwei Personen aus."

"Richtig." Megamind zerrupfte gedankenverloren sein Croissant und stopfte sich einzelne Brocken in den Mund. "Aber das, was diese alte Frau berichtet hat, ist auch physikalisch nicht möglich. Wenn der junge Mann wirklich so heftig geschlagen wurde, müsste er eigentlich tot oder zumindest so schlimm verletzt sein, dass er sich eigentlich nicht hätte wegbewegen können."

"Und was ist mit dem Mann, den Minion und du im Versteck gefunden habt?", fragte sie und faltete die Hände unter dem Kinn.

Einige Augenblicke lang sah er sie nur ungläubig an, ehe er den Kopf schüttelte. "Unmöglich. Die Sanitäter haben außer der ausgekugelten Schulter auch Prellungen und Abschürfungen am ganzen Körper festgestellt und möglicherweise hat er innere Verletzungen. Wie wäre er denn vom Arbeiterviertel bis zu unserem Versteck gekommen? Er wäre vorher zusammengebrochen, so sieht's doch aus."

"Nun, wärest du das, würde ich behaupten, dass du aus reinem Trotz bis dahin gekommen wärst", meinte Roxanne grinsend. "Und du hast doch gesagt, er wäre vollkommen durchnässt gewesen."

"Also jetzt wird's richtig albern!" Megamind wedelte energisch mit den Händen durch die Luft und stieß dabei beinahe sein Wasserglas um. "Mit den Verletzungen hätte er unmöglich schwimmen können!"

"Wir wissen ja gar nicht, ob er sich alle Verletzungen vor seinem Schwimmversuch zugezogen hat", erwiderte Roxanne und brachte das Glas vor seinen gestikulierenden Armen in Sicherheit. "Vielleicht ist der Mann einfach etwas widerstandsfähiger. Rasputins Mörder konnten denselben ja auch nicht mit einfachen Mitteln töten. Letztendlich ist er am Ufer eines Flusses an Unterkühlung gestorben, nachdem sie ihn von einer Brücke in ebenjenen Fluss gestoßen hatten."

"Wie kommst du jetzt auf Rasputin?", fragte Megamind ungläubig. "Wo hat das Ganze irgendwas mit einem orthodoxen Priester zu tun?!" fügte er mit schriller Stimme hinzu, wodurch sich an ein paar Tischen andere Gäste zu ihm umdrehten.

"Psst!", machte sie und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen. "Nicht so laut! Du störst die anderen Gäste beim Essen!"

Seufzend setzte er sich wieder aufrecht auf seinen Stuhl und klaubte missmutig die Reste seines Croissants auf.

"Na gut, vergessen wir das Thema für den Moment", meinte Roxanne beschwichtigend, während sie ihn beim Essen beobachtete. "Sobald der Mann wieder wach ist, kannst du ihn ja fragen, woher er die Verletzungen hat."

Megamind brummte nur etwas Unverständliches.

"Sieh mal", seufzte sie und griff nach seiner linken Hand, "ich verstehe ja, dass du dich unwohl fühlst, wenn eine Sache sich dir nicht gleich erschließt. Aber ich glaube, du denkst zu wissenschaftlich für diesen Fall."

Er hob skeptisch die Augenbrauen und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. "Also, was schlägst du vor? Soll ich mir ein paar Märchenbücher aus der Bibliothek ausleihen?"

"Ach." Sie versetzte seiner Hand einen leichten Klaps. "Ich meinte bloß, dass du zu viel darüber nachdenkst. Das ist wie mit Träumen. Je mehr du dich zu erinnern versuchst, desto mehr entgleiten sie dir."

"Das Problem ist nur: Ich erinnere mich immer an meine Träume", erwiderte er.

"Ooh!" Roxanne vergrub resigniert das Gesicht in den Händen.

Leise lachend tätschelte Megamind ihren Arm. "Schon gut, ich verstehe, was du meinst", sagte er. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Vielleicht hast du auch Recht und ich denke wirklich zu viel darüber nach." Er rieb sich nervös die Stirn.

"Du wirst schon noch hinter das Rätsel kommen", versicherte sie ihm. "Nur eben nicht heute."

"Also schön, du hast schon wieder gewonnen. Wechseln wir das Thema." Er stellte seinen nun leeren Teller beiseite, legte seine gefalteten Hände auf den Tisch und beugte sich vor. "Wie war dein Tag heute?"

"Ganz nett, nachdem ich endlich deine Brainbots aus dem Zimmer hatte, die ihr bei mir vergessen hattet", antwortete Roxanne lachend.

"Oh!" Megamind sah sie zerknirscht an. "Ich hoffe, sie haben nichts angestellt."

"Es gab keine Toten oder Verletzten", meinte sie grinsend. "Ich habe einfach das Fenster aufgemacht und sie hinausgescheucht."

"Clever", meinte er. "Aber was sollte man auch anderes von dir erwarten?"

"Mach dich nicht über mich lustig." Sie sah ihn gespielt streng an. "Du musst es schließlich noch eine Weile mit mir aushalten."

"Mit dir, Roxanne, will ich es so lange wie möglich aushalten", sagte er ernst.

Roxanne lachte. "Das ist der wohl abgedroschenste Spruch, den ich seit langem gehört habe."

"Man tut, was man kann", erwiderte Megamind grinsend und gab dem Kellner von vorhin ein Zeichen, dass er zahlen wollte. "Und vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit herauszufinden, wer der fremde Mann ist."
 

Es war bereits zweiundzwanzig Uhr, als Megamind endlich wieder im Versteck ankam.

"Minion?", rief er in die Halle hinein. "Haben wir die Proben aus dem Arbeiterviertel bereit?"

Minion kam hinter dem roten Vorhang hervor, der Megamind als Abtrennung seines Arbeitsbereiches diente und sah seinen Herrn verschlafen an. "Ja, sie wurden aber noch nicht ausgewertet", sagte er gähnend. "Wirklich, Sir, wir hätten das auch die Polizei machen lassen können."

Megamind schüttelte den Kopf. "Im Gegenteil, Minion", erwiderte er und ging auf den Teil des alten Fabrikgebäudes zu, der ihm als Labor diente. "Es ist jetzt nämlich nicht mehr wichtig, ob die Flecken auf dem Asphalt Blut sind, sondern zu wem sie gehören. Oder besser gesagt: Ob sie zu dem Mann gehören, den wir heute gefunden haben."

Minion sah seinen Herrn an, als wäre dieser verrückt geworden. "Wie bitte? Was?"

"Du hast mich schon richtig verstanden, Minion. Roxanne-" Ehe Megamind fortfahren konnte, wurde er von Minion unterbrochen.

"Ohje, Sie versuchen mal wieder, ihr etwas zu beweisen, oder Sir?", stellte der Fisch seufzend fest und schüttelte den Kopf. "Es ist wirklich spät, Sir! Sie sollten schlafen gehen."

Megaminds Schultern sackten nach vorne. "Na schön, na schön, dann machen wir das eben später!"

"Sir, ich bin mir nicht sicher, was das alles auf einmal soll, aber-" Diesmal war es an Minion, unterbrochen zu werden.

"Roxanne meint, dass der Mann, den Mrs. Bearhunter gesehen hat und der Mann, den wir hier gefunden haben, ein und dieselbe Person sind", erklärte Megamind augenrollend. "Ich halte es zwar für vollkommen ausgeschlossen, aber..."

"Warum wollen Sie es dann untersuchen, wenn es ausgeschlossen ist, Sir?", fragte Minion resigniert. Am liebsten hätte er sich in seinem Dekoschloss verkrochen und geschlafen. Aber das gehörte sich nicht für einen Minion.

Megamind seufzte und ließ sich auf einen Hocker fallen. "Weil wir sonst doch gar keinen anderen Anhaltspunkt haben. Und wenn der Mann wider Erwarten doch derselbe ist, der laut Mrs. Bearhunter angegriffen wurde, dann hätten wir wenigstens einen Hinweis. Und ich will nicht einfach zu dem Mann ans Krankenbett treten und fragen: 'Entschuldigen Sie bitte, wurden Sie zufällig in der letzten Zeit von einer Schaufensterpuppe angegriffen?'."

Minion lachte. "Nun, wenn Sie es so sagen, dann klingt es wirklich seltsam, Sir. Aber Sir...", fügte er hinzu und sah seinen Herrn besorgt an.

"Ja?"

"Wir haben leider keine DNS von dem Mann."

"Hm..." Megamind hüpfte von seinem Hocker herunter und lief auf und ab. "Vielleicht können wir irgendwie ein Haar oder ähnliches von ihm bekommen."

"Und wie?", fragte Minion und beobachtete, wie sein Freund zum Hinterausgang lief. "Wir sind jetzt die Guten, Sir, wir können nicht mehr einfach irgendwo einbrechen und uns nehmen, was wir wollen."

"Wer redet denn von Einbruch, mein lieber Minion?", erwiderte Megamind lachend und beugte sich zu Boden. "Wir haben doch das hier!" Mit diesen Worten lief er wieder zurück und hielt seinem Fischfreund ein schwarzes Haar vor die Glaskugel. "Zwar haben wir keine Blutspur, aber ein Haar wird's auch tun."

"Sind Sie sicher, dass das keines von Ihren ist, Sir?", wollte Minion misstrauisch wissen. "Sie haben auch schwarze Haare."

Megamind verdrehte die Augen. "Sieh doch genauer hin! Das ist eindeutig ein Haupthaar! Außerdem ist es viel zu lang, um von mir zu kommen."

"Wenn Sie das sagen, Sir..."

"Wie auch immer", meinte Megamind und ließ das Haar in ein Reagenzglas fallen. "Das machen wir morgen in aller Frühe", fuhr er fort und ging zu seiner Schlafcouch. "Jetzt wird erst einmal geschlafen."

"Endlich kommt er zur Vernunft...", murmelte Minion.

"Was hast du gesagt?"

Der Fisch grinste verlegen. "Nichts, gar nichts", versicherte er. "Gute Nacht, Sir."

Der Puppenmacher

Ein weiterer Tag, ein weiterer Notfall. Seit einer Woche wurden Megamind und Minion fast täglich zu einem weiteren eingestürzten Gebäude gerufen und immer war es dasselbe Schema: Über Nacht stürzten Häuser ganz oder teilweise ein, manchmal wurde sogar eine ganze Gasse in Schutt und Asche gelegt, und niemals fand sich auch nur ein Hinweis auf irgendeinen Sprengkörper.

Mittlerweile war sich Megamind fast sicher, dass es sich wirklich um einen Superschurken handeln musste und zwar um einen von der gefährlichen Sorte, denn es schien ihn oder sie nicht im Geringsten zu interessieren, ob in den Häusern, die er oder sie zum Einsturz brachte, noch Menschen waren. Dementsprechend wurden immer wieder Leichen aus den Trümmern geborgen, wenn auch keiner dieser Leute auf dieselbe Art gestorben waren wie der Tote aus dem Arbeiterviertel.

Bei dem Toten hatte sich in der Zwischenzeit herausgestellt, dass das Innere seines Brustkorbes regelrecht pulverisiert worden war. Die Rippen waren nur noch eine Ansammlung von Splittern gewesen, das Herz und die Lungen waren merkwürdig zusammengequetscht und das alles durch einen einzigen Schlag vor die Brust. Es gab den Forensikern Rätsel auf.

Mit einem Schaudern erinnerte sich Megamind an die Bilder, die ihm Rebecca Jones geschickt hatte, in der Hoffnung, dass er sich einen Reim darauf machen könnte. Doch bislang war ihm keinerlei Idee gekommen, er hatte diese Art des Tötens noch nie gesehen. Erst hatte er es mit Eisenstangen versucht, die er gegen eigens dafür von ihm angefertigten Dummys ausprobierte, dann mit Roboterarmen und schließlich hatte er sogar Minion gebeten, der diese Aufgabe nur unter großem Sträuben und Jammern ausführte. Danach hatte er sich eine kleine Standpauke von Roxanne anhören dürfen, zu der Minion geflohen war, nachdem er seinen Arm nicht mehr aus der klebrigen Masse im Innern der Puppen befreien konnte. Doch alle Versuche waren fehlgeschlagen, Megamind konnte einfach nicht die Bedingungen herstellen, die nötig waren, das Innere so zu zerquetschen, dass von außen nur ein blauer Fleck zu sehen war.

Zu allem Überfluss verweigerte ihm das Krankenhaus jedweden Zutritt zum Krankenzimmer des fremden Mannes, den sie im Versteck gefunden hatten, mit der Begründung, dass nur nahe Verwandten das Krankenbett besuchen dürften. Megamind argumentierte daraufhin, dass keine Verwandten kommen würden, da sie vermutlich noch nicht einmal wussten, dass er im Krankenhaus lag, und dass es wirklich, wirklich wichtig war, dass er ihn sobald wie möglich spräche. Letztendlich - und nach einer ziemlich langen Diskussion, bei der er alle Mühe hatte, ruhig zu bleiben - gab er klein bei und hinterließ Roxannes Telefonnummer mit der Bitte, dem Verletzten diese zu geben, damit er mit ihm sobald wie möglich in Kontakt kommen könne.

Missmutig stampfte Megamind zurück zum Unsichtbaren Wagen und ließ sich in den Beifahrersitz fallen.

"Nach Ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, war es wohl kein sonderlicher Erfolg", stellte Minion fest und sah seinen Herrn voller Mitgefühl an.

"Nein, aber ich habe Roxannes Nummer hinterlegt", brummte Megamind und starrte aus dem Fenster. "Es ist echt zum Verrücktwerden! Da weiß ich endlich mit Sicherheit, dass der Mann tatsächlich bei dem ersten Gebäudeeinsturz vom letzten Montag dabei gewesen war und ich kann ihn noch nicht einmal dazu befragen, weil sich die Belegschaft des Krankenhauses querstellt!"

"Nun ja, Sir, sie dürfen eben nur Familienangehörige in die Intensivstation lassen", versuchte Minion ihn zu beschwichtigen. "Bestimmt werden sie Sie kontaktieren, sobald der Mann zu einem Gespräch bereit ist."

"Ich wage anzuzweifeln, dass sie ihm die Nummer überhaupt geben werden." Megamind kaute verärgert auf seiner Unterlippe. "Wahrscheinlich haben sie den Zettel schon längst in den Papierkorb geworfen. Und von selbst wird der Mann wohl kaum auf die Idee kommen, uns oder die Polizei zu kontaktieren, wenn er endlich aus dem Krankenhaus entlassen wird."

"Nun sehen Sie nicht immer alles so pessimistisch, Sir!", meinte Minion aufmunternd. "Diese Menschen haben bestimmt gesehen, wie wichtig Ihr Anliegen ist. Und Sie haben ja sogar die De-Waffe im Wagen gelassen, um nicht so gefährlich auszusehen."

"Ein schwerer Fehler", erwiderte Megamind schlecht gelaunt, hob aber sogleich beschwichtigend die Hände, als Minion empört "Sir!" ausrief. "War nur ein Witz, nur ein Witz!"

Der Fisch sah ihn argwöhnisch an, zuckte dann aber seufzend mit den Schultern und richtete den Blick auf das Lenkrad. "Wo soll es jetzt hingehen, Sir? Soll ich Sie zu Miss Ritchi fahren?"

Megamind schüttelte den Kopf. "Nein, sie ist noch bei der Arbeit und in letzter Zeit hatte sie nicht mal Zeit für eine Mittagspause. Dieser Sender scheucht sie wirklich von einem Tatort zum nächsten. Als könnten die Nachrichten irgendetwas außer Panik zu diesem Fall beitragen!" Er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht mit Schmollen anzufangen.

"Oh, das ist zu schade, Sir", meinte Minion mitleidig. "Soll ich dann zurück zum Versteck fahren?"

"Ja", seufzte Megamind schwer. "Es bleibt uns ja nichts anderes übrig. Ich muss ein paar der Brainbots reparieren, die beim letzten Einsturz beschädigt wurden. Ich kann nur hoffen, dass die Newsbots keine neuen Nachrichten haben."

"Zumindest keine schlechten", fügte Minion fröhlich hinzu und fuhr los. "Gute Nachrichten wären mir sehr willkommen."

"Nicht nur dir, Minion", erwiderte Megamind müde.
 

Als sie in die Straße einbogen, die zu ihrem Versteck führte, fiel ihnen sofort der Wagen des KMCP 8-Nachrichtensenders auf, der vor dem Hologramm stand.

"Oh, sehen Sie nur, Sir, ich glaube, Miss Ritchi hat heute früher gehen können", sagte Minion.

Megaminds Miene hellte sich auf, verfinsterte sich aber gleich wieder, als ihm ein Gedanke kam. "Ist vermutlich nur jemand vom Sender, der gehört hat, dass wir hier in der Nähe leben und nun versucht, eine Reportage darüber zu machen", murmelte er. "Wird Zeit, dass wir uns ein neues Versteck suchen, Minion."

Minion seufzte resigniert. "Sir, Sie müssen wirklich aufhören, alles so negativ zu sehen, nur weil es im Moment nicht so gut läuft. ...Auch wenn ich die Idee mit dem Umzug gar nicht so schlecht finde", fügte er nachdenklich hinzu.

Er fuhr durch das Hologramm hindurch und parkte den Wagen wie üblich vor Megaminds "Ideenwand", vor der gerade der rote Vorhang gezogen war.

Megamind stieg aus und sah sich misstrauisch in der Fabrikhalle um. "Hm, sieht nicht so aus, als hätten sie den Weg hineingefunden."

"Nun, selbst wenn ein unerlaubter Besucher hier hereingefunden hätte, hätten die Brainbots ihn oder sie bestimmt sofort abgefangen", meinte Minion.

Wie auf Stichwort kamen die kleinen Roboter angesaust und umringten ihren Erfinder aufgeregt.

Megamind lächelte und streichelte die Brainbots der Reihe nach. "Habt ihr Daddy vermisst? Aber natürlich habt ihr das! Ihr seid gute kleine Roboter!"

Ein leises Lachen ließ ihn hochfahren und die Arme abwehrend vor die Brust heben. Er beobachtete, wie der Vorhang zur Seite gezogen wurde und atmete erleichtert aus, als er erkannte, wer es war.

"Roxanne! Ich dachte, du wärest noch auf der Arbeit", sagte er und schloss sie in eine Umarmung.

"Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass es Miss Ritchi ist, Sir", meinte Minion augenrollend und verscheuchte die müßig herumschwebenden Brainbots. "Aber mir glaubt mal wieder keiner."

"Mein Chef hat befürchtet, dass ich wahrscheinlich bald mit einem Anwalt anrücken werde, wenn er mich weiter von Montag bis Sonntag arbeiten lässt", erklärte Roxanne lächelnd.

Megamind grinste glücklich zurück. "Ich glaube, er sollte lieber befürchten, dass er dehydriert wird, wenn er dir so viel Arbeit aufhalst", scherzte er.

"Sir!" Minion sah ihn missbilligend an. "So etwas machen wir nicht mehr! Wir gehören jetzt zu den Guten!"

Jetzt verdrehte Megamind ebenfalls die Augen. "Oh, reg dich doch nicht so auf, Minion! Das war nur ein Scherz!"

Roxanne löste sich aus seiner Umarmung und stemmte eine Hand in die Hüfte. "Und? Habt ihr beiden irgendetwas Neues herausgefunden? Oder konntet ihr wenigstens mit dem Verletzten reden?"

Das Lächeln verschwand von Megaminds Gesicht so schnell wie es gekommen war und er zog mit einem Ausdruck vollkommener Hilf- und Ratlosigkeit die Schultern nach vorne. "Von wegen!", erwiderte er. "Nur ein weiterer Gebäudeeinsturz ohne Hinweise. Und das Krankenhaus lässt mich immer noch nicht zu ihm. Ich habe deine Nummer hinterlegt, aber ich wage anzuzweifeln, dass er sie je zu Gesicht bekommt."

"Muss ich also wieder Rezeptionistin für euch beide spielen?", fragte Roxanne und sah amüsiert dabei zu, wie ihr Freund verlegen eine Entschuldigung murmelte. "Ist schon in Ordnung, Megamind, es macht mir nichts aus. Ich wollte dich nur aufziehen."

Megamind atmete erleichtert aus. Er war sich nie ganz sicher, ob sie es ernst meinte oder nicht.

Roxanne drehte sich zu seiner Ideenwand um. "Also, wie ist der Stand der Dinge? Gibt es irgendein System hinter diesen Anschlägen?"

"Ich bin mir nicht sicher, ob da wirklich ein System dahintersteckt, aber eines weiß ich", meinte Megamind und zeigte auf einen Stadtplan, den er an eine Pinnwand gesteckt hatte, "die Anschläge nähern sich immer mehr dem Stadtzentrum. Dabei scheint es dem Täter egal zu sein, ob das Gebäude ein Wohnhaus oder ein Geschäft ist. Er bringt die Gebäude wahllos zum Einsturz und das ist das eigentlich Gefährliche hier."

"Es hat auch bisher keine weiteren Zeugen gegeben, da die Anschläge immer nachts begangen werden", fügte Minion hinzu. "Die einzige Personenbeschreibung, die wir haben, ist die von Mrs. Bearhunter und die ist mehr als vage."

"Also müssen wir auf die Aussage des Verletzten warten, um Genaueres zu erfahren", erwiderte Roxanne nachdenklich.

"So sieht's aus", murmelte Megamind und zog einen der Notizzettel zu sich heran. "Ich habe bereits die Brainbotpatrouillen erhöht und die Newsbots sind dauerhaft bei Polizei und Feuerwehr stationiert. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das ausreicht." Er sah sie niedergeschlagen an.

"Vielleicht solltet ihr die Bürger dazu aufrufen, nach verdächtigen oder seltsam aussehenden Personen Ausschau zu halten", schlug Roxanne vor.

Seine Miene verfinsterte sich. "Am Ende werde ich angezeigt."

Sie lachte. "Seltsamer aussehend dann eben. Aber für mich sieht es so aus, als ob ihr ein paar Hinweise gebrauchen könntet."

"Das ist eine gute Idee, Sir, wir sollten darüber nachdenken", meinte Minion. "Am besten verteilen wir Flugblätter oder sowas."

"Die liest doch keiner", sagte Megamind augenrollend. "Die Leute werfen sie immer gleich in den Papierkorb. Außerdem will ich hier keine Massenpanik auslösen."

"Mag sein, aber ihr könnt die Leute auch nicht im Dunkeln lassen, während ein womöglich gefährlicher Verbrecher in der Stadt sein Unwesen treibt", argumentierte Roxanne. "Im Moment greift er nur Gebäude an, aber wir haben gesehen, was er Menschen antun kann."

"Stimmt schon", murmelte Megamind nachdenklich, hielt dann aber inne und sah sie misstrauisch an. "Warte mal. Woher weißt du eigentlich, was mit dem Toten passiert ist?"

Roxanne verdrehte die Augen. "Ihr zwei seid nun wirklich nicht besonders begabt darin, solche Sachen geheimzuhalten. Ich weiß doch, dass du einen Dummy gebaut hast, um die Szene nachzustellen. Es braucht nicht viel, um da eins und eins zusammenzuzählen."

"Oh", machte er überrascht und grinste sie verliebt an. "Du bist eben doch die schlauste Person, die ich kenne."

Roxanne erwiderte das Lächeln und zog ihn zu einem Kuss heran. "Schmeichler."

Minion verdrehte die Augen beim Anblick der beiden. "Ich lasse euch zwei Turteltauben dann mal allein", sagte er. "Wenn Sie beide schon so anfangen, bekommen wir heute sowieso nichts mehr gebacken."

"Jaja, sehr schön", murmelte Megamind abgelenkt, offenbar nicht im Geringsten mitbekommend, was sein Freund gerade gesagt hatte.

Minion schüttelte amüsiert den Kopf und entfernte sich leise vom Ort des Geschehens.
 

Als er die Augen öffnete, lag er in einem komplett weißen Raum auf einem relativ unbequemen Bett. Verwirrt blinzelte er zu der Deckenlampe hoch, die direkt über seinem Bett hing, und versuchte sich aufzusetzen. Dies erwies sich allerdings als unmöglich, da an seinem gesamten Oberkörper und unter seiner Nase Schläuche und Kabeln befestigt waren.

