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Ivalice

Die Anfänge
von

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Prolog: Basch und Noah

Die beiden waren der Stolz der Eltern.

Zwei gesunde Jungen zählten nun zur Familie fon Ronsenburg, der ältere wurde Basch, der jüngere Noah genannt.

Die Brüder wuchsen in einem friedlichen Landstrich in Landis auf, nicht weit von der Hauptstadt Balfonheim entfernt. Die Familie war weder arm noch reich, das Leben weder sehr hart noch sehr einfach.

Für den ersten Schicksalsschlag waren die Jungen noch zu klein, um ihn zu verstehen. Ihrem Vater wurde damals aufgelauert. Er wurde von hungrigem Gesindel überfallen und erschlagen, wegen dem Reh, das er nach Hause zu seiner Familie bringen wollte. Die Kleinen bemerkten, dass ein wichtiger Teil in ihrem Leben, der ihnen immer mit Liebe begegnet war, irgendwann nicht mehr kam, um ihnen nachts eine Geschichte von Drachen und Schneeköniginnen zu erzählen. Doch wäre das Wissen, dass er nie wieder kommen würde, zu viel für sie gewesen, deswegen strich die Mutter ihren Söhnen nur immer traurig über das Haar, als sie mit kleinen Stimmchen und großen Augen nach ihrem Papa fragten.
 

Was ein Bruder tat, das tat auch der andere. Versuchte einer mit einem Stift ein weißes Blatt Papier zu bekritzeln, so sah der andere neugierig zu und wollte dasselbe machen. Kämpfte ein Bruder mit seinem Teddybären um die schöne Prinzessin, so wollte der andere mitspielen.

Solange sie denken konnten unternahmen Basch und Noah alles gemeinsam, sie waren einander die liebsten Spielkameraden, da es fast keine anderen Kinder in dieser Ecke von Landis gab. Und seit dem Vorfall mit dem Vater ließ die Mutter ihre beiden Lieblinge nicht mehr alleine draußen spielen, wo sie vielleicht andere Kinder hätten kennen lernen können.

Doch irgendwann war den beiden das kleine Stückchen Wiese vor der Haustür nicht mehr genug, sie spielten und tollten und liefen umher, dass es einerseits eine Freude war, die Mutter konnte die beiden nicht für immer an ihrem Rockzipfel hinterher schleifen.
 

Aus kleinen Kindern wurden Jungen, die nun lieber die Welt um sich herum erforschten als mit ihren Bauklötzen diese Welt zu erbauen.

Die Ausflüge dauerten länger, die Ziele wurden waghalsiger. Doch sie passten aufeinander auf, mittlerweile waren sie auch alt genug um zu erfahren, was mit ihrem Vater geschehen war. Sie gaben ihrer Mutter das Versprechen, aufeinander aufzupassen und nie zu weit weg zu gehen.

Dennoch betrübte es sie, wenn sie ihre Jungen zu einem neuen Abenteuer aufbrechen sah. Sie war krank. Und mit jedem Jahr, seit ihr Mann damals gestorben war, wurde es schlechter. Sie versuchte stark für ihre Lieblinge zu sein, doch noch immer hatte sie es nicht über ihr Herz gebracht, es ihnen zu sagen, noch sollten sie ihre Kindheit und Jugend genießen, so gut es ging. Aus diesem Grund schwieg sie.
 

Die Jahre gingen ins Land, aus Jungen wurden junge Männer, die sich nun mehr für die Zukunft interessierten als das Entdecken von neuen Höhlen oder das Beobachten von jungen Enten.

Als sie 14 wurden, kamen die ersten Unterschiede zu Tage. Beide träumten von einem Leben als Soldat, welcher Junge tat das nicht, doch während Basch sich ausmalte, wie er einmal oberster General sein würde, bevorzugte Noah das einfache Soldatenleben, er würde abends lieber wieder nach Hause zu seiner Mutter gehen, als als General durch Ivalice ziehen zu müssen.

Noah ließ sich sein Haar auch kurz schneiden, es sei zweckdienlicher, meinte er. Basch hingegen schien in dieser Beziehung etwas eitel zu sein, er ließ es sich bis zu den Schultern wachsen.

Die Mutter jedoch war zufrieden. Aus ihren kleinen Lieblingen würden einmal stattliche Männer heran wachsen, die jede Hürde gemeinsam meistern würden, die immer zusammen halten würden, selbst wenn sie nicht mehr da wäre....

Kapitel 1: Basch und Noah

Es war eine gewaltige Schlacht! Die beiden Ein-Mann-Armeen krachten aufeinander, ein jeder mit der bitteren Überzeugung, wenn er verlor, bedeutete dies das Ende für die wahrhaft gute Seite und das Böse hielte Einzug…

Obwohl der Kampf schon lange währte, wurden die beiden furchtlosen Krieger nie müde, mit eiserner Entschlossenheit und dem fröhlichen Gegacker eines Kindes kämpften sie tapfer weiter.

Baschs und Noahs Bewegungen waren recht einfach gehalten, ihre Holzschwerter berührten sich im Takt, erst links, dann rechts, dann links, dann wieder rechts. Einmal wollte Noah besonders tollkühn sein und drehte, oder eher stolperte unbeholfen um die eigene Achse, ehe er wieder zum monotonen Schlag auf Basch ausholte. Die beiden sechsjährigen Jungen hatten den größten Spaß bei ihrem kleinen Spiel im Sonnenschein auf der Wiese vor ihrem Zuhause.

Irgendwann ging auch dieser epische Krieg zu Ende, als sie sich beide laut lachend und nach Luft schnappend ins Gras fallen ließen.

„Und wer hat jetzt gewonnen?“, fragte Noah, der einem Schmetterling nachsah, welcher über ihm vorbei flog.

„Ich glaube, ich“, antwortete Basch ziemlich überzeugt.

„Nein, ich habe gewonnen!“, wetteiferte der jüngere Bruder gleich dagegen.

Der Teddybär, der neben ihnen auf einem Felsen saß und Zeuge der großen Konfrontation gewesen war, schwieg still. Da sie leider keine echte Prinzessin hatten, war eben das Kuscheltier derjenige, welcher befreit werden musste, zumindest im heutigen Spiel. Morgen jedoch könnte er der böse Dämon sein oder der allwissende Zauberbär.
 

Zehn Jahre später entdeckte Basch das Holzschwert in seiner alten Truhe. Er stockte, nahm es heraus und schwang das kleine Spielzeug in seiner dafür viel zu großen Hand ein paar Mal probeweise. Ein bitterer Zug malte sich um den Mund des 16jährigen ab.

Soweit er sich erinnern konnte waren die beiden Brüder immer gleichrangig gewesen. Meistens hatten sie beide kapituliert, nur selten hatte tatsächlich einer gegen den anderen triumphiert. Das war damals mit den Holzschwertern so gewesen, das war auch heute noch mit echten Schwertern in ernsteren Übungskämpfen der Fall. Man könnte fast meinen, ihre Kräfte hätten sich bei ihrer Geburt gleichmäßig aufgeteilt.

Bedauernd wurde ihm bewusst, dass es den Teddy mittlerweile nicht mehr gab. Basch blickte durch das Fenster nach draußen, der Himmel war klar, nur ein paar vereinzelte Wolken färbten sich im Sonnenuntergang rot.

Trügerischer Frieden, dachte er sich.
 

Heute Mittag war ein aufgeregter Bote gekommen und auch sogleich wieder auf seinem Chocobo weiter geritten, um die Nachricht so schnell wie möglich zu verbreiten.

Die Brüder wollten sich daraufhin sofort auf den Weg nach Balfonheim machen, sich einschreiben lassen, doch ihre Mutter hatte gebeten, ja gebettelt, damit sie hier blieben. Als alle guten Worte nichts gebracht hatten, hatte sie ihren letzten Trumpf ausgespielt und war in Tränen ausgebrochen, worauf hin sich ihre Söhne betroffen angesehen hatten.

Sie wussten mittlerweile, dass ihre Mutter krank, ja sogar schwer krank war.

Es war eine Qual untätig zu Hause bleiben zu müssen, doch notgedrungen sahen sie ein, dass die Soldaten Schutz genug waren, dass zwei 16jährige Jungspunde ohne wirkliche Kampferfahrung (die Bandelquahls und die Schakale ausgenommen) mehr Last denn Nutzen wären.

Gerne hätten Basch und Noah mehr Chancen wahr genommen, um Soldaten zu werden, um sich im Kampf beweisen zu können, doch hatte keiner der beiden es bis jetzt fertig bringen können, ihre Mutter allein zu Hause zurück zu lassen.

Doch diesmal war es anders, vor allem in Basch brannte ein Feuer, welches die Verzweiflung schürte, nichts für sein Heimatland tun zu können. Zur Untätigkeit verdammt war er den ganzen Tag mit dem Holzschwert in der Hand am Fenster gestanden und hatte tausendmal mit dem Gedanken gespielt und tausendmal wieder verworfen, heimlich nach Balfonheim aufzubrechen, da er das kommende Übel nur schwer ertragen konnte.

Noah war jemand, der sich eher fügte, der dafür aber nicht vergaß. Basch hingegen konnte fremde Oberherrschaft nicht ertragen, verzieh dafür schneller.
 

Die Nachricht des Boten war, dass Kaiser Gramis, dass Archdia mit Eroberungsfahnen vor den Grenzen Landis’ stand….

Kapitel 2: Basch und Noah

„Ich glaub, das war doch keine so gute Idee….“

„Jetzt stell dich nicht so an!“

Noah lag auf Gras und Stein, den Oberkörper halb über den Rand der Felsklippe gelehnt und starrte angestrengt nach unten zu Basch, der gerade versuchte, eben jene Klippe hinunter zu klettern.

Ziel der beiden war es, ein paar Felsröschen für den morgigen Geburtstag ihrer Mutter zu pflücken. Die beiden Elfjährigen hatten lange überlegt, was sie ihr schenken könnten. Doch da sie kein eigenes Geld besaßen und sie mittlerweile aus dem Alter heraus waren, in dem man Bilder malte, mussten sie sich etwas anderes einfallen lassen. Baschs Vorschlag war es gewesen, dass sie doch Blumen pflücken konnten, jedes Mädchen und jede Frau mochte Blumen, glaubte er zu wissen. Noah hingegen hatte die Idee weiter gesponnen, es mussten besondere Blumen für die beste Mama der Welt sein! Felsröschen gab es in diesem Teil des Landes zuhauf, doch für kleine Jungen waren sie schlecht zu erreichen, da sie nur an schwer erreichbare Stellen im nackten Stein wuchsen. Es hatte ihn einiges an Überredungskunst gekostet, damit ihm sein älterer Bruder bei dem Vorhaben half. Doch als es soweit war, kniff Noah und ließ Basch klettern. Die Röschen waren nicht weit unten, aber mit ausgestreckten Armen kamen die Jungen nicht an sie heran.

Und noch während Noah oben plapperte um Basch anzufeuern, rutschte dieser schließlich aus und fiel gut zwei Meter hinunter, geradewegs an den Röschen vorbei auf die nächste Stufe der Felswand. Im ersten Moment war er nur erstaunt, wie er hatte fallen können, doch dann explodierte sein rechtes Fußgelenk im Schmerz und er begann zu weinen. Er weinte, weil er nicht mehr aufstehen konnte, weil er allein hier unten war, weil er sich weh getan hatte.

Und Noah weinte oben mit ihm. Weinte, weil er Angst um seinen Bruder hatte, weil er nur hilflos hinunter sehen konnte. Doch er besaß soviel Verstand, dass er nach einer Weile nach Hause lief und seiner Mutter unter Tränen alles beichtete. Diese informierte vor Schreck und Sorge sofort die Nachbarn, welche mit drei Mann und einem langen Seil zu besagter Stelle aufbrachen. Sie holten einen Rotz und Wasser heulenden Basch, der seine kleine Faust fest um zwei Felsröschen geschlossen hatte, wieder nach oben und trugen ihn gut gelaunt und lachend nach Hause.

Ein Heilkundiger wartete dort bereits, um sich das kaputte Bein anzusehen, welches glücklicherweise nur eine Bänderdehnung hatte. Er verband es, mahnte, es für mindestens einen Monat ruhig zu halten und verabschiedete sich wieder.

Sobald sie wieder allein waren, bekamen die Brüder beide eine gesalzene Ohrfeige und mussten augenblicklich ohne Abendessen ins Bett!

„Und sie hat sich doch gefreut“, versuchte Noah seinen Bruder aufzuheitern, als er sich die letzten Tränen von den Wangen wischte.

„Hat sie nicht, sie hat geschimpft“, schmollte dieser nur und betastete vorsichtig seinen verletzten Fuß, zog die Hand jedoch augenblicklich wieder zurück.

„Doch, sie hat die Blumen die ganze Zeit in der Hand gehalten.“
 

Wann immer die Mutter Angst hatte, speziell um ihre beiden Söhne, hielt sie die beiden getrockneten Felsröschen fest an ihre Brust gedrückt.

So auch jetzt.

Die Nachrichten aus Balfonheim waren nie gut gewesen, seit drei Tagen hörte man jedoch überhaupt nichts mehr, was fast ein noch schlimmeres Zeichen war.

Basch betrachtete die Blumen und schnaubte. Er glaubte nicht an Noahs Hoffnung, dass die archadianischen Truppen bald abziehen würden. Stattdessen versuchte er sich auf das Schlimmste vorzubereiten.

