Zum Inhalt der Seite

Das Dilemma der Puppenmacher

Eine Megamind-Fanfiction
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Pressekonferenz

Megamind hasste Pressekonferenzen, der einzige Teil des Superheldendaseins, dem er nichts abgewinnen und an den er sich auch nicht gewöhnen konnte, wie es schien. Nicht nur, dass er wie auf dem Präsentierteller an einem Tisch sitzen musste und sich einem Heer von Reportern gegenübersah, nein, er musste auch auf allerhand dumme Fragen antworten, die die Leute sich eigentlich selbst beantworten könnten. Bei seiner ersten Konferenz vor einem Jahr, als Metro Man ihm sein Amt übertragen hatte, war es jedenfalls so gewesen. Und Roxanne hatte ihn mehrfach davon abhalten müssen, allzu genervt auf manche offensichtliche Fragen zu reagieren. Aber da der Häuserstürzer nach wie vor frei und unbehelligt war und sich langsam Panik in der Stadt ausbreitete, war eine öffentliche Erklärung nötig. Mit einer kurzen Mitteilung, übertragen durch ein paar Brainbots, war es da nicht mehr getan.

Also saß Megamind zusammen mit Inspektorin Rebecca Jones und dem Bürgermeister Theodor Mayor - Wirklich? Das war sein Name all die Jahre gewesen? - an dem Konferenztisch, vor ihm ein Dutzend verschiedener Mikrofone und hinter ihm Minion, der die Hände vor dem Bauch gefaltet hatte und aussah wie ein Schulmädchen. Es war lächerlich.

"Mr. Megamind, können Sie uns Näheres über den Aufenthaltsort dieses Kriminellen erzählen?", fragte ein grauhaariger Reporter von RMCP 2 und schon jetzt hätte Megamind am liebsten die Augen verdreht.

Es war doch klar und deutlich gesagt worden, dass der Häuserstürzer verschwunden war.

Stattdessen schüttelte der blauhäutige Superheld den Kopf. "Unglücklicherweise bleibt uns der Aufenthaltsort des Häuserstürzers weiterhin verborgen. Wir vermuten aber, dass er sich irgendwo in der Nähe der Parks aufhält."

Zumindest behauptete das Io und er hatte keinen Grund, ihrer Aussage zu misstrauen, selbst wenn sie ihm gegenüber nicht besonders freundlich war.

"Deshalb", fuhr er fort, "fordern wir jeden Bürger Metro Citys auf, die Parks nach Sonnenuntergang nicht mehr zu betreten und nur dort zu bleiben, wo die Brainbots Sie auch gut sehen und im Notfall wegtragen können."

Ein Raunen ging durch den Raum. Megamind wusste, dass die Mehrheit der Bürger den Brainbots selbst nach über einem Jahr misstrauisch gegenüberstanden, obwohl sie einen integralen Teil zum Wiederaufbau Metro Citys geleistet hatten und jetzt wieder leisteten.

Eine junge Frau mit blonden lockigen Haaren hob die Hand.

Er nickte ihr zu. "Ja?"

Sie stand auf und strich ihre Bluse glatt, ehe sie ihre Frage an ihn richtete. "Sind diese Maßnahmen wirklich notwendig, Mr. Megamind?", wollte sie nervös wissen. "Die Brainbots werden die Bürger ziemlich beunruhigen."

"Wir haben es hier mit einem sehr gefährlichen Kriminellen zu tun, Miss", meldete sich Inspektorin Jones zu Wort, die zu Megaminds Rechten saß. "Ich bin ihm selbst begegnet und ohne Megamind beherztes und rasches Eingreifen wäre es wohl böse geendet. Wie Sie sehr wohl wissen, ist die Todesrate des Häuserstürzer in den letzten Tagen stetig gewachsen und es kümmert ihn nicht, wer Sie sind oder ob Sie überhaupt eine Gefahr für ihn darstellten."

Weiteres Raunen, einige Reporter waren blass geworden.

Eine Reporterin von KMCP 8 mit karmesinrot gefärbtem Haar stand auf. Sie war Roxannes Ersatz, weil die Oberen es nicht schicklich fanden, die Freundin des Superhelden zu dessen Pressekonferenz zu schicken. Mal ehrlich, dachten die etwa, dass er in solch einer Situation zu flirten anfinge?

"Konnten diese Vorfälle nicht im Vorfeld verhindert werden?", fragte Roxannes Ersatz und musterte Megamind abschätzig. "Wir werden doch sonst auch immer Tag und Nacht von diesen Dingern bewacht und kontrolliert."