Er stieß einen Seufzer aus und sah sich nochmal um. Rechts neben seinem Bett war ein EKG aufgestellt worden, das in regelmäßigen Abständen ein leises Piepsen von sich gab. Es fing bereits an, ihn zu nerven. Unter den zugezogenen Vorhängen schimmerte golden das Licht der Nachmittagssonne hervor und von draußen drang das Geräusch von Schritten herein.

Als er versuchte, seinen rechten Arm nach dem Gerät auszustrecken, fiel ihm auf, dass die Gliedmaße mit einer Schlinge an seinen Oberkörper gebunden war. Wann war denn das passiert? Und wie kam er in diesen Raum? Soweit er sich erinnern konnte, hatte er sich doch in eine verlassene Fabrik gerettet. War vielleicht jemand vorbeigekommen und hatte ihn dort liegen sehen?

Ehe er noch weiter darüber nachdenken konnte, wurde die Tür seines Zimmers geöffnet und eine Krankenschwester mittleren Alters trat ein.

Als sie bemerkte, dass er wach war und sie beobachtete, rief sie etwas in den Flur hinaus und wenige Minuten später standen drei weitere Menschen vor seinem Bett. Ohne ihn auch nur nach seinem Wohlbefinden zu fragen, richteten sie ihn auf und drehten ihn hin und her, während sie sich miteinander unterhielten. Sie lösten die Schläuche und Kabel von seinem Körper und drückten ein Stethoskop gegen seine Brust und seinen Rücken.

Dann wurde er aus dem Zimmer gerollt, es ging den Gang entlang, in einen Fahrstuhl hinein, einen weiteren Gang hinunter und wieder in einen neuen Raum. Man forderte ihn auf, sich auf eine Liege zu legen, die Schlinge um seine Schulter nahm man ihm ab, eine Matte wurde auf seine Beine gelegt und ihm wurde aufgetragen, sich nicht mehr zu bewegen. Und immer noch hatte ihn niemand gefragt, wie es ihm ging oder wer er war.

Nach einer Weile wurde ihm gesagt, dass er wieder aufstehen dürfte, sein Arm wurde abermals in die Schlinge gesteckt und ein Rollstuhl wurde hereingebracht. Mit äußerstem Widerwillen setzte er sich hinein, verärgert darüber wie ein Invalide behandelt zu werden und wieder ging die Fahrt durch das Gebäude los.

Das Zimmer, in das man ihn nun rollte, war bereits von einer weiteren Person bewohnt. Der ältere Herr hatte sein gebrochenes Bein in einer Schlinge über seinem Bett baumeln und hob nicht einmal den Kopf von seiner Zeitschrift als sie hereinkamen.

Er ärgerte sich immer mehr über die Unhöflichkeit dieser Leute.

Die Krankenschwester, die seinen Rollstuhl geschoben hatte, half ihm auf sein neues Bett und steckte die Decke um ihn herum fest als wäre er ein kleines Kind, ehe sie das Zimmer wieder verließ.

Eine unangenehme Stille erfüllte den Raum. Er sah aus dem Fenster und erkannte, dass die Sonne mittlerweile ziemlich tief über den Häusern stand. Vermutlich war es sieben oder acht Uhr, aber da es in diesem Zimmer keine Uhr gab, konnte er sich nicht sicher sein. Müßig strich er mit den Fingern seiner linken Hand über die Bettdecke und fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, sich schlafend zu stellen und anschließend die Flucht zu ergreifen.

Nachdem er eine Viertelstunde in vollkommenem Schweigen verbracht hatte, öffnete sich die Tür wieder und eine neue Krankenschwester schob ein Wägelchen mit zwei Tabletts darauf herein. Sie stellte jeweils eines vor ihn und den anderen Patienten.

Argwöhnisch piekste er mit der Gabel das Essen an, ehe er auf den Zettel aufmerksam wurde, den irgendjemand unter das Tablett geklemmt hatte. Er entfaltete ihn und sah einen Namen und eine Nummer darauf stehen.

Verwirrt wandte er sich an die Krankenschwester. "Äh, was-"

"Mr. Megamind wünscht Ihren Anruf, sobald Sie sich dafür bereit fühlen", erklärte die Schwester ihm. "Wenn Sie wollen, kann ich ihnen ein Telefon bringen..."

Er nickte und sie verließ das Zimmer.

Abermals betrachtete er den Zettel. "Roxanne Ritchi" stand mit Bleistift in Großbuchstaben geschrieben und zu seiner größten Verwirrung war unter der Nummer ein kleines Herz eingezeichnet und dann wieder wegradiert worden. Was sollte das?

Die Tür öffnete sich wieder und die Krankenschwester kam herein, ein schnurloses Telefon in der Hand. "Bitte schön", sagte sie und drückte ihm das Gerät in die Hand.

"Danke", murmelte er und versuchte sich an einer Verbeugung.

Die Frau lächelte und schloss beim Hinausgehen die Tür hinter sich.

Er gab die Nummer von dem Zettel in das Telefon ein und hielt es sich ans Ohr.

Nachdem es dreimal geklingelt hatte, wurde am anderen Ende abgehoben und eine Frau meldete sich: "Hallo, Roxanne Ritchi am Apparat?"

"Ah, allo, hier ist, äh, Ansgar Geberic", antwortete er unsicher. "Ein gewisser, äh, Megamind wollte mich sprechen?"
 

Das Unsichtbare Auto schlängelte sich zwischen den anderen Verkehrsteilnehmer hindurch in Richtung des Metro City Hospital. Es war zwölf Uhr mittags und Megamind hatte die Nacht über kaum schlafen können, doch das konnte seine gute Laune nicht trüben.

Dies war ein hervorragender Tag, fand er. Bisher hatte es keine neuen Notfälle gegeben, die Sonne schien und am Tag zuvor hatte er endlich den Anruf bekommen, auf den er so lange gewartet hatte. Bestimmt standen sie kurz vor der Auflösung dieses blöden Falles!

"Sir, bitte setzen Sie sich gerade hin", bat Minion ihn nervös. "Wenn Sie die ganze Zeit vor und zurückwippen, kann ich mich nicht auf den Verkehr konzentrieren."

Megamind verdrehte die Augen und setzte sich aufrecht hin, die Arme vor der Brust verschränkt.

"Könnt ihr beiden nicht endlich einmal Anschnallgurte installieren?", fragte Roxanne von der Rückbank her und krallte ihre Nägel in das Lederpolster ihres Sitzes. "Oder wenigstens etwas langsamer fahren? Mr. Geberic läuft uns so schnell nicht davon."

Kaum hatte sie das gesagt, kam auch schon das Krankenhaus in Sicht und Minion verringerte gehorsam das Tempo. Er schaltete die Unsichtbarkeit aus und parkte den Wagen ordnungsgemäß auf dem Besucherparkplatz.

Mit zitternden Knien stieg Roxanne aus und lehnte sich gegen das Auto. "Ich hätte doch zur Arbeit gehen sollen", murmelte sie. "Kein freier Tag der Welt ist diese Fahrt wert."

"Also das verstehe ich nicht", meinte Megamind und stützte sich mit dem Unterarm am Wagen ab. "All meine Todesfallen überstehst du ohne mit der Wimper zu zucken, aber vor Minions Fahrstil hast du Angst?"

Roxanne warf ihm einen scheelen Blick zu. "Deine 'Todesfallen' waren doch sowieso nicht echt!"

Aufgebracht schnappte er nach Luft. "Bitte?! Was ist denn mit den Alligatoren? Und dem Sägeblatt? Oder dem Maschinengewehr?"

"Die Alligatoren waren so weit von mir entfernt, dass ich schon hätte reinspringen müssen, um mich zu verletzen", erklärte sie augenrollend. "Dasselbe gilt für das Sägeblatt. Und was das Maschinengewehr angeht... Das Ding war doch sowieso nicht geladen!"

Ehe Megamind etwas darauf antworten konnte, räusperte sich Minion.

"Ich unterbreche Sie beide ja nur äußerst ungern bei Ihrem Geplänkel", sagte er, "aber wir haben noch etwas zu tun."

Megamind drückte sich schmollend von dem Auto weg und folgte Minion mit Roxanne ins Innere des Krankenhauses.

"Oh nein, nicht der schon wieder!", sagte der Rezeptionist bei Megaminds Anblick, offenbar lauter als er beabsichtigt hatte, da er im nächsten Moment puterrot anlief.

"Doch, ich schon wieder", erwiderte Megamind gut gelaunt. "Aber diesmal darf ich zu Mr. Geberic."

Der Rezeptionist sah ihn ausdruckslos an. "...Wem?"

"Der Mann, den wir in unserem Versteck gefunden haben", erklärte Megamind geduldig in dem Ton, mit dem man normalerweise schwerfällige Kinder anspricht. "Raum Hundertneun, Ansgar Geberic."

Der Rezeptionist gab den Namen in den Computer ein. Ein paar Augenblicke später nickte er. "Sie können durchgehen", seufzte er. "Die Raumnummer haben Sie ja schon."

"Vielen Dank", sang Megamind gut gelaunt und ging an der Rezeption vorbei, sein Schritt beinahe hüpfend.

"Meinst du nicht, wir sollten uns eine Wegbeschreibung geben lassen?", fragte Roxanne besorgt und blickte über die Schulter zurück. "Wäre ziemlich blöd, wenn wir jetzt die Orientierung verlieren würden."

"Meine liebe Roxanne, ich habe mir gestern Abend den Lageplan angesehen", erwiderte er lachend. "Ich weiß, wo Raum Hundertneun ist."

"Hm, ich glaube, ich sehe mich schon mal nach jemandem um, der uns weiterhilft", murmelte sie, wurde von ihm aber ignoriert.

Einige Abbiegungen später standen sie tatsächlich vor Raum Hundertneun.

Megamind warf ihr einen triumphierenden Blick zu, was sie mit einem Augenrollen quittierte.

"Na schön, na schön", sagte sie. "Du hattest Recht."

Grinsend drehte er sich zu Minion um ... nur um festzustellen, dass sein Fischfreund fehlte.

"Wo ist Minion hin?", fragte er aufgeregt und drehte den Kopf in alle Richtungen. "Eben war er doch noch hinter uns!"

Roxanne sah sich ebenfalls um, konnte aber auch keine Spur von dem Fisch finden. "Vielleicht wurde er an der Rezeption aufgehalten", mutmaßte sie. "Er ist zwar dein Helfer, aber für das Krankenhauspersonal ist er vermutlich nur ein Tier. Und Tiere sind im Krankenhaus nicht erlaubt."

Seine Miene spiegelte Besorgnis und Enttäuschung wider. "Ich gehe ihn holen", beschloss er und wollte den Gang wieder hinuntergehen.

"Lass gut sein, Megamind, er wartet sicher am Eingang auf dich", erwiderte sie und hielt ihn am Arm fest. "Du hast so lange darauf gewartet, mit dem Mann zu reden, da solltest du dich nicht von solch einer Kleinigkeit aufhalten lassen. Mr. Geberic wartet auch schon auf dich." Als er keine Anstalten machte, das Krankenzimmer zu betreten und noch verunsicherter aussah als zuvor, seufzte sie. "Wie wäre es damit? Ich gehe zurück und sehe nach Minion und du gehst ins Zimmer und redest schon mal mit Mr. Geberic. Vermutlich habe ich sowieso mehr Erfolg damit, sie zu überzeugen."

Einen Moment lang dachte er darüber nach, dann nickte er. "Na gut, aber beeil dich!"

"Keine Sorge", meinte sie lächelnd. "Du Kleinkind!"

Megamind streckte ihr die Zunge raus, ehe er die Tür zu Raum Nummer Hundertneun öffnete.

Das Zimmer war ein schmuckloser Raum mit zwei Betten, zwei Nachttischen und zwei Stühlen vor den Betten.

Beide Betten waren besetzt, das eine von einem Mann von etwa sechzig Jahren, dessen gegipstes Bein in einer Schlinge hing und der in einer alten Zeitschrift blätterte und das andere von einem schwarzhaarigen Mann von zwanzig Jahren, dessen rechter Arm in einem Gilchristverband steckte.

"Sie sind Megamind, nehme ich an?", fragte Letzterer in einem Ton, bei dem sich Megamind sofort aufrechter hinstellte. Dieser Ton hätte besser zu einem alten Universitätsprofessor gepasst, nicht aber zu einem solch jungen Menschen.

"Äh, ja", antwortete er etwas lahm. "Und Sie müssen Ansgar Geberic sein, oder?"

"Das müssten Sie eigentlich wissen, oder?", erwiderte Ansgar. "Schließlich haben Sie mich doch gerettet."

"Nun, bei unserem letzten Treffen konnten Sie mir Ihren Namen nicht sagen", sagte Megamind amüsiert lächelnd.

Ansgar starrte auf die Bettdecke. "Ah ja", murmelte er. "Das war mir wohl entfallen. Wir hatten unsere Papiere vergessen."

"Wir?" Der monotone Ton dieses Jungen machte Megamind immer nervöser. Konnte er nicht wenigstens etwas mehr Regung zeigen?

Ansgar nickte, vollkommen ahnungslos von der Unruhe seines Gesprächpartners. "Fulco und ich. Wir wurden so schnell abkommandiert, dass wir kaum etwas mitnehmen konnten."

Einen Moment lang herrschte Stille im Raum, nur unterbrochen von dem Rascheln der Zeitschriftenblätter, wenn eine weitere Seite umgeschlagen wurde.

"Und... Wo ist dieser Fulco jetzt?", fragte Megamind schließlich. "Wenn Sie auf einer Mission oder ähnlichem waren, sollte er doch sicher nach Ihnen suchen, wenn Sie verloren gehen."

"Ich hatte eigentlich gehofft, Sie könnten mir das sagen", erwiderte Ansgar und zum ersten Mal kam so etwas wie Emotion in seine Stimme. "Dachte, dass das der Grund ist, warum Sie so dringend mit mir reden wollten, dass Sie sogar das Personal aufgescheucht haben."

Megamind hob erstaunt die Augenbrauen. "Sie wissen davon?"

"Eine der Krankenschwestern - die Rothaarige, um genau zu sein - ist ein ziemliches Plappermaul", erklärte Ansgar. "Sie hat mir alles erzählt." Er sah Megamind fest in die Augen, ehe er abermals fragte: "Können Sie mir wirklich nichts über Fulco sagen?"

Megaminds Hals fühlte sich auf einmal ziemlich trocken an und er schluckte hörbar. Er hatte so das Gefühl, dass er die Identität des Toten aus dem Arbeiterviertel jetzt kannte.

"Es ... kommt darauf an", sagte er schließlich und kramte in der kleinen Tasche, die er an seinem Gürtel befestigt hatte. "Ist das Fulco?", fuhr er anschließend fort und reichte Ansgar das Foto.

Der junge Mann starrte einige Augenblicke lang auf das darauf abgebildete Gesicht, während denen Megamind unruhig von einem Fuß auf den anderen trat.

Schließlich nickte er und gab Megamind das Bild zurück. "Ja, das ist er. Ich hatte gehofft, dass er Ihm vielleicht entkommen ist, aber..."

"Ihm?", fragte Megamind. "Also wissen Sie, wer Sie beide angegriffen hat!"

Ehe Ansgar darauf antworten konnte, ging die Tür auf und Roxanne und Minion eilten herein.

"Pfuh, war das aufregend", meinte sie lachend. "So etwas habe ich nicht mehr gemacht, seit ich dreizehn war."

"Sie sind wirklich eine hervorragende Schleicherin, Miss Ritchi", erwiderte der Fisch ebenfalls hoch amüsiert. "War mir noch gar nicht aufgefallen."

Aus den Augenwinkeln sah Megamind, wie Ansgar Minion mit großen Augen ansah und auch der alte Mann mit dem gebrochenen Bein lugte jetzt hinter seiner Zeitschrift hervor.

Schließlich fand Ansgar seine Stimme wieder. "Ein ... Fisch", murmelte er ungläubig. "Ein sprechender Fisch ... in einem Gorillakörper."

Megamind fing an zu lachen. "Was? Sie sehen doch, wie ich aussehe und da ist Minion derjenige, der Sie aus der Fassung bringt?"

Ansgar musterte ihn von oben bis unten, ehe er sagte: "Natürlich ist mir klar, dass Ihre Hautfarbe, nun, nicht von dieser Welt ist, um es mal poetisch auszudrücken. Aber ein sprechender Fisch ist nun wieder etwas völlig anderes. Aber da fällt mir ein: Ich rede schon die ganze Zeit mit Ihnen, ohne Ihnen einen Stuhl angeboten zu haben", fügte er hinzu und sah sich um. "Sind aber nur zwei Stühle da."

"Das macht nichts", versicherte Minion ihm. "Ob ich stehe oder sitze spielt eigentlich keine große Rolle. Schließlich bin ich ein Fisch."

Megamind musste ein Lachen unterdrücken und nach Roxannes Gesichtsausdruck zu schließen ging es ihr ähnlich.

Nachdem sie es sich um das Bett herum bequem gemacht hatten, fragte Megamind nochmals: "Also, Sie sagten vorhin etwas von wegen Sie hätten gehofft, dass Fulco ihm entkommen sei. Wen meinten Sie mit 'ihm'?"

"Wer ist Fulco?", wollte Minion verwirrt wissen und hielt Ansgar somit abermals davon ab, sich zu erklären.

"Wie unhöflich", sagte er und der Fisch duckte sich beschämt in seinem Glas.

"Fulco ist der Mann, den wir im Arbeiterviertel gefunden haben, Minion", erklärte Megamind resigniert. "Aber jetzt sei bitte still, sonst sitzen wir morgen noch da."

"Jawohl, Sir."

Ansgar sah vom einen zum anderen, um sicher zu gehen, dass er kein weiteres Mal unterbrochen wurde, ehe er fortfuhr: "Nun, Er hat keinen Namen, da Er weggelaufen ist, ehe man Ihm einen geben konnte."

"Warum ist er denn weggelaufen?", fragte Roxanne und erntete einen entnervten Blick von dem jungen Mann und ein weiteres "Wie unhöflich".

"Dazu wollte ich gerade kommen", erwiderte er, doch zögerte dann. "Vielleicht ... ist es besser, wenn ich es nicht sage", fuhr er fort. "Mal abgesehen davon, dass es ein Geheimnis ist, werden Sie mich wohl für verrückt halten, wenn ich es Ihnen sage."

Megamind runzelte die Stirn und sah zu dem Mann herüber, der sich wieder in seine Zeitschrift vertieft hatte, aber offensichtlich jedem Wort zuhörte.

"Sollen wir woanders hingehen?", schlug er vor. "Damit Sie ungestört reden können, meine ich."

Ansgar sah ebenfalls zu seinem Zimmergenossen herüber und schüttelte dann den Kopf. "Nein, ich darf das Zimmer nicht verlassen. Offenbar habe ich mir bei meinem Sprung ein paar böse Verletzungen zugezogen und die Ärzte wollen nicht, dass ich mich zu viel bewege."

"Sprung?", wiederholte Megamind erstaunt. "Wollen Sie damit sagen, Sie sind ins Wasser gesprungen?"

"Ja, von so einer Ruine aus", erwiderte Ansgar nickend. "Muss wohl einst ein Observatorium gewesen sein."

"Wie haben Sie den Aufschlag überhaupt überlebt?", fragte Roxanne ungläubig. "Uns wurde gesagt, dass Sie davor ziemlich übel verprügelt wurden. Selbst wenn Sie davor unverletzt gewesen waren, hätten Sie das wahrscheinlich nicht überlebt."

Er zuckte mit den Schultern. "Ich war schon immer sehr widerstandsfähig. Und schließlich bin ich noch jung, da hält man schon ein wenig mehr aus. Außerdem hat der Schlag, den Er mir versetzt hatte, nur meine Schulter ausgekugelt. Oh, und mir Gesicht und Ohr zerkratzt."

"Sie tun gerade so, als würde es Ihnen nichts ausmachen, so misshandelt zu werden", sagte sie besorgt.

"Oh, natürlich macht es mir was aus", versicherte er ihr. "Aber es hätte weitaus schlimmer sein können. Ich lebe und ich wurde auch nicht verschleppt und als Spielzeug zweckentfremdet."

"Ich bin mir sicher, dass dem so ist", meinte Megamind verunsichert. "Aber es ist wirklich von unschätzbarem Wert für uns, dass wir herausfinden, wer der Mann ist, der Sie angegriffen hat, und warum er in der ganzen Stadt Häuser zum Einsturz bringt."

Der Mann im Bett nebenan ließ vor Schreck seine Zeitschrift fallen. Niemand achtete auf ihn.

"Warum er das macht?", wiederholte Ansgar und zuckte gleichmütig mit den Schultern. "Aus Spaß. Er ist wie das Kind auf dem Spielplatz, das durch die Sandkästen rennt und dabei die Sandburgen der anderen Kinder zerstört."

Geschockt sahen sich Megamind, Minion und Roxanne an.

"Aber dabei sterben Menschen!", rief Ersterer aus, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte. "Ist ihm das vollkommen gleichgültig?"

Ansgar zuckte abermals mit den Schultern. "Ja. Er sieht Menschen nicht als Lebewesen an. Bei ihm ist in der Produktion so ziemlich alles schief gegangen, was schief gehen konnte."

Megamind fand, dass das eine merkwürdige Art war zu sagen, dass jemand ein Psychopath war.

"Warten Sie mal", sagte Roxanne beunruhigt. "Warum Produktion? Ich dachte, er wäre ein Mensch!"

"Er sieht aus wie ein Mensch, bewegt sich wie ein Mensch, klingt wie ein Mensch, aber Er könnte nicht weiter von einem entfernt sein", sagte Ansgar, ganz die Ruhe in Person. "Und das ist der Grund, warum ich der Meinung bin, dass Sie mich für verrückt halten werden, wenn ich Ihnen sage, was Er ist."

Die Drei sahen sich ratlos an.

"Ich verspreche, dass wir nicht lachen werden", meinte Megamind schließlich. "Aber es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir so viel wie möglich über ihn herausfinden."

Ansgar sah sie der Reihe nach an, ehe er seufzte und zustimmend nickte. "Nun gut, dann versuche ich es mal so zu erklären, dass es jeder versteht." Er holte tief Luft. "Er ist das, was mein Volk gemeinhin als Puppe bezeichnen. Ich glaube, außerhalb unseres Einflussbereiches nennt man einen wie ihn 'Golem'. Wir nennen uns Puppenmacher, da wir schon seit Generationen damit beschäftigt sind, das Leben zu imitieren und Leblosem Leben einzuhauchen. In Ihrer Welt nennt man uns 'Alchemisten' oder 'Monstermacher'. Letzteres aber eher von Menschen, die schon mal mit uns in Berührung gekommen sind. Verstehen Sie jetzt, warum ich mich mit Ihnen darüber nicht unterhalten will?"

Einen Moment lang herrschte vollkommene Stille im Raum, während die Anwesenden versuchten, das eben gesagt zu verarbeiten.

Dann atmete Megamind tief ein und langsam und stockend wieder aus. "Also ist er ... so etwas Ähnliches wie ein Roboter?", fragte er vorsichtig.

Es war verrückt und hätte man ihm vor einer Woche diese Geschichte aufgetischt, hätte er schallend darüber gelacht, aber was Ansgar da gesagt hatte... Es passte perfekt zu Mrs. Bearhunters Beschreibung der dritten Person. "Ein Gesicht wie das einer Schaufensterpuppe", hatte sie gesagt.

"Ich glaube, das kommt so hin", bestätigte Ansgar. "Wir können das Leben nämlich immer noch nur imitieren, wirklich Leben erschaffen können wir nicht."

"Verunsichert das die Leute nicht, dass Sie versuchen, Leben zu erschaffen?", fragte Roxanne, wie üblich ganz die Reporterin. "Ich weiß ja, wie Menschen, die zum ersten Mal in die Stadt kommen, auf die Brainbots reagieren. Da müsste die Reaktion auf Ihre Arbeit doch noch weitaus schlimmer ausfallen."

