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Das Dilemma der Puppenmacher

Eine Megamind-Fanfiction
von

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Verschwunden

Zwei Tage war es nun her, dass Megamind seinen ersten Kampf gegen den "Häuserstürzer" bestritten hatte und seither lief letzterer ziellos durch die Stadt und brachte die Menschen in Aufruhr. Aus der Sorge heraus, der Mann aus Lehm könnte sich tatsächlich weitere Menschen als Spielzeug aussuchen, hatte Megamind die Brainbots auf seinen Gegner angesetzt. Eigentlich hatte er gehofft, dass die kleinen Roboter ihn irgendwie stoppen könnten, doch leider zertrümmerte er jeden Brainbot, der in Reichweite seiner Arme kam. Dies war erstaunlicherweise aber auch das Einzige, das die Puppe machte, die ansonsten durch die Straßen irrte, als suche sie etwas.

Megamind fand das Verhalten des Mannes seltsam. Hatte Roxannes Schlag auf seinen Kopf vielleicht irgendetwas bewirkt, dass er jetzt so friedlich war? Die Warnungen, die Megamind und Minion im Zuge seiner Flucht an die Bevölkerung ausgegeben hatten, schienen auf einmal vollkommen überflüssig. Ob es wohl nur ein Trick war, um die Menschen in Metro City - und somit auch Megamind - in Sicherheit zu wiegen, ehe er abermals zuschlug?

Megamind konnte es jedenfalls nicht nachprüfen, da er im Moment nicht in der Lage war, Roxannes Wohnung zu verlassen, nachdem sie und Minion ihn dorthin gebracht hatten. Dies veranlasste Megamind dazu sich zu fragen, ob seine Fähigkeiten mit seinem Berufswechsel nachgelassen hatten. Als er noch ein Superschurke war, konnte ihn kein Schloss und keine Stahltür davon abhalten, nach draußen zu kommen. Doch jetzt scheiterte er schon an einer ganz gewöhnlichen Holztür in einer ganz gewöhnlichen Wohnung, die noch nicht einmal abgesperrt war.

Vermutlich lag es aber wohl daran, dass Minion diesmal gegen ihn spielte statt mit ihm. Nachdem er nach seinem Kampf ohnmächtig geworden war, hatten Roxanne und Minion ihn ins Krankenhaus gebracht, wo ihm eine Gehirnerschütterung, ein verstauchtes Handgelenk und mehrere geprellte Rippen bescheinigt worden waren und ihm nahegelegt wurde, die nächsten drei bis vier Tage keine schweren Arbeiten zu tun. Daraufhin hatten sich sowohl Roxanne als auch Minion dafür ausgesprochen, dass Megamind sich im Krankenhaus erholen sollte, wovon er natürlich nichts hatte wissen wollen. Sie hatten erst klein beigegeben, nachdem er ihnen versprochen hatte, es ruhiger angehen zu lassen.

Womit er allerdings nicht gemeint hatte, die Hände in den Schoß zu legen und gar nichts mehr zu machen! Wenn er nur nachsah, wo der "Häuserstürzer" war, konnte man das doch niemals als schwere Arbeit ansehen!

"Megamind, leg dich wieder hin!", hörte er Roxanne von der Küchenzeile aus sagen, gerade als er zum x-ten Male die Hand auf der Klinke hatte. "Du gehst hier erst wieder raus, wenn du deine Verletzungen auskuriert hast. Und im Schlafanzug kannst du sowieso nicht vor die Tür."

Missmutig drehte er sich um und trottete zurück zu der Couch, die dem Fenster zugewandt war. Er war sich so sicher gewesen, dass sie dieses Mal wirklich nichts mitbekam. Aber irgendwie schien sie immer zu wissen, wenn er zur Wohnungstür schlich, egal wie leise er auch war.

Mit einem Seufzer ließ er sich fallen und sog scharf die Luft ein, als sein Brustkorb mal wieder seinen Unmut über die grobe Behandlung kundtat.

"Während ich hier herumhocke, kann dieser Kerl immer neuen Schaden anrichten", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Ich muss doch wenigstens herausfinden, wo er ist!"

"Du kannst nicht alles alleine machen", meinte Roxanne, stellte eine Tasse Tee auf dem Kaffeetisch ab und setzte sich neben ihn. "Die Brainbots scheinen die Sache doch im Griff zu haben."

Er sah sie nur zweifelnd an.

"Komm schon. Mach ein fröhlicheres Gesicht." Sie stupste ihn spielerisch mit dem Ellbogen an und bereute diese Aktion gleich wieder, als sein Gesicht sich abermals vor Schmerz verzerrte. "Ah! Tut mir leid! Aber da siehst du wieder, dass du noch nicht auf der Höhe bist. Warum siehst du das nicht ein?"

"Habe ich denn überhaupt eine Wahl?", fragte Megamind niedergeschlagen. "Metro Man..."

"Metro Man war - beziehungsweise ist - unverwundbar", erinnerte ihn Roxanne. "Du hingegen bist es nicht. Und ich bin mir sicher, dass die Leute dafür Verständnis haben."

"Du sagst das doch nur, damit ich endlich hier bleibe, oder?", murmelte er missmutig.

"Nein, ich meine es vollkommen ernst." Sie strich ihm liebevoll über den kahlen Schädel. "Außerdem sind immer noch die Brainbots da. Und Minion."