„Vereinzelte imperiale Soldaten ziehen nach Einbruch der Dämmerung durch das Land, bestehlen hilflose Leute, verschleppen die Frauen für ein paar Stunden Spaß!“ Basch war außer sich, wie konnte Noah nur hier ausharren und hoffen! Er hatte Angst um seine Mutter. Trotz ihres Alters war sie noch immer eine schöne Frau. Der Gedanke, dass dreckige, ausländische Soldaten sich an ihr vergriffen…..

„Das sind nur Gerüchte“, wiederholte Noah wütend zum gefühlten hundertsten Mal.

„Du hast ebenfalls den Bangaa gesehen, den sie zusammen geschlagen haben, nur weil er kein Hume war!“, erwiderte Basch.

Daraufhin schwieg Noah. Er konnte durchaus verstehen, was sein Bruder fühlen musste, doch er selbst weigerte sich, Landis, sein Heimatland, einfach so aufzugeben. Noch war der Krieg nicht vorbei, noch gab es Hoffnung! Eine überstürzte Entscheidung wäre jetzt töricht. Ihre Mutter stammte aus Archadis, ehe sie aus Liebe nach Landis kam, die Soldaten würden ihr, ihnen allen, nichts tun!

Basch würde eine imperiale Oberherrschaft nicht akzeptieren, doch wollte sein Bruder auch nicht, dass er ging. „Wir brauchen dich hier!“, versuchte Noah ihn zu überzeugen. „Selbst wenn Archadia uns einnimmt, dies wird immer unser Heimatland bleiben!“

„Nein“, schüttelte Basch den Kopf. „Wenn es eingenommen wird, dann wird es kein Landis mehr geben.“

Die Mutter hörte nur stumm zu. Der aufkeimende Streit zwischen ihren Söhnen zerriss ihr schier das Herz. Blass und kraftlos saß sie da, hob ihr blutbeflecktes Taschentuch an die Lippen. Die beiden hatten noch nie gestritten.
 

Noch am selben Abend wurde verkündet, was die drei Tage andauernde Stille bereits voraus geschickt hatte. Archadia war siegreich, die Republik Landis gab es nicht mehr....

Kapitel 3: Basch und Noah

Baschs Unterlippe platzte nach dem Schlag auf, er torkelte zwei Schritte zurück.

Mit noch erhobener Faust funkelte Noah seinen Bruder mehr als nur wütend an, der seine Hand an den Mund hob, um das Blut wegzuwischen.

„Nein, du verlässt Landis nicht!“

Der jüngere Bruder hatte Mühe, seinen Hass nicht hinaus zu schreien.

Als Basch sich lediglich abwandte und nach seinem Reisesack greifen wollte, da verlor Noah endgültig die Beherrschung! Er stürmte vor, packte seinen Zwilling am Kragen und presste ihn gegen die Wand hinter ihm.

„Was ist mit Mama? Was ist mit mir?“ Er war so wütend, dass er am liebsten geweint hätte. „Verdammt noch mal Basch, wir brauchen dich hier, Landis braucht dich!“

„Mutter weiß Bescheid“, antwortete der Ältere der beiden lediglich. „Ich habe mich bereits von ihr verabschiedet, ich gehe mit ihrem Segen.“

„Nein, tust du nicht! Du wirst uns hier nicht im Stich lassen!“ Er würde ihn nicht gehen lassen, selbst wenn er ihn dazu bewusstlos schlagen musste.

„Landis existiert nicht mehr, begreif es doch endlich, Noah!“ Langsam aber sicher riss auch dieser Geduldsfaden. „Du klammerst dich an die Vergangenheit.“

„Und du fliehst vor der Gegenwart!“ Was glaubte er denn, was er allein als 16-jähriger in Dalmasca oder Nabradia würde auf die Beine stellen können? Eine Zukunft? Nie und nimmer! „Deine Zukunft liegt hier!“

„In Archadia? Niemals!“, nun war es Basch, der wütend wurde. Er würde sich nicht der imperialen Herrschaft beugen, die sich einfach genommen hatte, was ihr nicht gehörte.

Noahs Unterlippe bebte. Nein, er würde nicht vor seinem Bruder weinen! „Als ob du es in einem anderen Land abwehren könntest! Weißt du was du bist? Ein trotziges Kind, das glaubt, es wisse alles!“, drückte er ihn erneut hart gegen die Wand.

„Und du bist klüger?“, erwiderte Basch.

Noah sah ihn ungläubig und…. hilflos an. Er ließ zu, dass er mit sanfter Gewalt weggeschoben wurde. Sah seinem Bruder zu, wie er nun seinen Reisesack nahm und zur Tür schritt. Er konnte nicht mehr tun, als ihm stumm hinterher zu sehen, weigerte sich zu glauben, dass das nun geschah.

Der Ältere der beiden blieb im Türrahmen stehen. „Leb wohl“, verabschiedete er sich, ohne sich umzudrehen. Doch als er keine Antwort bekam, ging er. Basch verließ das ehemalige Landis.
 

Noah wartete den ganzen Tag, dass Basch zurück kehren würde. Wartete darauf, ihm erneut ins Gesicht schlagen zu können und danach zu umarmen.

Doch er kam nicht wieder. Erst gegen Mitternacht ließ er seinen Gefühlen freien Lauf, er lag auf seinem Bett und weinte wie ein hilfloses Kind. Selbst seine Mutter schaffte es nicht, ihn zu trösten. Ihm zu versichern, dass es in Ordnung sei, dass Basch seinen eigenen Weg würde finden müssen.

Von diesem Moment an wuchs der Hass auf seinen Zwillingsbruder. Es war das einzige Gefühl, das dieser hier für Noah zurück gelassen hatte.

In Landis hielt ihn nun nichts mehr, er überzeugte seine Mutter, ihre Erinnerungen hier ebenfalls zurück zu lassen, in Archadis ein neues Leben zu beginnen, immerhin war es ihre Geburtsstadt.

Und die Zeit drängte. Seit Baschs Abschied verschlechterte sich ihr Zustand zusehends und die Reise, selbst wenn der größte Teil mit einem Luftschiff erfolgte, tat ihr Übrigstes dazu.

Die gesamten Ersparnisse gingen für eine kleine Wohnung in der prächtigen Hauptstadt drauf. Noah versprach seiner Mutter, er würde sich Arbeit besorgen, sobald es ihr wieder besser ging, er konnte sie jetzt nicht auch noch alleine lassen.

„Du bist mein lieber Junge“, war das Letzte, was sie sagte. Eine Woche nach ihrer Ankunft verlor sie den Kampf gegen ihre Krankheit und den Kummer.

Zum zweiten Mal weinte Noah bitterlich, hielt sie in seinen Armen und rief nach seiner Mama, sie solle zu ihm zurück kommen. Er war nun allein.

Erst sein Heimatland, dann Basch, nun seine Mutter.

Es war immer das Liebste, das einem entrissen wurde.

Warum?

Kapitel 4: Basch und Noah

Es war seine Mutter gewesen, die ihn überzeugt hatte, Landis zu verlassen. Ohne ihren Zuspruch wäre er wohl bei ihr und seinem Bruder geblieben, jedoch in Unzufriedenheit. Sie hatte ihn überzeugt, sein Glück in einem anderen Land zu suchen.

Es kamen im Grunde nur Nabradia mit seinen Bergen, Seen und Wäldern in Frage, oder Dalmasca mit seinen endlosen Wüsten, da Rozarria seit jeher im Krieg mit Archadia lag. Basch hatte sich für letzteres entschieden, da sein König weithin für Frieden und Wissenschaft bekannt war, nicht für den Kampf.

Er war ein Fremder in Rabanastre, ein Ausländer, ein Flüchtling aus einer gefallenen Republik. Doch hier wollte er seinen Neuanfang wagen, wollte dafür sorgen, dass sich die Tragödie von Landis nicht wiederholte.

Er ließ sich als einfacher Soldat einschreiben, verbrachte seine Freizeit damit zu lernen und zu trainieren, was hätte er auch sonst allein tun sollen?

Sein Fleiß blieb nicht ohne Erfolge, seine Offiziere wurden auf diesen ehrgeizigen jungen Mann aufmerksam. Mit 22 Jahren wurde Basch das erste Mal befördert.

Er lernte einen zwei Jahre älteren Mann kennen, Vossler York Azelas, der denselben Dienstrang wie er bekleidete. Die beiden freundeten sich an und gemeinsam trainieren sie weiter, bis für sie beide schließlich acht Jahre später ihre letzte Beförderung kam, mit 30 Jahren wurde Basch zum Hauptmann ernannt.

Seine Taten und sein Kampfgeschick fanden nicht nur bei den Soldaten Gefallen, auch das Volk hatte von dem Mann aus Landis gehört, dem Niemand, der es einzig mit Fleiß und Willenskraft geschafft hatte, als Soldat hoch aufsteigen, obwohl kein adeliges Blut in seinen Venen floss. In gewisser Weise war er ein Held in Friedenszeiten.

König Raminas selbst hatte reges Interesse an dem Jungen gezeigt, der aus dem Nichts aufgetaucht war um in seiner Armee zu dienen. Als er ihn schließlich zum Hauptmann befördert hatte, folgten lange Gespräche zwischen den beiden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Band aus gegenseitigem Vertrauen und Treue, Basch gehörte längst nach Rabanastre, Landis war nur noch eine ferne Erinnerung, obwohl er seinen Bruder und seine Mutter nie vergessen hatte.

Dieses Vertrauen in dessen Fähigkeiten und Kampfgeschick ging sogar so weit, dass Raminas ihm die Würde eines Generals verleihen wollte. Doch der Hauptmann hatte lang darüber nachgedacht, ob er annehmen sollte. Es war sein Kindheitstraum gewesen, als General die Welt vom Bösen zu befreien. Doch nun, da es soweit war, überkamen ihn Zweifel. Er gehörte an die Front zu seinen Männern, nicht an die Ratstische. Er lehnte bedauernd, aber mit festem Entschluss ab. Dennoch wurde ihm vom König selbst ein Geheimnis anvertraut, das Geburtsrecht des Hauses derer von Dalmasca….
 

Doch die Tragödie von damals wiederholte sich. Archadia war in Nabradia eingefallen, hatte es eingenommen und dessen Hauptstadt Nabudis verschlungen.

Nun standen die endlosen Heere des Imperiums vor den Toren Nalbinas und hatten das Leben des mit Prinzessin Ashelia vermählten Prinzen Raslers gefordert.

Doch damit endete die Geschichte nicht. König Raminas selbst war nach Nalbina aufgebrochen, um einen Friedensvertrag, nicht mehr als eine Kapitulation zu unterzeichnen.

Die Soldaten, darunter Basch und Vossler, hörten davon in Rabanastre und kehrten augenblicklich zur Grenzstadt zurück, um ihrem Herrscher beizustehen, ihn zu beschützen. Und Eile war geboten, Basch hatte damals in Landis nichts ausrichten können, doch diesmal würde er nicht versagen!
 

Der Innenhof der Nalbina Festung war übersäht mit zahlreichen gefallenen Kriegern. Neben Hume lagen Bangaa und Seek, neben imperialen Soldaten dalmascanische Ritter.

Dieser Krieg hatte einen Großteil der königlichen Armee den Tod gebracht.

‚Dieser sinnlose Krieg’, dachte Basch wütend, als er die augenscheinlich Gefallenen untersuchte. Jedes Leben war wichtig, er wollte so viele wie möglich mit nach Hause nehmen.

Vossler hielt das für Zeitverschwendung, er war der Meinung, dass sie den König finden mussten, einfache Soldaten zählten dabei nicht!

Azelas gab seinem Gefährten Zeit, bis er selbst einige Anweisungen bezüglich Verhalten und Vorsicht an seine Männer weiter gegeben hatte, danach würde er aufbrechen.

Und tatsächlich, ein junger Krieger war lediglich bewusstlos. Dieser stellte sich als Reks vor, 17 Jahre alt.

Basch erinnerte sich daran, wie er selbst als 16-Jähriger in das Soldatenleben eingetreten war…. viel zu jung für den Krieg! Wahrscheinlich behielt er den Jungen deswegen auf dem Weg zum Thronsaal im Auge, weil er ihn wohlbehalten zurück zu seinem wartenden Bruder nach Rabanastre schicken wollte.

Jedes einfache Soldatenleben zählte und dieses hier war zu jung, als dass man es opfern dürfte.
 

Müde und geschwächt vom langen Kampf, festgehalten von einem Dutzend archadianischer Soldaten konnte Basch nur noch entsetzt aus der Ferne zusehen, wie das Schwert, das bereits das Leben seines Königs gefordert hatte, in Reks’ Brust eindrang, augenscheinlich geführt von ihm selbst....

Epilog: Basch und Noah

Noch überwältigt vor Trauer schrieb sich der junge Noah in die archadianische Armee ein. Die Trauer verging im Laufe der Zeit, doch der Hass in ihm wurde immer stärker.

Jedoch war ihm das einfache Soldatenleben, von dem er als kleines Kind immer geträumt hatte, nicht mehr genug. Er brauchte mehr Kraft, mehr Macht, um seine Rache üben zu können! Keine Rache am Imperium, sondern an seinem Bruder, den er für alles verantwortlich machte.

Er strebte nach der einfachen Richterwürde.

Bei seinen Kameraden blieb er ein Sonderling. Jemand, der lieber alleine mit sich war, als mit den anderen Spaß zu haben oder sich einfach zu unterhalten. Deswegen war er auch immer allein gewesen.

Noah trainierte und lernte fleißig, etwas anderes hatte er nicht mehr zu tun. Jedoch verschwieg er seinen Namen, wann immer es ging. Nur bei wenigen war er als Gabranth bekannt, eigentlich der Mädchenname seiner Mutter. Es war das einzige, was ihm von ihr geblieben war.