Megamind runzelte die Stirn. Am Vortag der Pressekonferenz hatte Roxanne ihn gewarnt, dass die Frau, die für sie einsprang - Miranda Bell -, ihn vermutlich zu provozieren versuchen würde.

Warum das allerdings so war, wusste er nicht. Er vermutete, dass sie auf Roxanne eifersüchtig und der Meinung war, dass sie nur deshalb eine so hohe Stellung erreichen konnte, weil sie mit den Superhelden der Stadt kokettierte. Zumindest war das die Begründung, die er am häufigsten von Gegnern seiner Freundin hörte.

"Die Brainbots sind zu Ihrem Schutz da", sagte er. "Und sie können und werden nicht eingreifen, solange nichts passiert. Der erste Vorfall ereignete sich im Übrigen im Arbeitsviertel, ein Stadtteil, von dem mir gesagt wurde, dass ich dort keine Patrouillen hinschicken müsse, weil dort niemand lebe und somit nichts passieren könne."

Theodor Mayor zu seiner Linken rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und warf ihm nervöse Blicke zu, war es doch, der ihm diesen Rat gegeben hatte.

"Nun, aber danach hätten Sie doch eingreifen können", meinte Miss Bell. "Schließlich greift er seit geraumer Zeit Menschen an. Der Erste war der Tote im Arbeiterviertel."

"Da sind Sie mangelhaft informiert", erwiderte Inspektorin Jones. "Wir sahen anfangs keinen Zusammenhang zwischen Mr. Astraeas Tod, Mr. Geberics Verletzungen und den Häusereinstürzen, da Mr. Astraea nicht infolge eines Einsturz starb, sondern durch einen heftigen Schlag gegen die Brust, der sein Herz verletzte. Beim ersten Einsturz gingen wir zuerst davon aus, dass die Gebäude schlecht gebaut worden waren. Erst als immer mehr Häuser auf dieselbe Weise einstürzten und der Häuserstürzer einen Mann verletzt und fast getötet hat, sind wir auf seine Spur gekommen. Ohne das schnelle Eingreifen der Brainbots hätte es schlecht ausgesehen für den angegriffenen Mann. Und wenn Megamind nicht die Vermutung gehabt hätte, dass es sich nicht um einfache Baumängel handeln konnte, wären die Brainbots auch nicht dort entlangpatrouilliert."

Miranda presste die Lippen aufeinander und setzte sich wieder, offenbar verärgert darüber, dass Rebecca Jones ihr den Wind aus den Segeln genommen hatte. Megamind war sich aber sicher, dass sie noch Probleme bereiten würde.

"Um wen handelt es sich bei dem Häuserstürzer?", fragte ein hagerer Mann mit kurz geschorenem braunen Haar. Megamind identifizierte seinen Nachrichtensender als einen aus Metro Citys Nachbarstadt Littleton.

"Das... kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen", antwortete Megamind, nachdem er sich kurz mit Minion beraten hatte. Er konnte schlecht sagen, dass der Angreifer ein Golem war. Entweder die Leute verfielen in Panik oder sie lachten ihn aus. "Aber wir können sagen, dass er über ungewöhnliche Kräfte verfügt, wenn er die Häuser so mühelos zum Einsturz bringen kann."

"Was ist mit Metro Man?", fragte die blonde Frau vom Anfang. "Wenn der Häuserstürzer zu stark für Menschen ist, wäre es vielleicht am besten, wenn er sich um ihn kümmert."

Rebecca Jones schnaubte verächtlich. Sie war nicht besonders gut auf den ehemaligen Superhelden zu sprechen, vorrangig weil er die Polizei faul und imkompetent hatte werden lassen. "Mr. Scott zieht es vor, an seinem Ruhestand festzuhalten und wird auch weiterhin alle Angelegenheiten die Stadt betreffend seinem Nachfolger zu überlassen." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: "Zudem ist Mr. Scott der Meinung, dass Megamind der Aufgabe mehr als gewachsen ist und ich teile diese Auffassung. Wir werden den Häuserstürzer finden und aufhalten, aber bis es soweit ist, ist Vorsicht geraten."