Megamind warf seufzend den Kopf zurück und lehnte sich gegen den Rückenteil der Couch. "Ich hasse es einfach, untätig herumzusitzen. Dann bin ich doch vollkommen ... nutzlos."

Roxanne schubste ihn an der Schulter. "Red keinen Schwachsinn, du bist nicht nutzlos!", erwiderte sie aufgebracht. "Das denkt auch niemand von dir. Glaubst du etwa, die Menschen von Metro City würden sich auf deinen Schutz verlassen, wenn sie der Meinung wären, dass du nicht von Nutzen wärst? Wayne haben sie vergeben, dass er seinen Tod vorgetäuscht hat, obwohl das die gesamte Stadt ins Chaos gestürzt hat. Da werden sie dir auch keinen Strick daraus drehen, dass du deine Verletzungen auskurieren musst."

Er lachte freudlos. "Ja, aber Metro Man ist der Goldjunge der Stadt. Der kann doch gar nichts falsch machen!"

Sie verdrehte die Augen. "Hör endlich auf, so fatalistisch zu sein!", schalt sie ihn. "Du musst dich nicht an ihm oder mit ihm messen. Und überhaupt: Seit du den Heldenberuf angenommen hast, tut die Polizei wenigstens endlich wieder etwas statt nur sinnlos in die Luft zu ballern. Das hat Wayne bei seiner Amtsniederlegung doch auch gesagt. Dass die Menschen sich zu sehr auf ihn verlassen hätten und dadurch unselbstständig geworden sind."

Über Megaminds Gesicht zuckte ein schwaches Lächeln. "Soll das heißen, dass man sich nicht auf mich verlassen kann?"

Roxanne musterte ihn streng. "Hör auf, mir Worte in den Mund zu legen."

"Entschuldigung." Er senkte den Kopf und sah sie scheu durch die Wimpern hindurch an.

"Nun gut." Sie richtete sich wieder auf. "Trink deinen Tee und versuch noch ein wenig zu schlafen. Du wirst feststellen, dass die Zeit dann viel schneller vergeht."

Megamind lachte und salutierte spöttisch. "Jawohl, Frau General."

"Und ich werde derweil meine Mutter anrufen", fuhr sie fort und erntete einen entsetzten Blick von ihrem Freund.

"Was?!", fragte er alarmiert. "Warum? Wozu?"

"Ich kann nicht den ganzen Tag darauf aufpassen, dass du in der Wohnung bleibst", erwiderte Roxanne. "Ich habe schließlich eine Arbeit, der ich nachgehen muss. Und Minion muss sich ja um deine Brainbots kümmern. Also bleibt mir nur noch diese Möglichkeit."

"A-also ich weiß nicht, ob deine Mutter so begeistert davon wäre, den weiten Weg nach Metrocity zu machen, nur um nach mir zu sehen", meinte Megamind nervös.

"Na, so weit weg wohnen meine Eltern nun auch wieder nicht, sonst hätten sie bei mir übernachtet, nachdem sie dich getroffen haben." Sie verdrehte die Augen. "Und überhaupt, wen hast du denn sonst noch, der darauf achten könnte, dass du auch ja liegen bleibst?"

"Naja, der Direktor vielleicht...", murmelte er.

"Welcher Direktor?", fragte Roxanne stirnrunzelnd.

"Na, ich bin doch in einem Gefängnis groß geworden, schon vergessen?" Megamind lehnte sich in seinem Sitz zurück. "Der Direktor kennt mich seit ich ein kleines Baby war. Aber vergiss es einfach, der hätte sowieso keine Zeit." Er sah nachdenklich auf seine Finger. "Und ich bin mir um ehrlich zu sein auch nicht sicher, ob ich ihn in meinem jetzigen angeschlagenen Zustand in meiner Nähe haben will."

"Na, siehst du." Sie klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und wandte sich zum Telefon um.

"Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich deine Mutter in meiner Nähe haben will!", fügte er panisch hinzu. "Ich habe auch gar keine Alltagskleidung hier! Im Schlafanzug werde ich mich bestimmt nicht mit ihr auseinandersetzen! Und mir geht es doch sowieso viel besser als vor zwei Tagen!"

Ehe sie darauf etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon und ließ beide zusammenzucken.

"Wehe das ist jetzt deine Mutter!", meinte er und versteckte sich hinter der Rückenlehne des Sofas.

Roxanne verdrehte nur die Augen und hob den Hörer ab. "Hallo? ...Oh, Minion, schön von dir zu hören! ...Hm? Ja, Megamind ist im Zimmer." Sie drehte sich zu Megamind um, der sie mit hochgehobenen Augenbrauen fragend ansah. "Soll ich ihn rausschicken?" Bei diesen Worten erntete sie einen wütenden Blick von Megamind. "...Äh, ich glaube nicht, dass ich damit viel Erfolg haben werde. Am besten ich gehe ins Arbeitszimmer."

Doch bevor sie die Tür aufmachen konnte, hatte er ihr schon das Telefon entrungen.

"Hey!", rief sie erbost. "Du sollst dich ausruhen!"

Megamind achtete gar nicht weiter auf sie. "Ollo? Minion?", sagte er ins Telefon. "Was ist los?"

Auf der anderen Seite der Leitung druckste der Fisch verlegen herum.

Megamind verdrehte die Augen. "Heraus damit, Minion, ich finde es sowieso heraus."

Am anderen Ende seufzte Minion resigniert. "Der 'Häuserstürzer' ist verschwunden."

Megamind runzelte die Stirn. Vielleicht hatte er sich verhört. "Äh, wie bitte? Was?"