Seine Hauptmänner wurden auf den fleißigen und ziemlich geschickten jungen Mann aufmerksam. Mit 20 Jahren wurde er das erste Mal befördert. Ein Umstand, der ihn nur noch mehr lernen ließ. Er bekam Unterricht im Kampf mit zwei Schwertern, wie es eigentlich nur den höheren Rängen in Archadias Armee vorbehalten war. Doch seine Vorgesetzten hatten sich für ihn eingesetzt, da er schon bald zu den höheren Rängen zählen würde, sagten sie. Dieses Talent des Schwertkampfes nicht sofort zu fördern wäre in seinem Fall Verschwendung, so wurde argumentiert.

Durch diesen privaten Unterricht wurde er noch mehr von seinen Kameraden getrennt, die ihn schon bald darauf nicht mehr beachteten. Doch Noah störte dieser Umstand nicht wirklich, er war ein Einzelgänger geworden. Jemand, den man schnell wieder vergaß, selbst wenn man ihn einmal gekannt hatte.

Kaiser Gramis wurde von diesem jungen Mann berichtet. Ein Mann, der aus dem gefallenen Landis nach Archadis gekommen war um zu kämpfen. Zuerst hatte man ihn scharf überwachen lassen, fürchtete man doch, einen Spion oder dergleichen in den Reihen zu haben. Lediglich seine imperialen Wurzeln waren seine Eintrittskarte in die Armee gewesen.

Doch in zahlreichen Schlachten stellte Noah seine Treue und sein Können unter Beweis. Gramis selbst war hoch zufrieden mit ihm.

Es war nur das anfängliche Misstrauen des Senats gewesen, das ihm die einfache Richterwürde all die Jahre verwehrt hatte, doch der Kaiser trotzte all den Einwänden. Mit 26 Jahren ließ er den jungen Mann zu sich kommen, einen Abend bevor endlich seine Beförderung stattfinden sollte.

Die beiden sprachen lange Zeit miteinander. Er erzählte von seinem Bruder, der geflohen war, wie er selbst hierher gelangt war. Keinen Groll hegte er mehr gegen Archadia, vielmehr hatte er Gramis auf Knien seine Treue geschworen.

Solchermaßen endgültig überzeugt verwehrte der Kaiser Noah, nein, Gabranth die einfache Richterwürde und erhob ihn augenblicklich in den Stand eines Hohen Richters, des höchsten militärischen Ranges in der archadianischen Armee.

Jedem Widerstand hatte er getrotzt, er war im Laufe der Jahre zum vertrautesten Richter des Herrschers geworden, zum fähigsten und gleichzeitig auch zum jüngsten in der Geschichte des Imperiums.
 

Es war Lord Vayne, der älteste überlebende Sohn des Kaisers gewesen, der auf ihn zugetreten war.

Selbstverständlich wusste dieser von Gabranth’ Anfängen, wusste von einem Zwillingsbruder in der dalmascanischen Armee. Und genau dieser würde mit Gabranth sein Schlüssel sein!

Vayne wusste, wo sich der Mitternacht Splitter befand, den Morgen Splitter glaubte er zu wissen. Es war der Abend Splitter, der ihm Kopfzerbrechen bereitete. Irgendwo im königlichen Palast zu Rabanastre, ja, aber wo? Er könnte Jahre verbringen, ihn zu suchen! Also musste er für ihn gesucht werden.

Er plante einen Krieg. Doch durfte er die Reiche Nabradia und Dalmasca nicht einfach überrennen, er musste geschickt vorgehen. Er würde Nabudis einnehmen oder zerstören, je nach dem zu was der Mitternacht Splitter fähig war und das Wüstenreich schwächen und seinen König zu einer Konfrontation zwingen.

Gabranth sollte in die Rolle seines Bruders schlüpfen und Dalmasca das Herz heraus reißen! Sie brauchten nur einen Zeugen, eventuell Hauptmann Azelas, der stets an der Seite Baschs kämpfte. Ein schwer verwundeter Zeuge würde die minimalen Unterschiede von Stimme und Augenfarbe nicht bemerken, so hoffte man.

Durch diesen Verrat würde das Wüstenreich zu Archadia gehören, jedoch noch genug Spielraum für Lady Ashe bieten, sich mitsamt des Splitters zu erheben.

Der Hohe Richter musste sich nicht überzeugen lassen. Nach 18 Jahren bekam er endlich, weswegen er so lange trainiert hatte, die Gelegenheit der Rache!
 

Und dieser wahnsinnige Plan funktionierte!

Gabranth erschlug König Raminas, sah seinem entsetzten Bruder hochmütig ins Gesicht und verwundete einen einfachen Soldaten schwer, aber nicht unmittelbar lebensgefährlich, der sich vor Azelas allein im Thronsaal zu Nalbina eingefunden hatte.
 

Zu seinem Bedauern wurde Basch am Leben gelassen. Er sei eine Versicherung gegen Ondore, ein Druckmittel, hieß es, um den Marquis gefügig zu halten.

Doch heute war ein guter Tag. Gabranth kehrte erneut in die Grenzfestung zurück, um seinem Bruder, der nach zwei Jahren Gefangenschaft und Folter kaum noch wieder zu erkennen war, mitzuteilen, dass man eine Anführerin des Widerstandes, Amalia, gefangen genommen hatte. Er wollte die verzweifelte Hoffnung in dessen Augen sterben sehen. Hoffnung, dass Prinzessin Ashelia noch lebte und Verzweiflung, dass sie in den Händen des Imperiums war.

Doch als Gabranth zu Basch zurück kehrte, war der Käfig mitsamt dem Gefangenen weg.

Prolog: Balthier

So erfreulich die Nachricht gewesen war, dass seine Frau guter Hoffnung sei, so ernüchternd war die Geburt.

Diese dauerte bereits viel zu lange, Cidolfus lief unruhig den Krankenhausgang hinauf und hinab, seitdem man ihn urplötzlich von der Seite seiner Frau weggezerrt hatte. Komplikationen seien aufgetreten, war die Begründung.

Als der Arzt und erschöpfte Schwestern endlich kamen, brach in Cid etwas auseinander. Seinen Sohn hatten sie retten können, die Mutter jedoch nicht.

Es dauerte etwas, bis der junge Wissenschaftler tatsächlich registrierte, was soeben geschehen war. Er eilte an ihr Bett, betrachtete panisch die schweiß- und blutnassen Laken, doch seine geliebte Frau hatte er nie wieder gesehen. Er hatte ihr nicht beistehen können, er hatte gar nichts für sie tun können! Nicht einmal ihre Hand hatte er in ihrer schwersten Stunde halten können….

Und dann hatte man ihn zu seinem Sohn geführt, weil man befürchtete, er würde den Schmerz des Verlustes nicht ertragen und nun so neue Hoffnung schöpfen können.

Er sah ein kleines Etwas friedlich zwischen sauberen Tüchern schlafen. Cid gab seinem Sohn nicht die Schuld. Dieses winzige, unschuldige Wesen, sein Kind, konnte einfach nicht Schuld sein!

Vorsichtig hob er ihn hoch und betrachtete den Kleinen. Und obwohl es ihm schier das Herz über den Tod seiner Frau zerriss, lächelte er das Baby an, lächelte es liebevoll an. Eine Szene, die sich noch oft wiederholen würde.

Er war alles, was ihm von seinem Glück geblieben war. Er würde ihm ein guter Vater sein. Und er würde stolz auf seinen Sohn sein! Er würde dafür sorgen, dass er stolz sein konnte, nur das Beste wäre gerade gut genug, nur das Beste würde er ihm bieten!

Also musste auch sein Name stolz sein, passend für ein glorreiches Leben!

„Ffamran“, flüsterte Cid. „Ffamran Mid Bunansa.“

Kapitel 1: Balthier

Ffamran Mid Bunansa war ein sehr artiges Kind. Cid hatte die Gouvernanten höchst selbst ausgesucht, nur das Beste war für seinen jüngsten Sohn gerade gut genug.

Seine Kindheit verlief unbeschwert. Er hatte viele hochwertige Spielsachen, ein großes Zimmer ganz für sich allein. Was er jedoch nicht hatte, waren Spielkameraden, da seine Brüder bereits Privatunterricht bekamen und somit wenig Zeit hatten, mit ihm herum zu tollen. Neugierig sah er anderen Kindern hinterher, wenn er mit einer seiner Ammen durch die Straßen und Parks von Archadis spazieren ging. Einmal wollte er ihnen hinterher laufen, als eine kleine Gruppe von etwa gleichaltrigen dreijährigen Jungen einem Ball nach liefen, doch das Kindermädchen hatte ihn an der Hand fest gehalten, ihm gedroht, sie würde es seinem Vater erzählen. Ffamran hatte daraufhin zwar geweint, doch die Frau war hart geblieben.

Er liebte seinen Vater, trug dieser ihn doch oft genug auf dem Arm durch das Haus und erzählte ihm Geschichten, die er noch nicht verstand. Doch die liebevolle Nähe reichte ihm vollkommen. Im Gegenzug hatte er artig zu sein. Wenn er zu Tisch saß, musste er ruhig sein, es wurde während des Essens nicht gesprochen. Genauso wenig durften seine drei Söhne Cid stören, wenn er gerade an seinem Arbeitsschreibtisch saß. Ffamran kannte es nicht anders und akzeptiere es.

Als er fünf war, bekam er Unterricht. Private Hauslehrer wurden eingestellt, die dem Jungen die beste Bildung zuteil kommen lassen sollten. In etwa zur selben Zeit wurde Cid befördert, er wurde aufgrund seiner herausragenden Leistungen in der Wissenschaft als Leiter des Draklor Laboratoriums vorgeschlagen und angenommen. Nun sahen sich Vater und Sohn seltener. Doch wenn sie ein Abendessen gemeinsam einnahmen, lauschte dieser stolz, was der Junge heute wieder alles gelernt hatte und wie viele Buchstaben er schon schreiben konnte.

Lernen, das war im Grunde das, was Ffamran seine Kindheit über getan hatte. Und alles was er wollte, war, dass sein Vater stolz auf ihn war.

Kurz nach seinem siebten Geburtstag wurde er in ein Internat für adelige Jungen geschickt. Was für die meisten ein Grund zur Trauer war, war für Ffamran lediglich ein Grund zur Freude. Nun endlich würde auch er Freunde finden.

Diese sieben Jahre verliefen für ihn ruhig. Er war Kopf einer Viererbande, die jegliche Freizeit gemeinsam verbrachte, er war Klassenbester und Drittbester seines Jahrgangs.

Mit 14 Jahren kam er wieder nach Hause, wohl erzogen und überbrachte seinem Vater stolz sein Abschlusszeugnis und seine Empfehlungsschreiben.

Doch auf die Frage, für welchen Weg er sich nun entscheiden möchte, wartete er vergeblich. Stattdessen schlug Cid ihm vor, es wäre sein allergrößtes Interesse, wenn sein Sohn sich dem Militär anschließen würde. Doch nicht irgendeine Militärlaufbahn, für sein jüngstes Kind musste es das Beste sein!

„Ich habe persönliche Kontakte zum Kaiserhaus, es wurde bereits alles arrangiert. Mein Sohn, aus dir wird ein hervorragender Richter!“

Und sobald er sich bewähren würde, könnte aus ihm irgendwann vielleicht sogar ein Hoher Richter werden, das war sein größter Traum! Vielleicht würde er selbst einmal Richter Gabranth überflügeln, der es bereits vor zwei Jahren zum jüngsten Hohen Richter in der Geschichte Archadias geschafft hatte.

Ffamran willigte ein, er würde seinen Vater nicht enttäuschen. Gleichzeitig schluckte er die Tränen hinunter. Er wusste, dass Cid an der Entwicklung eines neuen Luftschiffes arbeitete. Er liebte die Luftfahrt über alles, er hatte alle Bücher im Internat regelrecht verschlungen! Auch bedeutete die Laufbahn eines Richters, dass seine künftige Waffe das Schwert sein würde. Man hatte ihm die Grundbegriffe der meisten Waffengattungen beigebracht, doch am meisten war er von Pistolen fasziniert gewesen. Sie waren ebenso tödlich wie ein Schwert, man brachte sich selbst nicht in unmittelbare Gefahr, wenn man zum Ausgleich aber auch keine Verteidigung damit hatte.

Doch sein Leben lang war ihm eingeredet worden, dass sein Vater nur das Beste von ihm wollte, dass er Autoritätspersonen zu gehorchen hatte. Also willigte er auch in diesen Wunsch, wenn auch schweren Herzens, ein.

Kapitel 2: Balthier

Die Ausbildung eines Richters war eine harte. Doch wie auch schon in jungen Jahren so bekam Ffamran auch jetzt Privatunterricht. Er war insgesamt gesehen jünger als die anderen Anwärter für diesen Rang, die zuerst ihren Dienst als gemeine Soldaten verrichten mussten, ehe sie überhaupt erst die Möglichkeit für den Weg eines Richters hatten!

Cid ließ sich jede Einzelheit berichten, nickte anerkennend oder hob missbilligend eine Augenbraue, je nach Erfolg oder Misserfolg.

Immer wieder beteuerte er seinem Sohn, dass er sehr stolz auf ihn wäre, stolzer als bei seinen beiden älteren Brüdern. Ffamran wollte ihn auf keinen Fall enttäuschen, also opferte er seine gesamte Freizeit um zu lernen und zu trainieren.