Daraufhin hob Miranda Bell abermals die Hand und stand auf. "Könnte sich Metro Man in dieser Sache nicht einfach irren?", fragte sie. "Er hat sich schließlich schon einmal vor einem Jahr geirrt, als er glaubte, dass Megamind nach seinem 'Tod' nicht allzu viel Chaos verursachen würde. Ich zweifle natürlich nicht an, dass Megamind sein Möglichstes tut und der Stadt seit seinem Berufswechsel viel Gutes getan hat", fügte sie hinzu in einer Tonlage, die genau das Gegenteil verriet, "aber vielleicht ist dieser Fall eher etwas für jemanden mit besonderen Kräften als für jemanden, der intelligent ist."

Megamind runzelte die Stirn und sah die Frau vor ihm durchdringend an. "Miss Bell, seien Sie versichert, dass ich Hilfe geholt hätte, wenn ich mit der Situation überfordert wäre, auch von Metro Man, wenn es nötig wäre", meinte er so ruhig er konnte. "Aber Sie geben sich hier der Illusion hin, dass alles sofort lösbar wäre, wenn ein Held nur über genug Superkräfte verfügt."

Es schwang ein unausgesprochener Vorwurf in dieser Aussage mit. Der Glaube der Bürger, dass Metro Man absolut unfehlbar war, hatte den ehemaligen Superhelden in Depressionen und Versagensängste getrieben, das hatten mehrere Psychiater, deren Behandlung er sich unterzogen hatte, ans Licht gebracht.

"Aber wenn Sie sich nicht überfordert fühlen, warum haben Sie dann diese Pressekonferenz einberufen?", wollte Miranda Bell wissen. "Ich muss Sie sicher nicht daran erinnern, dass Sie noch ziemlich neu in diesem Job sind und das Ihr erster großer Fall als Metro Citys Beschützer seit dem Titan-Debakel ist."

"Miss Bell, Sie kommen vom Thema ab", wies Inspektorin Jones sie streng zurecht, ehe Megamind einen wütenden Kommentar abgeben konnte. "Es geht hier einzig und allein darum, die Menschen zu informieren und zu warnen und nicht darum, sie zu beunruhigen oder Megamind in Zweifel zu ziehen."

Miranda zuckte kaum merklich unter dem vernichtenden Blick zurück, den die Inspektorin ihr zuwarf und duckte sich ohne ein weiteres Wort hinter ihre Kollegen.

Rebecca Jones nickte Megamind zu, der sich räusperte und die nächsten Reporter aufrief. Oh ja, er hasste Pressekonferenzen wirklich!
 

Es dauerte zwei Stunden, ehe Megamind mit der Pressekonferenz fertig war. Zu seiner Freude und Erleichterung wartete Roxanne in der Vorhalle des Rathauses auf ihn und kam ihm mit einem Lächeln auf den Lippen entgegen.

"Hey", grüßte sie und gab ihm einen zärtlichen Kuss. "Du bist noch in einem Stück, wie ich sehe. Hast dich nicht provozieren lassen, oder?"

Er schüttelte den Kopf und umarmte sie müde lächelnd. "Nein, obwohl dein 'Ersatz'", er schnaubte verächtlich bei diesem Wort, "ihr Möglichstes versucht hat."

Sie streichelte mitfühlend seine Wange. "Ich weiß. Sie ist eine ziemliche Nervensäge."

"Das kannst du laut sagen", brummte er und lehnte seinen Kopf gegen ihre Hand.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Minion die Halle betrat und auf sie beide zukam.

"Sir, wir müssen jetzt wirklich los", meinte der Fisch und sah gen Himmel, als Megamind sich nicht rührte. "Wenn Sie schon Mr. Thornfield dazu überreden, Ansgar, Kalliope und Io bei sich aufzunehmen, sollten Sie seine Geduld nicht unnötig auf die Probe stellen, indem Sie zu spät kommen."

Megamind löste sich seufzend von Roxanne und sah Minion genervt an. "Jaja", brummte er. "Ich komme ja schon."

Sie tätschelte amüsiert seine Schulter. "Kann es sein, dass du nicht mehr in die Nähe deines ehemaligen Gefängnisdirektors kommen willst?"

Er verzog das Gesicht. "Dachte wirklich nicht, dass er dem zustimmen würde. Ich habe nur angerufen, weil Minion darauf bestanden hat, dass ich jeden frage, den ich kenne."

"Sir, Sie und Io rennen sich die Köpfe ein", erinnerte Minion ihn bestimmt. "Sowohl Miss Ritchis als auch meine Nerven liegen langsam brach. Und es ist gerade mal eine halbe Woche her, dass die Drei bei uns untergekommen sind!"