"Nunja, deswegen leben wir auch im Untergrund und vertragen keine direkte Lichteinstrahlung." Ansgar schielte in Richtung des Fensters, durch das die Sonnenstrahlen immer näher an sein Bett kamen. "Genau genommen sind nur unsere Augen besonders empfindlich, aber versuchen Sie das mal den Leuten hier klarzumachen ohne ausgelacht zu werden."

Ohne ein Wort zu verlieren ging Minion zum Fenster und zog die Vorhänge davor, vollkommen die Proteste von Ansgars Zimmergenossen ignorierend.

"Ist das besser?", fragte er anschließend und trat wieder ans Bett.

Ansgar nickte. "Danke, aber das wäre nicht nötig gewesen. Ich hätte mich auch einfach wegdrehen oder die Augen schließen können, sobald das Licht hierher kommt. Das eigentliche Problem hier sind diese blöden Taschenlampen, mit denen mir die Ärzte in die Augen leuchten. Und danach wundern sie sich, warum ich gegen Wände laufe und verdonnern mich dazu, den ganzen Tag im Bett zu liegen, weil sie denken, mein Kreislauf wäre instabil."

Megamind seufzte. "Nun gut, ich will das eigentlich nicht fragen, aber vermutlich bleibt mir keine andere Wahl." Er sah den jungen Mann durchdringend an. "Können Sie irgendwie beweisen, dass Sie der sind, für den Sie sich ausgeben?"

"Sie meinen, ob ich etwas vorführen kann?", fragte Ansgar. "Eine Puppe backen kann?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, tut mir leid. Ich bin noch zu jung dazu. Außerdem dauert es Jahre, bis eine Puppe fertig ist. Deswegen ist Er doch so eine Enttäuschung für uns und vor allem für seine Erschafferin."

Megamind horchte auf. "Warten Sie mal", sagte er und starrte an die Wand. "Das ist doch der Beweis, den Sie erbringen können! Wenn es so ist, wie Sie sagen, dann können Sie uns sicherlich sagen, wo genau ihre Leute wohnen und vor allem, wo diese, äh, wie hieß sie noch?"

"Ich hatte noch keine Namen genannt", erwiderte Ansgar mit hochgezogenen Augenbrauen. "...Ihr Name ist Kalliope. Kalliope Astraea. Er war ihre zweite große Schöpfung und er hat sich gegen sie gewandt und sie niedergeschlagen. Dabei behandelt sie ihre Puppen ausgesprochen gut. Wenn Sie sie sehen, könnten Sie ihr bitte schöne Grüße ausrichten?"
 

Den Weg zum - im Moment sichtbaren - Unsichtbaren Auto verbrachten Megamind, Minion und Roxanne in nachdenklichem Schweigen.

Erst als sie wieder im Auto saßen, fragte Minion: "Wo soll ich jetzt hinfahren, Sir? Gleich zurück zum Versteck oder doch lieber zu Miss Ritchis Apartment?"

Megamind überlegte einen Moment lang, ehe er sich in seinem Sitz zurücklehnte und antwortete: "Nein, fahr uns bitte aus der Stadt heraus. Und in einem annehmbaren Tempo für Roxanne dahinten", fügte er hinzu und grinste sie an, woraufhin sie ihm die Zunge rausstreckte. "Sehr erwachsen."

"Das sagt gerade der Richtige", erwiderte sie und lehnte sich ebenfalls zurück. "Und ich plädiere weiterhin auf Anschnallgurte."

Megamind schüttelte amüsiert den Kopf.

Es dauerte nicht lange, ehe sie den Stadtrand erreicht hatten und auf einem holprigen Landweg entlang fuhren.

"Also, wo genau soll ich jetzt fahren, Sir?", fragte Minion und blickte ratlos nach vorne. "Hier gibt es nichts außer Gras."

"Nur noch ein bisschen weiter gerade aus bis wir zu einem roten Haus kommen", erwiderte Megamind gelassen.

"Willst du dahin, wo ich glaube, dass du hinwillst?", fragte Roxanne misstrauisch. "Was willst du denn bei ihm?"

"Geduld ist eine Tugend, Miss Ritchi", antwortete er verschmitzt grinsend.

Wenige Minuten später tauchte auch tatsächlich das kleine rote Haus mit den Worten "Lil' Gifted School For Lil' Gifted Children" über der Tür auf.

Abrupt trat Minion auf die Bremse, sodass sowohl Megamind als auch Roxanne nach vorne geschleudert wurden.

"Au!", riefen beide gleichzeitig aus.

Megamind rieb sich den Kopf, wo er ihn sich an der Fensterscheibe gestoßen hatte. "Was sollte das denn, Minion?"

Roxanne währenddessen rieb sich das Knie und meinte resigniert: "Das ist der Grund, warum ihr beiden endlich Gurte installieren sollt!"

Minion starrte immer noch auf das Haus und sagte keinen Ton.

"Minion?", Megamind richtete sich in seinem Sitz auf und wedelte mit der Hand vor Minions Fischglas. "Ollo? Nun sag schon was!"

Ganz langsam drehte sich der Fisch in seinem Glas um und starrte seinen Herrn aus schreckgeweiteten Augen an. "Warum sind wir hierher gekommen, Sir?"

"Das frage ich mich auch", sagte Roxanne von der Rückbank her.

"Wir brauchen jemanden, der zu Ansgars Leuten geht und dort bescheid sagt", antwortete Megamind. "Und die Brainbots kann ich wohl kaum dorthin schicken. Die erregen zu viel Aufsehen."

"Und ein fliegender Mann tut das nicht?", fragte sie amüsiert.

"Er kann ja auch seinen Hyperschallgang benutzen, um ungesehen dorthin zu kommen."

"Und was macht dich so sicher, dass er dich nicht wieder abweist?"

"Einen Versuch ist es wert", meinte Megamind achselzuckend. "Ansonsten muss ich doch die Brainbots schicken."
 

Der Gang runter zu Music Mans Versteck stellte sich als schwieriger heraus, als sie gedacht hatten, da sich Minion immer wieder sträubte, sich aber auch weigerte, am Auto zu warten.

"Minion!", zischte Megamind schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen, als sie bereits fast an der schweren Stahltür angekommen waren. "Hör auf, dich wie ein Babyfisch zu benehmen!"

"Lass ihn doch einfach da stehen", schlug Roxanne vor. "Lange bleiben wir sowieso nicht weg."

Megamind seufzte und wandte sich wieder der Stahltür zu.

Ehe er jedoch dagegen klopfen konnte, wurde sie auch schon aufgerissen und sowohl er als auch Roxanne in eine rückenzerschmetternde Umarmung gezogen.

"Meine Güte, euch habe ich ja ewig nicht mehr gesehen!", freute sich Music Man.

"Verstehst du jetzt, warum ich glaube, dass mein Plan funktionieren könnte?", keuchte Megamind und versuchte sich vergeblich aus der Umarmung zu befreien.

Roxanne nickte nur, während sie ebenfalls versuchte, ihrem alten Freund ihre missliche Lage klar zu machen. "Wayne!", schnaufte sie. "Wir bekommen keine Luft mehr!"

Dies schien den ehemaligen Superhelden wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen und er setzte die beiden wieder auf dem Boden ab.

"Also, was ist los?", fragte er grinsend. "Was für eine seltsame Idee hatte der Kleine hier jetzt schon wieder?"

"Hast du in letzter Zeit das Fernsehen eingeschaltet? Oder die Zeitung gelesen?", erwiderte Roxanne noch immer nach Atem ringend.

"Du meinst diese Einstürze überall in der Stadt?" Music Man nickte. "Ja, was ist damit? Ich kann da wirklich nicht mehr helfen, jetzt da die Stadt weiß, dass ich in Rente bin."

"Nein, damit wollen wir auch gar keine Hilfe", schnaufte Megamind. "Aber wir haben jetzt einen Anhaltspunkt, woher die Probleme kommen. Der Haken bei der Sache ist aber: Diejenige, die uns mehr dazu sagen könnte, lebt in Übersee. Meine Brainbots können solche weiten Strecken über Wasser nicht zurücklegen, außerdem brauche ich jeden einzelnen von ihnen."

Music Man sah ihn nachdenklich an. "Wo genau lebt er oder sie denn?", fragte er schließlich.

"Das Dorf ist in den Alpen gelegen, vermutlich irgendwo in Tirol", antwortete Roxanne. "Deswegen ist es den Brainbots auch nicht möglich, dorthin zu kommen. Wahrscheinlich frieren sie ein bevor sie überhaupt dorthin kommen."

"Oh, und es ist unter Tage", fügte Megamind hinzu.

"Wer baut denn ein Dorf unter Tage?", wunderte sich Music Man.

"Lange Geschichte", murmelte Megamind. "Für die wir jetzt keine Zeit haben." Er kramte ein Blatt Papier hervor und hielt es seinem ehemaligen Rivalen hin.

"Ihr beide wisst schon, dass ich nur englisch spreche, oder?", fragte Music Man unsicher.

Megamind zuckte mit den Schultern. "Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein dürfte, laut Ansgar Geberic sind seine Leute häufig auf Reisen. Und wenn ein Zwanzigjähriger, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, es fast perfekt sprechen kann, muss es auch andere geben, die es können." Er sah ihn bittend an. "Bitte? Roxanne zuliebe?"

"Warum mir zuliebe?", fragte Roxanne verwirrt.

"Na, weil mir zuliebe nur Minion etwas macht", erwiderte er augenrollend. "Das solltest du eigentlich wissen."

Nach einem langen Moment der Stille, die sowohl Megamind als auch Roxanne wie eine Ewigkeit vorkam, nickte Music Man. "Na gut, ich glaube, ein wenig Bergluft könnte mir gut tun."

Die beiden atmeten erleichtert aus.

"Aber zuvor müsst ihr mir sagen, wie die Person heißt, die ich hierher bringen soll", meinte Music Man. "Ich kann ja schließlich schlecht in dieses Dorf gehen und fragen: 'Wer ist für das Chaos in Metro City verantwortlich?'"

"Die Frau heißt Kalliope Astraea", antwortete Roxanne. "Der Rest steht schon auf dem Blatt."

"Okay, dann will ich mich mal reisefertig machen." Music Man klopfte ihnen beiden zum Abschied auf die Schultern, sodass sie ein wenig in die Knie gingen. "Ich habe gehört, in den Bergen kann es zu jeder Jahreszeit kalt werden."

Mit diesen Worten schloss er die Stahltür und ließ die beiden allein im Gang stehen.

"Tjaaa", machte Roxanne.

"Tjaaa", wiederholte Megamind. "Äh, wie wär's, wenn wir Minion jetzt erstmal loseisen?"

Lachend schoben sie den Fisch wieder die Stufen hoch nach draußen.
 

Nachts waren die Straßen von Metro City seit einigen Tagen wie ausgestorben. Niemand traute sich mehr nach draußen, seit immer häufiger Häuser einstürzten und ein mutmaßlich gefährlicher Verbrecher durch die Gassen strich.

Richard Stephens, ein Bankangestellter von achtunddreißig Jahren, hielt nichts von diesen Angsthasen. Er fand, dass man eher davor Angst haben musste, nachts in seinem Bett zu schlafen, wenn man nie wusste, wann und wo das nächste Haus einstürzte. Wenigstens schienen auch alle anderen Kriminellen sich bedeckt zu halten, aus Angst, dem Unbekannten vor die Füße zu laufen. So konnte er ungestört auch zu später Stunde seinen Spaziergang machen.

An einer Bushaltestelle hielt er inne. Dort auf einem der Bänke saß trotz der vorangerückten Stunde eine fremde Gestalt. Sie hatte sich vornüber gebeugt und schien sich nicht zu rühren.

Sich seiner Erziehung erinnernd ging der Mann auf die Gestalt zu. Vielleicht war er oder sie ja dem Unbekannten begegnet und brauchte Erste Hilfe.

"Ähm, hallo?", sagte Richard, als er direkt vor dem anderen Mann stand. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen?"

Der Fremde sagte keinen Mucks.

"Wurden Sie angegriffen?", fragte Richard weiter. "Brauchen Sie ärztliche Hilfe?"

Immer noch nichts. Irgendwie war das unheimlich.

Seinen ganzen Mut zusammennehmend streckte er die rechte Hand aus, um den Mann an der Schulter zu berühren.

Und zuckte vor Schreck zusammen als der Fremde plötzlich sein Handgelenk festhielt.

"Pfuh, Sie sind ja doch wach", sagte Richard erleichtert. "Äh, könnten Sie jetzt bitte meinen Arm wieder loslassen?"

Der Fremde verstärkte seinen Griff.

"Hören Sie, das ist nicht mehr lustig!", meinte Richard und spürte Panik in sich aufsteigen. "Würden Sie mich jetzt bitte gehen lassen?"

Ehe er wusste, wie ihm geschah, wurde er von dem Fremden quer über die Straße geschleudert und kam schmerzhaft auf der anderen Seite auf. Sein linker Arm wurde unter ihm begraben und gab ein übelkeiterregendes Knacksen von sich.

Mit einem unterdrückten Schmerzensschrei hielt Richard seinen Arm fest und sah, dass der Fremde jetzt aufgestanden war und auf ihn zukam. Seine Augen, klein, schwarz und leblos, blitzten vor Mordlust und der merkwürdig steif aussehende Mund verzog sich zu einem Lächeln.

"Ich warne Sie!", keuchte Richard und versuchte vergeblich, sich wieder aufzurichten. "Wenn Sie nicht sofort verschwinden, werde ich um Hilfe schreien!" Verdammt, warum hatte er sein Handy nicht mitgenommen?!

Der Fremde schien von dieser Drohung vollkommen unbeeindruckt und kam weiter auf ihn zu.

"Hilfe!", schrie Richard und kroch so schnell er konnte von seinem Angreifer weg. "Hilfe! Hört mich keiner?!"

Keiner antwortete. Und der Fremde war schon beinahe bei ihm angekommen.

Mühsam zog sich Richard an der Häuserwand hoch, wobei er die Luft schmerzerfüllt durch die Zähne einsog.

"Hilfe!", rief er noch einmal, aber jetzt gedämpft durch seine Schmerzen.

Kurz glaubte er, ein elektrisches Surren gehört zu haben, doch gleich darauf war es wieder verschwunden. Auch schien sein Angreifer sich keine Mühe zu machen, schneller zu laufen...

Richard stolperte die Häuserwand entlang. Wenn er wenigstens bis zu seinem Wohnblock kommen könnte... Dort kannte man ihn wenigstens und würde ihm sicherlich helfen.

Als er an eine Abzweigung kam, fiel er hin und im nächsten Moment stand der Fremde direkt hinter ihm, immer noch dieses unirdische Grinsen auf dem Gesicht.

"Lassen Sie mich in Ruhe!", schrie Richard ihn an. Oh, warum war er nicht zuhause geblieben so wie alle anderen?

Plötzlich hielt der Fremde inne und schaute nach oben.

Verwirrt folgte Richard seinem Beispiel und erkannte einige Brainbots auf Patrouille. Ein erleichterter Seufzer errang sich seiner Kehle.

"Hier!", rief er nach oben. "Hier bin ich!"

Der Fremde warf ihm einen wütenden Blick zu, rührte sich aber immer noch nicht. Richard brachte wieder etwas Abstand zwischen sie beide.

Einer der Brainbots sah nach unten und stupste seine Kollegen an, sodass ihre Glaskuppeln gegeneinander stießen und sauste nach unten. Kurz darauf folgten ihm auch die drei anderen.

"ALARM!", schirpten sie und umschwirrten Richards Angreifer. "ALARM!"

Verärgert schlug der Fremde nach ihnen und schleuderte zwei von ihnen gegen eine Hauswand, wo sie zerbrochen liegen blieben. Doch gleich darauf sausten noch mehr Brainbots heran und verbissen sich in den Armen und Beinen ihres Feindes, was diesem überhaupt nichts auszumachen schien.

Mehr und mehr der kleinen Roboter kamen an, einige, um ihre gefallenen Kameraden abzutransportieren und andere, um den Fremden zu umschwirren.

Richard sah voller Erstaunen, wie sein Angreifer immer weiter zurückgedrängt wurde bis er sich schließlich umdrehte und davoneilte. Einige Brainbots wandten sich jetzt ihm zu und untersuchten vorsichtig seinen gebrochenen Arm, während der Rest dem Fremden nachstellte.

Erlösende Bewusstlosigkeit begann Richards Sinne zu betäuben, sodass er nicht mehr mitbekam, wie ein Knall die Straße erschütterte und eines der Häuser unter lautem Ächzen in sich zusammenstürzte.
 

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So, ein extralanges Kapitel heute.
 

@ Bramblerose: Eigentlich wollte ich mit dem Klischee vom immer abgeneigten Vater nur das Klischee von der teuflischen Ritchi-Mutter im Megamind-Fandom umgehen. Im Gegensatz zur Mutter wird der Vater dort zumeist nämlich als absolut offen dargestellt, deswegen wollte ich das mal auf den Kopf stellen.

Wegen Mrs. Bearhunter: Bei ihr ist es so, dass ich eine absolut exzentrische alte Dame erschaffen wollte, die von Megaminds und Minions Aussehen nicht abgeschreckt wird, Metro Man aber für ein Produkt überbordender Fantasie hält.

Und der starke Händedruck... Nun, wenn ich sie irgendwann nochmal einbringen kann, werde ich das erklären. Aber zur Zeit ist das einfach nur etwas, das Megamind an ihr überraschend findet.

Die Suche

Wayne Scott, den Leuten in Metro City besser bekannt als Metro beziehungsweise Music Man, war nie ein Mann für logisches Denken gewesen. Wenn er mal wieder Megamind verhaften sollte, brach er normalerweise einfach durchs Dach. Doch hier, an den steinigen Hängen der Alpenausläufer, konnte er diese Taktik nicht anwenden. Letztendlich musste er ja einen guten Eindruck machen und das würde ihm wohl kaum gelingen, wenn er bei den Leuten einfach durch die Wohnzimmerdecke brach.

Ratlos sah sich Wayne um und seufzte. Wenn ihm nicht so langweilig gewesen wäre - und wenn ihn nicht sein Gewissen geplagt hätte, weil er Megamind bei der Titan-Affäre vor einem Jahr nicht beigestanden hatte -, hätte er diesem Auftrag auf keinen Fall zugestimmt.

Was sollte überhaupt dieser Unsinn mit einem Dorf unter Tage? Woher kannte der kleine Kerl überhaupt diesen Begriff? Er war niemals auf die weiterführende Schule gegangen...

Wayne zog nochmal das Blatt Papier zu Rate, das ihm Megamind mitgegeben hatte. Für eine selbstgezeichnete Karte war sie recht detailliert, aber bei weitem nicht auf dem Niveau, das Megamind normalerweise an den Tag legte. Vermutlich hatte er einfach nicht genug Zeit gehabt...

"Also laut diesen Aufzeichnungen", murmelte Wayne und ging auf eine Felswand zu, "müsste der Eingang zu diesem Dorf ... hier sein!" Er blickte erwartungsvoll hoch, nur um enttäuscht die Schultern hängen zu lassen, als er keinen Eingang fand. "Meine Güte! Irgendwo müssen die ja einen Hebel oder so etwas versteckt haben!", schimpfte er in seinen Bart. "In den Filmen ist da immer einer!"

Er tastete die Wand ab, fand aber nichts, das sich wie ein Hebel, Knopf oder ähnliches anfühlte. Verärgert schlug er mit der Faust gegen einen naheliegenden Stein und stieß einen überraschten Schrei aus, als dieser sich zur Seite bewegte und den Blick auf einen dunklen Gang freigab.

"Oooh!" Wayne schlug resigniert die Hand vor die Stirn. "Darauf hätte ich auch kommen können!"

Er griff in den Rucksack, den er sich über die linke Schulter geworfen hatte und holte eine Taschenlampe hervor. Auf dem Zettel stand zwar in ziemlich krakeliger Schrift geschrieben, dass man keine Lichtquellen mitnehmen sollte, da die Menschen in diesem Dorf empfindliche Augen hätten, aber solange er keinem begegnete, konnte er sicherlich eine Lampe benutzen.

Vorsichtig betrat er den Gang und sah sich um. Es sah aus wie eine ganz gewöhnliche Höhle und wirkte auch nicht so, als würden hier oft Menschen entlang laufen.

Wayne schaltete die Taschenlampe ein, wobei er darauf achtete, immer auf den Boden zu leuchten und vor allen Dingen die Lampe in seiner Hand nicht zu zerquetschen.

Der Gang schien sich endlos in die Länge zu ziehen, nur ab und zu unterbrochen durch eine Kurve. Und je weiter Wayne ins Innere ging, desto wärmer wurde es auch. Er war zwar gegen Hitze und Kälte immun, aber dennoch fühlte er sich jetzt ein wenig unwohl in seinem Pullover, der langen Hose und den Bergsteigerstiefeln.

Gerade als er sich zu fragen begann, ob er vielleicht die falsche Höhle erwischt hatte, hörte er mit seinem Supergehör Geräusche von Menschen, Stimmen und Fußstapfen. Neuen Mutes ging er den Gang hinunter und als er die übernächste Kurve erreicht hatte, sah er einen sehr schwachen Lichtstrahl hineinleuchten.

Sofort schaltete Wayne die Taschenlampe aus und steckte sie zurück in den Rucksack. Dann ging er die wenigen Schritte bis zum Ausgang und schaute nach unten.

Vor ihm lag ... ein richtiges Dorf! Ein Dorf unter der Erde mit kleinen zusammengeduckten Steinhäusern und einem großen Ofen an fast jedem der Gebäude.

Er sah nach oben an die Höhlendecke und erkannte dünne Luftschächte, die Frischluft in die Höhle brachten. Die Schornsteine der Öfen waren mit langen Rohren versehen, die den Qualm direkt durch die Schächte nach draußen beförderten.

So vertieft in seine Beobachtungen war Wayne, dass er ohne sein Supergehör den Mann, der sich ihm nun näherte, nicht gehört hätte.

So aber drehte er sich zu dem fremden Mann um und grüßte: "Hallo, mein Name ist Wayne Scott. Ich bin auf der Suche nach einer gewissen", dafür sah er auf den Zettel in seiner Hand, "Kalliope Astraea."

Der Mann sah ihn misstrauisch an, sagte etwas in einer fremden Sprache und ging davon.

"Sie ... verstehen mich nicht, oder?", fragte Wayne resigniert. Offenbar hatte er einen der nicht englisch sprechenden Dorfbewohner erwischt.

Zu seiner großen Überraschung drehte sich der Mann zu ihm um und bedeutete ihm mit einem Winken, dass er ihm folgen sollte.

Erleichtert atmete Wayne aus und folgte dem Mann den kleinen Abhang hinunter ins Dorf. Ihm fiel auf, dass er von den Leuten hier angestarrt wurde, als wäre er ein Gespenst oder - schlimmer noch - ein böser Dämon. So hatte sich also Megamind all die Jahre gefühlt, dachte er und rieb sich verlegen den Nacken.

Bei einem kleinen blau angestrichenen Haus blieb der Mann stehen und sagte: "Kalliope Astraea."

"Sie ist dadrin?", fragte Wayne vorsichtshalber und nachdem der Mann genickt hatte: "Vielen Dank, mein Freund. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen."

Der Mann nickte und wandte sich zum Gehen, aber Wayne hätte schwören können, dass er die Augen verdrehte, ehe er verschwand.

Die Blicke der Dorfbewohner im Nacken hob er die Hand und klopfte an die Tür. Im Innern war das Quietschen eines Stuhles, der nach hinten geschoben wurde, und Schritte zu hören. Kurz darauf wurde ihm schon geöffnet und eine zierliche junge Frau mit schwarzem Haar starrte ihn argwöhnisch aus dunklen Augen an.

"Ah, guten Tag", grüßte Wayne. "Sind Sie Kalliope Astraea?"