Was nicht wirklich einfach war, er hatte nachzuholen, was andere bereits wussten oder kannten. Freie Tage kannte er nicht, die wenigen Stunden nachts opferte er für kostbaren Schlaf, ansonsten war er nur auf dem Übungsplatz oder in seinen Räumen beim auswendig Lernen anzutreffen. Den Stoff paukte er so gut es ging, darin hatte er Übung. Doch die Kampftechnik mit dem Schwert konnte er einfach nicht behalten. Einmal hatte er es gewagt zu fragen, ob es für einen Richter keine andere Waffenart gäbe, doch die spöttische Antwort, was er werden wollte, Richter oder gemeiner Soldat, war ihm mehr als genug.

Seine Leidenschaft für Luftschiffe wurde ebenfalls auf Eis gelegt. Dass er je eines selbst fliegen können würde, das wäre mehr als nur unwahrscheinlich. Also las er heimlich, wenn er eigentlich schlafen sollte, die kostbaren Bücher über Navigation, Wartung und alles weitere Wissen, was im Regal seines Vaters zu finden war.
 

Nach zwei Jahren war Ffamran ausgemergelt. Er hatte sein Leben damit verbracht zu lernen, nur um mit 16 Jahren zu einem Richter werden zu können.

Dr. Cid platze fast vor Stolz, die anderen Richter betrachteten ihn wie einen, der sich den Rang hatte schenken lassen und die Hohen Richter kümmerten sich nicht einmal um ihn.

Seine eigenen Brüder kannte er kaum, Kontakt zu seinen drei Freunden aus Internatzeiten hatte er nicht mehr. Im Grunde war er allein, nur der Stolz seines Vaters war ihm geblieben, an diesem klammerte er sich fest wie ein Ertrinkender.
 

Es war der Tag, an dem er seine erste Mission als Richter erfolgreich absolviert hatte und er nach Draklor eilte, um Cid davon zu berichten. Doch er traf niemanden an. Der Schreibtisch des Leiters war in Unordnung, fast so, als wäre jemand überstürzt aufgebrochen oder bei einer Suche überrascht worden.

Ffamrans Blick fiel auf einige Maginite, die mit wirren Notizen verstreut auf dem Tisch lagen, danach auf die Pläne des Prototyps des neuen Luftschiffes, welches sein Vater kürzlich erst zu Ende gebracht hatte und welches sich in eben jenem Moment im finalen Baustadium befand. Er studierte die Blaupausen bis spät in die Nacht hinein, doch Cid kam nicht zurück.

Genauer gesagt kam er die nächsten Tage nicht zurück, er blieb verschwunden. Vom Labor wollte oder konnte ihm niemand sagen, wohin der Leiter aufgebrochen war oder wann er zurück kommen würde.
 

Doch als Cidolfus nach etwa zwei Wochen überraschenderweise wieder auftauchte, wünschte sich sein jüngster Sohn fast, sein Vater wäre nie wieder nach Hause gekommen....

Kapitel 3: Balthier

„Die Geschichte muss wieder von Menschenhand geschrieben werden!“

„Aber ja, das ist brillant, Venat!“

„Der Stein wird alles verändern. Was? Oh, ich bin natürlich dankbar für die bisher erbrachten Opfer.“

Nachspionieren war nicht die feine Art und Weise, doch Ffamran blieb nichts anderes übrig.

Er hatte mittlerweile heraus gefunden, wo sein Vater gewesen war, in der antiken Stadt Giruvegan. Zahlreiche Geschichten, Legenden und Märchen erzählten davon, eigentlich hatte er nicht einmal geglaubt, dass dieser Ort tatsächlich existierte. Doch was immer dort gewesen war, es hatte Cid den Verstand geraubt! Zuerst sprach er nur heimlich und leise mit sich selbst, sprach zu einem Venat über einen Stein, als hätte er einen unsichtbaren Freund, doch mit der Zeit tat er es auch in Gedanken versunken, wenn andere in der Nähe waren.

Ffamran hatte einmal versucht, ihn vorsichtig darauf anzusprechen, doch er bekam nur die Antwort, dass er es nicht verstehen würde und lieber seinem Amt als Richter gerecht werden sollte! Schon bald würde er ihn nämlich brauchen!

Dem jüngsten Sohn blieb nichts anderes übrig als zuzusehen, wie sein Vater langsam aber sicher den Verstand verlor.

Nicht nur das, auch die Besuche und Treffen mit Lord Vayne wurden häufiger, ja fast schon zur Regelmäßigkeit! Etwa zur selben Zeit begann der Sohn des Kaisers seine anderen Brüder einen nach dem anderen umbringen zu lassen. Auf ziemlich geschickte Weise, nach außen zum gemeinen Volk drang kein Wort, doch dank der Lauscherei wusste Ffamran, was tatsächlich geschehen war. Lediglich vor seinen jüngsten Bruder, Lord Larsa, gerade einmal sechs Jahre alt, machte er Halt.

Wenn Cid sich in den Palast für eben jene kaiserlichen Gespräche aufmachte, stahl sich Ffamran in dessen Arbeitszimmer. Unzählige Unterlagen las er durch, sie handelten alle von Maginiten und einem seltsamen Stein genannt Nethizit. Zahllose Versuche um einen solchen Stein zu erschaffen lagen vor ihm ausgebreitet auf dem Schreibtisch.

Es ging sogar so weit, dass Dr. Cid seinem jüngsten Sohn eine deftige Ohrfeige gab, als dieser ihn explizit darauf ansprach. Da wusste er, dass sein Vater davon regelrecht besessen war.
 

Ffamran dachte lange nach, was er tun könnte. Seine Brüder schenkten ihm kein Gehör, der einzige, dem er sich hätte anvertrauen können, war sein mittlerweile geistesgestörter Vater. Dazu kam, dass das Imperium mit Lord Vayne einen Pfad anstrebte, der ihm nicht gefiel.

Im Grunde war er allein in Archadis. Er war kein Richter, Cid hatte ihn zu einem Richter gemacht, mehr nicht.

Und eben weil er seinen Vater liebte, konnte er dessen Zustand nicht mehr ertragen. Er wollte weg! Weg von der Korruption von Vayne, weg von Selbstgesprächen und weg von dieser Rüstung samt den zwei Schwertern! 16 Jahre lang hatte er artig getan, was man von ihm verlangte, hatte nie etwas dagegen gesagt. Und der Dank war nun, dass man ihn nicht einmal zu Wort kommen ließ, dass er schweigend zusehen musste, wie das einzige, das er liebte, sich selbst zu Grunde richtete….
 

Der Abend dämmerte bereits als sich Ffamran auf den Weg zum Waffenlabor machte. Das neue Luftschiff war fertig gestellt, jedoch bereits wieder aufgegeben worden, morgen sollte es demontiert werden.

Er hatte sich selbst einen Passierschein ausgeschrieben, die Wachen ließen diesen zivil gekleideten Mann auf Geheiß eines Richters Ffamran ohne zu Zögern durch. In seiner Tasche befanden sich sämtliche Pläne und Blaupausen des neuen Schiffes, sonst nichts. Keine weiteren Papiere, keine Erinnerungsstücke.

Er setzte sich in das Cockpit und atmete noch einmal tief durch. Wenn er diese Knöpfe und Hebel jetzt betätigte, dann gäbe es kein Zurück mehr, dann würde er sein gesamtes Leben über den Haufen werfen, dann wären die letzten Jahre alle umsonst gewesen, all das Lernen, all das verhasste Schwerttraining, all die mühsam ertragene Feindseligkeit und Einsamkeit.

Es war ein Wunder, dass sich die Wachen nicht nach ihm umgedreht hatten, sein Herz klopfte ihm laut bis zum Hals und seine Knie zitterten sichtlich, seine Hände lagen verkrampft auf dem Steuerknüppel.

‚Die Geschichte muss wieder von Menschenhand geschrieben werden!’

Per Kopfdruck schloss er die Eingangsluke.

‚Aber ja, das ist brillant, Venat!’

Er betätigte die Hebel, um das Schiff startklar zu machen.

‚Der Stein wird alles verändern. Was? Oh, ich bin natürlich dankbar für die bisher erbrachten Opfer.’

Mit ruhiger Hand drückte er den Steuerknüppel nach vorn, das Schiff hob ab.

Er war sich sicher, dass es Momente geben würde, in denen er diesen Schritt hassen würde, in denen er sich dafür verfluchen würde! Doch als er in die endlosen Weiten des roten Abendhimmels blickte, nur von Wolken und den höchsten Türmen der kaiserlichen Stadt umgeben, da wusste er, er würde nicht zurück blicken. Er flüchtete vor seinem Vater und dem ihm unbekannten Nethizit, der all dessen Denken beeinflusst hatte.

Mit dem Luftschiff würde er dorthin fliegen, wohin immer er auch wollte, es gab niemanden mehr, der ihm den Weg weisen konnte. Er war noch jung, sein gesamtes Leben lag noch vor ihm.

Ab diesen Tag liebte er jede Dämmerung, die er in seinem Schiff verbrachte.

‚Strahl’ war das erste, das ihm als Name einfiel.

Kapitel 4: Balthier

Ffamran fand sich in der Welt außerhalb seiner Studierzimmer nicht zurecht.

War er anfangs noch dem Gedanken erlegen, er würde das einzig Vernünftige tun, so dachte sein mittlerweile knurrender Magen anders darüber. Es war reine Ironie, wenn man bedachte, dass seine Familie selbst für archadianische Maßstäbe sehr wohlhabend war, er selbst nun aber Hunger leiden musste. Der romantische und freie Traum eines Luftpiraten zerplatzte wie eine Seifenblase.

Nicht zum ersten Mal verfluchte er sich, dass er nichts von zu Hause mitgenommen hatte, das sich zu Geld machen ließ. Schlafen konnte er in der Strahl, sobald er einen sicheren Landeplatz irgendwo auf freiem Feld gefunden hatte, da er seine wenigen Gil nicht für Landegebühren in einem Luftschiffhafen verschwenden wollte.

Noch während er über den Markt einer kleinen Stadt irgendwo in Tchita spazierte, überlegte Ffamran, womit er sich nützlich machen konnte. Er musste gestehen, er fühlte sich zu fein, als dass er irgendwo eine Lehre würde anfangen wollen. Er wollte nicht hart arbeiten oder den ganzen Tag an einem Basarstand stehen und feilschen. Und ganz besonders wollte er sich von Niemandem befehlen lassen, was er zu tun hatte! Sein ganzes Leben war von anderen Leuten, allen voran von seinem Vater, bestimmt worden; er war jetzt sein eigener Herr und er schwor sich lieber Hunger zu leiden als sich erneut herum kommandieren zu lassen!

Da seine momentanen Alternativen beschränkt waren und seine wenigen Gil nicht ewig halten würden, tat er das, was ihm als erstes in den Sinn kam. Er entwendete die gefüllte Börse eines unachtsamen Kaufmanns, welche einsam und verlassen auf einer Theke lag und schlenderte unschuldig weiter.
 

Und so verbrachte er weiterhin seine Tage, er stahl, was er benötigte. Hin und wieder nahm er auch einen Mob an, wenn er glaubte, das Kopfgeld sei nur lohnenswert genug.

War weder eine gute Gelegenheit für einen Diebstahl oder eine Mobtafel in seiner Reichweite, so versuchte sich Ffamran in einem gänzlich anderen Gebiet: den Töchtern von Wirten.

Er sah gut aus, das wusste er, und er hatte schnell gelernt, dass sein Aussehen und eine honigsüße Zunge in der Gegenwart von Frauen ihm schnell eine kostenlose warme Mahlzeit einbringen konnte.

Darüber hinaus gefiel es ihm, wenn die hübschen Mädchen ihm heimlich zuzwinkerten, ihm ungesehen mit leicht geröteten Wangen einen scheuen Kuss aufhauchten. Bald schon begann er sich dementsprechend zu kleiden und die jungen Dinger lagen ihm zu Füßen. So manche Nacht verbrachte er im elterlichen Heustall, im Arm nur die schönsten Mädchen, die unter seinen Zärtlichkeiten schmolzen. Allen anderen versprach er sicher zu kommen, ließ sie jedoch die ganze Nacht weinend am Treffpunkt mit gebrochenem Herzen warten.

Ffamran hatte nie die Zeit gehabt, sich für Frauen zu interessieren, dazu waren seine Studien zu intensiv gewesen und nun schien es, als wollte er all die verlorenen Jahre wieder nachholen. Er sammelte Erfahrung, wie er das schöne Geschlecht um den Finger wickeln konnte, nicht selten lag er sogar nackt mit ihnen im Verborgenen, doch den Liebesakt selbst vollführte er nur selten.
 

Im Laufe der Zeit hatte er sich eine schöne Summe an Gil ergaunert, wovon er einiges an Kleidung, das meiste jedoch an Ersatzteilen und Verbesserungen der Strahl investierte. In diesem einen Fall war er sich nicht zu schade, bei einem alten Bangaa in eine Art Lehre zu gehen um die Schiffsmechanik besser kennen zu lernen.

An Archadia dachte er nur selten. Sicher fragte er sich immer wieder, wie es seinen Brüdern ging, ob sein Vater noch immer besessen war von einem Stein, doch es zog ihn nicht zurück.
 

Es war irgendwann im Frühherbst, als der 19jährige Ffamran einem Internatskameraden genannt Julius begegnete. Jener war nicht lang nach seinem Abschluss wegen Betruges in die Altstadt von Archadis verbannt worden, wo er weiterhin mit Lug und Trug sein Leben fristete, in der Hoffnung, er würde wieder in der kaiserlichen Hauptstadt selbst einen Fuß fassen können. Julius war nur zu angetan von der Begegnung mit Ffamran, versprach er sich doch eine schöne Summe von Dr. Cid, wenn er diesem erzählte, an welchem Ort sich sein davon gelaufener Sohn gerade aufhielt.