Megamind grummelte. "Schon gut. Hätte nie gedacht, dass er überhaupt die Zeit dazu hat!"

Roxanne kicherte. "Also wirklich, Megamind", sagte sie belustigt. "Ansgar, Kalliope und Io sind doch keine Kinder mehr! Die müssen nicht betreut werden."

Er verdrehte die Augen. "Das weiß ich auch. Das meine ich auch gar nicht. Aber ich habe Mr. Thornfield nie außerhalb des Gefängnisses gesehen. Er war immer da, wenn ich da war. Ich wusste noch nicht einmal, dass er eine Wohnung hat. Dachte eigentlich immer, dass er im Gefängnis wohnt."

Sie schnaubte belustigt. "Ich glaube, er war so häufig dort, weil er aufpassen musste, dass du das Gefängnis nicht in die Luft sprengst. Jetzt da du nicht mehr ständig dorthin zurückgeschleift wirst, hat er vielleicht endlich etwas mehr Freizeit."

"Oh." Megamind sah verlegen zur Seite. "Ja, das kann auch sein."

Minion tappte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. "Sind Sie jetzt endlich soweit, Sir?"

Megamind verdrehte die Augen. "Minion, wir haben noch eine Stunde Zeit! Willst du ernsthaft so lange vor der verschlossenen Wohnungstür warten, bis der Direktor uns endlich reinlässt?"

Der Fisch sah ihn nur stumm und missbilligend an.

"Schon gut, schon gut, ich komm ja schon", sagte Megamind seufzend.
 

Roxanne hatte Megaminds alten Aufseher, Jonathan Thornfield, nie persönlich getroffen. Sie wusste nur das über ihn, was Megamind und Minion ihr gesagt hatten und das belief sich auf zwei Dinge: Erstens dass er der Direktor des "Metro City Gefängnisses für Kriminell Begabte" war und zweitens dass er seit Megaminds frühester Kindheit dort war und offenbar nie eine Beförderung oder Ähnliches erhalten hatte.

Das Mehrfamilienhaus, in dem Mr.Thornfield wohnte und vor dem sie jetzt zusammen mit Ansgar, Kalliope und Io standen, war ein gepflegtes Gebäude in einer ruhigen Nachbarschaft, ganz anders als Roxanne sich eine Wohngegend am Stadtrand unweit eines Gefängnisses vorgestellt hatte.

Der Exsuperschurke brauchte drei Anläufe, ehe er endlich auf die Klingel mit dem Namensschild seines ehemaligen Vormundes gedrückt hatte und das gelang auch nur, weil Minion schon angetrottet kam, um es für ihn zu übernehmen.

Es dauerte keine zwei Minuten, ehe ein Rauschen ertönte und Mr. Thornfields Stimme über die Gegensprechanlage erklang: "Megamind?"

Megamind stellte sich etwas gerader hin, eine Tatsache, die Roxanne mit einiger Belustigung registrierte. "Ja?"

Mr. Thornfield seufzte hörbar. "Wurde auch langsam Zeit. Kommt rein."

Ein Summen ertönte und Megamind drückte gegen die Haustür.

"Warum hat das so lange gedauert?", rief Jonathan Thornfield ihnen entgegen, als sie endlich die Treppe zum zweiten Stockwerk hinter sich gelassen hatten, in dem seine Wohnung gelegen war.

"Sir wollte die Klingel nicht drücken", erklärte Minion.

Wütend drehte dieser sich zu seinem Freund um und maß ihn mit einem durchdringenden Blick, sodass sich der Fisch gegen den Boden seines Fischglases drückte.

Mr. Thornfield verdrehte bloß die Augen und hielt die Wohnungstür für sie auf. "Kommt erst einmal rein, dann reden wir weiter."

Die kleine Gruppe drückte sich an ihm vorbei und betraten den Wohnungsflur.

Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, deutete er nach rechts auf eine Tür. "Setzt euch."

Sie gingen gehorsam ins Wohnzimmer, während sich Mr. Thornfield in der Küche zu schaffen machte. Ansgar, Kalliope und Io setzen sich nebeneinander auf die Couch, Kalliope in der Mitte, während sich Megamind in einen der beiden Sessel setzte. Minion stellte sich neben Megaminds Sessel und Roxanne nahm auf der Armlehne Platz, da sonst nur noch ein Sessel da war, den sicherlich Mr. Thornfield benutzen wollte.