"Ja, er ist wortwörtlich im Erdboden versunken, Sir!", erklärte Minion. "Im einen Moment ist er noch da, im nächsten sinkt er plötzlich ein. Und die Brainbots konnten ihn auch nicht mehr herausziehen."

Ein paar Minuten lang sah Megamind das Telefon in seiner Hand nur verstört an. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet.

"Minion, Code: Hol den Wagen", sagte er und sah an sich herunter. "Oh, und bring mir meine Uniform mit. Wir müssen ins Krankenhaus."

"Geht es Ihnen nicht gut, Sir?", fragte der Fisch am anderen Ende besorgt. "Soll ich einen Krankenwagen rufen?"

"Unsinn, mir geht es bestens! Aua!" Megamind rieb sich die Stelle, an der Roxanne ihn leicht angestupst hatte. "Zumindest solange gewisse vorwitzige Reporterinnen mir nicht in die Brust pieken." Er warf ihr einen verärgerten Blick zu, den sie aber vollkommen gleichgültig erwiderte. "Wir müssen mit Ansgar reden! ...Du weißt nicht zufällig, wo sich Kalliope und diese Io herumtreiben, oder?"

"Ich kann die Brainbots nach ihnen suchen lassen, Sir", erwiderte Minion zögernd. "Aber Sir, Sie sollen sich doch nicht anstrengen!"

Megamind verdrehte die Augen. "Ich will nur einen Zeugen befragen. Das kann man wohl kaum als 'anstrengen' bezeichnen. Ansgar wird mir ja wohl kaum an die Gurgel gehen."

Bevor Minion noch etwas hinzufügen konnte, hatte Megamind schon wieder aufgelegt und drehte sich zu Roxanne um. "Tut mir leid, Roxanne, aber diese Aufgabe hat absolute Priorität. Wenn wir ihn nicht finden können, taucht er am Ende bei dir im Wohnzimmer auf."

"Klar." Sie verdrehte die Augen und seufzte. "Na schön, du darfst gehen und dich erkundigen. Aber nur zum Krankenhaus. Die wissen wenigstens, was sie machen müssen, solltest du irgendeine Dummheit begehen."

Er sah sie beleidigt an.
 

"Also, Sir, was genau sollen wir Mr. Geberic überhaupt fragen?", wollte Minion wissen, während sie im Unsichtbaren Auto zum Krankenhaus fuhren. "Ich bin mir nicht sicher, ob er uns mehr darüber sagen kann."

"Ich weiß nur, dass mir irgendwas verschwiegen wird. Sonst wäre ich nicht so schlecht vorbereitet." Megamind sah missmutig aus dem Fenster. "Und jetzt...! Jetzt ist dieser blöde Kerl sogar wortwörtlich im Erdboden versunken!"

"Äh, Mr. Geberic, Sir?"

"Ach, Unsinn!" Megamind warf sich genervt in seinem Sitz zurück. "Stell dich nicht dümmer an als du bist, Minion! Du weißt ganz genau, dass ich vom 'Häuserstürzer' rede!"

Minion grummelte leise vor sich hin und starrte stirnrunzelnd auf die Straße. Er konnte ja verstehen, dass diese neueste Entwicklung seinen Freund verstörte, aber deswegen musste er ihn noch lange nicht so anmotzen.

Die Stimmung zwischen den beiden blieb so unterkühlt bis sie beim Krankenhaus angelangt waren und auch den Weg zu Ansgars Zimmer verbrachten sie in bedrücktem Schweigen. Es schlug Megamind aufs Gemüt, dennoch konnte er sich im Moment nicht dazu durchringen, sich zu entschuldigen.

In Raum Hundertneun war Ansgar gerade damit beschäftigt, einen kleinen Koffer mit Kleidungsstücken mit einer Hand zu bepacken, da sein rechter Arm immer noch im Gilchrist steckte. Als die beiden eintraten, wandte er sich um und grüßte sie.

"Hallo", sagte er trocken. "Ich habe schon von Ihrem Pech gehört."

Megamind blinzelte überrascht. "Wie können Sie davon gehört haben?"

Ansgar deutete auf einen kleinen Fernseher, der an einer beweglichen Stange auf der anderen Seite des Zimmers hing. "Die Medien haben keine Zeit verloren, den Fall so stark aufzubauschen wie sie nur können."

"War ja klar", seufzte Megamind. "Aber ist vielleicht auch besser, dieser Kerl ist schließlich sehr gefährlich."

"Er hat seine Taktik geändert", meinte Ansgar und schloss den Koffer. "Bisher hat er einfach nur um sich geschlagen. Jetzt scheint er eingesehen zu haben, dass ihn das nur in Schwierigkeiten bringt. Mich wundert nur, dass er so lange dafür gebraucht hat. Er scheint schwerfälliger geworden zu sein."

"Miss Ritchi hat ihm mit einem Rohr auf den Kopf geschlagen", erklärte Minion nachdenklich. "Könnte das der Grund sein?"

Ansgar dachte nach und wippte dabei auf den Fußballen. "Vielleicht", sagte er dann. "Allerdings wird das nicht viel bewirken können. Die eigentliche Schaltzentrale einer Puppe ist schließlich ihr Herz. Alles andere ist nur ein Zusatz."

"Irgendeine Idee, wie wir ihn ausfindig machen können?", fragte Megamind resigniert. "Er kann schließlich nicht in der Stadt bleiben, sonst geht er wieder auf andere los."

Ansgar schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, aber man kann eine Puppe auf ihrem Weg durchs Erdreich nicht verfolgen. Sie müssen warten, bis sie sich wieder zeigt."

Megamind und Minion stießen gleichzeitig ein entnervtes Stöhnen aus.

"Verzeihung." Ansgar zuckte entschuldigend mit den Schultern und packte dann mit der linken Hand den Koffer. "Aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Sie müssen eben Ihre kleinen Viecher auf ihn ansetzen."

Megamind seufzte tief und nickte. "Und was machen Sie jetzt?", wollte er mit Blick auf den Koffer wissen. "Fahren Sie nach Hause zurück?"

Ansgar schüttelte den Kopf. "Kann ich nicht", seufzte er. "Ich muss erst einmal neue Papiere bekommen. Solange bleibe ich mit Kalliope und Io in der Stadt."

"Wissen Sie denn, wo sie ist?", fragte Minion erstaunt. "Die Brainbots konnten sie nämlich nicht finden und sie hat uns keine Adresse hinterlassen."

"Ich glaube, sie hält sich in dem Viertel auf, in dem ich von Ihm angegriffen wurde", meinte Ansgar. "Dort scheinen viele Häuser leer zu stehen."

"Warum hat sie uns nicht benachrichtigt?" Megamind schüttelte irritiert den Kopf. "Wir hätten schon eine Bleibe für die beiden gefunden."

"Kalliope hasst es, bei anderen Leuten eine Schuld zu haben", erwiderte Ansgar und öffnete die Tür. "Aber wenn Sie wollen, können Sie mit mir kommen und versuchen, sie zu überreden. Vielleicht haben Sie sogar Glück..."

"Auf jeden Fall sollte sie nicht irgendwo bleiben, wo sie ungeschützt ist", meinte Megamind. "Es könnte immer noch sein, dass der 'Häuserstürzer' noch einmal versucht, ihr etwas anzutun."

"Ich glaube nicht, dass Kalliope die Person ist, die er jagt...", erwiderte Ansgar nachdenklich, während er den Krankenhausflur entlanglief, flankiert von Megamind und Minion.

"Nun, wer ist es dann?", fragte Ersterer. "Wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es sagen. Wir tappen schon viel zu lange im Dunkeln."

"Ich weiß nicht genau, wen er jagt", erwiderte Ansgar und zuckte mit der linken Schulter. "Vielleicht tut er das auch gar nicht. Vielleicht will er nur seine Ruhe haben."

"Und da lässt er einfach mal so die halbe Stadt in sich zusammenstürzen und benutzt Menschen als Spielzeug?", wollte Megamind fassungslos wissen. "Das ist nicht gerade die beste Art, unauffällig zu bleiben. Wenn ich früher unauffällig bleiben wollte, dann habe ich mich klein gehalten. Und vielleicht noch eine Verkleidung angezogen."

"Sie müssen nun mal bedenken, dass Er nicht logisch denkt", antwortete Ansgar. "Er hat zwar die Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen, aber vorausplanen kann er nicht. Sein erster Gedanke war vermutlich, uns, also Fulco und mich, loszuwerden und danach hat er einfach immer weitergemacht. In gewisser Weise macht ihn das gefährlicher als jemanden, der einen Plan verfolgt."

Megamind brummte zustimmend.

"Wie geht es eigentlich Ihren Verletzungen?", fragte Ansgar, nachdem sie die letzte Tür durchschritten hatten und draußen vor dem Krankenhaus standen. "Ich meine mich zu erinnern, dass Ihnen drei Tage Bettruhe verordnet wurde."

Megamind verzog das Gesicht. "Jaja, erinnern Sie mich nicht daran." Er warf Minion einen verärgerten Blick zu, der nur unschuldig lächelte. "Ich wurde in Roxannes Wohnung festgehalten! Gegen meinen Willen!"

"Wär' ja auch seltsam, wenn Sie freiwillig festgehalten worden wären", murmelte Ansgar und gab seinen Koffer an Minion ab, der diesen im Kofferraum des Unsichtbaren Autos verstaute. "Festgehalten wird man normalerweise immer unfreiwillig."

Dazu sagte Megamind nichts mehr. Er öffnete die Beifahrertür und ließ sich auf seinen Sitzplatz fallen, ehe er sich zu Ansgar umdrehte, der gerade auf der Rückbank Platz nahm. "Also, wo finden wir Kalliope?"
 

Der Treffpunkt, zu dem Ansgar sie führte, war auf einer der vielen Autobrücken Metro Citys. Megamind wurde ein wenig unwohl, als er erkannte, dass diese Brücke ganz in der Nähe von dem Mietshaus war, in dem Hal Stewart früher gelebt hatte. Er konnte von seinem Standort aus sogar noch das Loch sehen, das erst Hal und dann er selbst in die Wand geschlagen hatte. Anscheinend hatte es die Hausverwaltung nicht für notwendig gefunden, den Schaden zu reparieren oder ihn zumindest bei ihm in Rechnung zu stellen...

Während er darauf wartete, dass Kalliope und Io auftauchten, fragte sich Megamind, ob Hal Stewart wohl wieder zurück in seine Wohnung gehen würde, sobald er wieder aus dem Gefängnis entlassen wurde. Natürlich dauerte das noch ein paar Jahre, aber er fragte sich doch, was der rundliche Mann dann mit sich anfangen würde. Er selbst hatte nie eine Wohnung besessen und sich auch nie die Mühe gemacht, eine zu finden.

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Ansgar aus dem Auto stieg und die Hand über die Augen hielt. "Ich frage mich, wo sie bleibt", murmelte er. "Kalliope ist doch sonst so pünktlich."

"Vielleicht wurde sie von etwas geblendet?", mutmaßte Megamind und sah sich ebenfalls nach der rothaarigen Frau um. "Haben Sie nicht erwähnt, dass Ihre Leute eine Weile nichts mehr sehen können, wenn sie versehentlich in die Sonne oder ähnliches sehen?"

"Mag sein, aber sie hat doch Io bei sich...", erwiderte Ansgar nachdenklich.

"Oh!", machte da Minion und zeigte nach vorne. "Da kommen sie doch schon!"

Auf der anderen Seite der Brücke waren tatsächlich gerade Kalliope und Io aufgetaucht und kamen langsam auf sie zu.

"Wir haben Sie viel früher erwartet", sagte Megamind, als die beiden Frauen endlich bei dem Unsichtbaren Auto angekommen waren.

"Wir hatten uns verirrt, es gibt wirklich viele Brücken hier", erwiderte Io schulterzuckend. "Und warum sind Sie überhaupt hier?"

"Nun, wir haben Ansgar hierher begleitet", antwortete er.

"Das ist natürlich sehr zuvorkommend von Ihnen", meinte sie. "Aber da hätten Sie ihn auch einfach hier abliefern können."

Megamind und Minion blinzelten beide verdutzt über die Unverblümtheit der Puppe.

"Äh. Natürlich kann man das auch so sehen", murmelte Megamind. "Aber da er ja immer noch nicht ganz gesund ist, wäre es nicht besonders klug, ihn einfach irgendwo stehen zu lassen. Hier kann er leicht überfallen werden..."

"Obwohl Sie diese Stadt überwachen? Schwach...", antwortete Io und bekam von Kalliope einen Knuff in die Seite verpasst.

"Megamind wollte wissen, ob ihr beide einen guten Schlafplatz habt", schaltete sich Ansgar in das Gespräch ein, ehe es in Streit ausartete. "Ansonsten will er etwas für uns finden."

Kalliope verzog das Gesicht.

"Jaja, ich weiß schon", sagte Megamind, als Io den Mund aufmachte, um für ihre Herrin zu sprechen. "Sie stehen nicht gerne in der Schuld anderer. Aber hier geht es um mehr als um albernen Stolz. Sie könnten in ziemliche Schwierigkeiten geraten, wenn Sie nachts auf der Straße bleiben. Jetzt da so viele Gebäude eingestürzt sind, kommen immer mehr unlautere Personen aus ihren Verstecken. Und das, verbunden mit der Suche nach dem 'Häuserstürzer', überfordert die Brainbots ein bisschen."

"Wie wäre es damit, Kalliope?", meldete Ansgar sich zu Wort, als die junge Frau immer noch unwillig den Kopf schüttelte. "Sie finden für uns eine Bleibe und dafür helfen wir ihnen dabei, deine Puppe zu finden."

Kalliope seufzte resigniert, den Blick gen Boden gesenkt. Dann sah sie zu Megamind auf und nickte mit dem Kopf.

"Frau Astraea meint...", begann Io, wurde aber von Megamind unterbrochen.

"Ich habe das schon verstanden, danke."

Io zuckte gleichgültig mit den Schultern. Insgeheim fragte er sich, ob die Puppe sich überhaupt für irgendetwas genug interessierte, um mehr als nur positiv-neutral dazu zu sein.

Minion öffnete die hintere Tür des Unsichtbaren Autos und hielt sie für Kalliope und Io auf, die schnell ins Innere verschwanden.

"Nun, das ging ... schneller als ich erwartet hatte", murmelte Megamind nachdenklich. "Was genau war jetzt das Schwierige an dieser Sache?"

Ansgar zuckte mit den Schultern. "Für Sie mag das jetzt nicht schwierig erschienen sein, aber Sie versuchen auch nicht schon seit Tagen, sie dazu zu überreden."

"Ergibt trotzdem keinen Sinn, warum sie sich jetzt so schnell dazu durchgerungen hat."

"Vielleicht dachte sie, dass sie Ihnen gegenüber sowieso schon eine Schuld hat", mutmaßte Ansgar. "Schließlich wurden Sie von ihrer Puppe verletzt."

Megamind gab einen gleichmütigen Laut von sich und stieg in den Wagen ein. Was auch immer der Grund war, er war froh, dass er jetzt wenigstens wusste, wo die Puppenmacherin war, wenn er sie brauchte.

"So!", machte Minion, nachdem auch der letzte Passagier eingestiegen war. "Äh... Wo sollen wir eigentlich hinfahren, Sir? Im Versteck können wir sie ja schlecht unterbringen."

"Vielleicht hat Roxanne eine Idee", murmelte Megamind abwesend, während er eine Nachricht auf seinem Handy durchlas. "Wir müssen sowieso zu ihrer Wohnung, sonst habe ich für den Rest des Tages ihre Mutter am Hals. Frag nicht", fügte er hinzu, als Minion ihn schief von der Seite her ansah und steckte das Telefon weg. Er unterdrückte ein Gähnen und schloss die Augen. "Lass uns einfach zurückfahren. Ich glaube, ich muss ein wenig schlafen..."
 

Als Megamind wieder aufwachte, lag er - wieder in seinen Schlafanzug gekleidet - ausgestreckt mitten auf Roxannes Bett. Es war dunkel im Zimmer, die Vorhänge waren zugezogen und gelbes Lampenlicht fiel durch einen Spalt in der Tür.

Er fuhr erschrocken in die Höhe, als ihm wieder einfiel, was er Ansgar und Kalliope versprochen hatte und hielt sich gleich darauf die schmerzenden Rippen, die gegen seine hektischen Bewegungen protestierten.

Mühsam rutschte er an den Bettrand, tastete mit den Zehen suchend den Boden nach seinen Schlappen ab und seufzte genervt, als er feststellte, dass sie auf der anderen Bettseite standen.

Müde schlurfte er zur Tür und warf einen Blick nach draußen, aber alles was er zu sehen bekam, waren die roten Vorhänge, die vor die großen Fenster in Roxannes Wohn- und Esszimmer gezogen worden waren.

Er trat aus dem Zimmer heraus und ging die Wendeltreppe nach unten. Hoffentlich hatte Minion Ansgar, Kalliope und Io irgendwo unterbringen können. Er hatte nun wirklich keine Lust, sie schon wieder suchen gehen zu müssen, vor allem da Kalliope ein großes Talent zum Versteckspiel zu haben schien.

Als er die Küchenzeile erreicht hatte, hörte er ein Kichern und hob stirnrunzelnd den Kopf. Auf einem der Barhocker vor der Anrichte saß Io und musterte ihn spöttisch.

"Hübsches Muster, Herr Megamind", stichelte sie. "Ich hatte ja eigentlich eher Flitzeautos und Schu-Schu-Züge erwartet."

Megamind sah an sich herunter und dann wütend zu ihr herüber. Was ging sie denn das an, wenn er einen Schlafanzug mit Biohazard-Symbolen trug? Roxanne jedenfalls hatte sich noch nie darüber beschwert.

"Was machen Sie hier?", fragte er misstrauisch. Je länger er mit dieser Puppe zu tun hatte, desto weniger konnte er sie leiden. Kein Wunder, dass ihr Bruder so misslungen war.

"Nun, da Sie ja während der Autofahrt eingeschlafen sind, mussten wir hierher kommen, damit Sie sicher ins Bett gebracht werden konnten", erwiderte sie mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen. "Aber keine Sorge, Ihre Angebetete kümmert sich um unsere Unterkunft."

"Es war nicht meine Absicht einzuschlafen!", verteidigte Megamind sich verärgert. "Und warum sind ausgerechnet Sie als Einzige noch hier?"

Io zuckte mit den Schultern. "Frau Ritchi ist wohl der Meinung, dass jemand da bleiben muss, um auf Sie aufzupassen."

"Völlig unnötig", brummte er und ließ sich auf einem der beiden Sofas nieder. "Mir geht es blendend."

"Sicher", erwiderte sie augenrollend.

Megamind schnaubte verärgert und drehte ihr den Rücken zu. Hinter ihm seufzte Io gelangweilt. So tickten die Minuten in vollkommenem Schweigen dahin, nur ab und zu unterbrochen von einem Rascheln, wenn sich einer von beiden bewegte.

Nach etwa einer halben Stunde hörten sie endlich das Geräusch eines Schlüssels, der in das Wohnungstürschloss gesteckt und umgedreht wurde. Die Tür wurde von außen geöffnet und Roxanne, Kalliope und Ansgar betraten den Raum.

"Na endlich", murmelte Megamind und stand von dem Sofa auf. "Wo ist Minion?"

"Minion wollte zum Versteck gehen", erklärte Roxanne und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Um die Brainbotpatrouillen zu organisieren."

"Und wir haben keine Bleibe gefunden", seufzte Ansgar und ließ sich auf das Sofa fallen. "Irgendwie hat niemand Platz."

"Das ist kein Platzproblem", meinte Roxanne. "Die Leute wollen einfach niemanden aufnehmen."

"Das heißt dann wohl, dass wir uns doch irgendwo in einem leeren Gebäude einrichten müssen", sagte Io nachdenklich.

Roxanne schüttelte energisch den Kopf. "Das ist zu gefährlich. Sie können nicht wissen, an wen Sie da möglicherweise geraten könnten. Und der 'Häuserstürzer' ist auch noch dort draußen."

"Aber Sie konnten niemanden finden, der uns aufnimmt. Und er hier", dabei deutete Io auf Megamind, "wird uns sicher auch nicht weiterhelfen können."

Langsam gingen ihm ihre spitzen Bemerkungen wirklich auf den Keks. "Auch wenn Sie es mir vielleicht nicht glauben mögen, ich bin durchaus in der Lage, jemanden aufzutreiben, der Sie bei sich aufnimmt."

"Sie haben Recht, das glaube ich Ihnen wirklich nicht."

Kalliope stieß Io mit dem Ellbogen an und warf ihr einen missbilligenden Blick zu.

"Ich finde, heute Nacht könnten Sie hier bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht, auf dem Sofa zu schlafen", meinte Roxanne in dem Versuch, Frieden zu stiften. "Und morgen früh überlegen wir uns, wo wir Sie hinstecken können. Vielleicht fällt Minion über Nacht auch noch eine Möglichkeit ein."

Kalliope nickte zustimmend und Io seufzte resigniert.

Megamind entging der missmutige Blick nicht, den die Puppe ihm zuwarf, zog es jedoch vor, sie zu ignorieren. Wenn diese Person unbedingt auf Streit aus war, sollte sie sich gefälligst jemand anderen suchen.

Roxanne eilte nach oben, um ein paar Ersatzdecken und Kissen hervorzuholen und Megamind setzte sich mit Ansgar an die Küchentheke.

"Tut mir leid, dass Io so unhöflich ist", murmelte Ansgar verlegen. "Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass sie sonst nicht so ist, aber..."

Megamind schüttelte amüsiert den Kopf. "Da bin ich ja fast froh, dass Kalliope stumm ist. Wenn sie Io so giftig erschaffen hat, dann will ich gar nicht wissen, welche Sachen sie mir an den Kopf werfen könnte."

"Kalliope ist gar nicht wie Io!", zischelte Ansgar empört. "Eine Puppe entwickelt sich in eine ganz eigene Richtung, sobald sie wach ist."

"Schon gut, schon gut." Megamind hob besänftigend die Hände. "Kein Grund, gleich auszurasten."

Ansgar senkte verlegen den Kopf. "Tut mir leid."

Roxanne kam die Treppe wieder heruntergeeilt, vollbepackt mit Decken. "So, das dürfte eigentlich reichen. Sind nur leichte Decken, aber es ist sowieso zu warm für irgendetwas anderes."

Kalliope nickte und streckte die Hände danach aus.

Nachdem die Drei es sich gemütlich gemacht hatten - wobei Io sich einfach neben Kalliope auf den Boden setzte -, schob Roxanne Megamind die Treppe hoch.

"Ich kann auch alleine laufen", informierte er sie ungehalten und stolperte über die letzte Stufe.

"Ups! Tut mir leid." Roxanne zog ihn wieder auf die Beine.

"So langsam fange ich an zu glauben, dass du gar nicht willst, dass meine Verletzungen verheilen", brummte er und öffnete die Tür zum Schlafzimmer.

Sie verdrehte die Augen. "Dramaqueen."

"Wo wir gerade von Dramaqueens reden, du hättest sehen sollen, wie sich Ansgar aufgeregt hat, als ich Kalliope und Io miteinander verglichen habe", sagte Megamind und ließ sich auf das Bett fallen

Roxanne kicherte. "Wie würdest du reagieren, wenn man mich mit jemanden vergleichen würde, den du nicht ausstehen kannst?"

Er sah sie skeptisch an. "Was hat das denn mit Ansgar zu tun?"

"Oh, mein armer ahnungsloser Megamind", meinte sie augenrollend und ließ sich neben ihm aufs Bett fallen. "Hast du noch nicht bemerkt, dass Ansgar in Kalliope verliebt ist?"

Er sah sie erstaunt an. "Glaubst du wirklich? Wie kommst du darauf?"

"Minion und ich hatten genug Zeit, die beiden zu beobachten", erwiderte sie schulterzuckend. "Minion war ganz aus dem Häuschen, als ich meinen Verdacht geäußert habe. Wusste gar nicht, dass er eine Schwäche für sowas hat."

"Ja, nun, dann hast du ihn einfach noch nie zuvor in Aktion erlebt", brummte Megamind und drehte sich auf die Seite. "Stell dir erst vor, wie es ist, wenn du der Auslöser dieser Emotion bist."

Roxanne lachte. "Gute Nacht."

"Nacht..."
 

Er saß fest. Unzählige seltsame Gebilde durchzogen die Erde um ihn herum und hinderten ihn daran, weiterzuziehen.

Prüfend tastete er seine Umgebung ab, roch an den Hindernissen, die sich ihm in den Weg stellten und leckte daran. Es roch und schmeckte nach Metall, so wie die Dinge an seinem Geburtsort, seine erste Erinnerung an die Welt.

Alle seine Erinnerungen involvierten Gerüche, Geräusche und Geschmack, denn seine Augen hatte er nie richtig benutzen können. Wenn er sich anstrengte, gelang es ihm manchmal Umrisse und blasse Farben zu erkennen, aber es war die Anstrengung nicht wert.

Ihm fiel auf, wie warm es um ihn herum war. Er bekam das so selten zu spüren.

Er erinnerte sich schwach an eine Wärmequelle vor ihm, als er zum ersten Mal wach geworden war. Doch irgendjemand hatte ihn zur Seite geschoben. Wütend hatte er diesen Gegner angegriffen, weil er die Wärme nicht teilen wollte und dann war die Wärme weggewesen und eine kalte Kreatur hatte ihn aus dem Haus gejagt.

Er hatte gehört, was die Wesen in dieser Welt über ihn gesagt hatten. "Defekt", hatten sie geflüstert. Er wusste nicht, was "defekt" bedeutete, aber es schien nicht wünschenswert zu sein.

Also war er gegangen. Anfangs war er ganz allein gewesen. Die Luft um ihn herum war frisch, nicht so stickig wie an seinem Geburtsort und kühl. Das war das Einzige, das ihm wirklich missfiel. Selbst die Erde war kalt und unangenehm.

Deshalb beschloss er immer weiter zu ziehen, vielleicht fand er irgendwann wieder eine Wärme.

Und tatsächlich, nachdem die Luft abermals stickig wurde, kam er an einen Ort, an dem viele Wärmequellen waren. Er versuchte, ein paar davon zu fangen und für sich zu behalten, doch nach einer Weile ebbte die Wärme immer wieder ab und er musste sich neue suchen.

Das war der Zeitpunkt, an dem er zum ersten Mal bemerkte, dass er verfolgt wurde. Egal wohin er ging, er konnte sie immer riechen, diese Mischung aus Asche und Erde, die in ihren Kleidern und auf ihrer Haut hing und sie nie ganz verließ.

Anfangs ignorierte er sie und ging immer weiter bis er an eine Stelle kam, an der es nicht weiterging. Er erinnerte sich an Nässe um seine Füße, ein ekelhaftes Gefühl. Ein paar Tage lang ging er diese Stelle ab, in der Hoffnung, einen Weg daran vorbei zu finden, doch ohne Erfolg und seine Verfolger kamen auch immer näher.

Ein Glücksfall verhalf ihm schließlich zur Flucht. Auf ein großes Gebilde aus Metall wurden Sand und Steine aufgeladen und irgendwie endete er darin, er wusste auch nicht wie. Er hatte geschlafen, als es passierte und als er schließlich wach wurde, war er mitten in dem Metallding. Dabei gewann er eine neue Erkenntnis: Er konnte sich nicht wie in Erde in dem Metall eingraben, das Einzige, wozu er in der Lage war, war Dellen hineinzuschlagen.

Ein Instinkt hielt ihn davon ab, seine Umgebung zu stark zu beschädigen und still zu bleiben bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Glücklicherweise hatte es nicht allzu lange gedauert, bis dies der Fall war und er sich wieder auf Wanderschaft begeben konnte.

Diesmal änderte er seine Vorgehensweise. Er hatte erkannt, dass das Material, aus dem die Unterkünfte der Wärmequellen gemacht waren, ebenfalls eine gewisse Wärme ausstrahlte. Es war zwar nicht viel, aber es würde für ihn reichen und außerdem musste er nicht mehr so viele Schläge einstecken wie wenn er eine Wärmequelle einfing.

Doch nach einiger Zeit nahm er wieder den Geruch von Asche und Erde war. Seine Verfolger waren zurückgekehrt. Diesmal zog er es vor, sich vor ihnen zu verstecken.

Er zog weiter, von einer Unterkunftsansammlung zur nächsten, doch immer waren die Möglichkeiten schnell aufgebraucht und seine Verfolger ihm wieder auf der Spur.

Dann kam er an den Ort, an dem er jetzt war. Dort hatten sie ihn zum ersten Mal gefunden, doch zu seiner immensen Erleichterung waren sie schwach, klein und langsam, kein großes Problem für ihn. Wenigstens boten sie ihm einen gewissen Unterhaltungswert, ehe sie kalt wurden. Oder zumindest der Zweite bot ihm Unterhaltung. Der Erste war sofort zusammengebrochen, nachdem er ihn gestupst hatte, dabei war es gar nicht so fest gewesen. Er selbst hatte viel stärkere Schläge eingesteckt und war nie zusammengesackt.

Nun, da seine Verfolger fort waren, hatte er seine Ruhe. Er vergrub sich weiterhin in den Unterkünften der Wärmequellen und ab und zu fand er sogar noch die ein oder andere Wärmequelle, mit der er spielen konnte.

An die seltsamen Wesen, die ihn angriffen, erinnerte er sich nur durch die Geräusche, die sie machten. Und natürlich weil sie ihn gebissen hatten. Zum ersten Mal hatte ihn etwas verletzen können. Er hatte daraufhin sofort die Flucht ergriffen und sich in einer Unterkunft vergraben. Dort würden sie ihn niemals finden, wenn sie ihn zuvor noch nicht gefunden hatten.

So glaubte er zumindest. Vorsichtig befühlte er die Stelle an seiner Brust, an der ihn sein neuester Verfolger verletzt hatte und knirschte vor Wut mit den Zähnen. Nicht nur dass er ihn aus seinem Schlafplatz gejagt und seine Brust durchbohrt hatte, nein, er hatte auch diese Kreaturen auf ihn angesetzt, die ihn am Bein verletzt hatten.

Aber sein neuer Verfolger war auch widerstandsfähiger als die anderen. Er lächelte. Vielleicht hatte er endlich einen Spielkameraden gefunden, dem nicht so schnell die Puste ausging.

Und diesen Geruch von Öl und alter Tierhaut würde er auch überall wiedererkennen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  sadako888
2011-09-18T20:10:09+00:00 18.09.2011 22:10
Es ist mir nicht im richtigen Moment aufgefallen, aber als Roxanne in diesem Kapitel Metroman erwähnte, fiel es mir dann auf: Wo ist er überhaupt hin entschwunden? Er war ja schon mitten in der Geschichte, aber als es ans Kämpfen geht ist er plötzlich weg, wobei er den Golem locker hätte dingfest machen können.

Auch habe ich mich gefragt, warum Io und die anderen nicht einfach in einem Hotel unterkommen können, zumindest für die nächste Nacht.
Zudem stürzt du dich glaube ich zu sehr auf die Hintergundgeschichte der Golem-Truppe - aus irgendeinem Grund ist mir Mrs Bearhunter super im Gedächtnis geblieben, aber bei der Truppe vergesse ich erstmal ständig die Namen und zweitens fehlt mir bei ihnen das gewisse etwas.

Ich verstehe nicht, warum Io und Megamind eine halbe Stunde lang schweigend nebeneinander sitzen, anstatt sich zu unterhalten und miteinander zu interagieren, um z.B. mehr Sympathie für Io zu wecken.

Die Wärmesuche-Geschichte zum Schluss fand ich allerdings gelungen. Man versteht endlich, was ihn antreibt.


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