Eine Prügelei später erhob sich die Strahl in die Lüfte und landete erst wieder weit weg vom Ort des Geschehens, genauer gesagt in Balfonheim.

Ffamran verfluchte seine Leichtsinnigkeit, sich in Archadis aufgehalten zu haben; erst ein wütend hinab geschüttetes Bier half ihm, sich wieder zu beruhigen. Nun nahm er auch Notiz von den anderen männlichen Gästen in der Schankstube, die sich verstohlen und grinsend immer wieder in dieselbe Richtung umwandten. Auf einem Fenstersims in einer Ecke saß einsam eine Viera, beachtete die auf sie gerichteten Blicke nicht und blickte auf’s Meer hinaus.

Kapitel 5: Balthier

„Ich glaube, du hast das hier verloren.“

Mit seinem Taschentuch, das Ffamran stets im Ärmel verwahrte, stand er vor der Viera und lächelte sie galant an.

All die Sprüche und Einladungen der anderen Männer schien sie bisher ignoriert, geflissentlich überhört zu haben, doch dieses Mal wandte sie sich um, blickte erst auf das weiße Taschentuch, dann auf ihn. Mit hochgezogener Augenbraue schüttelte sie den Kopf.

„Immerhin hast du dir Mühe gegeben.“ Damit wandte sie sich wieder dem Meer zu.

Ffamran verzog den Mund und stecke das Accessoire wieder ein, hinter ihm johlten die meisten anderen Gäste vor Schadenfreude.

„Dann bekomme ich eine zweite Chance?“, fragte er sie gerade heraus. Als sie sich ihm erneut zuwandte, lächelte er sie wieder an, diesmal jedoch ehrlich. „Darf ich mich zu dir setzen?“

Die weißhaarige Schönheit blickte ihn lange Zeit an und schwieg. Eine halbe Ewigkeit wie es schien und ihm alle möglichen und unmöglichen Gedanken durch den Kopf schwirrten. Sie schien eine reife Frau zu sein, er hingegen war noch nicht einmal zwanzig Jahre alt. Mit seinem Aussehen und seinem manchmal unwiderstehlichem Lächeln mochte er junge, naive und dumme Hume-Mädchen beeindrucken, doch bei einer Viera….. Was wollte sie schon mit einem Knaben wie ihm?

„Wir werden sehen“, antwortete sie schließlich und ließ damit seine Frage offen.

Das Hohngelächter hinter Ffamran verstummte, als er auf die Bank unter dem Fenster stieg und sich direkt neben sie auf den Sims setze und ebenfalls aufs Meer hinaus blickte.

Doch dieses ungleiche Paar schwieg sich an. Die Viera hatte anscheinend nichts zu sagen und dem Hume fiel nichts ein. Zum ersten Mal war er ratlos. Normalerweise machte er den Damen Komplimente, er umschmeichelte sie, um schlussendlich zu einer kostenlosen Mahlzeit oder einer Liebesnacht in ihrem Bett zu kommen. Doch jetzt wusste er nicht einmal, weswegen er sich überhaupt zu ihr gesetzt hatte, als ob er eine Chance auf irgendetwas gehabt hätte.

Von der Seite her betrachtete er sie. Er wusste nicht viel über ihre Rasse, er konnte gerade noch sagen, dass sie eine Rüstung ähnlich einer Wächterin trug. Sie hatte blutrote Augen, die ihm bis in die unwissende Seele zu blicken schienen (wenn sie ihm überhaupt mal einen Blick schenkte). Und sie hatte eine kleine Stupsnase (hatten die alle Viera?), die wahrscheinlich auch für ihre leicht näselnde Stimme verantwortlich war. Und sie war schön, sehr schön sogar. Sie hatte trotz der Härte in ihren Zügen ein herzförmiges, weiches, fast schon zartes Gesicht. Eine Viera war der unerfüllte Traum von vielen Männern, egal welcher Rasse.

Im Moment genoss er einfach seinen Triumph, selbst wenn dieser nur daraus bestand, neben ihr zu sitzen.
 

„Der Motor nimmt zuviel Platz weg, die Bhujerba-Modelle sind in dieser Hinsicht besser!“

Ffamran hatte Mühe, sich auf die Ausführungen der weißhaarigen Schönheit zu konzentrieren. Immer wieder huschte sein Blick auf ihren sehr freizügigen Körper und im Moment besonders auf ihren Hintern, wenn sie sich wie jetzt vorbeugte, um seinen kleinen Maschinenraum zu inspizieren.

Es war nur der verzweifelte Versuch gewesen ein Gespräch zu beginnen und nicht nur stumm neben ihr auf dem Fenstersims zu sitzen, als er ihr erzählte, wie er als Luftpirat mit seinem eigenen Schiff die Himmel von Ivalice für sich beanspruchte. Keiner von ihnen hatte auch nur ein Wort über die jeweilige Vergangenheit verloren, wozu auch? Er war an der Gesellschaft der schönen Frau interessiert, an nichts weiter. Und ihre einzige Antwort war auf die Frage gewesen, weswegen sie hier war: „Ich habe noch nie das Meer gesehen.“

Doch sie zeigte unverhohlenes Interesse an seiner Strahl, vor allem an deren Aufbau.

Bis in die frühen Morgenstunden saßen die beiden an irgendeinem verlassenen Steg in Balfonheim und diskutierten Möglichkeiten, wie man das Luftschiff noch optimieren könnte.
 

„Wie lautet dein Name?“, fragte sie plötzlich, als Ffamran sich gerade die dünne Decke überziehen wollte. Die beiden lagen sich auf den einzigen zwei behelfsmäßigen kleinen Betten, fast schon Pritschen, des Schiffes gegenüber, welches noch immer im Landedock des Luftschiffhafens stand (so sparte man sich zumindest die Gil für eine Unterkunft im Gasthaus).

Sein Name war selten ein Thema bei den Mädchen gewesen. Sicher hatten sie ihn gefragt, wie er denn hieße, vor allem wenn sie schwer erschöpft in seinen Armen lagen. Doch entweder hatte er gar nichts gesagt, sich heraus geredet oder er hatte einfach irgendeinen Namen, jedes Mal einen anderen, genannt.

Doch diesmal missfiel es ihm zutiefst zu lügen, gleichzeitig wollte er aber nicht an seine Vergangenheit erinnert werden, nicht von ihr.

Sie hingegen drängte ihn nicht zu antworten, sie schien seinen inneren Konflikt zu erahnen.

Und das nächste, das sie sagte, noch bevor er zu irgendeiner Antwort ansetzen konnte, würde er bis an sein Lebensende mit Stolz tragen! „Balthier.“

Epilog: Balthier

Balthier senkte die Zeitung und betrachtete die Viera gegenüber, die sorgsam ihren Bogen polierte.

Er musterte sie interessiert, die langen Beine, das seidige Haar und diese viel zu verführerischen Lippen, die wie immer leicht geöffnet waren.

Er dachte zurück an den Tag, als er diese Schönheit zum ersten Mal gesehen hatte. Balthier, damals noch Ffamran, hatte nach Ausreden gesucht, Balfonheim nicht sofort zu verlassen und sie war immer wieder zu ihm und seiner Strahl zurück gekommen. Er hatte sich sogar dabei erwischt, wie er auf sie gewartet hatte. Irgendwann hatte sie aufgehört zu gehen und war bei ihm geblieben.

Zusätzlich hatte er ihr einen ihrer größten Wünsche erfüllt; er hatte ihr den gesamten Himmel von Ivalice in einer sternklaren Nacht geschenkt.

Mittlerweile waren fast drei Jahre vergangen. Sie beide hatten einander kennen gelernt, hatten gelauscht, als der jeweils andere sein Leben erzählt hatte. Im Grunde hatten sie dieselbe Geschichte hinter sich, beide waren aus der einzigen Welt, die sie kannten, geflohen.

Es gab nicht viel, was sie nicht voneinander wussten. Er hatte lediglich keine Ahnung, wie alt Fran wirklich war und sie hatte nie nach seinem wahren Namen gefragt.

Er nahm seine Lesebrille ab und rieb sich die Augen.

„Du solltest sie öfter tragen.“

Balthier sah auf.

„Sie steht dir.“

Elegant schob er die Brille, die er aus Eitelkeit nicht einmal im Traum in der Öffentlichkeit tragen würde, zurück auf seine Nase.

„Noch hat sie mir keinen Vorteil verschafft“, antwortete er.

Die beiden waren ein fast unschlagbares Team in der Piraterie. Sie waren nicht reich, doch für die Strahl und für ein annehmbares Leben reichte es allemal. Er flirtete zwar weiterhin mit jungen Damen, während bei Fran ihre reine Anwesenheit genügte, um ihr die Männer zu Füßen liegen zu lassen, doch seit drei Jahren hatte er sich seine Mahlzeiten und Unterkünfte nicht mehr erschlafen. Naja, fast nicht mehr.

Er konnte warten.

Fran legte ihren Bogen weg und ließ sich langsam auf das Bett hinter sich fallen, die Arme bis weit über den Kopf gestreckt.

„Du trägst sie also nur für mich?“

Der junge Mann erhob sich und trat zu ihr, setzte sich auf die Bettkannte. Und wieder betrachtete er sie, fuhr mit den Fingerspitzen ihren Hals hinab bis zur Haut zwischen ihren Brüsten.

„Vermutlich.“
 

Eine angenehme Müdigkeit breitete sich in Balthier aus, während Fran unter ihm noch durch sein schweißnasses Haar strich.

„Was hast du als nächstes vor?“, fragte ihn die Viera.

„Ein ganz und gar unmögliches Unterfangen“, antwortete er, „und noch dazu etwas, das uns keinen Gil einbringen wird.“

Fran hob lediglich eine Augenbraue.

„Wir schleichen uns in die Herrscherhäuser Ivalice‘.“

„Weswegen?“

„Um dort gewesen zu sein.“ Ob sie ihr Weg nicht doch in die Schatzkammer führen würde, blieb abzuwarten. Wobei ihm dieser Gedanke nicht einmal missfiel, diese Räumlichkeiten waren die am besten bewachten und versteckten.

„Wo willst du beginnen?“

Der Luftpirat zuckte mit den Schultern. „Dalmasca.“ Im Grunde war ihm jedes Land recht, solange Archadia ganz hinten auf der Liste stand.

Fran schwieg lange. Vermutlich um ihn im Unklaren zu lassen, ihre Entscheidung über das Vorhaben hatte sie höchstwahrscheinlich bereits getroffen.

„67“, antwortete sie schließlich.

Diesmal war es Balthier, der verstummte. Etwas, das er sich nie eingestehen würde, war wohl schon vor langer Zeit geschehen. „Ffamran.“

Prolog: Vossler

Sie war kaum 16, er lediglich ein Jahr älter und sie liebten einander, ja begehrten einander, dass nichts und niemand die beiden trennen konnte. Diese jugendliche Vernarrtheit endete auch nicht, als sie nicht einmal ein halbes Jahr später schwanger wurde. Natürlich hatte sie Angst. Angst davor, von ihm verlassen zu werden, Angst vor den Schmerzen der Geburt, Angst vor der Verantwortung eines Kindes. Sie gestand es ihrem Liebsten aufgelöst und unter Tränen, und er tat in dem Moment das Einzige, das er als richtig ansah, er hielt um ihre Hand an.

Die Heirat fand lediglich zwei Wochen danach statt, da sie schlank und wunderschön den Bund zur Ehe eingehen wollte, immerhin hatte sie genaue Vorstellungen von ihrem Brautkleid und ein Babybauch passte nicht ins Gesamtbild.

Nun, da die Kosten der Hochzeit abgezahlt waren, suchte er nach einem zu Hause für sich und seine künftige kleine Familie. Das Haus war nicht allzu groß, doch er versprach, sie würden sich später ein größeres kaufen oder gar bauen, sobald er die nötigen Gil dafür angespart hatte. Also zogen sie für die ersten Jahre nahe des Osttores der königlichen Stadt Rabanastres ein, denn zu Hause bei ihrer Mutter zu sitzen, die mit Sicherheit alles über die Kindererziehung besser wusste als sie selbst, kam für sie nicht in Frage!

Die Schwangerschaft selbst verlief ruhig. Nach der morgendlichen Übelkeit kam der große Hunger und sie verlangte teilweise nach exotischen Speisen, die er ihr in seiner Verliebtheit nur zu gern besorgte, obwohl diese teuer waren. Im Gegenzug beklagte sie sich nicht über ihren Zustand. Wozu auch, das Glück der beiden war perfekt und sie waren sich sicher, dass sie alt genug waren, um erwachsen jede Hürde gemeinsam zu meistern. Vor allem freute sie sich auf ihr kleines Mädchen, das sie verwöhnen würde können.

Die Geburt übertraf alles, was die beiden sich bis dahin auch nur im Entferntesten hätten ausmalen können. Unter wahnsinnigen Schmerzen gebar die mittlerweile 17jährige ihr Kind, während er nur hilflos daneben sitzen und ihre Hand halten konnte. Erschöpft und schweißgebadet ließ sie sich in ihr Kissen fallen, als die Hebamme ihr ihren gesunden Jungen in die schwachen Arme legte. Einen Jungen, kein Mädchen, kein kleines Prinzesschen.