Neugierig sah sie sich um. Der Raum war spartanisch eingerichtet: Ein ausgeblichenes braunes Sofa, ein paar Sessel in derselben Farbe, ein gläserner Kaffeetisch, ein Fernseher und ein Regal an der Wand, in dem neben ein paar Gesetzestexten auch einige Ordner herumstanden. Ein besonders abgegriffener und dicker Ordner, auf dem mit verblassener Tinte der Name "Jade Blue" geschrieben stand, lag auf dem alten Fernseher. Das war vermutlich das unpersönlichste Wohnzimmer, das sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Es erinnerte mehr an ein Büro als an ein semi-privates Zimmer.

Jonathan Thornfield kam mit einem dampfenden Wasserkessel und einem Arm voll Tassen zurück. Ansgar, Kalliope und Io sahen ihn schief an und dann zweifelnd zu Megamind und Minion rüber.

"Kann ich Ihnen helfen?", fragte Roxanne und griff gerade noch rechtzeitig nach einer Tasse, die ihm aus dem Griff gerutscht war und zu Boden zu stürzen drohte.

"Danke", brummte Mr. Thornfield und hielt seinen Arm so, dass sie einige Tassen nehmen und auf dem Kaffeetisch abstellen konnte. "Ich habe normalerweise keinen Besuch, deswegen habe ich auch leider kein Teeservice da."

Er stellte den Wasserkessel auf dem Tisch ab und verschwand wieder aus dem Zimmer. Nach wenigen Augenblicken war er wieder zurück, verteilte Teebeutel aus einer nicht identifizierbaren Packung und goß das kochende Wasser darüber, ehe er die Tassen verteilte und sich in einen Sessel sinken ließ.

Megamind sah ihn nicht einmal an, stellte Roxanne überrascht fest. Stattdessen hatte er den Blick fest auf die Tasse gerichtet, die er nachdenklich hin- und herdrehte. Er erinnerte dabei an einen Schuljungen, der gerade eine Schulstrafe bekommen hatte.

"Also, Megamind, willst du mir nicht wenigstens deine Bekannten vorstellen, wenn ich ihnen schon Obdach geben soll?", fragte Mr. Thornfield, nachdem einige Minuten dahingetickt waren, ohne dass irgendjemand Anstalten gemacht hätte, etwas zu sagen.

Megamind schreckte auf und bemühte sich um eine etwas selbstsicherere Haltung. "Äh, ja, natürlich." Er wandte sich den Dreien zu. "Also der mit den schwarzen Haaren heißt Ansgar Geberic, er ist eines der beiden ersten Opfer, die der Häuserstürzer in dieser Stadt angegriffen hat. Die Frau mit den roten Haaren ist Kalliope Astraea, ihr Vater ist bei dem ersten Angriff ums Leben gekommen."

Mr. Thornfield nickte Kalliope mitfühlend zu. "Mein Beileid."

Sie erwiderte sein Nicken zögerlich und gestikulierte zu Io. Diese räusperte sich und sagte: "Frau Astraea möchte sich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie uns in Ihrem Haus aufnehmen. Seien Sie versichert, dass wir alles in unserer Macht Stehende versuchen werden, um Ihnen nicht zur Last zu fallen."

Jonathan Thornfield hob erstaunt eine Augenbraue und sah fragend zu Megamind rüber, der nur mit den Schultern zuckte.

"Io ist Kalliopes Sprachrohr", erklärte er. "Da Kalliope offenbar irgendein albernes Gelübde abgelegt hat, das es ihr untersagt, selbst etwas zu sagen. Tatsächlich habe ich sie noch kein einziges Mal sprechen hören. Wenn sie etwas 'sagen' will, macht sie das über Io."

"Verstehe." Mr. Thornfield musterte die drei Personen vor ihm verwirrt. "Gibt es irgendetwas, das ich beachten muss? Irgendwelche Allergien oder Ähnliches?"

Ansgar schüttelte den Kopf, während Megamind nickte.

Mr. Thornfield warf ihnen einen halb belustigten, halb genervten Blick zu. "Ja, was denn nun?"

"Sie sind sonnenempfindlich", erklärte Megamind. "Sollten also nicht allzu viel davon ausgesetzt werden. Wie ein Schattengewächs sozusagen."

Jonathan Thornfield schnaubte belustigt, während Io Megamind einen wütenden Blick zuwarf. "Alles klar, ich glaube, das kann ich mir merken."