Die junge Frau sagte kein Wort, als sie die Tür losließ und den Gang entlang ging. An der letzten Tür von links blieb sie stehen und zeigte ins Innere.

"Ich soll da rein gehen?", fragte er und eilte ihr nach. Vorsichtig lugte er ins Zimmer.

Im Innern saß eine schlanke Frau mit schulterlangen fuchsroten Locken auf einem grün gepolsterten Sessel vor einem großen Kamin und hatte die Füße auf einer in derselben Farbe bezogenen Fußbank hochgelegt. Ihr linker Arm war in einer Schlinge und um eines ihrer braunen Augen erkannte man noch schwach die Konturen einer Prellung. Neben ihrem Sessel stand ein Tischchen mit einigen Briefen darauf.

Sie starrte ihn einen Moment lang ausdruckslos an, dann wandte sie sich an die junge Frau und legte fragend den Kopf zur Seite, woraufhin diese etwas in ihrer Sprache erwiderte.

Nachdem Wayne ihrer einseitigen "Unterhaltung" eine Zeit lang "zugehört" hatte und kein Wort verstand, räusperte er sich. "Ähem, entschuldigen Sie, wenn ich Ihr ... Gespräch unterbreche, aber ich bin nur hier, um mit Kalliope Astraea zu reden."

Die rothaarige Frau nickte ihm zu und hob fragend die Augenbrauen.

"Sie sind Kalliope Astraea?", fragte Wayne unsicher. War sie vielleicht stumm?

Die Frau nickte und winkte ihre Mitbewohnerin - zumindest vermutete er, dass sie das war - zu sich heran.

Nachdem sie einige Zeit miteinander "gesprochen" hatten, wandte sich die schwarzhaarige Frau an Wayne. "Wie ist Ihr Name, Fremder?", fragte sie in hochgestochenem Englisch.

"Ah, ich heiße Wayne Scott", antwortete er überrascht. "Und Sie sind...?"

"Mein Name ist Io", sagte sie. "Ich bin Frau Astraeas Puppe."

Wayne sah Io mit offenem Mund an. "Entschuldigung, Sie sind was bitte?"

"Ich bin eine Puppe", wiederholte sie. "Ach nein, Ihr Menschen da oben nennt uns ja 'Golem'."

Als er sie weiterhin so ungläubig anstarrte, hob sie einen Brieföffner von dem Tischchen und stach ihn sich in den Oberarm.

Wayne zuckte zusammen und wartete darauf, dass das Blut floss, doch nichts passierte.

"Glauben Sie es nun?", wollte Io wissen.

Er nickte stumm.

"Gut." Sie drehte sich zu Kalliope um und fragte etwas, woraufhin diese wieder zu gestikulieren begann. Dann drehte sie sich wieder zu ihm und sagte: "Frau Astraea möchte wissen, warum Sie hier sind."

"Wir haben ein kleines Problem in Metro City", erklärte Wayne. "Und wir vermuten, dass dieses Problem hier ihren Anfang nahm."

Die beiden Frauen steckten wieder die Köpfe zusammen, dann fragte Io: "Hat es etwas mit meinem Bruder zu tun?"

"Äh..." Er sah sie ratlos an. Vielleicht hätte er doch um mehr Details bitten sollen. Er starrte auf den Zettel in seinen Händen.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Kalliope den Zettel musterte und dann mit einer Handbewegung andeutete, ihn ihr zu geben.

Verwirrt reichte er ihr das Blatt Papier.

Die beiden Frauen beugten sich über die Karte und "unterhielten" sich angeregt. Kurze Zeit später richtete sich Io wieder auf. "Diese Schrift... Das ist Ansgar Geberics Schrift. Woher haben Sie diese Karte?"

"Ein Freund in Metro City gab sie mir, um Ihr Dorf zu finden", erwiderte er. "Er sprach auch von einem gewissen Geberic."

"Also ist er in Metro City", stellte sie fest. "Und mein Bruder?"

"Das weiß ich leider nicht", gab Wayne zu. "Machen Sie sich Sorgen um ihn?"

Zu seinem großen Erstaunen fing Io an, freudlos zu lachen. "Sorgen? Nein. Ich mache mir Sorgen um die armen Narren, die ihm zu nahe kommen. Sehen Sie doch nur, wie er Frau Astraea zugerichtet hat."

Er wandte sich an Kalliope. "Das war er?"

Sie nickte stumm.

"Nun, Megamind sprach von einem Problem, das hier seinen Ursprung haben soll", sagte er achselzuckend. "Vielleicht ist er damit gemeint. Auf jeden Fall stürzen bei uns immer mehr Häuser über Nacht ein."

Kalliope riss die Augen auf und gestikulierte heftig. Io schüttelte mehrfach den Kopf, doch dann gab sie mit einem Seufzer nach. "Wir werden dorthin kommen", ließ sie ihn wissen. "Allerdings müssen wir uns erst einmal um eine Reisegelegenheit kümmern."

Wayne lächelte. "Wenn Sie wollen, kann ich Sie dorthin bringen. Geht schneller."

Die beiden Frauen sahen sich erstaunt an. Dann nickte Kalliope und Io antwortete für sie: "Sicher, warum nicht?"
 

Es gab eine Menge Sachen, die Megamind um zwei Uhr nachmittags erwartet hatte, nachdem schon wieder ein Verletzter aufgetaucht war, der von dem "Häuserstürzer", wie er mittlerweile von den Medien genannt wurde, angegriffen worden war.

Ein Loch im Dach gehörte allerdings nicht dazu. Und Music Man, angezogen wie ein Bergsteiger und mit zwei Frauen auf dem Rücken, die die Augen fest zusammengedrückt hatten, auch nicht.

Megamind fiel fast aus seinem Ledersessel, als sein ehemaliger Rivale vor ihm auftauchte. "Noch nie was von einer Tür gehört?", schimpfte er, während er eine Hand auf die Brust legte, um sein Herz zu beruhigen.

Music Man grinste ihn breit an. "Sorry, konnte ich nicht finden", sagte er und stellte die beiden Frauen vor sich ab, die schwankend nach Halt suchten. "Jedenfalls habe ich Kalliope Astraea gefunden." Mit diesen Worten zeigte er auf die rothaarige Frau, die sich hilfesuchend an ihrer schwarzhaarigen Kollegin festhielt.

Megamind blinzelte überrascht und zeigte auf die Schwarzhaarige. "Und wer ist das?"

"Oh, das ist ihre Puppe. Io." Music Man sah ihn nachdenklich an. "Weißt du, kleiner Freund, es wäre mir lieb gewesen, wenn du mir vorher gesagt hättest, womit ich es da zu tun bekomme. Ich glaube, ich habe mich da ziemlich zum Deppen gemacht."

Megamind verdrehte die Augen und stand von seinem Sessel auf. "Schon gut, tut mir leid."

Er kam auf Kalliope zu und streckte seine Hand zum Gruß aus. "Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Miss Astraea", sagte er. "Mr. Geberic richtet ihnen einen schönen Gruß aus."

Zu seiner großen Verwirrung gestikulierte die Frau nur in Ios Richtung, gab aber keinen Ton von sich.

"Kann sie nicht sprechen?", fragte er Music Man.

Dieser hob ratlos die Hände und zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Sie hat die ganze Zeit Miss Io für sich reden lassen."

"Seit mein Bruder sie so verletzt hat und ausgerissen ist, hat Frau Astraea ein Schweigegelübde abgelegt, das sie erst wieder lösen wird, wenn er endlich ruhig gestellt wurde", erklärte Io. "Wir sind hierher gekommen in der Hoffnung Sie könnten uns mehr über seinen Verbleib erzählen."

"Nun, mittlerweile hat er in etwa vierzig Menschen auf dem Gewissen, größtenteils weil sie in den Häusern waren, die er zum Einsturz gebracht hat", erwiderte Megamind resigniert. "Dazu kommen unzählige Menschen, die er durch seine Aktionen verletzt hat. Aber bislang haben wir ihn nicht finden können."

Die beiden Frauen berieten sich kurz, dann sagte Io: "Vermutlich kommt er nur zu bestimmten Uhrzeiten aus seinem Versteck. Wir Puppen müssen nicht schlafen, aber manchmal verharren wir in einem temporären Ruhezustand, zum Beispiel, wenn wir verletzt sind und bleiben dann reglos sitzen oder liegen bis wir uns wieder in der Lage sehen, weiterzumachen. Normalerweise sind besonders alte Puppen dafür anfällig, aber da mein Bruder nie richtig fertig geworden ist, kann es sein, dass er entweder am Tag oder in der Nacht ein paar Stunden ruhen muss. Wann schlägt er denn am häufigsten zu?"

Megamind ging in Gedanken alle Fälle von Häusereinstürzen und auch den neuesten Fall von Richard Stephens durch, ehe er antwortete: "Anscheinend immer zwischen zwölf Uhr nachts und zwei Uhr morgens. Jedenfalls fallen zu dieser Zeit die Häuser zusammen. Allerdings scheint er sich nie lange an einem Ort aufzuhalten, bisher wurde er nämlich erst ein einziges Mal von einem Bürger gesichtet." Er wandte sich zu dem Tisch um, an dem er vorhin gearbeitet hatte und hob ein Stück Lehm auf. "Das hatte einer meiner Brainbots, die gegen ihn gekämpft haben, im Maul. Ich weiß leider nicht genau, woher es stammt."

Kalliope streckte die unverletzte Hand aus und nahm ihm das Stück Lehm ab. Dann nickte sie und "sagte" Io etwas, die daraufhin zu Megamind sagte: "Ja, das ist ein Stück meines Bruders. Vermutlich aus dem Bein."

"Wollen Sie etwa damit sagen, dass dieser Kerl, der regelmäßig ganze Straßenzeilen in Schutt und Asche legt, aus Lehm besteht?", fragte Music Man ungläubig.

"Nun, eigentlich stürzt er die Häuser nicht ein, das würde ja bedeuten, dass er ein Stück aus den Gebäuden herausbräche", antwortete Io. "Tatsächlich aber bringt er einfach nur die erdgebundene Materie in den Häusern dazu, sich zu zersetzen. Sind Ihnen keine Sandkörner aufgefallen, wo keine sein sollten?"

Megamind überlegte. "Nun, ich bin nie lange genug geblieben", gab er zu. "Ich war hauptsächlich damit beschäftigt die Brainbots beim Abtransport der Toten und Verletzten zu kontrollieren. Und mal ganz im Ernst, wo ein Haus einstürzt, ist immer Sand zu finden."

Io seufzte. "Auch wieder wahr. Aber jetzt da er verletzt wurde, könnten wir ihn vielleicht finden. Wir müssen nur nach Lehmspuren Ausschau halten."

Sowohl Megamind als auch Music Man sahen sie an, als wäre sie verrückt geworden.

"Haben Sie überhaupt eine Ahnung davon, wie groß Metro City ist?", fragte Megamind schließlich. "Selbst wenn wir alle Einsatzkräfte zusammenscharen, könnten wir immer noch nicht die ganze Stadt abdecken. Und nachdem ich sowohl bei Fulco als auch bei Ansgar Geberic gesehen habe, was dieser Mann Menschen antun kann, bin ich nicht bereit, sie auch noch in den Tod zu schicken."

Kalliope und Io sahen sich besorgt an. "Wurde Fulco auch verletzt?", fragte Io.

"Ich ... fürchte, er hat den Zusammenstoß mit Ihm nicht überlebt", erwiderte Megamind zögernd. "Es tut mir leid."

Kalliope sah zur Seite und schluckte schwer.

"Sie standen sich wohl sehr nahe?", fragte Music Man und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Sein vollständiger Name war Fulco Astraea", antwortete Io und senkte den Kopf. "Er war Frau Astraeas Vater."

"Oh, das ... tut mir leid", murmelte er, während sich Megamind verlegen den Nacken rieb.

Kalliope sah zu ihm hoch und schüttelte den Kopf.

"Frau Astraea meint, dass jetzt keine Zeit dafür sei", übersetzte Io ihre Gestiken. "Stattdessen sollten wir uns lieber überlegen, wie wir meinen Bruder ruhig stellen können."

"Äh, Miss Astraeas Bruder oder Ihren Bruder?", fragte Megamind verwirrt.

"Meinen natürlich", erwiderte Io augenrollend.

Jetzt da er genauer darauf achtete, fiel ihm auf, dass ihre Augen aussahen wie kleine dunkle Murmeln. Auch schien sie keinerlei Körperwärme abzugeben, sie war zwar nicht kalt, aber man merkte doch, dass da was fehlte, was bei echten Menschen da war.

Aber aus der Ferne sahen sowohl sie als auch ihr durchgedrehter "Bruder" sicher vollkommen menschlich aus. Kein Wunder also, dass Mr. Stephens in der Nacht davor die Gefahr nicht erkannt hatte, besonders wenn Ios "Bruder" wirklich vornübergebeugt dagesessen war, wie er behauptete.

"Tja, also, wenn ihr mich hier nicht mehr braucht, kann ich ja gehen, oder?", fragte Music Man unbehaglich und riss Megamind damit aus seinen Überlegungen.

"Tu dir keinen Zwang an", murmelte dieser. "Ist vermutlich sowieso besser, wenn Minion dich hier nicht sieht."

Music Man nickte und verließ so schnell er konnte die Fabrik. Irgendwie hatte Megamind das Gefühl, dass ihm dieses Gespräch langsam unangenehm wurde. Er hatte noch nie gut mit misslichen Situationen umgehen können, schon als kleiner Junge nicht. Das hatte sich nicht zuletzt bei seinem vorgetäuschten Tod gezeigt.

"Nun, zurück zum Thema", meinte Megamind, setzte sich wieder in seinen Sessel und faltete die Hände zusammen. "Gibt es irgendeine Möglichkeit, ihn zu stoppen?"

Kalliope schüttelte den Kopf.

"Frau Astraea hat das schon versucht", antwortete Io resigniert. "Aber es ist einfach nicht möglich."

Er runzelte die Stirn. Nach diesem Wortlaut gab es anscheinend etwas ganz Bestimmtes, das man in diesem Fall tun musste.

"Was haben Sie schon versucht?", fragte Megamind misstrauisch.

Io zögerte kurz, die Bewegungen ihrer Herrin zu übersetzen. Erst nach einigen energischen Bewegungen Kalliopes gab sie klein bei.

"Wir ... wir Puppen haben einen Kern, eine Art Herz sozusagen", erklärte Io schließlich. "Unsere einzige Schwachstelle, da wir auch ohne Kopf weiterleben können. Aber selbst dieser Kern ist durch unsere harte Haut geschützt. Deswegen kam Frau Astraea nicht daran heran, als sie bemerkt hat, dass da etwas schief gelaufen ist. Und damals war der Lehm noch nicht vollkommen abgehärtet wie es jetzt der Fall sein dürfte."

Megamind seufzte und rieb sich erschöpft das Gesicht. Seit einer Woche schlief er so gut wie gar nicht, weil er wusste, dass jede Nacht ein neues Haus in sich zusammenfiel und er gar nichts dagegen tun konnte.

"Wenn wir wenigstens wüssten, wo er sich tagsüber aufhält", murmelte er. "Es müsste doch jemandem auffallen, wenn plötzlich in den frühen Morgenstunden ein Mann auftaucht, sich hinsetzt oder hinlegt und sich dann nicht mehr bewegt, gerade wenn in der Nähe wieder ein Haus eingestürzt ist. Normalerweise ruft man da einen Krankenwagen, und spätestens wenn die Sanitäter auftauchen, würde man den Irrtum bemerken. Warum also ist Mr. Stephens der Einzige, der ihn bisher zu Gesicht bekommen hat und warum erst gestern Nacht? Man hätte ihn schon viel früher entdecken müssen!"

Kalliope runzelte die Stirn und wandte sich gestikulierend an Io, die den Kopf schüttelte und etwas in ihrer Sprache erwiderte.

"Was ist?", fragte Megamind neugierig. "Ist Ihnen etwas eingefallen?"

"Frau Astraea meint, wenn mein Bruder bisher von niemandem sonst gesichtet worden ist, dann versteckt er sich vielleicht zwischen den Trümmern der Häuser", meinte Io. "Womöglich wurde er letzte Nacht aus seinem Versteck getrieben, durch Aufräumarbeiten oder ähnlichem."

Megaminds Augen weiteten sich und er griff nach dem Handy an seinem Gürtel. "Die neuesten Trümmer sind noch nicht weggeräumt worden", sagte er und ging seine Telefonliste durch, bis er auf den Namen "R. Jones" stieß. "Er muss noch dort sein! Wir müssen den Schutt durchsuchen."

"Da müssen Sie aber äußerst vorsichtig sein, damit er Sie nicht bemerkt", erwiderte Io. "Er wird unter den Trümmern nämlich wahrscheinlich nicht besonders auffallen, vielleicht sieht er sogar aus wie ein ganz gewöhnlicher Steinbrocken. Somit kann er sie jederzeit aus dem Hinterhalt angreifen."

Megamind hielt die Hand hoch, damit sie still wurde und sprach in sein Handy. "Ja? Ist das Miss Jones? ...Keine Ahnung, Ihre Stimme klingt über das Telefon ganz anders. ...Ja, ich habe ein paar Informationen für Sie. Die Arbeiter haben den Schutthaufen des letzten Einsturzes noch nicht weggeräumt, oder? ...Gut, sie sollen auch weiterhin wegbleiben. Es ist gefährlich dort. ...Ja, auch für Rettungsleute. Meine Brainbots müssen die Trümmer erst nach einem Mann absuchen, bevor irgendetwas weggeräumt werden kann. ...Nein, ich weiß nicht wie er aussieht, aber meine Brainbots werden ihn sicherlich erkennen. Riegeln Sie einfach den Bereich ab und bringen Sie sich in Sicherheit. Ich bin gleich da. ...Soweit alles verstanden? ...Nein, ich halte Sie nicht für blöd." Megamind verdrehte die Augen. "Halten Sie einfach alle von den Trümmern fern. ...Okay, dann sehen wir uns gleich dort. Ciao."

Er schloss das Handy wieder und sah die beiden Frauen an. "So, das wäre erledigt. Soll ich Ihnen nun ein Taxi rufen, damit Sie zu Ansgar ins Krankenhaus können?"
 

Nachdem Megamind Kalliope und Io ein Taxi gerufen und Minion bei Mrs. Bearhunter abgeholt hatte, fuhren sie zum Ort des letzten Einsturzes. Während der Fahrt lag Minion ihm die ganze Zeit mit irgendeinem Strickmuster in den Ohren und Megamind war mehr als erleichtert, als endlich die Trümmer der eingestürzten Häuser in Sicht kamen, die bereits von einer Handvoll Polizisten abgeriegelt worden waren.

Vor der Absperrung wartete Miss Rebecca Jones schon ungeduldig auf sie, wie man unschwer an ihrem unruhig tappenden rechten Fuß erkennen konnte. Zu Megaminds Überraschung stand Roxanne neben ihr, allerdings ohne Mikrofon oder Kameramann in der Nähe.

"Roxanne!", rief er überrascht, als er aus dem Auto stieg. "Was machst du denn hier?"

"Ja, ich freu mich auch, dich zu sehen", erwiderte sie amüsiert. "Ich war mit meinem Kameramann hier in der Nähe, um für den Sender über die neueste Entwicklung zu berichten. Natürlich wurden wir dann von den Polizeikräften weggeschickt. Und als dann auch noch die Brainbots angeflogen kamen, dachte ich mir schon, dass du dahinter steckst."

"Ich hoffe nur, dass das hier nicht auch noch von KMCP 8 gesendet wird", sagte Miss Jones missmutig und sah Roxanne streng an.

"Oh, nein, nein", versicherte diese ihr. "Ich wollte nur sehen, was mein Freund wieder im Schilde führt."

"Das klingt ja gerade so, als wären alle meine Ideen schlecht." Megamind zog einen beleidigten Flunsch.

"Nun, Sir, Sie müssen zugeben, dass Ihre Pläne für gewöhnlich erst einmal nach hinten losgehen, ehe sie funktionieren", meinte Minion, nachdem er das Auto abgeschlossen hatte.

Megamind warf ihm einen verärgerten Blick zu. "Jedenfalls sollten die Brainbots jetzt mit der Suche beginnen."

Er steckte Zeigefinger und Daumen in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Sogleich schwebten die Brainbots heran und umringten ihren Schöpfer.

"In Ordnung", begann er. "Ihr sucht jetzt die Umgebung so leise wie möglich nach dem Mann ab, den ihr gestern verjagt habt, verstanden? Dreht jeden Stein zweimal um. Irgendwo hier muss er sein."

Die Brainbots machten gehorsam "Bowg" und begannen, die Trümmer zu durchwühlen.

"Was hat das zu bedeuten?" Miss Jones sah ihn misstrauisch an. "Glauben Sie, dass der Mann, der Mr. Stephens gestern Nacht so zugerichtet hat, unter diesen Trümmern liegt?"

Megamind zuckte mit den Schultern. "Liegt, sitzt, jedenfalls dürfte er irgendwo hier sein. Tagsüber ruht er sich aus. Aber er ist sehr schreckhaft und könnte entwischen oder uns sogar angreifen, wenn wir zu laut sind."

Roxanne legte ihm besorgt eine Hand auf den linken Oberarm. "Megamind, warum sollte er denn hier sein? Bisher wurde er an den anderen Tatorten auch nicht gesichtet."

"Weil wir falsch gesucht haben", erwiderte Megamind ungeduldig. "Miss Astraea und ihre Puppe Io haben es mir erklärt! Er legt sich einfach zwischen die Trümmer und niemand sieht ihn. Er besteht ja eigentlich nur aus Lehm. Es dürfte ein Einfaches für ihn sein, sich als ein Stück Beton auszugeben!"

Ein Brainbot, Nummer Vierzig, begann plötzlich fürchterlich zu schirpen und umkreiste aufgeregt die zusammengebrochene Wand, die er untersucht hatte. Andere Brainbots kamen zu ihm rüber und begannen ebenfalls diesen seltsamen Tanz aufzuführen.

"Sieht so aus, als hätten sie was entdeckt", meinte Roxanne und beobachtete verunsichert die aufgeregten Roboter.

Megamind stakste durch den Schutt auf die Brainbots zu und beugte sich vor. Zwischen zwei großen Betonbrocken war etwas eingebettet, aber er konnte es nicht richtig sehen.

"Brainbots, räumt den Beton zur Seite. Aber vorsichtig", befahl er und trat ein paar Schritte zurück, um ihnen Platz zu machen.

Einige Minuten später lag die Stelle frei und Megamind blickte misstrauisch auf das, was sich dort befand.

Es war ein grob behauener Steinklotz. Mit etwas Fantasie konnte man vielleicht einen Mund, eine Nase und zwei Augen erkennen, aber irgendwie wirkte es unausgearbeitet, als hätte der Bildhauer mittendrin seine Skizzen verworfen und den Steinblock in eine Ecke gestellt, um nie wieder angerührt zu werden. Die Arme und Beine waren genauso grob ausgearbeitet und verstärkten das Gefühl, man habe einen Prototyp vor sich, noch.

Nachdem Megamind gesehen hatte, mit welcher Detailverliebtheit Io gemacht worden war, bis hin zu Fingernägeln, Muttermalen und Lachfalten im Gesicht, erschien dieser Brocken geradezu lieblos. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Kalliope so schlampig gearbeitet hatte, nachdem Ansgar sie so gelobt hatte. Dies konnte keine Puppe sein.

Resigniert seufzend tätschelte er die Brainbots. Vermutlich war der "Häuserstürzer" schon längst geflüchtet und die Brainbots hatten die Überreste seines Aufenthalts hier wahrgenommen. Es war wirklich nicht ihre Schuld, sie waren ja noch nicht einmal richtig repariert worden, nur notdürftig zusammengeflickt, weil er einfach keine Zeit gehabt hatte.

"Und?", rief Roxanne ihm zu. "Ist er da?"