Da nun der von ihr gewünschte Name Alys nichtig war, überließ sie fast schon enttäuscht ihrem Gatten den Namen des Sohnes. Bei ihm war es alte Familientradition, die sein Urgroßvater ins Leben gerufen hatte, dass jeder erste Sohn den Namen des Vaters übernehmen sollte. York schätzte Traditionen, allerdings gefiel ihm sein Name nicht als Rufname für das kleine strampelnde Etwas, das am liebsten sein Holzspielzeug lachend abnagte. Nach einem Monat legte er seiner Gemahlin sein Kind in den Arm und sagte schlicht: „Vossler.“

Kapitel 1: Vossler

Vossler York Azelas’ größtes Problem war es, dass der Turm aus Holzbauklötzen nicht aufrecht stehen bleiben wollte. Jedes Mal wenn dieser erneut zusammen brach, saß der Junge mit einer Schnute und hilflosem Blick davor, hin und wieder kullerten auch stumme Tränchen über dessen Wange. Doch wenn die klapprige Konstruktion hielt, warf Vossler sich mit einem fröhlichen Gackern hinein, damit der Turm laut krachend in sich zusammen fallen konnte.

Sein Leben bestand aus solchen und ähnlichen Problemen, im Grunde trübte nichts seine Kindheit. Sein Vater sah ihm stolz dabei zu, wie er aufwuchs, seine Mutter hingegen wandte sich desinteressiert ab.

Schon bald nach der Geburt kam der Alltag für Lady Azelas zurück. War sie während der Schwangerschaft noch ständig von ihrem Mann unterstützt und unterhalten worden, so war er nun die meiste Zeit außer Haus, Gil wollten für die Familie und das Haus verdient werden. Sie selbst war nun ebenfalls eingeschränkt. Wollte sie früher auf den Markt gehen, so tat sie es einfach, heute musste sie auf ihren Jungen acht geben. Es wurde für sie besser, als Vossler älter wurde, als er laufen und sich mit Spielzeug und Bilderbüchern beschäftigen konnte. Gleichzeitig waren damit aber auch andere Probleme verbunden. Einmal ritt der Junge mit seinem Holzsteckenchocobo durch das Haus und zerschmetterte aus Versehen eine mittelteure Vase. Er wurde nicht von seiner Mutter geschimpft, stattdessen wurde ihm eine gewaltige Ohrfeige verpasst und weinend musste er mit ansehen, wie sein Chocobo zerbrochen und in den angefachten Kamin geworfen wurde. Es war sein Vater, der ihm später im Bett die Tränen wegwischte, nicht seine Mutter.

Dieser Vorfall war auch der erste große Streit der Eltern, nach dem sie für zwei Tage verschwand und er sich das erste Mal betrank. Vossler war zu dem Zeitpunkt drei Jahre alt.
 

In anderen Familien hätte sich das Familienleben wieder eingestellt, doch die 20jährige Mutter war rastlos. Sie fühlte sich in dem Haus gefangen, angekettet an Mann und Sohn, jeglicher Freiheiten beraubt. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, weswegen sie in York so sehr verliebt gewesen war, noch erfüllte ihr Kind sie mit der Freude, die sie mit einer Tochter hätte haben können. Und obwohl er sie noch immer vergötterte und ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen versuchte, auf alles, worauf er wert legte verzichtete, damit sie bald, wie damals versprochen, in ein größeres Haus ziehen könnten, konnte er sie nicht aufheitern. Die sinnlosen Streits häuften sich, er griff danach jedes Mal erneut in hilfloser Wut zur Flasche, was sie nur noch mehr anwiderte.

Sie war sich mittlerweile bewusst, dass sie dumm gewesen war zu glauben, eine 17jährige wäre bereit für das Familienleben und für die Verantwortung eines Kindes. Sie verfluchte ihren jugendlichen Leichtsinn! Doch verließ sie ihre Familie nicht. Noch war die Angst, wieder allein zu sein, stärker als die Abneigung.
 

Vossler hingegen konnte noch so viele hohe Türme bauen oder bunte Bilder malen, er bekam nicht die gewünschte Aufmerksamkeit seiner Mutter. Mit jedem Jahr verlor sie weiter das Interesse an ihm und sein Vater wurde seine Anlaufstelle, wenn er sich weh getan oder Fragen aus kindlicher Neugier hatte. Er hatte gelernt, ruhig zu sein, damit sie ihn nicht wieder schlug. Er hatte gelernt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, wenn sie den ganzen Tag nichts mit ihm unternehmen wollte. Aus einem fröhlichen Kleinkind wurde ein schweigsamer Junge.
 

Er war sechs Jahre alt, als seine Mutter abends mit einem Fremden nach Hause kam und ihn augenblicklich ins Bett schickte. Wie so oft stand er ruhig in seinem Zimmer und lauschte jedem Wort des Streits seiner Eltern, den er doch eigentlich gar nicht hören wollte.

Sie, mittlerweile 23 und ihres Lebens hier müde, würde ihren Mann verlassen, sie hatte einen Geliebten, der ihr mehr bieten konnte als tägliche Langeweile zu Hause. Sie liebte York nicht mehr und sie würde nichts von ihm verlangen, sie wollte nichts mitnehmen, was sie an die Zeit mit ihm erinnerte. Dazu gehörte auch ihr Sohn, er passte einfach nicht in ihr Leben. Sie verfluchte ihre jugendliche Leichtsinnigkeit, die es ihr nun verbot, ihren Geliebten zu heiraten.

Als Vossler am nächsten Morgen barfuss mit seinem Plüschkaktor im Arm in die Küche trat, sah er seinem Vater am Tisch schlafen, eine fast leere Flasche lag umgeworfen neben ihm. Seine Mutter hatte er nie wieder gesehen.

Kapitel 2: Vossler

Nachdem seine Mutter weg war, bekam Vossler seinen Vater nicht mehr oft zu Gesicht. Wenn dieser vom Bau nach Hause kam, betrank er sich bis tief in die Nacht. Am nächsten Morgen schlief er lange, ehe er sich aus dem Bett quälte um wieder zu arbeiten, nur um sich Alkohol leisten zu können, den er danach wieder bis weit nach Mitternacht trank. Zuerst war es nur ein- oder zweimal die Woche, doch mit der Zeit wurde es häufiger, täglich.

Vossler hasste seinen Vater in diesem Zustand, wenn er ihm von seiner Jugend vorlallte, seinem Sohn durch die Locken strich und ihm den Gestank von Wein ins Gesicht hauchte.

Der Junge hatte gelernt, für sich allein zu bleiben. Selbst im Unterricht konnten seine Kameraden nicht an ihn heran kommen, so dass er schon bald als Einzelgänger galt. Natürlich hätte Vossler gerne Spielkameraden in seinem Alter gehabt, doch als zwei Jungs nach einem Ballspiel mit zu ihm kommen wollten um sein Zimmer und seine Spielsachen zu sehen, lehnte er ab und lief davon. Er wollte nicht, dass jemand das unordentliche Haus sah, in dem die Mutter fehlte. Oder dass sie seinen betrunkenen Vater sahen, für den er sich schämte.
 

Vossler war 15, als er sich zum ersten Mal die Frage stellen musste, was er im Leben machen wollte. Im Grunde wollte er nur eines, weg von Zuhause. Sein Vater hatte nicht alles vertrunken, er hatte für ihn gesorgt. York hatte am Abend Essen mitgebracht, hatte seinem Sohn Kleidung gekauft und wenn er nüchtern genug gewesen war, ihm sogar einen Spielzeugwunsch erfüllt. Aus dem Grund wollte er ihm Geld zukommen lassen, als Dank für die vergangenen Jahre anstandshalber, und dennoch er wollte weg!

Wie viele in seinem Alter träumte auch er davon als Soldat des Königs zu dienen. Besonders reizvoll war die Rekrutenkaserne, in der normalerweise die angeworbenen Soldaten von außerhalb Rabanastres die Tage und Nächte verbrachten. Als er sich einschreiben ließ, hatte er ihnen übertrieben seine Verhältnisse Zuhause geschildert und der junge Azelas wurde als Rekrut in die Armee aufgenommen.
 

Das erste Jahr war er eher unteres Mittelmaß, was Kampfgeschick und Disziplin anbelangte, noch immer galt er als Eigenbrötler, der lieber alleine blieb, der sich für nichts sonderlich interessierte, außer hin und wieder einen Unfug mit anderen anzustellen.

„Azelas“, sagte sein Vorgesetzter einmal nach einer vermasselten Prüfung, „so wirst du nie ein Soldat. Mit dir wird es einmal ein schlimmes Ende nehmen, welches in einer Taverne seinen Anfang nimmt.“

All die Strafpredigten direkt vor den anderen Rekruten, all die Strafübungen, die Vossler in dem Jahr wegen seiner Faulheit hatte absolvieren müssen, um ein wenig Disziplin in ihn hinein geprügelt zu bekommen, hatten nicht ansatzweise das bewirkt, was dieser eine Satz zu tun vermocht hatte! Er sah sich selbst betrunken am Küchentisch schlafen, die leeren Flaschen um ihn herum umgeworfen. Dieses Bild genügte, um den 16jährigen Vossler wach zu rütteln. Seine Freizeit verbrachte er nun wieder allein mit zusätzlichen Trainingseinheiten am Übungsplatz, die freien Stunden nachts füllte er mit Büchern und lernte. Alles, nur um nicht so zu enden wie sein Vater!

Ihm war das Kampfgeschick nicht in die Wiege gelegt worden, er musste härter an sich arbeiten als jene, die das Talent von Geburt an hatten, doch nach weiteren intensiven eineinhalb Jahren gehörte Vossler zu den Besten seines Jahrgangs. Weitere eineinhalb Jahre später wurde er mit 19 als Soldat in den Reihen der königlichen Armee aufgenommen.

Mit dem Sold, den er sich all die Jahre über angespart hatte, hatte er sich seinen Herzenswunsch erfüllt. Aufgrund seiner intensiven Trainingsstunden war er kräftiger als die meisten seines Alters geworden, ihm lag der Umgang mit dem Zweihänder. Er ließ sich in der Königlichen Schmiede einen Koloss an Schwert anfertigen, welches anfangs sogar ihm zu schwer war und es drei Jahre dauerte, bis er damit auf dem Schlachtfeld sicher umgehen konnte. Auf die Frage, wie er diesen Albtraum nennen wollte, hatte er lange nachdenken müssen. Er war hier, weil er einem Albtraum hatte entfliehen wollen, weil er einem Traum nachgejagt war.

„Traumfänger“, antwortete Azelas schlicht.
 

Einen Teil seines Soldes hatte er regelmäßig seinem Vater gebracht und alle paar Tage hatte er es als seine Pflicht angesehen, nachzusehen, ob es ihm gut ginge. Der hingegen sah sich von seinem Sohn nun ebenfalls verlassen, ertränkte auch diesen Kummer im Alkohol und weinte mittlerweile bei jedem seiner Besuche. Vossler hasste jede Minute, die er Zuhause verbringen musste, doch wäre er nicht gekommen, hätte er sich selbst noch mehr gehasst, immerhin schuldete er es York.

Vossler war 23 und stand kurz vor seiner ersten Beförderung, als der Alkohol ihm seinen 40jährigen Vater genommen hatte. Ohne ein Wort, ohne eine Träne stand er fast allein bei dessen Beisetzung, erst zwei Tage danach, bei seinem Aufstieg, weinte er sich in den Schlaf.
 

Als Offizier lernte er einen Mann mit ähnlichem Waffengeschick kennen, Basch fon Ronsenburg, und freundete sich mit ihm an.

Sie beide trainierten gemeinsam, kämpften Seite an Seite. Basch war 30, Vossler 32, als sie schließlich jeder nach dem Leutnant zum Hauptmann befördert wurden.

Epilog: Vossler

Vossler hatte in den letzten beiden Jahren viel lernen, sich viel eingestehen müssen. Doch nicht ansatzweise soviel, wie er es in den letzten Tagen gezwungen gewesen war.
 

Dass er und die Ritter Dalmasca nicht hatten verteidigen können, war ein Treubruch am Volk gewesen, den er mit Prinz Rasler und König Raminas hatte zahlen müssen. Seit Baschs Verrat war etwas in Vossler zerbrochen, sein Vertrauen in andere hatte er verloren.

Er war es gewesen, der die Freiheitskämpfer in Rabanastre zum Leben erweckt hatte. Jede Entscheidung wurde von ihm gefällt. Dennoch war er treu der trauernden und von Rache besessenen Prinzessin Ashelia ergeben, jeden Befehl trug er ihr vor, doch da sich ihre Wünsche mit seinen deckten, wurden seine Anweisungen fast immer nach seinem Ermessen durchgeführt, eine Rücksprache war irgendwann nicht mehr nötig, er entschied allein. Sie beide glaubten fest daran, wenn sie nur im Verborgenen blieben, so könnten sie eines Tages zurück schlagen und das Blatt wenden.

Auf diesen Rückschlag warteten sie zwei Jahre lang. Auf Vayne, den Sohn des Kaisers selbst war er gerichtet, dem neuen Statthalter Rabanastres. Dennoch war es nichts weiter als eine Falle gewesen, die Vossler nun auch noch die Prinzessin gekostet hatte.
 

Sein Misstrauen ging so weit, dass er selbst seinem alten Kameraden, dem angeblichen und totgeglaubten Königsmörder Basch nicht mehr traute, obwohl dieser seine Unschuld beteuerte. Er ging das Risiko nicht ein, selbst wenn es ihm die Königstochter zurück bringen würde.

In jener Nacht, als er Basch gehen ließ, dachte Vossler lange nach. Er beschloss, sein Vertrauen in andere ein letztes Mal auf die Probe zu stellen. Er kontaktierte Marquis Ondore und half, die Prinzessin aus den Händen des Imperiums zu befreien.

So lange hatte sie sich auf sein Urteil verlassen, hatte ihm Dalmasca anvertraut. So suchte er nach ihrer Rettung nach einem neuen Weg. Als er auf der Leviathan gewesen war, hatte er feststellen müssen, dass das Imperium zu stark für eine kleine Gruppe von Freiheitskämpfern war. Dass sie lediglich mit Glück und nicht mit Verstand oder Waffengeschick hatten entkommen können. Und er würde sein Versagen nicht noch einmal mit einem Mitglied der königlichen Familie bezahlen! Er tat etwas, von dem er glaubte, es sei das einzig Richtige in ihrer machtlosen Position, etwas, dass die Zukunft des Reiches zumindest den Schein von Freiheit geben würde, da sich alles rettende Helden lediglich in den Märchen der Ammen wieder fanden. Er kontaktierte das Imperium, er verhandelte mit Richter Ghis, Larsa Solidor war in seinen Augen nur ein Kind, seiner Beachtung trotz hoher Geburt nicht würdig.

Doch sein Vertrauen wurde erneut gebrochen, dieses Mal von der Prinzessin selbst. Anstatt wie üblich ihn eine Lösung finden zu lassen, hatte sie sich mit Kindern und Luftpiraten zusammen getan, träumte weiterhin den Traum von Helden, die im Alleingang das Königreich aus den Klauen des Imperiums befreien würden. Ihre Augen waren im Gegensatz zu seinen in der Leviathan nicht geöffnet worden. So beschloss Vossler, Stillschweigen zu bewahren, als er sie in der Sandsee einholte. Er trug die Last seiner Bürde allein. Er würde die Prinzessin verraten, nicht jedoch Dalmasca. Und eines Tages würde auch Lady Ashe einsehen, dass seine Entscheidung die richtige gewesen war.
 

"Ihr, Vossler, sprecht von Vertrauen?"

"Es ist zum Wohl Dalmascas."

Es tat ihm leid, dass es so hatte kommen müssen. Die verletzenden und harten Worte der Prinzessin hatten ihn tief getroffen, doch nicht so tief wie Baschs Blick nun. Vielleicht war er doch im Unrecht gewesen. Hatte er in den letzten zwei Jahren verlernt, anderen zu vertrauen, hatte er sich nur noch auf sein eigenes Urteilsvermögen verlassen? Vielleicht war er blind geworden. Er hielt den Glauben an vollkommene Freiheit noch immer für ein mysthumsponnenes Märchen, doch als die Shiva um ihn herum explodierte und er sein Blut erbrach, betete er, dass dieses Märchen Wirklichkeit werden würde.....

Prolog: Ashe

Lange Zeit befürchtete man, dass das Königsgeschlecht derer von Dalmasca aussterben würde.

Seit über zwanzig Jahren war Seine Majestät, König Raminas, mit seiner Königin vermählt, dennoch blieb ein Erbe aus. Die Forderung, er möge sich eine jüngere Frau suchen, da seine Gemahlin anscheinend unfruchtbar war, wurde nur leise hinter verschlossenen Türen getuschelt, da jeder wusste, wie sehr der Regent seine Gattin liebte und er nicht im Traum daran dachte, sie zu ersetzen. Sie beide waren durch den heiligen Kiltias vor Faram vermählt worden, nur der Tod könne sie scheiden, so argumentierte er. Es war also nicht verwunderlich, dass einige Gelehrte und Ratsmitglieder, ebenso wie einzelne Stimmen aus dem Volk hofften, die ohnehin schwache Verfassung der Königin möge genau dies bewerkstelligen. Raminas blieb stur und seiner Frau treu, dem Geschlechte Dalmascas zum Trotz.

Es war ein Wunder, mit dem niemand mehr gerechnet, welches niemand mehr zu hoffen gewagt hatte, als der Hof die offizielle Mitteilung verlauten ließ, Ihre königliche Majestät erwarte einen Thronfolger.

Die Freude wurde getrübt, als die Königin zwei Monate zu früh in den Wehen lag. Aufgrund ihrer schwachen Verfassung richtete man sich auf eine schwere Geburt ein, und tatsächlich, sie würde danach keinem Kind mehr das Leben schenken können, so die Ärzte und Hebammen, sie sei einfach zu geschwächt dafür.

Trotz der zwei Monate war die kleine Prinzessin gesund und sie legte einen starken Willen an den Tag. Sie war zäh und überstand die erste Zeit, in der die Hebammen noch Sorge um ihr Leben trugen, nahezu königlich.

Schon vor der Geburt war die Königin glücklich in den Armen ihres Gemahls gelegen und hatte über Namen sinniert. Sollte es eine Tochter werden, so hätte sich Raminas eine Amalia gewünscht, doch als er seine Frau zum ersten Mal nach der Geburt mit dem Mädchen im Arm sah, konnte er ihr vor lauter Glück ihren Wunsch nach dem Namen Ashelia nicht abschlagen.

Doch ein jeder, der die Prinzessin sah, war sich einig, dass der Name viel zu lang für solch ein kleines Kind war. So wurde sie Ashe gerufen und viele im Adel und im Volk glaubten sogar, dies sei ihr Geburtsname.

Kapitel 1: Ashe

Ashelia B’nargin Dalmasca, kurz Ashe, war ein lebhaftes Mädchen. Sie entwickelte sich zu einem gesunden Kind mit wachem Verstand. Eines ihrer liebsten Spiele war es, vor ihren Ammen Reißaus zu nehmen und dann laut lachend durch die Gänge des Palastes vor ihren Verfolgern davon zu laufen und über die eigenen Beine zu stolpern. Und meistens endete es damit, dass sie irgendwann ihrem Vater über den Weg lief, der sie abfing und durch die Luft wirbelte, begleitet von einem lauten Glucksen und Kichern seiner Tochter. Sie war sein Sonnenschein und sein ganzer Stolz! Wann immer es ihm möglich war, verbrachte er Zeit mit seiner Kleinen und irgendwann weigerte sich die Prinzessin strikt einzuschlafen, wenn er ihr keinen Gute Nacht Kuss gegeben hatte.

Ihre Mutter hingegen sah sie jeden Tag mehrmals, da diese es abwies, die Erziehung ihres Kindes vollständig irgendwelchen Ammen und Fremden zu überlassen. Es war für die Dienstmädchen ein ungewohntes Bild, die Königin auf den Boden kniend mit Stiften malen oder mit Bauklötzen eine windschiefe Burg bauen zu sehen. Doch die Gemahlin Raminas’ blühte in der Gegenwart von Ashe förmlich auf und viele meinten, ihr schlechter Gesundheitszustand nach der Geburt sei nun völlig überstanden.

„Wenn du groß genug bist, bekommst du deinen eigenen Chocobo“, versprach sie ihrer Tochter, wenn die beiden mit den kleinen, aus Holz geschnitzten Reittieren spielten. „Und ein schönes neues Kleid.“

„Blau“, krähte die Kleine, „und ich mag Schleifen haben.“
 

Sie war fünf Jahre alt, als sie wieder einmal einer Amme entkommen konnte, die sie zu einer Kleideranprobe hätte abholen sollen. Ashe war nicht ungehorsam, dennoch siegte oftmals noch das Kind in ihr, welches verlangte, sie solle lieber spielen als irgendjemanden zuzuhören, wie man sich als Thronfolgerin zu verhalten habe.

Sie schlüpfte durch viele Türen und Gänge, bis sie die Orientierung vollständig verloren hatte. Aber wenn sie nicht mehr wusste, wo sie war, würde die dumme Dienerin das auch nicht wissen. Es war ihr ein Trost, die Logik auf ihrer Seite zu haben.

Einmal fand sie sich in einem Dienstbotengang in der Nähe der Küche wieder, doch sie wurde von einem Küchenjungen, der nicht wusste, wer sie war, vertrieben und später stand sie vor den königlichen Chocoboställen, doch hier wurde sie gleich vom Stallmeister fortgejagt. Irgendwann befand sie sich in einem kleinen Garten, den sie nicht kannte. Und zu ihrer Entzückung war sie nicht allein. Weiter hinten bei den Bäumen stand ein Soldat. Sie schlich sich vorsichtig zu ihm hin und reckte den Kopf hinter dem Stamm hervor, doch anscheinend wollte der sie nicht verscheuchen, also kam sie hervor und schenkte dem Mann ihr strahlendstes Lächeln.

Der 24jährige Soldat sah das kleine Mädchen nur stumm, mit unbewegtem Gesicht an. „Ihr solltet nicht hier sein, Prinzessin“, meinte er schließlich nur.

„Du hast mich erkannt!“, stampfte sie mit dem Fuß auf, doch als er noch immer nicht versuchte, sie zu schimpfen oder zurück zu bringen, lachte sie wieder.

Sie wusste nicht, dass sie sich in einem der kleinen Gärten hinter den Generalsunterkünften befand, sie war durch ihre Streifzüge direkt in die königliche Kaserne hinter dem Palast gelangt.

„Was machst du hier?“, fragte Ashe ihn mit großen Augen. Doch zu ihrer Enttäuschung wandte er sich nur ein Stück von ihr ab, als hätte er sie nicht gehört.

Neugierig sah sie sich um, ob man hier etwas entdecken könnte und sie sah keine drei Schritte hinter dem Mann einen herrlichen Kletterbaum! Ohne lange zu überlegen stieg sie auf die tiefen Äste (einmal hörte sie den Stoff ihres Kleides reißen), um sich dann bäuchlings auf einen langen, schräg gewachsenen Ast zu legen.

„Wie heißt du denn?“, fragte sie ihn dann klug. Wenn Onkel Halim sie besuchen kam, stellte er ihr andauernd solche Fragen. Nur kitzeln traute sie sich den Soldaten nicht, wie ihr Onkel es immer tat.

Der Mann wandte sich um und erschrak, als er die Königstochter auf dem schmutzigen Baum sah! „Prinzessin Ashe!“

Sie zog ihm beleidigt eine Schnute: „Das ist aber mein Name!“

„Kommt herunter!“

Als Antwort klammerte sie sich mit den Armen fest um den Stamm und legte stur eine Wange auf die Rinde. Sie würde nirgendwo hingehen.

„…. Azelas“, sagte der Soldat irgendwann resigniert.

Sie kicherte, als sie schlussendlich doch zweimal ihren Willen durchsetzen konnte, während er nur hilflos zu ihr nach oben sah.

Sie streckte sich ein wenig in die Höhe. „Ich kann von hier oben die ganze Welt sehen, Azelas!“

Der Soldat unterdrückte ein Seufzen. Eine Belehrung schien ihm nicht wirklich angebracht.

Wieder zog sie eine Schnute, als er nicht antwortete. Dafür hatte sie Gelegenheit, ihn zu betrachten. Er sah hübsch aus, glaubte sie. Vielleicht könnte sie ihn später mal heiraten! Der Gedanke gefiel ihr gar nicht schlecht. Und sie sah, dass er sich einen Bart wachsen ließ. Papas Bart kitzelte immer beim Gute Nacht Bussi, bei ihm würde es sicherlich auch so lustig werden.

Sie überlegte gerade noch ernsthaft, wie man jemanden am besten dazu brachte einen Heiratsantrag zu machen, als ein weiterer Mann den Garten betrat. Den kannte sie, das war einer der Generäle ihres Vaters. Ohne mit der Wimper zu zucken hob er die Prinzessin vom Ast, obwohl sie noch versuchte, sich daran fest zu krallen. „Ab mit Euch nach Hause“, zwinkerte er. „Und wenn Ihr euch beeilt, dann verspreche ich, Eurem Vater nichts zu sagen.“

Nun ja, das war etwas, womit man ihr drohen konnte, zumindest wenn die Drohung von Jemanden ausgesprochen wurde, der ihren Papa kannte!

„Ich hoffe, ich habe Euch nicht warten lassen, Vossler….“, war das Letzte, das sie von den beiden Männern hörte. Der General war dumm, dachte Ashe nur, der heißt doch Azelas!

Doch Azelas und der ernst gemeinte Heiratsantrag, genauso wie der genaue Weg zu diesem Garten waren am nächsten Tag schon wieder vergessen.
 

[Dieses Kapitel widme ich Kathey <3 Vielen Dank für Alles!)

Kapitel 2: Ashe

Ashes weiteres Leben bestand weitestgehend daraus, dass sie lernte, wie sie sich künftig als Prinzessin und Thronfolgerin zu verhalten habe. Und trotz aller Verspieltheit, war sie ein artiges Mädchen, das meistens mit einem kleinen, kindlichen Seufzen tat, was man ihr sagte.

Nur wenn Onkel Halim zu Besuch war, durfte sie wieder das Mädchen sein, das sie eigentlich war. Sie lauschte seinen Geschichten von fliegenden Inseln und blau leuchtenden Steinen, während sie auf seinem Schoß saß und ihn einfach reden ließ. Sie mochte die Art und Weise, wie ihr Onkel sprach. So geheimnisvoll anders als all die Leute hier im Palast. Und oft genug kam es vor, dass sie dabei einschlief. Doch wachte sie stets auf, wenn jemand versuchte, sie behutsam ins Bett zu tragen. Sofort rannte sie zurück auf Onkel Halims Schoß.
 

Sie war zehn, als sie ihr neues blaues Kleid anziehen durfte, da Besuch aus einem fremden Land zu ihnen kam. Ihr wurde versprochen, dass währenddessen ein Spielkamerad in ihrem Alter für sie dabei wäre, allerdings hätte sie sich höflich zu benehmen, um dem Hause Dalmasca keine Schande zu bereiten!

Ashe freute sich darauf, freute sich auf die lustige Sprechweise, die diese Leute vielleicht haben würden. Doch zu ihrer Enttäuschung sprach das Königshaus von Nabradia ebenso fehlerfrei wie sie selbst, nicht wie Onkel Halim.

Ihr wurde einer der Prinzen, Rasler, vorgestellt. Zu Tisch verhielten sich die beiden vornehm, ganz wie es erwartet wurde, dennoch huschten immer wieder neugierige Blicke über den Tellerrand zu dem anderen hinüber. Als der Nachtisch vorüber war, wurden der Prinzessin Handzeichen von ihrem Vater gegeben, sie solle zu ihrem Gast gehen. Artig stand sie auf und lief um den Tisch herum, nur um vor seinem Stuhl stehen zu bleiben, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, den Körper hin und her drehend, während sie ihn interessiert betrachtete. Rasler blickte weiterhin starr auf seinen Teller, zu schüchtern um aufzusehen, obwohl er sie aus den Augenwinkeln beobachtete.

„Magst du mit mir die Chocobos ansehen? Papa hat sogar zwei weiße im Stall“, fragte sie dann in Ermangelung eines besseren Themas. Und augenblicklich war das Eis gebrochen! Der Junge nickte begeistert, er liebte diese Reitvögel, und ohne auf die Erlaubnis seines Vaters zu warten, lief er der kleinen Prinzessin hinterher, die nun jede Höflichkeit vergessen hatte, um ihm kichernd den Weg zu den königlichen Ställen zu zeigen.

Die Königsfamilie blieb noch weitere sechs Tage, ehe sie sich verabschiedeten. Ashe stand heftig winkend auf einem der Türme des Palastes, um Rasler Lebewohl zu sagen.

Abends strich die Königin ihrer Tochter die Haare aus der Stirn. „Wie hat dir der kleine Prinz gefallen?“

„Er kann schlechter reiten als ich“, warf sie sich stolz in die Brust. „Aber er ist lieb“, fügte sie hinzu, um ihrer Mutter eine schöne Antwort zu geben.

„Das freut mich zu hören, mein Schatz….“ Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte, während Ashe befürchtete, doch eine falsche Antwort gegeben zu haben.

Erst Jahre später begriff sie, dass ihre Mutter lediglich um das Glück ihrer Tochter geweint hatte, wohl wissend, dass sie den Hochzeitstag ihres Kindes nicht mehr erleben würde.

Ashe und Rasler waren einander in diesen sieben Tagen versprochen worden, als Festigung ihres Bündnisses zwischen Dalmasca und Nabradia, den Nachfahren von Raithwall.

Dalmascas Königin erkrankte ein halbes Jahr später an einem hohen Fieber, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte.

Epilog: Ashe

Die nächste Zeit waren Vater und Tochter unzertrennlich, zogen sich vom Palastleben lange zurück, denn der Schmerz über den Verlust eines geliebten Hume schnitt tief. Wenn der König weinte, hielt die kleine Prinzessin einfach nur seine Hand. Und wenn sie weinte, dann drückte er sie fest an sich. Die Bindung der beiden wurde noch stärker.
 

Doch auch Ashelia B’nargin Dalmasca wurde erwachsen und die Pflicht kümmerte sich nicht um die Trauer. Sie war 15, als ihr Vater ihr schließlich die Entscheidung von vor fünf Jahren mitteilte, dass sie zum Wohle ihrer beiden Länder Prinz Rasler Helios Nabradia ehelichen sollte. Sie ertrug die Neuigkeiten gefasst, immerhin war ihr schon lange bewusst, dass sie bei solch einer Frage wenig selbst zu bestimmen hatte. Und immerhin verband sie schöne Kindheitserinnerungen mit ihm, ihre Familien hatten einander des Öfteren besucht, vermutlich um die beiden Kinder einander näher zu bringen. Dennoch, von Liebe keine Spur.
 

Der offizielle Verlobungsball sollte nur wenig später stattfinden. Und diesmal sahen sie beide aneinander mit anderen Augen. Waren sie als Kinder verspielt gewesen und hatten danach, als Fangen und Verstecken nicht mehr so interessant war, angenehme Gespräche miteinander geführt, so war das Schweigen zwischen ihnen nun allgegenwärtig, fast schon peinlich. Das einzige, was die beiden wirklich an jenem Abend miteinander sprachen, war Ashes Frage, ob er es gewusst hätte.

„Ich habe es vermutet“, war die Antwort.

Doch nur einen Monat später besuchte Rasler Dalmasca überraschend und unoffiziell erneut. Angeblich um noch mehr über sein künftiges Land zu erfahren, um es selbst zu sehen und nicht nur in staubigen Büchern darüber zu lesen, doch er bestand darauf, dass die Prinzessin ihm all das zeigte und beibrachte, was er wissen musste. Sie verbrachten viel Zeit miteinander, spazierten durch die Palastgärten, ritten in die Wüste aus, saßen gemeinsam in der Bibliothek.

Die Königstochter musste zugeben, dass sie ihn mochte. Dass es ihr gefiel, wie galant er sie behandelte, nicht ausgewählt höflich, sondern ehrlich charmant. Sie hätte es schlechter treffen können, sagte sie sich einmal des Nachts im Bett, immerhin mochte sie auch sein Aussehen.

Den letzten inoffiziellen Besuch stattete er ihr ein halbes Jahr vor der Hochzeit ab und verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Wange. Noch lange danach saß sie vor ihrem Spiegel in ihren Gemächern und hielt sich ihr kribbelndes Gesicht.
 

Sie war 17, als der Tag ihrer Vermählung schließlich heran brach. Ganz Rabanastre war in Freudenstimmung, was man von der glücklichen Braut nicht sagen konnte. Ewig hatte sie sich auf diesen Tag vorbereitet und nun war ihr nur noch zum Davonlaufen zumute! Sie hatte Angst. Schlicht und ergreifend Angst, dennoch konnte sie nicht genau sagen, weswegen.

Sie betrachtete sich ein letztes Mal im Spiegel und sah sich dennoch kaum. Ihr Kleid war ein Traum aus weiß und gold, man versicherte ihr hundertmal, wie schön sie doch sei, doch nichts davon hörte sie wirklich. Mit einem flauen Gefühl im Magen ging sie zu ihrer Kutsche. Das erste Lächeln dieses Tages entkam ihr, als Rasler selbst ihr in das Gefährt half.

„Ihr seht bezaubernd aus“, flüsterte er mit einem Handkuss.

Und je weiter sie Richtung Kathedrale durch die jubelnden Massen von Dalmascas Volk fuhren und je öfter er sie ehrlich liebevoll anlächelte, desto mehr schwand ihre Angst. Sie konnte einfach nicht anders, als glücklich zurück lächeln.

Und als der Große Kiltias ihnen beiden den Segen gegeben hatte, zögerte sie nicht, seinen sanften Kuss als Beschließung ihrer Ehe zu erwidern.
 

Es war ein paar Tage später, als sie im Palastgarten zwischen den Blumen auf einer Marmorbank saß und die Sterne beobachtete. Rasler kam langsam näher, zögerlich, unsicher. Erst letztens hatte er ihre Ehe in den Augen des Volkes lediglich ein Bündnis genannt, diese Schüchternheit jetzt passte nicht zu ihm. Fast erinnerte sie sich wieder an den kleinen Jungen von damals, der nur verlegen auf seinen Teller gestarrt hatte.

„Seit der Bekanntgabe der Verlobung ist viel Zeit vergangen“, begann er dann, als ob er sich diese Worte vorher lange überlegt hätte. Sie lächelte zur Antwort. „Und wir hatten jetzt erst die Gelegenheit, uns wirklich kennen zu lernen.“ Es gab keine Frau, die er lieber zur Gemahlin hätte als sie. Prinzessin Ashe war wunderschön, klug, er mochte ihre Willenskraft, er mochte die Art und Weise wie sie sich bewegte, wie sie ihn zärtlich berührte. „Dennoch tut es mir leid, dass uns beiden die Entscheidung unserer Hochzeit abgenommen wurde. Dass wir einander versprochen wurden, als wir noch Kinder gewesen sind.“

Sie runzelte die Stirn, auf was wollte er hinaus? Sie öffnete bereits den Mund, um etwas zu erwidern, da hob er die Hand, um sie zu unterbrechen.

„Was ich jetzt tue, tue ich aufrichtig und von Herzen! Und ich möchte, dass die Frau entscheidet, nicht die Prinzessin.“ Er ging vor ihr auf die Knie, nahm ihre Hand und steckte ihr einen schlichten, silbernen Ring an den Finger, neben ihrem Ehering.

„Ashelia, willst du meine Frau werden?“

Mit offenem Mund starrte sie ihn an, während sie versuchte, die Tränen zurück zu halten. Mit einem geschluchzten „Ja“ warf sie sich ihm um den Hals.
 

Sie war 19, seit zwei Jahren verwitwet, als sie aus einer Pflicht heraus Richter Ghis ihr Geburtsrecht, den Abendsplitter, übergab und somit indirekt die Herrschaft über Dalmasca. Doch als sie wenig später ihrem Kampfgefährten Balthier den ‚Verlobungsring’ übergeben musste, als Zusicherung für seine Hilfe, zögerte sie deutlich länger. Es fiel ihr schwer, ihn loszulassen. Selbst danach hätte sie ihn dem Piraten am liebsten wieder aus der Hand gerissen und wäre damit davon gelaufen. Es war ihr das Liebste neben ihren Erinnerungen, das sie von ihrem Gemahl je erhalten hatte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (11)
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Von: Kathey
2012-12-14T12:34:23+00:00 14.12.2012 13:34
Ich mag den Gedanken, dass Rasler so überaus charmant war und sich auf jeden Fall gleich nach einiger Zeit in sie verliebt hat und Zeit mit ihr verbringen wollte und nicht alles nur wegen der Bindung zwischen den Ländern gemacht hat...
Außerdem ist die Szene mit dem Ring so toll ;___;
Du weißt, welche. Aber ach, eigentlich ist alles toll an dem Kapitel!

AberdabeiwollteAshedochVossler-äh-Azelasheiraten ;A;/

PS: Du lässt mich was zu Ashe gut finden... Schande über deinen Fortes-Kuh!
Von: Kathey
2012-09-19T08:08:43+00:00 19.09.2012 10:08
Ich glaube, der Teil mit dem Bart hat sich gerade beim dritten Lesen zu meinem persönlichen Fav entwickelt... Klein Ashe stellt sich vor, wie Vosslers Bart kitzeln muss beim Gute-Nacht-Bussi... D'awwww, das ist ehrlich gesagt zu knuffig, viel zu knuffig <3
Aber ich mag das ganze Kapitel echt gerne, Vossler - äh, Azelas muss wirklich arg überfordert gewesen sein...

Und danke für die Widmung, gerade bei diesem Kapitel ;A;/~♥
*dich umknuffelt*
Von: abgemeldet
2012-04-09T18:00:21+00:00 09.04.2012 20:00
Echt gut geschrieben, doch kommt mir da eine Frage auf:
Wo zum Henker lag Landis denn? Ôo
Und woher weißt du, dass Balfonheim die Hauptstadt ist oder ist das nur ausgedacht? ô.ô

Ich weiß nur (zumindest hatte ich das mal irgendwo gelesen), dass Landis neben Nabradia liegen sollte.
Von:  Alaiya
2011-10-06T17:05:12+00:00 06.10.2011 19:05
Hach ja, Sex, ein Thema, das manche zu gern anspringen, andere ganz vermeiden versuchen und die Tatsache, dass diverse Charaktere da sicher nicht ganz keusch waren/sind, wird sowieso gern übergangen.

Nun, verglichen mit vielen anderen lässt du Balthier einige Zeit (auch wenn ich es da ein wenig unrealistisch finde, dass die Strahl nicht doch auffällt, weil sie ist halt doch einmalig). Aber jetzt sind wir ja endlich da, wo er Fran trifft :D
Von:  Alaiya
2011-10-06T16:16:54+00:00 06.10.2011 18:16
Wie ich finde immer wieder die Interessanteste Stelle in Balthiers Geschichte, wie eben aus Ffamran Balthier wird :)

Äh, viel konstruktive Kritik fällt mir hier jetzt nicht ein, ich wollte einfach noch einen Kommentar schreiben ^^"
Von:  Alaiya
2011-10-05T19:10:30+00:00 05.10.2011 21:10
Ich hab hier auch mal reingeschaut :) Erst einmal die Balthier-Kapitel, da ich den Charakter einfach klasse finde.
Super, dass endlich mal jemand die existenz der älteren Brüder NICHT ignoriert xD" Die werden oft doch übergangen.
Find es soweit nett geschrieben. Auch weil du dir Gedanken über das Bildungssystem gemacht hast. Aber im letzten Absatz finden sich ein paar Tippfehler...
Von:  Sakisa
2011-06-14T13:45:48+00:00 14.06.2011 15:45
Yay Bali is dran^^
Wieder mal ein trauriger Anfang, aber irgendwie ist gerade das das fesselnde daran:)
Und aus seiner Jugend erfährt man sowieso so wenig, bin also gespannt^^
Von: abgemeldet
2011-05-09T14:32:23+00:00 09.05.2011 16:32
Einfach toll das Chapi! :D
Du bringst es immer so wunderbar auf den Punkt und weißt, was zählt. Das einfach nur Klasse! <3
Von: abgemeldet
2011-04-26T12:29:41+00:00 26.04.2011 14:29
BOAH! Das Ding ist so krass! Ich muss fast heulen. Q^Q
Das ist einfach nur emotional. Schreib bloß weiter, es ist toll. Q^Q

*sich nen Taschentuch greif und sich kräftig schnäuzt*
Von:  Sakisa
2011-03-05T14:07:35+00:00 05.03.2011 15:07
So süüß "sich Basch und Noah als Kind vorstell"
Ich hoffe es geht bald weiter und bin schon gespannt^^
Lg


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