"Gibt es irgendetwas, was wir bei Ihnen beachten müssen?", fragte Ansgar.

"Nicht dass ich wüsste", erwiderte Mr. Thornfield. "Ich bin tagsüber natürlich fast immer drüben im Gefängnis, also müssen Sie drei zusehen, wie Sie sich in der Zeit selbst beschäftigen."

Nachdem noch einige andere Dinge ausdiskutiert worden waren, wie Raumverteilung - Kalliope und Io schliefen im Schlafzimmer im Bett, während Ansgar sich mit Mr. Thornfield die Couch im Arbeitszimmer teilen musste - und Kontaktmöglichkeiten, sollte Megamind noch mal die Hilfe von einem der Dreien benötigen, wurden die Tassen und der Wasserkessel weggeräumt und Minion zum Wagen geschickt, um das Gepäck der Drei hochzuholen. Sie verabschiedeten sich voneinander, Ansgar, Kalliope und Io machten sich daran, ihre Sachen auszupacken und die anderen gingen hinunter zum Wagen.

Erst als sie schon fast wieder auf der Straße standen, fiel Roxanne auf, dass sie Megamind abgehängt hatten. "Wo ist er?"

Minion zuckte mit den Schultern. "Vielleicht noch oben? Warten Sie, ich gehe nachsehen."

Sie hielt ihn zurück. "Nein, du bist heute schon genug gelaufen. Ich gehe ihn holen."

"Also, wie läuft das Heldenleben?", hörte sie Mr. Thornfield fragen, als sie den Treppenabsatz des Stockwerks erreicht hatte.

"Naja, es ist ... ganz nett? Glaube ich?" Sie hörte, wie Megamind sich verlegen räusperte und stieg neugierig ein paar Stufen höher, um etwas sehen zu können.

Mr. Thornfield gab ein trockenes Lachen von sich. "Ich hoffe, du hast nicht erwartet, dass es ohne Arbeit verbunden wäre."

Roxanne blieb wieder stehen und lugte die Treppe hinauf. Von ihrer Position aus konnte sie die beiden gut beobachten.

Megamind hatte ihr den Rücken zugewandt und nach seiner Haltung zu schließen, die Arme vor der Brust verschränkt. "Ich bin doch nicht blöd!"

Jonathan Thornfield schnaubte belustigt. "In den letzten Jahren hatte ich diesbezüglich so meine Zweifel", gestand er, ehe er seufzte. "Das hat ganz schön lange gedauert, Jade! Weißt du, wie viel früher du in Freiheit hättest Leben können, wenn du nur nicht so starrköpfig gewesen wärest?"

Megamind grummelte und Roxanne musste ein Lachen unterdrücken. Sie konnte sich den Schmollmund gut vorstellen, den er jetzt wahrscheinlich zog.

"Und dann meldest du dich nicht einmal mehr", fuhr Mr. Thornfield fort. "Dachtest sicher: Was will ich mit dem langweiligen alten Knacker?"

"Hey!", rief Megamind erbost. "Ich war mir nun mal sicher, dass Sie mich nicht mehr zu Gesicht bekommen wollten!"

Roxanne sah, wie sein Gegenüber die Augen verdrehte. "Wenn ich dich nicht mehr zu Gesicht bekommen will, warum habe ich dann zugesagt, deine Schützlinge aufzunehmen, wohlwissend, dass du vorbeikommen musst, wenn du ihrer Hilfe bedarfst?", fragte er.

"Äh..."

"Und ich kann auch keinen Kontakt mit dir aufnehmen, wenn ich noch nicht einmal so etwas wie eine Telefonnummer habe", meinte Mr. Thornfield, ehe er zur Treppe blickte und hinzufügte: "Finden Sie nicht auch, Miss Ritchi?"

Roxanne zuckte zusammen und streckte den Kopf vor, während Megamind herumwirbelte und sie mit großen Augen erschrocken anstarrte.

"Roxanne!", brachte er hervor und lief violett an. "Seit wann stehst du hier?"

Sie kam die restlichen Stufen hoch und zuckte verlegen mit den Schultern. "Minion und ich haben uns gewundert, wo du abgeblieben bist", meinte sie. "Deshalb bin ich nochmal hochgekommen."

"Ja, für den Fall, dass ich mich die Treppe hinunter verlaufen hätte", erwiderte er ironisch.

"Bei dir weiß man das nie." Sie hob spöttisch die Augenbrauen.