"Sieht nicht so aus", erwiderte Megamind und beugte sich wider besseres Wissen über den Steinklotz. "Ich glaube, er hat uns auf eine falsche Fährte gelockt. Hätte mich auch gewundert, wenn er einfach dort bleibt, wo die Brainbots ihn zuletzt konfrontiert hatten." Er berührte den Stein.

Im nächsten Moment lag er auf dem Rücken zehn Meter von der Stelle entfernt, an der er eben noch gestanden hatte und sah wie Roxanne, Minion und Miss Jones angerannt kamen und ihn umringten.

"Was war denn das?", fragte Minion entgeistert und half seinem Herrn auf die Füße.

"Ich weiß nicht", murmelte Megamind und sah auf seinen rechten Arm, mit dem er gerade noch den Stein angefasst hatte. Die Dornen auf seinen schulterhohen Handschuhen waren eingedrückt.

Ein Rumpeln ertönte aus dem Inneren des Schutthaufens und im nächsten Moment wurden die Brainbots in alle Richtungen davongeschleudert. Eine hochgewachsene Gestalt in Kleidern, die ihr in Fetzen vom Körper hingen, erhob sich aus den Trümmern und starrte ihn hasserfüllt aus dunklen Augen an.

Diese Gestalt sah überhaupt nicht mehr aus wie ein Steinbrocken. Jetzt konnte er sehen, warum Richard Stephens der Meinung gewesen war, er hätte einen Menschen vor sich. Und jetzt sah der Häuserstürzer seiner "Schwester" Io sogar richtig ähnlich. Sein Haar war genauso rabenschwarz, er hatte die gleichen dunklen Knopfaugen wie Io und dieselbe schaukelnde Gangart. Aber irgendetwas war seltsam an ihm, als wäre er nicht fertig. Das Gesicht, obwohl schön geschnitten, war ausdruckslos, der Mund war nur ein dünner Strich und die Augen wirkten merkwürdig leer trotz seines hasserfüllten Blickes.

"Minion!", zischte Megamind beunruhigt. "Schnapp dir Roxanne und Miss Jones und steig in den Wagen!"

"Aber..." Sein Fischfreund sah ihn unsicher an.

"In den Wagen!", rief Megamind, gerade als die Gestalt sich in ihre Richtung in Bewegung setzte und schob ihn weg. "Sofort!"

Minion griff Roxanne und Miss Jones um die Hüften und rannte zum Unsichtbaren Auto, die Proteste der beiden Frauen gefließentlich ignorierend, fest überzeugt davon, dass sein Freund ihm auf dem Fuß folgte.

Aber als er sich wieder umdrehte, stand Megamind immer noch an derselben Stelle und feuerte seine De-Waffe auf die Gestalt ab. Der Dehydrierungsstrahl prallte an der harten Oberfläche wie von einem Spiegel ab und traf eine Taube, die gerade auf einem der Fensterbretter der umliegenden Häuser einen Balztanz aufführte.

"Verflixt, das ist doch nicht Metro Man!", fluchte Megamind und drehte an dem Regler.

Doch auch die "De-Stroy"-Einstellung brachte nicht viel. Auf der Brust seines Gegners entstand zwar eine kleine Delle und die Gestalt stolperte ein paar Schritte rückwärts, aber das war nun wirklich nicht, was normalerweise in diesem Fall passieren sollte.

Ehe Megamind eine weitere Einstellung ausprobieren konnte, wurde er plötzlich vorne am Kragen gepackt und gegen die nächste Wand geschleudert. Er sah Sterne und zog sich mühsam an der Wand hoch.

Schmerzerfüllt biss er die Zähne zusammen und stieß sich von der Wand ab. Alles drehte sich und er konnte nur schwankend aufrecht stehen. Sein Blick fiel auf einen länglichen Gegenstand zu seinen Füßen und er brauchte eine Weile, bis er erkannte, was es war.

Der Mann hielt inne und starrte auf die Eisenstange in seiner Brust. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut, ehe er die Hand hob und Megamind abermals nach hinten stieß.

Megamind schlug auf dem Boden auf und schnappte nach Luft. Die Hände hatte er gegen die Brust gepresst, wo sein Gegner ihn getroffen hatte. Es brannte fürchterlich, alle Luft schien aus ihm gewichen zu sein.

Warum hatte es nicht geklappt? Io hatte doch gesagt, dass das Herz seine Schwäche war und er hatte die Stange definitiv tief genug in seine Brust gestoßen, um es zu erwischen...

"He", lachte Megamind heiser und sah zu seinem Gegner hoch, der die Eisenstange noch in der Hand hielt. "Hast du deine Brust verstärkt? Du bist schlauer als ich dachte."

Sein Gegner antwortete nicht. Er starrte ihn nur an.

"Aber an deinem Geplänkel musst du noch üben", fuhr Megamind fort, während er sich langsam aufsetzte - zum Stehen fühlte er sich gerade viel zu müde - und auf den Kommunikationsknopf drückte. "Brainbots, Angriff!"

Über die Dächer kamen die Brainbots angesaust und verbissen sich in den Armen des Mannes, der sie aber nur unwirsch abschüttelte. Doch ehe er sich wieder Megamind zuwenden konnte, fuhr von hinten ein Rohr auf seinen Kopf herab. Er stolperte nach vorne und Teile seines Hinterkopfes fielen ab. Hinter ihm stieß eine Frau einen erschrockenen Schrei aus.

"Roxanne!", rief Megamind erschrocken. "Hau ab!"

Roxanne ließ klirrend das Rohr fallen und lief an seine Seite. Mühsam hievte sie ihn hoch und schlang einen seiner Arme um ihre Schultern.

"Komm schon!", sagte sie. "Ich glaube, der braucht eine Weile, bis er sich erholt hat."

Megamind sah zu der Puppe rüber, die sich gerade durch die Reihen der Polizisten schlängelte, die wie festgefroren an ihren Plätzen standen.

"Wir müssen ihn aufhalten!", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte sich von ihr zu lösen. Zu seiner Überraschung stellte er aber fest, dass er sich nicht aus ihrem Griff lösen konnte. Ob das jetzt daran lag, dass sie so stark war oder er so schwach, konnte er mit seinen dröhnenden Kopfschmerzen aber nicht sagen.

"Sei nicht dumm." Roxanne sah ihn streng an. "In deinem Zustand kannst du jetzt gar nichts machen. Wir müssen uns zurückziehen und beraten."

"Ich kann kämpfen!", protestierte er noch während ihm langsam die Sinne schwanden.

"Sicher..."

Roxanne sagte irgendetwas zu Minion und Megamind nahm wie durch einen Nebel wahr, wie die Brainbots der Puppe nachstellten. Dann stand Minion vor ihm und bugsierte ihn sanft ins Innere des Unsichtbaren Autos, während er ihm aufmunternde Worte sagte.

Megamind versuchte etwas zu antworten, wenigstens die Augen offen zu halten, doch kaum hatte Minion ihn in den Sitz gedrückt, fielen seine Lider zu und er schlief ein.
 

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@ Bramblerose: Nun, Megamind kann sich ja nicht als Ansgars Verwandten ausgeben, wenn er noch nicht einmal Ansgars Namen kennt. Den hat er ja erst durch Roxanne erfahren, nachdem Ansgar sie angerufen hatte. Und Megamind war so lange Superschurke, dass die Leute im Krankenhaus wohl immer noch ein wenig misstrauisch sind.

Ja, Ansgar ist ein Mensch. Aber wie gesagt, sein Volk lebt schon seit Generationen im Dunkeln.

Naja, wie du in diesem Kapitel ja sehen kannst, ist "Wayne" Music Mans Name. Im ursprünglichen "Mastermind"-Script hieß er so und seine Eltern werden im Abspann immer noch als Lord und Lady Scott aufgeführt.

Und warum sollte Megamind nicht in der Lage sein, diese Worte zu kennen und zu benutzen? Er ist schließlich ziemlich intelligent.

Verschwunden

Zwei Tage war es nun her, dass Megamind seinen ersten Kampf gegen den "Häuserstürzer" bestritten hatte und seither lief letzterer ziellos durch die Stadt und brachte die Menschen in Aufruhr. Aus der Sorge heraus, der Mann aus Lehm könnte sich tatsächlich weitere Menschen als Spielzeug aussuchen, hatte Megamind die Brainbots auf seinen Gegner angesetzt. Eigentlich hatte er gehofft, dass die kleinen Roboter ihn irgendwie stoppen könnten, doch leider zertrümmerte er jeden Brainbot, der in Reichweite seiner Arme kam. Dies war erstaunlicherweise aber auch das Einzige, das die Puppe machte, die ansonsten durch die Straßen irrte, als suche sie etwas.

Megamind fand das Verhalten des Mannes seltsam. Hatte Roxannes Schlag auf seinen Kopf vielleicht irgendetwas bewirkt, dass er jetzt so friedlich war? Die Warnungen, die Megamind und Minion im Zuge seiner Flucht an die Bevölkerung ausgegeben hatten, schienen auf einmal vollkommen überflüssig. Ob es wohl nur ein Trick war, um die Menschen in Metro City - und somit auch Megamind - in Sicherheit zu wiegen, ehe er abermals zuschlug?

Megamind konnte es jedenfalls nicht nachprüfen, da er im Moment nicht in der Lage war, Roxannes Wohnung zu verlassen, nachdem sie und Minion ihn dorthin gebracht hatten. Dies veranlasste Megamind dazu sich zu fragen, ob seine Fähigkeiten mit seinem Berufswechsel nachgelassen hatten. Als er noch ein Superschurke war, konnte ihn kein Schloss und keine Stahltür davon abhalten, nach draußen zu kommen. Doch jetzt scheiterte er schon an einer ganz gewöhnlichen Holztür in einer ganz gewöhnlichen Wohnung, die noch nicht einmal abgesperrt war.

Vermutlich lag es aber wohl daran, dass Minion diesmal gegen ihn spielte statt mit ihm. Nachdem er nach seinem Kampf ohnmächtig geworden war, hatten Roxanne und Minion ihn ins Krankenhaus gebracht, wo ihm eine Gehirnerschütterung, ein verstauchtes Handgelenk und mehrere geprellte Rippen bescheinigt worden waren und ihm nahegelegt wurde, die nächsten drei bis vier Tage keine schweren Arbeiten zu tun. Daraufhin hatten sich sowohl Roxanne als auch Minion dafür ausgesprochen, dass Megamind sich im Krankenhaus erholen sollte, wovon er natürlich nichts hatte wissen wollen. Sie hatten erst klein beigegeben, nachdem er ihnen versprochen hatte, es ruhiger angehen zu lassen.

Womit er allerdings nicht gemeint hatte, die Hände in den Schoß zu legen und gar nichts mehr zu machen! Wenn er nur nachsah, wo der "Häuserstürzer" war, konnte man das doch niemals als schwere Arbeit ansehen!

"Megamind, leg dich wieder hin!", hörte er Roxanne von der Küchenzeile aus sagen, gerade als er zum x-ten Male die Hand auf der Klinke hatte. "Du gehst hier erst wieder raus, wenn du deine Verletzungen auskuriert hast. Und im Schlafanzug kannst du sowieso nicht vor die Tür."

Missmutig drehte er sich um und trottete zurück zu der Couch, die dem Fenster zugewandt war. Er war sich so sicher gewesen, dass sie dieses Mal wirklich nichts mitbekam. Aber irgendwie schien sie immer zu wissen, wenn er zur Wohnungstür schlich, egal wie leise er auch war.

Mit einem Seufzer ließ er sich fallen und sog scharf die Luft ein, als sein Brustkorb mal wieder seinen Unmut über die grobe Behandlung kundtat.

"Während ich hier herumhocke, kann dieser Kerl immer neuen Schaden anrichten", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Ich muss doch wenigstens herausfinden, wo er ist!"

"Du kannst nicht alles alleine machen", meinte Roxanne, stellte eine Tasse Tee auf dem Kaffeetisch ab und setzte sich neben ihn. "Die Brainbots scheinen die Sache doch im Griff zu haben."

Er sah sie nur zweifelnd an.

"Komm schon. Mach ein fröhlicheres Gesicht." Sie stupste ihn spielerisch mit dem Ellbogen an und bereute diese Aktion gleich wieder, als sein Gesicht sich abermals vor Schmerz verzerrte. "Ah! Tut mir leid! Aber da siehst du wieder, dass du noch nicht auf der Höhe bist. Warum siehst du das nicht ein?"

"Habe ich denn überhaupt eine Wahl?", fragte Megamind niedergeschlagen. "Metro Man..."

"Metro Man war - beziehungsweise ist - unverwundbar", erinnerte ihn Roxanne. "Du hingegen bist es nicht. Und ich bin mir sicher, dass die Leute dafür Verständnis haben."

"Du sagst das doch nur, damit ich endlich hier bleibe, oder?", murmelte er missmutig.

"Nein, ich meine es vollkommen ernst." Sie strich ihm liebevoll über den kahlen Schädel. "Außerdem sind immer noch die Brainbots da. Und Minion."

Megamind warf seufzend den Kopf zurück und lehnte sich gegen den Rückenteil der Couch. "Ich hasse es einfach, untätig herumzusitzen. Dann bin ich doch vollkommen ... nutzlos."

Roxanne schubste ihn an der Schulter. "Red keinen Schwachsinn, du bist nicht nutzlos!", erwiderte sie aufgebracht. "Das denkt auch niemand von dir. Glaubst du etwa, die Menschen von Metro City würden sich auf deinen Schutz verlassen, wenn sie der Meinung wären, dass du nicht von Nutzen wärst? Wayne haben sie vergeben, dass er seinen Tod vorgetäuscht hat, obwohl das die gesamte Stadt ins Chaos gestürzt hat. Da werden sie dir auch keinen Strick daraus drehen, dass du deine Verletzungen auskurieren musst."

Er lachte freudlos. "Ja, aber Metro Man ist der Goldjunge der Stadt. Der kann doch gar nichts falsch machen!"

Sie verdrehte die Augen. "Hör endlich auf, so fatalistisch zu sein!", schalt sie ihn. "Du musst dich nicht an ihm oder mit ihm messen. Und überhaupt: Seit du den Heldenberuf angenommen hast, tut die Polizei wenigstens endlich wieder etwas statt nur sinnlos in die Luft zu ballern. Das hat Wayne bei seiner Amtsniederlegung doch auch gesagt. Dass die Menschen sich zu sehr auf ihn verlassen hätten und dadurch unselbstständig geworden sind."

Über Megaminds Gesicht zuckte ein schwaches Lächeln. "Soll das heißen, dass man sich nicht auf mich verlassen kann?"

Roxanne musterte ihn streng. "Hör auf, mir Worte in den Mund zu legen."

"Entschuldigung." Er senkte den Kopf und sah sie scheu durch die Wimpern hindurch an.

"Nun gut." Sie richtete sich wieder auf. "Trink deinen Tee und versuch noch ein wenig zu schlafen. Du wirst feststellen, dass die Zeit dann viel schneller vergeht."

Megamind lachte und salutierte spöttisch. "Jawohl, Frau General."

"Und ich werde derweil meine Mutter anrufen", fuhr sie fort und erntete einen entsetzten Blick von ihrem Freund.

"Was?!", fragte er alarmiert. "Warum? Wozu?"

"Ich kann nicht den ganzen Tag darauf aufpassen, dass du in der Wohnung bleibst", erwiderte Roxanne. "Ich habe schließlich eine Arbeit, der ich nachgehen muss. Und Minion muss sich ja um deine Brainbots kümmern. Also bleibt mir nur noch diese Möglichkeit."

"A-also ich weiß nicht, ob deine Mutter so begeistert davon wäre, den weiten Weg nach Metrocity zu machen, nur um nach mir zu sehen", meinte Megamind nervös.

"Na, so weit weg wohnen meine Eltern nun auch wieder nicht, sonst hätten sie bei mir übernachtet, nachdem sie dich getroffen haben." Sie verdrehte die Augen. "Und überhaupt, wen hast du denn sonst noch, der darauf achten könnte, dass du auch ja liegen bleibst?"

"Naja, der Direktor vielleicht...", murmelte er.

"Welcher Direktor?", fragte Roxanne stirnrunzelnd.

"Na, ich bin doch in einem Gefängnis groß geworden, schon vergessen?" Megamind lehnte sich in seinem Sitz zurück. "Der Direktor kennt mich seit ich ein kleines Baby war. Aber vergiss es einfach, der hätte sowieso keine Zeit." Er sah nachdenklich auf seine Finger. "Und ich bin mir um ehrlich zu sein auch nicht sicher, ob ich ihn in meinem jetzigen angeschlagenen Zustand in meiner Nähe haben will."

"Na, siehst du." Sie klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und wandte sich zum Telefon um.

"Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich deine Mutter in meiner Nähe haben will!", fügte er panisch hinzu. "Ich habe auch gar keine Alltagskleidung hier! Im Schlafanzug werde ich mich bestimmt nicht mit ihr auseinandersetzen! Und mir geht es doch sowieso viel besser als vor zwei Tagen!"

Ehe sie darauf etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon und ließ beide zusammenzucken.

"Wehe das ist jetzt deine Mutter!", meinte er und versteckte sich hinter der Rückenlehne des Sofas.

Roxanne verdrehte nur die Augen und hob den Hörer ab. "Hallo? ...Oh, Minion, schön von dir zu hören! ...Hm? Ja, Megamind ist im Zimmer." Sie drehte sich zu Megamind um, der sie mit hochgehobenen Augenbrauen fragend ansah. "Soll ich ihn rausschicken?" Bei diesen Worten erntete sie einen wütenden Blick von Megamind. "...Äh, ich glaube nicht, dass ich damit viel Erfolg haben werde. Am besten ich gehe ins Arbeitszimmer."

Doch bevor sie die Tür aufmachen konnte, hatte er ihr schon das Telefon entrungen.

"Hey!", rief sie erbost. "Du sollst dich ausruhen!"

Megamind achtete gar nicht weiter auf sie. "Ollo? Minion?", sagte er ins Telefon. "Was ist los?"

Auf der anderen Seite der Leitung druckste der Fisch verlegen herum.

Megamind verdrehte die Augen. "Heraus damit, Minion, ich finde es sowieso heraus."

Am anderen Ende seufzte Minion resigniert. "Der 'Häuserstürzer' ist verschwunden."

Megamind runzelte die Stirn. Vielleicht hatte er sich verhört. "Äh, wie bitte? Was?"

"Ja, er ist wortwörtlich im Erdboden versunken, Sir!", erklärte Minion. "Im einen Moment ist er noch da, im nächsten sinkt er plötzlich ein. Und die Brainbots konnten ihn auch nicht mehr herausziehen."

Ein paar Minuten lang sah Megamind das Telefon in seiner Hand nur verstört an. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet.

"Minion, Code: Hol den Wagen", sagte er und sah an sich herunter. "Oh, und bring mir meine Uniform mit. Wir müssen ins Krankenhaus."

"Geht es Ihnen nicht gut, Sir?", fragte der Fisch am anderen Ende besorgt. "Soll ich einen Krankenwagen rufen?"

"Unsinn, mir geht es bestens! Aua!" Megamind rieb sich die Stelle, an der Roxanne ihn leicht angestupst hatte. "Zumindest solange gewisse vorwitzige Reporterinnen mir nicht in die Brust pieken." Er warf ihr einen verärgerten Blick zu, den sie aber vollkommen gleichgültig erwiderte. "Wir müssen mit Ansgar reden! ...Du weißt nicht zufällig, wo sich Kalliope und diese Io herumtreiben, oder?"

"Ich kann die Brainbots nach ihnen suchen lassen, Sir", erwiderte Minion zögernd. "Aber Sir, Sie sollen sich doch nicht anstrengen!"

Megamind verdrehte die Augen. "Ich will nur einen Zeugen befragen. Das kann man wohl kaum als 'anstrengen' bezeichnen. Ansgar wird mir ja wohl kaum an die Gurgel gehen."

Bevor Minion noch etwas hinzufügen konnte, hatte Megamind schon wieder aufgelegt und drehte sich zu Roxanne um. "Tut mir leid, Roxanne, aber diese Aufgabe hat absolute Priorität. Wenn wir ihn nicht finden können, taucht er am Ende bei dir im Wohnzimmer auf."

"Klar." Sie verdrehte die Augen und seufzte. "Na schön, du darfst gehen und dich erkundigen. Aber nur zum Krankenhaus. Die wissen wenigstens, was sie machen müssen, solltest du irgendeine Dummheit begehen."

Er sah sie beleidigt an.
 

"Also, Sir, was genau sollen wir Mr. Geberic überhaupt fragen?", wollte Minion wissen, während sie im Unsichtbaren Auto zum Krankenhaus fuhren. "Ich bin mir nicht sicher, ob er uns mehr darüber sagen kann."

"Ich weiß nur, dass mir irgendwas verschwiegen wird. Sonst wäre ich nicht so schlecht vorbereitet." Megamind sah missmutig aus dem Fenster. "Und jetzt...! Jetzt ist dieser blöde Kerl sogar wortwörtlich im Erdboden versunken!"

"Äh, Mr. Geberic, Sir?"

"Ach, Unsinn!" Megamind warf sich genervt in seinem Sitz zurück. "Stell dich nicht dümmer an als du bist, Minion! Du weißt ganz genau, dass ich vom 'Häuserstürzer' rede!"

Minion grummelte leise vor sich hin und starrte stirnrunzelnd auf die Straße. Er konnte ja verstehen, dass diese neueste Entwicklung seinen Freund verstörte, aber deswegen musste er ihn noch lange nicht so anmotzen.

Die Stimmung zwischen den beiden blieb so unterkühlt bis sie beim Krankenhaus angelangt waren und auch den Weg zu Ansgars Zimmer verbrachten sie in bedrücktem Schweigen. Es schlug Megamind aufs Gemüt, dennoch konnte er sich im Moment nicht dazu durchringen, sich zu entschuldigen.

In Raum Hundertneun war Ansgar gerade damit beschäftigt, einen kleinen Koffer mit Kleidungsstücken mit einer Hand zu bepacken, da sein rechter Arm immer noch im Gilchrist steckte. Als die beiden eintraten, wandte er sich um und grüßte sie.

"Hallo", sagte er trocken. "Ich habe schon von Ihrem Pech gehört."

Megamind blinzelte überrascht. "Wie können Sie davon gehört haben?"

Ansgar deutete auf einen kleinen Fernseher, der an einer beweglichen Stange auf der anderen Seite des Zimmers hing. "Die Medien haben keine Zeit verloren, den Fall so stark aufzubauschen wie sie nur können."

"War ja klar", seufzte Megamind. "Aber ist vielleicht auch besser, dieser Kerl ist schließlich sehr gefährlich."

"Er hat seine Taktik geändert", meinte Ansgar und schloss den Koffer. "Bisher hat er einfach nur um sich geschlagen. Jetzt scheint er eingesehen zu haben, dass ihn das nur in Schwierigkeiten bringt. Mich wundert nur, dass er so lange dafür gebraucht hat. Er scheint schwerfälliger geworden zu sein."

"Miss Ritchi hat ihm mit einem Rohr auf den Kopf geschlagen", erklärte Minion nachdenklich. "Könnte das der Grund sein?"

Ansgar dachte nach und wippte dabei auf den Fußballen. "Vielleicht", sagte er dann. "Allerdings wird das nicht viel bewirken können. Die eigentliche Schaltzentrale einer Puppe ist schließlich ihr Herz. Alles andere ist nur ein Zusatz."

"Irgendeine Idee, wie wir ihn ausfindig machen können?", fragte Megamind resigniert. "Er kann schließlich nicht in der Stadt bleiben, sonst geht er wieder auf andere los."

Ansgar schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, aber man kann eine Puppe auf ihrem Weg durchs Erdreich nicht verfolgen. Sie müssen warten, bis sie sich wieder zeigt."

Megamind und Minion stießen gleichzeitig ein entnervtes Stöhnen aus.

"Verzeihung." Ansgar zuckte entschuldigend mit den Schultern und packte dann mit der linken Hand den Koffer. "Aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Sie müssen eben Ihre kleinen Viecher auf ihn ansetzen."

