Zum Inhalt der Seite

Das Dilemma der Puppenmacher

Eine Megamind-Fanfiction
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Besuch

Es war ein heißer Samstagnachmittag in Metro City. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten ... und ein ziemlich nervös aussehender Ex-Superschurke saß in der Wohnung seiner Freundin auf dem Sofa und klappte bestimmt zum fünfzehnten Mal den Kragen seines Hemdes nach oben.

"Kannst du deinen Kragen nicht mal so lassen wie er sein sollte?", fragte Roxanne und richtete das Kleidungsstück wieder.

"Er war so wie er sein sollte, ehe du ihn plattgedrückt hast." Megamind seufzte theatralisch. "Ich trage dir zuliebe schon Anzug und Krah-Watte, reicht das nicht?"

Roxanne verdrehte die Augen. "Ich werde mich nicht nochmal auf diese Diskussion einlassen. Der Kragen bleibt unten. Du willst doch einen guten ersten Eindruck auf sie machen, oder etwa nicht? Und das geht nicht, wenn du aussiehst wie eine Schildkröte, die den Kopf aus ihrem Panzer streckt."

"Wenn alles andere richtig sitzt, wird's schon keinem auffallen."

"Du wirst dich wundern, was meinem Vater alles auffällt." Sie musterte ihn noch einmal von oben bis unten. Als sie bei seinen Beinen angekommen war, hielt sie inne. "Wo sind deine Strümpfe?"

Megaminds Miene verfinsterte sich. "Ich trage keine Strümpfe. Nie."

Roxanne öffnete den Mund für eine Erwiderung, überlegte es sich dann aber anders und schloss ihn wieder. Vermutlich würde er sie nur wieder in eine endlose Diskussion über die Unnötigkeit von Strümpfen verstricken, so wie er in der letzten halben Stunde über die Notwendigkeit aufgestellter Kragen diskutiert hatte.

Sie beglückwünschte sich dazu, ihn eine Dreiviertelstunde vor dem Eintreffen ihrer Eltern herbestellt zu haben. So konnte sie wenigstens sicher gehen, dass er ordentlich angezogen war. Nun gut, ordentlicher, denn obwohl er tatsächlich einen Anzug trug, so hatte er es sich doch nicht nehmen lassen, seine üblichen Farben zu tragen. Es sah beinahe aus, als wollte er sich unsichtbar machen mit dem hellblauen Hemd, der dunkelblauen Krawatte und der indigofarbenen Leinenhose. Vielleicht glaubte er aber auch, dass seine Hautfarbe dadurch weniger auffiele, auch wenn es genau das Gegenteil bewirkte.

Megaminds Finger strichen nervös am Kragenrand seines Hemdes entlang und er hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Seine grünen Augen zuckten immer wieder zur Tür hinüber.

"Darf ich wirklich nicht...?", begann er bittend und warf ihr einen dieser Hündchenblicke zu, die er so perfekt beherrschte.

Gut, dass sie mittlerweile daran gewöhnt war. Solche Gesichtsausdrücke gehörten verboten.

"Nein", antwortete sie bestimmt. "Der Kragen bleibt, wie er ist."

Gerade als er etwas erwidern wollte, klingelte die Türglocke und Roxanne atmete erleichtert aus. Das war echt perfektes Timing.

Bevor sie die Tür öffnete, strich sie noch einmal den Saum ihres blauen Kleides glatt. Wenn Megamind einen guten Eindruck auf ihre Eltern machen sollte, sah sie besser nicht aus, als hätten sie irgendwas Anrüchiges getrieben.

"Roxanne, Liebling, gut siehst du aus", erklang eine Frauenstimme, als Roxanne die Tür aufgemacht hatte, aber von seinem Standpunkt aus konnte Megamind nichts sehen. Was allerdings auch bedeutete, dass er nicht gesehen werden konnte.

Wenn er den Kopf nur ein bisschen tiefer ziehen könnte, wäre er vielleicht in der Lage, hinter dem Sofa zu verschwinden... Aber gerade als er sich vorbeugte, warf Roxanne ihm einen strengen Blick zu und ruckte mit dem Kopf in Richtung Tür.

Mit einem abgrundtiefen Seufzer stand er auf und ging auf sie zu. Seine Finger spielten nervös mit dem Ende seiner Krawatte.

Hinter der Tür blieb er stehen und sah Roxanne flehend an. Er konnte das einfach nicht. In der Öffentlichkeit vor einer großen Menschenmenge zu sprechen war für ihn kein Problem, aber sobald er im Privaten mit fremden Menschen reden musste - besonders, wenn er einen guten ersten Eindruck machen sollte -, fühlte er sich richtig unwohl in seiner Haut. Erinnerungen an frühere Zurückweisungen waren immer noch, selbst nach all den Jahren, sehr lebhaft in seinem Gedächtnis geblieben. Manchmal war die Erkenntnis, dass er sich immer an alles würde erinnern können, mehr hinderlich denn hilfreich.

"Wo ist denn nun dein neuer Freund?", fragte Roxannes Vater nach einer Weile, während sie versuchte, Megamind aus seinem Versteck hinter der Tür hervorzulocken. Diesem entging nicht, wie ihr Vater das Wort "Freund" dehnte als würde ihm schon von dem Gedanken schlecht werden, dass seine Tochter mit einem ehemaligen Superschurken ausging.

"Hinter der Tür", antwortete Roxanne resigniert und drückte die Tür weiter auf, sodass Megamind jetzt gegen die Wand gepresst dastand. "Kommt erst mal rein. Ich glaube, er hat ein wenig Lampenfieber. Er ist schon den ganzen Tag so zappelig."

"Das ist der immer", brummte ihr Vater. "Das solltest du eigentlich am besten wissen."

Megamind zog verärgert die Augenbrauen zusammen und streckte den Rücken durch. Er war nicht immer zappelig.

Als Roxanne nun also die Tür wieder schloss, stand er kerzengerade da und fixierte ihren Vater mit einem verärgerten Blick. Tatsächlich wich der Mann einen Schritt zurück, was ihn insgeheim freute.

Aber sogleich bemerkte er Roxannes missbilligenden Blick und mühte sich um einen neutraleren Gesichtsausdruck. Sie hatte ja recht. Er sollte sich wirklich um einen guten ersten Eindruck bemühen. Auch wenn er das Gefühl hatte, dass bei ihrem Vater Hopfen und Malz verloren waren.

"Ähm, ollo", grüßte er und musterte die beiden Personen vor ihm nervös.

Aileen Ritchi, so hatte er erfahren, war eine Frau von fünfundsechzig Jahren, Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, Roxanne und Jeremy Ritchi. Ihre kurzen braunen Haare waren nach wie vor nicht vollständig ergraut, was den Eindruck vermittelte, sie hätte vier verschiedene Farben auf dem Kopf. Sie hatte ein rundes offenes Gesicht, graue Augen und einen entschlossenen Zug um die Mundwinkel, was Megamind stark an Roxanne erinnerte. Eigentlich sah sie nicht wie die graue Maus aus, die er sich vorgestellt hatte, nachdem Roxanne ihm erzählt hatte, dass ihre Mutter Hausfrau war. Zumindest trug sie keinen Rock und keine Schürze...

Thomas Ritchi indessen war zwei Jahre älter als seine Frau und ein pensionierter Versicherungsvertreter. Megamind hatte keine Ahnung, was ein Versicherungsvertreter machte und um ehrlich zu sein war es ihm auch egal. Es klang jedenfalls unsagbar langweilig. Und unsagbar langweilig erschien ihm auch das Aussehen des Mannes. Im Gegensatz zu seiner Frau war Thomas Ritchis Haar vollkommen ergraut, aber wenigstens schien er nicht unter Haarausfall zu leiden, wenn der Wischmob auf seinem Kopf irgendein Hinweis darauf war. Eigentlich sah er ein wenig wie sein ehemaliger Gefängniswärter aus, minus dem beeindruckenden Schnurrbart und dem doch recht liebenswürdigen Charakter. Die Augenfarbe und Augenform hatte Roxanne jedenfalls von ihm geerbt, so viel stand fest.

Ihm fiel auf, dass die beiden seinen Gruß nicht erwidert hatten und seufzte resigniert. Das würde ein langer Samstagnachmittag werden, so viel stand fest. Vielleicht konnte er irgendwie Minion kontaktieren und ihn dazu überreden, irgendein wichtiges Ereignis zu erfinden, damit er verschwinden konnte.

Es war Roxanne, die schließlich das unangenehme Schweigen brach, das sich im Raum ausgebreitet hatte.

"Äh, hat jemand Hunger? Ich glaube, es sind noch ein paar von Minions Pastetchen da, oder, Megamind?"

"Eh? Oh, oh, ja, natürlich. Heh...", antwortete er und lachte verlegen. "Ich glaube, er hat sie dir in den Kühlschrank gestellt. Frag mich aber nicht, wo."

Roxannes Gesichtsausdruck spiegelte dieselbe Verlegenheit wider, als sie ihn beim Arm packte und ihn in Richtung ihrer Küchenzeile zog.

"Na, dann hilfst du mir am besten suchen", sagte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit und ließ ihre Eltern an der Tür zurück. "Macht es euch auf dem Sofa gemütlich, wir sind gleich wieder da!"

Halb verdeckt von der Küchenzeile drehte sie sich zu Megamind um. Dieser zuckte zusammen und wartete darauf, von ihr zusammengestaucht zu werden, doch nichts geschah.

Nach einer Weile wagte er einen schnellen Blick auf ihr Gesicht und war erleichtert zu sehen, dass sie nicht wütend auf ihn zu sein schien. Zu seinem Erstaunen sah sie ziemlich beschämt aus.

"Tut mir leid. Mein Vater ist nicht gerade ein taktvoller Mann", seufzte Roxanne. "Aber ich hatte gehofft, er würde sich wenigstens heute Abend zusammenreißen."

"M-mir tut es auch leid", murmelte Megamind. Gott, wie er es hasste, sich entschuldigen zu müssen. Daran würde er sich nie gewöhnen. "Ich hätte mich nicht hinter Tür verstecken sollen. Oder deinen Vater so faxieren sollen."

"Es heißt 'fixieren'. Aber es ist seine eigene Schuld", erwiderte Roxanne und lachte auf, als er ihr einen ungläubigen Blick zuwarf. "Nein, wirklich. Er hat ja gar nicht erst versucht, freundlich zu sein. Die meisten guten Umgangsformen habe ich ohnehin von meiner Mutter gelernt."

"Gegrüßt hat sie aber trotzdem nicht", brummte er, fügte dann aber hinzu: "War nur Spaß!" Ein weiteres verlegenes Lachen entrang sich seiner Kehle. "Ich glaube, damit musste ich rechnen. Man wechselt ja nicht einfach mal so die Seiten. Die Leute müssen ja misstrauisch werden."

Roxanne sah ihn mitleidig an und drückte ihn an sich. "Du machst seit gut einem Jahr die Arbeit eines Superhelden. Die Leute von Metro City lieben dich."

"Eh, das glaube ich erst, wenn ich es sehe", murmelte Megamind verdrossen und erwiderte die Umarmung. "Zehn Jahre als Superschurke geraten nicht einfach mal so in Vergessenheit."

Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und ließ ihn los. "Das schaffst du schon. Und das meine ich auch in Bezug auf meine Eltern," fügte sie hinzu und öffnete die Kühlschranktür. "Also, wo hat er die Dinger hingesteckt?"

"Er hat sie vermutlich in irgendeine Schachtel getan," meinte er und blickte über ihre Schulter in den Kühlschrank. "Meine Güte," sagte er, als er das Innere zu sehen bekam. "Sind bei dir die Hunnen eingefallen oder warum ist dein Kühlschrank so leer?"

"Psst!," flüsterte Roxanne, nachdem sie die Schachtel mit den Pasteten herausgeholt hatte. "Wenn meine Mutter hört, dass mein Kühlschrank leer ist, muss ich mir wieder anhören, wie wichtig ausgewogene Ernährung sei und ich ja sowieso viel zu dünn wäre. Ich hatte einfach keine Zeit zum Einkaufen in den letzten Tagen. Und im Gegensatz zu dir habe ich keinen Minion, der schnell mal für mich irgendwohin düst, wenn ich was vergessen habe," fuhr sie fort, als er den Mund öffnete, zweifellos um ihr zu sagen, dass er bestimmt etwas zu essen daheim gehabt hätte, wenn seine Eltern zu Besuch gekommen wären.

Nachdem die Pasteten auf einem Teller platziert worden waren, trug Roxanne sie zu der Couch hinüber, auf der es sich ihre Eltern bequem gemacht hatten.

Megamind folgte ihr zögernd und in einigem Abstand. Er wusste nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte und dieses Gefühl mochte er gar nicht. Da fühlte er sich direkt in seine Schulzeit zurückversetzt.

Roxanne blickte von dem Wohnzimmertisch auf, auf den sie den Teller gestellt hatte und sah ihn verwundert an. Dann bedeutete sie ihm mit einem Kopfrucken, auf einem der beiden Sofas Platz zu nehmen.

Er lächelte gezwungen, als er sich auf das noch unbesetzten Sofa setzte. Eigentlich war es schon fast ein Zähnefletschen...

"Also, Roxanne, wie läuft es auf der Arbeit?", fragte Aileen, nachdem sich ihre Tochter neben Megamind gesetzt hatte.

"Ganz gut, danke", erwiderte Roxanne und versetzte ihrem Freund einen leichten Stoß, um das hölzerne Lächeln von seinem Gesicht zu bekommen. "Es ist auch in der letzten Zeit recht friedlich gewesen."

'Leider', setzte Megamind in Gedanken hinzu und warf einen kurzen sehnsüchtigen Blick nach draußen. Was gäbe er darum, jetzt im kühlen Versteck zu sitzen. Roxannes Wohnung war einfach zu warm für seinen Geschmack, erst recht an einem Tag wie diesem. Aber zu ihm nach Hause konnten sie Roxannes Eltern schlecht einladen.

Einen Moment lang stellte er sich vor, wie ihre Eltern wohl auf sein Versteck reagieren würden, insbesondere auf die Brainbots und Minion. Er unterdrückte ein Grinsen, als er an die möglichen Szenarien dachte, die daraus resultieren könnten.

"Und wie läuft es bei Ihnen, Mr. ... Megamind?" Erschrocken zuckte er zusammen und sah Roxannes Mutter an, die diese Frage gestellt hatte.

"Äh, sehr gut", antwortete er schließlich. "Könnte nicht besser laufen." Einen Moment dachte er darüber nach, ob er es noch mal mit einem Lächeln versuchen sollte, überlegte es sich dann aber anders. Er wollte nicht den ganzen Nachmittag von Roxanne gestoßen werden, weil sein Lächeln ihre Eltern erschreckte...

"Was ist das denn?", fragte auf einmal Thomas Ritchi, der Megamind die ganze Zeit mit Blicken traktiert hatte, und starrte voll Abscheu aus dem Fenster.

Seine Frau Aileen folgte seinem Blick und blinzelte verdutzt. "Schwebende Quallen?"

Nun drehten sich auch Megamind und Roxanne zum Fenster. Ersterer seufzte resigniert, als er seine Brainbots erblickte, die sie durch das Fenster hindurch anstarrten und mitleiderregend "Bowg-bowg!" machten.

Ein weiterer Seufzer entrang sich seiner Brust, als er aufstand und das Fenster einen Spaltbreit öffnete. "Daddy hat doch gesagt, dass ihr ihn in Ruhe lassen sollt!", zischelte er den Brainbots zu. "Was gibt es denn so Dringendes?"

Die kleinen Roboter tasteten mit ihren Greifarmen die Fenster ab und klopften mit ihren "Köpfen" gegen das Glas.

"Was soll das? Ihr habt doch sicher Arbeit zu tun", seufzte Megamind. "Und ich habe jetzt keine Zeit mit euch zu spielen."

Hinter sich hörte er, wie Roxanne empört "Dad!" rief, während dieser erwiderte: "Ist doch wahr!"

Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Streit etwas mit ihm und seinen Brainbots zu tun hatte und drehte seinen Kopf, sodass er den Raum hinter ihm im Blick hatte. "Ist irgendwas?", fragte er.

Roxanne grinste unsicher und antwortete mit zusammengebissenen Zähnen: "Ach, nein, alles bestens!", während sie ihrem Vater einen vernichtenden Blick zuwarf.

Megamind drehte sich nun gänzlich um, wobei er das Fenster los ließ. Ein fataler Fehler, wie sich eine Minute später herausstellte, denn die Brainbots ergriffen dies als Chance, um ins Innere zu gelangen. Im nächsten Moment waren fünf oder sechs der kleinen Roboter in die Wohnung gesaust und umringten ihren Erfinder.

"Oh, nicht doch!", stöhnte dieser entnervt. Megamind drückte den Kommunikationsknopf seiner Uhr. "Minion!"

"Sir?" Zumindest klang sein Helfer und lebenslanger Freund nicht so, als hätte er irgendetwas mit den Brainbots zu tun. "Gibt es ein Problem?"

"Allerdings!", knurrte Megamind in den Kommunikator. "Hier sind ... Brainbots Nummer Dreihundert, Hundertneun, Fünfundvierzig, Zweihundertvierzehn, Zweiundneunzig und Dreihundertzehn in Roxannes Wohnung! Was machen die hier?"

"Woher soll ich das wissen?", ertönte Minions Antwort aus dem Kommunikator. "Eigentlich sollten sie zuhause sein!"

"Sind sie aber nicht!", seufzte Megamind. Im nächsten Moment schlug er das Fenster mit einem unterdrückten Schrei zu, weil weitere Brainbots versuchten, ins Zimmer zu gelangen. Ein Glück, dass Roxannes Fenster so widerstandsfähig war. Nur der Fensterrahmen wackelte etwas.

"Sir? Sir, ist alles in Ordnung?" Minion am anderen Ende der Leitung klang besorgt. "Hat Zweiundneunzig Sie wieder gebissen?"

Megamind sah die Brainbots vor dem Fenster durchdringend an. Mit der linken Hand hielt er noch immer den Fensterrahmen fest. "Nein, ich musste nur gerade Roxannes Wohnung vor einer noch größeren Brainbotinvasion bewahren."

"Soll ich rüberkommen, Sir?", fragte Minion ratlos.

Megamind beobachtete die anderen Insassen der Wohnung. Roxanne versuchte weiterhin genervt, ihren Vater an weiteren "alienfeindlichen" Aussagen zu hindern, während dieser die Brainbots immer noch mit einer Mischung aus Angst und Abscheu ansah. Ihre Mutter dagegen blieb vollkommen gelassen und streichelte zu Megaminds großen Erstaunen dem kleinsten Brainbot, Nummer Dreihundert, über die Glaskuppel.

Dreihundert machte glücklich "bowg-bowg" und ließ sich ausgiebig kraulen, während die anderen Brainbots ihn eifersüchtig beobachteten.

"Aileen, bist du von allen guten Geistern verlassen?", fragte Thomas Ritchi und sah seine Frau entsetzt an, die aber nur die Augen verdrehte.

"Ich weiß nicht, Minion", beantwortete Megamind die Frage seines Helfers und blickte wieder zum Fenster hinaus, vor dem die anderen Brainbots immer noch schwebten. "Ich habe keine Ahnung, wie sie auf dich reagieren werden", fügte er flüsternd hinzu.

"Die Brainbots, Sir?", fragte Minion verwirrt.

"Ach, Unsinn!" Megamind verdrehte die Augen, was sein Freund aber selbstverständlich nicht sehen konnte. "Die Ritchis natürlich!"

"Nun, früher oder später müssen sie mich ja zu Gesicht bekommen", gab Minion zu bedenken. "Und ich glaube, wir waren uns einig, dass früher besser ist als später. Sie haben doch sicherlich nicht vergessen, was beim letzten Mal wegen Ihrer Heimlichtuerei passiert ist, oder, Sir?"

Megamind seufzte. War ja klar, dass sein Freund derjenige sein würde, der die unangenehme Erinnerung an ihren großen Streit vor über einem Jahr zur Sprache bringen würde.

"Ja, schon gut, du hast ja Recht", murmelte er in den Kommunikator. "Ich werde es aber weiterhin versuchen. Vielleicht bekomme ich die Brainbots doch ohne deine Hilfe aus dem Haus..."

Von dem Erfolg seines Versuchs war er allerdings nicht sonderlich überzeugt. Es war eben doch besser, einen Plan B zu haben.

"Ich komme so schnell ich kann, Sir", versprach Minion und beendete das Gespräch.

"Ich hoffe nur, Minion kommt an bevor deine Brainbots meine Fenster eingerannt haben", ertönte Roxannes Stimme direkt neben seinem rechten Ohr, sodass Megamind erschrocken zusammenzuckte und instinktiv nach seiner De-Waffe griff, die normalerweise an seinem rechten Oberschenkel befestigt war. Zum Glück für Roxanne hatte er sie aber nicht an der Anzugshose befestigen können.

"Schleich dich doch nicht so an!", zischte er ihr zu. "Hätte ich meine Waffe dabeigehabt, wärst du jetzt ein dehydrierter Würfel! Und wie hätte das denn ausgesehen?"

"Wie jeder andere dehydrierte Würfel auch, nehme ich an", erwiderte sie gelassen, wie üblich vollkommen unbeeindruckt von seinen Erfindungen.

"So meinte ich das nicht!", stöhnte Megamind genervt. "Was würden denn deine Eltern dazu sagen?"

"Nun, deshalb hast du die Waffe im Versteck gelassen, oder? Um einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen", antwortete sie und an ihrem Gesichtsausdruck konnte er sehen, dass sie sich ein Lachen verkneifen musste.

"Ja, nur damit dann sechs Brainbots mir nachstellen und alles ruinieren", grummelte er.

Roxanne gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich glaube nicht, dass sie dir alles ruiniert haben. Meine Mutter scheint jedenfalls sehr von ihnen angetan zu sein."

"Ich verstehe nur nicht, warum sie mir nicht gehorchen. Vielleicht ist Wasser in ihr Inneres gekommen?" Megamind schnappte sich Fünfundvierzig und begutachtete ihn von allen Seiten. Der Brainbot bellte verärgert, als er auf den Kopf gestellt wurde und zappelte hilflos mit den Fangarmen.

Roxanne beugte sich vor. "Sieht eigentlich völlig trocken aus."

"Vielleicht ein Kurzschluss...", überlegte Megamind, doch bevor er den Brainbot diesbezüglich untersuchen konnte, hatte Fünfundvierzig nach seiner Hand geschnappt und zugebissen.

Megamind schrie auf, sodass alle Anwesenden im Zimmer erschrocken zusammenzuckten, und schüttelte seinen linken Arm. Mrs. Ritchi zog verunsichert ihre Hand von Dreihundert zurück, der enttäuscht schirpte, an die Seite seines Herrn schwebte und Fünfundvierzig einen Schlag mit seinen Greifarmen verpasste.

"Ausgerechnet immer dann, wenn ich keine Handschuhe trage", stieß Megamind zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Vielleicht hättest du ihn nicht so halten sollen", meinte Roxanne und versuchte, den aufgebrachten Brainbot vom Arm ihres Lebensgefährten loszuhebeln. "Sie scheinen dich ja nur zu beißen, wenn du sie irgendwie einengst oder schüttelst."

Ehe Megamind etwas darauf erwidern konnte, klingelte es an der Tür.

"Gott sei Dank", murmelte er und stiefelte zur Tür.

"Da bin ich schon, Sir!", grüßte Minion fröhlich, hielt dann aber inne und schielte auf den Brainbot, der immer noch an Megaminds Arm baumelte. "Sir, was muss ich sehen? Sie haben doch behauptet, Sie wären nicht gebissen worden!"

"Das war ich auch noch nicht, als ich dich rief", grummelte Megamind. "Mir wäre lieb, wenn du einfach die Sechs hier einfangen würdest und nach draußen trägst. Das heißt, sobald ich den hier", er zeigte auf Fünfundvierzig, "losbekommen habe."

Minion verdrehte die Augen und betrat die Wohnung. "Alles klar, Boss. Gut, dass ich vorsichtshalber den Werkzeugkasten mitgenommen habe."

Der Alienfisch ignorierte die entgeisterten Blicke, die Roxannes Eltern ihm zuwarfen, stellte den Kasten auf der Küchentheke ab und holte einen Schraubenschlüssel heraus. Sofort blickten alle Brainbots im Zimmer auf und schwebten zu Minion rüber.

"Ein Glück", seufzte Megamind und bewegte vorsichtig seine Hand. "Jetzt zu den Belagerern..."

Die Brainbots vor dem Fenster wichen sofort ein paar Meter zurück, als sie ihren Herrn mit einem verärgerten Gesichtsausdruck auf sie zukommen sahen.

"Jetzt braucht ihr gar nicht mehr abzuhauen!", knurrte er, nachdem er das Fenster geöffnet hatte. "Kommt sofort wieder zurück!"

Die kleinen Roboter bellten und schirpten verunsichert und rückten noch etwas weiter von ihrem Herrn ab.

"Ich warte", sagte dieser nur und hielt das Fenster auf. "Ihr habt mich hier ziemlich zum Narren gehalten!"

Die Brainbots senkten beschämt ihre Glaskuppeln und schwebten zögernd in die Wohnung.

"Was macht er denn jetzt mit ihnen?", hörte Megamind Aileen Ritchi im Hintergrund besorgt fragen.

"Keine Sorge, da passiert schon nichts", versicherte Roxanne ihr.

Megamind hatte sich drohend vor den Brainbots aufgebaut und die Arme vor der Brust verschränkt. "Ich hatte euch doch gesagt, dass ihr nicht in die Häuser reindürft. Das gilt auch, wenn ich in diesem Haus bin. Was habt ihr zu eurer Verteidigung zu sagen?"

Die Brainbots begannen alle gleichzeitig zu bellen, offenbar alle erpicht darauf, ihre Version der Ereignisse zu erzählen. Auch die Roboter, die um Minion herum schwebten, fingen zu schirpen an. Es sah ganz so aus, als würden sie sich gegenseitig ausschimpfen.

"Der ist ja völlig verrückt!", brummte Thomas Ritchi. "Fordert Objekte, die nicht reden können, dazu auf, zu reden!"

Die giftigen Blicke, die ihm sowohl Megamind als auch seine Tochter zuwarfen, hielten ihn aber davon ab, noch mehr zu sagen.

Als er sich sicher war, dass Roxannes Vater still blieb, wandte Megamind sich wieder seinen Erfindungen zu und stieß einen Pfiff aus, der die Brainbots verstummen ließen.

"Mir ist ziemlich egal, wessen Idee es gewesen ist, uns zu überfallen", sagte er. "Ihr seid alle unerlaubterweise hierhergekommen und habt eure Posten verlassen!"

Die Brainbots senkten beschämt die "Köpfe".

"Was wäre, wenn alle das so machen würden?", fuhr Megamind fort. "Wie kann ich mich jemals auf euch verlassen, wenn ihr nicht einmal diesen einfachen Befehl befolgen könnt?"

Die kleinen Roboter machten ein Geräusch, das entfernt nach einem Schluchzen klang.

"Ach, komm, Megamind, es ist schon gut", meinte Roxanne mitleidig und legte ihm ihre Hand auf die Schulter. "Sieh doch, du hast sie zum Weinen gebracht."

Megamind seufzte theatralisch und drehte sich zu ihr um. "Warum sagen mir immer alle, ich würde die Gefühle meiner Erfindungen verletzen?"

Sie sah ihn verdutzt an. "Wer hat denn das behauptet?"

Statt zu antworten streckte er nur die Hand aus und zeigte auf Minion.

Dieser verschränkte seine Roboterarme und reckte trotzig das Kinn. "Sie haben gesagt, dass sie den Spider Bot nicht mehr brauchten, Sir. Während Sie vor ihm standen!"

Roxanne fing an zu lachen, während Megamind entnervt stöhnend das Gesicht in den Händen vergrub.

"Heute kann's einfach nicht mehr schlimmer werden", seufzte er und drehte sich zu den Brainbots zurück. "In Ordnung, vergessen wir das für heute. Aber morgen habt ihr Hausdienst. Und jetzt raus!"

Die Brainbots machten grummelnde Geräusche und flogen wieder zum Fenster hinaus. Megamind schloss das Fenster hinter ihnen und lehnte erleichtert die Stirn gegen den Rahmen.

Ein peinliches Schweigen erfüllte wieder einmal den Raum. Oh ja, das wurde ein laanger Tag...
 

"Na, das lief doch besser als ich erwartet hatte", meinte Roxanne, nachdem ihre Eltern endlich wieder gegangen waren. Sie zog den letzten Teller aus dem Spülwasser und stellte ihn zum Abtropfen beiseite.

Megamind warf ihr einen ungläubigen Blick zu. "Meiner Meinung nach ist alles schief gegangen, was nur schief gehen konnte!"

Er hatte auf einem der Hocker in ihrer Küchenzeile Platz genommen und stützte sich mit den Ellbogen auf der Anrichte ab. Vornübergebeugt saß er da, den Kopf auf den gefalteten Händen, ein Abbild vollkommener Müdigkeit. Gute erste Eindrücke waren anstrengend.

Hinter ihm hockte Minion auf einem der Esszimmerstühle, der unter dem Gewicht des Roboteranzuges bereits bedrohlich knackte und knirschte. Der Fisch selbst war in seinem Wasserbehälter eingeschlafen und schwamm leise vor sich hinschnarchend kopfüber im Wasser.

"Ach, Unsinn!", widersprach Roxanne und trocknete ihre Hände an einem Geschirrtuch ab. "Immerhin hast du versucht, freundlich zu bleiben, obwohl es dir mein Vater weißgott nicht einfach gemacht hat. Und du hast nicht versucht, ihn zu anzugreifen oder deine Brainbots auf ihn zu hetzen."

"Das wäre auch ziemlich schlecht für meine Arbeit", erwiderte Megamind trocken. "Dein Vater scheint mir nämlich ein Mann zu sein, der gerne anderen Probleme bereitet."

Roxanne lachte. "Stimmt schon, fürchte ich. Er hat eben immer gehofft, ich würde mir einen Lebensgefährten suchen, der etwas ... standesgemäßer ist."

Megamind schnaubte. "Und was genau empfindet er als standesgemäß?", wollte er genervt wissen.

"Das weiß ich leider auch nicht", antwortete Roxanne ernsthaft. "Aber selbst wenn du bei meinem Vater nicht gut ankommst, meine Mutter scheint dir auf jeden Fall eine Chance geben zu wollen."

Ihr Freund sah sie skeptisch an. "Ich wusste gar nicht, dass Gedankenlesen eine deiner Fähigkeiten ist. Kein Wunder, dass alle meine Pläne immer schief gingen."

Sie verdrehte die Augen. "Sei nicht albern, ich kann keine Gedanken lesen. Aber ich kenne meine Mutter lange genug, um ihre Gedankengänge nachvollziehen zu können. Sie hat meinem Bruder und mir immer gesagt, dass wir Leuten eine Chance geben sollten, sich zu beweisen. Und meine Mutter steht zu ihren Prinzipien, selbst wenn es ihr manchmal schwer fällt. Und weißt du was?," fügte sie hinzu.

"Was?" Megamind hob den Kopf.

Roxanne drückte lächelnd einen Kuss auf seine Stirn. "Ich glaube, sie fand die Begegnung heute ziemlich amüsant."

"Nicht gerade die Gefühlsregung, die ich mir für ein erstes Treffen gewünscht habe." Er grinste schief.

"Besser als Angst und Schrecken ist es allemal", erwiderte sie belustigt. "Aber das hast du eigentlich noch nie so richtig hinbekommen."

"Ha-ha", lachte Megamind trocken und sah auf seine Uhr. "Ich glaube, es ist das Beste, wenn Minion und ich jetzt wieder ins Versteck zurückgehen. Ist schon ziemlich spät." Er glitt vom Hocker herunter und ging zu dem immer noch schlafenden Minion.

Roxanne blickte zu ihrer Küchenuhr hoch. Es war in der Tat schon zwölf Uhr nachts vorbei. Und nach Megaminds Bewegungen zu schließen war er mindestens genauso müde wie Minion.

"Weißt du, ich glaube es ist besser, wenn ihr beiden heute Nacht hier schlafen würdet", meinte sie in dem Augenblick, als ihr Freund seinen Helfer endlich wach bekommen hatte.

Megamind drehte sich verdutzt zu ihr um. "Was? Wie? Wieso?", fragte er verwirrt.

"Du willst doch wohl keinen Unfall bauen, weil du am Lenkrad eingeschlafen bist, oder?" Sie zuckte mit den Schultern. "Und dasselbe gilt für dich, Minion", fügte sie hinzu, als der Fisch den Mund aufmachte, um etwas zu erwidern.

Einen Moment lang sahen sich die beiden Außerirdischen ratlos an. Dann zuckte Minion mit seinen Roboterschultern und bewegte seinen Fischkörper wie bei einem Nicken auf und ab.

"Ich glaube, es könnte nicht schaden, Sir", sagte er. "Wenn irgendwas ist, werden die Brainbots uns schon kontaktieren."

Megamind sah einen Moment lang unsicher zwischen Minion und Roxanne hin und her, die ihn aufmunternd ablächelten. "Na gut", erwiderte er schließlich. "Sicher, dass es dir nichts ausmacht?"

Sie verdrehte die Augen. "Sicher. Du musst dich nicht immer gleich in dein Versteck zurückziehen, nachdem du hier zu Besuch warst."

"Deine Eltern kommen auch nicht zurück, oder?", fragte er vorsichtshalber.

"Erstens sind meine Eltern schon wieder auf dem Weg nach Hause und zweitens würde ich ihnen was husten, wenn sie hier unerlaubterweise in meine Wohnung kämen", antwortete sie genervt seufzend. "Familie hin oder her, Einbruch bleibt Einbruch."

Megamind nickte langsam und wandte sich an Minion. "Na gut, dann bleiben wir heute Nacht hier. Minion, Code: Schlafenszeit."

"Code: Wird gemacht, Sir." Der Fisch drückte einen Knopf an seinem Anzug und ein kleines Schloss tauchte aus der Versenkung in dem Fischglas auf. Minion quetschte sich in die Öffnung und das Schloss verschwand wieder im Innern des Roboteranzuges.

Roxanne grinste. "Du hast ihm ein Unterwasserschloss eingebaut?", fragte sie ihren Freund belustigt.

Megamind zuckte mit den Schultern. "Irgendwo muss er doch schlafen und wenn er in einem Aquarium schliefe, würde es viel zu lange dauern, ihn im Notfall zurück in seinen Anzug zu stecken. Ganz davon abgesehen, dass es viel zu gefährlich für ihn wäre. Außerdem ist es nicht gut für ihn auf dem Rücken zu schlafen."

"Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen", meinte sie. "Ich vergesse nur manchmal, dass er ein Fisch ist. Aber du musst zugeben, dass das Schloss ein wenig zu klein für ihn ist."

"Psst!", machte er und wedelte mit den Händen. "Er ist da sehr empfindlich! Außerdem passt da sowieso nichts Größeres rein."

"Minion ist empfindlich, weil das Schloss zu klein für ihn ist?", fragte sie schmunzelnd. "Warum? Er ist ein Fisch!"

"Spielt es eine Rolle? Er ist es einfach und nichts kann ihn davon abbringen." Megamind seufzte und setzte sich auf das Sofa, dass dem Fenster zugewandt war. "Schlaf gut, Roxanne."

"Du willst auf der Couch schlafen?"

"Wo denn sonst?" Megamind öffnete die Schnürsenkel seiner Halbschuhe und streifte die Schuhe ab.

"Im Bett natürlich." Roxanne fragte sich, ob es für sie überhaupt möglich war, noch öfter die Augen zu verdrehen als sie es ohnehin schon tat.

Er sah sie an und lachte nervös. "Seit wann hast du ein Gästebett?"

"Habe ich nicht", erwiderte sie.

Megamind musste schlucken. Er war zwar bereits zu verschiedenen Anlässen in ihrem Schlafzimmer gewesen - es war nun wirklich nicht so, als wäre ihre Beziehung zölibatär, eher im Gegenteil -, aber bisher hatte er sich immer dagegen gesträubt, in ihrem Bett einzuschlafen. Was eigentlich vollkommener Blödsinn war, das war selbst ihm bewusst.

"Äh, nun, wenn es dir nichts ausmacht...", murmelte er schließlich und erhob sich von dem Sofa.

"Ich glaube, im selben Bett mit mir zu schlafen, ist wohl das Harmloseste im Vergleich zum Rest", antwortete sie und nahm ihn bei der Hand. "Du musst endlich mal lockerer werden."

"Seid bitte nicht zu laut da drinnen, ich will hier schlafen", ertönte es dumpf aus dem Inneren des Roboteranzuges, als die beiden bereits die Tür zum Schlafzimmer erreicht hatten.

"Minion!"

Roxanne lachte.
 

Die Gasse, die die beiden Männer jetzt betraten, war vollkommen in Finsternis gehüllt. Den ganzen Tag schon suchten sie nach ihm, ohne auch nur einen Hinweis auf seinen Verbleib gefunden zu haben.

"Glaubst du wirklich, dass es so eine schlaue Idee ist, hier nach ihm zu suchen?", fragte der Jüngere der beiden besorgt. "Hier gibt es keinerlei Versteckmöglichkeiten, sollte er denn hier sein. Du weißt, dass wir keine Chance in einem Kampf gegen ihn hätten."

"Ich glaube nicht, dass er sich wirklich hier herumtreibt, Ansgar", antwortete der Ältere. "So langsam bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob er überhaupt in dieser Stadt ist."

"Wieso?"

"Hast du nicht die ganzen Roboterquallen gesehen, die hier überall herumfliegen?", erwiderte der Ältere. "Wenn er hier gewesen wäre, hätten sie doch schon längst Alarm geschlagen. Du weißt, dass er keinerlei Zurückhaltung kennt, nicht einmal dann, wenn es für ihn selbst am besten wäre."

Ansgar strich sich ein paar vorwitzige Strähnen seines schwarzen Haares aus der Stirn und blickte in das von Runzeln zerfurchte Gesicht seines Kompagnions. "Und was ist, wenn er es gelernt hat?", wollte er wissen. "Du weißt, wie schnell seine Geschwister neue Fähigkeiten gelernt haben und er ist schließlich schon seit zwei Wochen unterwegs."

Sein Begleiter schüttelte den Kopf, doch Ansgar ließ nicht locker. "Mir ist nicht wohl bei der Sache. Er hat sich in der Vergangenheit schon unberechenbar verhalten. Was ist, wenn er uns die ganze Zeit zum Narren gehalten hat?"

Der Ältere legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. "Wenn es dich beruhigt, dann brechen wir für heute ab und kontaktieren die Gruppe. Heute werden wir ihn ohnehin nicht mehr finden." Er klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken und bedeutete ihm, vorauszugehen.

Ansgar blinzelte und verengte die Augen zu Schlitzen als er versehentlich in das Licht einer Straßenlaterne trat, die am Eingang der Gasse stand. Warum Stadtmenschen so viel Energie in Lampen investieren mussten, war ihm ein Rätsel. Zuhause konnten die Menschen auch ohne elektrisches Licht erkennen, wo sie langliefen. Mal abgesehen davon, dass der grelle Schein seinen Augen schadete. Er konnte so gut wie gar nichts sehen.

Ein Krachen hinter ihm ließ ihn herumfahren, doch noch immer hatten sich seine Augen nicht ganz an den Lichtwechsel gewöhnt und er sah nur eine verzerrte Gestalt auf ihn zukommen. "Mach doch nicht so einen Lärm, Fulco!", fuhr er seinen Begleiter an. "Du weckst noch die ganze Nachbarschaft auf!"

Statt zu antworten, holte die Person vor ihm mit der Hand aus und Ansgar wich erschrocken zurück, aus dem Schein der Straßenlaterne heraus.

"Was soll das, Fulco?", grummelte er. "Verträgst du keine Kritik mehr?"

Noch immer orientierungslos stolperte er die Straße entlang, der Andere einige Meter hinter ihm. Zum Glück fuhren im Moment keine Autos hier herum. In seinem Zustand könnte er sie nicht heranfahren sehen.

Ansgar brummte verärgert. Fulco musste doch sehen, dass er im Moment blind wie ein Maulwurf war. Warum half er ihm nicht?

Nach ein paar Metern knallte er gegen ein Verkehrsschild und stampfte gereizt mit dem Fuß auf. "Verdammt noch mal, Fulco, konntest du mir nicht sagen, dass hier eine Stange ist?"

Wieder kam keine Antwort.

Langsam wurde Ansgar unruhig. Fulco blieb nie so lange still. Vielleicht war das Krachen ja dadurch entstanden, dass er hingefallen war und sich verletzt hatte. Womöglich sagte er deshalb nichts, weil er sonst anfing zu schreien.

Er, Ansgar, sollte vermutlich wirklich nicht so gemein zu dem alten Mann sein und sich besser mal anschauen, ob und wo er sich verletzt hatte.

Doch als Ansgar sich umdrehte, blieb ihm die Luft im Halse stecken.

Da stand Er. Ansgar hatte Recht behalten, Er hatte dazugelernt.

"Wo ist Fulco?", fragte Ansgar mit dünner Stimme, obwohl er wusste, dass sein Gegenüber ihm nicht antworten würde, ja, es nicht einmal konnte.

Die Gestalt vor ihm grinste schadenfroh und versetzte ihm einen Schlag ins Gesicht, der ihn einige Meter durch die Luft fliegen ließ.

Mit einem Schmerzensschrei prallte Ansgar auf dem Asphalt auf und er rappelte sich so schnell er konnte auf. Seine rechte Gesichtshälfte war aufgeschürft und sein Ohr protestierte schmerzhaft gegen die grobe Behandlung, die ihm zuteil geworden war. Sein Arm fühlte sich an, als hätte er ihn ausgekugelt.

Die Gestalt kam sehr langsam auf ihn zu, gerade so als wüsste sie, dass er nicht entkommen konnte.

Nun, Ansgar war immer gerne bereit, andere eines Besseren zu belehren. Er drehte sich um und rannte los.

Wenn er nur ein gutes Versteck finden könnte...

Die Schritte schienen immer näher zu kommen, noch schneller konnte er nicht laufen...

Überall nur Sackgassen...

Gleich war Er direkt hinter ihm...

Wenn er doch nur ein Versteck finden könnte...

Plötzlich hörten die Schritte auf und Ansgar kam schlitternd zum Stehen. Er konnte Ihn doch unmöglich abgehängt haben, oder? Verunsichert blickte er über die Schulter zurück. Nichts.

Ein paar Schritte ging er noch, dann knallte er gegen etwas Hartes und fiel hin. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei und hielt seinen verletzen Arm.

Als er aufblickte, erkannte er, dass er seinem Verfolger direkt in die Arme gelaufen war. Ansgar wich zurück und sah sich panisch um. Er war an einem Abhang angelangt, hinter ihm war eine Ruine, die aussah, als wäre sie mal ein Observatorium gewesen. Irgendetwas hatte sie inzweigerissen und es war bestimmt nichts Natürliches. Aber was kümmerte ihn das jetzt?

Das Gesicht seines Verfolgers verzog sich zu einem teuflischen Grinsen, kam aber nicht näher.

Hinter Ansgar war jetzt der Abhang. Er konnte nirgendwo mehr hin, er saß in der Falle!

Sein Angreifer streckte die Hand nach ihm aus und setzte sich in Bewegung, immer noch dieses Grinsen auf den Lippen. Er würde ihn sicherlich nicht einfach umbringen, wahrscheinlich wäre ein Sprung in die Tiefe schmerzloser.

Entschlossen stand Ansgar auf und blickte seinem Verfolger trotzig ins Gesicht.

Er war schon fast bei ihm. Gleich würde Er ihn bei den Haaren packen und davonschleifen...

Seine Hand packte zu...

Und Ansgar sprang.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-04-26T18:26:45+00:00 26.04.2012 20:26
Wirklich gelungener Anfang. Den eltern der Freundin vorgestellt zu werden hat schon so machnchen nervös werden lassen und die Szene ist gut durchdacht, die Dialoge klasse. Die Brainbots so gesehen als "lebende" Wesen agieren zu lassen, war ein genialer Gedanke und das Megamind von einem Gebissen wird, ruft mir die entsprechende Szene ins Gedächtnis.
Das Ende des Kapitels ist ein gemeiner Cliffhanger. Man fragt sich wer die Gestalten sind und was sie vorhaben
Von:  sadako888
2011-09-18T19:34:43+00:00 18.09.2011 21:34
Ich schließe mich Z's Lobesbekundungen in jedem Stück an, auch ich habe sehr viel Freude daran gehabt, dieses Kapitel zu lesen, auch aus ebendiesen Gründen. Das Megamind 'faxieren' statt fixieren gesagt hat ist der allererste von deutschen Fans geschriebene Versprecher, der mir nicht kindisch vorkommt, sondern passt. Das Brainbotnummernsystem fand ich überaus genial, und auch das Gemeckere von Megamind. Es kommt endlich mal durch, dass er eine respektable Persönlichkeit ist, auch wenn er nur von den Brainbots ernstgenommen wird. Die Eltern waren wirklich ein Traum zu lesen, weswegen ich nicht verstehe, warum du sie im Anschluss nicht mehr auftreten lässt. Der Schwenker zu den düsteren Gestalten zum Schluss ist ein interessanter Cliffhanger, auch wenn sie im ersten Moment verwirren.
Von:  Bramblerose
2011-07-02T15:14:55+00:00 02.07.2011 17:14
... uu' Ok ich gebe zu, ich konnte nicht bis zum Abend warten, ich bin zu neugierig. Und da ich offenbar der einzige Megamind Fan auf dieser Seite bin, muss ich jeglichen Input sofort verschlingen!

Also! Zu deiner FF! Ich bin sehr beeindruckt! Ich hab bisher keine Ffs von dir gelesen, aber mir gefällt dein Stil unglaublich gut. Du schreibst bildhaft und ausgeglichen, ich kann mir jedes Szenario gut vorstellen. Du triffst auch den Ton der Figuren sehr genau. Und da ich dieses Werk genieße, lese ich es Stück für Stück und bleibe am Ball und werde jedes Kapitel einzeln kommentieren.

Zum ersten Kapitel: Es hat mir wirklich sehr gut gefallen! Ich liebe das Thema der Eltern in solchen Geschichten, besonders das Klischee, dass der Vater immer abgeneigt ist! Sowas lese ich gerne, daher schade, dass die Eltern doch recht kurz gekommen sind! Die Bezeihung zwischen Meg und Roxy finde ich auch gut dargestellt und ich bin gespannt, wie es weiter geht. Deine Idee mit den Nummern der Brainbots ist genial! Auf Nummern als Namen wäre ich nicht gekommen, geschweige denn, dass Meg sie alle außeinander halten kan, was natürlich nahe liegt. Immerhin sind es seine Schöpfungen! Süß war die Idee mit dem Hemdkragen, was auch so herrlich typisch ist, wenn man weiß, dass Megamind kein Kragen hoch genug sein kann ;)
Das Ende ist auch relativ interessant aufgebaut. Man fragt sich, was ist da los und wieso machen diese Gesatlten das! Es stimmt was du gesagt hast, es erinnert wirklich an einen Krimi, aber bei Megamind als Held liegt dieses Genre nahe! Daher denke ich, dass es bei dir recht sapnnend wird, aber ich lass mich überraschen!

Was ich wirklich bewunderswert finde ist, dass sich der Name Megamind bei dir so natürlich ließt. Ich selber finde es sehr eigenartig Megamind zu benutzen als Name, deswegen stockt bei mir das Schreiben. Normalerweise habe ich mit Formulierungen keine Probleme und Geschichten gehen mir locker von der Hand. Nur Megs Ton zu treffen, fällt mir sehr schwierig. Deswegen: Respekt an die Leistung. Ich freue mich auf das zweite Kapitel, mal sehen wozu mich meine Neugierde treibt! Also bekommst du im Laufe des Tages noch einen zweiten Kommentar!^^

Liebe Grüße,
Bramblerose


Zurück