Megamind sackte resigniert zusammen und drehte sie wieder Richtung Treppe, während Mr. Thornfield lachte. "Okay, na gut, jetzt gehen wir aber nach unten! Und erzählen Minion nichts davon! Vorwitzige Reporterin!"

"Viel Glück da draußen!", rief ihnen Mr. Thornfield hinterher und Megamind winkte kurz, ehe er Roxanne mit sich die Treppe hinunterzog.

"Warum nannte er dich eigentlich 'Jade'?", fragte sie, als sie schon fast das Erdgeschoss erreicht hatten.

Er sah sie über seine Schulter hinweg an. "Das ist mein Name. Mein ... bürgerlicher Name, den sie mir im Gefängnis gegeben hatten, als ich als Baby dort gelandet war. Jade Blue. Kreativer geht es nicht."

Sie lachte. "Nun, sei froh, dass er noch so normal ist. Es hätte viel schlimmer kommen können."

"Schlimmer als 'Jade-Blau'?" Er sah sie mit einem gespielt entsetzten Gesichtsausdruck an.

"Sicher", erwiderte sie lachend und boxte ihn spielerisch gegen die Schulter. "Sie hätten dich auch, hm, 'Bubsy' nenne können."

Megamind erschauderte. "Okay, vergessen wir, dass wir dieses Gespräch jemals geführt haben."

Sie kamen auf die Straße hinaus, wo Minion schon ungeduldig mit dem Fuß tappend auf sie wartete.

"Was haben Sie da oben gemacht?", fragte er.

"Nichts", erwiderte Roxanne und stieg ins Auto ein. "Nur über Babynamen geredet."

Minion sah seinen Herrn entsetzt an, der seinerseits die lachende Frau streng ansah.

"Nicht so, Minion!", versicherte dieser halb genervt, halb resigniert. "Wir haben uns über meine Namen als Baby unterhalten."

"Also hast du wirklich mal 'Bubsy' geheißen?", fragte sie belustigt und schlug dann kichernd die Tür zu, als Megamind einen drohenden Schritt auf sie zumachte.

"Warte nur, bis wir heim kommen!", grummelte er, nachdem er eingestiegen war und Minion sich hinter das Steuer gesetzt hatte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, musste sich der Fisch mittlerweile selbst ein Lachen verkneifen.

"Was willst du machen?", wollte Roxanne unschuldig wissen. "Du kannst mich nicht auf der Couch schlafen lassen, das ist allein den Frauen vorbehalten."

"Elende Doppelstandards!", brummte Megamind mit zuckenden Mundwinkeln, die seine Erheiterung verrieten.

Minion verdrehte die Augen, startete den Motor und drückte aufs Gaspedal. Wenige Augenblicke später war der Wagen schon wieder auf dem Weg ins Innere von Metro City.
 

Es war zu laut. Verärgert runzelte Er die Stirn und bewegte sich vorsichtig, um nicht noch etwas in seiner Umgebung kaputt zu machen.

Beim letzten Mal war er nicht vorsichtig genug gewesen und mit Wasser bespritzt worden, ehe ein elektrischer Schlag durch seinen Körper gefahren war. Es war ziemlich schmerzhaft gewesen und einige Stücke waren aus seiner Stirn herausgebrochen, sodass die härtere, glatte Unterschicht zum Vorschein gekommen war. Er hatte es gefühlt.

Seitdem hielt er sich so still wie möglich, vor allem da auch sein Kopf schmerzte. Das Loch in seiner Brust, das sein Gegner ihm geschlagen hatte, hatte auch begonnen zu brennen und zu stechen. Komisch. Davor hatte es das nicht getan.

Über ihm ertönte ein lautes Kratzen und Schlagen, das seinem Versteck immer näher kam. Irritiert richtete er seine blinden Augen nach oben - die dank des Stromschlags auch nicht mehr zu gebrauchen waren, verdammte Dinger - und tastete die Erde um sich herum mit allen verfügbaren Sinnen ab.

Er kombinierte, dass über ihm Lebewesen standen und offenbar versuchten, die Erde zu durchbrechen. Warum?

Es erschien ihm so sinnlos, diese Lebewesen lebten doch über der Erde. Was wollten Sie denn hier unten?

Jetzt ertönte ein lautes Hämmern, Sirren und Krachen, sodass er unwillkürlich zusammenschrak. Eine weitere seiner Wärmequellen zerbrach und besprühte ihn mit Wasser und er stieß einen Laut aus, einem Seufzer ähnlich. Es brachte die Erde zum Vibrieren, schwach nur, aber spürbar.