Megamind seufzte tief und nickte. "Und was machen Sie jetzt?", wollte er mit Blick auf den Koffer wissen. "Fahren Sie nach Hause zurück?"

Ansgar schüttelte den Kopf. "Kann ich nicht", seufzte er. "Ich muss erst einmal neue Papiere bekommen. Solange bleibe ich mit Kalliope und Io in der Stadt."

"Wissen Sie denn, wo sie ist?", fragte Minion erstaunt. "Die Brainbots konnten sie nämlich nicht finden und sie hat uns keine Adresse hinterlassen."

"Ich glaube, sie hält sich in dem Viertel auf, in dem ich von Ihm angegriffen wurde", meinte Ansgar. "Dort scheinen viele Häuser leer zu stehen."

"Warum hat sie uns nicht benachrichtigt?" Megamind schüttelte irritiert den Kopf. "Wir hätten schon eine Bleibe für die beiden gefunden."

"Kalliope hasst es, bei anderen Leuten eine Schuld zu haben", erwiderte Ansgar und öffnete die Tür. "Aber wenn Sie wollen, können Sie mit mir kommen und versuchen, sie zu überreden. Vielleicht haben Sie sogar Glück..."

"Auf jeden Fall sollte sie nicht irgendwo bleiben, wo sie ungeschützt ist", meinte Megamind. "Es könnte immer noch sein, dass der 'Häuserstürzer' noch einmal versucht, ihr etwas anzutun."

"Ich glaube nicht, dass Kalliope die Person ist, die er jagt...", erwiderte Ansgar nachdenklich, während er den Krankenhausflur entlanglief, flankiert von Megamind und Minion.

"Nun, wer ist es dann?", fragte Ersterer. "Wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es sagen. Wir tappen schon viel zu lange im Dunkeln."

"Ich weiß nicht genau, wen er jagt", erwiderte Ansgar und zuckte mit der linken Schulter. "Vielleicht tut er das auch gar nicht. Vielleicht will er nur seine Ruhe haben."

"Und da lässt er einfach mal so die halbe Stadt in sich zusammenstürzen und benutzt Menschen als Spielzeug?", wollte Megamind fassungslos wissen. "Das ist nicht gerade die beste Art, unauffällig zu bleiben. Wenn ich früher unauffällig bleiben wollte, dann habe ich mich klein gehalten. Und vielleicht noch eine Verkleidung angezogen."

"Sie müssen nun mal bedenken, dass Er nicht logisch denkt", antwortete Ansgar. "Er hat zwar die Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen, aber vorausplanen kann er nicht. Sein erster Gedanke war vermutlich, uns, also Fulco und mich, loszuwerden und danach hat er einfach immer weitergemacht. In gewisser Weise macht ihn das gefährlicher als jemanden, der einen Plan verfolgt."

Megamind brummte zustimmend.

"Wie geht es eigentlich Ihren Verletzungen?", fragte Ansgar, nachdem sie die letzte Tür durchschritten hatten und draußen vor dem Krankenhaus standen. "Ich meine mich zu erinnern, dass Ihnen drei Tage Bettruhe verordnet wurde."

Megamind verzog das Gesicht. "Jaja, erinnern Sie mich nicht daran." Er warf Minion einen verärgerten Blick zu, der nur unschuldig lächelte. "Ich wurde in Roxannes Wohnung festgehalten! Gegen meinen Willen!"

"Wär' ja auch seltsam, wenn Sie freiwillig festgehalten worden wären", murmelte Ansgar und gab seinen Koffer an Minion ab, der diesen im Kofferraum des Unsichtbaren Autos verstaute. "Festgehalten wird man normalerweise immer unfreiwillig."

Dazu sagte Megamind nichts mehr. Er öffnete die Beifahrertür und ließ sich auf seinen Sitzplatz fallen, ehe er sich zu Ansgar umdrehte, der gerade auf der Rückbank Platz nahm. "Also, wo finden wir Kalliope?"
 

Der Treffpunkt, zu dem Ansgar sie führte, war auf einer der vielen Autobrücken Metro Citys. Megamind wurde ein wenig unwohl, als er erkannte, dass diese Brücke ganz in der Nähe von dem Mietshaus war, in dem Hal Stewart früher gelebt hatte. Er konnte von seinem Standort aus sogar noch das Loch sehen, das erst Hal und dann er selbst in die Wand geschlagen hatte. Anscheinend hatte es die Hausverwaltung nicht für notwendig gefunden, den Schaden zu reparieren oder ihn zumindest bei ihm in Rechnung zu stellen...

Während er darauf wartete, dass Kalliope und Io auftauchten, fragte sich Megamind, ob Hal Stewart wohl wieder zurück in seine Wohnung gehen würde, sobald er wieder aus dem Gefängnis entlassen wurde. Natürlich dauerte das noch ein paar Jahre, aber er fragte sich doch, was der rundliche Mann dann mit sich anfangen würde. Er selbst hatte nie eine Wohnung besessen und sich auch nie die Mühe gemacht, eine zu finden.

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Ansgar aus dem Auto stieg und die Hand über die Augen hielt. "Ich frage mich, wo sie bleibt", murmelte er. "Kalliope ist doch sonst so pünktlich."

"Vielleicht wurde sie von etwas geblendet?", mutmaßte Megamind und sah sich ebenfalls nach der rothaarigen Frau um. "Haben Sie nicht erwähnt, dass Ihre Leute eine Weile nichts mehr sehen können, wenn sie versehentlich in die Sonne oder ähnliches sehen?"

"Mag sein, aber sie hat doch Io bei sich...", erwiderte Ansgar nachdenklich.

"Oh!", machte da Minion und zeigte nach vorne. "Da kommen sie doch schon!"

Auf der anderen Seite der Brücke waren tatsächlich gerade Kalliope und Io aufgetaucht und kamen langsam auf sie zu.

"Wir haben Sie viel früher erwartet", sagte Megamind, als die beiden Frauen endlich bei dem Unsichtbaren Auto angekommen waren.

"Wir hatten uns verirrt, es gibt wirklich viele Brücken hier", erwiderte Io schulterzuckend. "Und warum sind Sie überhaupt hier?"

"Nun, wir haben Ansgar hierher begleitet", antwortete er.

"Das ist natürlich sehr zuvorkommend von Ihnen", meinte sie. "Aber da hätten Sie ihn auch einfach hier abliefern können."

Megamind und Minion blinzelten beide verdutzt über die Unverblümtheit der Puppe.

"Äh. Natürlich kann man das auch so sehen", murmelte Megamind. "Aber da er ja immer noch nicht ganz gesund ist, wäre es nicht besonders klug, ihn einfach irgendwo stehen zu lassen. Hier kann er leicht überfallen werden..."

"Obwohl Sie diese Stadt überwachen? Schwach...", antwortete Io und bekam von Kalliope einen Knuff in die Seite verpasst.

"Megamind wollte wissen, ob ihr beide einen guten Schlafplatz habt", schaltete sich Ansgar in das Gespräch ein, ehe es in Streit ausartete. "Ansonsten will er etwas für uns finden."

Kalliope verzog das Gesicht.

"Jaja, ich weiß schon", sagte Megamind, als Io den Mund aufmachte, um für ihre Herrin zu sprechen. "Sie stehen nicht gerne in der Schuld anderer. Aber hier geht es um mehr als um albernen Stolz. Sie könnten in ziemliche Schwierigkeiten geraten, wenn Sie nachts auf der Straße bleiben. Jetzt da so viele Gebäude eingestürzt sind, kommen immer mehr unlautere Personen aus ihren Verstecken. Und das, verbunden mit der Suche nach dem 'Häuserstürzer', überfordert die Brainbots ein bisschen."

"Wie wäre es damit, Kalliope?", meldete Ansgar sich zu Wort, als die junge Frau immer noch unwillig den Kopf schüttelte. "Sie finden für uns eine Bleibe und dafür helfen wir ihnen dabei, deine Puppe zu finden."

Kalliope seufzte resigniert, den Blick gen Boden gesenkt. Dann sah sie zu Megamind auf und nickte mit dem Kopf.

"Frau Astraea meint...", begann Io, wurde aber von Megamind unterbrochen.

"Ich habe das schon verstanden, danke."

Io zuckte gleichgültig mit den Schultern. Insgeheim fragte er sich, ob die Puppe sich überhaupt für irgendetwas genug interessierte, um mehr als nur positiv-neutral dazu zu sein.

Minion öffnete die hintere Tür des Unsichtbaren Autos und hielt sie für Kalliope und Io auf, die schnell ins Innere verschwanden.

"Nun, das ging ... schneller als ich erwartet hatte", murmelte Megamind nachdenklich. "Was genau war jetzt das Schwierige an dieser Sache?"

Ansgar zuckte mit den Schultern. "Für Sie mag das jetzt nicht schwierig erschienen sein, aber Sie versuchen auch nicht schon seit Tagen, sie dazu zu überreden."

"Ergibt trotzdem keinen Sinn, warum sie sich jetzt so schnell dazu durchgerungen hat."

"Vielleicht dachte sie, dass sie Ihnen gegenüber sowieso schon eine Schuld hat", mutmaßte Ansgar. "Schließlich wurden Sie von ihrer Puppe verletzt."

Megamind gab einen gleichmütigen Laut von sich und stieg in den Wagen ein. Was auch immer der Grund war, er war froh, dass er jetzt wenigstens wusste, wo die Puppenmacherin war, wenn er sie brauchte.

"So!", machte Minion, nachdem auch der letzte Passagier eingestiegen war. "Äh... Wo sollen wir eigentlich hinfahren, Sir? Im Versteck können wir sie ja schlecht unterbringen."

"Vielleicht hat Roxanne eine Idee", murmelte Megamind abwesend, während er eine Nachricht auf seinem Handy durchlas. "Wir müssen sowieso zu ihrer Wohnung, sonst habe ich für den Rest des Tages ihre Mutter am Hals. Frag nicht", fügte er hinzu, als Minion ihn schief von der Seite her ansah und steckte das Telefon weg. Er unterdrückte ein Gähnen und schloss die Augen. "Lass uns einfach zurückfahren. Ich glaube, ich muss ein wenig schlafen..."
 

Als Megamind wieder aufwachte, lag er - wieder in seinen Schlafanzug gekleidet - ausgestreckt mitten auf Roxannes Bett. Es war dunkel im Zimmer, die Vorhänge waren zugezogen und gelbes Lampenlicht fiel durch einen Spalt in der Tür.

Er fuhr erschrocken in die Höhe, als ihm wieder einfiel, was er Ansgar und Kalliope versprochen hatte und hielt sich gleich darauf die schmerzenden Rippen, die gegen seine hektischen Bewegungen protestierten.

Mühsam rutschte er an den Bettrand, tastete mit den Zehen suchend den Boden nach seinen Schlappen ab und seufzte genervt, als er feststellte, dass sie auf der anderen Bettseite standen.

Müde schlurfte er zur Tür und warf einen Blick nach draußen, aber alles was er zu sehen bekam, waren die roten Vorhänge, die vor die großen Fenster in Roxannes Wohn- und Esszimmer gezogen worden waren.

Er trat aus dem Zimmer heraus und ging die Wendeltreppe nach unten. Hoffentlich hatte Minion Ansgar, Kalliope und Io irgendwo unterbringen können. Er hatte nun wirklich keine Lust, sie schon wieder suchen gehen zu müssen, vor allem da Kalliope ein großes Talent zum Versteckspiel zu haben schien.

Als er die Küchenzeile erreicht hatte, hörte er ein Kichern und hob stirnrunzelnd den Kopf. Auf einem der Barhocker vor der Anrichte saß Io und musterte ihn spöttisch.

"Hübsches Muster, Herr Megamind", stichelte sie. "Ich hatte ja eigentlich eher Flitzeautos und Schu-Schu-Züge erwartet."

Megamind sah an sich herunter und dann wütend zu ihr herüber. Was ging sie denn das an, wenn er einen Schlafanzug mit Biohazard-Symbolen trug? Roxanne jedenfalls hatte sich noch nie darüber beschwert.

"Was machen Sie hier?", fragte er misstrauisch. Je länger er mit dieser Puppe zu tun hatte, desto weniger konnte er sie leiden. Kein Wunder, dass ihr Bruder so misslungen war.

"Nun, da Sie ja während der Autofahrt eingeschlafen sind, mussten wir hierher kommen, damit Sie sicher ins Bett gebracht werden konnten", erwiderte sie mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen. "Aber keine Sorge, Ihre Angebetete kümmert sich um unsere Unterkunft."

"Es war nicht meine Absicht einzuschlafen!", verteidigte Megamind sich verärgert. "Und warum sind ausgerechnet Sie als Einzige noch hier?"

Io zuckte mit den Schultern. "Frau Ritchi ist wohl der Meinung, dass jemand da bleiben muss, um auf Sie aufzupassen."

"Völlig unnötig", brummte er und ließ sich auf einem der beiden Sofas nieder. "Mir geht es blendend."

"Sicher", erwiderte sie augenrollend.

Megamind schnaubte verärgert und drehte ihr den Rücken zu. Hinter ihm seufzte Io gelangweilt. So tickten die Minuten in vollkommenem Schweigen dahin, nur ab und zu unterbrochen von einem Rascheln, wenn sich einer von beiden bewegte.

Nach etwa einer halben Stunde hörten sie endlich das Geräusch eines Schlüssels, der in das Wohnungstürschloss gesteckt und umgedreht wurde. Die Tür wurde von außen geöffnet und Roxanne, Kalliope und Ansgar betraten den Raum.

"Na endlich", murmelte Megamind und stand von dem Sofa auf. "Wo ist Minion?"

"Minion wollte zum Versteck gehen", erklärte Roxanne und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Um die Brainbotpatrouillen zu organisieren."

"Und wir haben keine Bleibe gefunden", seufzte Ansgar und ließ sich auf das Sofa fallen. "Irgendwie hat niemand Platz."

"Das ist kein Platzproblem", meinte Roxanne. "Die Leute wollen einfach niemanden aufnehmen."

"Das heißt dann wohl, dass wir uns doch irgendwo in einem leeren Gebäude einrichten müssen", sagte Io nachdenklich.

Roxanne schüttelte energisch den Kopf. "Das ist zu gefährlich. Sie können nicht wissen, an wen Sie da möglicherweise geraten könnten. Und der 'Häuserstürzer' ist auch noch dort draußen."

"Aber Sie konnten niemanden finden, der uns aufnimmt. Und er hier", dabei deutete Io auf Megamind, "wird uns sicher auch nicht weiterhelfen können."

Langsam gingen ihm ihre spitzen Bemerkungen wirklich auf den Keks. "Auch wenn Sie es mir vielleicht nicht glauben mögen, ich bin durchaus in der Lage, jemanden aufzutreiben, der Sie bei sich aufnimmt."

"Sie haben Recht, das glaube ich Ihnen wirklich nicht."

Kalliope stieß Io mit dem Ellbogen an und warf ihr einen missbilligenden Blick zu.

"Ich finde, heute Nacht könnten Sie hier bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht, auf dem Sofa zu schlafen", meinte Roxanne in dem Versuch, Frieden zu stiften. "Und morgen früh überlegen wir uns, wo wir Sie hinstecken können. Vielleicht fällt Minion über Nacht auch noch eine Möglichkeit ein."

Kalliope nickte zustimmend und Io seufzte resigniert.

Megamind entging der missmutige Blick nicht, den die Puppe ihm zuwarf, zog es jedoch vor, sie zu ignorieren. Wenn diese Person unbedingt auf Streit aus war, sollte sie sich gefälligst jemand anderen suchen.

Roxanne eilte nach oben, um ein paar Ersatzdecken und Kissen hervorzuholen und Megamind setzte sich mit Ansgar an die Küchentheke.

"Tut mir leid, dass Io so unhöflich ist", murmelte Ansgar verlegen. "Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass sie sonst nicht so ist, aber..."

Megamind schüttelte amüsiert den Kopf. "Da bin ich ja fast froh, dass Kalliope stumm ist. Wenn sie Io so giftig erschaffen hat, dann will ich gar nicht wissen, welche Sachen sie mir an den Kopf werfen könnte."

"Kalliope ist gar nicht wie Io!", zischelte Ansgar empört. "Eine Puppe entwickelt sich in eine ganz eigene Richtung, sobald sie wach ist."

"Schon gut, schon gut." Megamind hob besänftigend die Hände. "Kein Grund, gleich auszurasten."

Ansgar senkte verlegen den Kopf. "Tut mir leid."

Roxanne kam die Treppe wieder heruntergeeilt, vollbepackt mit Decken. "So, das dürfte eigentlich reichen. Sind nur leichte Decken, aber es ist sowieso zu warm für irgendetwas anderes."

Kalliope nickte und streckte die Hände danach aus.

Nachdem die Drei es sich gemütlich gemacht hatten - wobei Io sich einfach neben Kalliope auf den Boden setzte -, schob Roxanne Megamind die Treppe hoch.

"Ich kann auch alleine laufen", informierte er sie ungehalten und stolperte über die letzte Stufe.

"Ups! Tut mir leid." Roxanne zog ihn wieder auf die Beine.

"So langsam fange ich an zu glauben, dass du gar nicht willst, dass meine Verletzungen verheilen", brummte er und öffnete die Tür zum Schlafzimmer.

Sie verdrehte die Augen. "Dramaqueen."

"Wo wir gerade von Dramaqueens reden, du hättest sehen sollen, wie sich Ansgar aufgeregt hat, als ich Kalliope und Io miteinander verglichen habe", sagte Megamind und ließ sich auf das Bett fallen

Roxanne kicherte. "Wie würdest du reagieren, wenn man mich mit jemanden vergleichen würde, den du nicht ausstehen kannst?"

Er sah sie skeptisch an. "Was hat das denn mit Ansgar zu tun?"

"Oh, mein armer ahnungsloser Megamind", meinte sie augenrollend und ließ sich neben ihm aufs Bett fallen. "Hast du noch nicht bemerkt, dass Ansgar in Kalliope verliebt ist?"

Er sah sie erstaunt an. "Glaubst du wirklich? Wie kommst du darauf?"

"Minion und ich hatten genug Zeit, die beiden zu beobachten", erwiderte sie schulterzuckend. "Minion war ganz aus dem Häuschen, als ich meinen Verdacht geäußert habe. Wusste gar nicht, dass er eine Schwäche für sowas hat."

"Ja, nun, dann hast du ihn einfach noch nie zuvor in Aktion erlebt", brummte Megamind und drehte sich auf die Seite. "Stell dir erst vor, wie es ist, wenn du der Auslöser dieser Emotion bist."

Roxanne lachte. "Gute Nacht."

"Nacht..."
 

Er saß fest. Unzählige seltsame Gebilde durchzogen die Erde um ihn herum und hinderten ihn daran, weiterzuziehen.

Prüfend tastete er seine Umgebung ab, roch an den Hindernissen, die sich ihm in den Weg stellten und leckte daran. Es roch und schmeckte nach Metall, so wie die Dinge an seinem Geburtsort, seine erste Erinnerung an die Welt.

Alle seine Erinnerungen involvierten Gerüche, Geräusche und Geschmack, denn seine Augen hatte er nie richtig benutzen können. Wenn er sich anstrengte, gelang es ihm manchmal Umrisse und blasse Farben zu erkennen, aber es war die Anstrengung nicht wert.

Ihm fiel auf, wie warm es um ihn herum war. Er bekam das so selten zu spüren.

Er erinnerte sich schwach an eine Wärmequelle vor ihm, als er zum ersten Mal wach geworden war. Doch irgendjemand hatte ihn zur Seite geschoben. Wütend hatte er diesen Gegner angegriffen, weil er die Wärme nicht teilen wollte und dann war die Wärme weggewesen und eine kalte Kreatur hatte ihn aus dem Haus gejagt.

Er hatte gehört, was die Wesen in dieser Welt über ihn gesagt hatten. "Defekt", hatten sie geflüstert. Er wusste nicht, was "defekt" bedeutete, aber es schien nicht wünschenswert zu sein.

Also war er gegangen. Anfangs war er ganz allein gewesen. Die Luft um ihn herum war frisch, nicht so stickig wie an seinem Geburtsort und kühl. Das war das Einzige, das ihm wirklich missfiel. Selbst die Erde war kalt und unangenehm.

Deshalb beschloss er immer weiter zu ziehen, vielleicht fand er irgendwann wieder eine Wärme.

Und tatsächlich, nachdem die Luft abermals stickig wurde, kam er an einen Ort, an dem viele Wärmequellen waren. Er versuchte, ein paar davon zu fangen und für sich zu behalten, doch nach einer Weile ebbte die Wärme immer wieder ab und er musste sich neue suchen.

Das war der Zeitpunkt, an dem er zum ersten Mal bemerkte, dass er verfolgt wurde. Egal wohin er ging, er konnte sie immer riechen, diese Mischung aus Asche und Erde, die in ihren Kleidern und auf ihrer Haut hing und sie nie ganz verließ.

Anfangs ignorierte er sie und ging immer weiter bis er an eine Stelle kam, an der es nicht weiterging. Er erinnerte sich an Nässe um seine Füße, ein ekelhaftes Gefühl. Ein paar Tage lang ging er diese Stelle ab, in der Hoffnung, einen Weg daran vorbei zu finden, doch ohne Erfolg und seine Verfolger kamen auch immer näher.

Ein Glücksfall verhalf ihm schließlich zur Flucht. Auf ein großes Gebilde aus Metall wurden Sand und Steine aufgeladen und irgendwie endete er darin, er wusste auch nicht wie. Er hatte geschlafen, als es passierte und als er schließlich wach wurde, war er mitten in dem Metallding. Dabei gewann er eine neue Erkenntnis: Er konnte sich nicht wie in Erde in dem Metall eingraben, das Einzige, wozu er in der Lage war, war Dellen hineinzuschlagen.

Ein Instinkt hielt ihn davon ab, seine Umgebung zu stark zu beschädigen und still zu bleiben bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Glücklicherweise hatte es nicht allzu lange gedauert, bis dies der Fall war und er sich wieder auf Wanderschaft begeben konnte.

Diesmal änderte er seine Vorgehensweise. Er hatte erkannt, dass das Material, aus dem die Unterkünfte der Wärmequellen gemacht waren, ebenfalls eine gewisse Wärme ausstrahlte. Es war zwar nicht viel, aber es würde für ihn reichen und außerdem musste er nicht mehr so viele Schläge einstecken wie wenn er eine Wärmequelle einfing.

Doch nach einiger Zeit nahm er wieder den Geruch von Asche und Erde war. Seine Verfolger waren zurückgekehrt. Diesmal zog er es vor, sich vor ihnen zu verstecken.

Er zog weiter, von einer Unterkunftsansammlung zur nächsten, doch immer waren die Möglichkeiten schnell aufgebraucht und seine Verfolger ihm wieder auf der Spur.

Dann kam er an den Ort, an dem er jetzt war. Dort hatten sie ihn zum ersten Mal gefunden, doch zu seiner immensen Erleichterung waren sie schwach, klein und langsam, kein großes Problem für ihn. Wenigstens boten sie ihm einen gewissen Unterhaltungswert, ehe sie kalt wurden. Oder zumindest der Zweite bot ihm Unterhaltung. Der Erste war sofort zusammengebrochen, nachdem er ihn gestupst hatte, dabei war es gar nicht so fest gewesen. Er selbst hatte viel stärkere Schläge eingesteckt und war nie zusammengesackt.

Nun, da seine Verfolger fort waren, hatte er seine Ruhe. Er vergrub sich weiterhin in den Unterkünften der Wärmequellen und ab und zu fand er sogar noch die ein oder andere Wärmequelle, mit der er spielen konnte.

An die seltsamen Wesen, die ihn angriffen, erinnerte er sich nur durch die Geräusche, die sie machten. Und natürlich weil sie ihn gebissen hatten. Zum ersten Mal hatte ihn etwas verletzen können. Er hatte daraufhin sofort die Flucht ergriffen und sich in einer Unterkunft vergraben. Dort würden sie ihn niemals finden, wenn sie ihn zuvor noch nicht gefunden hatten.

So glaubte er zumindest. Vorsichtig befühlte er die Stelle an seiner Brust, an der ihn sein neuester Verfolger verletzt hatte und knirschte vor Wut mit den Zähnen. Nicht nur dass er ihn aus seinem Schlafplatz gejagt und seine Brust durchbohrt hatte, nein, er hatte auch diese Kreaturen auf ihn angesetzt, die ihn am Bein verletzt hatten.

Aber sein neuer Verfolger war auch widerstandsfähiger als die anderen. Er lächelte. Vielleicht hatte er endlich einen Spielkameraden gefunden, dem nicht so schnell die Puste ausging.

Und diesen Geruch von Öl und alter Tierhaut würde er auch überall wiedererkennen...

Die Pressekonferenz

Megamind hasste Pressekonferenzen, der einzige Teil des Superheldendaseins, dem er nichts abgewinnen und an den er sich auch nicht gewöhnen konnte, wie es schien. Nicht nur, dass er wie auf dem Präsentierteller an einem Tisch sitzen musste und sich einem Heer von Reportern gegenübersah, nein, er musste auch auf allerhand dumme Fragen antworten, die die Leute sich eigentlich selbst beantworten könnten. Bei seiner ersten Konferenz vor einem Jahr, als Metro Man ihm sein Amt übertragen hatte, war es jedenfalls so gewesen. Und Roxanne hatte ihn mehrfach davon abhalten müssen, allzu genervt auf manche offensichtliche Fragen zu reagieren. Aber da der Häuserstürzer nach wie vor frei und unbehelligt war und sich langsam Panik in der Stadt ausbreitete, war eine öffentliche Erklärung nötig. Mit einer kurzen Mitteilung, übertragen durch ein paar Brainbots, war es da nicht mehr getan.

Also saß Megamind zusammen mit Inspektorin Rebecca Jones und dem Bürgermeister Theodor Mayor - Wirklich? Das war sein Name all die Jahre gewesen? - an dem Konferenztisch, vor ihm ein Dutzend verschiedener Mikrofone und hinter ihm Minion, der die Hände vor dem Bauch gefaltet hatte und aussah wie ein Schulmädchen. Es war lächerlich.

"Mr. Megamind, können Sie uns Näheres über den Aufenthaltsort dieses Kriminellen erzählen?", fragte ein grauhaariger Reporter von RMCP 2 und schon jetzt hätte Megamind am liebsten die Augen verdreht.

Es war doch klar und deutlich gesagt worden, dass der Häuserstürzer verschwunden war.

Stattdessen schüttelte der blauhäutige Superheld den Kopf. "Unglücklicherweise bleibt uns der Aufenthaltsort des Häuserstürzers weiterhin verborgen. Wir vermuten aber, dass er sich irgendwo in der Nähe der Parks aufhält."

Zumindest behauptete das Io und er hatte keinen Grund, ihrer Aussage zu misstrauen, selbst wenn sie ihm gegenüber nicht besonders freundlich war.

"Deshalb", fuhr er fort, "fordern wir jeden Bürger Metro Citys auf, die Parks nach Sonnenuntergang nicht mehr zu betreten und nur dort zu bleiben, wo die Brainbots Sie auch gut sehen und im Notfall wegtragen können."

Ein Raunen ging durch den Raum. Megamind wusste, dass die Mehrheit der Bürger den Brainbots selbst nach über einem Jahr misstrauisch gegenüberstanden, obwohl sie einen integralen Teil zum Wiederaufbau Metro Citys geleistet hatten und jetzt wieder leisteten.

Eine junge Frau mit blonden lockigen Haaren hob die Hand.

Er nickte ihr zu. "Ja?"

Sie stand auf und strich ihre Bluse glatt, ehe sie ihre Frage an ihn richtete. "Sind diese Maßnahmen wirklich notwendig, Mr. Megamind?", wollte sie nervös wissen. "Die Brainbots werden die Bürger ziemlich beunruhigen."

"Wir haben es hier mit einem sehr gefährlichen Kriminellen zu tun, Miss", meldete sich Inspektorin Jones zu Wort, die zu Megaminds Rechten saß. "Ich bin ihm selbst begegnet und ohne Megamind beherztes und rasches Eingreifen wäre es wohl böse geendet. Wie Sie sehr wohl wissen, ist die Todesrate des Häuserstürzer in den letzten Tagen stetig gewachsen und es kümmert ihn nicht, wer Sie sind oder ob Sie überhaupt eine Gefahr für ihn darstellten."

Weiteres Raunen, einige Reporter waren blass geworden.

Eine Reporterin von KMCP 8 mit karmesinrot gefärbtem Haar stand auf. Sie war Roxannes Ersatz, weil die Oberen es nicht schicklich fanden, die Freundin des Superhelden zu dessen Pressekonferenz zu schicken. Mal ehrlich, dachten die etwa, dass er in solch einer Situation zu flirten anfinge?

"Konnten diese Vorfälle nicht im Vorfeld verhindert werden?", fragte Roxannes Ersatz und musterte Megamind abschätzig. "Wir werden doch sonst auch immer Tag und Nacht von diesen Dingern bewacht und kontrolliert."

Megamind runzelte die Stirn. Am Vortag der Pressekonferenz hatte Roxanne ihn gewarnt, dass die Frau, die für sie einsprang - Miranda Bell -, ihn vermutlich zu provozieren versuchen würde.

Warum das allerdings so war, wusste er nicht. Er vermutete, dass sie auf Roxanne eifersüchtig und der Meinung war, dass sie nur deshalb eine so hohe Stellung erreichen konnte, weil sie mit den Superhelden der Stadt kokettierte. Zumindest war das die Begründung, die er am häufigsten von Gegnern seiner Freundin hörte.

"Die Brainbots sind zu Ihrem Schutz da", sagte er. "Und sie können und werden nicht eingreifen, solange nichts passiert. Der erste Vorfall ereignete sich im Übrigen im Arbeitsviertel, ein Stadtteil, von dem mir gesagt wurde, dass ich dort keine Patrouillen hinschicken müsse, weil dort niemand lebe und somit nichts passieren könne."

Theodor Mayor zu seiner Linken rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und warf ihm nervöse Blicke zu, war es doch, der ihm diesen Rat gegeben hatte.

"Nun, aber danach hätten Sie doch eingreifen können", meinte Miss Bell. "Schließlich greift er seit geraumer Zeit Menschen an. Der Erste war der Tote im Arbeiterviertel."

"Da sind Sie mangelhaft informiert", erwiderte Inspektorin Jones. "Wir sahen anfangs keinen Zusammenhang zwischen Mr. Astraeas Tod, Mr. Geberics Verletzungen und den Häusereinstürzen, da Mr. Astraea nicht infolge eines Einsturz starb, sondern durch einen heftigen Schlag gegen die Brust, der sein Herz verletzte. Beim ersten Einsturz gingen wir zuerst davon aus, dass die Gebäude schlecht gebaut worden waren. Erst als immer mehr Häuser auf dieselbe Weise einstürzten und der Häuserstürzer einen Mann verletzt und fast getötet hat, sind wir auf seine Spur gekommen. Ohne das schnelle Eingreifen der Brainbots hätte es schlecht ausgesehen für den angegriffenen Mann. Und wenn Megamind nicht die Vermutung gehabt hätte, dass es sich nicht um einfache Baumängel handeln konnte, wären die Brainbots auch nicht dort entlangpatrouilliert."

Miranda presste die Lippen aufeinander und setzte sich wieder, offenbar verärgert darüber, dass Rebecca Jones ihr den Wind aus den Segeln genommen hatte. Megamind war sich aber sicher, dass sie noch Probleme bereiten würde.

"Um wen handelt es sich bei dem Häuserstürzer?", fragte ein hagerer Mann mit kurz geschorenem braunen Haar. Megamind identifizierte seinen Nachrichtensender als einen aus Metro Citys Nachbarstadt Littleton.

"Das... kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen", antwortete Megamind, nachdem er sich kurz mit Minion beraten hatte. Er konnte schlecht sagen, dass der Angreifer ein Golem war. Entweder die Leute verfielen in Panik oder sie lachten ihn aus. "Aber wir können sagen, dass er über ungewöhnliche Kräfte verfügt, wenn er die Häuser so mühelos zum Einsturz bringen kann."

"Was ist mit Metro Man?", fragte die blonde Frau vom Anfang. "Wenn der Häuserstürzer zu stark für Menschen ist, wäre es vielleicht am besten, wenn er sich um ihn kümmert."

Rebecca Jones schnaubte verächtlich. Sie war nicht besonders gut auf den ehemaligen Superhelden zu sprechen, vorrangig weil er die Polizei faul und imkompetent hatte werden lassen. "Mr. Scott zieht es vor, an seinem Ruhestand festzuhalten und wird auch weiterhin alle Angelegenheiten die Stadt betreffend seinem Nachfolger zu überlassen." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: "Zudem ist Mr. Scott der Meinung, dass Megamind der Aufgabe mehr als gewachsen ist und ich teile diese Auffassung. Wir werden den Häuserstürzer finden und aufhalten, aber bis es soweit ist, ist Vorsicht geraten."

Daraufhin hob Miranda Bell abermals die Hand und stand auf. "Könnte sich Metro Man in dieser Sache nicht einfach irren?", fragte sie. "Er hat sich schließlich schon einmal vor einem Jahr geirrt, als er glaubte, dass Megamind nach seinem 'Tod' nicht allzu viel Chaos verursachen würde. Ich zweifle natürlich nicht an, dass Megamind sein Möglichstes tut und der Stadt seit seinem Berufswechsel viel Gutes getan hat", fügte sie hinzu in einer Tonlage, die genau das Gegenteil verriet, "aber vielleicht ist dieser Fall eher etwas für jemanden mit besonderen Kräften als für jemanden, der intelligent ist."

Megamind runzelte die Stirn und sah die Frau vor ihm durchdringend an. "Miss Bell, seien Sie versichert, dass ich Hilfe geholt hätte, wenn ich mit der Situation überfordert wäre, auch von Metro Man, wenn es nötig wäre", meinte er so ruhig er konnte. "Aber Sie geben sich hier der Illusion hin, dass alles sofort lösbar wäre, wenn ein Held nur über genug Superkräfte verfügt."

Es schwang ein unausgesprochener Vorwurf in dieser Aussage mit. Der Glaube der Bürger, dass Metro Man absolut unfehlbar war, hatte den ehemaligen Superhelden in Depressionen und Versagensängste getrieben, das hatten mehrere Psychiater, deren Behandlung er sich unterzogen hatte, ans Licht gebracht.

"Aber wenn Sie sich nicht überfordert fühlen, warum haben Sie dann diese Pressekonferenz einberufen?", wollte Miranda Bell wissen. "Ich muss Sie sicher nicht daran erinnern, dass Sie noch ziemlich neu in diesem Job sind und das Ihr erster großer Fall als Metro Citys Beschützer seit dem Titan-Debakel ist."

"Miss Bell, Sie kommen vom Thema ab", wies Inspektorin Jones sie streng zurecht, ehe Megamind einen wütenden Kommentar abgeben konnte. "Es geht hier einzig und allein darum, die Menschen zu informieren und zu warnen und nicht darum, sie zu beunruhigen oder Megamind in Zweifel zu ziehen."

Miranda zuckte kaum merklich unter dem vernichtenden Blick zurück, den die Inspektorin ihr zuwarf und duckte sich ohne ein weiteres Wort hinter ihre Kollegen.

Rebecca Jones nickte Megamind zu, der sich räusperte und die nächsten Reporter aufrief. Oh ja, er hasste Pressekonferenzen wirklich!
 

Es dauerte zwei Stunden, ehe Megamind mit der Pressekonferenz fertig war. Zu seiner Freude und Erleichterung wartete Roxanne in der Vorhalle des Rathauses auf ihn und kam ihm mit einem Lächeln auf den Lippen entgegen.

"Hey", grüßte sie und gab ihm einen zärtlichen Kuss. "Du bist noch in einem Stück, wie ich sehe. Hast dich nicht provozieren lassen, oder?"

Er schüttelte den Kopf und umarmte sie müde lächelnd. "Nein, obwohl dein 'Ersatz'", er schnaubte verächtlich bei diesem Wort, "ihr Möglichstes versucht hat."

Sie streichelte mitfühlend seine Wange. "Ich weiß. Sie ist eine ziemliche Nervensäge."

"Das kannst du laut sagen", brummte er und lehnte seinen Kopf gegen ihre Hand.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Minion die Halle betrat und auf sie beide zukam.

"Sir, wir müssen jetzt wirklich los", meinte der Fisch und sah gen Himmel, als Megamind sich nicht rührte. "Wenn Sie schon Mr. Thornfield dazu überreden, Ansgar, Kalliope und Io bei sich aufzunehmen, sollten Sie seine Geduld nicht unnötig auf die Probe stellen, indem Sie zu spät kommen."

Megamind löste sich seufzend von Roxanne und sah Minion genervt an. "Jaja", brummte er. "Ich komme ja schon."

Sie tätschelte amüsiert seine Schulter. "Kann es sein, dass du nicht mehr in die Nähe deines ehemaligen Gefängnisdirektors kommen willst?"

Er verzog das Gesicht. "Dachte wirklich nicht, dass er dem zustimmen würde. Ich habe nur angerufen, weil Minion darauf bestanden hat, dass ich jeden frage, den ich kenne."

"Sir, Sie und Io rennen sich die Köpfe ein", erinnerte Minion ihn bestimmt. "Sowohl Miss Ritchis als auch meine Nerven liegen langsam brach. Und es ist gerade mal eine halbe Woche her, dass die Drei bei uns untergekommen sind!"

Megamind grummelte. "Schon gut. Hätte nie gedacht, dass er überhaupt die Zeit dazu hat!"

Roxanne kicherte. "Also wirklich, Megamind", sagte sie belustigt. "Ansgar, Kalliope und Io sind doch keine Kinder mehr! Die müssen nicht betreut werden."

Er verdrehte die Augen. "Das weiß ich auch. Das meine ich auch gar nicht. Aber ich habe Mr. Thornfield nie außerhalb des Gefängnisses gesehen. Er war immer da, wenn ich da war. Ich wusste noch nicht einmal, dass er eine Wohnung hat. Dachte eigentlich immer, dass er im Gefängnis wohnt."

Sie schnaubte belustigt. "Ich glaube, er war so häufig dort, weil er aufpassen musste, dass du das Gefängnis nicht in die Luft sprengst. Jetzt da du nicht mehr ständig dorthin zurückgeschleift wirst, hat er vielleicht endlich etwas mehr Freizeit."

"Oh." Megamind sah verlegen zur Seite. "Ja, das kann auch sein."

Minion tappte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. "Sind Sie jetzt endlich soweit, Sir?"

Megamind verdrehte die Augen. "Minion, wir haben noch eine Stunde Zeit! Willst du ernsthaft so lange vor der verschlossenen Wohnungstür warten, bis der Direktor uns endlich reinlässt?"

Der Fisch sah ihn nur stumm und missbilligend an.

"Schon gut, schon gut, ich komm ja schon", sagte Megamind seufzend.
 

Roxanne hatte Megaminds alten Aufseher, Jonathan Thornfield, nie persönlich getroffen. Sie wusste nur das über ihn, was Megamind und Minion ihr gesagt hatten und das belief sich auf zwei Dinge: Erstens dass er der Direktor des "Metro City Gefängnisses für Kriminell Begabte" war und zweitens dass er seit Megaminds frühester Kindheit dort war und offenbar nie eine Beförderung oder Ähnliches erhalten hatte.

Das Mehrfamilienhaus, in dem Mr.Thornfield wohnte und vor dem sie jetzt zusammen mit Ansgar, Kalliope und Io standen, war ein gepflegtes Gebäude in einer ruhigen Nachbarschaft, ganz anders als Roxanne sich eine Wohngegend am Stadtrand unweit eines Gefängnisses vorgestellt hatte.

Der Exsuperschurke brauchte drei Anläufe, ehe er endlich auf die Klingel mit dem Namensschild seines ehemaligen Vormundes gedrückt hatte und das gelang auch nur, weil Minion schon angetrottet kam, um es für ihn zu übernehmen.

Es dauerte keine zwei Minuten, ehe ein Rauschen ertönte und Mr. Thornfields Stimme über die Gegensprechanlage erklang: "Megamind?"

Megamind stellte sich etwas gerader hin, eine Tatsache, die Roxanne mit einiger Belustigung registrierte. "Ja?"

Mr. Thornfield seufzte hörbar. "Wurde auch langsam Zeit. Kommt rein."

Ein Summen ertönte und Megamind drückte gegen die Haustür.

"Warum hat das so lange gedauert?", rief Jonathan Thornfield ihnen entgegen, als sie endlich die Treppe zum zweiten Stockwerk hinter sich gelassen hatten, in dem seine Wohnung gelegen war.

"Sir wollte die Klingel nicht drücken", erklärte Minion.

Wütend drehte dieser sich zu seinem Freund um und maß ihn mit einem durchdringenden Blick, sodass sich der Fisch gegen den Boden seines Fischglases drückte.

Mr. Thornfield verdrehte bloß die Augen und hielt die Wohnungstür für sie auf. "Kommt erst einmal rein, dann reden wir weiter."

Die kleine Gruppe drückte sich an ihm vorbei und betraten den Wohnungsflur.

Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, deutete er nach rechts auf eine Tür. "Setzt euch."

Sie gingen gehorsam ins Wohnzimmer, während sich Mr. Thornfield in der Küche zu schaffen machte. Ansgar, Kalliope und Io setzen sich nebeneinander auf die Couch, Kalliope in der Mitte, während sich Megamind in einen der beiden Sessel setzte. Minion stellte sich neben Megaminds Sessel und Roxanne nahm auf der Armlehne Platz, da sonst nur noch ein Sessel da war, den sicherlich Mr. Thornfield benutzen wollte.

Neugierig sah sie sich um. Der Raum war spartanisch eingerichtet: Ein ausgeblichenes braunes Sofa, ein paar Sessel in derselben Farbe, ein gläserner Kaffeetisch, ein Fernseher und ein Regal an der Wand, in dem neben ein paar Gesetzestexten auch einige Ordner herumstanden. Ein besonders abgegriffener und dicker Ordner, auf dem mit verblassener Tinte der Name "Jade Blue" geschrieben stand, lag auf dem alten Fernseher. Das war vermutlich das unpersönlichste Wohnzimmer, das sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Es erinnerte mehr an ein Büro als an ein semi-privates Zimmer.

Jonathan Thornfield kam mit einem dampfenden Wasserkessel und einem Arm voll Tassen zurück. Ansgar, Kalliope und Io sahen ihn schief an und dann zweifelnd zu Megamind und Minion rüber.

"Kann ich Ihnen helfen?", fragte Roxanne und griff gerade noch rechtzeitig nach einer Tasse, die ihm aus dem Griff gerutscht war und zu Boden zu stürzen drohte.

"Danke", brummte Mr. Thornfield und hielt seinen Arm so, dass sie einige Tassen nehmen und auf dem Kaffeetisch abstellen konnte. "Ich habe normalerweise keinen Besuch, deswegen habe ich auch leider kein Teeservice da."

Er stellte den Wasserkessel auf dem Tisch ab und verschwand wieder aus dem Zimmer. Nach wenigen Augenblicken war er wieder zurück, verteilte Teebeutel aus einer nicht identifizierbaren Packung und goß das kochende Wasser darüber, ehe er die Tassen verteilte und sich in einen Sessel sinken ließ.

Megamind sah ihn nicht einmal an, stellte Roxanne überrascht fest. Stattdessen hatte er den Blick fest auf die Tasse gerichtet, die er nachdenklich hin- und herdrehte. Er erinnerte dabei an einen Schuljungen, der gerade eine Schulstrafe bekommen hatte.

"Also, Megamind, willst du mir nicht wenigstens deine Bekannten vorstellen, wenn ich ihnen schon Obdach geben soll?", fragte Mr. Thornfield, nachdem einige Minuten dahingetickt waren, ohne dass irgendjemand Anstalten gemacht hätte, etwas zu sagen.

Megamind schreckte auf und bemühte sich um eine etwas selbstsicherere Haltung. "Äh, ja, natürlich." Er wandte sich den Dreien zu. "Also der mit den schwarzen Haaren heißt Ansgar Geberic, er ist eines der beiden ersten Opfer, die der Häuserstürzer in dieser Stadt angegriffen hat. Die Frau mit den roten Haaren ist Kalliope Astraea, ihr Vater ist bei dem ersten Angriff ums Leben gekommen."

Mr. Thornfield nickte Kalliope mitfühlend zu. "Mein Beileid."

Sie erwiderte sein Nicken zögerlich und gestikulierte zu Io. Diese räusperte sich und sagte: "Frau Astraea möchte sich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie uns in Ihrem Haus aufnehmen. Seien Sie versichert, dass wir alles in unserer Macht Stehende versuchen werden, um Ihnen nicht zur Last zu fallen."

Jonathan Thornfield hob erstaunt eine Augenbraue und sah fragend zu Megamind rüber, der nur mit den Schultern zuckte.

"Io ist Kalliopes Sprachrohr", erklärte er. "Da Kalliope offenbar irgendein albernes Gelübde abgelegt hat, das es ihr untersagt, selbst etwas zu sagen. Tatsächlich habe ich sie noch kein einziges Mal sprechen hören. Wenn sie etwas 'sagen' will, macht sie das über Io."

"Verstehe." Mr. Thornfield musterte die drei Personen vor ihm verwirrt. "Gibt es irgendetwas, das ich beachten muss? Irgendwelche Allergien oder Ähnliches?"

Ansgar schüttelte den Kopf, während Megamind nickte.

Mr. Thornfield warf ihnen einen halb belustigten, halb genervten Blick zu. "Ja, was denn nun?"

"Sie sind sonnenempfindlich", erklärte Megamind. "Sollten also nicht allzu viel davon ausgesetzt werden. Wie ein Schattengewächs sozusagen."

Jonathan Thornfield schnaubte belustigt, während Io Megamind einen wütenden Blick zuwarf. "Alles klar, ich glaube, das kann ich mir merken."

"Gibt es irgendetwas, was wir bei Ihnen beachten müssen?", fragte Ansgar.

"Nicht dass ich wüsste", erwiderte Mr. Thornfield. "Ich bin tagsüber natürlich fast immer drüben im Gefängnis, also müssen Sie drei zusehen, wie Sie sich in der Zeit selbst beschäftigen."

Nachdem noch einige andere Dinge ausdiskutiert worden waren, wie Raumverteilung - Kalliope und Io schliefen im Schlafzimmer im Bett, während Ansgar sich mit Mr. Thornfield die Couch im Arbeitszimmer teilen musste - und Kontaktmöglichkeiten, sollte Megamind noch mal die Hilfe von einem der Dreien benötigen, wurden die Tassen und der Wasserkessel weggeräumt und Minion zum Wagen geschickt, um das Gepäck der Drei hochzuholen. Sie verabschiedeten sich voneinander, Ansgar, Kalliope und Io machten sich daran, ihre Sachen auszupacken und die anderen gingen hinunter zum Wagen.

Erst als sie schon fast wieder auf der Straße standen, fiel Roxanne auf, dass sie Megamind abgehängt hatten. "Wo ist er?"

Minion zuckte mit den Schultern. "Vielleicht noch oben? Warten Sie, ich gehe nachsehen."

Sie hielt ihn zurück. "Nein, du bist heute schon genug gelaufen. Ich gehe ihn holen."

"Also, wie läuft das Heldenleben?", hörte sie Mr. Thornfield fragen, als sie den Treppenabsatz des Stockwerks erreicht hatte.

"Naja, es ist ... ganz nett? Glaube ich?" Sie hörte, wie Megamind sich verlegen räusperte und stieg neugierig ein paar Stufen höher, um etwas sehen zu können.

Mr. Thornfield gab ein trockenes Lachen von sich. "Ich hoffe, du hast nicht erwartet, dass es ohne Arbeit verbunden wäre."

Roxanne blieb wieder stehen und lugte die Treppe hinauf. Von ihrer Position aus konnte sie die beiden gut beobachten.

Megamind hatte ihr den Rücken zugewandt und nach seiner Haltung zu schließen, die Arme vor der Brust verschränkt. "Ich bin doch nicht blöd!"

Jonathan Thornfield schnaubte belustigt. "In den letzten Jahren hatte ich diesbezüglich so meine Zweifel", gestand er, ehe er seufzte. "Das hat ganz schön lange gedauert, Jade! Weißt du, wie viel früher du in Freiheit hättest Leben können, wenn du nur nicht so starrköpfig gewesen wärest?"

Megamind grummelte und Roxanne musste ein Lachen unterdrücken. Sie konnte sich den Schmollmund gut vorstellen, den er jetzt wahrscheinlich zog.

"Und dann meldest du dich nicht einmal mehr", fuhr Mr. Thornfield fort. "Dachtest sicher: Was will ich mit dem langweiligen alten Knacker?"

"Hey!", rief Megamind erbost. "Ich war mir nun mal sicher, dass Sie mich nicht mehr zu Gesicht bekommen wollten!"

Roxanne sah, wie sein Gegenüber die Augen verdrehte. "Wenn ich dich nicht mehr zu Gesicht bekommen will, warum habe ich dann zugesagt, deine Schützlinge aufzunehmen, wohlwissend, dass du vorbeikommen musst, wenn du ihrer Hilfe bedarfst?", fragte er.

"Äh..."

"Und ich kann auch keinen Kontakt mit dir aufnehmen, wenn ich noch nicht einmal so etwas wie eine Telefonnummer habe", meinte Mr. Thornfield, ehe er zur Treppe blickte und hinzufügte: "Finden Sie nicht auch, Miss Ritchi?"

Roxanne zuckte zusammen und streckte den Kopf vor, während Megamind herumwirbelte und sie mit großen Augen erschrocken anstarrte.

"Roxanne!", brachte er hervor und lief violett an. "Seit wann stehst du hier?"

Sie kam die restlichen Stufen hoch und zuckte verlegen mit den Schultern. "Minion und ich haben uns gewundert, wo du abgeblieben bist", meinte sie. "Deshalb bin ich nochmal hochgekommen."

"Ja, für den Fall, dass ich mich die Treppe hinunter verlaufen hätte", erwiderte er ironisch.

"Bei dir weiß man das nie." Sie hob spöttisch die Augenbrauen.

Megamind sackte resigniert zusammen und drehte sie wieder Richtung Treppe, während Mr. Thornfield lachte. "Okay, na gut, jetzt gehen wir aber nach unten! Und erzählen Minion nichts davon! Vorwitzige Reporterin!"

"Viel Glück da draußen!", rief ihnen Mr. Thornfield hinterher und Megamind winkte kurz, ehe er Roxanne mit sich die Treppe hinunterzog.

"Warum nannte er dich eigentlich 'Jade'?", fragte sie, als sie schon fast das Erdgeschoss erreicht hatten.

Er sah sie über seine Schulter hinweg an. "Das ist mein Name. Mein ... bürgerlicher Name, den sie mir im Gefängnis gegeben hatten, als ich als Baby dort gelandet war. Jade Blue. Kreativer geht es nicht."

Sie lachte. "Nun, sei froh, dass er noch so normal ist. Es hätte viel schlimmer kommen können."

"Schlimmer als 'Jade-Blau'?" Er sah sie mit einem gespielt entsetzten Gesichtsausdruck an.

"Sicher", erwiderte sie lachend und boxte ihn spielerisch gegen die Schulter. "Sie hätten dich auch, hm, 'Bubsy' nenne können."

Megamind erschauderte. "Okay, vergessen wir, dass wir dieses Gespräch jemals geführt haben."

Sie kamen auf die Straße hinaus, wo Minion schon ungeduldig mit dem Fuß tappend auf sie wartete.

"Was haben Sie da oben gemacht?", fragte er.

"Nichts", erwiderte Roxanne und stieg ins Auto ein. "Nur über Babynamen geredet."

Minion sah seinen Herrn entsetzt an, der seinerseits die lachende Frau streng ansah.

"Nicht so, Minion!", versicherte dieser halb genervt, halb resigniert. "Wir haben uns über meine Namen als Baby unterhalten."

"Also hast du wirklich mal 'Bubsy' geheißen?", fragte sie belustigt und schlug dann kichernd die Tür zu, als Megamind einen drohenden Schritt auf sie zumachte.

"Warte nur, bis wir heim kommen!", grummelte er, nachdem er eingestiegen war und Minion sich hinter das Steuer gesetzt hatte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, musste sich der Fisch mittlerweile selbst ein Lachen verkneifen.

"Was willst du machen?", wollte Roxanne unschuldig wissen. "Du kannst mich nicht auf der Couch schlafen lassen, das ist allein den Frauen vorbehalten."

"Elende Doppelstandards!", brummte Megamind mit zuckenden Mundwinkeln, die seine Erheiterung verrieten.

Minion verdrehte die Augen, startete den Motor und drückte aufs Gaspedal. Wenige Augenblicke später war der Wagen schon wieder auf dem Weg ins Innere von Metro City.
 

Es war zu laut. Verärgert runzelte Er die Stirn und bewegte sich vorsichtig, um nicht noch etwas in seiner Umgebung kaputt zu machen.

Beim letzten Mal war er nicht vorsichtig genug gewesen und mit Wasser bespritzt worden, ehe ein elektrischer Schlag durch seinen Körper gefahren war. Es war ziemlich schmerzhaft gewesen und einige Stücke waren aus seiner Stirn herausgebrochen, sodass die härtere, glatte Unterschicht zum Vorschein gekommen war. Er hatte es gefühlt.

Seitdem hielt er sich so still wie möglich, vor allem da auch sein Kopf schmerzte. Das Loch in seiner Brust, das sein Gegner ihm geschlagen hatte, hatte auch begonnen zu brennen und zu stechen. Komisch. Davor hatte es das nicht getan.

Über ihm ertönte ein lautes Kratzen und Schlagen, das seinem Versteck immer näher kam. Irritiert richtete er seine blinden Augen nach oben - die dank des Stromschlags auch nicht mehr zu gebrauchen waren, verdammte Dinger - und tastete die Erde um sich herum mit allen verfügbaren Sinnen ab.

Er kombinierte, dass über ihm Lebewesen standen und offenbar versuchten, die Erde zu durchbrechen. Warum?

Es erschien ihm so sinnlos, diese Lebewesen lebten doch über der Erde. Was wollten Sie denn hier unten?

Jetzt ertönte ein lautes Hämmern, Sirren und Krachen, sodass er unwillkürlich zusammenschrak. Eine weitere seiner Wärmequellen zerbrach und besprühte ihn mit Wasser und er stieß einen Laut aus, einem Seufzer ähnlich. Es brachte die Erde zum Vibrieren, schwach nur, aber spürbar.

Der Lärm über ihm hörte auf, dafür begannen die über ihm zu kommunizieren. Sie klangen erschrocken und er strengte seine Ohren an.

Es war wirklich ein Jammer, dass er sie nicht verstehen konnte. Die Kreatur an seinem Geburtsort, die ihm so ähnlich gewesen war, hatte es bestimmt gekonnt. Aber sie hatte ihn hinausgejagt.

Vorsichtig streckte er seine Hand aus und tastete nach denen, die seine Ruhe störten. Es waren drei an der Zahl und sie schienen aufgebracht. Er schnaubte verächtlich ob ihrer Ahnungslosigkeit. Diese Kreaturen waren so mangelhaft, so zerbrechlich. Warum bestimmten ausgerechnet sie?

Er zog seine "Fühler" wieder zurück, spürte deutlich, wie sie in seine Fingerspitzen und Handfläche zurückgezogen wurden. Auch das war etwas, das nach dem elektrischen Schlag Gestalt angenommen hatte. Er konnte seine Gliedmaßen spüren und nicht nur so, dass er wusste, dass sie da waren. Auch wie sich unterschiedliche Materialien anfühlten, wusste er jetzt und konnte sie unterscheiden.

Das Bohren und Hacken und Sirren und Krachen ging wieder los und unterbrachen seine Gedanken. Er richtete sich verärgert auf. Nie ließen sie einen in Ruhe, immer störten sie!

Seine Bewegung ließ die Erde um ihn herum erbeben und die Kreaturen über ihm stießen erschrockene Laute aus. Das hielt sie aber nicht ab, im Gegenteil. Oh, wie schmerzte sein Kopf von dem Lärmen und Schlagen!

Um ihn herum barsten die Gegenstände mit lautem Kreischen, als er zur Erdoberfläche stieg. Sie blieben rechts und links im Boden stecken, sodass dieser sich nach oben wölbte und ergoßen ihren Inhalt ins Erdreich.

Über der Erde roch es nach Morgen und Hitze. Er tat einen Schritt nach vorn und stolperte über ein Gerät, das eine der Kreaturen fallen gelassen hatte. Etwas fiel mit einem leisen "Kling!" aus seinem Gesicht zu Boden.

Ein markerschütternder Schrei durchbrach die Stille und er wandte sich dem Geräusch zu. Er umging den Gegenstand, über den er gestolpert war und schlurfte langsam voran. Was er in die Finger bekam, war weich und warm und nachgiebig. Ein weiterer Schrei ertönte und brach dann jäh ab.

Noch zwei Störenfriede waren übrig, das erkannte er an dem Poltern und Jammern. Er stampfte mit dem Fuß auf und die Erde hob sich, splitterte. Der zweite Störenfried fiel ihm in die Hände. Dann tastete er die Luft nach dem Letzten ab. Verwirrt legte er den Kopf schief. Wo war er hin? Er hatte ihn doch noch schreien hören.

Den Weg entlangtrottend trat er in etwas Weiches, Nachgiebiges. Irritiert spürte er, wie sein Fuß nass wurde und schüttelte ihn unwillig. Ein dumpfer Aufprall war zu hören, als etwas Schweres zu Boden fiel und er setzte seinen Weg fort, auf der Suche nach einem neuen Schlafplatz.

Über ihm ertönte ein seltsames Geräusch, das wie "Bogo! Bogo!" klang. Verärgert runzelte er die Stirn, als ihm einfiel, welches Wesen diese Laute von sich gab. Die Dinger hatten ihn schon mal verletzt und durch die Stadt gejagt. Keine wirkliche Gefahr für ihn, aber trotzdem. Die Viecher waren ein Ärgernis und er hatte keine Lust, sich mit ihnen zu befassen.

Er beschleunigte seine Schritte und stolperte abermals. Wieder fiel etwas mit leisem "Kling!" zu Boden und er grunzte unwillig. Schließlich spürte er weichen Untergrund unter sich und bevor die Bogo-Bogo ihn aufhalten konnten, hatte er sich wieder in die Erde eingegraben und setzte seinen Schlaf fort.
 

__________
 

Hallöchen!

Wer erinnert sich noch an diese Geschichte?

...Niemand?

Dachte ich mir.

Nach langem, laangem Herumtüfteln jetzt also Kapitel 6 dieser Geschichte, das kürzeste Kapitel bisher.



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von: abgemeldet
2012-04-26T18:49:50+00:00 26.04.2012 20:49
Wirklich spannend. So gefesselt bin ich eigentlich nur bei Büchern von Preston/Child. Die alte Dame gehört zu den Zeugen, denen keiner glaubt, obwohl sie die Wahrheit sagt.
Von: abgemeldet
2012-04-26T18:26:45+00:00 26.04.2012 20:26
Wirklich gelungener Anfang. Den eltern der Freundin vorgestellt zu werden hat schon so machnchen nervös werden lassen und die Szene ist gut durchdacht, die Dialoge klasse. Die Brainbots so gesehen als "lebende" Wesen agieren zu lassen, war ein genialer Gedanke und das Megamind von einem Gebissen wird, ruft mir die entsprechende Szene ins Gedächtnis.
Das Ende des Kapitels ist ein gemeiner Cliffhanger. Man fragt sich wer die Gestalten sind und was sie vorhaben
Von:  sadako888
2011-09-18T20:10:09+00:00 18.09.2011 22:10
Es ist mir nicht im richtigen Moment aufgefallen, aber als Roxanne in diesem Kapitel Metroman erwähnte, fiel es mir dann auf: Wo ist er überhaupt hin entschwunden? Er war ja schon mitten in der Geschichte, aber als es ans Kämpfen geht ist er plötzlich weg, wobei er den Golem locker hätte dingfest machen können.

Auch habe ich mich gefragt, warum Io und die anderen nicht einfach in einem Hotel unterkommen können, zumindest für die nächste Nacht.
Zudem stürzt du dich glaube ich zu sehr auf die Hintergundgeschichte der Golem-Truppe - aus irgendeinem Grund ist mir Mrs Bearhunter super im Gedächtnis geblieben, aber bei der Truppe vergesse ich erstmal ständig die Namen und zweitens fehlt mir bei ihnen das gewisse etwas.

Ich verstehe nicht, warum Io und Megamind eine halbe Stunde lang schweigend nebeneinander sitzen, anstatt sich zu unterhalten und miteinander zu interagieren, um z.B. mehr Sympathie für Io zu wecken.

Die Wärmesuche-Geschichte zum Schluss fand ich allerdings gelungen. Man versteht endlich, was ihn antreibt.
Von:  sadako888
2011-09-18T19:55:51+00:00 18.09.2011 21:55
Genau ab hier hatte ich mich gefragt, warum da so ein inhaltliches Loch ist, was aber daraus resultierte, dass ich vergessen habe, das letzte Kapitel auszudrucken xD Ich hol das aber noch nach!

So ziemlich ab hier hatte ich das Gefühl, dass sich die Handlungsstränge so langsam bekriegen. Vielleicht liegts ja aber auch nur daran, dass ich das letzte Kapitel noch nicht gelesen hab, doch ich fand, die Charaktere und Hintergrundgeschichte, die du selbst entwickelt hast, harmonieren langsam nicht mehr so gut mit dem Rest - Ursprünglich gind es darum, dass Megamind Roxannes Eltern kennenlernen sollte und ich dachte es geht dahin, dass er sie für sich gewinnt und gut wärs. Dann kam die Golemgeschichte, die jetzt die Oberhand gewinnt und ich fragte mich, wozu das erste Kapitel denn dann gut war, das mir doch so gut gefallen hat. Ich fands aber dennoch sehr schön das Minion zum Beispiel Mrs Bearhunter echt nochmal besucht hat ^^
Von:  sadako888
2011-09-18T19:43:09+00:00 18.09.2011 21:43
Ach ich glaube, alte Frauen sind einfach nicht wählerisch mit ihren Gästen ;)
Ich hätte es ja darauf geschoben, dass sie womöglich halb blind ist, aber da sie den Mord ja so präzise gesehen hat, ist die Theorie wohl nicht haltbar.

Eine Sache stört mich: Minion sagt Megamind, dass er das Date mit Roxanne absagen muss. Aber dann kommt er zu spät und sie schien nicht vorgewarnt? Seltsam ö.ö
Von:  sadako888
2011-09-18T19:34:43+00:00 18.09.2011 21:34
Ich schließe mich Z's Lobesbekundungen in jedem Stück an, auch ich habe sehr viel Freude daran gehabt, dieses Kapitel zu lesen, auch aus ebendiesen Gründen. Das Megamind 'faxieren' statt fixieren gesagt hat ist der allererste von deutschen Fans geschriebene Versprecher, der mir nicht kindisch vorkommt, sondern passt. Das Brainbotnummernsystem fand ich überaus genial, und auch das Gemeckere von Megamind. Es kommt endlich mal durch, dass er eine respektable Persönlichkeit ist, auch wenn er nur von den Brainbots ernstgenommen wird. Die Eltern waren wirklich ein Traum zu lesen, weswegen ich nicht verstehe, warum du sie im Anschluss nicht mehr auftreten lässt. Der Schwenker zu den düsteren Gestalten zum Schluss ist ein interessanter Cliffhanger, auch wenn sie im ersten Moment verwirren.
Von:  Bramblerose
2011-07-03T14:18:39+00:00 03.07.2011 16:18
Oh, wie herrlich, gleich ein neues kapitel einen Tag nachdem ich diese hervorragende FF entdeckt habe! Danke, du fleißige Schreiberin^^
Hier ein weiteres Kommentar zu deinem Kapitel:


Wie die beiden zuvor gibts so nichts auszusetzten. Sehr guter Stil, keine Fehler, wirklich schön! Ich hab sogar erstaunlich lang für das kapitel gebraucht, was bei FFs nicht der übliche Fall ist! Man muss die Infos erst mal schlucken und selber schauen, was man damit macht! Es ist unglaublich interessant aufgebaut! Gute Idee von dir, es in die Krimisparte zu stecken! Nun mach ich ein paar kleine Angaben zum Inhalt, die mir so aufgefallen sind:
Ich hab nicht so ganz verstanden, wieso Megamind nciht einfach seine Transformationsuhr benutzt hat, um sich als ein Verwandter von Ansgar auszugeben. Da wäre das Warten ihm erspart geblieben. Aber so wäre das Kapitel auch weniger lang und weniger spannend gewesen! Und eine Anmerkung, so weit ich weiß, dürften Polizisten und deren Gehilfen, in dem Fall also Meg, sehr wohl zu einem Zeugen, Opfer, Täter, wenn es für den Fall wichtig ist! Aber das sei nun daher gesagt, wie es im echten Leben abgeht, wer weiß das schon?
Und Ah, was mir auch aufgefallen ist, du hast Recht! Roxys Sender heißt KMCP! Ich habe immer nur KMC gelesen! Danke an dich, denn wenn man schon Deatils aus Filmen nutzt, sollten sie korrekt sein^^
Wen ich ziemlich suspekt finde, ist Ansgar als Figur. Ich find eihn sehr undurchschaubar und war auch ein bisschen verwirrt. Er scheint ja jung zu sein, redet aber wie ein alter Mensch, vermutlich aufgrund seiner Bildung. Wenn er wirklich etwas wie ein Alchimist ist, erklärt es das ja. Aber an dem Punkt war ich etwas verwirrt! Er ist doch ein Mensch, oder? Weil du ihn eher wie eine andere rasse beschrieben hast. Er ist Lichtempfindlich, liebt unter der Erde und bezeichnet sich selber ja auch als 'unsere Leute' etc.
Was ich sehr schön finde, ist, dass ich nicht nich die einzige, die Metro Man nun Music Man nennt! Sehr schön XD
Dafür muss ich zu zwei-drei Formulierungen sagen, sie sind etwas ungeschickt sind. 'Wayne' passt nicht zu Roxy, meiner Meinung nach zumindest, und auch die Ausdrücke, die Meg benutzt, klingen für ihn zu... intelligent? xD
'Unter Tage' und 'Übersee' passt nicht wirklich zu ihm, bei dem Hintergrund, dass er nie wirklich eine gute Schuldbildung genossen hat. Dennoch gibt es einen Pluspunkt dafür, weil es zur Abwechlung gute Formulierungen sind! Findet man auf Mexx eher selten.
Und das Ende fand ich interessant! Der gegner wird erneut vorgestellt und noch unberechenbarer gemacht! Man kann weiter gespannt sein!

Und vielen dank für deine Anmerkung für mich persönlich^^ Ich find es toll, wenn man auf Kommentare und die Fragen dort noch mal eingeht! Danke also für die Infos und wie ich schon sagte, die Mutter als Biest hinzustellen finde ich weit hergeholt! Mal sehen, was ich selber so aus der Sache mache^^

Ich erwarte sehnlichst Kapitel 4! So schöne viele Seiten in dieser kurzen Zeit!
Bis zum nächsten Kapitel,
Bramblerose

Von:  Bramblerose
2011-07-02T16:56:32+00:00 02.07.2011 18:56
Oho, nun wirds spannend!
Hallo bei meinem zweiten Kommentar XD Ich musste es einfach lesen. Deswegen kommt hier auch gleich mein Eindruck:

Man kommt sich Tatsache vor, wie in einer der guten Krimi- Serien, a la Law and Order oder Criminal Minds. Mit dem leichten übersinnlichen Beigeschmack. Die Idee mit der Leiche und das Megamind hinzurufen wird finde ich ganz interssant, weil das ja nicht so in Meg's Ressor passt! Zudem verleiht es der doch recht witzigen Story und Megamind eine erfrischend ernste Atmosphäre. Zudem ist es sehr clever von dir, Meg in die DNA- Analyse einzubinden. Wenn man vom Spiel und Film ausgeht, hat er ja diese DNA- Maschine. Für ein Genie wie ihn dürfte es also ein Leichtes sein, diese Probe zu entschlüsseln. Doch was dabei herrauskommt ist die große Frage. Allgemein was hinter dem Mord steht und was es mit Megamind zutun hat!

Amüsant fand ich die alte Bearhunter! Wie sie erzählte, dass die Nachrichten behaupten ein fliegender Mann jagt etwas Blaues! XD Sehr lustig! Es wundert mich allerdings, dass die Frau Megamind so freundlich aufgenommen hat! Ich hätte eher mit etwas Misstrauen gerechnet oder mit ein paar Seitenhiebe, weil er ja doch ein Alien bleibt! Interessant war die Anmerkung, dass die alte Frau einen starken Händedruck hat. Steckt da vielleicht mehr dahinter, oder wars nur eine typische Anmerkung?
Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es nun weiter geht! Also hoffe ich, du läds bald etwas Neues hoch!

Liebe Grüße,
Bramblerose
Von:  Bramblerose
2011-07-02T15:14:55+00:00 02.07.2011 17:14
... uu' Ok ich gebe zu, ich konnte nicht bis zum Abend warten, ich bin zu neugierig. Und da ich offenbar der einzige Megamind Fan auf dieser Seite bin, muss ich jeglichen Input sofort verschlingen!

Also! Zu deiner FF! Ich bin sehr beeindruckt! Ich hab bisher keine Ffs von dir gelesen, aber mir gefällt dein Stil unglaublich gut. Du schreibst bildhaft und ausgeglichen, ich kann mir jedes Szenario gut vorstellen. Du triffst auch den Ton der Figuren sehr genau. Und da ich dieses Werk genieße, lese ich es Stück für Stück und bleibe am Ball und werde jedes Kapitel einzeln kommentieren.

Zum ersten Kapitel: Es hat mir wirklich sehr gut gefallen! Ich liebe das Thema der Eltern in solchen Geschichten, besonders das Klischee, dass der Vater immer abgeneigt ist! Sowas lese ich gerne, daher schade, dass die Eltern doch recht kurz gekommen sind! Die Bezeihung zwischen Meg und Roxy finde ich auch gut dargestellt und ich bin gespannt, wie es weiter geht. Deine Idee mit den Nummern der Brainbots ist genial! Auf Nummern als Namen wäre ich nicht gekommen, geschweige denn, dass Meg sie alle außeinander halten kan, was natürlich nahe liegt. Immerhin sind es seine Schöpfungen! Süß war die Idee mit dem Hemdkragen, was auch so herrlich typisch ist, wenn man weiß, dass Megamind kein Kragen hoch genug sein kann ;)
Das Ende ist auch relativ interessant aufgebaut. Man fragt sich, was ist da los und wieso machen diese Gesatlten das! Es stimmt was du gesagt hast, es erinnert wirklich an einen Krimi, aber bei Megamind als Held liegt dieses Genre nahe! Daher denke ich, dass es bei dir recht sapnnend wird, aber ich lass mich überraschen!

Was ich wirklich bewunderswert finde ist, dass sich der Name Megamind bei dir so natürlich ließt. Ich selber finde es sehr eigenartig Megamind zu benutzen als Name, deswegen stockt bei mir das Schreiben. Normalerweise habe ich mit Formulierungen keine Probleme und Geschichten gehen mir locker von der Hand. Nur Megs Ton zu treffen, fällt mir sehr schwierig. Deswegen: Respekt an die Leistung. Ich freue mich auf das zweite Kapitel, mal sehen wozu mich meine Neugierde treibt! Also bekommst du im Laufe des Tages noch einen zweiten Kommentar!^^

Liebe Grüße,
Bramblerose


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