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100 Geschichten und Gedanken

Eine Aktion der Schreibzieher
von

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#061 Hautausschlag

Langsam ließ sie ihr Gewand von ihren Armen gleiten und betrachtete sich im Spiegel. An ihrem Oberarm konnte man es sehen, ein feines Geflecht aus gräulichen Linien. Letzte Woche war es noch ein unscheinbarer Fleck gewesen, die Woche davor konnte man es nicht einmal erahnen.
 

Wie ein Schatten glitt sie von Baum zu Baum. Ihren Dolch hatte sie zur Sicherheit in der linken Hand, das Schwert ruhte noch in seiner Scheide. Ihre Sinne waren aufs Äußerste gespannt. Sie wusste, dass er irgendwo in der Nähe war. Der Wald um sie herum schien ständig in Bewegung zu sein. Sie durfte nicht stehen bleiben, immer weiter, bloß nicht verharren. War sie die Jägerin, oder war sie schon lange die Gejagte?

Da war er, hinter ihr. In einer fließenden Bewegung fuhr sie herum und parierte den Hieb des anderen. Das Schwert sprang in ihre Hand. Es hagelte Hiebe und Stöße, was ihr Schwierigkeiten bereitete, wieder Fuß zu fassen. Geschickt duckte sie sich unter einem Angriff hindurch, wechselte ihre Stellung, wich dem nächsten Schlag aus, drehte sich um sich selbst, machte einen Satz hinter ihn. Doch er war ebenfalls schnell, duckte sich, drehte sich seitwärts, parierte das Schwert.

Wie vorausgesehen ließ er dabei seinen Oberkörper ungeschützt. Augenblicklich schoss der Dolch nach vorne, zu spät bemerkte sie die Nadel in seiner Hand, die er gerade aus seiner Gürteltasche gezogen hatte...
 

Bei dieser schmerzvollen Erinnerung ließ sie ihre Fingerspitzen sanft über die Stelle an ihrem Oberarm gleiten. Die Schmerzen waren vergangen, doch sie wusste, dass sie jetzt vor einem weitaus größerem Problem stand.

Leise klopfte es an der Tür. Schnell zog sie ihr Gewand wieder über ihre Schulter.

"Herein."

Der General ihres Vaters öffnete die Tür und beugte kurz den Kopf.

"Prinzessin, euer Vater erkundigt sich nach eurem Befinden. Seit ihr zurück seid, habt ihr euch selten blicken lassen."

"Habt Dank, ich werde gleich selbst zu ihm gehen."

Nachdem er gegangen war, betrachtete sie noch einmal das Mal. Es wurde von Woche zu Woche größer, irgendetwas musste sie unternehmen.
 

Sie stand wieder vor dem Spiegel und betrachtete das feine Geflecht, wie es unter ihrem Gewand hervorkam und ihren Hals empor wuchs. Das Mal breitete sich immer weiter aus. Nun lief es bis zu ihrem Handgelenk. Bald würde es den gesamten Oberkörper bedecken. Sie konnte es nicht weiter verstecken, sie musste etwas unternehmen...
 

Mit einem Ruck zog sie sich den Ärmel hoch und verließ das Zimmer, um ihren Vater zu besuchen. Sie würde eine Lösung finden, eine Lösung gab es immer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-11-04T22:29:15+00:00 04.11.2010 23:29
Huhu,
Ich mag es, wie du hier alles prägnante und wichtige aufführst, ohne weder zu lange um den heißen Brei herum zu reden oder die Handlung unnötig zu verkürzen, diese Hast, die ich im vorherigen Text benannte, ist hier nicht mehr spürbar!

Anzumerken habe ich lediglich einen bereits genannten Punkt: Die Rückblende würde sich in Kursivschrift eindeutig besser machen und in die Geschichte einfügen.

"Hautausschlag". Dazu fällt mir viel ein, aber auf so etwas wäre ich nicht gekommen. Irgendwie sehen meine eigenen Herausforderungskapitel total kreativlos, wenn ich mir eure alle so ansehe...
Oder, um es anders auszudrücken: Dieses hier gefällt mir richtig gut!

Vor allem, stelle ich gerade erstaunt fest, ist diese Kurzgeschichte wirklich in sich geschlossen. Egal, wie gut oder durchdacht man schreibt, bei einer gewissen Wortanzahl ist es einfach schwer, dem Geschriebenen, gerade bei einer kompletten Geschichte, keinen lose zusammengewürfelten Charakter zu verleihen.
Normalerweise frage ich den Schreiberling eigentlich immer, wie es wohl weiter gehen mag, aber hier ist dies nicht der Fall. Ich mag es so, wie es ist, ohne alles noch durch überflüssige Fragezeichen aufwühlen zu müssen.

Cool!
Liebe Schreibziehergrüße, Polaris
Von:  Schreiberliene
2010-07-18T22:25:09+00:00 19.07.2010 00:25
Die sind ja alle knackig; das ist jedes Mal ein sehr kurzen Vergnügen...
Naja, in der Kürze steckt ja bekanntlich die Würze. ;D

Also, du arbeitest im ersten Absatz sehr viel mir „ihr“: ihr Gewand, ihre Arme, ihr Oberarm – kannst du da was durch das/der ersetzen?

Zeitlich müsste es doch „ die Woche davor hatte man es nicht einmal erahnen können“ sein, oder? So fehlt der Unterschied in der Zeitstufe, oder irre ich mich?

Den Einschub würde ich als solchen kennzeichnen, vllt. durch kursives Schreiben? Sonst wirkt es merkwürdig, weil nicht klar ist, dass es sich um eine Erinnerung handelt. Du kannst die Zeit so beibehalten, aber dann ist es ja eine Art Rückblende. Und die gefällt mir sehr, sehr gut, du schreibst lebendig, ich konnte mich nicht von der Figur lösen, sie hat mich in den Kampf hineingenommen – sehr gut gemacht. Das fließt ohne Probleme. ;D

Noch eine Kleinigkeit: In wörtlicher Rede ist zwar vieles erlaubt, aber in Anbetracht deines Setting finde ich „sehen lassen“ sehr ugs und neudeutsch. Vllt: „habt ihr ihm noch keine Aufwartung gemacht“ oder schlicht „Hat er euch noch nicht gesehen.“ Auch zum restlichen Sprachduktus passt es irgendwie nicht so recht.
Das Ende fällt ein bisschen ab; die Aussage kann ich verstehen, aber sprachlich ist es nicht optimal gelöst. Ich würde vllt. ein Semikolon oder einen Bindestrich anstatt des Kommas setzen, um dem letzten Teil mehr Gewicht zu geben.

Insgesamt war es spannend, und du hast dem Titel wirklich eine erstaunliche Geschichte zugeordnet.

Alles Gute,

Anna


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