Der Lärm über ihm hörte auf, dafür begannen die über ihm zu kommunizieren. Sie klangen erschrocken und er strengte seine Ohren an.

Es war wirklich ein Jammer, dass er sie nicht verstehen konnte. Die Kreatur an seinem Geburtsort, die ihm so ähnlich gewesen war, hatte es bestimmt gekonnt. Aber sie hatte ihn hinausgejagt.

Vorsichtig streckte er seine Hand aus und tastete nach denen, die seine Ruhe störten. Es waren drei an der Zahl und sie schienen aufgebracht. Er schnaubte verächtlich ob ihrer Ahnungslosigkeit. Diese Kreaturen waren so mangelhaft, so zerbrechlich. Warum bestimmten ausgerechnet sie?

Er zog seine "Fühler" wieder zurück, spürte deutlich, wie sie in seine Fingerspitzen und Handfläche zurückgezogen wurden. Auch das war etwas, das nach dem elektrischen Schlag Gestalt angenommen hatte. Er konnte seine Gliedmaßen spüren und nicht nur so, dass er wusste, dass sie da waren. Auch wie sich unterschiedliche Materialien anfühlten, wusste er jetzt und konnte sie unterscheiden.

Das Bohren und Hacken und Sirren und Krachen ging wieder los und unterbrachen seine Gedanken. Er richtete sich verärgert auf. Nie ließen sie einen in Ruhe, immer störten sie!

Seine Bewegung ließ die Erde um ihn herum erbeben und die Kreaturen über ihm stießen erschrockene Laute aus. Das hielt sie aber nicht ab, im Gegenteil. Oh, wie schmerzte sein Kopf von dem Lärmen und Schlagen!

Um ihn herum barsten die Gegenstände mit lautem Kreischen, als er zur Erdoberfläche stieg. Sie blieben rechts und links im Boden stecken, sodass dieser sich nach oben wölbte und ergoßen ihren Inhalt ins Erdreich.

Über der Erde roch es nach Morgen und Hitze. Er tat einen Schritt nach vorn und stolperte über ein Gerät, das eine der Kreaturen fallen gelassen hatte. Etwas fiel mit einem leisen "Kling!" aus seinem Gesicht zu Boden.

Ein markerschütternder Schrei durchbrach die Stille und er wandte sich dem Geräusch zu. Er umging den Gegenstand, über den er gestolpert war und schlurfte langsam voran. Was er in die Finger bekam, war weich und warm und nachgiebig. Ein weiterer Schrei ertönte und brach dann jäh ab.

Noch zwei Störenfriede waren übrig, das erkannte er an dem Poltern und Jammern. Er stampfte mit dem Fuß auf und die Erde hob sich, splitterte. Der zweite Störenfried fiel ihm in die Hände. Dann tastete er die Luft nach dem Letzten ab. Verwirrt legte er den Kopf schief. Wo war er hin? Er hatte ihn doch noch schreien hören.

Den Weg entlangtrottend trat er in etwas Weiches, Nachgiebiges. Irritiert spürte er, wie sein Fuß nass wurde und schüttelte ihn unwillig. Ein dumpfer Aufprall war zu hören, als etwas Schweres zu Boden fiel und er setzte seinen Weg fort, auf der Suche nach einem neuen Schlafplatz.

Über ihm ertönte ein seltsames Geräusch, das wie "Bogo! Bogo!" klang. Verärgert runzelte er die Stirn, als ihm einfiel, welches Wesen diese Laute von sich gab. Die Dinger hatten ihn schon mal verletzt und durch die Stadt gejagt. Keine wirkliche Gefahr für ihn, aber trotzdem. Die Viecher waren ein Ärgernis und er hatte keine Lust, sich mit ihnen zu befassen.

Er beschleunigte seine Schritte und stolperte abermals. Wieder fiel etwas mit leisem "Kling!" zu Boden und er grunzte unwillig. Schließlich spürte er weichen Untergrund unter sich und bevor die Bogo-Bogo ihn aufhalten konnten, hatte er sich wieder in die Erde eingegraben und setzte seinen Schlaf fort.
 

__________
 

Hallöchen!

Wer erinnert sich noch an diese Geschichte?

...Niemand?

Dachte ich mir.

Nach langem, laangem Herumtüfteln jetzt also Kapitel 6 dieser Geschichte, das kürzeste Kapitel bisher.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück