Zum Inhalt der Seite

Deepening Friendships

Auf einem Ausflug der jungen Pros bilden und vertiefen sich Freundschaften [HikaAki]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ausladende Einladungen

Hallo an alle!

Ich hoffe, ihr genießt diese Fanfic. Sie findet nach dem Hokuto-Cup statt, also nach dem letzten Kapitel von HikaGo. Ich habe versucht, mich so nah wie möglich an die originalen Charaktere zu halten.

Enjoy <3

~x~
 

"Ein Go-Ausflug?!" Hikarus Stimme hallte durch die Lobby des Go-Instituts.

"Schrei doch nicht so, Shindo!" maßregelte Waya ihn. "So etwas Besonderes ist das gar nicht, vor zwei Jahren waren die Pros über die Golden Week in Mashiba-sans Ferienhaus. Sogar Ogata 9-dan war mit von der Partie gewesen."

"Ogata-sensei ist aber alt!" meinte Hikaru und zog eine Grimasse.

"Dann nehmen wir eben nur junge Spieler mit, davon gibt es ja auch genug. Ich frage auf jeden Fall Isumi-san und vielleicht Ochi. Außerdem Nase und du kümmerst dich um Yashiro."

"Du bist ja schon völlig begeistert, Waya. Ich kann ihn fragen, aber vorher muss ich mit meinen Eltern sprechen. Haben deine denn nichts dagegen?"

"Seit ich alleine wohne lassen sie mir meine Freiheiten. Außerdem verstehen sie, dass Go mein Beruf ist und dass ich somit arbeite. Irgendwie."

"Hmm, gutes Argument. Ich geb dir morgen den Zwischenstand."

"Da habe ich ein Dan-Spiel."

"Gut, dann treffen wir uns im Institut."

~x~

Als Hikaru auf die Straße trat, war es bereits dunkel. Nach der Übungsstunde in Wayas Wohnung war er noch zu einem Spiel und etwas Quatschen geblieben und beeilte sich nun nach Hause, da seine Mutter vermutlich mit dem Essen auf ihn wartete. Er wusste, dass er seiner Mutter seit dem Beginn seiner Go-Karriere viele Sorgen bereitet hatte. Oft war er bis in die Nacht fort gewesen, war an Spieltagen nicht in der Schule gewesen und nun würde er auch noch die Schule schmeißen, denn für die High School-Aufnahmeprüfungen hatte er weder Zeit noch gelernt. Obwohl er zuversichtlich war, sein Geld in der Go-Welt verdienen zu können, kannte sie sich nicht gut genug aus, um seine Sorglosigkeit zu teilen.

"Ich bin zu Hause!" rief er.

"Hikaru, komm essen, es ist bestimmt schon fast kalt!" hörte er seine Mutter rufen. Er brachte seine Sachen nach oben und streifte sein altes Goban mit einem sehnsüchtigen Blick.

Am Esstisch sprach er das Thema schließlich an.

"Ma... Waya will mit mir und ein paar Pros über die Golden Week einen Ausflug machen um Go zu üben."

"Ich dachte, wir hätten dich mal für uns." Seine Mutter wirkte enttäuscht, aber machte keine Anstalten, ein Verbot auszusprechen.

"Nach meinem nächsten Sieg lade ich euch zu Ramen ein, versprochen!" sagte Hikaru und lächelte seine Mutter dankend an. "Das wird Waya auch freuen. Wir wollen mit den jungen Pros zu den heißen Quellen."

"Das klingt wirklich schön. Kommt dein Freund Touya-kun auch mit?" Hikaru schaute überrascht auf. An Touya hatte er noch gar nicht gedacht. Er schätzte jedes Spiel hoch, das er gegen den Sohn des Meijin spielen konnte, er konnte förmlich spüren, wie er sich mit jedem Spiel verbesserte. Andererseits war Touya vermutlich sogar in der Golden Week absolut verplant, so wie er den strebsamen Jungen kannte. Gleich morgen würde er das mit Waya besprechen.

~x~

"Shindo-kun! Du schuldest mir immer noch ein Spiel, schließlich willst du doch unbedingt mein Autogramm haben!" Noch bevor Hikaru ins Besprechungszimmer gelangen konnte, war Kurata ihm über den Weg gelaufen und hatte ihn praktisch überfallen.

"Kurata-san! In einem Monat ist unser Spiel angesetzt. Ich werde es Ihnen sicher nicht leicht machen!"

Kurata lachte dröhnend und drosch Hikaru fröhlich auf den Rücken. Der Junge krümmte sich unter den Schlägen zusammen und suchte verzweifelt nach Hilfe. Sie kam in Form von Isumi.

"Shindo! Waya hat mir erzählt von -"

"Isumi-san! Gut, dass du hier bist, ich habe da noch eine Frage." Mit diesen Worten zog Hikaru an Isumis Ärmel und brachte einigen Abstand zwischen sie und Kurata. Der neunzehnjährige Pro sah ihn verwirrt an, fragte jedoch nicht weiter. Im Besprechungsraum, in dem sie auf die Resultate warteten und Spiele durchspielen konnten, angekommen, fragte Hikaru: "Also machst du mit, Isumi-san?"

"Natürlich. Es ist eine tolle Idee, ganz und gar nicht Wayas Art", fügte er zwinkernd hinzu.

"Ihr redet über mich!" kam es von der Tür her und der besagte Pro kam auf die zwei zu.

"Shh, nicht zu laut - ich fürchte, wenn Kurata-san von unserem Plan erfährt, möchte er auch mitkommen!"

"Was wäre so schlimm daran? Er hält den Ouza-Titel, wir können eine Menge lernen von ihm."

"Oh Isumi-san, sei nicht so erwachsen! Kurata-san ist furchtbar nervig. Und noch dazu alt! Ich dachte, wir wollen nur mit jungen Leuten verreisen."

"Du hast ja recht, tut mir leid."

"Also wie du siehst habe ich Isumi-san schon eingeweiht. Ochi meinte, er könnte ein, zwei Tage entbehren und Nase kommt auch, sofern sie ihr eigenes Zimmer bekommt, sagt sie. Wie sieht es mit Yashiro aus?"

Hikaru zuckte beschämt die Schultern. Waya hatte sich schon um alles gekümmert und er hatte noch nichts getan außer seine Mutter zu fragen. Touya fiel ihm ein. "Ich habe überlegt, ob ich Touya frage. Ihn hatten wir irgendwie vergessen."

Isumi und Waya warfen sich unbequeme Blicke zu, doch schließlich gab sich der Ältere einen Ruck. "Warum nicht? Von ihm können wir noch am meisten lernen." Auch Waya nickte und so beschloss Hikaru, nach ihrem kurzen Gespräch in Touya Kouyos Go-Salon vorbeizuschauen, schließlich war sein Rivale dort fast immer anzutreffen.

"Ich werde ihn fragen. Vielleicht hat er ja gar keine Zeit."

Gesagt - getan. Naja, zumindest in Angriff genommen. Voll guter Vorsätze betrat er den Go-Salon und sah auch gleich die gesuchten dunkelblauen Haare, nach denen er Ausschau gehalten hatte.

"Touya!" rief er und neben dem Gerufenen drehten sich auch einige alte Herren um, die ihm Verwünschungen entgegenwarfen und irgendetwas von Respektlosigkeit brabbelten. Sollten sie nur, ihm war es egal. Von diesen Opas konnte sich keiner mit ihm messen. Touya wartete bereits mit einer Handvoll weißer Steine in der Rechten. "Nigiri" sagte der Junge vor ihm und Hikaru musste innerlich lächeln. Touya konnte wirklich an nichts als Go denken. Noch bevor er saß, hatte er einen schwarzen Go-Stein gegriffen und vor seinen Rivalen gelegt. "Ich bin schwarz" sagte Touya und schob Hikaru die weißen Steine vor sich zu.

Hikaru fragte sich, ob Touya schon auf ihn gewartet hatte. Der Sohn des ehemaligen Meijins spielte nur noch selten Shidougo gegen die Kunden im Salon, dafür widmete er sich Kifus und Auswertungen vergangener Spiele, nicht selten Spiele, die er mit Shindo gespielt hatte.

Touya schien ungeduldig. Die Partie wurde zu einer Runde Speed-Go und kaum war sie vorbei, forderte der Junge noch eine. Erst die dritte Partie spielten sie in Ruhe und ließen sich gegenseitig Zeit für die Züge. Hikaru verlor mit einem zweieinhalb Moku-Rückstand, doch er war sehr zufrieden mit sich. Kaum hatten sie ausgezählt ging Touya zur Diskussion über.

"Diesen Zug hätte ich eher auf 5-14 gesetzt, damit hättest du mehr Druck ausgeübt und nicht diesen Stein hier verloren."

Hikaru dachte kurz über den Vorschlag nach. "Aber dann wäre die linke Seite bedroht gewesen. Dafür hast du hier zu aggressiv gespielt."

"Ach ja? Hier hast du dafür wegen deiner ständigen Defensive einstecken müssen."

"Was ist so schlimm daran, nicht wie ein blindwütiger Ochse nach vorne zu preschen??"

"OCHSE?! Meine Züge zeugen ja wohl von mehr Überlegung als deine, Shindo!"

"ÜBERHAUPT NICHT!! Ochse, Ochse, Ochse!!"

"IDIOT!!"

Beide waren aufgesprungen. Die Männer um sie herum beachteten sie schon gar nicht mehr, so oft stritten sie sich nach ihren Spielen.

"NENN MICH NICHT IDIOT!!"

"SAG MIR NICHT, WAS ICH ZU TUN HAB!!"

"RAAAH!"

Hikaru hatte seine Tasche gegriffen und stampfte in Richtung Ausgang. Vor der Tür wirbelte er noch einmal herum und keifte: "DU BIST ÜBRIGENS ZU EINEM GO-AUSFLUG MIT UNS JUNGEN PROS EINGELADEN. GOLDEN WEEK, ONSEN, WAG ES NICHT ABZULEHNEN!"

Damit war er aus der Tür. Er rang die Hände vor Wut und wusste, dass er das Spiel zu Hause mehrere Male durchgehen würde. Warum geriet er immer mit Touya aneinander? Manchmal hatte er das Gefühl, der Touya Akira von früher würde ihm viel besser gefallen. Still, ruhig, immer gesittet, höflich, konzentriert. Andererseits hatten damals noch Welten zwischen ihnen gelegen. Doch jetzt waren sie ebenbürtige Rivalen und irgendwie auch Freunde, wenn er auch mit Touya nicht so unkompliziert klarkam wie mit Waya.

Ihm war klar, dass das Gebrüll im Salon nicht als wirkliche Einladung zählen konnte und dass er vermutlich nochmal mit dem anderen Jungen reden musste. Bei dem Gedanken seufzte er. Außerhalb des Go hatten sie nie miteinander zu tun, es gab nie einen Grund, über etwas anderes zu reden. Und wenn man sah, wie sie selbst bei diesem Spiel immer ins Zanken gerieten, nahm er an, dass sie sich sonst auch nicht sonderlich gut vertragen würden.

Nach einem Blick auf die Uhr entschied er, noch zu Waya zu fahren. Nichts würde ihn besser beruhigen als ein schöner Sieg gegen seinen besten Freund, dachte er grinsend. Doch als er dort ankam, musste er feststellen, dass er nicht der Einzige mit dieser Idee gewesen war. Zu seiner Überraschung war es Nase, die er Waya gegenüber am Goban antraf. Seit Wayas und Hikarus Aufstieg in die Welt der Pros hatten sie die junge Frau immer seltener gesehen, zu beschäftigt waren sie damit gewesen, nach vorne statt zurück zu blicken. Sie erklärte Hikaru, dass Waya sie auf die nächste Pro-Prüfung vorbereitete, denn endlich wollte auch sie um Aufstieg in Dan und nicht um das Bleiben in Gruppe Eins kämpfen. Hikaru setzte sich neben die beiden ans Gobans und schaute dem Spielverlauf zu. Der Unterschied zwischen ihnen war nur allzu offensichtlich, nicht umsonst hatte Waya über ein Jahr länger nur noch gegen Pros gespielt. Doch Nase machte es ihm nicht leicht, besonders im Yose schien ihre Stärke zu liegen. Waya gewann nur knapp – nunja, es war ja auch Shidougo –, aber der Niveauunterschied war trotzdem deutlich.

Hikaru deutete auf eine Region des Feldes. "Hier hättest du viel mehr Territorium einnehmen können, Nase. Waya hat sich zu sehr auf die rechte Ecke konzentriert, das wäre ein schwacher Punkt gewesen."

"Scharfsinnig wie immer, Shindo", grinste Waya, dem dies erst nach Hikarus Kommentar aufgefallen war. "Nichtsdestotrotz denke ich, für die Qualifizierungsmatches wird das ausreichen. Zum Glück ist Konzentration deine Stärke."

Während Waya und Nase das Spiel weiter diskutierten, überlegte Hikaru, ob zwischen den beiden vielleicht etwas Romantik in der Luft lag. Er meinte, irgendetwas in Wayas Art sei anders, konnte aber nicht bestimmen, was. Vielleicht lag es auch daran, dass er mit Mädchen generell anders umging? Hikaru musste sich eingestehen, dass er mit jedem Vorstoß in der Go-Welt weniger Feingespür für seine Mitmenschen entwickelt hatte. So gut er auch dutzende Spielzüge im Voraus berechnen konnte, außerhalb des Gobans konnte er nicht mehr so problemlos die Gemüter seiner Gegenüber lesen. Er hatte das Gefühl, sich in der Go-Welt immer weiter einzuigeln, während Touya plötzlich anfing, aus sich herauszugehen. Im Gegensatz zu dem Jungen vor drei Jahren, der sich selten gegen irgendetwas auflehnte, flogen nun bei ihm und Hikaru regelmäßig die Fetzen.

"Ich habe Touya bescheidgesagt", sprudelte es aus ihm hervor und die beiden anderen schauten ihn überrascht an. Hikaru wurde etwas rot und schaute auf das Goban, um ihren Augen auszuweichen.

"Und, kommt er mit?"

"Keine Ahnung. Ich habe es ihm entgegengeschrien, bevor ich aus dem Go-Salon gerannt bin", gab Hikaru zu und wurde noch etwas röter – sowohl vor Scham als auch vor Wut bei dem Gedanken an ihren Streit.

"Na super!" Aus Wayas Ton konnte Hikaru das Augenrollen schon heraushören. "Könnt ihr es denn nie lassen? Wie zwei Kinder, wirklich..."

"Ich kann doch nichts dafür! Egal was er sagt, es ist wie ein rotes Tuch. Manchmal weiß ich ja, dass er Recht hat, und genau das wurmt mich. Und manchmal ist es auch einfach idiotisch und er sieht es selbst gar nicht." Schon wieder geriet er in Rage nur bei dem Gedanken daran.

Nase kicherte leise und sagte dann: "Es liegt wohl einfach daran, dass ihr zwei einander ebenbürtig seid, aber zwei völlig verschiedene Taktiken verfolgt während des Spiels."

Hikaru dachte kurz darüber nach und nickte dann lächelnd. Sie hatte vielleicht Recht, und diese Erkenntnis schmeichelte ihm nicht gerade wenig. Nach so vielen Jahren des Hinterherlaufens hatte er vielleicht endlich zu Touya aufgeschlossen.

Mit dem Gedanken im Kopf, dass zwischen Nase und Waya vielleicht wirklich die Funken sprühten und er es nur nicht bemerkte, verabschiedete er sich nach kurzer Zeit, ohne noch eine Partie gespielt zu haben.

Auf dem Weg nach Hause zückte er sein Handy und rief Yashiro an.

"Yashiro."

"Hey, Shindo Hikaru hier!"

"Shindo – du hast dich ja ewig nicht gemeldet! Na, laufen die Steine alle rund?" Yashiros Stimme klang etwas gedämpft. Rasch sah Hikaru auf die Uhr, es war noch nichtmal sechs Uhr abends, kein Grund also, sich wegen den Eltern des anderen zu sorgen.

"Bei mir läuft alles super! Ich brauche noch eine Weile bis zum nächsten Dan, aber du kennst mich ja – das wird kein Problem sein!" Yashiro lachte leise. Hikaru lächelte und dachte bei sich, dass er sich schon auf das Wiedersehen freute. "Ich rufe nicht grundlos an. Wir wollen über die Golden Week einen Go-Ausflug machen. Eine Woche Dauer-Spielen praktisch. Du bist auch eingeladen."

"Klingt gut. Wer wird denn dabei sein?" fragte Yashiro.

"Bisher sind es Waya, Isumi-san, Nase und ich. Oh, Ochi will auch ein paar Tage kommen."

"Touya nicht?"

"Ich weiß noch nicht, wir haben uns beim letzten Mal gestritten."

"Ach Shindo!" Warum klangen alle immer so genervt, wenn es darum ging?

"Jaja, ich weiß schon," erwiderte Hikaru.

"Ihr könnt es echt nicht sein lassen? Ich meine, langsam muss euch doch auch der Streitstoff ausgehen!"

"Glaub mir, das wird wohl nie passieren. Also was ist jetzt mit dem Ausflug?"

"Ich komme mit. Ich werde alles daran setzen, meine Eltern zu überreden, also sollte es gehen."

"Super. Dann sprechen wir uns später!"

~x~

Nach zwei Tagen ging er noch einmal zu Touya. Er sah den dunkelblauen Schopf schon von der Tür und überlegte, ob er sich den Schrei durch den Salon sparen sollte. Als sein Blick auf Kitajima fiel, vermutlich Touyas größter Fan, entschied er sich dagegen.

"Touyaaa!" rief er übermütig und rannte zu dem Jungen.

"Hör auf, ihn wie einen Kumpel zu behandeln, wo sein Können so weit über deinem liegt!" kam es prompt von Touyas altem Fan. Hikaru streckte ihm die Zunge heraus und ließ sich Touya gegenüber auf den Stuhl fallen. Der andere Junge schaute ihn ruhig an. Er begann sich schon zu wundern – war Touya noch sauer? Normalerweise begannen sie schon Sekunden nach seiner Ankunft mit ihrer ersten Partie.

"Wegen der Golden Week-" begann Touya. Hikaru stützte die Hände auf seine Knie, senkte den Kopf und sagte: "Tut mir leid wegen dem Gebrüll vorgestern. Die Einladung war ernst gemeint, auch wenn sie nicht gerade einladend überbracht wurde." Er schaute wieder auf und sah Touyas Augen belustigt blitzen.

"Das war mir klar. Ich nehme gerne an. Im Übrigen wollte ich dir sagen, dass mein Vater ein Ferienhaus bei den heißen Quellen hat und er hat sicher keine Einwände, wenn wir es für unsere Übungen nutzen."

Hikaru sah ihn verdutzt an. Das war durchaus ein verlockendes Angebot und fast hätte er zugesagt ohne Waya zu fragen. Doch diesem war es vermutlich unangenehm, es anzunehmen, überlegte er. "Das ist... sehr großzügig, Touya. Ich werde Waya fragen. Isumi-san, Nase und Ochi werden auch mit von der Partie sein. Bist du sicher, sie alle unterbringen zu wollen? Wir hatten ursprünglich über ein Hotel nachgedacht."

"Das ist kein Problem. Mein Vater hatte früher schon Pros dorthin eingeladen, es ist nicht riesig und wenn Nase ins Gästezimmer geht, müsstet ihr im Go-Zimmer schlafen, aber billiger als ein Hotel ist es allemal. Solange einer von euch kochen kann..."

"Das ist super, Touya", rief Hikaru laut und bekam mal wieder ein paar 'Shhs' zugewispert. Der Junge mit dem dunkelblauen Schopf lächelte ihn an und griff dabei nach einigen weißen Steinen.

"Nigiri."

~x~

Sein heutiges Dan-Spiel nahm Hikaru kaum wahr, eher dachte er an Waya und wie er ihm die Neuigkeiten beibringen würde. Dementsprechend wurde es ein sehr knappes Spiel und Hikaru konnte nur mit viel Mühe überhaupt gewinnen, obwohl es ihm ein Leichtes hätte sein sollen. Beim Stempeln wartete Waya bereits auf ihn.

"Das war ja miserabel, Shindo! Hat Touya abgesagt, oder hat dir etwas anderes auf den Magen geschlagen?"

Hikaru verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen und schüttelte den Kopf. "Nein, das war Vorfreude", gestand er. "Touya hat zugesagt und noch besser: er bietet uns das Ferienhaus seines Vaters."

"Das klingt toll!" lachte Waya und legte Hikaru den Arm um die Schulter. In freundschaftlicher Eintracht gingen sie zum Besprechungsraum. "Dann würden wir uns das Hotel sparen und müssten nichtmal eigene Goban mitnehmen."

"So etwas Ähnliches hat Touya auch schon gesagt." Hikaru sah ein, dass er sich vermutlich zu viele Sorgen gemacht hatte wegen Waya. Was hatte dieser auch für Gründe, das großzügige Angebot abzulehnen?, dachte Hikaru. Außer, dass Touya besser war als er und ihn nicht als Rivalen ansah – sowas konnte schon am Stolz kratzen. Oder den Kampfgeist anfachen, wie es in Hikarus Fall geschehen war.

"Ich hatte schon Sorgen, keine freien Zimmer mehr zu finden, schließlich ist die Golden Week schon in zwei Wochen. Ein Problem weniger, um das wir uns kümmern müssen. Isumi-san würde uns fahren, aber in das Auto seiner Eltern passen wir kaum zu viert."

"Kein Problem, meine Mutter hat sich auch angeboten. Unser Auto hat einen riesigen Kofferraum, da können wir das Gepäck unterbringen. Yashiro hat übrigens auch zugesagt."

Sie begannen eine Partie Go und vertieften ihre Pläne übermütig. Nach einer Stunde brachen sie die Partie ab, weil sie sich sowieso nicht ausreichend konzentrieren konnten und schmiedeten stattdessen die hochtrabendsten Pläne.

~x~

Die zwei Wochen gingen bei Weitem nicht schnell genug herum. Hikaru verlor zwei Spiele nach seinem knappen Dan-Spiel und nahm sich danach zusammen. Die folgenden gewann er, doch keines war eine Glanzleistung seinerseits. Touyas und sein aufgeregtes Geplapper stieß im Go-Salon auf nicht allzu viel Gegenliebe, doch aus Respekt Touya gegenüber gaben die Opas keine Kommentare ab.

Am Abend vor der Abfahrt trafen sie sich noch einmal bei Waya. Isumi und Nase waren schon da als Hikaru kam, Touya hatte sich entschuldigt, da er an diesem Tag ein Spiel in der zweiten Ouza-Vorrunde hatte.

Es war selbst für Wayas Begriffe ungewöhnlich laut, als Hikaru ankam. Verwirrt lief er ins Wohnzimmer und war überrascht, nicht drei sondern vier Jugendliche anzutreffen – wenn auch nur drei davon Japaner waren.

"Shindo!! Ein Spiel!" schrie Mini-Waya und kam auf ihn zu gesprungen.

"Le Ping, unser Spiel ist noch nicht vorbei", rief Waya und lief seiner Miniatur-Ausgabe mit Armgefuchtel hinterher. Hikaru lachte und begrüßte den kleinen Chinesen. Isumi und Nase sahen nur kurz von ihrem Spiel auf, um Hikaru zuzuwinken.

"Hallo, Le Ping! Seit wann bist du in Tokyo?"

"Seit drei Tagen schon, aber Isumi hat mich noch nicht zum Institut gebracht."

"Das wirst du wahrscheinlich erstmal nicht sehen, denn ab übermorgen ist es geschlossen", erklärte Hikaru.

"Jaja, ich weiß! Aber was soll ich dort auch, wenn die guten Spieler alle mit Isumi und mir wegfahren?", grinste der Junge frech. Hikaru zog eine Braue in die Höhe, musste aber auch grinsen. Es verblüffte ihn wie erwartet, wie ähnlich sich die beiden Wayas waren. "Lass uns spielen, Shindo!" Le Ping zog Hikaru in Richtung des Gobans, auf dem er mit Waya spielte. Schnell zog er ein leeres Goban dazu und bedeutete Hikaru, sich zu setzen. Während sie den Beginnenden durch Nigiri auslosten redeten sie wieder über die Golden Week.

"Ich schätze, wenn Le Ping mitkommt, ist für Touya kein Platz mehr in Isumi-sans Auto?" dachte Hikaru laut.

Waya nickte und sah ihn entschuldigend an. "Es ist nicht so, dass wir ihn nicht wollen, aber Le Ping möchte gern bei Isumi bleiben." Hikaru schaute konzentriert auf die wenigen Steine die bereits lagen. Nun, dann musste Touya mit ihm und seiner Mutter fahren, auch wenn das nicht Hikarus liebste Lösung war. Doch er schien immer noch derjenige unter ihnen zu sein, der am besten mit Touya zurechtkam – zumindest wurde er nicht nur angeschwiegen von dem Go-besessenen Jungen. Im Übrigen würde es ihn nicht wundern, wenn die anderen doch etwas gegen Touyas Gesellschaft hatten. Ein paar Spiele gut und schön, aber tatsächliche Konversation mit dem introvertierten Sohn des ehemaligen Meijin? Er konnte es ihnen jedenfalls nicht verübeln.

"Ich verstehe schon. Dann nehmen wir ihn mit." Waya und Isumi warfen sich vor Le Pings Augen verstohlen einen erleichterten Blick zu. Der junge Chinese wunderte sich über das seltsame Verhalten der Pros – ihre Befremdung Touya gegenüber verstand er nicht wirklich. Und wäre es nicht wunderbar, auf der Fahrt mit ihm über Go diskutieren zu können? Er verdrehte die Augen. Hoffentlich wurde nicht auch für ihn alles komplizierter, wenn er älter wurde.

Mit den gleichzeitigen Spielen gegen Waya und Shindo hatte Le Ping sich etwas zu viel zugetraut. Dank einigen einlenkenden Schritten war er mit seinem älteren Ebenbild noch auf einen Vorsprung von einem halben Moku gekommen, doch gegen Hikaru verlor er mit achteinhalb Punkten Rückstand. Es hielt ihn jedoch nicht davon ab, beide noch einmal herauszufordern. Waya passte, doch Hikaru willigte nur zu gerne ein. Er fand den Stil chinesischer Spieler immer sehr interessant.

Nach zwei Stunden war auch diese Partie beendet. Nachdem Le Ping aufgab, ließ Hikaru sich auf den Rücken fallen. Sein Blick fiel auf Waya und Nase, die ebenfalls spielten. Wann hatten sie damit begonnen? Er hatte es nicht bemerkt, so hitzig war seine Partie mit dem jungen Chinesen gewesen. Sie hatten sich wirklich nichts geschenkt und Hikaru hatte viel Freude daran gehabt. Nur selten hatte er Spiele, die seinen mit Touya ähnelten.

"Nase?" schnurrte er.

Das Mädchen schaute zu ihm herüber. "Shindo?"

"Kannst du kochen? Ich kann es nicht, und Touya bestimmt auch nicht."

Waya mischte sich ein: "Hey, ich kann etwas kochen! Ich wohne schließlich auch alleine."

"Oh neeein, Waya! Das Einzige, was du gut kannst, sind Instant-Ramen. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, die eine Woche zu essen, aber an Feiertagen sollte man auch etwas Leckeres essen." Die anderen kicherten und stimmten Hikaru zu. Waya bemerkte, dass er wenig Rückhalt hatte und verschränkte die Arme.

"Das ist kein Problem, Waya. Ich kann tatsächlich etwas kochen, Shindo. Und vielleicht lädt uns Waya ja auch zum Essen ein, um seine Ehre wiederherzustellen", sagte die junge Frau zwinkernd.

Le Ping erschien in Hikarus Blickfeld und stupste ihn auffordernd an. "Shindo, noch ein Spiel! Komm schon!" Er raffte sich wieder auf und musste lächeln. Auch diesen Elan hatte Le Ping mit Touya gemeinsam. Hoffentlich allerdings nicht das leicht erhitzbare Gemüt bei der Diskussion.

Ankunft :: Itou

Touya schwieg schon seit einer halben Stunde und langsam glaubte Hikaru, dass die anderen Jungs so etwas geahnt hatten und ihn deshalb nicht in ihrem Auto haben wollten. Er seufzte und schaute in den Kosmetikspiegel über sich, in dem er Touyas Augenpartie beobachten konnte. Der Junge sah aus dem Fenster und schien etwas entrückt.

"Touya, 5-15!"

Er sah, wie der Angesprochene kurz blinzelte, ihn ansah, wieder nach draußen schaute, und dann sagte: "5-5."

Hikarus Mutter schaute kurz zu ihnen herüber und schüttelte dann lächelnd den Kopf. Die Begeisterung ihres Sohnes und Touyas für dieses Spiel ging über ihr Verständnis hinaus, doch es machte sie trotzdem glücklich, wie ernst es Hikaru noch immer war. Und der Kontakt zu einem Jungen wie Akira-kun würde ihm sicher nur guttun, so höflich und nett wie dieser immer war.

Sie verstand, dass die beiden sich Positionen auf dem Spielfeld nannten, doch hatte keine wirkliche räumliche Vorstellung davon. Beide wirkten konzentriert bei dem Abtausch, wieder musste sie lächeln. Sie wirkten so erwachsen, aber irgendwie waren sie doch noch zwei Kinder. Nach einer halben Stunde gab Hikaru auf und sie begannen, sich über das Spiel zu unterhalten.

"Also wirklich, Touya, dass du immer so voranpreschen musst!" meinte Hikaru. Seine Mutter musterte Touya im Rückspiegel. War so etwas wirklich in ihrem Spiel passiert? Der Junge wirkte wirklich nicht, als wäre das seine Taktik.

"Dafür hat dir deine Verteidigung bei 3-12 überhaupt nichts gebracht. Angriff wäre eine bessere Alternative gewesen."

"Das glaube ich nicht. Außerdem hast du nur deswegen die linke untere Ecke aufgeben müssen."

"Um die ich von Anfang an nicht gekämpft habe. Du weißt selbst, dass sie nur ein Lockvogel war, um deine Konzentration nicht auf die Mittelregion zu ziehen."

"Das lässt sich jetzt so einfach sagen, dabei könntest du dir eingestehen, dass du dort einen Fehler gemacht hast!"

"Hätte ich einen Fehler gemacht, hätte ich nicht gewonnen."

"Das- DAS KANN MAN SO GAR NICHT-"

"HIKARU!"

Es wurde still.

"Rede nicht so respektlos mit Touya-kun, immerhin hat er dich und deine Freunde eingeladen."

"Ja, Mutter..."

Im Spiegel sah er, wie Touya sich ein Grinsen verkniff und beleidigt starrte er aus dem Fenster. Pah, warum musste er sich das gefallen lassen?

Er sprach Touya den Rest der Fahrt nicht an, sondern starrte unversöhnlich vor sich hin. Der Zwist war aber vergessen, als sie vor dem Haus, zu dem der Junge auf dem Rücksitz sie lotste, ankamen.

"Woooow!" staunte Hikaru. Er drückte die Nase an das Fenster, um das Bild ganz aufnehmen zu können. Der Hauseingang war kaum zu sehen, denn das Haus wurde umrahmt von weiß blühenden Kirschbäumen. Der Boden war bedeckt von den erst kürzlich gefallenen Pfirsichblüten. Ein kleiner Teich, kaum sichtbar unter der Blütenblattdecke, schmückte den Garten, geteilt wurde er von einer kleinen hölzernen Brücke. "Touya, das ist... wooow!"

"Mein Vater liebt die Onsen und verbringt gerne Zeit in diesem Haus. Deswegen wollte er es hier so schön wie möglich haben. Wir sind zur perfekten Zeit hier, an den Abenden finden im Park die Kirschblütenfeste statt."

Hikaru sprang aus der Autotür und stand mit offenem Mund vor dem Eingang zum Garten. Seine Mutter und Touya begannen bereits, das Gepäck auszuladen und nach kurzer Zeit hielt Isumi-san hinter ihnen. Die Insassen des Wagens waren genauso in absoluter Faszination absorbiert wie Hikaru und starrten in den wunderschönen Garten. Nach und nach stiegen sie aus und stellten sich neben ihn, um das Farbenspiel der Bäume und das Glitzern des Wassers zu betrachten. Der Garten war eine Liebeserklärung an die Natur.

Mit wedelnden Armen lief Hikaru zum Auto zurück. "Los, lasst uns hineingehen!" Seine Mutter lächelte. Wenigstens wusste sie, dass ihr Junge hier viel Spaß haben würde. Sie wandte sich an Touya und legte ihm eine Hand auf den Arm.

"Du wirst mir doch auf ihn acht geben, Touya-kun?"

"Ma! Hör auf damit! Ich brauche keinen Babysitter, vor allem keinen, der jünger ist als ich!"

"Alter hat nichts mit Reife zu tun", lächelte Touya ihn herausfordernd an.

"Oh ja, wie ich höre seid ihr Mädchen schneller reif als Jungen."

Touya machte ein Gesicht als wollte er Hikaru am liebsten die Zunge entgegenstrecken, war aber tatsächlich reif genug, es nicht zu tun. Stattdessen wandte er sich an Hikarus Mutter. "Keine Sorge, ich stelle schon sicher, dass er keinen Unsinn macht, Shindo-san."

Die Frau lachte, winkte den anderen Jungen noch kurz zu, bevor sie ins Auto stieg und davonfuhr.

Nachdem die erste Faszination etwas eingesickert war, machten sich die Jungen und Nase daran, ihre Taschen ins Innere zu bringen. Waya ließ seine achtlos fallen, um sich, sogar begeisterter als vorher, im Haus und der Umgebung umzusehen. Hikaru folgte ihm auf dem Fuß. Mit immer neuen Bemerkungen machten sie sich auf die Details im Haus aufmerksam. Schon der Hausflur barg viel Gelegenheit dafür. Es gab traditionelle japanische Gemälde des Fujisan, außerdem ein großes Trockengesteck, gusseiserne Gestelle für Schirme, Jacken und Schuhe, hängen blieben sie an zwei alten Familienfotos der Touyas.

Hikaru prustete und deutete auf die Bilder. Das rechte zeigte Touya vor vier Jahren, etwas vor der Zeit, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Seine Eltern standen hinter ihm und hatten stolz jeder eine Hand auf seine Schultern gelegt, während ihr Sohn ernst in die Kamera sah. Die Belustigung Hikarus war allerdings dem anderen Bild zu verdanken, auf dem Touya nur etwa fünf Jahre alt war. Er saß auf dem Schoß seines Vaters, seine Mutter stand daneben und sah ihn sorgenvoll an. Der Fünfjährige streckte die Zunge heraus, auf ihr lagen zwei weiße Go-Steine. Als der fünfzehnjährige Touya vorbeiging, schubste er Hikaru, doch dieser konnte nicht aufhören zu lachen. "Bwahahahaaa!!! Touya, das ist herrlich!! Hahahaha!!"

Der Angesprochene ignorierte ihn und navigierte derweil Nase ins Gästezimmer und die anderen in das große Go-Zimmer, in dem sie nächtens ihre Lager aufschlagen würden. Erst einige Minuten später erschien Hikaru wieder. Mit Waya plapperte er aufgeregt und schwärmte in höchsten Tönen von dem kleinen Haus.

"Wir müssen unbedingt die Kirschblüten genießen und in den Park gehen, und zu den Onsen."

"Das klingt ja, als wolltest du gar nicht Go spielen, Shindo", merkte Touya an. Hikaru schüttelte den Kopf und sagte: "Go wird die Kirsche auf dem Eisbecher! Naja... oder eher das Eis im Eisbecher, davon ist schließlich am meisten da. Go möchte ich am meisten spielen, wenn wir hier sind, aber gegen etwas Abwechslung wird ja nichts einzuwenden sein." Die anderen stimmten ihm zu.

Das Go-Zimmer war hell, weil seine lange Seite zum Garten zeigte und komplett verglast war. Den Fenstern gegenüber waren etwa ein Dutzend Goban aufgereiht. Hikaru ging zu ihnen und strich andächtig darüber. Unter einer feinen Staubschicht erkannte er das edle Kaya-Holz, das nicht nur sehr hart und wunderschön fein gemasert war, sondern auch verdammt teuer. Hikaru konnte sich nichtmal ein Kaya-Goban leisten und hier standen zehn davon herum. Er lächelte verträumt, während er noch immer Linien in den dünnen Staub zog.

Touya trat zu ihm und legte eine Hand auf das Brett, das Hikaru bis eben liebevoll gestreichelt hatte. "Eine Partie?"

Hikaru verdrehte die Augen, musste aber leicht lächeln. Bei Touya ging es wirklich immer nur um Go. Der Blonde trug das Spielbrett näher zum Fenster. Auch die anderen begannen, sich an den Goban zu schaffen zu machen.

"Aber nur zwei Runden Speed-Go – ich möchte danach gern erstmal etwas sehen von diesem Ort!" Touya willigte ein und schon knallte der erste Stein auf das edle Holz. Die erste Partie gewann Touya um zweieinhalb Moku, die zweite wurde ein Unentschieden. Trotz seiner eigenen Eingrenzung zuvor verlangte Hikaru ein drittes Spiel. Auch dieses wurde ein Unentschieden und er hatte die leichte Vermutung, dass Touya es extra dazu gemacht hatte, in der Hoffnung, Hikaru würde dann noch eine Revanche fordern. Sein Gesicht sagte nichts dergleichen, aber konnte man dieser Kindervisage je trauen?

~x~

"Also, Touya, was gibt es hier zu sehen?" wollte Waya wissen, als sie kurze Zeit später durch die schmalen Gassen flanierten.

"In Itou gibt es nichts Interessantes außer den Onsen. Bis auf den Ippeki-See hier in der Nähe, aber das ist auch nur ein Loch mit Wasser – und das ist nichtmal heiß." Die Jungs lachten. Schon jetzt war die Stimmung fröhlich und ausgelassen. Hikaru wollte am liebsten gleich zu den heißen Quellen, andererseits wollte er auch eine erneute Revanche gegen Touya und ein paar Partien gegen Isumi-san und Le Ping. Eigentlich gegen alle.

Zum Mittag lud Touya sie zu Sushi ein, danach gingen sie zu sechst in einen Konbini um sich für die nächsten Tage einzudecken. Kaum wieder im Haus nahmen sie auch wieder vor den Go-Brettern Platz. Hikaru spielte gegen fast alle, bis der Abend einbrach. Nur Waya hatte er ausgelassen und bis auf Touya hatte er sie alle besiegt. Besonders Spaß machte die Partie Shidougo mit Nase, sie überraschte ihn mit einigen raffinierten Zügen. Wenn sie ihre gelegentlichen schlecht durchdachten Züge irgendwann verbesserte, könnte sie ihm sogar Konkurrenz machen. Isumi-san machte es ihm nicht leicht, Hikaru ging sehr in die Offensive und musste doch oft zurückstecken, bevor er eine Chance sah und ergriff.

Als Touya ihn das nächste Mal herausforderte, waren bereits fünf Stunden seit ihrem letzten Spiel vergangen. Hikaru konnte kaum glauben, dass die Zeit so schnell vergangen war.

"Lass uns draußen spielen, solange es noch hell ist", schlug er vor. Touya war einverstanden und so trugen sie ein Goban nach draußen. Hikaru musste sich sehr zusammennehmen, um nicht nach jedem Zug in den Himmel zu starren, der von Kirschblüten umrahmt war. Ab und zu segelte eins der Blütenblätter auf das Spielbrett und er hielt Touya davon hab, sie herunterzuwischen. Bald konnte man nur noch die Hälfte der Steine sehen und praktisch keine der Linien mehr. Da Touya merkte, dass Hikaru weiter darauf bestand, keins der Blätter zu entfernen, verschärfte er seine Attacken und sein Gegner musste aufgeben noch bevor das ganze Brett unter den Blüten nicht mehr zu sehen war.

"Hattest du es eilig am Ende?"

"Ich weiß nicht... vielleicht."

"Was ist los, Touya? So unentschlossen kenne ich dich gar nicht." Touya sagte nichts und schüttelte nur den Kopf. Sie saßen im Schneidersitz vor dem Goban und ließen sich weiter mit Blütenblättern berieseln. "Dieser Garten ist wirklich wunderschön, das muss man deinem Vater lassen. Du hast hier vermutlich alle hohen Feiertage deiner Kindheit verbracht, oder?"

Touya schüttelte wieder den Kopf. "Ich war sehr selten hier. Mein Vater hat gelegentlich ein paar Pros hierher eingeladen, nur einmal bin ich mitgekommen. Ich wollte schon früh meinen eigenen Weg finden und zu diesen Gelegenheiten nutzte ich die Zeit, die Vater fort war. Nicht jeder wusste davon und so kamen trotzdem fast täglich Pros zu uns, um gegen ihn zu spielen. Sie wollten den Weg nicht umsonst gemacht haben, und so nahmen sie meine Herausforderungen an. Ich konnte sogar gegen mehr Pros spielen als wenn Vater bei uns war, oder ich hierhin mitgekommen wäre."

"Touya, Touya. Bei dir geht es wirklich immer nur um Go!" meinte Hikaru grinsend.

"Was ist so schlimm daran? Go ist Sport für den Kopf, aber noch viel mehr als das. Bei erfahrenen Spielern spiegelt es den Charakter wider, man kann Stress abbauen oder sich dadurch Stress einhandeln. Jeder Zug eröffnet einhundert Möglichkeiten. Man kann sich sanft umspielen oder aggressiv jeden kleinsten Kampf ausfechten. Go ist so vielseitig, ich habe nie etwas anderes gebraucht im Leben."

Hikaru grinste noch immer. "Heute so gesprächig?" neckte er und ließ sich dann auf den Rücken rollen. Er drehte sich auf die Seite, stützte den Ellenbogen auf und den Kopf auf die Hand. "Ich bin froh, auch Go zu spielen. Wie viele interessante Spiele ich schon verpasst hätte, wenn ich nicht angefangen hätte. Das eben -", er machte eine vage Geste in Richtung des Brettes, "- war zwar keine Glanzleistung, aber wir haben schon einige gute Partien gespielt."

"Ich hoffe doch, das waren noch nicht deine besten Leistungen", schalt Touya. "Ich zumindest plane, die Hand Gottes zu erlangen, und dann wirst du mich nie schlagen können."

"Träum weiter, Bübchen." Hikaru lachte laut auf und Touya reckte ihm eine Faust entgegen, was ihn noch lauter lachen ließ. Vom Lärm der beiden angelockt kamen auch bald die anderen nach draußen um die Umgebung und das Wetter zu genießen. Le Ping pustete unbeeindruckt die Kirschblüten von dem kaum noch sichtbaren Goban und Hikaru verzog den Mund.

"Wir könnten ein Doppel spielen", schlug der junge Chinese vor. Alle sahen ihn verwundert an.

"Ein was?" stellte Waya schließlich die Frage.

"Ein Doppel!"

"Wie spielt man denn im Go ein Doppel?"

"Es ist ganz einfach", sagte der Junge und sortierte die Steine vom Goban. "Shindo und Nase sind ein Team und Isumi und ich sind das zweite Team. Während sich schwarz und weiß mit den Zügen abwechseln müssen sich auch die Spieler immer abwechseln." Die anderen staunten bei der Erklärung. Es klang... seltsam. "Das haben wir uns damals im Institut ausgedacht. Man muss die Stärke seines Partners gut einschätzen können, Schwächen ausgleichen und Schwächen des anderen Teams erkennen."

Nase lächelte Hikaru vorsichtig an. "Ich hoffe du verzweifelst nicht mit mir als deiner Partnerin. Ich würde es gerne versuchen gegen Isumi-san und Le Ping."

"Klar! Wir machen das schon!" Hikaru lächelte sie selbstbewusst an.

Nach nur wenigen Zügen musste er bereits erkennen, dass das Ganze viel leichter klang als es tatsächlich war. Nicht nur, dass er meist vergaß, dass sie abwechselnd spielen sollten. Es fiel ihm schrecklich schwer, mit einigen von Nases Zügen umzugehen. Sie hatte sich auf ein ganz anderes Gebiet konzentriert als er, so musste er ab und zu in ihrem Gebiet eingreifen und Fehler ausbügeln und verlor dabei Territorium seiner Region. Er musste schließlich einsehen, dass ohne Anpassung aneinander gar nichts funktionierte. Le Ping und Isumi gewannen haushoch. Kein Wunder, dachte er sich, sie hatten in China schon viel Zeit miteinander verbracht und oft gegeneinander gespielt. Sie kannten die Strategien des anderen und konnten in sein Wissen vertrauen.

"Tut mir leid, Shindo-kun. Es lag wohl an mir", entschuldigte sich das Mädchen bei ihm, doch er schüttelte den Kopf. "Ganz und gar nicht. Le Ping hat recht – man muss einander vertrauen und sich dem Rhythmus des anderen anpassen. Das ist nicht gerade meine Stärke."

"Wenn du erlaubst, würde ich gerne mit Shindo ein Team bilden", mischte sich Touya ein. Hikaru musste innerlich grinsen. Wunderbar. Als ob er und Touya jemals zu einem Einverständnis gekommen waren. Nase machte bereitwillig Platz, Isumi und Le Ping blieben an Ort und Stelle.

"Ich hoffe, du kommst mir nicht in die Quere, Touya", scherzte Hikaru, an den anderen gewandt.

"Shindo, Shindo", er schüttelte missbilligend den Kopf, "ich sehe, du hast nicht verstanden, worum es hier geht. Es ist sogar gut, einander in die Quere zu kommen, ohne Einmischung können wir nicht gut zusammen spielen." Hikaru verdrehte die Augen und ließ sich nicht auf eine Diskussion ein. Sie stritten ja jetzt schon, was sollte erst während des Spiels werden?

Er merkte nicht, dass sich die beiden auf der anderen Seite des Goban einen kurzen Blick zuwarfen. Sie fürchteten ein wenig, was sie erwartete. Trotz des ständigen Aneinandergeratens ihrer Gegner musste man zugeben, dass sie sich gegenseitig nicht nur im Go gut ergänzten. Wenn sie nicht gerade rumschrien. Ob ein Sieg gegen so ein eingeübtes Team überhaupt möglich war? Sie konnten nur darauf zählen, dass jeder der beiden mit dem Kopf durch die Wand wollen würde und sie einander dadurch die Tour vermasselten.

Doch diese Hoffnungen wurden im Keim erstickt. Während Hikaru tatsächlich mit dem Kopf durch die Wand wollte, folgte ihm Touya und attackierte nur gelegentlich an anderen passenden Stellen. Gelegentlich schien er seinem Partner sogar zuvorzukommen mit einigen Zügen, nach denen Hikaru meist etwas länger brauchte, um sich an Touyas Tempo wieder anzupassen. Sie waren eine schreckenverbreitende Kombination, musste Isumi gedanklich zugeben. Shindo schien es kaum zu merken, aber als ihr Gegner war ihre Stärke für Isumi unverkennbar, und er und Le Ping gaben nach einer Stunde auf.

"Puh, also hier in der Mittelgegend habt ihr euch wirklich nicht lumpen lassen. Oder, Touya?"

"Naja, ein paar gute Attacken gab es schon, aber an diesem Punkt wären sie machtvoller gewesen." Er zeigte auf einen der Knotenpunkte. Hikaru deutete auf einen benachbarten Punkt und sagte: "Also ich denke, hier wäre es besser gewesen, damit hätten sie nur zwei zusätzliche Züge gebraucht, um ihre Steine zu verbinden."

"Aber dann hätten sie diese hier verloren, denn wir hätten sie unterbrechen können."

"Das kommt natürlich darauf an, ob du den Zug durchschaut hättest."

"Natürlich hätte ich das, ich habe doch einen ganz ähnlichen vorgeschlagen!"

"Ähnlich ist im Go aber nicht Gleich!"

"Als könntest du mir etwas über Go beibringen, wo du die Steine vor drei Jahren noch gehalten hast wie ein Elefant eine Erdnuss!!"

"IMMER DIESE ALTEN GESCHICHTEN! WAS JETZT IST, ZÄHLT!!" Hikaru war aufgesprungen bevor er es selbst bemerkte. Ebensowenig hatte er bemerkt, wie die anderen im Garten sich genervt zurückgezogen hatten und jetzt im Wohnzimmer waren. "IMMERHIN HABE ICH DICH IN DIESEN DREI JAHREN FAST EINGEHOLT!!"

"DU BIST TROTZDEM NOCH KEIN VERGLEICH ZU UNSEREN ERSTEN ZWEI TREFFEN!"

Da war es wieder. Es traf Hikaru wie ein Schlag vor die Brust, und plötzlich sackte er wieder in sich zusammen. Er wandte den Kopf ab und ging zur Tür, doch bevor er sie erreichte, hatte Touya schon seinen Arm gegriffen und ihn herumgeschleudert.

"Shindo..."

Der Blonde schaute auf den Boden zu ihren Füßen. Er spürte ein Brennen in den Augen und ein Ziehen in der Brust, die er beide nur zu gut kannte.

"Es tut mir leid, okay?"

Er kämpfte mit den Tränen und durfte es Touya nicht wissen lassen. 'Sai...' Nicht nur die Sehnsucht nach dem tausendjährigen Geist schnürte ihm die Kehle zu, sondern auch die Kränkung durch seinen Rivalen. Er sah immer noch seinen Schatten in ihm, dabei war er in den drei Jahren so viele Male über sich hinaus gewachsen und war immer wieder stolz auf sich gewesen.

"Es tut mir wirklich leid."

"Lass gut sein, Touya." Verdammt, seine Stimme war belegt. Er wandte den Kopf ab und eine Träne kullerte über die Touya abgewandte Seite. Er biss hart die Zähne aufeinander und schluckte mehrere Male.

"Bitte setz dich wieder. Ich habe es nicht so gemeint."

"Natürlich hast du das."

Touya ließ seinen Arm los und Hikaru drehte sich zur Tür. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Das Gästezimmer war belegt, Touyas Zimmer wollte er nun gar nicht sehen, Küche, Wohnzimmer... "Ich geh etwas in die Stadt." Touya antwortete nicht und da die anderen im Haus waren konnte Hikaru das Grundstück unbehelligt verlassen.

Touya sank auf den Boden zurück und seufzte. Wieso passierte das immer? Warum immer mit Shindo? Es musste doch irgendeine chemische Reaktion geben, die ihn jegliche Beherrschung verlieren ließ, die er bei allen anderen immer beibehielt. Es war ja nicht so, als ob ihn andere nicht auch manchmal unbewusst provozierten, aber da artete es nie so weit aus. Als ob er plötzlich wirklich der Teenager war, der er sein sollte und nicht der Erwachsene, der er seit Jahren vorgab zu sein. Er seufzte noch einmal.

Sollte er Shindo folgen? Oder ihn lieber seinen Gedanken überlassen? Er wusste ja, dass er ihn verletzt hatte, aber was tat man dann? Offensichtlich war eine Entschuldigung nicht ausreichend. Noch ein Seufzen. Shindo, Shindo, Shindo, mal wieder war sein Kopf voll mit ihm.

Go ist wie Sport

Angelockt von der plötzlichen Stille kam Waya wieder heraus und suchte den Garten überrascht ab. "Ist die Prinzessin müde von ihrem eigenen Geschrei oder hast du ihm den Kopf eingeschlagen?"

Touya lächelte müde. "Shindo brauchte etwas frische Luft und ist in die Innenstadt vorgegangen. Vielleicht sollten wir uns auch auf den Weg dorthin machen?" Zur Hölle, dachte Touya grimmig. Ihm war es egal, ob Shindo allein sein wollte. Er würde sich so oft entschuldigen wie nötig, denn er wollte keinen Groll herausfordern, der die ganze Woche andauern würde. Vor allem nicht mit dem einzigen Spieler, wegen dem sich das Kommen gelohnt hatte. Er würde sich entschuldigen bis Shindo annahm und wieder bereit war, weiter mit ihm oder gegen ihn zu spielen. Punkt.

Waya verwunderte Touyas grimmiges Gesicht. Unauffällig winkte er die anderen wieder nach draußen, während er den Jungen musterte. Es war wirklich schrecklich mit diesen beiden, nach fast jeder Partie rissen sie sich gegenseitig regelrecht die Haare aus. Leben und leben lassen, dachte er sich. Es verwunderte ihn auch, denn nach seinen Partien mit Touya war dieser immer absolut sachlich geblieben.

Nunja, er hatte von Waya auch keine Kritik entgegengeschleudert bekommen, daran mochte es wohl liegen. Aber er wirkte auch nicht so, als würde er bei jeder kleinen Bemerkung aufspringen und losbrüllen. Bei Shindo allerdings schien auch bei ihm regelmäßig eine Sicherung durchzuknallen. Wo sie während ihren Partien angespannt und fast freudig erregt wirkten, hörte jede Faszination bei ihrer Diskussion auf, wo sie sich keine Eingeständnisse machten.

Waya nahm an, dass sie nicht wahrnahmen, wie sie selbst und ihr Gegenüber aussahen, während sie miteinander spielten. Shindo zum Beispiel spannte Muskeln an, von denen er selbst vermutlich nicht einmal wusste, dass es sie gab. Oft biss er die Zähne hart aufeinander und ließ wieder locker und gelegentlich zuckten seine Wangen. Touya dagegen zog meist die Augenbrauen tief zusammen und verkrampfte die Hände. Es war höchst interessant, musste Waya zugeben.

Während Nase sich umziehen war räumten die Jungs das Goban wieder nach drinnen und schoben die Bretter sorgsam an den Rand des Raumes, wo sie auch zuvor gestanden hatten. Schließlich warteten sie am Ende der Treppe auf die junge Frau, die nach einigen Minuten in einen cremefarbenen Yukata gekleidet herunterkam. Sie bekam viele charmante Komplimente und hakte sich dann bei Waya unter, der ihr den Arm angeboten hatte.

"Wir haben hier etwa ein Dutzend leichte Baumwollyukatas, falls ihr euch auch umziehen wollt", bot Touya an, doch die Jungs fanden, dass sie auf Nase schon lange genug gewartet hatten und jetzt lieber gehen wollten. So verließen die fünf in einer breiten Reihe das Haus und schlenderten die Straßen hinab.

In den Gassen waren zahlreiche kleine Stände aufgebaut, anscheinend ein lokales Fest. Systematisch lenkte Touya sie durch die wenigen großen Straßen der Stadt, nach zwanzig Minuten wurden sie schließlich fündig. Hikaru stand an einem Straßenstand, an dem man kleine Goldfische aus einer Wanne fischen konnte.

"Shindo!!" rief Waya. Hikaru blickte langsam auf und sah sie auf sich zukommen. Er ließ den Kescher sinken und wartete auf sie. Sein Blick war dumpf und Touya hatte so eine Ahnung, dass der Junge etwas geweint hatte. Super, da meldete sich auch schon wieder sein schlechtes Gewissen. Als sie ihn erreichten, wandten sich Waya und Le Ping an den Stand und versuchten ebenfalls ihr Glück. Touya legte Hikaru die Hand auf den Rücken und schaute ihn ehrlich betreten an.

"Tut mir wirklich leid", murmelte er leise. Hikaru konnte nicht umhin, die Hand auf seinem Rücken beruhigend zu finden, obwohl Berührungen von Touya irgendwie... seltsam waren. Auch die Reue des anderen berührte ihn und er lächelte ihn matt an.

Touya hoffte, dass ihm damit schon vergeben war. Die Chancen standen gut. Bei Shindos niedergeschlagenem Gesichtsausdruck allerdings konnte er sich darüber kaum freuen. Er ging kurz zu einem weiteren Stand und kehrte dann mit zwei Waffeln voll Eis zurück. Eins reichte er Shindo, dieser musste etwas kichern. Das war ja ganz untypisch für Touya. Er dankte ihm leise und begann dann, das Eis in großen Hapsen zu verschlingen.

"Hey, und wir?" fragte Waya, als er sich vom Stand abwandte und die beiden mit ihrem Eis sah.

Touya zuckte entschuldigend mit den Schultern und erwiderte: "Ich hatte was gutzumachen." Hikaru war mittlerweile fertig mit seinem Eis, es hatte kaum zwei Minuten gedauert. Hungrig schaute er nun auf Touyas. Dieser verdrehte die Augen und hielt es ihm hin. Er biss von den Kugeln ab und verzog dann den Mund. "Aua aua, kalte Zähne."

"Man beißt doch auch nicht ab von Eis. Kein Wunder, Shindo." Touya schüttelte den Kopf und nahm das Eis wieder an sich.

"Amnnh" war alles, was Hikaru erwidern konnte. Trotz kurzweiliger Schmerzen waren seine negativen Gefühle fast verschwunden. Er wollte nicht kindisch sein und den anderen die Feiertage vermiesen. Noch dazu hatte Touya sich so ernsthaft entschuldigt, dass man ihm eigentlich nicht mehr sauer sein konnte. Touya stellte sich zu den anderen und sah ihnen beim Fischen zu. Am Ende hielten Le Ping und Nase jeder einen Beutel mit einigen kleinen Goldfischen in den Händen.

"Wohin sollen wir die-"

"Ihr könnt sie nachher in unseren Teich werfen, wenn ihr mögt", bot Touya an. Zusammen gingen sie schließlich weiter an den kleinen Läden und Ständen vorbei. Le Ping sprang fröhlich vor ihnen her und zog abwechselnd Isumi und Waya zu den schmucklosen Schaufenstern. Sie fanden einen Go-Laden und gingen geschlossen hinein. Hikaru und Touya sahen sich einige Goban an, die damit beworben wurden, dass Touya Meijin schon die gleichen hier gekauft hatte.

"Das Doppel vorhin hat wirklich Spaß gemacht", meinte Touya, während er über das Kaya-Brett vor sich strich. Er verfolgte gedankenverloren die Maserung. "Wir sind stark zu zweit."

Hikaru grinste schief. "Unerwarteterweise."

"So würde ich das nicht sagen. Wir haben oft gegeneinander gespielt und kennen die Züge des anderen, seine Gedankengänge und Strategien. Warum sollten wir da nicht auch gut kooperieren können?" Hikaru zuckte die Schultern und erwiderte nichts. "Mich wundert es ehrlich gesagt, dass du gegen andere so ungestüm spielst und ganz bewusst Kämpfe herausforderst, während du gegen mich meist verteidigst und abwartest."

"Das ist doch klar. Ich passe mich meinem Gegner an, Touya. Wenn mein Gegenüber eine Schwäche zeigt, nutze ich das aus. Du zeigst eben selten Schwächen, also muss ich verteidigen und mein Territorium klar abgrenzen. Ich teste meinen Gegner und justiere meine Taktik auf dem Weg zur Hand Gottes. Dann werde ich immer gewinnen." Er lächelte verträumt.

"Es geht doch nicht darum, jedes Spiel zu gewinnen, sondern eher darum, auf jeden Zug den perfekten Zug zu erwidern. Man kann einfach nicht jedes Spiel gewinnen."

"Und was ist, wenn wir beide die göttliche Spielweise erlangen? Auf ewig unentschieden?"

"Wohl nicht... Aber wahrscheinlich weniger Diskussion, denn dann gäbe es keine besseren Züge als die, die wir gelegt haben."

"Puh, das ist mir zu hoch", grinste Hikaru. "Darüber können wir uns Gedanken machen, wenn es soweit ist."

Touya lächelte entspannt. Hikaru ging hinüber zu den Fächern. Seinen hatte er zu Hause vergessen und vermisste das Gefühl der Sicherheit, das er dadurch bekam. Als würde Sai noch immer bei ihm sein, wenn er etwas hatte, das ihn an den Geist erinnerte. Er nahm einen weißen Fächer mit hellem Holzeinsatz ohne Bemalung. Nase schaute ihm über die Schulter und meinte: "Schlicht, aber schön. Wo hast du deinen anderen?"

"Vergessen. Meinst du, der hier passt zu mir?"

"Sehr gut sogar."

"Ich glaube, ich nehme ihn."

Auch Touya trat hinzu und sah sich einige der Stücke an. "Ich weiß nicht, was an Fächern so toll sein soll. Nichts gegen deine Vorliebe, Shindo. Mich würde es ablenken, etwas anderes als Go-Steine in der Hand zu halten."

"Mir gibt es Sicherheit", erwiderte Hikaru. Nase suchte durch die anderen Fächer, bis sie einen hellblauen, mit Vogelornamenten verzierten Fächer entdeckte. "Ich glaube, ich versuche auch einmal, ob es mich beruhigt."

Sie bezahlten die Fächer und setzten dann ihren Spaziergang durch die Stadt fort. Touya zeigte ihnen den Eingang zu den Quellen, die sie am nächsten Tag besuchen wollten, wenn Yashiro auch da war. Sie gingen nicht zum See und so war der Stadtrundgang auch schon beendet. Touya hatte Recht gehabt, viel zu sehen gab es in Itou wirklich nicht. So schlugen sie also wieder den Weg zur Touya Residenz ein.

Dort angekommen jammerte Hikaru über Hunger und er begann, gemeinsam mit Nase das Essen zu planen. Sie entschieden sich für gebratenen Fisch, da sie dafür alle Zutaten im Haus hatten. Auch für Reis war gesorgt, nur Miso wollte Hikaru gern haben, welche sie natürlich nicht im Haus hatten.

"Ich geh nochmal los", rief er ins Go-Zimmer, wo sich die anderen wieder versammelt hatten.

"WARTE, SHINDO!!" Le Ping kam aus dem Zimmer gerannt, Isumi hinter sich her ziehend. Der Ältere schüttelte leicht genervt den Kopf. "Klein Waya will nochmal Gassi gehen."

"Wir kommen mit!" rief Le Ping und war schon aus der Tür. Isumi lächelte liebevoll und meinte dann zu Hikaru: "Früher war er auch beim Go so – überall, an jeder Stelle auf einmal, manchmal konfus hin und her springend." Hikaru lächelte ihn an. Isumi und der junge Chinese wirkten so eng wie Brüder.

Le Ping überredete sie zu einem kleinen Umweg, der sie an fremden Gärten vorbeiführte, in denen ebenfalls die Kirschbäume in voller Blüte standen. Sie entdeckten auch einen Park, in dem gerade eines der Kirschblütenfeste gefeiert wurde. Nach zwanzig Minuten erreichten sie den Konbini. Während Isumi sich nach Miso umsah, liefen Hikaru und Le Ping zu den Süßigkeiten. Sie standen nebeneinander und durchsuchten die Regale, als der Chinese irgendwann innehielt und Hikaru mit großen Augen ansah.

"Was ist los, Le Ping?"

"Warum streitest du immer mit Touya Akira? Ihr könnt euch doch gut leiden, und trotzdem schreit ihr immer rum."

Hikaru grinste verschmitzt und wuschelte dem Kleinen durch die Haare. "Es ist sehr nett, dass du dir Sorgen machst. Unbegründet, denn wir streiten uns nur, weil wir den anderen respektieren, aber gleichzeitig unsere eigene Meinung vertreten wollen."

Isumi trat hinzu und ergänzte: "Es besteht also ein innerer Konflikt, der zu einem äußeren führt, da sich keiner vor dem anderen eine Schwäche eingestehen will."

Hikaru verdrehte die Augen. "Das ist mir jetzt zu hoch. Ich möchte die hier." Er hielt eine Packung Kaugummis hoch und ging zum Tresen. Isumi legte die Miso dazu und zahlte für beides.

"Ich hätte Touya vorhin fast geschlagen!" meinte Le Ping, der auf dem Rückweg zwischen den beiden lief. "Eineinhalb Moku haben gefehlt. Ich habe Touya mit einem nichtssagenden Zug verwirrt und abgelenkt."

"Wirklich? Mir gelingt so etwas nie", meinte Hikaru.

"Er hat ihn vermutlich nicht enttäuschen wollen, und deswegen schwächer gespielt", murmelte Isumi, der es ebenfalls unwahrscheinlich fand, dass Touya sich so einfach verwirren ließ.

"Wie auch immer, es war jedenfalls knapp!" Hikaru wuschelte ihm noch einmal über den Kopf. Er wünschte sich, selbst auch so unkompliziert denken zu können, besonders was Touya betraf.

Als sie im Haus eintrafen, saßen die anderen um ein Goban herum und lachten und scherzten laut. Vermutlich hatten sie ein interessantes Spiel besprochen und waren dabei ins Quatschen geraten.

"Hey, da seid ihr ja wieder!! Dann kann Asumi ja das Essen zu Ende zubereiten!"

"Asumi...?“ fragte Le Ping verwirrt.

Nase kam ihnen lachend entgegen. "Ja, ich dachte es wäre seltsam, wenn ihr mich weiter beim Nachnamen nennt, wenn ich schon für das Abendessen sorge. Ich bin Asumi." Sie neigte scherzhaft den Kopf zu einer Verbeugung. Hikaru ging verwundert in den Raum.

"Muss ich dich jetzt auch Yoshitaka nennen?" fragte er Waya. Dieser lachte und schüttelte den Kopf. "Nein, wir sind beim Nachnamen verblieben. Touya war zu verklemmt."

Dieser schaute Waya entrüstet an. "Wieso verklemmt? Ich finde es nur sehr persönlich, mehr habe ich gar nicht gesagt." Hikaru atmete erleichtert auf. Touya bei seinem Vornamen zu nennen hätte er schon als sehr seltsam empfunden. Der Junge beobachtete ihn aufmerksam und deutete nun ein Lächeln an. Ob er seine Gedanken gelesen hatte? Touya wurde immer gruseliger, dachte er.

"Touya, Touya, die anderen haben gesagt, du hast vorhin nur so getan, als wärst du in meine Falle getappt", rief Le Ping und sprang herüber, um sich an das Goban zu setzen.

Touya lächelte geheimnisvoll und erwiderte nichts. Stattdessen räumte er die Steine vom Brett und sagte: "Zwei Runden Speed-Go schaffen wir sicher noch." Der Chinese vergaß augenblicklich, was er hatte wissen wollen und schmetterte den ersten Stein auf einen Knotenpunkt. Hikaru setzte sich zu den beiden, Isumi nahm auf der anderen Seite Platz. Sie verfolgten die Spiele und warfen sich bei überstürzten Zügen Le Pings fast väterliche Blicke zu. Sie schafften sogar vier Partien, zwei endeten mit einem halben Moku Rückstand für den Jüngeren, eine war ein Unentscheiden und die letzte verlor er mit viereinhalb Moku Rückstand.

"Jetzt brauche ich wirklich etwas zu essen", jammerte Le Ping. Sie gingen ins Wohnzimmer, in dem Nase bereits den Tisch gedeckt hatte. Sie trug gerade eine große, dampfende Schüssel Reis hinein, die sie genau in die Mitte stellte. Damit war das Mahl vollständig. Sie nahmen um den niedrigen Tisch Platz, der über eine Heizdecke verfügte, die sie aber nicht anschalteten. Der Tisch war groß genug, damit sie alle daran Platz fanden und sich breit machen konnten. Kaum hatten sie sich hingesetzt, begannen die Jungen auch schon, sich über das Essen herzumachen. Der Fisch war sehr lecker und würzig, und bevor sie sich versahen war er auch schon aufgegessen. Das Abendessen dauerte keine zwanzig Minuten, die letzten Esser waren Nase und Touya. Waya sprang auf und lief in das Go-Zimmer. Zurück kehrte er mit einer Flasche Sake, die er in die Mitte des Tisches stellte. Hikaru sah Touya an und erwartete Entrüstung von diesem. Touya schaute zurück und blickte ihn fragend an.

Le Ping griff nach der Flasche, doch Isumi nahm sie ihm aus der Hand. "Sicher nicht, Chibi-Waya. Lass das den Älteren." Touya stand auf und schaffte kleine Trinkschalen herbei, in die Isumi den Alkohol füllte. Waya lehnte ab, doch die anderen nahmen jeder ein Glas und stießen gemeinsam an. Die Gläschen klirrten und wurden an die Münder gehoben. Hikaru schluckte hastig und spürte das Brennen in seinem Mund. Sein Opa hatte ihn ab und zu zu einem Glas Sake gedrängt, der Geschmack war ihm nicht unbekannt, aber durchaus unangenehm. Er stellte das Glas ab und sah zu, wie Touya das Glas wie ein Mädchen in einem sehr langsamen Zug leerte.

~x~

Drei Stunden später war die Flasche Sake längst aufgebraucht und eine zweite stand halbvoll in der Mitte des Go-Zimmers. Hikaru spielte eine Partie gegen Waya, der als einziger freiwillig auf den Alkohol verzichtet hatte. Touya und Asumi spielten derweil ein Doppel gegen Le Ping und Isumi.

"Warum trinkst du nicht, Waya?" fragte Hikaru. Seine Stimme klang seltsam fremd und als höre er sich selbst aus einiger Entfernung reden. Sein Gegenüber lächelte ihn schief an. "Weißt du, was mit Leuten passiert, wenn sie trinken?"

"Natürlich. Man verliert die Hemmungen und -"

"Nein, das meine ich nicht. Ich meine, dass jeder anders auf die Promille reagiert. Manche sagen, man zeigt sein wahres Ich oder so. Nehmen wir dich und Asumi, zum Beispiel. Ihr werdet offensichtlich lustiger, wenn ihr trinkt." Hikaru konnte nicht leugnen, dass er ganz plötzlich du unterschiedlichsten Dinge und dümmsten Witze furchtbar komisch fand und manchmal nicht aufhören konnte, zu lachen. Bei dem Mädchen äußerte es sich in sehr häufigem Kichern.

Waya machte eine Geste zum Goban, an dem die anderen vier saßen und spielten. "Isumi zieht sich noch mehr zurück als normal. Er wird sehr still und könnte auch gut und gerne einfach alleine rumsitzen und trinken. Dann gibt es noch jene, die unter Alkohol aggressiv werden. Sie sind die gefährlichsten, denn sie sprechen oft gemeine Wahrheiten aus, was sie später bereuen würden."

"Was ist Touya?"

"So wie er dasitzt wohl auch der stille Typ."

"Lass mich raten - du wirst aggressiv, Waya!"

Dieser lächelte ihn verschmitzt an. "Nein, ich bin die vierte Art von Trinker. Ich werde anhänglich. Und das möchte ich euch wirklich nicht antun."

Hikaru lachte. War das überhaupt lustig gewesen? Er wusste es nicht, es interessierte ihn auch nicht, er lachte einfach laut vor sich hin und hielt sich den bald schmerzenden Bauch.

Er merkte, wie schwer er sich in seiner Verfassung auf das Spiel konzentrieren konnte. Nicht nur, dass er ab und zu vergaß, was genau er mit bestimmten Zügen erreichen wollte, auch dass das Spielfeld gelegentlich vor seinen Augen verschwamm war nicht gerade hilfreich. Waya war es ein Leichtes, ihn zu schlagen und nach der Partie setzten sie sich gemeinsam an die Seitenwand des Zimmers gegenüber der Glaswand. Draußen war es bereits stockdunkel und langsam wurde es auch im Zimmer etwas kalt.

"Shindo, wir müssen morgen ein Doppel spielen", meinte Waya und stupste ihm in die Seite. "Vielleicht spielt Yashiro auch mit." Ach ja, er kam ja morgen dazu. Hikaru nickte nur und gähnte herzhaft. Es war eine Weile still, bis Waya wieder etwas sagte. "Was hat Touya heute nachmittag zu dir gesagt? Du wirktest so deprimiert in der Stadt."

"Aaach..." Hikaru wusste, dass er es eigentlich nicht erzählen wollte, doch der Alkohol löste seine Zunge und seine Gedanken. Es ärgerte ihn fast, als er sich die Sache erklären hörte. "Er fängt immer wieder an von damals, als wir unsere ersten beiden Partien gespielt haben. Da war ich... besser. Sie waren der Grund, warum er mich als Rivalen anerkannte, und er kann sie einfach nicht vergessen. Es... naja, irgendwie kränkt es mich."

Waya legte ihm den Arm um die Schultern. "Das verstehe ich."

~x~

"Shindo, wach auf!" Jemand rüttelte unsanft an seiner Schulter und der Stimme nach zu urteilen musste das Touya sein. Hikaru stöhnte genervt auf und regte sich sonst nicht. Wieder ein Rütteln, wieder sein Nachname. Konnte dieser Junge ihn nicht einfach friedlich schlafen lassen? Er öffnete die Augen und zog die Augenbrauen zusammen, um ja nicht zu freundlich auszusehen.

"Was denn?" murrte er grob. Waya, an dessen Seite er eingeschlafen war, schob ihn von sich und reckte die steifgewordenen Arme und Beine.

"Entweder du legst dich hin, damit Waya nicht weiter dein Kissen spielen muss, oder wir spielen noch eine Partie."

"Spielnnn", schnurrte Hikaru und ließ sich von Waya nach oben schieben. Touya übernahm ihn und zog ihn am Arm in sein eigenes Zimmer, um ihn vor dem Goban fallen zu lassen. Hikaru fiel wie ein nasser Sack zu Boden und sah sich verschlafen um. Er sah einen großen Futon, einen Schreibtisch, eine Tür nach draußen in den Garten, ein paar gedämpfte Lampen und Familienfotos. Und natürlich das Goban vor sich. Touya knipste eine helle Lampe an und nahm dann Hikaru gegenüber Platz.

Hikaru griff in den Behälter mit weißen Steinen. "Nigiri."

Touya war schwarz und brauchte nicht lange für den ersten Zug. Sie spielten zügig, aber es war kein Speed-Go.

"Ich finde, Go ist wie Sport", sagte Touya irgendwann. "Für Sportbegeisterte", setzte er mit einem Blick auf Hikaru hinzu.

"Was? Wieso das?" Schon nach den ersten Zügen schien die Müdigkeit wie weggeblasen.

"Naja... Es ist Nervenkitzel, aber andererseits kriegt man auch den Kopf frei. Vielleicht wie Tennis. Gegen einen schlechten Gegner ist es ein leichtes, man gewinnt innerhalb kurzer Zeit und vergisst das Spiel danach. Gegen einen guten Spieler ist es anstrengend, nicht nur körperlich. Wir haben höchste Körperspannung, wenn wir hier sitzen." Während er erzählte spielte er einen aggressiven Zug in der Mittelgegend.

Hikaru dachte einige Minuten über den Antwortzug nach, bevor er über ihre Konversation nachdenken konnte. "Ich weiß nicht... Ich denke, im Sport ist man gerade gut, wenn man den Kopf abschaltet und sich auf seine Instinkte verlässt. Wir müssen alles voraussehen, vorausberechnen, in die Entscheidung miteinbeziehen."

"Ja... du hast Recht. Ich bin nicht so gut mit Metaphern."

Hikaru grinste und nahm einen Stein Touyas. Dieser sah überrascht auf, sagte aber nichts. Ob er auf Hikarus Verwirrungszug hereinfallen würde? Er wollte es wie Le Ping machen und sehen, ob Touya tatsächlich aus dem Konzept zu bringen war.

Go ist wie ein Mädchen

Als er am nächsten Morgen erwachte, lag er quer vor dem Goban, eine Decke über ihm ausgebreitet. Säuerlich dachte er, Touya hätte ihn ruhig auf seinem Futon schlafen lassen können, der bei weitem breit genug für bis zu drei Leute war. Mit schmerzenden Knochen richtete er sich auf. Das Goban war noch so aufgebaut wie am Vorabend, außer den Steinen, die noch an seiner Wange klebten, war keiner verschoben.

Hikaru betrachtete es. An seine letzten Züge konnte er sich nicht mehr erinnern. Sie waren auch kein Geniestreich gewesen. Vermutlich war er erschöpft zusammengesunken und sofort eingeschlafen.

Er rappelte sich auf und ging in Richtung Küche. Er traf Isumi und Asumi an und musste über die Namensähnlichkeit, die ihm vorher nicht aufgefallen war, kichern.

"Morgen, Shindo. Ich merke, auch du hast keinen Kater heute", lächelte das Mädchen ihn an. Er schüttelte den Kopf und sah ihnen kurz zu. "Wir essen erst in einer halben Stunde - genug Zeit sich frisch zu machen." Sie musterte ihn kurz und er wurde rot und machte sich auf die Suche nach dem Bad. Das war recht eindeutig gewesen.

~x~

Er trug eine kurze Hose, das Handtuch um die nackten Schultern, als er aus dem Bad kam. Von draußen hörte er laute Stimmen, denen er folgte. Vor dem Haus stand Yashiro bei einem silbernen Auto und winkte ihm zu, als er ihn sah. Neben ihm stand Ochi und schaute unbeeindruckt auf den Garten.

"Yashiro!!" Hikaru ging zu den beiden, die bereits von den anderen umringt waren. Er umarmte den Jungen, den er schon länger nicht gesehen hatte. Seit dem Hokuto-Pokal hatten sie nur noch per Telefon Kontakt gehabt. "Hallo Ochi." Der Angesprochene nickte ihm zu.

"Kommt doch rein, wir wollen gleich frühstücken", lud Isumi sie ein und schulterte Ochis Tasche. Während Ochi sich mit Waya unterhielt fing Hikaru an, mit Yashiro zu quatschen.

"Wie ist es dir nach dem Pokal ergangen?" fragte Hikaru.

"Super. Es war eine tolle Inspiration. Auch meine Eltern haben davon erfahren, obwohl wir ja nicht besonders gut waren. Ich habe meinen zweiten Dan und gegen ein paar ältere Pros vom Kansai-Institut gewonnen. Wie war es bei dir?"

"Fast genauso. Ich habe eine Menge Partien gegen Touya gespielt. Naja, du weißt ja, wie sie immer ausgehen. Aber dadurch habe ich mich wirklich verbessert, das wirst du ja nachher sehen." Er legte dem anderen den Arm um die Schulter und schob ihn nach drinnen. Hikaru war eindeutig gewachsen, denn nicht länger musste er sich verrenken, um die Schultern des anderen zu erreichen. Im Gegenteil, sie waren auf einer Höhe und das, obwohl Yashiro bei ihrem letzten Treffen um einiges größer gewesen war, dachte Hikaru verwundert.

Beim Frühstück ging es munter her. Le Ping war anscheinend schon früh wach gewesen und hatte Isumi geweckt, um Go zu spielen. Kurz darauf war Touya dazugekommen und irgendwann hatte der kleine Chinese sie alle mit seiner überschwenglichen Art geweckt. Nur Hikaru hatte fröhlich in Touyas Zimmer geschlafen. So hatten sie durch die morgendlichen Partien schon einiges an Gesprächsstoff.

~x~

Über ihren Partien vergaßen sie das Mittagessen und gegen vier Uhr nachmittags knurrte ihnen allen der Magen. Sie zogen die Sommeryukatas für die Gäste der Touyas an und gingen zu einem kleinen Ramen-Laden, in den sie zu acht kaum passten. Danach gingen sie zu den Quellen.

Die Jungen wuschen sich betont lange um Asumi Zeit zu lassen, vor ihnen in die Onsen zu steigen. Hikaru ließ sich von Waya den Rücken schrubben, bevor sie schließlich zu den Quellen gingen. Hikaru ließ sich in das heiße Wasser gleiten, lehnte sich auf die hölzerne Umrandung und genoss die Wärme. Während die anderen gedämpft schwatzten, steckte er die Ohren unter Wasser und lauschte auf die Geräusche.

Er war vorher nur selten in heißen Quellen gewesen, seine Familie hatte nicht viel für Ausflüge übrig gehabt. Stattdessen waren sie in Tokyo geblieben und hatten sich dort die Feiertage vertrieben. Wo er jetzt so hier lag bedauerte er es, andererseits, dachte er, hatte er ja noch sein ganzes Leben vor sich. Vielleicht sollte er auch ein Ferienhaus in einem Ort mit Onsen kaufen, wenn er älter war. Vielleicht auch mit einem anderen Pro zusammen. Seine Gedanken wanderten weit fort in die Zukunft und er träumte vor sich hin.

Schließlich stieß Asumi ihn an. "Shindo, wir sind die letzten hier drin. Du solltest mich unterhalten." Sie lächelte ihn kokett an.

"Was ist mit den anderen?" fragte er.

"Touya ging es nicht so gut. Ich glaube, er hat niedrigen Blutdruck, jedenfalls war er etwas unsicher auf den Beinen. Die anderen kümmern sich um ihn und bringen ihn zum Haus zurück."

"Du scheinst es hier aber gut auszuhalten."

Sie lächelte immer noch, schloss die Augen und verschränkte die Arme auf dem Quellenrand. "Meine Eltern lieben die Onsen, genau wie Touya Meijin. Wir haben zwar kein Ferienhaus, aber wann immer es ein verlängertes Wochenende gab sind wir mit Freunden zu den Quellen gefahren. Außerdem bin ich schon immer eher robust gewesen."

Es war angenehm mit ihr. Hikaru fand, dass man mit ihr wunderbar über alles reden konnte. Nicht nur über Go, wie mit Touya. Ihm fiel Waya ein und er fragte sich, ob er sie auf ihn ansprechen konnte. "Sag mal, Asumi... Denkst du übers Heiraten nach?"

Sie sah ihn seltsam an. Wurde sie röter? Er konnte es nicht einschätzen, es konnte auch einfach die belebende Wirkung des heißen Wassers sein. "Naja, ich bin auch schon achtzehn Jahre alt. Ich werde zwar mit Go meinen Lebensunterhalt verdienen können, aber ich kann nicht behaupten, nicht darüber nachzudenken. Wäre es nicht schön, seinen Kindern das Spiel beizubringen?"

Sie lächelte verträumt. Hikaru nickte, auch wenn er über so etwas nicht nachgedacht hatte. Es erinnerte ihn an Touya und seinen Vater, von dem er von Kindesbeinen an im Go unterrichtet worden war.

"Es soll aber auch nicht irgendjemand sein. Er soll sich genauso für das Spiel begeistern wie ich. Aber das brauche ich dir vermutlich nicht zu sagen, ich schätze, du verstehst das." Er nickte wieder, obwohl er sich damit nicht identifizieren konnte.

"Und, wen hast du im Auge?" Hikaru grinste, als sie seinem Blick auswich. "Ist es Waya?"

"Naja... irgendwie... vielleicht. Ich weiß nicht, er gibt mir einfach keine Hinweise, die mich hoffen lassen. Ich glaube langsam, ich sollte mich anderweitig umsehen, schließlich gibt es genug Pros in unserem Alter."

"Gib doch noch nicht auf. Vielleicht rede ich mal mit ihm. Er ist definitiv anders, wenn er mit dir spielt. Das muss doch was bedeuten!" Er versuchte, auch sich selbst davon zu überzeugen. Warum nochmal mischte er sich plötzlich in Wayas Liebesleben ein? Vielleicht, weil Asumi ein wirklich nettes Mädchen war, redete er sich ein. Er musste zugeben, dass sie ihn an Akari, seine Nachbarin und Sandkastenfreundin erinnerte.

"Danke... Hikaru." Sie grinste wieder auf diese kokette Art und er dachte: Wie könnte Waya da keine weichen Knie bekommen? "Ich darf dich doch so nennen, wo wir jetzt schon über solche privaten Dinge reden?"

"Warum nicht? Ich will ja nicht so verklemmt sein wie Touya." Sie lachten herzhaft.

"Und wie steht es mit dir? Welche Schönheit hat dein Herz erobert?"

Hikarus Blick schweifte über das dunkle Wasser, von dem dauerhaft Dampf aufstieg. "Sie ist... wunderschön. Vielfältig, einfallsreich, unberechenbar." Asumi sah ihn gespannt an. "Ihr Name ist Go." Er lächelte verträumt. "Für mich gibt es keine Andere."

~x~

"Go ist wie ein Mädchen", sagte Hikaru, als sie sich vor dem Goban in Touyas Zimmer gegenübersaßen. Touya sah auf und zog eine Braue in die Höhe um zu zeigen, dass er zuhörte, während er seinen nächsten Zug plante. "Go ist komplex. Man meint, es nie wirklich zu verstehen, und dabei kann es doch ganz einfach sein. Es kann wunderschön sein und in klaren Worten zu dir sprechen. Manchmal ist die werte Dame unberechenbar und hochmütig, manchmal geradlinig und einfach. Sie hat so viele Facetten, dass man bei jeder Berührung eine neue erfährt. Und wenn sie fort ist, muss man ständig an sie denken."

Touyas Hand ruhte über dem Brett, obwohl er seinen Stein schon abgelegt hatte. Er reichte über das Goban und klopfte Hikaru auf die Schulter. "Schön gesprochen", sagte er ernst.

"Danke", grinste Hikaru. "Ich habe Asumi vorhin etwas Ähnliches gesagt und musste die ganze Zeit darüber nachdenken. Schließlich hast du dich gestern auch schon an einer Go-Metapher versucht."

"Deine ist besser", gestand Touya ihm zu. "Wen hast du als Referenz herangezogen?" Der Junge warf ihm einen kurzen Blick über das Goban hinweg zu.

Hikaru kicherte. Sie hatte das gleiche gefragt. "Die wunderschönen Frauen dieser Welt, aber keine im Einzelnen. Wieso? Erinnert es dich an jemanden?"

"Wer weiß... ein bisschen vielleicht." Touya deutete ein Lächeln an, doch es verschwand mit dem Geräusch des Steins auf dem Goban. Hikaru fluchte innerlich auf Touyas Geheimniskrämerei. Warum konnte er nicht einfach frei heraus sagen, was er dachte? Er dachte an Asumi und wie leicht es war, mit ihr zu reden.

Er überlegte, Touya einen Rat in Liebesdingen zu geben, ließ es dann aber. Wenn Touya je ein Mädchen hätte, würden sie weniger spielen können. Es sollte ihn also nicht stören, wenn der andere für ein paar weitere Jahre nicht vergeben wäre.

Wortlos legte er den nächsten Stein.

"Gefällt es dir hier?" Hikaru sah auf und in Touyas fragende Augen.

"Natürlich, Touya. Das hab ich dir doch bei der Ankunft schon gesagt. Vor allem der Garten... an Stelle deines Vaters würde ich das ganze Jahr hier verbringen."

"Wenn die Kirschbäume nicht gerade blühen ist es nicht ganz so wunderschön", meinte Touya abschwächend. "Morgen sollten wir in den Park gehen und die Blüten genießen, solange sie noch da sind."

Hikaru stimmte ihm zu. Sie waren einige Zeit lang stumm und spielten konzentriert weiter. Nach einer halben Stunde gab Hikaru auf.

"Schade, zwischendurch sah es ganz gut aus für mich."

"Hier -", Touya deutete auf ein Areal, an dem ihre Steine sich umschlangen, "-hast du zu sehr gepresst. Wärst du ruhiger rangegangen hättest du mehr erreicht. Besonders hier." Er stieß auf einen Knoten, an dem er zuvor Hikarus Stein genommen hatte.

"Ich fand es angemessen", murmelte der Junge. Touya lächelte fast. Anscheinend war Shindo nicht in Streitlaune. Nicht, dass es ihn störte, wenn sie sich mal nicht in Maximallautstärke 'unterhielten'.

"Was ist los? Du hast plötzlich aggressiver gespielt als sonst."

"Ja? Hm... ich glaube, ich habe zu viel nachgedacht. Ich will noch mehr Metaphern für Go finden." Hikaru grinste. "In der Schule habe ich Japanisch immer gehasst. Es war wirklich mein miesestes Fach. Aber wenn man es mit dem Spiel zusammenbringt ist es gar nicht so schlecht."

"In Japanisch war ich auch keine Leuchte", gab Touya zu. Hikaru sah ihn überrascht an. Es war schwer vorstellbar, dass Touya in etwas nicht absolut überragend war.

"Wie lange gehst du schon nicht mehr zur Schule?"

"Kurz nachdem ich ein Pro wurde bin ich abgegangen. Mein Vater hatte Verständnis dafür, dass ich aufgehört habe. Er weiß selbst, dass Go eine Berufung ist, wieso sollte er mich also hindern?"

"Ich glaube, Yashiro würde ein Bein geben für einen Vater wie deinen", scherzte Hikaru, und Touya zeigte ein rares Lächeln.

"Es ist wirklich schade, dass seine Eltern sich querstellen. Er könnte sich noch viel schneller verbessern, wenn er mit uns im Institut Tokyo lernen würde." Hikaru ließ sich wieder auf den Rücken rollen und dachte darüber nach. Es wäre toll, dachte er, wenn Yashiro auch in Tokyo wäre. Besonders weil er sich mit dem Blonden sehr gut verstand, hätte er ihn auch gerne als Freund und nicht nur als Go-Pro dagehabt. Andererseits wollte er nicht, dass ihm jemand den Platz als Touyas Rivale streitig machte, und dazu hatte Yashiro vermutlich noch am meisten Potential.

"Wir müssen noch viel mehr Partien spielen, Touya." Er sagte es ganz selbstverständlich. "Wenn wir weiter so trödeln erreichen wir nie die Hand Gottes!"

Touya schüttelte den Kopf als wolle er diese Zweifel abschütteln. Ganz der Erwachsene, der er war, erwiderte er nichts. Stattdessen legte er sich auf die Seite, stützte den Arm auf den Boden und den Kopf auf die Hand. Sie sahen sich ein paar Sekunden an.

"Wir schaffen das schon", sagte Touya selbstsicher. "Wir beide werden es sein, die die Hand Gottes erringen." Sie beide, die bis in alle Ewigkeiten Go spielten.

"Und wenn wir sterben, dann werden wir zu Geistern und ewig weiterspielen."

"Du glaubst an Geister, Shindo?"

Hikaru grinste schief und erwiderte nichts. Gedankenversunken fühlte er an seiner Hosentasche, in der der Fächer steckte. Wie gewohnt zog sich seine Brust zusammen und seine Augen fingen an zu brennen. 'Sai...' Er fragte sich, ob der Geist den Ausflug genauso genossen hätte wie er.

Touya presste die Lippen zusammen, als er Hikarus Gesichtsausdruck sah. Was auch immer er gesagt hatte, er hatte wieder einen von Shindos Schwachpunkten getroffen. Das Gesicht des Jungen war irgendwo zwischen dem Grinsen von vorhin und einer verzerrten Grimasse hängen geblieben, während er in die Luft starrte. Touya räusperte sich, um die Gedanken des anderen zu unterbrechen. Hikaru blinzelte und nahm sein halbes Grinsen dann wieder auf, bevor er den Kopf ganz auf den Boden sinken ließ. Er hatte trotz hartem Boden nicht schlecht geschlafen letzte Nacht, also warum nicht wieder bei Touya schlafen?

"Touya, erzähl mir was bis ich einschlafe."

"Warum sollte ich?"

Hikaru öffnete die Augen kurz, um dem anderen einen beleidigten Blick zuzuwerfen. "Dann darfst du auch wieder im Doppel mit mir spielen."

Touya verdrehte die Augen, doch Hikaru sah es nicht, also legte er so viel Verdruss in seine Stimme wie er konnte. "Sollte das nicht eher für dich eine Belohnung sein? Bisher haben meine Doppel-Partner alle gewonnen und deine alle verloren mit dir im Team."

Hikaru verbiss sich ein Grinsen. Wo er Recht hatte... "Ich dachte, es würde dir gefallen, wenn wir unsere Gedanken aneinander anpassen müssen."

"Das tut es auch." Touya klang überrascht. Hikaru hätte seine Augen geöffnet um ihn anzusehen, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Doch seine Lider wogen Tonnen und er hatte das Gefühl, dass der Boden plötzlich verdammt weich war.

Eigentlich wollte er Touya noch eine gute Nacht wünschen, aber nichtmal das konnte er noch. Stattdessen mischten sich die Umgebungsgeräusche zusehends mit seinen beginnenden Träumen und als seine Decke über ihn gelegt wurde, war er längst eingeschlafen.

~x~

Seine Kopfhaut im Nacken prickelte und er war praktisch sofort wach. Mit leicht verklebten Augen sah er neben sich und sah Yashiro da liegen. Die katzenähnlichen Augen des Blonden waren auf ihn geheftet und sahen aus, als durchbohrten sie Hikaru.

"Unfair! Ich dachte, ich könne die Schönheit noch eine Weile schlafend sehen." Yashiro stieß ihn an, blieb aber weiter neben ihm liegen um ihn anzusehen.

"Unmöglich. Ich merke es, wenn jemand nah bei mir ist." Der andere murrte leise. Hikaru schloss wieder die Augen und döste vor sich hin.

"Aber nicht wieder einschlafen", ermahnte ihn Yashiro. Hikaru lächelte. Es war nicht so, als hätte der andere Pro ihn nicht schon schlafen sehen, schließlich hatten sie als Vorbereitung auf den Hokuto-Cup zu dritt bei Touya übernachtet. Vermutlich wollte er nur mal wieder mit ihm unter vier Augen reden.

"Du bist gestern mit Ochi gekommen?"

"Jap. Es hat sich so ergeben, wir wollten beide am gleichen Tag herkommen."

"Hat er dich auf der Fahrt um den Verstand gebracht?"

Yashiro kicherte und streifte ihn am Arm. "Er ist gar nicht so schlimm. Wir konnten uns gut unterhalten."

Hikaru lächelte ihn an und öffnete die Augen einen Spalt breit. "Du kommst ja auch mit jedem klar."

"Im Gegensatz zu dir, Mylady. Ich habe gehört, du und Touya haben schon für Aufruhr gesorgt?"

Hikaru verdrehte die Augen und schloss sie dann wieder. "Wer hat geredet?"

"Le Ping hat mir alles taufrisch erzählt."

"Wenn ich den erwische!" Er setzte sich auf und reckte die Faust spielerisch.

"Lass gut sein. Spiel lieber eine Partie mit mir, du bist mir ein paar schuldig geblieben gestern, als du dich mit Touya zurückgezogen hast. Ich hoffe doch, ihr schließt mich nicht aus, auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben."

Wie hätte er das gekonnt? Er war froh, Yashiro dabei zu haben. Er ließ sich von dem anderen aufhelfen und gemeinsam gingen sie in die Küche, in der wieder Isumi und Asumi standen.

"Lasst uns helfen!" meinte Yashiro. Hikaru stellte bewundernd fest, wie präsent Yashiro war. Er strahlte ein so natürliches Selbstvertrauen aus, dass es Hikaru wundern würde, wenn im Kansai Institut nicht alle Frauen nur wegen Yashiro Go spielten. Ob Asumi vielleicht umschwenken wollte?

Er blieb in der Küche, während Isumi und Yashiro den Tisch deckten. Es sollte ein westliches Frühstück werden, und Asumi war gerade dabei, Eier in einer riesigen Pfanne anzubraten.

"Von mir aus könnten wir ewig hierbleiben", sagte sie lächelnd. Hikaru trat zu ihr an den Herd und sah ihr über die Schulter zu. An ihrer Seite fühlte er sich wohl.

Waya trat ein, er wirkte immer noch verschlafen und kratzte sich müde hinterm Kopf. Als er sie so nah zusammen sah, schaute er überrascht, drehte um und ging ins Wohnzimmer. Hikaru und Asumi sahen sich an und er zwinkerte. Dann lief er hinter Waya her.

"Hey Waya, lass uns noch kurz in den Garten gehen." Er zog den anderen zum Go-Zimmer, in dem gerade Ochi und Touya spielten, während Le Ping ihnen zusah. Touya lächelte sie an, als sie das Zimmer passierten.

"Gut geschlafen?"

Hikaru verzog das Gesicht. "Wie ein Stein." Damit waren sie aus der Glastür. Er zog Waya zu dem kleinen Teich, in dem mittlerweile ihre gefangenen Goldfische schwammen. Sie setzten sich an den Rand und Hikaru tauchte mit dem Finger ein und beobachtete die sich ausbreitenden Kreise, auf denen Blütenblätter tänzelten.

"Was denkst du... ob Asumi mich mag?" fragte Hikaru.

"W-was?"

"Naja, sie ist ein tolles Mädchen, oder nicht?"

"Ähm... ja, klar."

"Schön ist sie auch."

"Und intelligent", setzte Waya hinzu.

Hikaru warf ihm einen Blick zu. "Du machst mir doch keine Konkurrenz?"

Waya hob die Hände und grinste. "Ich hatte eher gedacht, du hättest nur Augen für Touya. Mich überrascht, dass du noch an etwas anderes als das Goban denkst, das muss ich erstmal verkraften."

Hikaru lächelte. Verdammt. Nicht nur, dass Waya nicht auf seinen ach-so-offensichtlichen Versuch, ihn zu offenbaren, einging, er hatte ihn auch noch absolut durchschaut. Er konnte tatsächlich nichts anderes sehen als das Brett, statt der Person dahinter.

"Du wirst darüber hinwegkommen, wenn wir zusammenkommen?"

"Das geht mir hier etwas zu schnell. Wieso fragst du mich sowas überhaupt?"

Hikaru biss sich auf die Lippe. Er konnte das nicht, ganz und gar nicht, also gab er auf. "Naja... ich wollte dir mal auf den Zahn fühlen. Immerhin verbringt ihr so viel Zeit miteinander, und ich dachte, du magst sie vielleicht."

Waya warf ihm einen verstohlenen Blick zu. "Sie ist etwas Besonderes. Ich verbringe einfach gern Zeit mit ihr. Aber das bleibt unter uns, ja?"

"Unmöglich", grinste Hikaru und fing sich eine Kopfnuss von Waya ein. "Wirklich, es geht nicht. Asumi hat mich selbst gebeten, mit dir zu reden."

"Was?! Im Ernst?"

"Jap. Du scheinst gutes Beziehungsmaterial zu sein." Er stieß den anderen an und setzte hinzu: "Obwohl du ruhig noch ein paar Zentimeter wachsen könntest."

"Nur weil du plötzlich einen Meter in die Höhe geschossen bist, kann das nicht jeder so einfach!"

"Du strengst dich nur nicht genug an!"
 

Als Asumi rauskam um sie zu rufen war Hikaru gerade dabei, an Wayas Armen zu zerren und zu lachen, während der andere ihn halb im Scherz anbrüllte.

"Kinder, kommt essen!"

Sie lachte die beiden an, die zahm zu ihr gelaufen kamen und mit ihr gemeinsam ins Haus gingen. Als Waya vor ihnen ins Haus ging nahm Hikaru kurz ihre Hand und drückte sie, um sie wissen zu lassen, dass er Erfolg gehabt hatte.

Er sah nicht, dass Touya sie beobachtet hatte und nun verwundert den Kopf schieflegte.

Schreien befreit

Er spielte drei Partien Speed-Go gegen Yashiro, dann ein Doppel mit ihm gegen Waya und Le Ping, das er und der Kyotoer überraschend gewannen, und danach noch eine lange Partie gegen Yashiro.

Die Partie war einfach toll gewesen. Sie waren sich danach lachend in die Arme gefallen, weil es so viel Spaß gemacht hatte. Yashiro spielte ganz anders als Touya – forsch und herausfordernd, aber nie so drängend und aggressiv. Es zeigte wunderbar, wie er sein konnte, wenn man ihm freie Hand ließ.

Als sie schließlich ihren Hunger aufeinander gestillt hatten, spielte Hikaru gegen Asumi Shidou-Go und danach zeitgleich gegen Waya und Isumi. Er hatte so viel Spaß, dass er kaum bemerkte, dass es fast Abend war, als sein Magen sich schließlich geräuschvoll meldete.

"Ich erinnere mich gerade daran, dass Waya uns allen noch etwas ausgeben wollte um seine Ehre wiederherzustellen", meinte er laut in den Raum hinein, als er gerade seine letzte Partie abgeschlossen hatte. Die anderen sahen auf und einige nickten zustimmend und auffordernd.

"Vielen Dank auch, Shindo!" murmelte Waya ihm zu und Hikaru erwiderte: "Kein Problem, sowas willst du doch nicht auf dir sitzen lassen!"

Als er aufstand, knackte es überall in seinem Körper und er hatte das Gefühl, zum ersten Mal seit Tagen zu stehen. "Lasst uns dann auch in den Park gehen."

~x~

Ramen sollte es sein. Was auch sonst?

Die Jungen trugen die Sommerkimonos aus Touyas Residenz und Asumi einen ihrer eigenen. Hikaru, der mittlerweile tatsächlich etwa so groß wie Yashiro war, war der Kimono ein wenig zu kurz an Armen und Beinen, während er Touya und Waya perfekt passte.

Sie quetschten sich zu acht in den Ramen-Shop und bestellten. Trotz der Winzigkeit des Restaurants fand Hikaru es ganz nett, auch wenn er gern auf Yashiros Knie und Touyas Ellbogen verzichtet hätte, die beide gegen ihn stießen.

Während des Essens beobachtete er Asumi und Waya interessiert und hoffte, dass der Junge wenigstens irgendwie versuchte, sie von seinen Qualitäten zu überzeugen.

"Willst du das nicht mehr?" fragte er Touya zehn Minuten später, dessen Ellbogen sich gerade aus seinen Rippen entfernt hatte um seine Stäbchen über der Schale zusammenzulegen. Mit einem Kopfschütteln schob er ihm die Schale zu und Hikaru machte sich freudig über die Reste her. Ramen war wirklich ein nicht wegzudenkender Teil japanischer Esskultur, dachte er. Nicht gerade gesund, aber schnell und einfach zuzubereiten und zu essen. Praktisch japanisches Fastfood.

Als alle fertig waren und Waya seufzend den Inhalt seiner Börse dem Ladenbesitzer übergeben hatte, quetschten sie sich der Reihe nach wieder aus dem Laden heraus und gingen dann in Richtung des von Kirschbäumen gesäumten Parks.

Ochi und Touya hatten Decken unter den Armen, Yashiro zauberte aus den Falten seines Kimonos mehrere Flaschen Sake hervor und mit diesen Utensilien machten sie es sich auf der Wiese im Park gemütlich. Nicht weit von ihnen entfernt feierten mehrere Familien und andere Gruppen Jugendlicher.

Hikaru lag lächelnd auf einer der Decken und betrachtete den Himmel, der hier so klar und mit Sternen bedeckt war, ganz anders als in Tokyo, wo durch die Lichtverschmutzung die Sterne fast unsichtbar waren. Nebenbei ließ er den Blick über die anderen schweifen. Waya und Asumi unterhielten sich – sehr gut. Le Ping war nirgends zu sehen. Isumi und Ochi redeten halblaut über Go; Ochis Stimme war tatsächlich lauter als normalerweise. Wieviel Sake er wohl schon getrunken hatte? Gleich bei ihm in der Nähe saßen Touya und Yashiro und quatschten wie alte Freunde. Hikaru wusste nicht, auf wen der beiden er eifersüchtig sein sollte. Schließlich entschied er sich für keinen, dafür gefiel ihm der Sternenhimmel viel zu sehr.

Er überlegte, ob man den Himmel auch mit Go vergleichen konnte. Vor vier Jahren, als er mit Go angefangen hatte, hatte er mal gesagt, er baue Galaxien mit den Steinen auf. Doch für den Vergleich fielen ihm momenten nicht genug Anhaltspunkte ein. Dafür schien der Himmel zu statisch, unabänderbar, monumental. Eher wie Touya Meijin als Go.

Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah den anderen weiter lächelnd zu. Dieser Ausflug war eine tolle Idee gewesen. Er mochte sie alle so sehr und lernte sogar, sie noch besser zu leiden und zu verstehen, dass es schade gewesen wäre, so etwas zu missen.

Asumi und Waya legten sich zu ihm und zu dritt begannen sie, sich gegenseitig Sternbilder zu zeigen. Besonders Waya kannte davon viele und malte sie mit dem Finger im Himmel nach. Schließlich legten sich auch die anderen zu ihnen, sodass sie mit ihren zusammengesteckten Köpfen einen Kreis bildeten. Ochi lallte schon beträchtlich und redete viel zu laut über viel zu viel. Waya warf Hikaru verdeckt einen belustigten Blick zu.

So lagen sie alle gemeinsam da, bis Le Ping unruhig wurde und Asumi zu frösteln begann. Die Sterne waren bereits ein Stück weiter über den Himmel gezogen.

Sie gingen zurück zum Haus, Ochi musste sich von Yashiro stützen lassen, weil er zu sehr torkelte. Noch auf dem Weg begann er, laut gegen Touya zu wettern.

"Touya Akira, pass nur auf! Du wirst mich noch früh genug als Rivalen anerkennen!! Ja, als RIVALEN!!"

Yashiro versucht, ihn zu beruhigen, doch es machte ihn nur wütender.

"Was hast du überhaupt immer mit SHINDO?? Nur weil er mich in einer Partie geschlagen hat... Jetzt ist er nichts gegen mich! Du wirst schon sehen!"

Yashiro rollte die Augen und war ernsthaft versucht, Ochi stehen zu lassen, auf dass dieser sich selbst den Weg suche. Hikaru und Touya sahen sich derweil an und tauschten ein verschwörerisches Grinsen. Schon seit Hikarus beginnender Go-Karriere hatten ständig Leute versucht, hinter das Geheimnis ihrer Rivalität zu kommen, und an Hikarus Stelle von Touya anerkannt zu werden. Im Gegensatz dazu hatte es niemanden gegeben, der um Hikarus Anerkennung gebuhlt hatte.

Doch, dachte er. Einen gab es. Hong Suyong, den Koreaner, gegen den er nach dem Hokuto-Pokal noch einmal gespielt hatte. Er war der erste gewesen, der von Hikaru akzeptiert werden wollte, nur deswegen hatte er Japanisch gelernt und sich bemüht, sich für den Hokuto-Cup zu qualifizieren, um Hikaru seinen Namen einzubläuen. Wie gern würde er den Jungen wiedersehen. Hätte er eher daran gedacht, hätte er den anderen vielleicht auch zu diesem Ausflug eingeladen.

Als sie wieder im Haus waren, zwangen die Jungen Ochi, sich im Wohnzimmer hinzulegen. Im Go-Zimmer hörten sie noch wenige Minuten sein betrunkenes Gezeter, dann wurde es still. Waya und Hikaru, die gerade gegeneinander gespielt hatten, unterhielten sich leise.

"Ochi scheint der aggressive Typ Trinker zu sein", meinte Waya und schob die Go-Steine zusammen. "Vermutlich schämt er sich morgen in Grund und Boden."

"Naja... so schlimm war es ja nicht. Es war ja kein Geheimnis, dass er Touyas Rivale sein will."

Touya sah bei seinem Namen auf, versenkte sich dann aber wieder in seine Partie mit dem kleinen Chinesen.

"Vermutlich will er nur Einlass in Touyas Privatgemächer, wie du jeden Abend", grinste Waya und schob das Goban beiseite. "Was macht ihr da immer?"

"Na was schon?" fragte Hikaru überrascht. "Wir spielen Go. Natürlich. Im Übrigen ziehen wir uns nur zurück, weil ihr alle schon so früh schlafen geht."

"Um zwei ist nicht gerade früh, Shindo", meinte Waya, doch Hikaru winkte ab.

"Ich könnte die ganze Nacht spielen." Er ballte die Faust und sah sie euphorisch an. "Ich weiß, dass ich besser werde. Ich spüre es."

Waya sah ihn an und senkte dann die Augen. Es stimmte, Shindo schien mit jedem Tag seine eigenen Grenzen zu sprengen. Als sie sich kennengelernt hatten, war er so selbstsicher und doch nichtmal gut genug gewesen, in die erste Gruppe der Inseis aufzusteigen. Er war immer geschwankt, von großem Selbstvertrauen zu Hoffnungslosigkeit, wie bei der Go-Prüfung, als er gegen Tsubaki einfach nicht gewinnen konnte. Auch daraus hatte er im Nachhinein Kraft gezogen. Und nach dem Aufstieg in die Go-Welt und der Rückkehr aus seinen Wochen der Abstinenz war er plötzlich nur noch ein Schatten am Horizont gewesen, den zu erreichen Waya kaum hoffen konnte.

Was war passiert? Warum war Shindo so verdammt gut geworden? Seufzend legte Waya Hikaru die Hand auf die Schulter. "Dann schlag doch endlich Touya", sagte er grinsend in dem Wissen, einen wunden Punkt gefunden zu haben. Hikaru verzog das Gesicht. "Das werde ich schon noch früh genug!"

Asumi kam zu ihnen und legte dem Blonden beruhigend die Hand auf den Arm. Angenehm, dachte er. Ihre Nähe war einfach so angenehm und natürlich. Mal wieder fühlte er sich an Akari erinnert.

"Ich werde jetzt schlafen gehen. Gute Nacht, Waya. Nacht, Hikaru."

~x~

"Bahnt sich da etwas mit Asumi-san an?" fragte Touya, als sie gemeinsam in seinem Zimmer saßen. Yashiro neben ihnen war auf Touyas Futon eingeschlafen und schnarchte nun halblaut.

"Was? Wie kommst du auf so etwas?" Wo Waya ihn ganz richtig eingeschätzt hatte, lag Touya mal wieder ganz falsch.

"Ihr wirkt plötzlich so... eng."

Hikaru schüttelte den Kopf und legte einen Stein auf eine Stelle, die Touya eine Weile beschäftigen sollte. "Ich komme gut klar mit ihr, das ist alles. Ein paar mehr Freunde würden dir auch nicht schaden, Touya." Schon legte dieser einen Stein und überraschte damit Hikaru.

Touya griff ein paar seiner schwarzen Steine und erwiderte: "Das hier ist alles, was ich brauche."

"Denkst du gar nicht an dein späteres Leben? Heiraten, Kinder?"

"Mit was für einem Gedankensprung bist du jetzt zum Heiraten gekommen?" Touya lächelte selbstgefällig, doch Hikaru winkte nur ab. "Nein, ich denke nicht darüber nach. Ich schätze, wenn es soweit ist, wird meine Mutter mir ein paar Omiais organisieren. Vielleicht entscheide ich mich auch davor schon. Aber das hat noch zehn Jahre Zeit."

"Das klingt ganz schön kaltherzig, Touya. Willst du das nicht selbst entscheiden können?"

"Meine Eltern haben sich auch über ein Omiai kennengelernt und es passt gut."

Hikaru nickte. Er kannte die Touya-Familie nicht gut genug um, sich ein Urteil zu erlauben.

Sie spielten noch fast eine Stunde bis sie auszählten. Hikaru hatte mit eineinhalb Moku Rückstand verloren und schob es auf die Müdigkeit. Yashiro zuliebe beschlossen sie, die Diskussion auf den nächsten Tag zu verschieben. Ratlos sahen sie den großen Jungen auf Touyas Futon an.

"Mein Futon drüben ist noch frei. Du kannst dich zu ihm legen", sagte Hikaru, doch Touya widersprach: "Ihr steht euch näher, leg du dich zu ihm. Oder auf den Boden, wie die letzten Tage auch."

"Ich bin aber größer als du, ich will meinen eigenen Futon."

"Dafür bewege ich mich mehr im Schlaf."

"Das ist unfair, das kann ich nicht einschätzen!"

"Also habe ich gewonnen – schließlich schläfst du sowieso gleich ein, also ist es doch egal, wo du liegst."

Hikaru konnte nichts mehr erwidern und lenkte murrend ein: "Aber alleine tu ich mir das Geschnarche nicht an! Hol den Futon hierher."

"Du denkst, nur er schnarcht?" erwiderte Touya.

"Was soll das heißen? Hey-" doch Touya war bereits aus dem Raum und kehrte kurz darauf mit der Matte zurück. Er legte sie Yashiro zu Füßen und sich dann darauf. "Zufrieden?"

Hikaru nickte und legte sich schließlich neben den Blonden. Er schob ihn etwas zur Seite, ohne dass der andere sich überhaupt regte. Sogar das Schnarchen hielt an. "Super, Touya, wirklich super", knurrte er. Der andere lachte leise und war dann still.

Er würde recht behalten: Hikaru schlief nach nichtmal zehn Minuten und sein leises Atmen war während Yashiros Schnarchpausen schwach zu hören.

~x~

Es war das erste Mal, das Touya noch schlief, als Hikaru aufwachte. Erst sah er natürlich Yashiro, der neben ihm alle viere von sich streckte und Hikaru an den Rand des großen Futons quetschte. Wieder schob er den Blonden von sich und hielt ihm bei der Gelegenheit gleich die Nase zu, um das laute Rasseln zu unterbrechen.

Dann kroch er vor zu Touya und betrachtete den Jungen. Er lag zusammengerollt auf dem Laken, ein Arm als Kissen unter dem Kopf, der andere umklammerte den Rand der Decke. Gerade als er ihn ein paar Sekunden angesehen hatte, kniff Touya leicht die Augen zusammen und öffnete sie dann. Anscheinend hatte er wie Hikaru ein Gefühl dafür, wenn ihn jemand beobachtete. Hikaru seufzte und setzte sich an das Goban zu Touya. Der andere setzte sich auf, gähnte und rieb sich müde die Augen.

"Morgen, Prinzessin", grinste Hikaru, Touya erwiderte nichts. Er war anscheinend kein Morgenmensch. "Lass uns die ersten Sonnenstrahlen bei einer erfrischenden Partie Go genießen!"

"Ach, sei still", murrte Touya, seine Stimme noch rauh vom Schlafen. "Yashiro schnarcht wie ein ganzes Sägewerk, es kommt mir vor, als wäre ich gerade erst eingeschlafen."

"Also ich hab super geschlafen!" Hikarus Feststellung verdüsterte Touyas Stimmung nur weiter. Der Blonde kitzelte Yashiros Füße, doch eine Reaktion blieb aus und das Schnarchen hielt an.

"Wenn er morgen wieder hier ist, schlafe ich wirklich bei den anderen. Egal, zu was du mich zwingen willst."

"Oooh nein, da kannst du schön in deinem Futon bei unserem Sonnenschein schlafen! Ich hatte kaum einen Zentimeter Platz zum Bewegen." Touya verdrehte die Augen und legte sich wieder hin.

"Weck ihn auf und schaff ihn hier raus, sonst zerreiß ich dich bei unserer nächsten Partie in tausend Stücke." Das saß. Hikaru kroch zurück zu Yashiro und rüttelte ihn wach, was sage und schreibe fünf Minuten dauerte, in denen Touya sich genervt sein Kissen auf die Ohren drückte.

"Guten Morgen, Sonnenschein. Der Herr des Hauses möchte seinen Schönheitsschlaf nachholen und beordert uns deswegen höflichst aus seinem Zimmer."

~x~

Als er Touya das nächste Mal sah, kam dieser im Yukata zu ihnen und sah viel ausgeschlafener aus als am Morgen. Hikaru spielte gerade gegen Ochi, und Touya setzte sich interessiert dazu. Hikaru dominierte eindeutig, aber schien sich zurückzuhalten, um die Laune seines Gegners nicht zu verschlechtern. Wenn er so weitermachte, würde Ochi mit zweieinhalb Moku Rückstand verlieren, erkannte Touya. Dabei könnte Shindo ihn mit links haushoch schlagen, um mindestens acht Moku. Ochi schien nicht einmal zu merken, dass er mit Samthandschuhen angefasst wurde.

"Das ist nur, weil ich total verkatert bin", redete er sich heraus, nachdem er aufgeben musste. "Ich hab keine Ahnung, was gestern passiert ist."

"Das ist wohl auch besser so", meinte Isumi vom Goban daneben aus. Le Ping kicherte und nahm einen von Isumis Steinen an sich. Sein Gegenüber sah auf und wuschelte ihm grinsend durch die Haare.

"Eine Partie", verlangte Touya von Hikaru. Ochi schaute säuerlich drein und machte Platz am Goban. "Lass uns draußen spielen."

Die anderen trugen ihre Bretter ebenfalls nach draußen und trafen dort Waya, Asumi und Yashiro an, die auf der Terrasse saßen und den Garten bestaunten. Touya winkte Yashiro zu, der ihm zurief: "Entschuldige die Ruhestörung in der Nacht!!" Er winkte ab und setzte sich dann mit Hikaru an das Spielbrett.

"Ich will eine schöne Partie", sagte er. "Gib mir alles, was du hast." Hikaru verdrehte die Augen. Als ob er gegen Touya je halbherzig spielen würde. Vermutlich sagte dieser es wegen seiner Spielweise gegen Ochi. Natürlich würde Touya es bemerken, dachte er. Nicht umsonst hatten sie weit mehr als einhundert Partien gegeneinander gespielt, er musste seine Stärke in- und auswendig kennen.

Hikaru griff nach dem Fächer in seiner Hosentasche und drehte ihn in der Hand. Touya machte seinen ersten Zug nach dem Nigiri und setzte den ersten Stein zielsicher auf den unteren linken Stern. Hikaru überlegte kurz, fuhr immer wieder die Konturen des Fächers nach und entschied sich dann dafür, den Mittelstern Tengen zu besetzen. Touya sah auf, seine Augen schienen verräterisch zu blitzen. Er fand es wohl interessant. Vermutlich, ja.

Hikaru tobte sich in dieser Partie einmal richtig aus. Er ließ seine defensive Art außer Acht und attackierte stattdessen an ungewöhnlichen Punkten. Er merkte, dass Touya zufrieden war mit seiner Spielweise und sich darauf einließ. Natürlich hatte er keine Chance, es war viel zu ungewohnt für ihn, so zu spielen, doch es waren schließlich nur zweieinhalb Moku Rückstand.

"Das war sehr interessant, Shindo", lobte Touya.

"Ich wusste, dass es dir gefallen würde."

Touya schüttelte den Kopf. "Ich hoffe, das hast du nicht nur getan, um mir zu gefallen."

"Nicht nur. Ich wollte etwas Neues ausprobieren."

"Wolltest du hiermit -" Er deutete auf einen Stein. "- nur verwirren?"

"Nein, damit habe ich die rechte obere Ecke gesichert. Ich hatte auch gehofft, dass du die Bedeutung nicht klar siehst, sonst wäre das Ganze nach hinten losgegangen."

"Du hast dich allein darauf verlassen? Sonst spielst du selten so riskant."

"Aber du willst doch immer, dass ich die defensive Spielweise lasse, Touya!"

"Nein, ich will nur, dass du dich verbesserst, egal mit welcher Spielart."

Hikaru schüttelte den Kopf. "Du und deine Launen, Touya." Er zeigte mit seinem Fächer auf den anderen. "Sieh lieber zu, dass du selbst besser wirst."

"Ich dachte, man verbessert sich nur im Spiel gegen Gegner, die besser sind als man selbst?"

"WAS WILLST DU DAMIT SAGEN?!" Hikaru sprang auf und stieß an das Goban, sodass ein paar Steine herunter und ins Gras fielen.

"Kein Grund, gleich zu schreien, wir sind doch keine Kinder mehr!"

"ICH SICHER NICHT!! DU SOLLTEST NICHT AUF MICH HERABSEHEN, DAS WIRD DICH NOCH TEUER ZU STEHEN KOMMEN!"

Ihre Köpfe knallten zusammen und sie schrien schmerzerfüllt auf. Neben ihnen stand Yashiro, je eine Hand an Hikarus und Touyas Schopf. "Werdet ihr wohl aufhören? Das ist Ruhestörung."

"Er hat doch angefangen", murrte Hikaru.

"Und du sagst, du bist kein Kind mehr?" entgegnete Touya. Yashiro drückte ihre Köpfe wieder gegeneinander, diesmal nicht mit solcher Wucht, aber er ließ sie in dieser Position. "Ihr seid solche Holzköpfe, alle beide! Ihr solltet euch in eine Ecke setzen und über eure Taten nachdenken, aber das würde ja sowieso nichts bringen! Zur Strafe werdet ihr das Mittagessen zubereiten, jetzt sofort!"

Hikaru stieß einen Laut aus, der einem Knurren am Nähsten kam, doch erwiderte nichts mehr, weil der Druck gegen seinen Kopf langsam zu schmerzhaft wurde. "Ist ja gut, ist ja gut!!"

Nachdem Yashiro sie losgelassen hatte rieben sich beide die Stirn, Hikaru warf Touya einen beleidigten Blick zu und ging dann an ihm vorbei ins Haus. Touya seufzte und sah Yashiro kurz Augen verdrehend an, dann folgte er Hikaru.

Yashiro setzte sich wieder zu Waya und Asumi, die ihn respektvoll ansahen. "Warum macht ihr das nicht auch, wenn sie streiten?"

Die beiden zuckten die Schultern. "So sind sie einfach, beieinander kommt ihre Natur heraus. Dagegen ist einfach nichts zu machen", erklärte Waya kopfschüttelnd. "Sie keifen sich nach jedem Spiel an, aber dann spielen sie doch wieder eine Partie gegeneinander. Es liegt in ihrem Wesen, schätze ich." Er suchte nach einem guten Vergleich und erklärte dann grinsend: "Sie sind wie ein uraltes Ehepaar, das sich vor den Gästen streitet, welchen Tee man servieren soll. 'Du willst immer Früchtetee, dich interessiert nicht, was die anderen wollen.' - 'Du willst immer nur grünen Tee, das ist genauso!' - 'Grüner Tee ist toll!' - 'Nein, Früchtetee!' - 'Grün!' - 'Früchte!' und so weiter und sofort, bis sie ihre Herztabletten nehmen müssen und die Gäste sich Kaffee gekocht haben." Asumi kicherte und stimmte Waya zu.

Drinnen überlegten die beiden, über die geredet wurde, derweil, was sie den anderen auftischen sollten. Viel war von ihren ersten Einkäufen nicht mehr übrig, vermutlich mussten sie sowieso noch einmal zum Laden gehen.

"Wir könnten Hamburger machen", schlug Hikaru vor. Touya sah skeptisch aus. "Wir hatten schon ein westliches Frühstück, warum nicht auch ein westliches Mittag?"

"Ich weiß nicht... Sollten wir nicht lieber etwas Gesundes essen?"

Hikaru verdrehte die Augen. "Du bist so ein Moralapostel, Touya! Wir sind im Urlaub, wir sind unter Freunden, kein Erwachsener wird uns tadeln, weil wir zu ungesund essen."

"Hier geht es auch nicht darum, was Erwachsene denken, sondern um unsere Körper. Sind die nicht fit, dann ist es auch unser Kopf nicht." Hikaru konnte nichts erwidern, und das nervte ihn gleich noch viel mehr. Dabei wollte er doch so gern Burger essen... Touya sah sein unbewusst schmollendes Gesicht und bot schließlich an: "Machen wir es so: Du machst deine westlichen Fettschleudern und ich einen Salat." Hikarus vorher hängende Mundwinkel zogen sich nach oben zu einem Lächeln. "Gute Idee! Lass uns einkaufen gehen."

"Sollten wir nicht Yashiro mitnehmen, um beim Tragen zu helfen?"

"Sei kein Mädchen, Touya, das schaffen wir schon."

Nach ihrem Streit im Garten waren ihre Gemüter praktisch mit dem Betreten der Küche abgekühlt gewesen. Hikaru hatte nichts mehr dazu gesagt, also hatte auch Touya die Angelegenheit vergessen. Es kam ihm etwas zu einfach vor, wie sie manchmal ihre Streitigkeiten beilegten, doch das schien Teil von Shindos Persönlichkeit zu sein. Solange Touya nicht gerade wieder impulsiv etwas Verletzendes gesagt hatte.

Go ist wie...

"Touya, hilf mir hier mal!" rief Hikaru durch den halben Laden. Immer war er so laut, dachte Touya, musste aber leicht lächeln. Er packte den Salatkopf ein, den er bis eben in der Hand gewogen hatte und ging dann Hikarus Stimme nach.

"Ich finde das Fleisch nicht", klagte der Junge. Touya stand neben ihm an der Kühltruhe, ihre Schultern berührten sich und er stellte fest, dass Shindos Schulter etwas höher reichte als seine eigene. Wann war der Junge denn so gewachsen? Er hatte es wohl nicht gemerkt, weil sie immer nur voreinander saßen und nie nebeneinander standen. Es war nicht gut, dass Shindo größer war, dachte Akira. Er hatte oft erlebt, dass Spieler, die ihm körperlich überlegen waren, versucht waren, auf ihn herabzusehen. Sollte Shindo das je tun, würde er ihm den Kopf abreißen. Auf dem Spielfeld, verstand sich.

"Du bist keine große Hilfe, Touya, weißt du das?"

"Tut mir leid." Er wandte den Blick von ihren Schultern ab und beugte sich über die Kühltruhe, um halbherzig nach Burgerpattys zu suchen. Er sah sie sofort und überlegte, ob er Shindo ärgern sollte, indem er Unwissen vortäuschte. Seufzend dachte er, dass das einfach nicht sein Stil war. "Dort."

"Ah, und auch noch so offensichtlich", meinte Hikaru. Er griff einen ganzen Stapel der Packungen und schaufelte sie in Touyas Tasche. "Wozu hast du Käse gekauft? Ich dachte, du machst Salat?"

"Ganz richtig. Ich schneide den Käse in Würfel und gebe ihn dazu."

"Tust du noch mehr komische Sachen hinein?" fragte Hikaru und durchstöberte Touyas Tasche, die dieser ihm geduldig hinhielt. "Gurke, Salat, Zwiebel, Paprika... so spannend ist das ja nicht."

"Ich habe auch nicht gesagt, ich würde einen spannenden Salat zubereiten. Käse ist im Übrigen auch nicht so spannend."

"Sei nicht so ein Haarspalter, Touya! Komm, ich brauche noch die Brötchen." Er zog den anderen an dessen Ärmel hinter sich her, Touya ließ es einfach über sich ergehen. Hikaru war erstaunlich euphorisch, dafür, dass sie sich gestritten hatten und dann gegeneinander geschlagen worden waren, und das vor weniger als einer halben Stunde.

Während Hikaru auch für die Brötchen-Suche ewig brauchte, holte Touya Tomaten, zeigte Hikaru danach, wo er suchen musste und bezahlte dann ihre Einkäufe.

Auf dem Rückweg ließen sie sich Zeit und nahmen den Weg durch den wunderschönen Park, an dem sie am Vortag gewesen waren. Die Sonne stand genau über ihnen und färbte den Himmel in einen angenehmen Hellblauton. Hikaru trug drei Tüten und Touya nur eine, Hikaru hatte darauf bestanden.

"Was wirst du machen, wenn wir wieder in Tokyo sind?" fragte Hikaru.

"Ich bin im Moment in den Auswahlen für den Kisei- und den Meijin-Titel. Die Vorrunden-Partien finden bald statt und ich hoffe, mindestens in die dritte Vorrunde zu kommen, wenn nicht sogar in die Titelrunde."

"Meinst du, du bist schon soweit? Ich meine, unsere Spiele gegeneinander sind eine Sache, aber dein Stil ist irgendwie manchmal noch etwas ungeschliffen und grob. Nicht grob auf eine offensichtliche Art, aber doch kommt einmal pro Partie ein Zug, der eben irgendwie kantig ist."

"Ich weiß, was du meinst. Aber ich glaube, das sind die Züge, die wirklich ich sind. Es ist ja nicht so, als seien diese Züge schlecht, sondern nur ungewöhnlich. Du hast selbst manchmal ähnliche." Hikaru nickte und musste lächeln. Vielleicht war das wirklich ihr beider Stil. "Warum hast du dich noch nicht um Titel beworben?"

Hikaru betrachtete den Weg vor sich und befingerte wieder den Fächer in seiner Tasche. "Ich habe mich für den Honinbou-Titel beworben. Mein erstes Spiel in der Vorrunde findet in einem Monat statt."

"Dann hättest du dich doch auch gleich für die anderen Titel einschreiben können, oder? Kisei, Gosei, Ouza, Meijin, Honinbou... Warum nur der eine?"

Sie sahen sich an, Hikaru verzog seinen Mund zu einem halben Grinsen, aber es erreichte kaum seine Augen, noch weniger seine Stimme. "Das ist..." Er räusperte sich, weil er heiser klang. 'Sai... wie soll ich es ihm je sagen? Ich will dir nah sein, das ist der einzige Grund.' "Shindo Honinbou ist der einzige Name, den ich tragen möchte. Ich möchte, dass mich die Go-Welt so nennt und erst, wenn mein Name unausweichlich mit diesem Titel verknüpft wird, werde ich einen anderen erringen."

"Du würdest ihn dem Meijin-Titel vorziehen? Oder dem Ouza, dem König?"

"Komisch, nicht wahr?"

"Naja... ein bisschen, ja. Ich glaube, kein anderer Pro ist so wählerisch, was den Titel angeht. Vorausgesetzt, dass du ihn je erringen wirst, natürlich."

"Natürlich." Es klang sarkastisch, doch so hatte er es gar nicht gemeint. Er wusste genau, dass er den Titel in diesem Jahr nicht erhalten würde, er konnte ja noch nicht einmal gegen Touya gewinnen. Doch er hatte noch genug Zeit. Shindo Honinbou. Das würde er sein und würde doch immer an Torajiro denken, der den Namen als Erster getragen hatte, und mit dem er sich über den Titel verband. Sie beide, die Einzigen, die Sai wirklich kannten, würden letztendlich etwas teilen. Hikarus Augen begannen zu brennen, seine Brust zog sich zusammen.

Touya hatte seine wechselnden Gesichtsausdrücke beobachtet, überließ ihn diesmal aber seinen Gedanken. Er hatte keine Ahnung, was genau bei Shindo die Knöpfe zu diesem Gesichtsausdruck drückte, aber anscheinend schaffte er es doch immer wieder.

Als sie im Haus ankamen, kam ihnen Le Ping entgegen um mitzuhelfen. "Ochi hat riesige Kopfschmerzen!" teilte der Chinese ihnen mit, als er Hikaru die Tüten abnahm.

"Das ist auch kein Wunder. Genau deshalb hat Isumi dich auch vom Sake ferngehalten, Le Ping", kommentierte Hikaru und folgte dem Kleineren in die Küche, während er die letzte Tüte von Touya nahm, der eigentlich hatte protestieren wollen.

Le Ping half Hikaru bei der Zubereitung, während Touya es vorzug, alleine zu werkeln. Hikaru erhitzte Öl in einer großen Pfanne und sah Touya zu. "Wieso kochst du Wasser?" Touya sah vom Zwiebeln schneiden auf, in das er bis eben absolut versunken gewesen war.

"Was?" fragte er verdutzt, während er sich bemühte, die in seinen Augen stehenden Tränen zurückzuhalten. Daran waren die Zwiebeln schuld.

"Das Wasser. Wozu kochst du welches?" wiederholte der andere ungeduldig.

"Ach ja. Ich ziehe den Tomaten die Haut ab."

Hikaru zog eine Augenbraue nach oben. "Touya... gib's zu, du kannst kochen!"

"Naja... ich kann essen zubereiten, ja. Ob es schmeckt werden wir dann sehen."

"Wenn es gut schmeckt werden wir sauer sein, dann hättest du nämlich jeden Tag kochen sollen!"

"Meinst du nicht, du solltest mir mit so etwas nicht drohen, solange ich noch am Zubereiten bin? Es ist nicht so schwer, es jetzt noch fade werden zu lassen." Hikaru streckte ihm die Zunge heraus und widmete sich der Pfanne, in die er jetzt die Fleischscheiben gleiten ließ. So kochten sie beide stumm, während Le Ping ihnen etwas über die chinesische Go-Liga erzählte. Hikaru hörte kaum hin, doch Touya stellte ab und zu interessiert Fragen. Während Le Ping schließlich die anderen rief und den Tisch deckte, war Touya fast fertig. Hikarus Burger waren bereits im Wohnzimmer, bereit, verspeist zu werden. Also stand er untätig neben Touya und sah zu, wie dieser ein Dressing zubereitete. Er nahm Joghurt, etwas von dem Gemüse, allerdings in einem Mixer zerhäckselt, etwas Milch, Öl und schmeckte dann ab, bis er zufrieden nickte.

Er sah Hikaru an und hielt ihm seinen Löffel hin, auf dem noch etwas von der Mischung war. "Probieren?" Hikaru nickte und kostete von dem Dressing.

Seine Augen weiteten sich. "Damit ist es beschlossen. Du wirst unser persönlicher Koch. Das hättest du ruhig gleich zugeben können!"

Touya schüttelte den Kopf. "Asumi-san kann besser kochen, glaub mir." Damit ging er aus der Küche, um das restliche Essen auf dem Tisch zu plazieren. Hikaru leckte sich über die Lippen, als er ihm folgte.

~x~

"Go ist wie Kochen", sagte Hikaru. Touya hob den Blick und musste schief grinsen. Schon wieder eine Metapher. Er nickte, um Hikaru zum weiterreden zu bringen. "Macht man am Anfang etwas Wichtiges falsch, ist das ganze Mahl versaut. Gibt man zu viel Salz hinzu muss man sofort aufgeben. Wie im Go - von etwas zu viel, und die Partie ist dahin. Es gibt nur wenige... Köche, die ihr Handwerk wirklich verstehen, und nur Feinschmecker können schätzen, was sie bekommen. Auch im Go können meist nur Pros die Überlegenheit einer Partie erkennen."

Touya wiegte den Kopf hin und her und meinte dann: "Da fehlt aber noch einiges. Du kannst den Gegner eines Go-Spielers nicht mit Essen vergleichen, das einem nichts entgegensetzt. Ich finde eher, Go ist wie..." Er verstummte.

"Wie was?" hakte Hikaru nach.

"Naja..."

"Jetzt drucks nicht so herum. Oder ist es so schlimm?"

Touya hielt seinen Blick auf das Goban gesenkt. "Nunja... Ich denke, es ist wie Sex. Nehme ich an." Er wurde etwas rot. "Wenn man sich zuerst sieht, kann man es kaum erwarten und will so viele... Partien wie möglich spielen. Doch nach ein, zwei Partien will man sich Zeit lassen und das Erlebnis genießen. Es ist immer ein Hin und Her, ein Kampf um Dominanz und ist nur bei ebenbürtigen Partnern ein wirklicher Genuss."

Hikaru dachte eine Weile darüber nach. Selbst ohne eigene Erfahrungen auf dem Gebiet fand er Touyas Ausführungen durchaus schlüssig.

"Seit wann kennst du dich denn so gut mit Sex aus, Touya?" grinste Hikaru nach einer Weile schließlich. Ein weißer Go-Stein verfehlte sein Ohr um wenige Zentimeter.

"Natürlich kenne ich mich nicht aus! Das ist nur, wie ich es mir vorstelle, du Trottel!" Wir sind beide Jungen in der Pubertät, wollte Touyas Blick ihm sagen. Es ist nicht so, als hätten wir nicht eine Ahnung davon.

"Irgendwie wundert es mich nicht, dass du es dir wie Go vorstellst." Hikaru musste kichern. Er sah, wie Touya nach mehr weißen Steinen griff und hob abwehrend die Hände, während sein Kichern zu einem Lachen wurde. "Nein, nicht!"

Ein Stein traf seine Stirn, ein anderer die ausgestreckte Hand. Das Lachen wurde lauter. Er reichte nach vorne und griff Touyas Hand, um sie still zu halten. Langsam ebbte sein Lachen ab. "Ruhig, Brauner", schnurrte er. "Du solltest nicht so aus deiner Haut fahren, wenn sich jemand über dich lustig macht."

"Da spricht der Richtige", erwiderte Touya, ließ allerdings die Hand, die Hikaru umklammert hielt, sinken. "Du bist es doch, der nach unseren Spielen immer die Krallen ausfährt."

Hikaru ließ die Hand los. "Ich will mich jetzt nicht streiten, Touya."

Touya lächelte. "Ich auch nicht."

~x~

Sie entschieden sich, den Tag in den heißen Quellen zu verbringen und danach auf das kleine Straßenfest zu gehen, das stattfand. Hikaru lief mit Asumi am Arm zu den Onsen. Diesmal blieb Touya nicht bis zum Kreislaufkoller im Wasser, sondern gab vorher auf und stieg aus der Quelle. Yashiro ging mit ihm, gemeinsam machten sie es sich im Park gemütlich.

"Touya, wir haben noch keine entspannte Partie gespielt", meinte der Blonde.

Touya lächelte ihn an. "Du schläfst immer ein, bevor ich die Ruhe für ein entspanntes Spiel habe."

"Ich kann nichts dafür, zu Hause muss ich immer schon um elf ins Bett, ich werde einfach so früh schon müde."

Touya wiegte seinen Kopf hin und her. "Wenn wir zurückkommen, spielen wir." Er legte sich auf das weiche Gras, Yashiro ebenfalls. Touyas Kopf berührte Yashiros Schulter und Yashiros Kopf spürte Touya an seiner eigenen Schulter. Die Nähe ließ ihn kurz erschaudern. "So nah bin ich Menschen nicht gewohnt", gab er zu.

"Dagegen hilft nur Abhärtung."

"Ich verstehe nicht, wie Shindo das viele Anfassen aushält. Vor allem mit dir und Waya. Immer klebt ihr aneinander."

"Das klingt entweder eifersüchtig oder verbittert."

Touya dachte kurz nach. "Neidisch vielleicht. Ich wäre auch gern so unkompliziert wie ihr." Yashiro stieß ihn leicht an und sagte dann lächelnd: "Keine Sorge, du bist gut so wie du bist."

Sie lagen lange dort, bevor die anderen dazukamen. Touya war eingeschlafen während Yashiro leise ein Poplied gesummt hatte. So fanden die anderen sie friedlich zusammen auf der Wiese liegend, Touya mit geschlossenen Augen, Yashiro kaum hörbar singend. Le Ping beugte sich zu dem Schlafenden und strich ihm durchs Haar. Touyas sechster Sinn ließ ihn sofort erwachen. Er zwinkerte einige Male.

"Wir wollen weiter, Touya!" Der kleine Chinese wuschelte Touya durch die Haare und half ihm schließlich auf. Hikaru half Yashiro, aufzustehen und keuchte unter dem Gewicht des anderen.

"Hey, das hat meine Gefühle verletzt!" grinste Yashiro wegen des lauten Ächzens seines Helfers. "Nur, weil du bloß Haut und Knochen bist, kann das nicht gleich jeder sein." Hikaru grinste ihn an und gemeinsam gingen sie in Richtung von Itous Hauptstraße.

Dort genossen sie die Stände mit Essen und kleinen Spielen, es gab auch einen Umzug mit Menschen in einem langen Drachenkostüm, alles schien farbenprächtig und laut und unterhaltsam. Hikaru ging zwischen Yashiro und Touya und zog die beiden regelmäßig zu immer neuen Attraktionen. Er gab ihnen Yakitori aus, erbettelte allerdings die Hälfte von Touyas Spieß, als er merkte, dass sein Geld nicht für noch einen reichte.

Kameradschaftlich legte er den beiden Jungen die Arme um die Schultern und merkte nun auch selbst, dass er zu Touyas Schulter ein paar Zentimeter nach unten reichen musste. "Touya, ich bin größer geworden", stellte er verwundert fest.

"Nur körperlich", war die trockene Antwort. "Glaub mir."

"Pfff." Hikaru zog ihn ruppig heran und Touya stolperte an seiner Seite, fing sich allerdings. In dieser Reihe, fast Schulter an Schulter, gingen sie weiter über das Fest.

"Kaum zu glauben, dass wir nur noch zwei Tage hier sind," meinte Yashiro und Touya blickte überrascht auf.

"Zwei Tage? Bleiben nicht alle bis zum Kindertag?" fragte er verwundert.

Yashiro und Hikaru schüttelten den Kopf. "Ähm, nein. Ochi fährt noch heute und wir hatten eigentlich beschlossen, schon am vierten zu fahren." Hikaru sagte nicht, dass das wegen ihm war. Er hatte den fünften Mai, Kodomo no Hi, Jungentag, nicht mit seinen Freunden verbringen wollen. Stattdessen wollte er zu einem Tempel und wieder versuchen, mit Sai zu reden. Es war erst ein Jahr her, dass der Geist ihn verlassen hatte, die Hoffnung auf eine Antwort hatte er noch nicht aufgegeben.

Touya sah etwas enttäuscht aus, doch es war nichts, was seine Stimmung für längere Zeit trüben konnte, schließlich schien er einen anderen Gedanken gefasst zu haben, der ihn aufheiterte.

Auch er gab seinen beiden Freunden etwas von dem angebotenen Essen aus und zusammen ließen sie den Rest der Gruppe hinter sich und streiften weiter zu dritt über die Festlichkeiten. Sie trafen sich alle wieder, als die Sonne gerade unterging. Sie standen am Rand der Straße und beobachteten die tanzenden Lichter zwischen den Ständen.

Asumi und Hikaru fanden sich irgendwie. Touya hatte die Umarmung Hikarus verlassen und war stattdessen zu Ochi gegangen, Asumi hatte fröhlich seinen Platz eingenommen.

Am anderen Ende der langen Hauptstraße wurde begonnen, ein Feuerwerk zu zünden. Rote und grüne Funkenbälle breiteten sich knallend im Himmel aus, um knisternd und Licht sprühend zu verglühen. Immer wieder flogen neue Raketen hinauf, immer neue leuchtende Kugeln entstanden, in weiß, gelb, blau, wieder rot, wieder weiß. Die Gruppe junger Pros stieß begeisterte "Oh"s und "Ah"s aus. Auf ihren Gesichtern tanzten die Lichter, die sich am Himmel ausbreiteten, immer wieder ertönte das Knallen, das die Lichtexplosion einläutete.

Yashiro hatte einen Arm um Hikarus Hals gelegt und lehnte seinen Kopf an den blonden Pony des anderen, während Asumi seinen Arm umschlungen hielt und sich an seinen Oberkörper drückte. Die Wärme seiner Freunde umfing Hikaru wie eine einzige Umarmung und er lächelte in den Himmel. Das hier war pures Glück.

Ein unerwarteter Zug

Ich habe übrigens eine englische HnG-Fic übersetzt, seht euch doch bei Interesse 'Es ist nie zu spät' (Never Too Late) an.

LG, NiN

---
 

Das Feuerwerk hatte eine Viertelstunde angedauert und als schließlich keine Lichter mehr vor den Sternen explodierten, setzten die Pros sich langsam in Richtung der Touya-Residenz in Bewegung. Sie plauderten aufgeregt über das Fest, die Lichter, die Straßen, die Menschen. Hikarus Lächeln war wie festgeklebt, so glückselig war er zwischen der Gruppe munter redender Menschen, die ihn mit sich fort trug.

Vor dem Haus wartete schon ein Auto auf Ochi. Sein Großvater hatte ihm einen Chauffeur geschickt. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, verließ er die anderen nur schweren Herzens. Trotz des vielen Sake am Vorabend und trotz seiner unsozialen Persönlichkeit hatte er die Euphorie der wenigen Tage genossen. Er entschuldigte sich ehrlich bei Touya und umarmte diesen dann. Die anderen warfen sich befremdete Blicke zu, doch Ochi bemerkte es nicht. Auch Yashiro umarmte er, bei den anderen verabschiedete er sich förmlich und ließ sich schließlich von dem Chauffeur zum Einsteigen überreden.

"Wir scheinen ihm ja echt ans Herz gewachsen zu sein", meinte Waya, während sie dem sich entfernenden Auto nachsahen. Hikaru lächelte bei der Feststellung. Es war unmöglich, die anderen nicht zu mögen, dachte er.

Er stand noch eine Weile vor dem Haus und sah in die Sterne. Die anderen waren längst gegangen, nur Asumi blieb bei ihm und leistete ihm Gesellschaft. Er hätte auch gut alleine bleiben können, aber ihre Anwesenheit war ihm nicht unangenehm.

"Kein Wunder, dass es Ochi so schwergefallen ist, zu gehen. Die anderen sind toll. Es ist so einfach mit euch, besonders Waya und Yashiro. Und Le Ping. Man muss sie einfach mögen, oder?"

"Vergisst du da nicht jemanden?" Sie lächelte ihn an und er wurde etwas rot.

"Tut mir leid, du natürlich auch."

"Nein, das meine ich nicht. Ich meine dich."

Er schaute verwundert auf. "Hm?"

"Du bist es, der uns alle zusammenhält. Auch dich muss man einfach mögen. Ohne dich wären weder Yashiro noch Touya hier - dann wären wir auch nicht hier." Hikaru dachte kurz darüber nach, schüttelte dann aber den Kopf und meinte: "Hättet ihr die beiden gefragt, hätten sie sicher auch zugesagt."

Asumi beharrte auf ihrem Standpunkt und setzte hinzu: "Ohne dich würde hier eindeutig etwas von dem Frohsinn abgehen. Du bist genau das, was diesen Urlaub perfekt macht." Hikaru war gerührt. Er spürte Tränen aufsteigen und nahm Asumi in den Arm, um sein Gesicht zwischen ihren Haaren vergraben zu können.

'Sai', dachte er und kämpfte gegen das vertraute Brennen in den Augen. 'Ich wünschte, du hättest das gehört. Ich bin nicht mehr das Kind von damals, ich weiß andere zu schätzen, ich... ich wüsste dich zu schätzen, Sai. Jetzt wo du weg bist weiß ich dich zu schätzen.' Er schniefte leise, doch Asumi sagte nichts und legte nur ihre Arme um seinen Körper, der sie fast unter sich begrub. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie er sich seit dem Beginn seiner Insei-Zeit verändert hatte. Damals war er noch ein Junge gewesen, doch jetzt hatte er die breiten Schultern eines jungen Mannes, in die er noch nicht ganz hineingewachsen war.

Hikaru brauchte eine Weile, bis er seinen an Sai gerichteten inneren Monolog beendete. 'Ich vermisse dich.'

"Danke, Asumi."

"Immer wieder gern."

Sie gingen in friedlicher Eintracht hinein. Im Go-Zimmer schlief Le Ping bereits quer über seinem Futon ausgebreitet. Yashiro und Isumi spielten, Touya sah ihnen zu und Waya wartete vor seinem Goban.

"Shindo, komm, eine Partie Speed-Go noch!" Asumi wünschte ihnen eine gute Nacht und Hikaru setzte sich vor das Goban.

Nach der Hälfte der Zeit kam Touya dazu, um nun ihnen zuzusehen. Hikaru dominierte die Partie, Waya würde bald aufgeben müssen, wenn er nicht noch ein geniales Comeback schaffte. Touya sah eine Stelle, die ihn noch retten könnte, doch Waya blieb ahnungslos und tappte so in die von Hikaru gestellte Falle. Als Touya das sah, stand er auf und ging zur Tür.

"Ich gebe auf", hörte er von Waya. Hikaru redete kurz und aufgeregt, während er die Steine zusammenschob.

"Kommst du dann?" fragte Touya und deutete auf den Flur.

"Jaja, bin gleich da, geh ruhig schon vor", rief er herüber, während er das Brett mit Waya gemeinsam aufräumte. Waya schob seinen Futon zu den anderen und legte sich hin, während Hikaru ihm zusah. "Soll ich dir noch eine Gutenachtgeschichte erzählen?" Er grinste.

Waya winkte ab und gähnte herzhaft. "Ich schlafe schnell ein, wenn Yashiro nicht schnarcht, keine Sorge." Damit ließ er sich umfallen. Hikaru zuckte mit den Schultern, erhob sich und ging rüber.

Hikaru kam in Touyas Zimmer und wurde sofort überwältigt. Touya hatte eine Hand an seinen Kiefer und die andere auf seinen Oberkörper gelegt und schob ihn so einen Meter nach hinten gegen die Wand. Sein Kopf knallte dagegen und er stöhnte schmerzerfüllt auf. Erst als der Schmerz nachließ, merkte er, dass Touyas Lippen auf seinen lagen. Touyas Lippen. Sie fühlten sich an wie die eines Mädchens, dachte er. Nicht dass er das aus eigener Erfahrung wusste. Oh Gott, das war sein erster Kuss. So viel strömte auf ihn ein, dass es schon vorbei war, als er es gerade zu realisieren begann.

Touya stand vor ihm, leicht keuchend.

"Touya...?"

"Hikaru..."

Er erschauderte. Warum nannte Touya ihn beim Vornamen? Es musste das erste Mal sein, und er fand es fast etwas gruselig.

"Ich verstehe nicht..."

Touya verdrehte erst die Augen und lächelte dann nervös. "Ich fand mein Argument recht eindeutig."

Hikaru sank an der Wand entlang auf den Boden und Touya kniete sich vor ihn. "Aber... ich... hää??"

"Oh Shindo... Es ist doch offensichtlich, oder? Ich würde mal sagen... ich kann dich gut leiden." Hikaru schüttelte den Kopf. Er wollte das nicht hören. Warum Touya, warum er? Konnte nicht alles bleiben, wie es war? Konnten sie nicht einfach ihr ganzes Leben Go spielen, ohne über etwas anderes nachzudenken? Doch dafür war es jetzt sowieso zu spät. Touya beobachtete ihn reglos mit sorgenvollen Augen. Langsam fing er an, auf seiner Unterlippe herumzukauen. "Tut mir leid, wenn ich dich in die Enge treibe. Ich dachte, ich hätte die Zeichen richtig gedeutet."

"ZEICHEN?!" Hatte er das etwa selbst hervorgerufen?! Er war sich keiner Schuld bewusst.

"Naja... Immerhin sehen wir uns mehrmals die Woche, und immer kommst du zu mir. Wenn wir nicht gerade streiten sind wir auf einer Wellenlänge und bei dem Straßenfest hast du immer nur von meinen Sachen gekostet."

"Hab ich?" rutschte ihm raus, bevor er nachdenken konnte.

Touya lächelte schwach. "Ja."

Sie waren eine Weile still. Die Situation schien Hikaru zu bizarr, wie Touya ihm eben praktisch seine Liebe gestanden hatte und jetzt unsicher abwartend vor ihm kniete.

"Ich schätze mal, das heißt nein?" fragte Touya und verzog den Mund. Es sah fast aus wie ein Lächeln und es deprimierte Hikaru. Oh man, das war sein erster Korb, den er ausgab, und dann auch noch an einen Jungen. Einen Jungen, der seit Jahren in seinem Kopf war, weil er ihm nachgejagt war. In all den Jahren hatte er nie auf diese andere Art an ihn gedacht.

"Ich weiß nicht... es tut mir leid, ich sehe dich einfach nicht so, Touya."

"Hm... Naja, wenigstens ist es jetzt raus. Geteiltes Leid ist halbes Leid oder so."

"Wieso Leid, sollte so etwas nicht etwas Schönes sein?"

"Geteilte Freude ist doppelte Freude? Du willst mir doch nicht sagen, dass du jetzt doppelte Freude empfindest?"

Hikaru schaute betreten. "Punkt für dich."

"Oh Shindo, so macht es keinen Spaß, wenn du nicht mehr mitstreitest. Komm schon, wir sind beide erwachsen genug, um darüber hinwegzusehen, oder?"

"Das heißt, du bist so einfach darüber hinweg?"

"Mach dir keine Hoffnungen." Touya grinste. Oh Gott, warum grinste er? Es sah so ungewohnt aus, dass Hikaru wieder schaudern musste. "So einfach gebe ich schon nicht auf. Du weißt doch, attackieren ist meine Stärke."

Hikaru verdrehte die Augen. "Ich hoffe bloß, du gehst nicht vor wie im Go."

"À propos, lass uns spielen - wenn ich gewinne, darf ich dich küssen."

"Waaaas? Das kannst du nicht einfach so entscheiden!!" Hikaru warf eine auf dem Boden liegende Socke nach Touya. "Wenn ich gewinne, darfst du nicht nochmal solche Regeln aufstellen!"

Die Partie wurde ihre bisher beste. Hikaru war überrascht, wie viel besser er spielen konnte, wenn er unter Druck stand. Als sie vorbei war saßen die Jungen erst ein paar Minuten sprachlos da.

"Zu schade, dass es ein Unentschieden ist, im Moment hätte ich wirklich große Lust, über dich herzufallen. Dieses Spiel war einfach zu... aufreibend. Und gut."

Hikaru kicherte. "Bei dir geht es wirklich nur um Go, Touya!" Der andere verbesserte ihn nicht, denn er wusste, dass Hikaru es nicht hören wollte. Der Blonde war fast erschlagen von der Monumentalität ihres Spiels. Er ließ sich auf den Rücken fallen und spielte es mehrere Male im Kopf durch. Beide Seiten hatten Züge gespielt, die von erheblicher Brillianz zeugten und sie brachten es einfach nicht über sich, die Diskussion zu starten.

"Das war wirklich toll, Touya. Wirklich, wirklich toll."

"Jep."

Touya ließ sich auf der Seite nieder, stützte sich auf seinen Ellenbogen und betrachtete verträumt das Goban.

"Wieso ich, Touya?"

"Hm?"

"Das mit der Liebe... oder was es ist."

"Ach so... keine Ahnung. Weißt du, ich habe seit unserer ersten Begegnung immer an dich denken müssen, wie gern ich wieder gegen dich spielen wollte, wie ich im Go-Salon jeden Tag auf dich gewartet habe, unsere Partien, jede einzelne war immer wieder in meinem Kopf. Und bevor ich mich versah, war es nicht nur unsere Partie, sondern auch dein Gesicht. Deine sanften Hände, wie du die Steine greifst und ablegst, sogar unsere Streits, Herrgott."

Hikaru schwieg. Verdammt, Touya hatte es wohl wirklich erwischt. Er wollte das nicht hören, aber irgendwie doch. Es war das erste Mal, dass ihn jemand so sehr mochte. Er wusste nicht, wie er damit umzugehen hatte.

"Es tut mir leid, dass ich es bin. Die Mädchen würden sich wahrscheinlich um dich reißen."

"Du bist der einzige, der mir im Go das Wasser reichen kann. Eine bessere Eigenschaft habe ich noch an keinem Mädchen gefunden." Hikaru lachte bitter. Sie lagen eine Weile dort auf dem Boden. Hikaru dachte an ihre letzte Partie. Gab es irgendeinen Zug, der besser hätte sein können? Ihm fiel keiner ein. Hatten sie schon die Hand Gottes erreicht? Nach einer halben Ewigkeit stand Touya auf und ging zum Schreibtisch, um darin herumzukramen. Als er das Gesuchte gefunden hatte, kam er wieder zurück und setzte sich neben Hikaru.

"Was tust du da?" nuschelte der Blonde. Warum wurde er so verdammt müde, wenn er nur die Augen schloss? Wie spät war es denn nun schon wieder? Die letzten Nächte hatten sie offensichtlich immer zu lange gespielt.

"Ich schreibe das Kifu. Ich glaube, das Institut würde dieses Spiel gerne sehen." Hikaru drehte sich auf den Bauch und robbte zu Touya, um ihm zuzusehen. Mit sicherer Hand zeichnete er das Spiel aus dem Gedächtnis auf, prüfte es nach Vollendung nochmal und drehte es dann zu dem anderen. Hikaru überflog es nur kurz, denn eigentlich war es unmöglich, dass Touya einen Fehler gemacht hatte.

"Die Partie war wirklich fantastisch", stellte er noch einmal fest, bevor er endgültig die Augen schloss. "Touya?"

"Hm?"

"Erzählst du mir irgendwas, bis ich einschlafe?"

"Hm..."

Hikaru war kurz still und setzte dann hinzu: "Aber ohne mich anzustarren."

"Hmm... entweder beides oder nichts."

"Dann halt die Klappe und guck weg." Viel mehr konnte er nicht mehr sagen, bevor er auch schon einschlief. Touya holte Hikarus Decke aus dem Go-Zimmer und legte sie ihm über. Schon am Vorabend hatte er überlegt, ihn rüber auf seinen Futon zu tragen, zweifelte aber daran, dass er den anderen überhaupt hochbekommen würde. Also ließ er ihn dort neben dem Goban liegen und kuschelte sich in seinen eigenen Futon. Er rückte ein paar Zentimeter in die Richtung des anderen Pros, wagte jedoch nicht mehr, weil es sonst wohl auffällig wäre. Doch er bildete sich ein, selbst von dort den Geruch des anderen leicht wahrzunehmen.

Er befürchtete, in dieser Nacht kein Auge zutun zu können. Immerhin hatte er Shindo irgendwie seine Liebe gestanden... ohne auf Gegenliebe zu stoßen. Er vermutete auch, dass dies unmöglich war, aber sollte er es deswegen unversucht lassen? Und nicht nur sein Geständnis, hinzu kam auch noch die atemberaubendste Partie, die sie beide je gespielt hatten. Nur wenige Dinge konnten ihn so erregen wie eine wirklich gute Partie Go. Verdammt, warum hatte Shindo ihm nicht einfach seine unsterbliche Liebe geschworen? Dann hätten sie danach gepflegt rummachen können. Er verdrehte die Augen und schloss sie danach. Es war erstaunlich einfach, mit Shindos Geruch in der Nase einzuschlafen. Noch als er das dachte träumte er auch schon.

~x~

Als Akira am nächsten Morgen die Augen aufschlug, saß Shindo vor dem Goban und betrachtete es gedankenversunken. Da er den anderen nicht aus seiner Starre erwecken wollte blieb er still liegen und schloss wieder die Augen. Ab und zu hörte er das Setzen eines Steins auf dem Brett und ein paar vor sich hin geflüsterte Worte Shindos.

Verrückt, dachte er, wie nah sie einander plötzlich waren. Wäre es nicht auf diesem Ausflug würde ihr einziger Kontakt sich auf den Go-Salon beschränken. Nicht, dass er das so schlimm fand, denn Go verband sie nun einmal am meisten. Aber er schätzte auch die Zeit, die er hier an Shindos Seite verbringen konnte. Die anderen interessierten ihn nicht allzu sehr. Sie lieferten ihm zwar ab und zu interessante Partien, aber keiner konnte ihm das Wasser reichen. Bis auf Shindo.

Als er das nächste Mal die Augen öffnete, war Shindo weg. War er nochmal eingeschlafen? Beleidigt stützte Akira sein Kinn auf eine Hand und starrte die Tür an. Schließlich rappelte er sich auf, zog sich an und ging zu den anderen. Er fand sie im Go-Zimmer, Shindo in ihrer Mitte vor dem Goban. Akira warf einen Blick auf das Brett und erkannte ihr gestriges Spiel.

Als sie ihn begrüßten drehte Shindo sich zu ihm um. Er winkte euphorisch, bevor er auf halber Höhe den Arm sinken ließ. Akira seufzte innerlich. Hätte er es ihm lieber nicht gesagt...

"Du zeigst ihnen unsere Partie?"

Er setzte sich demonstrativ neben Shindo - als Kampfansage, mehr für sich selbst als für den anderen Jungen.

"Ja. Ich habe sogar davon geträumt. Ein paar Ideen für bessere Züge hätte ich, aber bisher keine, die das Ergebnis wirklich beeinflusst hätte."

Akira half ihm, die Partie zu Ende zu simulieren und hörte dann zu, wie die anderen sie besprachen. Shindo war der Einzige unter ihnen, der ihm ebenbürtig war, er wusste, dass sie keine besseren Züge hervorbringen würden, als er es getan hatte.

Neben Shindo zu sitzen war eine gewisse Geduldsprobe für ihn. Der Arm des anderen streifte ihn ab und zu, als er bei der Diskussion auf verschiedene Steine und Punkte zeigte, Shindo selbst schien das gar nicht mitzubekommen. Akira überlegte, ob der andere ihn überhaupt ernst nahm.

Schon seit längerer Zeit hatte er überlegt, was dieses Gefühl war, das der andere Go-Pro in ihm hervorrief. Er hatte vieles überlegt - väterlicher Stolz, kleinliche Eifersucht, Neid auf sein Talent, Anerkennung, kindliche Bewunderung, brüderliches Wohlwollen, Lust. Als er Letzteres einmal gedacht hatte, war er erschrocken gewesen. Er hatte es in der hintersten Ecke seiner Erinnerungen verschlossen und sich darauf beschränkt, einfach nicht mehr über seine Gefühle nachzudenken.

Bis er gemerkt hatte, dass er nach ihren Partien manchmal zitternd zurückblieb, nachdem Shindo schon längst nach einem neuerlichen Streit nach Hause gestürmt war. Er hatte es auf die Wut geschoben.

Bis er gemerkt hatte, dass er noch während der Spiele zitterte. Je besser das Spiel, desto mehr musste er sich konzentrieren, um seine Finger ruhig zu halten. Er hatte es auf die Intensität ihrer Partien geschoben. Doch auch das musste er irgendwann revidieren, denn auch gegen seinen Vater spielte er intensive Partien, ohne in ein emotionales Loch zu fallen.

Er brauchte über ein Jahr, um sich darüber klar zu werden, dass einzig sein Gegner der Grund für seine körperliche Reaktion war. Naja, und vermutlich die Pubertät.

Als er es schließlich erkannt hatte, hatte er Shindo zuerst gemieden, doch er hatte sich nach den Spielen gesehnt, nach dem Nervenkitzel... nach Shindo. Er hatte wieder gegen ihn gespielt und das Zittern hatte mit jedem Mal nachgelassen, während er sich immer klarer darüber wurde, dass er hinter dem anderen her lechzte. Akira hatte es unter Verschluss gehalten, doch es hatte nicht aufgehört. Als Shindo ihn schließlich zu dem Ausflug eingeladen hatte, sah er seine Chance. Er wollte nicht weiter im Ungewissen bleiben.

Nunja, alles danach wollte er jetzt lieber vergessen. Doch er würde sein Wort halten und nicht aufgeben. Shindo war offensichtlich an niemandem interessiert, warum also diese Lücke nicht schließen?

~x~

Hikaru wurde fast verrückt. Touya folgte ihm wie ein Welpe auf Schritt und Tritt. Es wirkte, als wolle er Wort halten. Nach dem Frühstück griff Hikaru sich Asumi und erklärte, er wolle einen kurzen Spaziergang mit ihr machen. Mit Blick auf Touya setzte er hinzu: "Allein."

Asumi war überrascht, folgte ihm aber auf die Dorfstraße. Sie schlenderten eine Weile nebeneinander her, bevor sie die Neugier nicht mehr aushalten konnte.

"Was sollte das? Was ist denn los?"

"Hast du es nicht bemerkt? Ich meine, Touya..."

"Naja... ein bisschen seltsam ist er schon. Wieso, hat er etwas gesagt?"

"Etwas gesagt ist untertrieben", seufzte Hikaru. Er rieb nervös Mittel- und Zeigefinger, an denen er die Hornhaut spüren konnte. "Er liebt mich."

Er sah Asumi an und sie erschrak. Hikarus Augen waren weit aufgerissen, in ihnen stand Verwirrung und ein gewisser Schock. "Ganz ruhig, Hikaru." Sie strich ihm über die Hand. "So schlimm ist das doch nicht, oder?"

"Findest du? Ich meine... Ich weiß nicht. Ich kenne ihn nichtmal gut genug und... ich... könnte so nie an Touya denken."

"Weißt du, manchmal kann man einfach nicht alle Möglichkeiten in Betracht ziehen."

"Wie? Das verstehe ich nicht."

"Es ist wie im Go. Dein Gegner macht plötzlich einen Zug, an den du gar nicht gedacht hattest. Er ist einfach da, ohne Vorwarnung. Und du merkst: er ist besser als alles, was du dir überlegt hattest. Es ist einfach und natürlich, aber du wärst nie im Leben drauf gekommen."

Hikaru nickte. Sollte es so sein mit Touya und ihm? Einfach, natürlich, besser als jetzt? Er schüttelte den Kopf. Unmöglich, oder?

"Was meinst du soll ich tun?" fragte er verzweifelt.

Asumi schüttelte den Kopf und hielt weiter seine Hand. "Du kannst vieles tun. Je nachdem, was du darüber denkst. Zum einen könntest du die Drama Queen spielen, eure Freundschaft kündigen und dich von nun an von ihm fernhalten."

Auch unmöglich, dachte er. Touya war der einzige Weg für ihn zur Hand Gottes. Wenn sie nicht mehr Go spielen konnten wüsste er nicht, was er sonst tun sollte.

"Oder du lässt einfach alles beim Alten, was ihn nach einiger Zeit vermutlich sehr frustrieren wird. Oder aber du gibst ihm eine Chance." Hikaru schüttelte den Kopf. Als ob das je passieren würde. "Jedenfalls solltest du erstmal mit ihm reden. Du weißt ja selbst gar nicht, was du wirklich willst."

Oh doch, dachte er, sagte aber nichts. Es würde Touya nicht gefallen. Natürlich würde es das nicht.

Letzte Stunden

"Ich möchte, dass alles so bleibt, wie es war", erklärte er Touya. Er hatte ihn leise um eine Aussprache gebeten und jetzt saßen sie neben dem Goban in Touyas Zimmer.

Touya sah ihn an. Hikaru meinte, sein Gesicht hätte sich kurz verzogen, doch es war zu kurz, um sicher zu sein. "Du glaubst doch nicht, dass ich das akzeptiere?"

"Warum denn nicht?" quengelte Hikaru. "Es war doch super so. Keine Verpflichtungen, kein Stress, einfach nur Go."

"Wenn es das ist, was du willst, kannst du es auch mit mir haben."

"Arrrgh, Touya!"

Es war ihm ernst, sein Gesicht sagte es ihm. Er hatte die Augen in Hikarus versenkt und versprach ihm stumm die Welt, wenn er nur ein Ja hören würde.

"Es geht einfach nicht." Hikaru schüttelte den Kopf. "Bitte mach es mir nicht schwerer als es ist, gerade jetzt wo wir mit allen hier sind."

"Gut", lenkte Touya ein. Als Hikaru aufatmete, setzte er hinzu: "Solange wir hier sind hast du Schonfrist, aber danach..." Sein Gesicht sah schmerzverzerrt aus. "...ich muss es versuchen. Ich kann nicht anders." Hikaru hob die Hand, um Touyas Gesicht zu berühren, hielt aber inne. Er würde es nur falsch verstehen. Er wollte dem Jungen keine Hoffnungen machen. Touya sah aus dem Augenwinkel, wie Hikarus Hand wieder sank und er ließ die Haare vor sein Gesicht fallen, damit der andere nicht sah, wie verzerrt es plötzlich war. "Nur solange wir hier sind", sagte er noch einmal, tonlos diesmal.

Zwei Tage, dachte Hikaru. Zwei verdammte Tage und danach würde Touya versuchen, ihn für sich zu gewinnen.

Der andere sah plötzlich auf. Die geröteten Augen bohrten sich wieder in Hikarus. "Ich habe eine Bedingung." Hikaru schwieg und fragte sich, was jetzt kommen sollte. Und warum er überhaupt annehmen sollte. Touyas Gesicht war kurz wieder schmerzverzerrt und Hikaru murmelte geschockt: "Schon gut, was ist es?"

"Der fünfte Mai... Kodomo no Hi. Verbringe ihn mit mir."

Hikaru dachte an die Karpfen, die im Wind wehen würden und er dachte an Sai.

Touya sah es, da war es wieder, dieser Gesichtsausdruck, bei dem er den anderen in die Arme schließen wollte und ihm sagen, alles würde gut werden. Er hatte wieder einmal unbewusst den Hebel umgelegt, der zu diesem Gesicht führte. Wieso passierte ihm das immer? "Shindo, es ist mir ernst." Er sagte es sehr leise, er wollte den anderen nicht bedrängen, aber es sollte so ernst klingen, wie es ihm war.

Hikaru strich über den Fächer in seiner Hosentasche. "Warum sollte ich das tun?"

Ihre Blicke trafen sich. Hikaru wirkte müde, Touya fast verzweifelt. "Bitte." Er sagte es tonlos.

Waren das etwa Tränen in Touyas Augen? Oh Gott, dachte Hikaru, wo hatte er sich hier nur hin navigiert? Wollte er Touya wirklich heulen sehen? "Ist ja gut... In Ordnung. Aber ich will zu einem Schrein gehen."

"Am Kindertag?"

Hikaru verdrehte die Augen. "Wenn du jetzt noch anfängst, Fragen zu stellen, ändere ich meine Meinung."

"Nein! Alles gut, wir haben also ein Date."

"Nenn es nicht so!" brauste Hikaru auf, doch Touya erwiderte: "Doch, genau das wird es. Ich werde dir zeigen, wie es mit mir wäre. Nur an diesem einen Tag." Hikaru schüttelte den Kopf, aber sagte nichts mehr. Nur über meine Leiche, dachte er rebellisch, wusste aber, dass er in einer Art Zwickmühle saß, wenn er nicht wollte, dass Touya weinend vor ihm zusammenbrach. War der Junge immer schon so fragil erschienen?

"Ach sei doch still. Die zwei Tage beginnen genau jetzt, vergiss nicht, was du mir versprochen hast."

"Keine Sorge."

Sie gingen ins Go-Zimmer, nur Asumi sah auf und sah die beiden verhalten aber neugierig an. Hikaru schien in sich zusammengesunken, doch auch Touya wirkte nicht gerade übermäßig glücklich.

"Hikaru!" rief sie. "Spiel Shidougo mit mir." Er atmete erleichtert auf und kam zu ihr gelaufen. Zusammen gingen sie ein Goban von der Wand holen. Als sie sich herunterbeugten um es anzuheben, murmelte sie leise: "Und?"

"Frag nicht..." kam die resignierte Antwort. Als sie sich gegenüber saßen, versuchte sie, mit Zeichensprache noch mehr aus ihm herauszubekommen.

Sie nickte kurz in Touyas Richtung und deutete dann ein Kopfschütteln an. 'Hast du ihm ein Nein gegeben?'

Hikaru nickte leicht. Sie hob die Augenbrauen. 'Und?'

Er zeichnete eine Träne auf seine eigene Wange und verzog dann den Mund um zu zeigen, dass es ihn irgendwie in die Enge getrieben hatte, was man aus der Geste vermutlich nicht herauslesen konnte.

Asumi hob die Schultern. 'Das ist nur natürlich.' Er seufzte, beugte sich vor und wisperte tonlos: "Solange wir hier sind habe ich meine Ruhe, aber danach will er ein Date. Er hat es mir praktisch abgepresst."

Asumi musste lächeln. Was würde sie darum geben, wenn Waya sich so um sie bemühte... Doch sie hatten eindeutig Fortschritte gemacht, und sie nahm an, dass auch sie auf ein Date hoffen konnte, wenn sie wieder in Tokyo waren. Sie hoffte auch, die plötzlich sprießende Freundschaft mit Hikaru aufrecht zu erhalten. Immerhin schien sie die Einzige zu sein, der er sich anvertraut hatte was Touya betraf. Es ehrte sie, und trotzdem konnte sie nicht umhin, Touya im Stillen Glück zu wünschen, egal wie befremdlich seine Gefühle ihr waren.

"Es wird sich alles zum Besten wenden", flüsterte sie und wandte sich schließlich wieder ihrer Partie zu. Hikaru war wirklich abgelenkt. Sie wusste, dass er meinte, auf Shidougo bräuchte er sich nicht so sehr zu konzentrieren, doch sie sorgte dafür, dass er das noch bereuen würde. Am Ende gewann sie die Partie haushoch und Hikaru musste zugeben, dass er sich nicht genügend angestrengt hatte, um ihr überhaupt etwas beigebracht zu haben.

"Es tut mir leid. Lass uns später noch einmal spielen." Isumi kam herüber und warf einen Blick auf das Goban. "Woah. Shindo, was ist los?" Hikaru winkte ab, stand auf und ging in den Garten. Ein paar Minuten später setzte Yashiro sich zu ihm an den Teich.

"Hikaru..." Dieser sah überrascht auf. Was war es plötzlich, dass alle seinen Vornamen nutzen mussten?

"Ja, Kiyoharu?" Yashiro kicherte und erwiderte: "Nur zu. Meinst du nicht, wir kennen uns gut genug? Immerhin haben wir schon nebeneinander geschlafen."

Hikaru zuckte nur die Schultern.

"Was war los mit der Partie dort? Sie liegt noch auf dem Brett wie ein grausames Exempel. Und das nach deiner Partie gegen Touya gestern?"

Er tauchte wieder den Finger in das Wasser. Die Kreise begannen ganz klein und wanderten immer weiter nach außen, um neuen kreisförmigen Wellen Platz zu machen. Neugierig kamen die Goldfische an die Oberfläche und nippten vorsichtig an Hikarus Finger, bis sie merkten, dass er nicht schmeckte. Go war wohl nicht ihr Geschmack. Schließlich zog er den Finger aus dem Teich und lehnte sich an Yashiro in stummer Bitte um Unterstützung.

Er ging nicht auf die Frage ein und Yashiro stellte auch keine weiteren. Der Blonde wunderte sich, was mit seinem Freund los war. Er wollte ihm gern helfen, aber konnte sich die Stimmung nicht erklären. Erst am Vorabend hatte er seine beste Partie Go gespielt seit... jeher. Irgendetwas musste seitdem zwischen ihm und Touya passiert sein, nur was?

Da er mit Reden bei Hikaru nicht weiterkam, beschloss er, den Jungen irgendwie anders aufzuheitern. Er überlegte eine Weile und dachte schließlich an Volleyball. „Meinst du, die Touyas haben Bälle im Haus?“

Hikaru sah auf und war leicht verwirrt. So ein ungewohnter Gesichtsausdruck an ihm, fand Yashiro. Süß.

"Komm schon, jetzt lass dich nicht hängen. Lass uns zusammen suchen." Hikaru lächelte vertrauensvoll und schließlich gingen sie wieder zusammen ins Haus, um es gründlich auf den Kopf zu stellen. Statt Touya zu fragen zog Yashiro es vor, die Sache mit Hikaru selbst in die Hand zu nehmen. Nachdem sie ohne Asumis Zustimmung das Gästezimmer, in dem sie schlief, durchsucht hatten, gesellte sich Waya zu ihnen.

Zu dritt gingen sie weiter: Touyas Zimmer war als nächstes dran. Hikarus Laune sank etwas, als er das Zimmer betrat, in dem er seit dem Vorabend immer neue Hiobsbotschaften zu hören bekam, doch Yashiro sorgte dafür, dass er nicht viel nachdenken konnte. Sie durchstöberten die Schränke, Hikaru sah hinter dem Schreibtisch nach und beobachtete dann die anderen beiden.

"Was suchen wir nochmal?"

"Hikaru!!" rief Yashiro entgeistert. "Wie kannst du suchen ohne zu wissen, nach was?? Einen Ball natürlich! Jetzt schau nochmal nach!"

"Und warum genau wollen wir einen Ball... Kiyoharu?" Irgendwie machte es ihm Spaß, den Vornamen des anderen zu sagen. Es kam ihm immer wie Sticheleien vor, aber Yashiro nahm es ganz natürlich an.

"Ich will Volleyball spielen."

Hikarus Mundwinkel zogen sich nach unten. "Volleyball? Das ist ein Mädchen-Sport." Yashiro drehte sich zu ihm und ließ Waya alleine weitersuchen. Er stützte die Hände in die Hüften und erwiderte: "Erstens ist es das gar nicht und zweitens ist mir egal, was wir spielen, solange wir uns auch mal bewegen! Ich spüre meine Beine kaum noch von dem vielen Rumsitzen. Wenn dir Fußball lieber ist, dann spielen wir eben das. Aber wie das Wort schon sagt brauchen wir dafür erstmal einen Ball."

"Fußball also", sagte Hikaru nochmal und wartete dann darauf, dass die anderen ihre Durchsuchung beendeten. Sie gingen weiter zum Wohnzimmer, in dem Touya sie bei ihrer Suche unterbrach.

"Was wird das? Ihr hinterlasst eine riesige Unordnung hier!"

Hikaru grinste und meinte: "Dann solltest du erstmal dein Zimmer sehen, Touya."

Die Augen des Jungen weiteten sich und er stürmte in Richtung des besagten Raumes davon. Kurz darauf hörten die drei einen lauten Schrei und ein Stampfen, das sich ihnen näherte. Betreten blieben sie auf dem Boden sitzen und warteten auf die Gewitterwolke namens Touya.

"WAS HABT IHR EUCH DABEI GEDACHT?!" brüllte Touya.

Waya und Yashiro warfen sich einen belustigten Blick zu. Touya hatte sich noch nie in dieser Tonlage an einen von ihnen gewandt, Hikaru allerdings schien dieses Tantrum mehr als gewöhnt zu sein.

"KEIN GRUND GLEICH SO AUSZUFLIPPEN!"

"ICH WERDE SICHER KEINE LUFTSPRÜNGE MACHEN, WENN IHR DAS HAUS MEINES VATERS VERWÜSTET!!"

"DU ÜBERTREIBST TOTAL! WIR SUCHEN NUR NACH EINEM VERDAMMTEN BALL!"

"UND DAS ERSTE, WAS EUCH EINFÄLLT, IST, ALLE SCHRÄNKE AUF DEN KOPF ZU STELLEN, STATT VERDAMMT NOCHMAL ZU FRAGEN??"

Die beiden Schreihälse standen sich keuchend gegenüber, ihre Köpfe fast kollidiert, während Waya und Yashiro am Boden mit großen Augen zu ihnen aufsahen.

"Ähm... habt ihr vielleicht einen Fußball im Haus?" fragte Waya versöhnlich. Im Türrahmen sah er Asumi und Isumi, hinter ihnen Le Ping, der ebenfalls einen guten Blick auf die Streithähne haben wollte. Als sie merkten, dass das Gebrüll vorbei war, lösten sie sich von der Tür und gingen wieder zu ihren Partien zurück.

"Nein, die einzigen Spielzeuge hier sind Goban und Go-Steine", war Touyas Antwort nach einer beträchtlich langen Phase des Schweigens, in der er und Hikaru sich nur wütend angestarrt hatten.

"Okay, also... dann gehen wir schnell einen kaufen", sagte Waya beim Aufstehen. Als sie gerade gehen wollten, hielt Touya Hikaru am Arm fest. "Shindo, eine Partie", knurrte er. Keiner der drei wagte, ihm zu widersprechen, also gab Hikaru seufzend auf.

Sie gingen in Touyas Zimmer. Warum?, fragte Hikaru sich und ihm schwante Böses, doch Touya hielt sich an ihre Abmachung. Was nicht hieß, dass er nicht eine wütende Partie Go gegen Hikaru spielen konnte, wenn er dazu Lust hatte.

Während des Spiels kühlten sich ihre Gemüter merklich ab. Wo sie anfangs beide aggressive, ausufernde Züge gespielt hatten, fielen sie schließlich wieder in ihr altes Muster zurück. Der turbulente Anfang der Partie war eindeutig an der Kontur ihrer gesicherten Areale zu sehen, die sich langsam in einfachere, sanftere Muster auflöste.

Als Waya und Yashiro wiederkamen, erwarteten sie, die beiden noch immer schäumend vor dem Goban anzutreffen, doch stattdessen wirkten sie plötzlich so besonnen wie sonst auch. Sie setzten sich zu den Spielenden und betrachteten das Spielbrett. Gleichzeitig warfen sie sich einen kurzen Blick zu. Diese Form... es war sehr eindeutig, dass sie am Anfang aufeinander losgegangen waren, aber mit dem Verlauf schien das nachgelassen zu haben.

Hikaru fühlte sich an Touyas Metapher vom Vorabend erinnert. Versöhnungssex, dachte er und in dem Moment wollte er es auch schon wieder vergessen haben. Wieso ließ er sich überhaupt darauf ein?

Schließlich war es vorbei und sie sahen sich über das Goban hin an. Keine Wut mehr, nur noch ihrer beider Passion für das Spiel selbst sahen sie in den Augen des anderen. Hikarus Fingerspitzen kribbelten und er wusste, dass er gut gespielt hatte, er sah es auch in Touyas Gesicht, das glühte. Zitterte Touya?

"Lassen wir die Diskussion heute?" schlug Hikaru vor.

Touya überlegte kurz und nickte dann. "Einmal Anschreien reicht pro Tag." Hikaru warf ihm einen Blick zu der sagte 'Das glaubst du doch selbst nicht'.

Waya half ihm auf und zeigte auf den Fußball in Yashiros Hand. "Da, jetzt haben wir einen. Lasst uns in den Park gehen, dort war genug Platz zum Toben." Er grinste und dachte, dass das vielleicht genau das war, was Touya und Hikaru brauchten, um sich abzukühlen von ihren ständigen Streit'gesprächen'.

Hikaru holte die anderen, Asumi und Le Ping unterbrachen nur widerwillig ihre Partie, und nachdem sich alle umgezogen hatten - in Yukatas spielte es sich schließlich schlecht - konnten sie aufbrechen. Schon auf dem Weg war Hikaru gelöster als den ganzen Tag. Er warf sich mit Waya den Ball zu, prellte ihn, trat ihn, kickte ihn vor sich her und versuchte sich an kleinen Kunststücken, um die anderen zu beeindrucken. Bis auf die Kunststücke funktionierte auch alles.

Asumi war froh, dass er endlich ausgelassen sein konnte. Es war deutlich auf die Stimmung geschlagen, dass Hikaru Trübsal geblasen hatte.

Auch Touya lächelte, allerdings aus einem anderen Grund. Dreißig Stunden, dachte er.

Es war gerade erst um elf und nur eine kleine Familie war im Park und picknickte idyllisch. Am anderen Ende der Grünfläche war ein breiter Sandplatz, auf den die Jungen zusteuerten. Waya und Hikaru liefen vor und kickten sich den Fußball schon zu, während die anderen langsam hinter ihnen eintrudelten.

"Los, teilt euch auf!" rief Hikaru ihnen zu. Nach ein paar Minuten waren die Teams beschlossen: Hikaru spielte mit Yashiro und Isumi, die andere Gruppe bildeten Waya, Asumi, Touya und Le Ping.

Hikarus Team verzichtete auf einen Torwart: zu dritt stürmten sie vor und schoben sich an den anderen vorbei. Hikaru rannte im gestreckten Galopp an Waya vorbei und erzielte das erste Tor, bevor ihre Gegner sich formieren konnten. Er lief zurück, um mit Isumi zu verteidigen, während Yashiro versuchte, Touya den Ball abzujagen. Schon schoss der Ball zu Le Ping, der ihn, sobald sie Yashiro passiert hatten, wieder an Touya abgab. Hikaru sprang seinem Rivalen entgegen und brachte Touya so aus dem Konzept. Er sah konzentriert an Hikaru vorbei, spielte wieder zu Le Ping und schob Hikaru dann mit einer Hand am Oberkörper von sich, um an ihm vorbei zu sprinten. "Hey!" protestierte Hikaru und folgte ihm.

Sie spielten mehr als eine Stunde. Asumi hatte nach einer halben Stunde aufgegeben und so waren die Teams zumindest zahlenmäßig gleichgestellt. Die Jungs hatten gar nicht gemerkt, dass sie den Park verlassen hatte, bis sie eine Pause einlegten. Da war Asumi schon zurück und hatte auf einer Decke ein Picknick ausgebreitet, wie die Familie, die sie vorher beobachtet hatten.

Hikaru wischte sich die nassen Haare aus der Stirn und legte sich neben der Decke ins Gras. Es kitzelte ihn an den Ohren, doch er konnte sich gerade nicht dazu durchringen, sich zu bewegen. Die anderen Jungen ließen sich von Asumi Reisbällchen reichen, die sie hastig in Touyas Haus zusammengebastelt hatte. Als Hikaru sich nach einigen Minuten, die ihm wie Stunden vorkamen, aufsetzte, reichte Touya ihm eins der Onigiri. Er bedankte sich und verschlang den Reisball hungrig. Er schmeckte nach Gemüse.

"Hmm, lecker." Er fragte sich, ob Touya wusste, dass er in Reisbällchen keinen Fisch mochte. Konnte er das überhaupt wissen? Zielsicher gab Touya ihm wieder ein Onigiri mit Gemüsefüllung. Was wusste Touya noch über ihn? Gruslig, schoss es Hikaru durch den Kopf und er musste grinsen. "Womit magst du deine Reisbällchen, Touya?"

Dieser sah ihn überrascht an. "Ich bevorzuge keine besondere Art, um ehrlich zu sein. Pflaume ist in Ordnung, aber Fisch ist auch gut."

"Hmm... Man muss doch eine eigene Meinung haben." Touya lächelte nur leicht und erwiderte nichts. Hikaru schüttelte den Kopf und setzte sich zu den anderen auf die Decke. Hungrig griff er noch ein Onigiri und verzog den Mund, als er Aal darin schmeckte.

Touya musste lachen, als er Hikaru zusah. Achtundzwanzig Stunden.

~x~

Nach dem Essen spielten Isumi, Waya, Yashiro und Hikaru weiter und die anderen drei blieben auf der Wiese liegen. Touya und Le Ping unterhielten sich angeregt und der Chinese gestikulierte ausartend. Dem Meijin-Sohn war es ein Leichtes, während der Unterhaltung den spielenden Jungen zuzusehen, oder eher einem von ihnen.

Touya fand es erstaunlich, wie lange die vier Spieler durchhielten. Sie schafften noch einmal mehr als eine Stunde, bevor sie aufeinander gestützt zu ihnen kamen.

"Puh, jetzt duschen und dann in die Onsen", meinte Waya. Hikaru kickte den Ball vor sich her und war schon fast an der anderen Seite des Parks. Er fühlte sich super. Früher in der Schule war er im Sport ganz gut gewesen, aber seit seiner Go-Karriere war er zu selten beim Unterricht gewesen, um noch oft daran teilzunehmen. Dabei genoss er, wie sein ganzer Körper sich aufwärmte und seine Muskeln nun geschmeidig waren. Eigentlich konnte er jetzt erst richtig loslegen, aber die anderen waren im Gegensatz zu ihm völlig kaputt.

Hikaru fragte sich, ob es Sportturniere zwischen Go-Pros gab. Vermutlich nicht, davon hätte er bestimmt gehört. Ob überhaupt jemand mitmachen würde, wenn er so etwas organisieren würde?

Touya und Le Ping kamen zu ihm gelaufen, um ihn noch etwas weiter zu beschäftigen. Zu dritt spielten sie sich die Bälle zu und Hikaru ließ seine letzte aufgestaute Energie in lautem Lachen raus.

~x~

"Wehe, du schläfst ein!" Hikaru reichte über das Goban und schüttelte Yashiro an der Schulter. Dem Blonden fielen fast die Augen zu, und trotz Hikarus Versuch, ihn wach zu halten, musste er herzhaft gähnen. "Kiyoharuuuu! Du warst es, der hier mit uns sein wollte!"

Sie saßen wieder in Touyas Zimmer und Hikaru spielte je eine Partie gegen Touya und Yashiro gleichzeitig. Mittlerweile sah es allerdings so aus, als würde Letzterer jeden Moment nach hinten umkippen und wie Dornröschen hundert Jahre schlafen. Touya saß im Schneidersitz und stützte sich nach hinten auf seine Arme auf, während er den beiden amüsiert zusah.

"Das ist unser letzter Abend, du wolltest hier gegen uns spielen, also reiß dich gefälligst zusammen!" Doch alles Appellieren nutzte nichts, nach ein paar Minuten fiel Yashiro gegen Touya und wollte einfach nicht mehr aufwachen. Gemeinsam wuchteten sie den Jungen auf Touyas riesigen Futon und deckten ihn zu, bevor sie sich wieder ihrer Partie zuwandten.

"Yashiro darf dich also beim Vornamen nennen?"

Hikaru sah über das Goban ungläubig auf. "Ich habe nie gesagt, du dürftest das nicht, Touya. Es ist nicht so, als hätte ich das Recht, es anderen zu verbieten." Denn wenn er das hätte, wäre Touya wahrscheinlich der Erste, an dem er es anwenden würde.

"Gut zu wissen... Hikaru." Er erschauderte wieder. Gruuuuslig. Touya sah es, ließ es aber unkommentiert. Genau das hatte er damit gemeint. Dass er bei Shindo irgendeine Art allergischer Reaktion hervorrief, die dieser einfach nicht unterdrücken konnte. Er ließ das Thema auf sich beruhen und meinte stattdessen: "Das ist unser letzter Abend hier."

Hikaru nickte. Warum wollte Touya während ihrer Partien immer so viel reden? Ihm fiel es schon schwer genug, im konzentrierten Zustand brilliante Züge zu spielen, doch mit Konversation verkamen sie oft zu halbgaren Partien, die niemanden beeindrucken würden.

"Die Zeit hier war wirklich schön. Ich glaube, immer wenn ich Kirschblüten sehe, werde ich hieran denken müssen, an den Garten, an die Quellen, an die vielen Partien Go und an uns." Er meinte sie alle, die ganze Gruppe junger Pros - und einer Insei - mit denen er die Tage verbracht hatte und die ihm viel mehr ans Herz gewachsen waren, als er für möglich gehalten hatte. Die Zeit der Nähe hatte ihre Spuren hinterlassen und er glaubte, tatsächlich Freundschaften fürs Leben geschlossen oder vertieft zu haben.

Hikaru seufzte zufrieden und Touya wusste, dass der Junge nur allzu leichtfertig Touyas Geständnis vergessen hatte, denn noch zeigte sein Gesicht keine Spur der Unbehaglichkeit, die er sonst bei dem Gedanken daran aufwies.

"Es wäre schön, wenn wir das nächstes Jahr wiederholen können", sagte Touya. Hikaru sah überrascht auf, daran hatte er noch gar nicht gedacht. Noch einmal eine traumhafte Woche im Rahmen seiner besten Freunde? Sein Gesicht hellte sich noch weiter auf und er sah Touya mit blitzenden Augen an. Dann sah er auf das Goban, wurde wieder ernst und legte den nächsten Stein, mit dem er eine Kontur vervollständigte, die Touyas Dominanz in der Mitte des Spielbretts gefährdete. Touya nickte und erwiderte den Zug mit einer Verteidigung seiner Steine.

~x~

Als Akira am nächsten Morgen aufwachte, stellte er fest, dass er es tatsächlich noch bis in den Futon neben Yashiro geschafft hatte und dass die lauten Schlafgeräusche des Blonden ihn offensichtlich nicht mehr gestört hatten. Nunja, es musste auch weit nach vier Uhr gewesen sein. Shindo schlief wieder neben dem Goban, er lag auf dem Bauch, hatte die Beine ausgestreckt und die Hände unter seinem Kopf verschränkt. Es konnte nicht gut sein, jeden Tag in Straßenklamotten zu schlafen, und als er das dachte musste Akira kichern, weil Shindo ihn vermutlich wieder einen Moralapostel nennen würde.

Er blieb eine Weile liegen und hörte Yashiros jetzt nur leichtem Schnarchen zu. Ab und zu hörte er Shindos sanftes Atmen, zu dem er in den ersten Tagen nur allzu gern eingeschlafen war.

Lange hielt er es nicht aus. Zu sehr trieb ihn der Gedanke an eine eventuell noch spielbare neuerliche Partie gegen die beiden Jungen in seinem Zimmer. Er fand es erstaunlich, wie sehr sich das Ganze wieder anfühlte wie die Vorbereitung auf den Hokuto Cup, als sie in seiner Wohnung drei Tage gewohnt und Go geübt hatten. Schade, dass so eine Gelegenheit nicht wieder so schnell aufkommen würde, aber er musste zugeben, dass sein Zeitplan nach der Golden Week beträchtlich voller geworden war, nachdem er alle Spiele in dieser Woche auf die Wochen darauf hatte verteilen lassen. Er fürchtete, eine Weile gar nicht mehr in den Salon seines Vaters gehen zu können, der einzige Ort, an dem er gegen Shindo spielen konnte.

Das Geräusch zwischen Knurren und Stöhnen, das Hikaru beim Aufwachen oft ausstieß, ließ Touya wissen, dass er nicht mehr schlief. Interessiert sah er zu, wie Hikaru sich erst eine ganze Weile reckte, seine eingeschlafenen Hände rieb und sich schließlich aufsetzte. "Du sollst mich doch nicht beobachten!" rügte Hikaru, doch Touya winkte nur ab und dachte: sieben Stunden.

Sie überließen Yashiro sich selbst und gingen zu den anderen. Le Ping und Asumi saßen im Go-Zimmer und spielten, Isumi und Waya hatten sich auf die Wiese im Garten gelegt. Hikaru ging zu ihnen und Isumi blinzelte ihm gegen die Sonne entgegen. "Muskelkater", erklärte er matt, ohne sich von der Stelle zu bewegen.

Überrascht überprüfte Hikaru seine eigenen Gliedmaßen, dehnte Arme und Beine in verschiedene Richtungen und stellte fest, dass sie sich nur biegsamer anfühlten als am Vortag, nicht aber überdehnt. "Wisst ihr, Wärme soll helfen gegen Muskelkater." Er grinste und hoffte, sie würden noch ein letztes Mal die Quellen besuchen. Erstmal allerdings überließ er sie ihren Schmerzen und ging in die Küche, um sich etwas Essen zu nehmen. Es war um elf, die anderen hatten offensichtlich schon gefrühstückt, also nahm er sich von den Cornflakes, die sie am ersten Tag gekauft hatten. Mit einer Schüssel in der Hand ging er zurück zu der Partie zwischen Asumi und Le Ping, die Touya lässig beobachtete.

"Shindo, eine Partie?" fragte der Junge, doch Hikaru schüttelte den Kopf und deutete auf sein Frühstück. "Lass mich wenigstens etwas essen, sonst kipp ich noch vom Fleisch."

Asumi prustete und erwiderte: "Als ob das je passieren wird!"

"Was soll das heißen??"

Touya schmunzelte. "Naja, du hast dir schon einen gewissen Wintervorrat angefuttert."

"Touya!" Hikaru sah entrüstet zu dem anderen und aß schmollend einen Löffel seiner Cornflakes. "Ich verbrenne auch viel am Tag!" sagte er schließlich.

"Beim Go-Spielen?"

"Natürlich, das Gehirn braucht viel Energie!"

Touya rollte die Augen. "Wenn du es denn einsetzen würdest." Schon sprang Hikaru auf und wollte sich auf ihn stürzen, doch Asumis Hand auf seinem Oberkörper hielt ihn zurück. Nicht, dass sie die Streitigkeiten schlichten wollte - die sie sowieso nur als spielerisch ansah - aber Hikarus nächster Satz hätte ihn genau über das Goban befördert und das konnte sie nun wirklich nicht tolerieren.

Yashiro erschien gähnend im Türrahmen. "Schon wieder so viel Action am frühen Morgen? Warum habt ihr mich nicht geweckt?"

Hikaru drehte sich ihm zu und winkte, bevor er sich wieder zu seinem Frühstück setzte. Er schaffte es immer wieder, Touya mit seinem schnell abkühlendem Gemüt zu überraschen. Nicht, dass das immer der Fall war, aber nichtige Streitigkeiten schien er schnell wieder zu vergessen. Nicht die schlechteste Eigenschaft, dachte Akira.

"Gestern habe ich versucht, dich wachzuhalten", hielt Hikaru dem Blonden vor. "Wenn du die Augen erstmal geschlossen hast, schläfst du sowieso wie ein Toter, da ist es einfacher, darauf zu warten, dass du von selbst aufwachst."

"Oder aber von deinem Gebrüll."

"Pff!"

"Touya, lass uns spielen." Dieser nickte, ernst lächelnd. Hikaru mochte dieses Lächeln an Touya, es zeigte seine ganze Verbissenheit, mit der er einer Partie gegenübertrat. Es sprach von all dem, was sie beide verband: Liebe, Entschlossenheit, Aufopferung für das Spiel. Go war der Punkt, an dem sie sich berührten.

Die beiden saßen noch nicht einmal, da war Hikaru schon neben ihrem Goban. Touya war schon vollkommen auf das Spiel eingestellt, er saß angespannt vor dem Feld und wartete geduldig auf Yashiro, um die Zugreihenfolge im Nigiri zu entscheiden.

Hikaru betrachtete Touya. Der akkurat geschnittene dunkelgrüne Pony reichte ihm bis an die Augenbrauen, die anderen Haare, die ihm jetzt leicht ins Gesicht hingen, endeten beim Kinn. Der Yutaka, den er wieder trug, saß perfekt, die Stoffbahnen lagen genau auf seiner Haut, nur zwischen Schulter und Schlüsselbein waren wenige Millimeter Platz.

Yashiros Sommerkimono hingegen wirkte liderlich; nicht nur, dass er ihn etwas falsch gebunden hatte, hinzu kam, dass er ihm zu klein war und ein beträchtlicher Teil seines Armes, der eigentlich verdeckt sein sollte, zu sehen war. Hikaru sah an sich hinab. Auch seine Arme waren vom Handgelenk aufwärts ein paar Zentimeter unbedeckt. Ob er auch wie Yashiro aussah darin?

Er schüttelte den Kopf. Es war ihr letzter Tag. Am Abend würden sie wieder in Tokyo sein - er sollte die Zeit nutzen, die ihm hier noch blieb.

"Isumi! Waya!! Kommt rein, ihr Feiglinge, ich will gegen euch spielen!" Touya sah ihn pikiert an, da er genau neben ihm gesessen hatte, doch Hikaru grinste nur und dachte, was für ein Mädchen Touya doch war. Immer störte ihn irgendetwas, nie konnte er etwas auf sich beruhen lassen oder die Zeit genießen.

Die beiden vermuskelkaterten Jungen kamen ins Haus und schoben zwei Goban zurecht. Hikaru nahm zwischen den beiden Spielbrettern Platz und ließ den Jungs wohlwollend die Schalen mit den schwarzen Steinen.

~x~

Sie hörten das Auto vor dem Haus halten und nur kurz darauf rang ein Klingeln durchs Haus. Hikaru und Waya sahen sich an und Hikarus Mundwinkel verzogen sich nach unten. Es war Zeit. Dabei war es erst fünf Uhr nachmittags.

Schließlich waren sie nicht mehr zu den Onsen gegangen. Hikaru hatte sich geweigert, die letzten Stunden mit irgendetwas anderem als Go zu verbringen, und die anderen hatten nichts dagegen einzuwenden gehabt. Touya hatte Sushi bestellt, das sie während der Partien verschlungen hatten. Hikaru hatte gegen Yashiro und gegen Isumi je ein eineinhalb Stunden Spiel absolviert und beide gewonnen, danach hatten sie unzählbar viele Runden Speed-Go gespielt, jeder gegen jeden, immer wieder im Wechsel, bis sie nach drei Stunden alle kaputt gewesen waren. Danach hatte er eine Stunde gegen Touya gespielt und hatte eine wirklich gute Partie abgeliefert, und gerade war er eigentlich dabei gewesen, gegen Waya zu spielen, als die Ankunft seiner Mutter sie unterbrach.

Geschockt fiel ihm auf, dass sie noch aufräumen mussten, doch als er sich umsah, erkannte er, dass irgendjemand aus ihrer Gruppe das schon getan hatte. Touya und Asumi waren die Putzengel gewesen, die nebenbei auch die Taschen der anderen gepackt hatten, was Hikaru sehr befremdlich fand.

Auf dem Weg zur Tür stellte er fest, dass alles in bester Ordnung war, wie bei ihrer Ankunft. Er öffnete seiner Mutter und begrüßte sie halbherzig. War es wirklich schon soweit? Er wollte noch bleiben, wollte nie wieder weg von hier. Er sah, dass die Hälfte der Kirschblüten schon den Rasen des Gartens schmückten. Auch sie würden bald verblüht sein, vielleicht war es doch gut, alles so in Erinnerung zu behalten, wie es jetzt war.

Touya und Isumi trugen die Taschen zum Auto, nachdem sie Hikarus Mutter höflich begrüßt hatten.

"Seid ihr auch gut zurecht gekommen, so ganz alleine?" fragte die Frau ihren Sohn sorgenvoll. Er sah müde und abgespannt aus, aber nichtsdestotrotz glücklich.

"Ja, Ma, keine Sorge. Wir hatten auch ein Mädchen dabei, das auf uns aufgepasst hat. Und Asumi war ja auch noch da", meinte er grinsend mit einem Blick auf Touya, der allerdings nichts von seiner Spitze mitbekam. Liebevoll legte Hikarus Mutter ihrem Jungen die Hand auf die Wange, doch er schob sie beschämt weg. Nicht vor meinen Freunden, sagte die Geste, mit der er wieder ganz der kleine Junge war, der er vor der ganzen Go-Geschichte gewesen war. Sie lächelte und schob ihn ins Haus, damit er seine Sachen holte.

Asumi kam ihm entgegen, einen Koffer hinter sich her ziehend. Sie lächelte ihn traurig an und er wusste, dass sie genau das Gleiche fühlte wie er. Er drückte ihre Hand und meinte: "Nächstes Jahr kommen wir wieder her."

Sie schniefte leise und erwiderte: "Es war wirklich schön. Ich werde es vermissen, euch nicht jeden Tag zu sehen." Hikaru nahm sie flüchtig in den Arm und ging dann ins Go-Zimmer, von dem aus er den Garten noch einmal sehnsüchtig betrachtete. Yashiro stand neben ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.

"Ich zitier dich ja nur ungern, aber - wir kommen nächstes Jahr wieder her. Also spar dir die Wehmut."

Hikaru grinste ihn an und holte dann seine Tasche. Hoffentlich würde er Yashiro bald wiedersehen. Und Le Ping auch.

Er fühlte sich sehr an Ochi erinnert, dem es am Vortag genauso schwer gefallen war, ihnen den Rücken zuzukehren und sie zu verlassen. Schließlich atmete er tief ein und verließ das Haus. Ein Jahr und sie würden sich alle wiedersehen, dachte er. Halb so wild, wirklich.

Seine Mutter stand am Auto, doch sie schwenkte eine Kamera in ihrer Hand. "Lasst uns noch ein Foto von euch allen machen." Die Jungen und Asumi liefen zusammen und bildeten eine fröhliche Reihe von lachenden Gesichtern, sie winkten in die Kamera und umarmten sich fest. Das waren sie, die letzten Momente ihrer Goldenen Woche.

Vom Auto aus betrachtete Hikaru den Garten, dann fuhren sie los. Isumis Auto bog hinter ihnen auf die Straße, Yashiros, in dem diesmal das Gepäck untergebracht war, folgte am Schluss. Als das Haus nicht mehr zu sehen war drehte Hikaru sich nach vorne, rutschte in seinem Sitz etwas nach unten und schloss die Augen. Es war erstaunlich, wie gut er einschlafen konnte, allerdings auch wieder nicht erstaunlich, schließlich hatte er die letzten Nächte statt auf seinem Futon lieber vor dem Goban verbracht.

Der fünfte Mai

Als Hikaru das nächste Mal die Augen öffnete, standen sie vor Touyas Haus und seine Mutter rüttelte an seiner Schulter. "Hikaru! Hilf Touya-kun mit seinen Sachen." Er gähnte ausgiebig und stieg dann aus dem Auto, Hände in seine Hosentaschen gestopft. Aus dem Kofferraum nahm er Touyas Reisetasche, der andere Junge trug einen kleinen Koffer und gemeinsam gingen sie ins Haus.

Hikaru stellte die Tasche ab und wandte sich zur Tür, doch Touya hielt ihn auf.

"Ich hole dich um zehn ab." Ach, fast hatte er vergessen, dass er Touya den nächsten Tag versprochen hatte. Hikaru seufzte.

"Du brauchst mich doch nicht abholen! Ich weiß, wo du wohnst!"

Touya verdrehte die Augen. "Ja, und das letzte Mal, als du da warst, bist du den halben Abend mit Yashiro durch die Gegend geirrt." Daran erinnerte er sich nur allzu gut, das war in der Woche vor dem Hokutopokal gewesen. Touya hatte ihnen zwar eine Karte aufgemalt, aber Hikaru war überzeugt gewesen, er würde das auch ohne schaffen.

"Jetzt weiß ich es ja!"

Touya griff ihn am Handgelenk und zog ihn näher. "Lass mich einfach. Das würde ich bei einem Date auch machen." Er griff auch noch Hikarus andere Hand und zog den Jungen zu sich. Ihre Lippen trafen sich für Sekunden.

"Touya!" rief Hikaru entsetzt.

"Wir sind nicht mehr in Itou und die anderen sind jetzt weg. Die Schonzeit ist vorbei." Hikaru sah ihn aus wütenden Augen an, sagte jedoch nichts.

"Morgen um zehn", sagte Touya nochmal und schob ihn dann aus der Tür, beides verbesserte nicht unbedingt Hikarus Stimmung. Doch weil er wusste, dass seine Mutter ihn vermutlich vom Auto aus sah, widerstand er dem Drang, Touya die Tür vor der Nase zuzuschlagen, sondern ging einfach grußlos.

Sie brauchten nicht mehr lange, bis sie zu Hause waren. Hikarus Mutter ließ ihm seine Ruhe und beschränkte sich darauf, ihm etwas Essen zu bringen und ein Bad für ihn einzulassen. Als er schließlich gesättigt und gebadet auf seinem Bett lag, konnte er kaum noch die Augen offen halten. Es reichte gerade dazu, sich einmal im Zimmer umzusehen und lächelnd den vergessenen, auf dem Tisch liegenden Fächer zu entdecken, dann schlief er auch schon. Einschlafprobleme würden wohl nie Hikarus Art von Problemen sein.

~x~

"Hikaru, wach auf." Seine Mutter hockte vor seinem Bett und langsam ging ihr die Geduld aus. Er hatte seit gestern Abend um sieben geschlafen und nun war es schon zehn Uhr früh, wie konnte er immer noch so müde sein? "Hikaru, Touya-kun wartet auf dich." Schlagartig öffnete er seine Augen.

"Wieso hast du mich nicht eher geweckt?" Er setzte sich auf und rieb sich die Schläfen.

"Ich wusste nicht, dass ihr euch heute trefft, du hast nichts gesagt." Hm, das stimmte wohl. Eigentlich hatte er gut Lust, Touya noch eine Stunde warten zu lassen, aber seine Mutter würde ihm das sowieso nicht erlauben. "Soll ich dir Sachen rauslegen?"

"Ma, ich bin kein kleines Kind mehr!"

"Okay, dann gehe ich zu Touya-kun." Sie nahm noch etwas aus seinem Kleiderschrank und ging dann nach unten, wo sie es in einen Beutel steckte und Touya reichte.

Hikaru stapfte zum Schrank, der noch offen stand, und fragte sich, was er tragen sollte. Was Touya wohl anhatte? Normalerweise trug er ja irgendwelche strengen Hosen und komische Pullis oder Hemden, wenn er nicht gerade wieder im Anzug rumlief. Hikaru entschied sich für seine üblichen Jeans, dazu allerdings ein dunkelgrünes Hemd.

Beim Zähneputzen richtete er seine Haare, die vom Schlafen noch wild abgestanden hatten. Er wusch sich das Gesicht und ging schließlich nach unten. Touya stand noch im Flur, in perfekter Haltung, wie immer. Er trug hellgrüne Khakis und ein weißes Hemd. Für Touya sah es ungewohnt leger aus. Hikaru verzog den Mund, als er dachte, dass Touya tatsächlich schwul aussah.

"Morgen, Shindo", begrüßte Touya ihn, nachdem sie sich kurz gegenseitig gescannt hatten.

Hikarus Mutter kam herbei und bat Touya in die Küche. "Hikaru, du solltest noch etwas essen. Touya-kun, möchtest du auch Frühstück?"

"Nein danke, ich esse früh ungern."

Während die Frau begann, über die Wichtigkeit von Frühstück zu reden, aß Hikaru seines lustlos. Er trank ein Glas Eistee dazu und sprang schließlich vom Tisch auf. "Lass uns gehen, Touya. Danke für das Frühstück, Mama!" Touya hing sich den Beutel, den Hikarus Mutter ihm gegeben hatte, über die Schulter und ging dann an Hikarus Seite aus dem Haus.

Er schlug den Weg zur Bahn ein.

"Was machen wir heute?" wollte Hikaru wissen. Touya lächelte geheimnisvoll. "Du wirst schon sehen." Hikaru schmollte leicht, stocherte aber nicht weiter. Nebeneinander spazierten sie die leicht engen Straßen der Wohngegend entlang und Hikaru begann zu denken, dass der Tag noch nicht schlecht begonnen hatte.

Die Bahn war recht voll, kein Wunder an einem Feiertag, viele wollten am Kindertag mit ihrer Familie Ausflüge machen oder in die großen Parks gehen. Als sie einstiegen sahen die beiden einen freien Platz. Touya schob Hikaru in die Richtung. Der Blonde wollte protestieren, doch Touya drückte ihn bestimmend hinunter auf den Sitz und lehnte sich an die Seite.

"Wir fahren eine Weile, also sitz du. Ich weiß, dass du ungern zwischen den Menschen stehst." Hikaru lehnte den Kopf zurück und fragte sich, ob widersprechen etwas bringen würde. Touya würde vermutlich wieder etwas Peinliches sagen, sowas wie 'als mein Freund würde ich dir immer den Vortritt lassen'. Er verdrehte die Augen und sagte schließlich doch nichts. Nach einer Weile erkannte er den Weg zum Go-Institut und fragte sich, ob Touya an diesem Tag, der ganz seiner sein sollte, tatsächlich mit ihm zum Institut wollte.

Die Haltestelle kam und Touya zupfte an seinem Ärmel. "Wir sind da." Hikaru schaute ihn ungläubig an, als er ihm aus der vollen Bahn folgte.

"Bei dir geht es wirklich nur um Go, Touya", sagte er kopfschüttelnd. Dieser sah ihn überrascht an, wandte den Kopf nach vorne und dann zurück zu ihm, mit einem leichten Lächeln.

"Denkst du wirklich, so einen Tag möchte ich mit dir im Institut verbringen?" Er schüttelte amüsiert den Kopf und hinterließ Hikaru mit etlichen Fragen. Die er mal wieder nicht beantworten würde.

Sie passierten das Institut und warfen nur einen flüchtigen Blick darauf, unverkennbar sehnsüchtig. Schließlich leitete Touya ihn zu einem Gebäude in der Nähe. "Hier."

Hikaru blieb stehen und sah nach oben. Aquarium. Er schaute Touya wieder überrascht an. "Aquarium?"

"Bravo, du hast offiziell die Leseprüfung bestanden." Hikaru stieß ihn in die Rippen und ging dann zum Eingang. Touya folgte ihm zur Kasse, an der er den Blonden hinter sich schob. "Ein Schülerticket bitte." Hikaru war überrascht, dass Touya nicht darauf bestand, für ihn zu bezahlen, doch er sagte nichts. Ihm war es nur recht, ihm nicht zu viel schuldig zu sein. Er sah sich die Preise an und kramte 500 Yen aus der Tasche. Für viel mehr würde sein Bares wohl nicht mehr reichen. Warum hatte er daran nicht gedacht, als er am Morgen losgegangen war?

Nachdem Touya das Ticket hatte zog er Hikaru in Richtung Eingang. Der andere wollte protestieren, doch wieder bekam er keine Erklärung. Touya reichte dem Kontrolleur das gekaufte Ticket und zog eine Karte aus seinem Portmonnaie, die er vorzeigte. Hikaru stolperte hinter ihm her und kam sich wie ein Kind vor. "Was hast du da?" fragte er Touya, nachdem sie den Eingang passiert hatten. Touya zeigte ihm die Karte, die wie eine EC-Karte mit einem Rochen darauf aussah, auf der Rückseite ein Passbild Touyas.

Als Hikaru offensichtlich nicht verstand, setzte Touya hinzu: "Eine Jahreskarte."

"Ahh." Warum hatte Touya eine Jahreskarte für das Aquarium?

Die Frage schien Hikaru ins Gesicht geschrieben, denn Touya beantwortete sie nach kurzem Blickkontakt. "Naja... ich mag es hier. Die Ruhe, die Akustik, die Becken, die Farben. Ich kann hier gut entspannen. Nicht zu vergessen die unverkennbare Nähe zum Institut. Vor meinen Spielen komme ich oft hierher, um mich zu konzentrieren. Auch wenn mich etwas aus dem Takt bringt. Ich zeige dir nachher, wo ich dann bin." Hikaru betrachtete Touyas Profil verwundert. Hatte Touya tatsächlich mehr als nur Go im Sinn? Er fand es seltsam, etwas kennenzulernen, was Touya am Herzen lag und von dem er vorher nichts gewusst hatte.

Hikaru war wieder stehen geblieben und Touya drehte sich auf den Hacken zu ihm um. Es sah geschmeidig und seltsam fehl am Platz aus. "Komm schon, Shindo! Wenn du immer so lange brauchst, dann werden wir gar nichts sehen!" Er ließ sich von Touya am Ärmel mitziehen. Irgendwie ließ er sich heute zu viel herumzerren, dachte er flüchtig.

Sie liefen durch schwarze Gänge, die mit blauen Lichtern am Boden erleuchtet waren. Schließlich kamen die ersten Aquarien. Auch die Sonnenstrahlen, die durch das Wasser gefiltert wurden, schienen blau zu sein. Hikaru verstand, warum Touya es so beruhigend fand. Im Hintergrund lief leise Klassikmusik, die zu der Ruhe der Fische wunderbar passte. Im Becken vor sich erkannte Hikaru einen großen Schwarm gleichartiger Fische, die sich im Einklang miteinander bewegten und fast wie eine homogene Masse wirkten.

"Sardinen", kommentierte Touya, der so nah bei Hikaru stand, dass dieser den Stoff seines Hemdes an den feinen Härchen auf den Armen spürte. "Beeindruckend, wie sie sich aufeinander abstimmen, so ganz anders als Menschen, die alle nebeneinander her leben."

"Das klingt ganz schön zynisch, Touya", grinste Hikaru, doch er bekam nicht einmal ein Lächeln als Antwort.

"Ich meine es ernst", sagte der andere schließlich. "Wieviel weiß man schon über die Menschen, mit denen man lebt? Wer macht sich noch die Mühe, andere wirklich von Grund auf kennenzulernen?" Er sah Hikaru ernst an. "Ich weiß, dass du es nicht hören willst, aber du bist es, den ich kennen möchte. Von Grund auf, in- und auswendig, am allerbesten von allen." Touya hatte Hikarus Hand genommen und hielt sie nun in seiner. Der Blonde wollte sie wegziehen, doch Touya sagte: "Das ist mein Tag, du hast es versprochen. Also lass mir das." Er seufzte und ließ Touya gewähren.

Schließlich wurde er zum nächsten Becken gezogen. Er hörte, dass mit ihnen auch ein oder zwei Familien im Aquarium waren, ihre Stimmen waren durch die Gänge leise zu vernehmen. Im nächsten Becken sah er langsame Eminenzen mit Gesichtern wie die von Greisen. Ihre Zähne wirkten klein und zerbrechlich, doch Hikaru wusste, dass es sich um Piranhas handelte.

"Sie sehen so friedlich aus", wunderte er sich. Das blaue Licht schimmerte auf ihren glatten Körpern und ließ sie wie surreale Taucher wirken.

"Sie sind sehr aggressive Tiere. Aber diese hier sind schon etwas älter. Im Zoo können sie doppelt so alt werden wie in der Natur - bis zu dreißig Jahre, und die meisten von diesen haben schon über zwanzig Jahre auf dem Buckel. Vielleicht macht das Alter sie träge."

Hikaru merkte nicht, dass Touya seine Hand, die er immer noch hielt, nutzte um ihn näher zu sich zu ziehen. Er staunte die Fische mit großen Augen an. "Woher weißt du das?"

"Einer der Mitarbeiter hat es mir erzählt, als ich vor einer Weile hier stand. Ich habe das gleiche gesagt wie du." Hikaru sah Touyas lächelndes Profil. Auch auf Touyas Haut schien das blaue Licht und färbte sie melancholisch. Die grünen Augen spiegelten das Becken vor ihnen. Nach einigen Minuten gingen sie weiter. Ein langer schwarzer Gang führte sie in einen Raum, dessen eine Wand eine riesige Plexiglasscheibe bildete. Touya deutete auf die gegenüberliegende Seite, auf der große schwarze Kissen lagen.

Sie legten sich in die Kissen und Hikaru beobachtete das Treiben im Becken, während Touya es sich neben ihm noch bequem machte, bevor er sich schließlich zu ihm beugte und mit dem Finger auf verschiedene Fische zeigte. "Der Kleine dort ist ein Katzenhai, der mit den dunklen Flecken. Und der, der gerade ins Bullauge schwimmt ist ein Ammenhai." Im Aquarium war ein kleines Piratenschiff als Deko aufgestellt, an dem sich verschiedene Moose, Schnecken und Anemonen festgesetzt hatten.

"Ist das da ein Hammerhai?"

"Jap."

"Cool", staunte Hikaru. Diese markanten Tiere hatte er bisher nur aus dem Fernsehen gekannt.

"Haie scheinen immer in sich zu ruhen, ich finde sie faszinierend. Hier bin ich, wenn ich nachdenken möchte, oder wenn ich nervös bin."

Hikaru grinste. "Du bist mal nervös, Touya?" Es blieb unkommentiert, wie so vieles. Er fragte sich, warum Touya dazu nichts sagte. Eigentlich konnte es dann nur mit ihm zu tun haben. Hikaru dachte den nächsten Schritt weiter und sah den anderen überrascht an. War er jetzt gerade nervös? Er sah nicht so aus, aber hatte er ihn je bewusst nervös gesehen? Wenn er so darüber nachdachte, würde ihn die Situation vermutlich auch stressen - mit seinem Herzblatt, das nicht an ihm interessiert war, auf einem Date, das man sich erpresst hatte. Er würde kein Mitgefühl für Touya haben, schärfte er sich ein.

Schließlich stand Touya auf und bot Hikaru seine Hand zum aufstehen an. Dieser lachte und schlug die Hand aus mit den Worten: "Als ob du Hungerhaken mich hochkriegen würdest." Touya schürzte beleidigt die Lippen und ging vor, während Hikaru hinter ihm her schlenderte und sich die kleinen Becken am Rand ansah. In einem erkannte er winzige Seepferdchen, die laut Aufschrift gerade in der Aufzucht waren. Im nächsten waren Seesterne, ziemlich langweilig, befand Hikaru. Eins weiter sah er Garnelen, die ihn mit ihren langen Beinen sehr an Spinnen erinnerten. Sie flogen fast über den sandigen Boden in ihrem Becken, Beinchen kaum sichtbar. Hikaru sah nach vorne und erkannte, dass Touya ihn beobachtete. Seine schlanke Gestalt zeichnete sich in dem weißen Hemd vom dunklen Gang ab, sein Lächeln wurde von dem blauen Licht erhellt.

"Gefällt es dir?"

Sein erster Impuls war, den Kopf zu schütteln, doch warum sollte er lügen? Also nickte er. Touyas Lächeln wurde breiter, ein echtes Lächeln. Hikaru hatte so eines erst selten gesehen, er erinnerte sich an ein Mal, als er Touya mit seinem Vater beobachtet hatte, da hatte er genauso ausgesehen. Sie setzten die Besichtigung zusammen fort. Langsam fühlte Hikaru sich tatsächlich wie auf einem Date, zumindest ließ Touya nichts unversucht, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Trotzdem fand er es befremdlich, mit einem Jungen eine Verabredung zu verbringen. Nicht, dass er je eine mit einem Mädchen gehabt hatte, musste er sich seufzend eingestehen. Seine einzigen festen Treffen hatten dem Go gegolten.

Als nächstes standen sie vor einer großen Plexiglaswand, hinter der belebtes Treiben herrschte. Hikaru ging nah heran und beobachtete die Fische, die dahinter umher trieben. Er spürte Druck auf seiner Schulter und sah zur Seite. Touyas Gesicht, und zwar viel zu nah.

"Äh..."

"Das hier ist mein Tag -"

"Jaja, ich weiß", murrte Hikaru. Seine Nackenhaare standen aufrecht und er spürte, wie eine Gänsehaut sich über seinen ganzen Körper ausbreitete. Touyas Hand erschien auf der anderen Seite neben seinem Gesicht. Er zeigte auf einen Fisch, der vor ihren Augen vorbeischwamm. Er sah aus wie eine gelbe aufrechte Scheibe mit feinen perlmuttfarbenen, roten und blauen Streifen an der Rückenflosse und am Kopf. "Das ist ein Diskusfisch. Wie der Piranha lebt er im Amazonas." Hikaru folgte dem Tier mit seinen Augen, bis es gemächlich hinter einen Stein schwamm. Der nächste Fisch präsentierte sich hinter der Scheibe. "Ein Skalar. Die gibt es auch in Heimaquarien öfter."

Hikaru nickte. Er kannte diesen Fisch aus seinen früheren gelegentlichen Besuchen in Zoohandlungen. Auch ihn verfolgte er durchs Becken, die Schönheit schien sich gerne ansehen zu lassen, denn bald schwamm sie wieder vor ihnen entlang. Hikaru versuchte, sich nicht auf die halb angenehme Nähe zu konzentrieren, die zwischen ihm und Touya herrschte. Er konnte zumindest vorgeben, es sei eine freundschaftliche Berührung, mit Waya oder Yashiro hatte er sicher auch schon so zusammengestanden. Wenn er genau aufpasste konnte er Touyas Atem an seinem Ohr spüren. Hikaru deutete ein Kopfschütteln an. Hatte er sich nicht gerade eingeschärft, eben nicht genau aufzupassen?

Touyas Arme ruhten auf seinen Schultern. Er fragte sich, ob der Junge auf den Zehenspitzen stand, doch die ein, zwei Zentimeter machten vermutlich keinen allzu großen Unterschied aus.

"Siehst du die große Muschel da unten?" Touyas Stimme war leise, weil er nah genug an Hikarus Ohr war. Der Blonde nickte. "In ihr ist ein Einsiedlerkrebs. Er hält sich eine Seeanemone auf seinem Haus." Wieder konnte er nur staunen. Dieses Aquarium war wirklich verwunderlich.

Neben ihnen sprang ein Kind an die Scheibe und drückte seine Nase dagegen. "Mama, guck mal!" Nun drückte es auch seine Hand gegen die Scheibe, um auf einen der Fische zu zeigen. Hikaru schüttelte Touya ab und ging den Gang weiter. Hatte die Familie sie so gesehen? Er seufzte und hoffte, dass dem nicht so war.

Der nächste Raum war zur Hälfte mit einem brusthohen Becken ausgefüllt. Es war groß und der Gang führte in einem Bogen daran vorbei. Hikaru hockte sich hin und suchte nach den Bewohnern, die nicht lange auf sich warten ließen. Ein großer Rochen kam langsam in seine Richtung geschwebt. Sein Kopf hob sich aus dem Wasser und es sah fast aus, als sähe er Touya an. Während seine Mundöffnung sich aus dem Wasser hob entstand ein seltsames schmatzendes Geräusch, das Hikaru zum Lachen brachte. Er tauchte wieder unter und schwamm langsam davon. Ein weiterer Rochen kam und steckte den Kopf nach draußen.

"Ob man die streicheln kann?" fragte Hikaru sich, doch Touya schüttelte den Kopf. "Lieber nicht, glaub mir." Er zuckte die Schultern und ging an Touyas Seite am Plexiglas entlang. In diesem Becken war der Boden mit hellen Steinen geschmückt, auch an diesen wohnten wabernde Seeanemonen.

Nach diesem Raum strahlte ihnen die Sonne plötzlich entgegen. Hikaru schirmte seine schmerzenden Augen ab und sah sich um. Vor ihnen lagen verschiedene kleine und mittlere Teiche, Brücken, wenige Pflanzen.

"Komm, gleich werden die Kois gefüttert." Touyas Hand war schon wieder in seiner. Er verdrehte die Augen. Musste das sein? Naja, er würde Touya seinen Spaß lassen, schließlich war es seine einzige Gelegenheit. Also ließ er sich mitziehen, der andere schien sich bestens mit den Becken auszukennen und schließlich standen sie an einem kleinen Teich, zu dem auch gerade einer der Pfleger kam. Weit und breit war sonst niemand zu sehen.

"Wollt ihr sie auch füttern?"

Hikaru schüttelte gerade den Kopf als Touya sagte: "Gern, dankeschön." Er erhaschte einen verblüfften Blick, als er etwas von dem körnigen Fischfutter in Hikarus Hand füllte. Dann schloss er sie zu einer Faust und zeigte ihm, dass zwischen Daumen und den anderen Fingern eine Art Loch sein sollte, aus dem die Fische das Futter fressen konnten. Hikaru hockte sich an den Teich und hielt die Hand ins Wasser, wie es ihm gezeigt wurde.

Er schrie auf, als plötzlich ein ganzer Fischschwarm an seiner Faust war. Nach dem ersten Schock tauchte er sie wieder ins Wasser und merkte, wie die Kois zu der improvisierten Futterhöhle, die seine Hand war, schwammen und das Futter mit schmatzenden Geräuschen heraus saugten. Er kicherte leise, denn die Fischmäuler kitzelten. Sie saugten gierig an seinen Fingern und als sie schließlich alles Futter erbeutet hatten verlangte Hikaru nach mehr. Der Pfleger gab es ihm lächelnd - diese Reaktion zeigten alle kleinen Kinder, die sonst die Fische fütterten. Touya kniete sich neben Hikaru und hielt ebenfalls seine Faust ins Wasser. Sie wiederholten die Prozedur einige Male, bis die Kois schließlich kein Interesse mehr an ihnen hatten. Der Tierpfleger überließ sie wieder sich selbst und ging zu den nächsten Becken, die er fachmännisch überprüfte.

Hikaru saß vor dem Teich, rückwärts auf die Hände gestützt, Touya saß im Schneidersitz und mit geradem Rücken neben ihm. "Wie oft kommst du hierher?"

Der Gefragte überlegte. "Einmal pro Woche vielleicht. Kommt immer darauf an, was so passiert ist."

Sie saßen lange dort und sahen zu, wie die japanischen Kois immer wieder ihre Runden im Wasser drehten, ohne System, ohne Ziel. Manchmal kam Hikaru sich auch so vor: zwischen anderen treibend, ohne festes Ziel, aber sich trotzdem weiter bewegend. Weil Stillstand nicht infrage kam.

"Was hast du noch geplant für heute?"

"Lass dich doch überraschen." Hikaru verzog den Mund. Überraschungen waren nicht sein Ding, er wollte lieber alles sofort wissen.

"Was hat dir meine Mutter mitgegeben?" Er deutete auf den Beutel, der neben Touya lag.

"Das merkst du noch früh genug." Ob der andere es ihm übel nahm, wenn er begann, ihn zu schütteln? Ob er es ihm dann überhaupt verraten würde? Vermutlich nicht... Hikaru seufzte.

"So macht das keinen Spaß."

"Entschuldige, dass ich dir nicht unterhaltsam genug bin."

"So habe ich das doch gar nicht gemeint!" Mit Touya war es wirklich fast immer zum Haare raufen. Warum konnte er die Dinge nicht so verstehen, wie Hikaru sie meinte?

"Ich weiß." Touya lächelte? Ob er ihn nur hatte ärgern wollen? Hikaru wusste längst nicht mehr, was er über diesen Tag denken sollte. Vermutlich sollte er das Denken einfach lassen.

Der fünfte Mai II

Ich liebe die Kindergartestreits der beiden... <3

~x~

"Komm, hilf mit!" forderte Touya ihn auf. Hikaru hatte seine Arme auf den Tisch gelegt und den Kopf darauf gebettet. Er war kaputt, obwohl sie bisher nicht viel gemacht hatten.

Im Aquarium hatten sie noch die restlichen Becken gesehen, Touya hatte ihm ein paar neue Fische gezeigt, etwas erklärt und ihn herumgeführt, bis sie durch waren. Danach waren sie zu Touya gefahren, Hikaru musste feststellen, dass ihm die Gegend überhaupt nicht mehr bekannt vorkam. Vermutlich wäre er wieder an der gleichen Ecke abgebogen wie beim letzten Mal, als er Yashiro falsch geführt hatte.

Touya war gerade dabei, Mittagessen für sie zuzubereiten. Er machte einfachen, gebratenen Eierreis. Er stellte seinem Gast ein Glas Eistee vor die Nase und stand dann weiter am Herd.

"Geht es dir nicht gut?" fragte Touya. Hikaru rollte den Kopf hin und her und fragte sich, ob es wirklich wie ein Kopfschütteln aussah. "Mir geht es gut", sagte er schließlich. Er fand es fast rührend, dass der andere sich um ihn sorgte. Die Stille zwischen ihnen war nicht unangenehm, aber Hikaru wollte sie trotzdem brechen. "Warum kannst du gut kochen, Touya? Hat deine Mutter dich immer zum Mitmachen gezwungen?"

"Ganz im Gegenteil. Sie weiß nichts davon. Wenn ich alleine war und kein Pro hier war, habe ich nur die Hälfte der Zeit Kifus studiert. Die andere Hälfte habe ich Filme oder Shows gesehen. Kochshows. Und irgendwann habe ich aus Langeweile selbst etwas gekocht. Aber nicht oft. Go geht immer noch über alles."

Hikaru lächelte innerlich. Nunja, wenigstens letzteres wusste er schon. "Ich bin kein guter Koch", sagte er in die Stille.

"Was du nicht sagst." Oh, diese Ironie, dachte Hikaru und ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. "Es ist auch kein Wunder, schließlich ist deine Mutter meist zu Hause und kocht für dich. So sah es zumindest heute aus", setzte Touya hinzu. Er plazierte einen Teller vor Hikarus verschränkten Armen. Dieser sah auf und setzte sich aufrecht hin.

"Können wir nicht vor dem Fernseher essen?" fragte Hikaru.

Touya sah ernst auf. "Es ist nicht gesund, abgelenkt zu essen."

Hikaru verdrehte die Augen. "Ist ja gut, Mama. Aber gegen eine Partie Go ist doch nichts einzuwenden?"

"Da ist man also nicht abgelenkt?"

"Man, Touya!"

Er bekam keine Antwort, als Touya unbeeindruckt seinen Reis aß. Hikaru seufzte schließlich und machte es ihm nach. "Aber danach spielen wir?" fragte er kleinlaut. Touya sah auf und nickte. Gemeinsam aßen sie schweigend ihren Reis. Hikaru fühlte sich wie in einer Ehe, dachte er flüchtig, in der er mit seiner sittsamen Frau still am Tisch saß. "Würdest du es mir auch verbieten, wenn wir zusammen wären?"

Touya hielt im Kauen inne und sah ehrlich übertölpelt aus. Hikaru verzog keine Miene, obwohl er gern hämisch gegrinst hatte. Schließlich schien Touya tatsächlich nachzudenken. "Gehen wir mal von einer harmonischen Beziehung aus -" Hikaru verzog den Mund. "- dann nehme ich an, du wüsstest, wie du deinen Willen durchkriegst, und wann ich dir nichts abschlagen könnte. Also vermutlich nicht."

Hikarus Gesicht hellte sich auf. "Wann könntest du mir nichts abschlagen?"

"Pfft, als ob ich dir das sagen würde. Bitte, so verzweifelt bin ich nun auch nicht." Sie lachten beide und auf Hikaru wirkte es bizarr, wie sie darüber scherzen konnten. Touya nahm ihm den Teller ab, der mittlerweile leer war und räumte ihn weg, während Hikaru ihm zusah und darauf wartete, dass Touya ihn zu seinem Zimmer leitete. Er erinnerte sich zwar noch dunkel an das Haus der Touyas, aber weil er wusste, dass der andere viel auf Etikette gab, ging er nicht vor zu dessen Zimmer. Der Gastgeber ergriff seine Hand und leitete ihn. Hikaru fand es seltsam, dass er sich fast schon an die Berührungen Touyas gewöhnt hatte. Das ging ihm definitiv zu schnell.

Sie begannen eine Partie, Hikaru war Weiß. Touya drängte ihn mit schnellen Zügen in eine Partie, die fast Speed-Go war. "Nur zum Einstimmen", kommentierte er. Ihre nächste Runde setzten sie auf eine Stunde an. Hikaru versank ganz in seiner üblichen Strategie und fühlte sich unheimlich wohl darin. Er verteidigte seine gesicherten Gebiete und attackierte sobald er sich sicher fühlte.

Für eine Stunde existierte nichts um sie herum, nur das Goban vor ihnen und weiße und schwarze Steine, das einzige Geräusch das Knallen der Steine auf Kaya. Hikaru kam es vor, als hätte er die ganze Stunde die Luft angehalten. Sie schenkten sich nichts auf dem Brett, Touya griff aggressiv an und drang in Hikarus eigentlich sichere Areale vor, drängte Hikaru zu reagieren, forderte ihn heraus, manchmal spielerisch. Hikaru machte es ihm nicht leicht, er verteidigte genau an der richtigen Stelle, baute seine Konturen aus, unterbrach, sobald er konnte, Touyas Versuche, seine Steine zu verbinden.

Als er den letzten Stein legte, stieß er einen Atem aus, der schon viel zu lange angehalten wurde. Er konnte nicht genau schätzen, wie es ausgegangen war. Gemeinsam schoben sie die Steine herum und zählten. "Ein halbes Moku..." sagte Touya und Hikaru wusste, dass er verloren hatte. Er biss die Zähne zusammen und verzog den Mund. Er hatte sich so gut gefühlt, und doch hatte es nicht gereicht. Er sah zu Touya und erkannte, dass dieser gerade das erste Mal seine verkrampften Hände entspannte und ebenfalls tief ausatmete.

Hikaru rutschte von seinen Knien und kreuzte die Beine vor sich, während er etwas an das Brett rückte und auf eine Stelle zeigte. "Hätte ich diesen Zug gelassen und stattdessen meine Steine verbunden, dann hättest du hier keine Angriffsfläche gehabt."

"Es war ein guter Zug. Damit hast du mich in die Enge getrieben."

"Das wollte ich aber damit gar nicht. Ich wollte mein Areal auf der linken Seite ausweiten." Er deutete auf die Stelle, wo die Steine gelegen hatten. "Dein Zug hier hat mich leider überrumpelt."

"Damit hatte ich gerechnet."

"Was soll das denn wieder heißen?? Tu nicht so, als ob du besser bist als-"

Ihre Lippen trafen hart aufeinander. Touya hatte Hikarus erhobene Hand am Handgelenk gegriffen und mit der anderen das Goban zur Seite geschoben und kniete nun über ihm. Der Kontakt dauerte lange genug, dass Hikaru Zeit hatte darüber nachzudenken, in welche Richtung er entweichen oder Touya davonstoßen konnte - er könnte ihn nach rechts auf das Goban schubsen, ihm einen Stoß vor die Brust verpassen und rückwärts stoßen oder unter dem Jungen seitlich durchtauchen. Als er sich schließlich für den Schlag vor die Brust entschieden hatte, hatte Touya schon sein anderes Handgelenk gegriffen und auf den Boden gedrückt. Als sie sich trennten sah Touya ihn mit aufgerissenen Augen an.

"Was guckst du denn so?" fragte Hikaru angriffslustig. "Ich müsste es sein, der geschockt tut." Der Fakt, dass Touya praktisch auf Hikarus Knien hockte, machte Letzteren nicht unbedingt versöhnlicher.

"Es tut mir leid. Ich schätze, ich habe mich überwältigen lassen."

"Ich glaube, ich war es, der sich hat überwältigen lassen", erwiderte Hikaru ironisch, einen Blick auf ihre Position werfend. Touya machte keine Anstalten, sich weg zu bewegen, er sah seinen Gegenüber nur weiter halb geschockt an und mittlerweile auch halb ... irgendetwas Unidentifizierbares, von dem Hikaru gar nicht wissen wollte, was es war.

"Das wollte ich schon so oft tun." Die Worte waren nur gemurmelt, aber sie hingen zwischen ihnen im Raum.

"Oft?" Hikaru konnte nicht anders. Er wusste nicht warum. Vermutlich, weil Touyas Zuneigung zu ihm etwas war, was er sonst von niemandem bisher erfahren hatte. Es war neu, es war ungewohnt und er kam sich... seltsam gemocht vor. Geschmeichelt, wenn auch peinlich berührt.

"Nach jeder Partie."

"Auch wenn ich geschrien habe?"

"Da nur noch mehr."

"Du bist wirklich seltsam, Touya. Und sollte man sich den Kuss beim ersten Date nicht aufheben, bis man sein Herzblatt nach Hause gebracht hat?" Touya ließ sich zurücksinken und saß nun auf Hikarus ausgestreckten Unterschenkeln. Nicht mehr ganz so nah und ungewohnt wie vorher, musste Hikaru sich eingestehen, und seine Handgelenke waren auch wieder frei, sodass er sie reiben konnte.

"Du hast den Tag wohl falsch verstanden. Das hier ist ein Tag, wie wir ihn als Paar-" Wieder verzog Hikaru den Mund bei dem Wort. "-verbringen würden. Es simuliert nicht, dass ich noch um deine Zuneigung kämpfen muss. Das wirst du später noch oft genug sehen, glaube ich. Ich will dir zeigen, was du verpassen würdest, solltest du mich wirklich ablehnen."

"Du klingst ganz schön überzeugt davon, dass ich irgendwann nicht widerstehen kann." Hikaru schob Touya von sich runter und rieb sich nun auch die Unterschenkel.

"Überzeugt vielleicht nicht. Hoffnungsvoll wohl eher." Er nahm Hikarus Hand und berührte die Handfläche mit seinen Lippen.

"Touya!"

Dieser verdrehte die Augen. "Auf einmal findest du es schlimm, ja?" Hikaru schubste ihn und Touya knallte geräuschvoll gegen das Goban. Der Blonde stand auf und stapfte aus dem Zimmer, während der andere sich mühsam aufrichtete und sich die Hände rieb, mit denen er sich beim Fallen abgefangen hatte. "Warte! Hey!" Doch Hikaru war schon beim Eingang und kickte seine Hausschuhe von den Füßen.

Touya erreichte ihn, als er dabei war, seine Turnschuhe anzuziehen und er hielt Hikaru zurück. "Warte, Shindo, lass uns reden."

Hikaru funkelte ihn an. "Reden oder ...?"

"Reden."

Hikaru schürzte die Lippen und kam schließlich zurück. Sie setzten sich in Touyas Zimmer aufs Bett und Touya hielt beträchtlichen Abstand. "Warum wolltest du gehen?"

Er sah Touya an. "Das fragst du noch? Ich meine, du hast dich über mich lustig gemacht!"

"Es lag also nicht am Kuss?"

Hikaru wurde rot vor Wut, mehr allerdings auf sich selbst. Stimmt, warum hatte er diese Reaktion nicht schon da gezeigt? "Du bist es, der die ganze Zeit sagt, das ist dein Tag. Ich werde mein Versprechen nicht brechen." Aber das Versprechen war, Touya diesen Tag zu schenken. Wenn er ihn mit Füßen trat, würde er sich das nicht gefallen lassen. Die Jungen beäugten sich eine Weile, bis Touya schließlich seufzte.

"Ist ja gut, tut mir leid, du brauchst mich nicht so böse anzustarren." Touya hob beschwichtigend die Hände. "Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt zum Schrein gehen?" Hikaru nickte nur. Alles, was nicht mit zu viel Körperkontakt zu tun hatte war generell okay, dachte er. Also verließen sie Seite an Seite das Haus und Touya führte ihn zu einem Schrein ganz in der Nähe. Sie durchschritten das Torii und Hikaru sah sich interessiert um. Es war ein kleiner Schrein, vermutlich war dies früher die Residenz einer adligen japanischen Familie gewesen.

Touya überließ ihn sich selbst und sah sich derweil Glücksbringer an. Hikaru stand am Fuße des Schreins und dachte an Sai. Er dachte an den letzten fünften Mai, an dem Sai verschwunden war. An die Verzweiflung, die ihn überkommen hatte, die Sehnsucht, die Angst, die Unsicherheit, an alles, was Sai vorher bekämpft hatte durch seine pure Anwesenheit. Hikaru fragte sich, wie andere Go-Spieler so weit gekommen waren ohne solch starke Unterstützung wie er sie von Sai bekommen hatte. Nicht nur das, Sai war sein Tutor und Vorbild gewesen. Wegen Sai hatte er Go begonnen und wegen Touya hatte er nach Höherem gestrebt. Er wollte Sai nicht als Sprungbrett betrachten sondern als einfach alles. Als Weg, als Steine, als Wegweiser, als Ziel. Die Tränen rollten, ohne dass er sie bemerkte und er war froh, dass Touya ihn allein gelassen hatte.

'Sai, ich spiele für dich Go. Ich spiele, weil ich weiß, dass du stolz auf mich bist, dass dein Go weiterlebt in mir, ich spiele, damit du nie vergessen wirst.' Er wischte die Tränen fort und sah in den Himmel. "Sai..." flüsterte er leise, immer wieder, immer wieder, bis er das Gefühl hatte, der Name des Geistes würde von den Bäumen aufgenommen und fortgetragen.

Schließlich ging er zu Touya, der an einen Pfeiler gelehnt auf ihn wartete. Hikaru stellte sich zu ihm und sie sahen sich kurz in die Augen. "Hier", sagte Touya und hielt ihm einen Talisman vor die Nase. Misstrauisch nahm er ihn an und drehte ihn um. 'Erfolg' war in Kanji darauf geschrieben. "Damit du bald Shindo Honinbou bist." Touya hielt einen zweiten Erfolgs-Talisman in der Hand, den er sich selbst gekauft hatte. Hikaru sah darauf und blickte fragend auf. "Damit ich, bis du Honinbou bist, alle anderen Titel innehabe." Er deutete ein selbstbewusstest Lächeln an und steckte Hikaru an.

"Als ob das je passieren wird."

Sie tauschten noch einen Blick und Hikaru kam sich vor wie ein kleiner Junge.

"Bist du fertig hier?" fragte Touya. Hikaru nickte und mit einem Umweg gingen sie schweigend zu Touyas Haus zurück. Ein Blick auf die Uhr sagte Hikaru, dass es vier Uhr nachmittags war. "Was machen wir jetzt?"

Touya überlegte eine Weile. "Ich habe für später etwas geplant, aber für die Zwischenzeit habe ich mir ehrlich gesagt nichts weiter überlegt, außer Go spielen."

"Dann lass uns noch eine Partie spielen. Wenn du dich zusammenreißt!" Hikaru sah ihn streng an und Touya musste die Augen verdrehen. Also saßen sie schließlich wieder in Touyas Zimmer und vor dem Goban, das vorher herumgeschoben und -geschubst worden war.

Hikaru fühlte sich gut. Nigiri, er war schwarz. Zug um Zug folgten und für ihn existierte nur das Goban. Er ließ sich überschwemmen von dem Gefühl, das Go für ihn war. Überwältigend und beruhigend, wie der Ozean. Wie Sai.

"Ich gebe auf." Touya sah auf, als Hikaru sprach. Die Augen des anderen fragten, warum er es jetzt schon ließ. Doch Touya war ihm wieder einen Schritt voraus, er wusste es einfach, er hatte es in jedem der letzten Züge gemerkt. Er zeigte auf den rechten mittleren Stern. "Hier hast du zu aggressiv angegriffen."

"Überhaupt nicht. Hätte ich hier gesetzt, hätte ich dich noch viel eher unter Zugzwang gesetzt."

"Dann hättest du aber dieses Auge hier verloren."

"Quatsch, das war mit diesen Steinen gesichert."

"Ich weiß ja nicht, was du gesichert nennst, aber das hätte ich auch aufbrechen können."

"Das sagt sich jetzt so leicht, aber du hast es schließlich nicht getan."

"Es hat sich ja keine Gelegenheit gegeben!"

"Das zeigt doch, dass es gesichert war."

"DAS ZEIGT ÜBERHAUPT NICHTS!!" Hikaru zeigte wütend auf die Steine, die sie gerade besprochen hatte. Bevor er sich versah hatte Touya wieder sein Handgelenk umfasst und sie froren beide ein, sahen sich überrascht an. Touya hatte gar nicht gemerkt, wie er nach der Hand des anderen gegriffen hatte, es war ein einfacher Impuls gewesen, über den er nicht nachgedacht hatte. Er ließ los und dachte, wie leicht so ein Streit doch vergessen werden konnte.

"Tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht."

Hikaru schnaubte. "Erzähl mir was Neues."

"Ich will noch eine Partie."

"Das ist nichts Neues."

~x~

Hikaru hätte kaum überraschter sein können. Bevor sie gingen, enthüllte Touya, was Hikarus Mutter ihm mitgegeben hatte: es war Hikarus Anzug, den er im Hokutopokal getragen hatte. Touya befahl ihm praktisch, diese formelle Kleidung zu tragen und Hikaru wunderte sich nur noch mehr. Er fühlte sich unwohl, denn er musste zugeben, dass man ihm seinen Wachstumsschub in dem Anzug ansah. Er brauchte definitiv bald einen neuen. Touya beäugte ihn gründlich und was auch immer er gesucht hatte, er schien es zu finden, denn er nickte und ging in Richtung Tür.

"Wohin gehen wir, Touya?"

"Sei nicht immer so neugierig."

Wieder nahmen sie die Bahn in die Innenstadt. Sie standen nahe der Türen und schwiegen während der Fahrt. Touya leitete ihn schließlich nach draußen und durch Tokyos Straßen. Hikaru war überrascht, als sie vor einem Restaurant hielten.

"Wir sind da."

"Das hier?"

Touya nickte. Das Gebäude war eher dunkel gehalten, hinter den gläsernen Türen sah Hikaru schwere Vorhänge, die keinen Blick in das Innere erlaubten. Er spürte Touyas Hand leicht auf dem Rücken, die ihn mit sanftem Druck aufforderte, einzutreten.

"Willkommen, haben sie reserviert?" Hikaru wusste nicht, woher die Stimme kam, es war viel zu dunkel. Touyas Hand war noch immer zu spüren. Ohne diese hätte er sich vermutlich etwas verloren gefühlt in diesem stockdusteren Raum.

"Ja, auf Touya."

"Gut. Bitte fürchten sie sich nicht, sie werden jetzt zu ihrem Tisch geführt. Vertrauen sie unseren Kellnern."

Hikaru spürte eine andere Hand, leichter, aber größer als Touyas, die seinen Arm ertastete. Sie führte seinen Arm durch den eigenen und leitete ihn an der Seite der unbekannten Person weiter in das Restaurant.

"Wo sind wir hier?" fragte er verwirrt.

Die Stimme neben ihm war weich, sie stammte offensichtlich von einer Frau. "Hat Ihr Begleiter Sie noch nicht eingeweiht?" Er hörte ein Lächeln heraus.

"Nein, offensichtlich nicht."

"Unser Restaurant heißt 'Carpe Diem' und ist ein sogenanntes Dunkelrestaurant." Während sie das sagte, leitete sie ihn zielsicher an anderen Tischen vorbei, die Hikaru manchmal streifte und von denen er leise Unterhaltungen hörte. "Unser Personal besteht aus blinden und sehbehinderten Menschen, die es gewohnt sind, in ihrem Alltag im Dunkeln zu tappen. Sie werden ein französisches Menü zu sich nehmen, bei dem Sie sich ausschließlich auf Ihren Geruchs- und Geschmackssinn verlassen müssen. Es soll Ihnen, natürlich nur sprichwörtlich, die Augen öffnen zu ihren anderen Sinnen. Bitte setzen Sie sich."

Unsicher ertastete Hikaru vor sich eine Sitzbank. Er glitt hinein und rückte etwas, als er Touya neben sich spürte. "Möchten Sie Getränke bestellen?"

Touya bestellte für Hikaru eine Cola und für sich ein Wasser. Er kannte seinen Rivalen gut genug, um wenigstens das zu wissen. Sie saßen in Schweigen bis ihre Getränke gebracht wurden. Hikaru merkte, dass ihre Knie sich federleicht berührten und verlagerte sein Gewicht etwas. Er war nicht sicher, wie er sich im Dunkeln verhalten sollte. Sich auf den Tisch stützen, gerade sitzen, sich zurücklehnen? Nicht, dass es irgendjemand sah, also entschied er sich dafür, sich etwas in die Bank rutschen zu lassen und bequem zu sitzen.

"Warum sollte ich hierfür einen Anzug tragen, Touya? Man sieht uns doch gar nicht."

"Es ging mir ums Prinzip. Immerhin sind wir mittlerweile Personen des öffentlichen Lebens, gerade hier in der Nähe trifft man öfter Pros oder Reporter." Hikaru verdrehte die Augen und dachte dann, dass Touya es ja gar nicht sehen würde. Egal, dann eben nur für sich.

"Warst du schonmal hier?"

"Nein. Aber Ogata-san hat es mir empfohlen, als er mal in etwas redseliger Stimmung war."

Hikarus freches Grinsen war zu hören, als er sprach. "Mich wundert nicht, dass Ogata-san sich lieber im Dunkeln trifft. Dann ist der Schock für sein Gegenüber nicht so schlimm." Touya erwiderte nichts und Hikaru stieß ihn in die Rippen.

"Au..." murmelte der andere und rieb sich die Seite.

"Du weißt doch, du musst immer auf der Hut sein. Nicht nur im Go."

Touyas Stimme klang etwas genervt. "Du hast gut reden, wo du mich noch nicht geschlagen hast." Hikaru verkniff sich eine Geste, die in der Dunkelheit sowieso verschwendet gewesen wäre.

"Du weißt ganz genau, dass wir einander fast ebenbürtig sind." Touya nickte und Hikaru merkte es daran, dass die Haare des anderen gegen seine Schultern streiften. Anscheinend hatte auch Touya es sich bequem gemacht. "Ich freue mich schon darauf, wenn ich endlich in den hohen Dan-Bereichen bin. Ich kann es kaum abwarten, anderen wirklich guten Pros auf dem Brett zu begegnen."

"Es wird dich sicher voranbringen." Was war dieser Unterton? Touya klang so förmlich wie sonst auch, aber etwas hatte sich eben falsch angehört. Hikaru fragte sich, was den anderen an seiner Aussage stören könnte. Was war falsch daran, sich bessere Gegner zu wünschen? Er seufzte, als er es erkannte.

"Du wirst immer mein Ziel bleiben, Touya." Dieser entspannte sich etwas neben ihm. Seine Schultern sackten etwas zusammen und Hikaru wusste, dass er den richtigen Punkt getroffen hatte.

"Tut mir leid, ich bin zu egoistisch."

Hikaru schüttelte den Kopf nachdrücklich. "Im Gegenteil. Ich könnte es auch nicht akzeptieren, wenn du jemand anderen als Rivalen anerkennen würdest. Unser Go existiert füreinander und nur gemeinsam wird es wachsen." Es war nichts Neues. Sie wussten es beide, schon so lang, dass ihre Wege nur gemeinsam zum Erfolg führen würden.

Der erste Gang wurde aufgetragen, eine Suppe, deren Namen Hikaru kaum verstand. Es war gar nicht so schwer, sich zurechtzufinden, wie er gedacht hatte. Sein Essen roch würzig und schmeckte noch besser, als er erwartet hatte. Gierig schlang er Löffel um Löffel hinunter, froh darüber, dass es dunkel war, denn sonst hätte Touya ihn wieder getadelt. Der immer gesittete Touya.

Schließlich wurden die Teller abgetragen und Touya griff Hikarus Hand, als wäre es ganz normal. "Wie stellst du dir eine Beziehung vor?" fragte Touya ihn. Er seufzte und dachte, dass er natürlich um so eine Unterhaltung nicht herum kam. Typisch sein Glück.

"Ich stelle mir keine Beziehungen vor, Touya", gab er zu. "Denn ich bin in niemanden verliebt." Es kam keine Reaktion, keine die er im Dunkeln bemerken konnte. Er wollte gar nicht wissen, wie Touyas Gesicht im Moment aussah. Nach einiger Zeit hörte er den anderen trocken schlucken.

"Ich denke immerzu an dich", sagte Touya irgendwann, aber ergänzte nichts mehr. Stattdessen lenkte er das Gespräch auf Go, ein Thema, bei dem sie sich beide wohl fühlten. Es dauerte nicht lange, bis sie lebhaft Partien aus dem letzten Tengen-Turnier besprachen. Ogata hatte auch dort teilgenommen und alle Vorrunden ohne Probleme passiert.

~x~

"Was für einen Film willst du sehen?" Ihre Schultern berührten sich, als sie vor einem Regal in der Videothek standen. Hikaru sah sich einige der Filme an, wählte schließlich einen koreanischen Actionfilm, ohne sich genau anzusehen, worum es ging.

Ihr Essen war in angenehmer Atmosphäre weitergegangen. Sie redeten angeregt durch die letzten zwei Gänge und blieben noch etwas länger, wobei sie zwei Flaschen Wasser leerten. Als sie vor die Tür gegangen waren, war es bereits dunkel gewesen, doch Hikarus Augen hatten trotzdem geschmerzt von den grellen Lichtern der Tokyoter Innenstadt, die ihnen entgegengestrahlt hatten. Sie waren, immer noch von Partien schwärmend, zurückgefahren und waren in die Videothek gegangen.

Touya griff auf dem Weg zur Kasse nach Popcorn und zahlte für beides, dann gingen sie zu ihm, immer noch von Go redend. Er schob den Film in den DVD-Player im Wohnzimmer und bedeutete Hikaru, sich auf die Couch zu setzen, während er das Popcorn in der Küche in eine Schüssel umfüllte. Hikaru fiel auf, dass der Junge müde wirkte. Es war nicht offensichtlich, nur kleine Zeichen, wie seine angespannten Schultern und das leichte Stirnrunzeln, die Bände für ihn sprachen.

Schließlich saßen sie nebeneinander auf dem Sofa, Touya so aufrecht und förmlich wie immer, Hände lose auf seinen Oberschenkeln liegend, während Hikaru bequem die Beine gekreuzt hatte und leicht Touyas Bein mit seinem Knie berührte. Hikaru genoss den Film, es war genau so etwas zum Abschalten, wie er es mochte. Viele Waffen, viel Bewegung, viel Action, kaum Handlung, ein Film dem man einfach nur zusehen konnte, ohne über ihn nachzudenken.

Er sah Touya an, der etwas ungeduldig aussah. Seine Hände waren verkrampft, als müsse er sich zusammenreißen. Hikaru überlegte, was es sein konnte. Zu entspannt, um genervt zu sein, dachte er, es müsste etwas mit ihm zu tun haben. Ein Paar, eine Couch, ein Film. Vermutlich überlegte Touya gerade, mit welchem abgedroschenen Trick er den Arm um Hikaru legen konnte.

Hikaru kicherte und Touya sah ihn stirnrunzelnd an. Ihre Blicke trafen sich und Hikaru fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt, als Touya zögerte, sich wieder abzuwenden. Er dachte, es wäre seltsam, wahrscheinlich müsste Touya sich strecken, um überhaupt über seine Schultern zu kommen, noch dazu waren sie um einiges breiter als Touyas. Vermutlich würde es aussehen, als nähme ein zierliches Mädchen seinen Freund in den Arm.

Oh Gott, dachte Hikaru, das wäre vermutlich ziemlich peinlich. Er sah herüber und machte schließlich das Einzige, was ihm die Peinlichkeit ersparen würde: er legte Touya den Arm um die Schultern. Der andere versteifte sich für ein paar Sekunden, bevor die Spannung aus seinen Armen floss und er an Hikaru rückte. "Das wird das einzige Mal sein", murmelte Hikaru und Touya lehnte als Antwort den Kopf in die Kuhle unter Hikarus Schlüsselbein.

Hikaru seufzte und ließ es geschehen. Er verfolgte den Film und kommentierte ihn ab und zu, wenn er etwas besonders lustig oder interessant fand. Irgendwann reagierte Touya nicht mehr. Nicht, dass er vorher viel erwidert hatte, es war eher ein Nicken, Schulterzucken oder dumpfer 'Hm'-Laut gewesen. Schließlich kam nicht einmal das und Hikaru machte sich leicht von dem anderen los. Er war tatsächlich eingeschlafen. Hikaru zuckte die Schultern und sah erst den Film zu Ende, bevor er Touya mühevoll in dessen Zimmer schleppte und auf den Futon legte. Irgendwo auf dem Weg war Touya aufgewacht und als Hikaru nun gehen wollte, hielt er ihn am Arm fest.

"Touya, der Tag ist vorbei. Ich gehe nach Hause."

"Nein", murmelte Touya schlaftrunken und es klang fast weinerlich. "Nein, der Tag ist um Mitternacht zu Ende." Hikaru suchte eine Uhr, doch fand keine. So weit davon entfernt waren sie vermutlich nicht einmal.

"Touya, meine Mutter wundert sich bestimmt schon, wo ich bleibe."

"Ich habe ihr gesagt, du übernachtest hier." Touya hatte Glück, dass er die Augen noch zu hatte, sonst wäre er unter Hikarus entnervtem Blick vermutlich zusammengezuckt. Er griff mit seiner zweiten Hand auch nach Hikaru. "Bitte bleib."

Er seufzte. "Das ist das erste und letzte Mal."

"Ich hoffe nicht", nuschelte Touya und ließ ihn los. Hikaru seufzte noch einmal und ging dann zu Touyas Kleiderschrank, aus dem er sich ohne zu fragen einen dunklen Pyjama nahm. Der Stoff fühlte sich zwischen seinen Fingern angenehm an und er dachte sich, wenn er schon gezwungen wurde, hier zu schlafen, dann konnte er das auch ruhig in Touyas besten Schlafsachen tun. Also zog er sich um und mit einer gewissen Ahnung, dass es das war, was Touya wollte, legte er sich neben den Dunkelhaarigen. Dieser seufzte erleichtert und drehte sich zu ihm herum, um seinen Kopf gegen Hikarus Oberkörper zu drücken. "Du riechst so gut..."

"Schlaf gefälligst", meinte Hikaru grantig und nutzte seinen Unterarm als Kissen. Touya brauchte nicht lange, um tatsächlich einzuschlafen, schon bald hörte Hikaru seinen gleichmäßigen Atem, der auch ihn beruhigte. Mit der Frage im Kopf, ob das nun halbwegs behaglich oder einfach die unangenehmste Situation seines Lebens war, schlief auch er schließlich ein.

~x~

Hikaru erwachte, als Touya sich neben ihm im Schlaf bewegte. Er öffnete die Augen und war sofort hellwach. Der Vortag sprang ihm aufdringlich ins Gedächtnis und er sah auf den Jungen neben sich. Er legte das Kinn auf Touyas Stirn und sah aus dem Fenster. Die Sonne würde bald aufgehen. Also war es vielleicht um vier. Der fünfte Mai, Sais Tag, Kindertag, ihr einziges Date, war um. Hikaru dachte an die schnulzigen Filme, die er sich vor Jahren ab und zu Akari zuliebe mit dem Mädchen angesehen hatte. Da waren die Liebenden am Morgen in den Armen des anderen erwacht, meistens gleichzeitig und hatten sich glücklich angelächelt. Hoffentlich hegte Touya diese Hoffnung nicht. Ihre Arme waren zumindest nicht um den jeweils anderen gewickelt, stellte Hikaru erleichtert fest.

So vorsichtig er konnte stand er auf und legte die Decke wieder über Touya. Der Junge hatte sich ihm am Vortag fast komplett offenbart - was er mochte, wie er war, wie sehr er ihn mochte. Doch Hikaru fühlte sich nicht anders, keine Schmetterlinge oder irgendetwas anderes. Er zog sich an und legte Touya den Pyjama, den er geliehen hatte, zusammengefaltet auf einen Stuhl. Ohne einen Blick zurück verließ er Touyas Zimmer, suchte seinen Rucksack, zog seine Straßenschuhe an und war aus dem Haus.

Abstand

Als Akira erwachte, war Shindo verschwunden. Bis auf dem Pyjama auf seinem Stuhl zeugte nichts mehr von dem anderen Jungen. Akira nahm das Hemd, das der andere zum Schlafen getragen hatte und führte es an die Nase. Der Geruch war das Einzige, was Shindo hiergelassen hatte. Unbewusst, vermutlich ungewollt. Ein ungewolltes Abschiedsgeschenk.

Akira seufzte. Er wusste, dass er versagt hatte. Er hatte alles gegeben, um sich dem anderen zu zeigen, zu zeigen wie er war, und wie wichtig er ihm war, doch es war am Ende umsonst gewesen, denn sonst wäre er neben Shindo aufgewacht.

Um seinen Mund zeigte sich ein bitterer Zug.

~x~

"Shindo, Waya, was habt ihr in der Golden Week gemacht?" fragte Morishita-sensei, mit dem sie sich wie jeden Mittwoch zur Übungsgruppe getroffen hatten.

"Wir waren mit anderen Pros in Itou und haben Go geübt", antwortete Waya wahrheitsgemäß. Sein Lehrer legte ihm die Hand auf die Schulter.

"Ihr habt große Fortschritte gemacht. Ich nehme an, Touya-kun war auch dabei?" Waya nickte. "So etwas dachte ich mir schon. Dein Go hat ein paar seiner Ecken und Kanten verloren, Waya, sehr gut." Der Gelobte grinste glücklich. Morishita nickte auch Hikaru zu und dieser lächelte, auch wenn er den Gedanken an Touya verdrängte.

"À propos!" meinte Waya. "Lass uns eure Partie nachstellen, Shindo." Ach ja, soviel zum Verdrängen. Hikaru seufzte und rekapitulierte das Spiel, das er an einem ihrer letzten Abende gespielt hatte, dieses wirklich tolle, interessante Spiel, das ihrer beider Wachstum darstellte und dessen Brillianz sie beide überwältigt hatte.

Er hörte bei der Diskussion nicht zu, sondern starrte nur die schwarzen und weißen Steine an, die für ihn eine Geschichte erzählten, so viel mehr als er aus echten Menschen lesen konnte. Go sprach von Kriegen, von Leidenschaft, von Ausdauer und Ehrgeiz. Es legte alles offen, während Menschen immer alles verstecken wollten, dachte er.

Er wusste, dass Touya auf ein Zeichen von ihm wartete, egal auf was. Doch Hikaru konnte es nicht. Er wusste, dass Touya die darauffolgenden Wochen im Go-Salon auf ihn wartete, also machte er einen Bogen darum. Stattdessen war er öfter bei Waya, traf sich mit Asumi, telefonierte mit Yashiro und vertiefte sich in Lehrtermine, die er vom Institut anforderte und bekam. Waya meinte bei einer ihrer Übungsstunden bei ihm, dass er sich in letzter Zeit etwas zu viel beanspruche, doch Hikaru hörte nicht auf. Er nahm nur noch mehr Termine an, um die Zeit zu füllen, in der er früher in Touya Meijins Go-Salon gewesen war oder ihre Partien studiert hatte.

Nach einem Monat wurde Touya langsam ungeduldig. Er war im Institut am Tag von Hikarus erstem Spiel in der Honinbou-Auswahl, denn sie beide hatten sich dafür eingeschrieben. Touya saß drei Bretter von ihm entfernt und Hikaru kam auf die letzte Minute an, um nicht angesprochen zu werden. In der Pause blieb er vor dem Goban sitzen und tat, als überlege er fieberhaft seinen nächsten Zug. Er sah im Augenwinkel, dass Touya an der Tür auf ihn wartete und es schließlich aufgab. Er hatte genug Respekt vor der Partie, um Hikaru nicht stören zu wollen, auch wenn er ihn vielleicht durchschaut hatte.

Hikaru zog alle Register. Sein Gegner war zehn Minuten nach Pausenende gezwungen, aufzugeben. Er blieb nicht zur Diskussion, sondern ging zu den Stempeln und griff dann seine Tasche. Auch wenn er es nicht wollte, registrierte er im Augenwinkel, dass Touya zu ihm schaute und wohl versuchte, seinen Blick zu treffen. Hikaru ging.

Bei seinem nächsten Spiel in diesem Wettkampf saß Touya am anderen Ende des Raumes. Wieder kam er in der letzten Minute und diesmal bat er seinen Gegner, die Pause durchzuspielen. Er war einverstanden und Hikaru zögerte es genau so lange hinaus, seinen Gegner zu vernichten, dass die Pause gerade vorbei war und Touya keine Chance hatte, ihn zu erwischen.

Hikaru kam sich vor wie ein Sträfling auf der Flucht, doch er wollte Touya wirklich nicht begegnen, nicht nach diesem Tag, den sie miteinander verbracht hatten, an dem der andere wie selbstverständlich seine Hand genommen hatte, an seiner Schulter gelegen und an seiner Brust geschlafen hatte. Er wusste, dass er ihr Wiedersehen nicht ewig herauszögern konnte, doch nichts würde ihn davon abhalten, es wenigstens zu versuchen.

Und er schaffte es verdammt lange. Drei Monate lang sah er ihn nur von Weitem, seltener sogar, nachdem er in einer der späteren Runden im Rennen um den Honinbou-Titel ausschied, sehr zu seinem eigenen Verdruss. Am Anfang war Touya noch zu seinen Dan-Spielen gekommen, doch Hikaru hatte ihn ignoriert, also hatte er schließlich aufgegeben.

Isumi hatte einmal versucht, ihn auf sein Verhalten anzusprechen, doch ohne Ergebnis. Er und Waya spekulierten über die Gründe des Zerwürfnisses, vor allem, weil es offensichtlich war, wie sehr beide Jungen darunter litten, den anderen nicht mehr zu sehen, nicht mehr von seinem Go zu lernen und ihr eigenes weiterzuentwickeln. Touya war wirklich zu bemitleiden, so sehr er sich auch um Hikarus Aufmerksamkeit bemühte, nichts fruchtete.

Es waren drei wirklich lange Monate und Hikaru kam sich vor, als trete er nur auf der Stelle. Selbst Morishita-sensei hatte etwas ähnliches gesagt nach einem Spiel gegen seinen Schüler, doch Hikaru war nicht darauf eingegangen. Obwohl er gegen viele gute Spieler Partien austrug wusste er plötzlich nicht mehr, wie es sich anfühlte, die eigene wachsende Stärke durch sich strömen zu spüren. Er sah seine Hand an und ballte sie mehrmals zu Faust, wie er es in Itou gemacht hatte, als er Waya erzählt hatte, wie er seine eigenen Verbesserungen bemerkte. Es änderte nichts, im Gegenteil, plötzlich fühlte er sich schwach und zerbrechlich.

Asumi bestand die Prüfung zum Pro. Zur Feier dessen lud er sie in ein japanisches Restaurant ein und sie belebten die Freundschaft, die sie in Itou geschlossen hatten. Es fühlte sich natürlich und angenehm an, doch auch Asumi schaffte es nicht, dass er sich wieder so lebendig und gut fühlte wie er es gewohnt war. Sie versuchte, ihn auf Touya anzusprechen, doch er lenkte ab und sie konnte einfach nicht nachhaken.

Selbst Yashiro, mit dem er wieder häufiger telefonierte, merkte die Veränderungen und fragte beharrlicher nach. Hikaru verriet ihm keine Details, nur dass er Touya im Moment nicht sehen wollte, und es war ihm egal, was der andere sich zusammenreimte. Yashiro versuchte, ihn aufzuheitern, und meistens hellte Hikarus Stimmung sich für kurze Zeit auf, doch plötzlich war nichts mehr von Dauer.

Ab und zu ging er Umwege, wenn er von Waya oder Morishita oder einem Schüler nach Hause kam. Dann streifte er an fremden Häusern und fremden Gärten entlang und genoss die laue Nachtluft, die sein Gemüt kühlte.

Heute hatte er einem jungen Mädchen die ersten Schritte im Go beigebracht. Ihr Großvater hatte ihn bezahlt, damit er sich ihrer annahm. Hikaru war mittlerweile so routiniert darin, dass er selten noch über seine Worte nachdachte. Es kamen immer die gleichen Fragen, immer die gleichen Fehler, das war schon fast beruhigend.

Wie von alleine schlug er einen längeren Weg von der Bahn nach Hause ein. Er sah seine Umgebung nicht, roch auch nicht die blühenden Obstbäume, tranceartig lief er den Weg, den er schon mehrere Male vorher gegangen war. Er ging die Umwege nicht, weil er die Natur genießen wollte, oder weil der Sommer so schön war. Er lief, weil er laufen musste. Er konnte nur schlafen, wenn er lange gelaufen war, dann fiel er ins Bett und konnte ohne Gedanken wegdämmern. Tat er es nicht, dann dachte er an Touya, der er im Moment vermutlich durch die Hölle schickte. Also lief er.

Seine Füße wussten von ganz allein, wann sie zu Hause waren. Er ging auf die Tür zu, der Kies knirschte unter seinen Schuhen und plötzlich war dies nicht das einzige Geräusch.

"Shindo." Hikaru verharrte in seiner Position. Das konnte er sich unmöglich eingebildet haben. Der Kies knirschte, ohne dass Hikaru sich bewegte. Touya kam auf ihn zu. "Shindo... damals, als du nicht mehr zu deinen Partien gekommen bist..." Er hörte zu, alle Sinne aufs Äußerste gespannt. "...wen hast du da verloren?"

Und plötzlich konnte er nicht mehr stehen. Nicht, dass er beschloss, dass er es nicht konnte - seine Knie knickten einfach ein und er merkte es erst, als sie hart auf die kleinen Steine schlugen. Seine Augen brannten und die Tränen liefen schneller, als er sie wegwischen konnte. Touya hatte sich neben ihn gehockt und sah ihn sorgenvoll an, doch er ließ Hikaru seine Trauer.

Hikaru krümmte sich zusammen und stieß einige elende Laute aus, die einfach kamen, ohne dass er es kontrollieren konnte. Er weinte hemmungslos und krallte mit der Hand einige Kiesel. Schließlich war es Stoff, den er verzweifelt umklammerte, als er in Touyas Schoß lag und wie ein Kind weinte, all die Trauer rausließ, die er nach Sais Verschwinden verspürt hatte und mit niemandem hatte teilen können.

Irgendwie waren sie nach drinnen gegangen. Hikaru wusste nicht wie, er wusste nur, dass er sich in seinem Bett wiederfand, auf eine Mindestgröße zusammengerollt und dass Touya stumm neben ihm saß und wartete, bis er bereit war.

Irgendwann brach Touya die Stille. "Weißt du, ich habe überlegt, mit Go aufzuhören." Hikaru schniefte leise. Was? Touya, ohne Go? Unmöglich, das ging gar nicht. Undenkbar. "Ich wollte dich wiedersehen. Als du mich gemieden hast, habe ich auf dich gewartet. Ich habe alte Kifus angesehen, ich war im Aquarium, ich bin die Wege von diesem Abend wieder gegangen. Ich habe sogar überlegt, nach Itou zu fahren, nur um mich an die Zeit zu erinnern. Aber es hat alles geschmerzt. Ich wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören, ich wollte alles aufgeben was uns verbindet."

Es war eine lange Zeit still. Hikaru wusste nicht, wie lange, fünf, zehn, zwanzig Minuten vielleicht. Vielleicht auch mehr. Dann sprach Touya wieder. "Und dann fiel mir auf, dass du genau das getan hast. Damals. Du hast aufgehört, Go zu spielen. Du bist an Orte gefahren, an denen du vorher nie warst, auf der Suche nach etwas." Er beugte sich zu Hikaru und klang schmerzvoll. "Was war es, was du gesucht hast? Wer hat dich verlassen, wen hast du so vermisst? Wer ist es, der dir so wichtig war wie du mir?" Seine Finger hatten sich um die Decke gekrampft, die über Hikaru ausgebreitet war. Hikaru setzte sich auf. Sie sahen sich an, wieder eine Ewigkeit und Hikaru schwankte zwischen 'Ich werde ihm alles erzählen' und 'Ich will mich zusammenrollen und sterben'. Schließlich entschied er sich für ein Mittelding.

Er setzte sich neben Touya an die Wand und zog die Beine dicht an den Körper. Er fühlte sich kalt, innen und außen und schien es einfach nicht abwehren zu können. Nach einer Weile begann er zu flüstern. Anfangs schnell, alles auf einmal, dann wurde er langsamer. "Was ich verloren habe war... ein Gefühl. Es war Sicherheit. Es war das Gefühl, das Richtige zu tun, irgendwohin zu gehören, geleitet zu werden, verstanden zu werden, weitergetrieben zu werden. Es war in mir und eines Tages habe ich es... verloren. Weil ich es nicht festgehalten habe, weil ich es nicht geschätzt habe, bevor es mir genommen wurde. Es war nichts, was man wiedererlangen könnte. Es war alles."

Die Tränen flossen, aber man merkte sie seiner Stimme nicht an, also ließ Hikaru sie laufen. Touya legte den Arm um ihn und er fühlte sich geborgen und trauerte. "Bleib heute Nacht hier", sagte er schließlich. Touya nickte und machte sich von ihm los. Er verließ das Zimmer, vermutlich, um mit Hikarus Mutter zu reden und zu Hause anzurufen. Hikaru zog sich nicht mehr um, er legte sich hin und schlief ein, noch bevor sein Kopf das Kissen berührte. Später merkte er, wie Touya neben ihm lag, ihm aber Platz ließ. Es war angenehm und er dachte, dass er hoffentlich bald wieder gegen Touya spielen konnte. Touya, der Go nicht aufgegeben hatte, wie er es damals getan hatte. Touya, der ihn durchschaut hatte.

~x~

Als Hikaru am Morgen erwachte, war Touya da. Er hatte halb erwartet, der Dunkelhaarige würde fort sein, um sich für Hikarus Verschwinden vor drei Monaten zu rächen. Nun, das wäre natürlich nicht Touyas Art, dachte Hikaru. Der andere war wach, blickte aber verschlafen an die Decke und schien tief in Gedanken zu sein, bis Hikaru sein Aufwachgeräusch machte - dieser Laut zwischen Knurren und Stöhnen, der Touya in Itou schon öfter aufgefallen war.

"Morgen", sagte Touya, es klang nicht zu nett, fast ein bisschen vorwurfsvoll, dachte der andere.

"Wie spät ist es?"

"Um elf."

Hikaru stöhnte. "Ich muss zum Institut, ich habe bestimmt wieder einen Schüler heute, und es ist schon so spät. Meistens fange ich um acht an, wahrscheinlich habe ich schon einen Termin verpasst-"

"Shindo."

"Hm?"

"Heute ist Sonntag. Und wenn es das nicht wäre, hätte ich deine Termine abgesagt."

"Dann wäre ich dir böse." Touya zog spöttisch eine Augenbraue hoch.

"Oh, entschuldige, dass ich mir nach dreizehn Wochen, die du mich ignoriert hast, so etwas Dreistes erlauben würde. Wirklich unmöglich, dass ich dir keinen Respekt entgegenbringe und mich deine Wünsche überhaupt nicht interessieren. Nach wem klingt das wohl eher?" Oha, Touya war also sauer, dachte Hikaru. Und nicht nur das, er lag auch neben ihm und hatte die Nacht dort verbracht. Nicht gerade eine Situation, in der man am besten diskutieren konnte. Hikaru lag eine Weile da und überlegte, wie schnell er es zur Tür und aus dem Haus schaffen konnte und ob Touya schneller wäre. Vermutlich nicht. Praktischerweise hatte er noch seine Klamotten vom Vortag an, das wäre also kein Problem. Was, wenn seine Mutter ihn aufhielt? Oder wenn Touya ihm den Weg versperrte?

"Ich warte." Hikaru seufzte. Nein, vermutlich gab es keinen Ausweg und warum auch? Er hatte sich das alles eingebrockt, also musste er die Probleme auch lösen. Er war Touya lange genug aus dem Weg gegangen. Das stellte er nicht ohne Stolz fest.

"Was willst du denn hören?" Touya betrachtete ihn aus halb geschlossenen Augen, es sah sehr kühl aus. Hikaru fragte sich, ob die Gefühle des anderen sich verflüchtigt hatten und dachte, dass das schade wäre, denn dann wäre es viel schwerer, den anderen dazu zu bringen, ihm zu verzeihen.

"Wie wäre es mit einer Erklärung dafür, dass du mich drei Monate lang wie ein verdammtes Stück Dreck behandelt hast?"

Hikaru seufzte wieder. Die Antwort war zu simpel, um wirklich Antwort genug zu sein. "Ich wollte dir keine Hoffnungen machen." Touyas Gesichtsausdruck sagte alles, was er darauf erwidern wollte, also blieb er stumm. 'Es gibt einen Unterschied zwischen keine Hoffnungen machen und jemandem den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Du weißt, was ich durchgemacht habe, du hast genau das gleiche erlebt und hast es trotzdem selbst getan.' Hikaru schloss die Augen und rieb sich die Schläfen.

"Es tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint."

"Natürlich hast du das." Hikarus Augen weiteten sich. Diese Unterhaltung hatten sie schon einmal geführt, nur dass plötzlich ihre Rollen vertauscht waren. "Ich verstehe deinen Standpunkt, Shindo, aber dein Verhalten kann ich nicht tolerieren. Noch dazu hast du in letzter Zeit miserable Partien abgeliefert. Du wirst wieder gegen mich spielen, dass das klar ist. Und du wirst dich verbessern und mich verbessern, wie vorher auch. Zu mehr musst du dich nicht zwingen."

Sie sahen sich an und Hikaru sah, wie ernst es Touya war. Er sah, dass es dem anderen um Hikarus Go ging und er sah auch den kleinen Hoffnungsschimmer, dass er von Hikaru doch noch ein Zeichen bekommen würde. Genau diese Hoffnung, die Hikaru hatte vermeiden wollen. Er seufzte und nickte schließlich, denn eigentlich hatte er ja gar keine Wahl. Er wusste, dass er sich ohne Touya nicht weiterentwickelte. Es war so offensichtlich, dass es schmerzte.

"Gut. Dienstags und freitags wirst du in den Go-Salon kommen, ab fünfzehn Uhr warte ich auf dich."

"Was ist, wenn ich da Termine habe?"

"Dann verlegst du sie. Von jetzt an akzeptiere ich keine Ausreden mehr von dir, das sollte dir klar sein." Sie maßen sich gegenseitig und Touya gewann, als Hikaru wieder nickte. Vermutlich verhielt der Dunkelhaarige sich so, um es Hikaru einfacher zu machen. Hätte er es auf der emotionalen Schiene versucht, hätte Hikaru sich vermutlich wieder verschlossen, dachte dieser. Egal was Touya tat, irgendwie war es doch wieder für ihn. Und für Go. Hikaru richtete sich auf und verließ sein Bett. Touya setzte sich auf und sah ihm zu, als er sich umzog. Hikaru hätte nur zu gern etwas Grantiges gesagt, aber nach dem Vorabend, in dem er heulend in Touyas Armen gelegen hatte, hatte er dieses Recht wohl verspielt. Er verließ das Zimmer und der andere folgte ihm nach unten.

"Hikaru, Touya-kun, was wollt ihr frühstücken?"

"Touya wollte gerade gehen", erklärte Hikaru und bedachte den Jungen mit einem kühlen Blick. Dieser nickte und bedankte sich bei Hikarus Mutter, bevor er das Haus verließ, ohne noch etwas zu Hikaru zu sagen.

"Hikaru, was war gestern los?" fragte seine Mutter sorgenvoll. Sie wusste nur, dass Touya-kun ihren Sohn gestützt und ins Haus gezerrt hatte, sogar die Treppen hoch, und ihr versichert hatte, am nächsten Morgen würde es ihm besser gehen. Hikaru schüttelte den Kopf und erwiderte nichts. "Ich mache mir nur Sorgen um dich." Sie legte ihre Hand auf seine. "Ich weiß, dass es dir in den letzten Wochen schlecht ging. Wenn du es mir nicht sagen möchtest, dann pass bitte einfach auf dich auf." Er schenkte ihr ein Lächeln, eines wie sie es seit Monaten nicht an ihm gesehen hatte, eigentlich seit er mit den anderen jungen Leuten verreist war, und es wärmte sie, ihn wieder so zu sehen. Vielleicht war seine schwere Zeit durchgestanden.

~x~

"GIB DOCH ZU, DASS DU DIESEN ZUG NICHT VORHERGESEHEN HAST!!"

"NUR WENN DU ZUGIBST, IM YOSE NICHT GENUG GEGEBEN ZU HABEN!"

"MEINE TAKTIK WAR ABSOLUT FEHLERLOS!!"

"WÄRE SIE DAS, DANN HÄTTE ICH NICHT MIT DREIEINHALB MOKU GEWONNEN!!!"

Sie waren aufgestanden und ihre Köpfe waren sich gefährlich nahe, als wolle einer den anderen gleich mit der Stirn rammen. So standen sie sich gegenüber, schwer keuchend, weil ihr Streit schon einige Minuten angehalten hatte, und funkelten den anderen unversöhnlich an. Touya fasste sich zuerst, er nahm wieder seine perfekte Körperhaltung an und setzte sich schließlich wieder auf seinen Stuhl, den er im Eifer des Wortgefechts einen halben Meter zurückgeschoben hatte, als er aufgesprungen war.

Hikaru setzte sich auch und sagte schließlich: "Sind deine Eltern wieder verreist?" Touya hob die Augenbrauen und sah ihn fragend an. "Wenn sie da sind, wirst du beim Streiten immer persönlicher, wenn sie verreist sind beschränkst du dich auf tatsächliches Go." Er hatte das irgendwann ganz nebenbei bemerkt. Nicht nur, dass Touya in den Wochen, in denen seine Eltern ihm das Haus überließen, müder und matter wirkte, er schien das Gefühl zu haben, seinen Vater in Japan vertreten zu müssen, vielleicht ließ er sich deswegen bei ihren Schreiduellen nicht ganz so gehen.

"Willst du heute bei uns essen?" fragte Hikaru, bevor er darüber nachdenken konnte. Es war ein Reflex, Touya tat ihm fast etwas leid, weil er so viel für sich selbst sorgen musste. Der andere schüttelte den Kopf. "Ashiwara-san kommt heute vorbei, er ist ein hervorragender Koch. Für mich ist also gesorgt."

Es war fast zwei Monate her, dass Touya ihn vor seinem Haus auf die Zeit nach Sais Verschwinden angesprochen hatte. Hikaru hatte sich an Touyas 'Wünsche', so man seine Bedingungen so nennen konnte, gehalten und war zweimal in der Woche im Go-Salon gewesen. Er wollte es nicht zugeben, aber er merkte es wieder, nicht nur die Euphorie, die Go in ihm wachrief, sondern auch das Gefühl, dass er sich verbesserte und immer stärker wurde.

Hikaru betrachtete den nun wieder ruhigen Touya. Die schlanken Finger, die er zu einer Faust auf seinem Oberschenkel gekrümmt hatte. Die Finger, die Hikaru auf dem Goban bekämpften wie eine ganze Armee, schlank und lang, sie hatten seine Hand nicht wieder genommen. Er fragte sich, wann er Touya überhaupt das letzte Mal berührt hatte. Der andere hatte sich sehr zurückgehalten, wenn er genau darüber nachdachte waren sie sich seit dem Abend vor fast zwei Monaten nicht mehr nah gewesen.

Touya schürzte die Lippen und es sah schelmisch aus. Hikaru wusste schon, was er sagen würde, noch bevor er ansetzte, doch er ließ ihm den Satz. "Noch eine Partie, Shindo."

Es war elf Uhr abends, als sie sich an der Bahnstation verabschiedeten und Hikaru sich entschied, noch zu Waya zu gehen. Es war alles wieder beim Alten. Er nahm keine Umwege mehr auf dem Heimweg, sondern traf sich wieder mit seinen Freunden. Als er bei Waya ankam war nur Asumi da und ihre Wangen waren rosig. Hikaru blickte zwischen den beiden hin und her und reimte sich zusammen, was sie bisher gemacht hatten. Unerbittlich beschloss er, sie nicht sich selbst zu überlassen.

"Asumi", begrüßte er die junge Frau. "Ich glaube, für uns ist bald eine offizielle Partie angesetzt. Ich hoffe doch, du übst so viel Go mit Waya wie möglich."

Ihr Wangen wurden noch etwas dunkler, doch sie nickte. "Ja, aber gegen dich habe ich leider keine Chance, Hikaru."

"Asumi, ich habe dir doch gesagt, du sollst keinen Gegner als unbezwingbar ansehen, denn dann erst wirst du verlieren!" rezitierte Waya seinen Lehrer Morishita, der ihm das gleiche vor langer Zeit gesagt hatte. Damals hatte Waya auch an Hikaru gedacht, der ein unmöglich fassbares Talent für Go hatte. Er konnte es Asumi also nicht verübeln, etwas hoffnungslos zu sein, schließlich kannten sie beide Hikarus Stärken. "Vielleicht solltest du Touya um Übungsstunden spielen, er kann dir bestimmt Tips geben, wie man Shindo besiegt!"

Hikaru verzog den Mund und erwiderte: "Ich habe Touya letztens geschlagen." Er sagte es ganz nebensächlich, doch die anderen beiden sahen sich an. Es musste das erste Mal gewesen sein. Sollte das heißen, er hatte Touya nach all den Jahren - waren es vier oder fünf Jahre? - endlich erreicht? Sie wussten, dass es für Hikaru eine große Sache war und es wunderte sie etwas, dass er es ihnen nicht gleich am nächsten Tag mit stolzgeschwellter Brust erzählt hatte. Er war erwachsen geworden, dachte Asumi. Der kleine Junge, den sie damals als Insei kennengelernt hatte, war an seinem Ziel angekommen und er würde darüber hinauswachsen. Er war jetzt sechzehn, kein Vergleich zu damals. Sie erinnerte sich daran, wie er an einem seiner ersten Tage damit geprahlt hatte, dass Touya ihm hinterherjagte. Heute war es unvorstellbar, dass Hikaru noch mit so etwas angeben würde. Er hatte ganz eigene Stärken entwickelt, er brauchte keinen anderen berühmten Spieler vorschieben, um seine eigene Überlegenheit zu beweisen.

Sie wuschelte ihm durch die Haare, auch wenn er sie verwirrt ansah, als er seine Frisur wieder richtete. Überrascht betrachtete sie seinen Pony. "Du hast schon lange nicht mehr gebleicht", stellte sie fest beim Anblick des etwa einen Zentimeter langen schwarzen Ansatzes unter Hikarus blondem Pony.

"Ich bleiche sie das nächste Mal, wenn ich Touya schlage. Ich habe es nach dem ersten Mal beschlossen."

"Na dann viel Glück", grinste sie.

"Glück brauche ich nicht", erwiderte Hikaru selbstsicher und lächelte sie an. Ihr Herz schlug schneller und sie musste wieder denken, wie erwachsen er doch geworden war. Es war ein Jammer, dass sie sich nicht schon als Insei wirklich angefreundet hatten, dann hätte sie seine Entwicklung noch näher mitverfolgen können.

"Los", sagte sie, "spiel gegen Waya und mich." Sie zog ein zweites Goban heran und gestikulierte auf den Platz ihr gegenüber.

Waya beobachtete, wie die beiden miteinander redeten. Ein bisschen eifersüchtig war er schon auf ihre Beziehung, sowohl auf Asumis Stellung als Hikarus enge Vertraute, als auch auf Hikaru, der so ungezwungen mit Asumi reden konnte. Mittlerweile war er sich zwar seiner Position in ihrem Leben sehr sicher, aber wenn er wieder sah, wie vertraut sie miteinander umgingen, stach ihm irgendetwas ins Herz. Trotzdem war er froh, Hikaru endlich wieder häuftiger bei sich zu sehen. Noch vor ein paar Wochen, in der Zeit, in der er Touya ignoriert hatte, war er nur noch selten da gewesen, war in Unterhaltungen abgelenkt gewesen und hatte generell ausgelaugt gewirkt. Ganz zu schweigen von den Partien aus dieser Zeit, in der er sich wirklich kein Bienchen verdient hätte.

Jetzt schien er wieder er selbst, fröhlich und stark wie früher. Waya fragte sich, was zwischen ihm und Touya vorgefallen war. Es war so offensichtlich, dass es sie beide betraf, denn auch Touya hatte neben sich gestanden, war kaum noch anzutreffen und Go-technisch nicht gerade auf der Höhe gewesen. Waya hatte so eine Ahnung, dass Gefühle im Spiel waren, wollte allerdings nicht darüber nachdenken - verdammt, es waren schließlich zwei Jungen, um die es ging. Und auch noch die zwei Jungen, die, seit er sie kannte, nie romantische Gefühle für irgendjemanden gezeigt hatten. Alles, was sie antrieb, war Go gewesen. Und, dachte Waya unbehaglich, der jeweils andere. Stimmt, wenn er jetzt so darüber nachdachte, hatte Shindo schon immer nur über Touya geredet und Touya hatte sich nur für Shindo interessiert.

Er betrachtete Hikaru. Sah so ein Schwuler aus? Wer es wohl gewesen war, der den ersten Schritt gemacht hatte? Bei Touya konnte er es sich eigentlich nicht vorstellen. Könnte er Shindo bedrängt haben? Unmöglich. Dann musste es wohl Shindo sein, der Touya seine Gefühle gestanden hatte. Waya kicherte stumm. Auch unmöglich.

Wahrscheinlich waren sie bei einem ihrer Streits zu persönlich geworden und hatten sich danach angeschmollt. Drei Monate lang. Waya seufzte - er würde nie dahinter kommen, was passiert war. Solange Asumi ihn nicht einweihte, denn sie schien irgendwie eine Ahnung zu haben, von der sie ihm nichts erzählte.

Hände

Hikaru saß wieder vor dem Goban gegenüber Touya und sie trugen einen hitzigen Kampf aus. Er sah Touyas schlanke Hand, die einen Zug vollführte, den er absolut erwartet hatte. Es war so typisch Touya, an dieser Stelle zu attackieren, wo sie bis eben noch am anderen Ende gekämpft hatten. Die Hand ruhte eine Sekunde über dem Goban und zog sich dann zurück. Hikaru fragte sich wieder, wann ihre Finger sich das letzte Mal berührt hatten. Ob seine gegen Touyas Finger wohl dick und fleischig aussahen? Er betrachtete kurz seine eigenen Finger, die geübt einen Stein griffen. Sie waren bei Weitem nicht so hell wie Touyas, aber auch nicht allzu dick.

Er antwortete auf den Zug und wusste, dass Touya auch seinen Zug vorhergesehen hatte. Es war einfach die beste Möglichkeit auf dem ganzen Goban und sie wussten es beide. Sie warfen sich einen kurzen Blick zu, in dem sie sich genau das sagten. Die beste Möglichkeit, das war der Weg zur Hand Gottes. Hikaru hielt verwundert inne. Sie hatten sich schon lange nicht mehr angesehen, oder? Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass er Touyas hellgrüne Augen gesehen hatte. Er zuckte die Schultern und wartete den nächsten Zug der schlanken Finger ab.

Es schwebte etwas zwischen ihnen, etwas Unheilvolles, und sie wussten es beide. In einer Woche war es soweit: Sie spielten gegeneinander in der Kisei-Auswahl. Hikaru hatte sich dazu durchgerungen, teilzunehmen, weil er wusste, dass er mit seinem jetzigen Können noch keinen Titel erringen würde. Er wollte einfach nur gegen die starken Pros spielen. Natürlich nahm Touya auch teil und natürlich war es wahrscheinlich, dass sie gegeneinander spielten, aber Hikaru fühlte sich noch nicht bereit. Es würde ihre erste offizielle Partie seit dem Young Lions Tournament werden. Das war Jahre her.

Hikarus Augen ruhten auf Touyas Händen. Einen Tag lang war es normal gewesen, dass sie seine gehalten hatten. Hatte Touya das Verlangen plötzlich abgelegt? Es wirkte zumindest so, nie wieder griff er impulsiv nach Hikaru. Vielleicht hatte er sich auch einfach im Griff.

Hikaru dachte an seine erste offizielle Partie gegen Morishita-sensei und was dieser ihm gesagt hatte: erst im offiziellen Kampf gegeneinander zeigt der Gegner seine Krallen. Ob Touya anders spielen würde? Ob er ihm Krallen und Zähne zeigen würde, die Hikaru noch nicht kannte? Es war ein seltsamer Gedanke, denn Hikaru meinte, das Go des anderen in- und auswendig zu kennen, jeden Fortschritt live mitzuverfolgen. Was würde passieren, wenn sie sich vor Publikum duellierten, in dem Wissen, dem anderen den Weg zu einem Titel versperren zu können?

Ob Touya noch so über ihn dachte wie damals? Und wenn es so war, ob er sich zurückhalten würde, weil er Hikaru keine Steine in den Weg legen wollte? Hikaru schürzte nachdenklich die Lippen. Vermutlich waren Touyas Gefühle abgekühlt, denn sonst hätten sie sich längst wieder zufällig berührt. Gelegenheiten hatte es weiß Gott genug gegeben, und Touya hatte keine ergriffen. Hikaru erinnerte sich nicht mehr, wie die Haut des anderen sich anfühlte. War sie so kühl wie Touya selbst? War sie rau? Er wusste es nicht mehr, schließlich hatte es nur diesen einen Tag gegeben.

"Ich werde mich nicht zurückhalten."

Hikaru sah verwundert auf, als Touya sprach, dann lächelte er. "Gut. Ich habe auch nicht vor, es dir leicht zu machen." Touya sah ihn aus halb geöffneten Augen an, es sah aus wie eine lauernde Raubkatze und Hikaru schauderte kurz.

Hikaru verlor. Es war kein schlechtes Spiel gewesen, eher das Gegenteil davon, aber er hatte zu viel nachgedacht, zu viel über diese Partie, die ihnen bevorstand und hatte zu sehr versucht, aus Touya schlau zu werden. Er hoffte, dass er bei ihrem offiziellen Spiel abschalten konnte und sich auf seine Go-Instinkte verlassen konnte.

Am folgenden Dienstag trafen sie sich noch einmal im Salon und spielten zwei halbherzige Partien, beide unentschieden. Sie hatten nicht einmal den Elan für eine hitzige Diskussion. Hikaru erklärte einen Zug, den er an Touyas Stelle besser gehalten hätte und zeigte auf die Stelle. Touya hob seine Hand und deutete auf die Stelle daneben, an der einer von Hikarus Steinen lag. Während er diesen Zug kommentierte, betrachtete Hikaru ihre Hände. Sie schwebten fünf Zentimeter voneinander entfernt in der Luft. Er fragte sich, ob Touya überlegte, ihn wie zufällig zu berühren. Langsam bewegte er sich in Richtung der Finger des anderen. Als sie sich fast berührten zog Touya seine Hand weg und sah ihn mit einem Stirnrunzeln an.

"Hast du mir gerade zugehört, Shindo?" Hikaru sah mit großen Augen auf und überlegte, ob es überhaupt noch glaubwürdig klingen würde, wenn er bejahen würde. Er überlegte so lange, bis seine Entscheidung auf Nein fiel und er einfach überhaupt nicht reagierte. Touya schüttelte den Kopf. "Shindo, mach dich doch nicht verrückt wegen dem Spiel. Es wird wie jedes andere. Du hast es schon einmal geschafft, mich zu schlagen, also werde ich mich hüten, dich zu unterschätzen. Du wirst doch dein Bestes geben?"

Hikaru nickte, während er sich fragte, ob Touya überhaupt noch manchmal an ihre Berührungen dachte, und er kam sich dumm vor, darüber nachzudenken. Offensichtlich bemühte Touya sich um eine freundschaftliche, platonische Beziehung und er musste ständig überlegen, ob der andere ihm immer noch die Kleidung vom Leib reißen wollte. Wie jämmerlich von ihm, nicht einfach darüber hinwegzukommen, dachte er.

Er verabschiedete sich von Touya und ging nach Hause, um so viel wie möglich zu schlafen. Am Mittwoch unterrichtete er eine alte Dame im Institut, deren Mann ein begeisterter Go-Spieler war und die es ihm zuliebe lernte. Es machte ihm Spaß, sich mit ihr über das Spiel zu unterhalten, ein bisschen erinnerte sie ihn an seine Mutter, auch wenn diese viele Jahre jünger war, so hatte sie ihn auch immer unterstützt in seiner Leidenschaft.

Schließlich war der Tag gekommen. Schneller, als Hikaru wollte. Er stand am Morgen vor seinem Kleiderschrank und überlegte, was er tragen sollte. Vermutlich würden sie viel Publikum haben, andererseits sahen die meisten sowieso nur seine Hand auf dem Bildschirm. Um Touya zu zeigen, wie ernst es ihm war, hätte er am liebsten seinen Anzug getragen, aber dieser war ihm ja mittlerweile zu klein. Seine Trikots und legeren Shirts kamen nicht infrage, also eines seiner wenigen Hemden. Er entschied sich schließlich für ein langärmeliges dunkelblaues Hemd und schwarze Hosen.

Seine Mutter begrüßte ihn mit Frühstück, das er nur ihr zuliebe aß.

"Ich spiele heute gegen Touya", sprudelte es während des Essens aus ihm heraus. Seine Mutter sah ihn überrascht an und erwiderte: "Ich weiß. Heute ist Donnerstag. Du spielst jeden Donnerstag gegen Touya-kun." So viel wusste sie? Hatte er das überhaupt einmal erwähnt?

Hikaru schüttelte den Kopf. "Nein, Ma, es ist ein gewertetes Spiel in einem Titel-Turnier. Wenn Touya gewinnt, komme ich nicht in die nächste Runde und anders herum."

"Was ist, wenn es ein Unentschieden wird?"

Er schüttelte wieder den Kopf. "Das geht nicht, weil..." Er überlegte, ob er ihr das System mit den sechseinhalb Punkten Komi erläutern sollte. "Es gibt immer einen klaren Gewinner. Auge um Auge."

"Willst du Touya-kun danach zum Abendessen mitbringen?"

"Wenn ich ihn besiege schon", grinste Hikaru frech und beendete sein Frühstück. Dann ging er los. Etwas zu früh, aber das konnte nicht schaden. Im Institut traf er Waya und Isumi, die zusammenstanden und eine ältere Partie diskutierten.

"Shindo!" winkte Waya ihm zu und musterte ihn verwundert. "So herausgeputzt heute?"

Hikaru nickte ernst. "Touya wird heute verlieren. Es würde ihn ärgern, wenn ich nicht angemessen gekleidet bin für seine Niederlage." Waya und Isumi sahen sich verwundert an. Woher kam dieses geballte Selbstbewusstsein so plötzlich? Hikaru ging in das Zimmer, in dem seine Partie stattfinden würde. Mittlerweile war er schon oft hier gewesen, aber nie mit so einer vibrierenden Tatkraft wie heute. Touya saß bereits vor dem Goban und sah ihm ernst entgegen. Sie nickten sich zu und Hikaru setzte sich vor ihn.

Ihre Partie begann zu der veranschlagten Zeit. Sie hatten zweieinhalb Stunden Zeit. Hikaru sog die Luft tief ein, bevor er seinen ersten Zug setzte. Die ersten zehn Steine lagen schneller als der protokollierende Insei sie im Kifu vermerken konnte, von da an brauchten sie immer länger. Hikaru dachte eine halbe Stunde nach über eine Antwort auf einen Stein Touyas. Er sah Touyas Schatten in jedem Zug, den die schlanke Hand des Jungen setzte, er erkannte auch sich selbst darin, denn ihre Taktiken waren ineinander verwoben wie zwei Efeuranken, die sich jetzt über das Goban schlängelten.

Touya zeigte keine neuen Krallen. Er offenbarte alte, die Hikaru nur allzu gut kannte, die aber dadurch nicht weniger wirkungsvoll waren. Doch auch Hikaru fletschte mittels seiner Steine die Zähne, zeigte Drohgebärden, wie er sie von Touya gelernt hatte, während er resolut seine Gebiete verteidigte. Nach einer Stunde begann er, zu schwitzen. Seine Hände und Stirn wurden feucht und er konnte den Blick nicht vom Goban lösen. Zu spannend, zu nervenaufreibend war ihr Hin und Her. Bisher nahmen sie sich nicht viel. Sie balgten etwas herum wie junge Katzen, die noch lernen mussten, wo ihre Krallen am meisten wehtaten. Doch ihr Go wuchs während der Partie auf, schlug zu, wenn die Kehle in Sichtweite kam, verpasste dem anderen tiefe Fleischwunden.

Nach zwei Stunden schwitzte auch Touya. Hikaru bemerkte es irgendwann, als Touya zum wiederholten Male vor seinem Zug zu dem kleinen Handtuch an der Seite griff. Sie sahen sich kurz an und Hikaru sah sofort weg. Er wollte Touya nicht ansehen, solange er ihn auf dem Goban bekämpfte.

Drei Stunden waren um und Hikaru wusste, dass kein Zug mehr möglich war, der das Ergebnis beeinflussen würde. Touya musste es auch wissen. Er war nicht die Art Go-Spieler, die Partien in die Länge zog, nur um des Spielens willen. Sie konnten nicht erwarten, dass der andere einen Fehler machte, denn das würde keiner von ihnen.

"Ich gebe auf."

Hikaru ballte die Fäuste und sah weiter auf das Goban. Er sah Touyas Hände, verschwitzt, auch zu Fäusten geballt, auf seinen Oberschenkeln. Er dachte, dass er gern Touyas Hände auf seinen Schultern spüren würde. Oder die Hand in seiner, einfach um zu wissen, wie sie sich jetzt anfühlte, nach ihrer ersten echten Partie. Ob sie eiskalt war oder glühte?

Die Offiziellen standen auf und verließen den Raum, um die Presse zu informieren und die Kifu zu kopieren. Touya und er blieben alleine, sie starrten beide auf das Brett und bewunderten die Partie. Keiner sagte etwas. Nach einer halben Stunde hob Touya den Blick.

"Danke für dieses Spiel."

"Hmm..."

Sie maßen sich mit Blicken. Irgendwann verzogen sich Touyas Lippen zu einem leichten Lächeln. "Herzlichen Glückwunsch, Shindo." Er hob die Hand und Hikaru fragte sich, ob sich ihre Finger gleich berühren würden, doch Touya stützte sich nur am Goban ab, um aufzustehen. "Ich bin sicher, die anderen wollen dir auch gratulieren."

Hikaru folgte ihm nach draußen. Waya und Isumi warteten schon. Sie nickten Touya zu und kamen dann auf Hikaru zu, um ihm auf die Schulter zu klopfen. "Das war wirklich interessant. Viel besser kann das Titelmatch auch nicht werden." Hikaru ließ sich beglückwünschen und fühlte sich siegestrunken und wie in Watte verpackt. Er sah, dass Touya ein paar Worte mit einem Reporter wechselte und dachte sich, dass er das vermutlich im nächsten Weekly Go lesen konnte. Andere Pros kamen und gratulierten ihm, sogar Ochi war an diesem Tag im Institut gewesen.

"Touya!" rief er zwischendrin, als er sah, dass der andere zum Ausgang ging. Der dunkelgrüne Schopf drehte sich zu ihm. "Lass uns zusammen zur Bahn gehen!" Touya nickte und wartete geduldig darauf, dass Hikaru die anderen Pros abwimmelte, die ihm ein letztes anerkennendes Schulterklopfen oder nette Worte mit auf den Weg gaben. Schließlich griff Hikaru seinen Rucksack und kam zu Touya gelaufen. "Wollen wir ins Aquarium?" fragte Hikaru. Touya runzelte die Stirn und sah ihn an, als ob er etwas nicht verstanden hatte. Schließlich zuckte er die Schultern, genug Zustimmung für Hikaru, also ging er vor.

Obwohl sie nebeneinander liefen schien Touya darauf zu achten, dass sie sich nicht berührten. Hikaru fragte sich, ob er das machte, damit sein Rivale sich nicht unwohl fühlte, oder weil er kein Verlangen mehr danach hatte, ihn überhaupt zu berühren.

Hikaru kaufte sich ein Ticket und sie gingen schweigend hinein. Auch die blauschwarzen Gänge passierten sie die ersten Minuten ohne ein Wort. Es war fast schon bemerkenswert, wie Touya jegliche Berührungen zwischen ihnen verhinderte. Hikaru dachte an den Tag, an dem sie hier gewesen waren, an dem Touya hier seine Hand gehalten hatte, viel zu oft und viel zu lange, und ob es seltsam sein würde, wenn er es wieder tat.

"Es war das zweite Mal", sagte Touya schließlich.

"Hmm", machte Hikaru. Das zweite Mal, dass er gegen Touya gewonnen hatte. "Ich schätze, ich kann mir endlich wieder die Haare bleichen." Touya warf einen Blick auf Hikarus Pony und musste etwas lächeln, als er nickte. "Bist du mir böse?" fragte Hikaru schließlich. Er war stehengeblieben und sah Touya an, auf dessen Haaren und Gesicht wieder ein blauer Schimmer lag.

Touya drehte sich zu ihm und sah ihn fragend an. "Shindo, wieso sollte ich dir wegen Go böse sein? Genau das war es, worauf ich jahrelang gewartet habe, dass endlich jemand zu mir aufschließt, nein, dass du es bist, der zu mir aufschließt. Nichts versetzt mich in mehr Euphorie, glaub mir-"

"Und warum nimmst du dann nicht meine Hand?!" Es war raus, bevor Hikaru darüber nachdenken konnte. Verdammt, er hatte sich seit Tagen darüber den Kopf zerbrochen, wieso hatte er es nicht einfach ignoriert? Touyas Gesichtsausdruck war dagegen all das wert. So überrascht hatte Hikaru ihn noch nie gesehen, sogar der offene Mund fehlte nicht. "Nein, so habe ich das nicht-"

"Willst du, dass ich deine Hand nehme?"

"Nein, ich... ich habe mich nur erinnert, und... und, ähm, mich gewundert. Vergiss es einfach, es kam falsch rüber." Doch Touya dachte nicht daran, stattdessen kam er auf Hikaru zu. Er stellte sich so nah zu ihm, dass ihre Gesichter sich fast berührten. Als Touya sprach, strich sein Atem über Hikarus Wangen.

"Hör auf, mir immer wieder andere Signale zu geben, Shindo. Sag mir einfach, was ich denken soll."

"Wie soll ich dir das sagen, wenn ich es selbst nicht weiß?!"

Touyas Augen waren so nah, dass Hikaru die leichten braunen Sprinkel darin sah, von denen er nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierten. Sie sahen sich wieder viel zu lange an, keiner wusste, was er dem anderen sagen sollte oder was er selbst hören wollte. Schließlich strich Touya mit dem Daumen über Hikarus Handrücken. Er nahm beide Hände in seine und verschränkte ihre Finger miteinander.

"Ist es okay, wenn ich das tue? Ist es das, was du wolltest? Oder wirst du mich wieder von dir weisen, kaum dass ich dir den Rücken zuwende?"

"Ich weiß nicht", flüsterte Hikaru heiser. Touyas Hand fühlte sich weich an, er spürte die Hornhaut an Mittel- und Zeigefinger. Er fuhr die Hand entlang und fühlte das Handgelenk, das in den schmalen Arm mündete. Touyas Finger glitten seinen Arm nach oben, am Hals entlang und landeten in Hikarus Haaren, in die sie sich schmerzhaft krallten. Hikaru zuckte zusammen, doch Touya ließ nicht locker. Sein Rücken bog sich etwas und er lehnte die Stirn an Hikarus Oberkörper. Es sah nach einem inneren Zwiespalt aus, der ihn zu zerreißen drohte.

"Touya", flüsterte Hikaru. "Touya, hör auf. Es ist in Ordnung, okay? Du hast mich nicht verloren, ich bin noch hier." Er wusste, dass er es nicht nur zu Touya sagte, sondern auch zu sich selbst und zu Sai. Sai, den er auch nicht verloren hatte, der auf eine bestimmte Art immer noch bei ihm war.

"Versprich es mir."

"Ich verspreche dir, dass ich morgen auch noch hier sein werde. Und übermorgen. Schließlich kann ich mir doch nicht erlauben, unsere nächsten Partien zu versäumen, wo ich jetzt schon eine Gewinnstrecke begonnen habe." Touya lachte tonlos.

~x~

Gemeinsam fuhren sie zu Hikaru - schließlich hatte seine Mutter für Touya mitgekocht. Sie erzählten ihr etwas von der Partie und sie hörte ihnen geduldig zu. Danach gingen sie nach oben, Hikaru schlug den Weg zum Bad ein und bedeutete Touya, ihm zu folgen. Der andere stand unschlüssig im Flur und war nicht sicher, was er davon halten sollte. Mit dem Blick auf die Treppe folgte er Hikaru. Dieser hielt ihm eine Packung vor die Nase und Touya atmete auf, als er sah, was es war: Bleichmittel.

"Hilf mir hiermit", beorderte Hikaru ihn. Er drückte Touya die Tube in die Hand und wusch sich dann mit wenigen Handgriffen den Pony, von dem mittlerweile fast zwei Zentimeter in seiner Naturhaarfarbe nachgewachsen waren. Touya las die Gebrauchsanleitung, während Hikaru am Wasserhahn beschäftigt war.

"Mach das lieber selbst", sagte Touya skeptisch.

"Ich kann das nicht allein. Sonst macht meine Mutter das immer." Touya warf ihm einen Blick zu, der fast etwas herablassend war. "Hey, schau mich nicht so an! Jetzt zier dich nicht so, raufgepinselt damit und fertig." Hikaru verdrehte die Augen und war tatsächlich kurz davor, dem anderen die Packung abzunehmen. Die Erinnerung an seinen einzigen Selbstversuch allerdings hielt ihn davon ab. Danach hatte er zwei Wochen ein Basecap getragen, weil er verschiedene andere Strähnen und Flecken erwischt hatte und ein wenig Ähnlichkeit mit einer orangefarbenen Milchkuh gehabt hatte.

Touya seufzte schließlich und zog einen der Plastikhandschuhe über, die der Packung beilagen. Ungeschickt trug er das Mittel auf Hikarus schwarzen Ansatz auf. "Ist das nicht schädlich oder so?"

Hikaru zuckte nur die Schultern. "Gefällt es dir nicht?"

"Weiß nicht. Ich kenne dich nur so."

Schließlich musste das Mittel einwirken. Sie saßen nebeneinander auf dem Rand der Badewanne und redeten über ihre Partie.

"Dieser Zug auf 8-12, der war nicht von schlechten Eltern. Danach war die Partie eigentlich entschieden", erinnerte Touya sich. Er dachte daran, wie überrascht er bei dieser Antwort auf seinen vorigen Zug gewesen war, weil er sie nicht vorhergesehen hatte.

"Ich denke, mit 6-11 hättest du noch intervenieren können", meinte Hikaru. Er musste allerdings zugeben, dass der erwähnte Zug fast ein Geniestreich von ihm gewesen war. Er hatte ihn plötzlich erkannt und ausprobieren müssen. Er erinnerte sich an Asumis Worte zu Zügen, die man nicht erwartet hatte, die aber nichtsdestotrotz absolut einfach und natürlich waren. Wie Touya und er, das war damals der Zusammenhang gewesen. Und jetzt, wo sie in Eintracht nebeneinander saßen und zwanglos plauderten, erkannte er, wie recht sie gehabt hatte. Wie einfach und natürlich ihre Beziehung war, als hatte sie schon immer sein sollen.

"Ich hätte nicht erwartet, dass du gewinnst", gab Touya nach kurzem Überlegen zu.

Hikaru schüttelte den Kopf. "Ich auch nicht. Ich war überhaupt nicht nervös. Komisch, oder?"

"Wir haben schon so oft gegeneinander gespielt, irgendwann musste es ja zu etwas gut sein."

Touya nahm ungeschickt Hikarus Hand und betrachtete sie gegen seine eigene. Hikarus Finger waren etwas dunkler, Touyas wirkten bedenklich blass dagegen. Sie waren nicht so schmal wie Touyas, aber trotzdem wohlgeformt und gerade, an ihrer beider Hände waren die Nägel von Mittel- und Zeigefinger abgenutzt, eine Berufskrankheit, dachte Hikaru bei sich.

Touya sah in Gedanken auf ihre verschränkten Hände und Hikaru fragte sich, was dem anderen durch den Kopf ging. Vermutlich Go. Oder er fragte sich, wie es innerhalb weniger Tage dazu gekommen war, dass sie nun so hier saßen.

"Was wäre, wenn du verloren hättest? Wäre das gleiche passiert?"

Hikaru überlegte kurz. "Vermutlich nicht. Dann wäre ich niedergeschlagen nach Hause geschlichen."

"Dann habe ich ja Glück gehabt", lächelte Touya.

Hikaru grinste. "Warte erst ab, was bei deinen nächsten offiziellen Niederlagen passiert."

Touya schürzte wieder die Lippen. "Ich möchte es ja nicht herausfordern, auch wenn ich gespannt bin."

Hikaru stand auf und seine Hand war wieder frei. Er wusch sich das Bleichmittel aus den Haaren und betrachtete den Ansatz kritisch im Spiegel. "Naja... dir fehlt eindeutig Übung. Nächstes Mal sieht es hoffentlich besser aus." Touya lächelte bei der unterschwelligen Bedeutung dieser Worte.

~x~

Er traf sich am nächsten Tag mit Asumi. Sie wollte einen Kimono kaufen und nahm ihn als Berater mit. Sie dachte, wie gut es war, einen schwulen Freund zu haben, auch wenn Hikaru das sicher nicht gern hören würde. Sie trafen sich beim Go-Institut, weil sie an diesem Tag ein Spiel gehabt hatte. Als sie ihn herannahen sah, breitete sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht aus.

"War es ein Unentschieden?"

"Was?" fragte Hikaru verwirrt, als er sie erreichte.

"Deine Haare. Offensichtlich hast du weder gewonnen noch verloren. Schließlich ist irgendwie nur die Hälfte gebleicht."

Hikaru verzog den Mund und schüttelte gleichzeitig den Kopf. "Ich habe gewonnen." Genau genommen hatte sie das schon gewusst, Waya hatte es ihr am Telefon erzählt und von der Partie geschwärmt. "Ich habe Touya gezwungen, es zu machen."

Sie verbarg ihre Verwunderung hinter einem neuen Grinsen. "Er scheint ein schlechter Verlierer zu sein. Und seine Rache war grausam." Sie lachten, als sie sich zum Gehen wandten. Sie hatte genaue Vorstellungen, wohin sie wollte und leitete den Weg. Insgeheim fragte Asumi sich, wie die beiden von einer so intensiven Partie, wenn man Wayas Bericht Glauben schenken konnte, zum Haare färben gekommen waren. Sie zumindest war nach einer Niederlage immer ein bisschen sauer auf ihren Gegner, mehr natürlich auf sich selbst.

Hikaru war ein miserabler Einkaufsberater. Nicht nur, dass er wenig Gefühl dafür hatte, welche Farben allgemein zusammenpassten oder speziell zu ihr passten. Auch wenn sie ihm verschiedene Modelle zeigte, wusste er nicht viel zu sagen, außer dass sie darin wunderschön war. Kompliment schön und gut, aber bei der Entscheidung half er ihr wirklich nicht.

Es dauerte fast drei Stunden, bis sie schließlich einen Kimono fand, der ihr selbst gefiel. Sie schickte Waya ein Bild davon und er segnete ihn ab. Hikaru lud sie als Entschuldigung für seine Nutzlosigkeit zu Ramen ein, dort verquatschten sie sich und blieben fast zwei Stunden.

Auf dem Weg zur Bahn traute sie sich schließlich, ihn auf Touya anzusprechen.

"Sag mal, was ist jetzt mit dir und Touya? Ihr habt euch ja offensichtlich vertragen, aber du kannst mir nicht erzählen, dass da nicht mehr passiert ist."

Hikaru blickte starr auf den Boden, er wurde leicht rot, aber Asumi merkte es nicht. "Wie kommst du darauf?" Das war gut, etwas Zeit erkaufen, während er sich überlegte, was er ihr erzählen konnte. Andererseits, bisher hatte er ihr alles ohne Umschweife erzählt, warum sollte er das ändern?

"Mal ganz abgesehen davon, dass du absolut strahlst - was schon eine Weile nicht mehr der Fall war - hast du vorhin die ganze Zeit auf dein Handy gesehen."

"Das war nur wegen der Uhrzeit", verteidigte er sich, musste aber zugeben, dass er zumindest eine Nachricht von Touya erwartet aber nicht bekommen hatte. "Ist ja gut... Ein bisschen hast du ja Recht."

"Seid ihr zusammen?"

"WAS?! Gott, nein! Überhaupt nicht." Hikaru schaute sie verblüfft an.

"Wirklich nicht? Was denn dann?"

Hikaru überlegte eine Weile. Es hatte sich nicht viel geändert. Touya durfte jetzt seine Hand nehmen, ohne dass er Reißaus nehmen würde, aber mehr auch nicht. Mehr Körperkontakt oder gar Küsse waren nicht drin. Touya versuchte es auch gar nicht. Hikaru wusste nicht, ob es je soweit kommen würde, oder ob das einfach ihre Art von Beziehung neben dem Go war. "Irgendetwas, was nicht so... schwul ist", sagte er schließlich, schaudernd bei dem Wort. Asumi verdrehte die Augen bei seinen offensichtlichen Vorurteilen, erwiderte aber nichts. Vermutlich brauchte er einfach Zeit, um das zu akzeptieren, dachte sie sich. "Wir sind kein Paar, aber was wir im Go haben überträgt sich langsam auf uns selbst."

Also doch ein Paar, dachte Asumi. Sie sagte nichts mehr dazu - Hikaru würde schon noch früh genug erkennen, was er mit Touya hatte. Sie konnte es ja selbst nicht ganz in Worte fassen, was die beiden vermutlich verband, aber es war definitiv etwas Beneidenswertes. Touya hatte, seit er zwölf war, darauf gewartet, dass Hikaru zu ihm aufschloss. Jetzt, vier Jahre später, hatte er es geschafft. Wie Touya sich wohl fühlen musste? Ekstatisch war wahrscheinlich noch untertrieben.

Nach den zwei Stunden verabschiedeten sie sich in unterschiedliche Richtungen. Hikaru schlug den Weg nach Hause ein und Asumi beschloss, noch bei Waya reinzuschneien. Auf dem Weg von der Bahn zu seinem Haus rief Hikaru Touya an.

"Was ist los?" meldete sich der andere ohne Umschweife.

"Wie, was ist los? Du hast dich den ganzen Tag nicht gemeldet. Ich dachte, wir könnten wenigstens noch eine Partie spielen!"

"Tut mir leid, Shindo, aber Ashiwara-san ist hier und wir beginnen gleich unser Spiel. Wir sehen uns doch sowieso Dienstag."

"Hm..." machte Hikaru. Touya wollte ihn also gar nicht vorher sehen? Nicht, dass er dem anderen deswegen hinterherlaufen würde. Anscheinend hatte er doch nicht allzu viel in ihren Fortschritt interpretiert, und Hikaru beschloss, dass er das gleiche tun sollte. "Wie lange sind deine Eltern noch weg?"

"Diese Woche kommen sie kurz nach Hause, aber dann fahren sie für zwei Monate nach Europa."

"Europa ist ganz schön weit weg", gab Hikaru zu bedenken.

"Du musst dir keine Sorgen um mich machen." Man hörte Touya lächeln und es steckte Hikaru an.

"Gut, in Ordnung, bis Dienstag."

Er legte auf und dachte eine Weile nach. Touyas Geburtstag war in einem Monat, am vierzehnten Dezember. Und er würde ganz alleine sein. Dem musste auf jeden Fall Abhilfe geschaffen werden, und er hatte auch schon eine Idee, wie.

Geburtstag

Akira hatte kein Auge zugetan. Zum einen hatte er am Vortag eine großartige Partie gegen Shindo gespielt, die auf die letzte Minute in einer Niederlage für ihn geendet hatte, weil Shindo einen überraschenden Zug bis zur letzten Möglichkeit zurückgehalten hatte. Die Hälfte der Nacht hatte er darüber nachgegrübelt, was er hätte verändern können, um noch zu gewinnen.

Die andere Hälfte hatte einem Kommentar Shindos gegolten, das er bei ihrer Verabschiedung fallen gelassen hatte. "Du bist morgen zu Hause, oder?"

Akira hatte bejaht und Shindo hatte nicht damit herausrücken wollen, weswegen er gefragt hatte. Zu viel Hoffnung würde der Dunkelhaarige sich nicht machen, Shindo war nicht wirklich ein Mensch, der Romantik oder eine schöne Atmosphäre schaffte, wenn sie alleine waren. Akira war nie sicher, ob er einen weiteren Schritt gehen konnte, Shindo wirkte so, als wäre er absolut zufrieden mit der Situation, in der sie waren.

Vor zwei Wochen hatte er Akira gefragt, ob sie ein Paar waren. Etwas hatte in seinem Blick gelegen, das Touya gesagt hatte, dass ihm diese Bezeichnung überhaupt nicht gefiel. Akira selbst war es eigentlich egal, wie sie sich bezeichneten. Sie waren zusammen, sie spielten Go und sie genossen die Gesellschaft des anderen, mehr war ihm gar nicht wichtig. Wenn er allerdings je weitergehen wollte, würde sich die formelle Umbenennung ihrer Beziehung nicht vermeiden lassen, denn Shindo schien es wichtig zu sein, die Dinge klar einordnen zu können.

Akira hatte ihm geantwortet, dass sie kein Paar waren, solange sie sich nicht als eines sahen und das hatte Shindo beruhigt. Er hatte allerdings nicht nachgefragt, als was Akira sie sah.

Und nun klang Shindos Frage wie ein Versprechen nach, nachdem er die halbe Nacht überlegt hatte, was genau ihn an seinem Geburtstag erwarten sollte. Als der Himmel sich langsam rötlich färbte, wusste er, dass er sechzehn Jahre alt war. Wieder genauso alt wie Shindo, dachte er beiläufig. Die wenigen Monate, die sie trennten, waren ihm eigentlich egal, er war sowieso viel erwachsener als Shindo, aber dieser machte sich seit einer Weile einen Spaß daraus, zu betonen, wieviel älter er doch war.

Sein Handy klingelte. Akira fragte sich, wer um fünf Uhr morgens anrief, doch eigentlich konnte es nur einer sein, und das löste auch schon die Frage, ob er überhaupt rangehen sollte.

"Ja?"

"Touya, hast du etwa nicht geschlafen?"

"Woher weißt du das?" Gut, es war offensichtlich, dachte Akira, aber dass der andere ihn gut genug kannte, um es zu wissen, ließ ihn glücklich lächeln.

"Weil du ein schrecklicher Morgenmensch bist. Hättest du geschlafen, hättest du dein Handy wahrscheinlich zerbrochen, statt ranzugehen." Akira lachte innerlich. "Egal, alles Gute zum Geburtstag, Touya!! Wie alt bist du jetzt, fünfzig?"

"Kommt das von dem Shindo, der mir immer auf die Nase bindet, dass er drei Monate älter ist? Dann bist du nämlich fünfzig Jahre und drei Monate alt!"

"Ahaha, okay okay, dein Punkt. Herzlichen Glückwunsch zum Sechzehnten."

"Danke, Shindo. Ich leg dann auf."

"Hey, warum denn? Ja okay, dann bis später."

Schon hatte er aufgelegt und Akira ließ sich zurücksinken und drückte den Kopf in sein Kissen. Hm, er würde den anderen gern küssen, dachte er. Über das Goban hinweg, er konnte es sich lebhaft vorstellen. Es war schon ein bisschen schade, dass sie bei Händchen halten stecken geblieben waren. Aber er würde Shindo nicht drängen, das Wichtigste war immer noch ihr Go, und das war seit ihrem offiziellen Spiel mit jedem Mal besser geworden, aufregender, anregender, er würde es definitiv nicht missen wollen, da konnte gern jeder körperliche Kontakt auf der Strecke bleiben.

Er drehte sich auf dem Futon. Die letzten Wochen waren eigentlich gar nicht schlecht gewesen. Nicht nur, dass sie sich regelmäßig im Go-Salon seines Vaters getroffen hatten, oft hatte Shindo ihn auch unter der Woche zu sich eingeladen. Und wie zufällig hatte Akira vor Shindos Mutter erwähnt, dass seine Eltern immer noch im Ausland waren, was immer zur Folge hatte, dass sie ihn einlud, die Nacht zu bleiben. Mittlerweile lag in Shindos Zimmer schon ein Futon bereit, weil es zu viel Arbeit machte, ihn wegzuräumen, nur um ihn noch am gleichen oder nächsten Abend wieder hervorzukramen. Shindo war bei Akiras offensichtlichen Manipulationen anfangs noch genervt gewesen, hatte aber den Vorteil daran erkannt, dass der andere Pro bei ihm war - nämlich weitaus mehr Partien.

Akiras Gedanken wanderten wieder zu ihrem Spiel vom Vortag. Hätte er Shindos Zug vorhergesehen, dann wäre das Ergebnis zu seinen Gunsten ausgefallen, aber er war sich sicher, dass es zu unvorhersehbar gewesen war. Er selbst wäre an Shindos Stelle viel eher einen sicheren Weg gegangen, der ebenfalls zu einem knappen Sieg geführt hätte.

Aber so war Shindos Go - waghalsig, risikofreudig, überraschend, wie er. Er hatte selbst einmal gesagt, auch Touyas Go spiegele dessen Persönlichkeit, ehrlich, stabil, mit einer Tendenz zum Angriff nach vorne statt der Flucht, während Shindo gern seine Verteidigung ausbaute, um sich dahinter zu verschanzen. Es erinnerte Akira an die Zeit, in der Shindo vor ihm weggelaufen war, ihn immer gemieden hatte, während er die Konfrontation gesucht hatte. Er hatte lange Zeit nicht aufgeben wollen und erst als er das tat, fühlte er sich Shindo wirklich verbunden, denn plötzlich konnte er sich in eine Situation hineinversetzen, die er an dem anderen nie verstanden hatte.

Das Telefon klingelte und Akira war schlecht drauf. Er sah auf die Uhr und erkannte, dass er tatsächlich noch einmal eingeschlafen war. Es war zehn Uhr und er hatte den Tag frei und nach einer Nacht wie dieser plante er nicht, sich von jemand anderem als Shindo aus dem Bett holen zu lassen.

Als das Telefon zum fünften Mal loslegte, rappelte Akira sich hinreichend genervt auf. Er lief ins Wohnzimmer, aus dem das schrille Geräusch kam und nahm sich ein paar Sekunden, um sich zusammenzureißen.

"Touya", meldete er sich.

"Akira-kun, alles Gute zum Geburtstag von deinem Vater und mir."

"Danke, Mutter."

"Geht es dir auch gut so ganz alleine zu Hause?"

"Natürlich, Mutter. Ogata-san und Ashiwara-san sind ab und zu hier, und dann ist da ja noch Shindo." Seine Mutter machte ein zustimmendes Geräusch. Er wusste nicht, ob sie irgendetwas wegen dem anderen jungen Pro ahnte. Er war nie allzu offen wegen seiner Gefühle gewesen, noch dazu nahm er an, dass sein Vater sie nicht akzeptieren würde, solange sie sich nicht auf Go beschränkten. Andererseits war sie nun einmal seine Mutter und kannte seine Launen fast am besten. Während sie ihm von Europa vorschwärmte - im Moment waren sie in den Niederlanden - wickelte Akira die Telefonschnur um seinen Zeigefinger und betrachtete diesen gedankenversunken. Er würde auch gern die Go-Spieler anderer, nicht-asiatischer Länder kennenlernen und beneidete seinen Vater um diese Chance. Er fantasierte über eine Europareise mit Shindo an seiner Seite, in der sie die besten Pros anderer Länder herausfordern konnten.

"Akira-kun?"

"Hm? Verzeihung, Mutter, ich war abgelenkt."

"Ich habe gefragt, ob du auch genug isst."

"Natürlich." Eigentlich nicht, aber er wollte ihr keine unnötigen Sorgen machen. Er aß nur, wenn er Hunger hatte oder eingeladen wurde und letzteres war eindeutig öfter der Fall. Und natürlich, wenn er sich von Shindos Mutter umsorgen ließ, dachte er lächelnd. Sie war die positive Nebenwirkung seiner häufigen Besuche bei dem Jungen und vermutlich auch der Grund, warum Akira in Abwesenheit seiner Eltern nicht völlig abmagerte.

Seine Mutter wünschte ihm noch einen schönen Tag und er erwiderte die Wünsche bevor er auflegte. Jetzt, wo der Tag angefangen hatte, fragte er sich, wie er ihn verbringen sollte. Da er Shindo gesagt hatte, er würde zu Hause bleiben, konnte er wohl oder übel das Haus nicht allzu lange verlassen. Er wüsste auch gar nicht, wohin er sollte, außer vielleicht zu Ogata-san. Und da Shindo ihn natürlich auch nicht informiert hatte, wann er gedachte, ihn mit seiner Anwesenheit zu ehren, würde Akira vermutlich den halben Tag wie auf Kohlen sitzen und den anderen erwarten. Er seufzte.

Er dachte an den Computer im Arbeitszimmer seines Vaters. Er hatte ihn sich für Internet-Go gekauft, aber nur anfangs für wenige Spiele genutzt. Er war einfach etwas zu alt für diese Neuerungen, das sagte er selbst oft. Akira vermutete, dass sein Vater nichts dagegen hatte, wenn er den Computer nutzte. Also wusch er sich schnell, kleidete sich an - nicht so förmlich wie für einen Tag im Institut - und setzte sich an den PC.

~x~

Es klingelte und Akira wurde aus seinem Halbschlaf gerissen. Er lag in seinem Zimmer auf dem Boden und hatte Kifus studiert, als er eingeschlafen sein musste. Verdammt, er hatte seinen halben Geburtstag verschlafen, dachte er. Vermutlich hätte er sich einfach nicht freinehmen sollen, dann hätte er sich weniger gelangweilt. Es klingelte noch einmal, länger diesmal. Akira wusste nicht, ob er seufzen oder lächeln sollte, also tat er nichts von beidem. Es konnte nur Shindo sein und seine Fingerspitzen kribbelten, als er überlegte, was der andere vorhaben könnte.

Es war jedenfalls nicht, was er erwartet hatte. Das merkte er, als er die Tür öffnete. Vor ihm standen Go-Pros unterschiedlicher Altersklassen und sangen ihm artig ein Ständchen, Shindo ganz vorne. Dahinter standen Isumi, Waya und Nase, Ochi, Fukui, Ogata, Saeki und Kurata. Als sie fertig waren schob Shindo Akira beiseite und lotste die anderen ins Haus, trotz Protesten des Hausherren.

"Hey, ich dachte, weil deine Eltern doch nicht da sind, sollte ich für Gesellschaft sorgen."

Du verdammter Idiot, dachte Akira. Deine Gesellschaft ist alles, was ich will. Idiot, Idiot, Idiot!! Doch er blieb kühl und erwiderte: "Danke, Shindo, das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Ich habe kein Problem damit, alleine zu sein." Wie zufällig streifte er Shindos Hand, als er sich wegdrehte um die Tür zu schließen. Skeptisch sah er, wie die anderen es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatten. Waya packte gerade einen Kuchen aus, den er in einer Pappschachtel mitgebracht hatte. Es war eine Torte mit Go-Thema und Akira dachte, dass es doch ganz nett war, die anderen hier zu haben. Trotzdem würde er Shindo das eigenmächtige Handeln nicht so schnell verzeihen.

~x~

"Auf das Geburtstagskind!"

Wie viele Male hatten sie ihm jetzt schon zugetoastet? Akira wusste nur, dass Kurata-san ihn jedes Mal zum Mittrinken zwang und dass er das Gefühl hatte, dass das nicht gut für ihn war. Dieses Gefühl wurde allerdings mit jedem Schluck schwächer. Ogata hatte eine beträchtliche Menge an Alkohol mitgebracht und Akira fand es wirklich unverantwortlich, dass er seine Kohais so zum Trinken anstiftete, andererseits war es nun einmal Ogata-sensei und mittlerweile war ihm seine geschätzte Moral fast schon egal.

"Auf das Geburtstagskind!" Kurata hielt ihm einen Becher vor die Nase und Akira stürzte ihn herunter. Waya und Asumi hatten sich gegen zehn verabschiedet, Ochi war viel früher gegangen und auch Fukui hatte er lange nicht mehr gesehen. Isumi war auf der Couch eingeschlafen und mittlerweile waren nur noch die älteren Pros und Shindo übrig. Letzterer hielt sich mit dem Trinken zurück und Saeki ließ es ganz, weil er Ogata und Kurata nach Hause fahren sollte.

Kurata erzählte Anekdoten aus seiner Zeit als junger Pro und schwärmte von der Jugendzeit, während Ogata eher unbeteiligt aussah. Akira wollte sie gern loswerden, aber er konnte unmöglich unhöflich sein. Soviel wusste er zumindest noch.

"Auf das Geburtstagskind!" rief Shindo und wieder war Kurata zur Stelle und Akira stürzte den nächsten Becher herunter. Shindo erzählte aufgeregt von ihrer letzten Partie und von ihrem offiziellen Match, das er gewonnen hatte. Er und Kurata schienen sich ausgezeichnet zu verstehen, dachte Akira neidisch. Warum war er nicht so geschickt im Umgang mit anderen?

Als Ogata ins Badezimmer torkelte meinte Saeki schließlich seufzend: "Ich glaube, unsere Senpais hatten genug zu Trinken." Kurata widersprach und wollte schmollen, doch Saeki wies ihn diskret darauf hin, dass er in zwei Tagen ein Titelmatch hatte, für das er sich hatte ausruhen wollen. Ogata kam zurück und hatte nichts gegen einen Rückzug, er klang, als warte jemand zu Hause auf ihn. Also verabschiedeten die drei sich schließlich, es war lange nach Mitternacht, und Akira blieb mit Shindo und dem schlafenden Isumi zurück.

"Touya, willst du schlafen gehen?" fragte Shindo und sah ihn aus großen dunkelgrünen Augen an, die Akira erschaudern ließen. Er wiegte den Kopf hin und her. Eigentlich fühlte er sich gut, nur etwas verlangsamt, am liebsten hätte er einfach weitergefeiert bis zum Morgen.

"Ich will noch kurz raus." Shindo sah ihn stirnrunzelnd an, als er versuchte, sich aufzurichten. Schließlich half er ihm und legte sich Akiras Arm um die Schulter, um ihn nach draußen zu befördern. Dort setzte er ihn auf die Bordsteinkante. Akira merkte nicht, dass er umkippte, bis sein Kopf hart auf den Asphalt schlug und er schmerzvoll aufstöhnte.

"Touya! Oh Gott, geht es dir gut?"

"Hmm." Shindo schüttelte den Kopf und setzte sich neben ihn, sichtbar fröstelnd. Akira wunderte sich, dass er selbst die Nacht als warm empfand, wo Shindo zugegeben mehr Polster besaß als er. Er war versucht, gleich hier einzuschlafen, doch nahm sein letztes bisschen Mutwillen zusammen, um Shindo zu beordern, ihn wieder nach drinnen zu tragen. Dieser folgte seinen Anweisungen und brachte ihn schließlich ins Bad, wo Akira sich gründlich die Zähne putzte. Er fühlte sich längst nicht mehr so benommen und ging ohne Hilfe in sein Zimmer, wo er sich auf den Futon setzte. Shindo stand in der Tür und beobachtete ihn, unschlüssig, was er tun sollte.

"Gehst du nach Hause?" fragte Akira und lehnte sich an die Wand. Schon besser, jetzt drehte sich wenigstens nichts mehr.

"Ich weiß nicht." Was soll das denn werden?, fragte Akira sich. Wartete Shindo jetzt etwa auf aufmunternde Wort von ihm? Nun, die konnte er gerne haben.

"Bleib doch hier. Platz ist genug, und wenn du nicht bei mir schlafen willst hat Isumi sicher nichts gegen Gesellschaft." Ah, es klang gar nicht nach ihm, dachte er und schob es auf den Alkohol. Shindo wirkte noch immer unsicher, gab sich aber schließlich einen sichtbaren Ruck und ging zu Akiras Kleiderschrank, um sich ohne zu fragen ein Shirt des anderen zu nehmen, das er zum schlafen anzog. Danach legte er sich zu Akira und schlief selbst nach kurzer Zeit ein.

~x~

Als Akira aufwachte, spürte er einen um sich geschlungenen Arm, der nicht seiner war. Er drehte sich in der Umarmung und erkannte, dass Shindo ebenfalls wach war und ihn ansah.

"Morgen", murmelte Akira müde. Trotz dem Vorabend und dem Fakt, dass er gerade erst aufgewacht war, fühlte er sich überraschend gut. Er warf einen langen Blick auf Shindos Arm und sah dann wieder in dessen grüne Augen, die ihn geduldig beobachteten.

"Sind wir also schon soweit?" fragte Akira und hob eine Augenbraue.

Shindo lächelte sanft und es sah genauso aus wie er manchmal Go spielte. "Ich dachte, wo doch gestern dein Geburtstag war und du es dir so sehr gewünscht hast..."

Akira drückte sein Gesicht gegen Shindos Halsbeuge, seine Nase streifte die vielen kleinen Härchen, und er atmete lange ein. Der Geruch war vertraut und sehr angenehm.

"Das ist ein schönes Geschenk", sagte Akira schließlich. Besser als die Feier, dachte er insgeheim.

Zeitlos

Hier das letzte Kapitel, ich hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen und seid nicht enttäuscht vom Ende :)

~x~
 

Der Hokuto-Cup fand wieder im März statt. Im Februar fand das Auswahl-Turnier statt. Auch Touya musste diesmal mitmachen, weil Hikaru ihn im Tengen-Turnier geschlagen hatte und seine Überlegenheit gegenüber seinen Altersgenossen damit nicht mehr außer Frage stand.

Hikaru lud Yashiro ein, bei ihm zu bleiben in dieser Zeit, der Platinblonde nahm das Angebot dankend an. Er erzählte es Touya und dieser schaffte es fast, seine Enttäuschung zu verbergen. Es hieß, dass Touya nicht mehr bei ihm schlafen konnte. Das würde er schon aushalten, dachte Hikaru sich. Sie hatten schließlich mittlerweile fast jeden Abend beieinander verbracht und er musste sich eingestehen, dass sie auch den Schritt über die Kuss-Linie genommen hatten, ohne dass er viel Einfluss darauf gehabt hatte. Jetzt war also einmal eine Gelegenheit, Touya hinzuhalten, und er ergriff sie sofort.

Yashiro kam an einem Freitag an, an dem Hikaru gerade ein Spiel hatte. Er würde bald zum 4-dan aufsteigen, es war kein Spiel, das er leicht nehmen konnte. Zumal Touya bereits den sechsten Dan errungen hatte. Touya 6-dan. Ein komischer Klang, dachte Hikaru, der andere sollte endlich einen Titel erringen, der besser zu seinem Namen passte. Kisei, zum Beispiel. Touya Kisei. Ein schöner Klang.

Nach der Hälfte seiner Partie sah er, dass Touya am Ausgang stand und ihn beobachtete, ernst wie immer. Er lehnte an der Wand bei den Stempeln, offensichtlich erwartete er einen Sieg von Hikaru. Hikaru sandte ihm ein flüchtiges Lächeln und konzentrierte sich danach auf seine Partie. Eine halbe Stunde später sah er wieder zur Tür, Yashiro stand dort und flüsterte aufgeregt mit Touya. Wirkten die beiden schon immer so vertraut? Hikaru war etwas eifersüchtig, auch wenn er wusste, dass dazu eigentlich kein Grund bestand. Vor allem nicht, dass er auf Yashiro eifersüchtig war. Er betrachtete seinen Gegner ernst und konzentrierte sich auf das Brett. Der andere sollte aufgeben, aber das schien er nicht zu erkennen. Kein Zug würde seine Niederlage verändern, höchstens den Abstand um wenige Moku verringern. Wenn er nur endlich aufgeben würde. Hikaru seufzte und strich über den weißen Fächer in seiner Hand. Er sollte wirklich üben, seine Ruhe zu wahren, aber er wollte so gern zu den Freunden gehen, dass er versucht war, unnötig grausam zu spielen.

Es zog sich noch weitere zehn Minuten hin, bevor sein Gegner erkannte, dass er nicht gewinnen würde. Er gab auf und Hikaru ging, bevor eine Diskussion aufkommen konnte. Er stempelte seinen Sieg und begrüßte die beiden Jungen, während sie aus dem Raum gingen.

"Hat ganz schön lange gedauert", kommentierte Touya seinen Sieg und Hikaru versenkte die Hände in den Taschen seiner weiten Hose.

"Yamahisa-san ist eben kein guter Verlierer. An seiner Stelle hätte ich schon viel früher aufgegeben."

"Lasst uns Sushi essen gehen, ich lade euch ein", meinte Touya und zeigte auf den Ausgang. Hikaru schüttelte den Kopf und erwiderte: "Ich habe ein Interview mit Weekly Go, das könnte eine Weile dauern."

"Wir könnten schon vorgehen", meinte Yashiro. Touya beobachtete Hikaru Reaktion und meinte dann: "Oder wir warten einfach. Wenn du so unhöflich wie immer bist wird es sowieso nicht lange dauern, bis du fertig bist."

"Hey!" rief Hikaru beleidigt, als sie zu einer Sitzgruppe gingen. Als Touya sich gerade setzte glitten die Türen auf und ein ihnen unbekannter Reporter trat ein und sah sich suchend um. Hikaru winkte ihn heran und das Gesicht des jungen Mannes hellte sich sichtlich auf als er sah, in wessen Begleitung sein Interviewpartner war.

"Yashiro-kun, Touya-kun, schön euch auch zu sehen!" Die beiden sahen sich an und ihnen war anzusehen, dass sie ihn ebenfalls nicht kannten. "Ich bin Korota Tetsuhiro, ich habe bei Weekly Go angefangen, nachdem ich euch im Hokuto-Cup gesehen habe, ich habe für eine kleinere Zeitung darüber berichtet. Könnte ich euch mitbefragen? Dann könnte es so ein 'Mitglieder vom letzten Jahr'-Special werden." Die Jungen ließen sich von seinem Wortschwall berieseln und nickten ihre Zustimmung. Hikaru ließ sich in einen der schwarzen Sessel fallen, Korota nahm neben ihm Platz und die anderen beiden ihnen gegenüber.

Der Reporter kramte in seinen unordentlichen Unterlagen herum, bis er ein Sammelsurium kleiner Zettel in der Hand hielt, auf alle verschiedene Fragen gekritzelt.

"Gut, fangen wir an..." Er nahm wahllos einen der Zettel und legte ihn dann wieder zu den anderen. Schließlich schien er sich zu entschließen, sein Interview aus dem Stegreif zu führen.

"Habt ihr drei nach dem letzten Hokuto-Cup den Kontakt aufrechterhalten?" fragte er, mehr mit Blick auf Yashiro als auf die anderen beiden. Der Blonde nickte und sagte nichts. Hikaru musste grinsen und dachte, dass der Reporter vermutlich keinen leichten Job haben würde. "Gut... Meint ihr, ihr werdet auch dieses Jahr Japans Repräsentanten sein?"

Touya räusperte sich, ein Zeichen dass er etwas sagen wollte, doch Hikaru kam ihm mit diebischer Freude zuvor. "Natürlich. In unserer Altersgruppe sind wir mit Sicherheit die besten Go-Spieler! Obwohl ich mir um Touya schon ein bisschen Sorgen mache, ob er es durch die Auswahl schafft."

"Shindo." Touyas Ton klang eindeutig warnend und Hikaru schmuggelte ihm ein honigsüßes Lächeln zu, das ihn sprachlos zurückließ. So schnell würde er wahrscheinlich nichts mehr sagen, dachte Hikaru belustigt.

"Ihr seid also sehr zuversichtlich. Shindo-kun, auf welchen Gegner freust du dich am meisten in diesem Turnier?"

"Menschlich oder im Go?"

Korota überlegte, fast etwas zu lange. "Sowohl als auch."

"Ich freue mich sehr darauf, Hong Suyeong aus Korea wiederzusehen. Vielleicht ist auch Li Ping aus China diesmal unter den Teilnehmern. Im Go möchte ich auf jeden Fall gegen Ko Yongha eine erneute Partie. Diesmal werde ich gewinnen." Hikaru war die brennende Zuversicht, auch wenn er sich innerlich gar nicht so sicher fühlte, wie er hier vorgab.

"Touya-kun, freust du dich auch auf die koranischen und chinesischen Spieler?"

"Natürlich, ich bin immer an einem Erfahrungsaustausch und an neuen Herausforderungen interessiert." Diplomatisch wie immer, dachte Hikaru. Er verdrehte die Augen so, dass Touya es sehen musste und dieser warf ihm einen kühlen Blick zu.

"Yashiro-kun, wie sieht es bei dir aus?"

"Mir ist egal, gegen wen ich spiele. Letztens Jahr habe ich beide Partien verloren, dieses Jahr gewinne ich sie hoffentlich beide."

"Es ist wirklich mitreißend, wie elanvoll ihr die Sache angeht. Ich wünsche euch jedenfalls viel Glück. Was habt ihr getan, um euch auf das Turnier vorzubereiten?"

Die drei sahen sich an, schließlich antwortete Touya. "Wir haben uns durch unsere üblichen Pro-Spiele verbessert, haben an Titelturnieren teilgenommen, um auf bessere Gegner zu treffen und haben auch privat viel geübt."

"In der Golden Week waren wir drei mit anderen Pros auf einem Go-Ausflug", vertraute Hikaru dem Reporter an, der sich fleißig alle Antworten notierte.

"Sehr löblich, wirklich. Wie schätzt ihr die Ergebnisse für den Hokuto-Cup dieses Jahr ein?"

Touya setzte an, doch wieder kam Hikaru ihm zuvor. "Japan-Korea 2-1, Japan-China 3-0, Korea-China 2-1."

"Wer verliert im Japan-Korea-Match?"

"Touya."

Der Reporter sah Touya an und wartete auf eine Reaktion, die allerdings ausblieb. Der dunkelhaarige Junge, der drei Monate jünger war als Hikaru, sah ihn weiter unterkühlt an und hob sein Kinn etwas an. Hikaru konnte sich bildlich vorstellen, was der andere ihm an den Kopf geworfen hätte, wäre kein Reporter dabei.

"Touya-kun, wirst du dich nicht verteidigen?"

"Nicht nötig, Shindo-kun wird schon früh genug sehen, dass er im Unrecht ist. Eine häufige Erfahrung für ihn." Die kleine Spitze war nur ein Vorgeschmack, dachte Hikaru lächelnd. Egal wie weit sie in ihrer Beziehung fortschritten, genauso oft stritten sie noch immer. Nicht immer über Go, seit neuestem auch über die Unordnung Hikarus oder Touyas Ordnungswahn, Hikarus Respektlosigkeit, Touyas Steifheit, und so weiter und so fort.

"Gut... im Rahmen des Hokuto-Cups hat sich das Interesse vieler Japaner nun auch auf die Go-Szene gerichtet. Habt ihr davon etwas miterlebt?" Hikaru und Touya sahen sich an und schüttelten dann simultan den Kopf. Yashiro allerdings erwiderte: "Ich finde, in letzter Zeit sind bei uns im Institut wirklich mehr junge Leute, auch mehr Mädchen interessieren sich für das Spiel." Hikaru dachte, dass sie vermutlich eher von Yashiro als von dem internationalen Turnier angelockt wurden, brachte dieses Kommentar allerdings nicht an.

"Was würdet ihr beginnenden Go-Spielern mit auf den Weg geben?"

"Bleibt dran. Ich habe auch erst vor etwa vier Jahren angefangen und habe letztes Jahr im Hokuto-Cup gespielt. Wenn sie Glück haben, könnten sie Japan also schon in drei Jahren im Go vertreten. Bis dahin sind wir auch zu alt für dieses Turnier", setzte er zwinkernd hinzu.

"Einige Firmen haben internationale Go-Turniere nun auch für sich entdeckt. Würdet ihr auch an ähnlichen Wettkämpfen teilnehmen?"

Die Jungen nickten und erklärten sich nicht weiter. Im Grunde ging es ihnen allen nur ums Go-Spielen selbst, ob nun gegen Japaner, Koreaner, Chinesen, das alles war ihnen ziemlich egal.

"Dankeschön, das wars erstmal. Nach dem Turnier würde ich gerne noch einmal mit euch sprechen. Besonders was Touya-kuns verlorenes Match gegen Korea angeht." Korota zwinkerte bei seinem letzten Satz, doch nur Hikaru erwiderte sein Lächeln. Der Reporter stand auf und verbeugte sich tief vor den Jungen. Als er gegangen war fing Hikaru noch einen von Touyas abgekühlten Blicken auf als sie gerade aufstanden.

"Ich gehe kurz Tobita-san begrüßen, er ist während unseres Gesprächs angekommen", erklärte Yashiro und ging zu den Fahrstühlen, um zum Büro seines früheren Lehrers zu gelangen. Touya zerrte Hikaru derweil an dessen Shirtkragen in den leeren Besprechungsraum. Als die Tür hinter ihnen zufiel zog er den größeren in einen wütenden Kuss, es war mehr als ramme er ihre Lippen aufeinander. Er biss auf Hikarus Unterlippe und dieser stöhnte schmerzvoll auf. Schließlich löste Touya sich von ihm.

"Auuu, Touya, was ist denn los?" Hikaru nahm seine Unterlippe in den Mund und leckte den blutigen Schnitt, den Touyas Zähne hinterlassen hatten.

"Das fragst du noch?"

"Ich hab doch nur Witze gemacht."

"Du weißt genau, was ich dir immer über Respektlosigkeit sage, vor allem in der Öffentlichkeit!"

"DU BIST EINFACH VIEL ZU VERKRAMPFT, TOUYA!!"

"ENTSCHULDIGE, DASS ICH DICH RESPEKTIERE, SHINDO!!" Touya hatte seine Arme in einer wütenden Geste in die Luft geworfen und durchbohrte Hikaru nun mit einem angesäuerten Blick. Hikaru überraschte sich selbst mit der Feststellung, wie warm ihm wurde, als er daran dachte, dass sie sich jetzt noch einmal küssen könnten. Er mochte es eigentlich, wenn sie sich stritten, er wusste, dass Touya so eine leidenschaftliche Beziehung mit niemand anderem pflegte.

Er bewegte sich auf Touya zu und nahm die Unterlippe des anderen zwischen seine Lippen, küsste sie behutsam und leckte leicht darüber. Er schmeckte nur das Blut, dass aus seiner eigenen Lippe quoll. Touyas Atmung verlangsamte sich wieder und er wurde ganz ruhig in Hikarus Armen.

Als sie sich lösten, murmelte er: "Du weißt, dass ich dir nach so etwas nicht böse sein kann."

"Hmm", lächelte Hikaru. "Das ist ein echter Vorteil an diesem ganzen Paar-sein."

"Sind wir jetzt doch ein Paar?"

"Naja... wir küssen uns, also sind wir das wohl. Aber kein schwules."

"Natürlich nicht."

Als Yashiro zehn Minuten später durch die Tür kam waren sie gerade dabei, sich herumliegende Kifus anzusehen. Sie hatten zwei von ihren Partien gefunden, betrachteten aber die Kifu von alten Tengen- und Honinbou-Turnieren. Touya zeigte gerade auf eines der Blätter und meinte: "Wäre ich schwarz gewesen, hätte ich hier gewonnen. Touya Tengen, wie klingt das?"

"Meijin passt immer noch am besten", kommentierte Yashiro. Die beiden anderen schreckten auf und drehten sich zu ihm um. Touya begann, die Blätter aufzuräumen und erwiderte: "Nein, ich möchte nicht mit meinem Vater verwechselt werden. Bei den anderen Titeln bin ich allerdings nicht wählerisch." Den letzten Satz sagte er mit einem vielsagenden Blick auf Hikaru. Dieser rollte die Augen über dem Kifu, das er in der Hand hielt und räumte es schließlich zu den anderen.

"Wohin wollen wir gehen?" fragte Hikaru, als sie das Institut verließen.

"Sushi", sagte Touya. "Und du lädst uns ein."

"Hey, vorhin klang das aber noch anders."

Touya warf ihm einen abschätzigen Blick zu. "Da war ich auch noch nicht sauer auf dich."

"Hmm, okay, schon gut, wenn du dann nicht mehr beleidigt bist." Er murmelte noch etwas darüber, dass Touya eigentlich mehr Geld verdiente, aber die anderen beiden ignorierten ihn. Yashiro suchte eine Sushibar aus, in der sie sich an das schmale Transportband setzten und sich Tee bestellten. Die Zeit verging viel zu schnell. Es war schon um elf, als sie die Bar wieder verließen, ein dickes Loch klaffte nun in Hikarus Geldbörse, denn Yashiro hatte sich nicht gerade zurückgehalten. Zu dritt gingen sie zu Hikaru und spielten in dessen Zimmer etwas Speed-Go, bis sie sich schließlich müde hinlegten. Hikarus Mutter hatte vorsorglich einen dritten Futon bereitgelegt.

Hikaru lag in der Mitte und redete im Flüsterton mit Yashiro. In der Sushibar hatten sie sich auf den neuesten Stand der Go-Karriere des jeweils anderen gebracht, jetzt tauschten sie private Neuigkeiten aus und Touya hörte ihnen geduldig zu. Hikarus Hand stahl sich in seine, während dieser Yashiro gerade von Waya und Asumi erzählte. Es dauerte lange, bis sie schließlich still waren. Touya dachte, dass Shindo mit ihm sonst nie bis in die Nacht quatschte, nicht oft zumindest, und wie gern er so unkompliziert wäre wie Yashiro.

Nachdem es ruhig geworden war musste Touya nicht lange warten, bis Yashiros Atem lauter wurde. Er musste in der Dunkelheit lächeln, weil er kurz gedacht hatte, wie er das Schnarchen vermisst hatte. Er spürte Shindos Hände an sich und ehe er sich versah hatte der andere ihn auf seinen Futon gezogen und lag ganz nah bei ihm, Kinn an Touyas Stirn. "Genieße es", flüsterte Hikaru tonlos. 'Es wird für zwei Wochen das letzte Mal sein,' sagte er stumm. Touya fragte sich, ob er der einzige von ihnen beiden war, der diese Momente mochte. Nicht, dass sie nötig waren - meistens dachte er, dass ihm Go reichte. Nur manchmal war es, dass er dachte, dass er die gemeinsamen, nahen Momente vermissen würde. Mehr als erwartet, wahrscheinlich.

~x~

"Shindo-kun, was sagst du zu den diesjährigen Ergebnissen des Hokuto-Cups?" fragte Korota ihn.

Hikaru rieb seine Hand als er sich an seine Partien erinnerte. "Ich bin natürlich etwas enttäuscht, aber man hat deutlich gemerkt, dass nicht nur die japanischen Pros sich verbessert haben."

Ko Yongha war wie er zweites Brett gewesen, was Hikaru etwas verwundert hatte. Hong Suyong war drittes Brett gewesen und hatte gegen Yashiro knapp verloren. Touya hatte gegen den aufstrebenden koreanischen Spieler am ersten Brett gewonnen - ebenfalls eine sehr knappe Partie, die Touya im letzten Moment für sich entscheiden konnte. In seinen finalen Zügen hatte Hikaru nicht wenig von seiner eigenen Spielweise in verzweifelten Situationen wiederentdeckt. Er selbst hatte den gleichen Gegner wie im Vorjahr gehabt, Ko Yongha. Der Koreaner hatte ihn ebenfalls nicht ohne Mühe niedergerungen, doch am Ende war es ihm nichtsdestotrotz gelungen. Bei ihrem ersten Hokuto-Cup hatte Hikaru weinend vor dem Goban gesessen, als er verloren hatte. Dieses Jahr war er ernst gewesen, nicht verzweifelt, denn er hatte seinen Fortschritt erkannt. Im nächsten Jahr würde er Yongha besiegen, ohne Zweifel. Redete er sich ein.

Gegen China hatten sie gewonnen. Li Ping war drittes Brett und hatte Yashiro geschlagen, es war eine freundschaftliche Partie gewesen. Hikaru und Touya hatten ihre Partien resolut gewonnen. Korea hatte China am dritten Tag in den Boden gerammt. Hikaru hatte die Partie zwischen Hong Suyong und Li Ping interessiert verfolgt. Hong hatte gewonnen, aber eine gute Portion Glück hatte dazugehört. Am Tag nach dem Turnier hatten Hong und Hikaru ihr sporadisches Spiel in Touyas Go-Salon gespielt, das Hikaru gewonnen hatte, danach war Hikaru zu seinem Interview gegangen, das wieder mit Yashiro und Touya geführt wurde.

"Yashiro-kun, deine Teilnahme stand etwas auf der Kippe. Habt ihr ihn angefeuert oder wart ihr auf einem neutralen Standpunkt?"

Touya antwortete, nachdem er sich mit einem Blick mit Hikaru verständigt hatte. "Uns war wichtig, dass Japan durch seine besten Spieler respräsentiert wird. Wäre es ein anderer Spieler als Yashiro gewesen, dann wären wir auch zufrieden gewesen, solange es einer der drei besten japanischen Jungpros ist."

"Aber die alte Gruppe wieder vereint zu sehen war definitiv eine Freude", fügte Hikaru hinzu. Er war nicht so aufgedreht wie zu ihrem letzten Interview. Seine Niederlage gegen den Koreaner hatte ihm einen deutlichen Dämpfer verpasst. Touya hatte bereits versucht, ihn aufzuheitern, war aber erfolglos gewesen.

"Touya-kun, was hälst du von Koreas erstem Brett?"

"Leung-sans Go war eine Herausforderung, ich habe vorher nur wenige seiner Kifus gesehen und denke, dass er zurecht als bester Spieler Koreas ausgewählt wurde."

Hikaru merkte erst, dass er zu tagträumen begonnen hatte, als er eine Frage mehrmals gestellt bekam. Er versuchte, sich weiter auf das Interview zu konzentrieren, doch es fiel ihm unsagbar schwer. Er merkte nicht einmal Touyas sorgenvolle Blicke, was seinen Rivalen nur noch mehr beunruhigte. Touya übernahm Hikarus Redeanteil ohne es offensichtlich zu machen.

Ihn verlangte es danach, den anderen zu berühren, in den Arm zu nehmen, ihm Ruhe zu gönnen. Touya hatte nicht noch einmal bei Hikaru geschlafen seit der Nacht vor zwei Wochen, stattdessen hatte er sich wieder mehr Pros zu sich eingeladen und seine Go-Übungen vertieft. Er hatte auch wieder begonnen, Kunden im Salon seines Vaters Unterricht zu geben. Alles, um sich von seinem täglich steigenden Verlangen nach seinem Rivalen abzulenken.

Heute war Yashiros letzter Tag. Er hatte seine Tasche schon ins Institut mitgenommen, eine Stunde nach dem Interview würde sein Zug gehen. Touya nahm ihm die Tasche ab, während sie zu dritt das Gebäude verließen und ein Taxi zum Bahnhof nahmen. Die Jungen schwiegen, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach oder schlief, in Hikarus Fall. Touya weckte ihn, als das Taxi hielt.

Sie gingen zum Bahnsteig, an dem Yashiros Zug bereits stand. Touya und Yashiro verabschiedeten sich wortreich, sie versprachen, einander anzurufen, übers Internet zu spielen und sich auf dem Laufenden zu halten. Yashiro drehte sich zu Hikaru und dieser umarmte ihn stumm. Touya sah, wie schwer ihm der Abschied dieses Mal fiel. Er legte Hikaru eine Hand auf die Schulter, als Yashiro in den Zug stieg und ihnen ein letztes Mal zuwinkte.

Auf dem Rückweg nahmen sie die Bahn. Touya brachte den anderen nach Hause und fuhr dann zu sich. Shindo hatte müde gewirkt und Touya gesagt, ihm wäre es lieber, die nächsten Nächte allein zu sein um etwas Schlaf aufzuholen.

Tatsächlich hatte sich Shindo eine schwere Erkältung eingefangen, die er fast zwei Wochen auskurierte. Er war nie kränklich gewesen, und Touya wunderte sich, was sein Immunsystem wohl geschwächt hatte. Er ließ ihm seinen Freiraum und stürzte sich stattdessen in sein Go, versuchte sich blind und taub zu spielen und nicht zu merken, dass sie einander immer seltener sprachen, später immer seltener sahen.

~x~

Touya schaffte es nicht. Er versuchte, seine Gedanken vierundzwanzig Stunden lang geschäftig zu halten, doch wenn er im Bett lag und nicht mehr an noch mehr Partien denken konnte, dachte er an Shindo und dass sie sich seit Ewigkeiten nicht mehr getroffen hatten. Nicht außerhalb eines Go-Salons zumindest.

Akira hatte es lange Zeit geschafft, Shindo seinen Freiraum zu lassen, und irgendwann musste er es gar nicht mehr versuchen, denn die Pros kamen und gingen in seinem Haus und er war jeden Tag im Go-Salon um sich um Kunden zu kümmern und war froh, wenn er abends ein Bad nehmen und koreanische und chinesische Kifus studieren konnte.

Shindo hatte ihn anfangs ab und zu angerufen, hatte aber immer ausgelaugt und kaputt gewirkt. Akira kannte seine Kifu, sein Go litt nicht unter seinem Zustand, also wusste er keinen Grund, den anderen zu maßregeln. Wann immer Akira versucht hatte, danach mit ihm zu reden, war er beschäftigt gewesen: er schien sich viele Termine vom Institut geben zu lassen und wenn Touya ihn abends angerufen hatte, dann hatte er entweder geschlafen oder hatte bei Waya herumgelegen. Er sah es als Zeichen, dass der andere gut ohne ihn auskam.

Doch Touya würde ihn nicht bedrängen, er hatte es sich geschworen. Noch dazu hatte er genug eigene Sorgen - in weniger als einer Woche forderte er Kurata im Wettkampf um den Kisei-Titel heraus und er konnte es sich nicht leisten, sich von irgendetwas ablenken zu lassen.

Soviel zur Theorie. In der Praxis sah Touya sich noch am gleichen Abend vor Shindos Haus. Er hatte die Ungewissheit nicht ausgehalten und war gekommen, um mit dem Jungen zu reden. Dessen Mutter hatte ihn freudig empfangen und war froh, zu sehen, dass er sich um Hikaru sorgte.

Er betrat Hikarus Zimmer ohne zu klopfen. Der andere saß vor dem Goban und stellte eine Partie nach. 'Shuusaku' stellte Touya mit einem Blick darauf fest und umrundete das Brett. Hikaru sah auf, die Ringe unter seinen Augen waren dunkler als vor ein paar Tagen, als Touya ihn im Institut gesehen hatte.

"Lass uns reden", sagte Touya und Hikaru stand auf, damit sie auf gleicher Höhe waren.

"Touya, du hättest auch anrufen können", meinte er.

"Nein, ich glaube nicht. Warum bist du so beschäftigt in letzter Zeit?"

"Beschäftigt? Ich weiß ja nicht, Go ist immerhin mein Beruf, also sollte ich doch auch arbeiten."

"Es ist aber nicht mehr arbeiten, was du tust. Du richtest dich zugrunde."

"Du übertreibst mal wieder maßlos! Was soll ich außerdem tun, wenn du mir aus dem Weg gehst?!"

"Aus dem-?? Du warst es doch, der sich mit Arbeit zugeschaufelt hat, um mich nicht mehr zu sehen!!"

"Du hast doch keine Ahnung, Touya! Ich hab das nur für dich getan."

"Für mich?! Ich weiß ja nicht, was für verquere Vorstellungen du hast, Shindo, aber es ist sicher nicht in meinem Sinn, dass du jeden Tag halbtot ins Bett fällst und wir uns nie sehen!"

"Ich hab das gemacht, weil ich GELD brauchte! Für ein verdammtes GESCHENK!!"

"Was ist das denn für eine Ausrede?? Mein Geburtstag ist in einem halben Jahr!"

"DANN HÖR DOCH EINFACH ZU, OHNE MICH ZU UNTERBRECHEN!!" Hikaru schubste Touya an den Schultern rückwärts und der andere versuchte, ihn mit der Faust zu erwischen, war aber erfolglos und taumelte weiter nach hinten. Als er über das Goban stolperte und hinfiel hielten sie beide inne in ihrer vorübergehenden Raserei. Sie sahen sich an, Touya rieb sich den schmerzenden Rücken, mit dem er gegen die Wand geprallt war.

Er seufzte leise und sagte: "Schon gut, ich höre zu."

Hikaru setzte sich zu ihm und ordnete unbewusst die Go-Steine, bevor er leise zu sprechen begann. "Der Kisei-Titel", murmelte er. "Du wirst ihn bekommen, ich bin sicher. Und um das zu feiern wollte ich dich einladen, es sollte etwas nach deinem Geschmack sein. Und du hast nunmal einen teuren Geschmack." Seine Hände erschlafften um die Go-Steine und seine Schultern sackten etwas zusammen. Hikaru sah müde aus, verdammt müde. Wäre er es, der ein Titelturnier vor sich hatte, dann würde Touya wirklich daran zweifeln, dass der andere die Runden, die sich über Tage hinzogen, überdauern würde.

Touya streckte seine Hand aus und berührte Hikaru am Arm. "Für mich? Du hast das alles für mich gemacht?" Hikaru nickte nur. Sie umarmten sich bevor er wusste, was passierte. Touya atmete stoßartig ein und es klang, als würde er weinen, doch das tat er nicht. Und irgendwie doch. "Danke", sagte er ab und zu und wiegte Hikaru in seinen Armen. "Das hättest du nicht tun müssen. Gott, du weißt, dass ich mit dem Titel ein Preisgeld von dreißig Millionen Yen gewinne! Du musst nur ein Wort sagen und ich kaufe dir alles, was du willst."

"Ich wollte dir etwas kaufen."

"Halt die Klappe."

Hikaru lachte tonlos an Touyas Schulter, während dieser ihm über den Kopf strich. "Du bist so ein Idiot, Shindo Hikaru, ein riesiger Idiot. Statt bis zur Erschöpfung zu arbeiten hättest du einfach zu mir kommen sollen. Du kannst mir nichts schenken, das schöner ist als Zeit mit dir. Verdammter Idiot. Trottel." Hikaru begann, lauter zu lachen, während Touya ihn weiter beschimpfte. Er wollte Touya in ein Restaurant einladen. Nicht nur einladen, er wollte den ganzen Laden mieten und irgendetwas Abgedroschenes tun oder sagen, das er sich noch nicht überlegt hatte. An erster Stelle stand die Location und nicht einmal die konnte er sich bisher leisten. Hikaru hatte jeden Tag gearbeitet, mehrere Termine, oft bis in die Nacht. Touya hatte sich nicht um ihn gekümmert, also hatte er weitergemacht.

"Du hörst auf mit diesem Mist." Es war dieser Ton an Touya, der keinen Widerspruch zuließ. "Du hörst auf, ich gewinne diesen verdammten Titel und dann..." Er atmete tief ein. Er hatte lange über diese drei Worte nachgedacht, die er Shindo sagen wollte. "Lass uns zusammenziehen."

Hikaru sah verblüfft auf. "Du weißt, wie wenig ich zu Hause tue?"

"Ich koche und bezahle uns eine Haushälterin. Es wäre praktisch, wir müssten nicht mehr eine halbe Stunde fahren, um gegeneinander zu spielen."

Sie sahen sich an und Hikaru lächelte.

"Du denkst wirklich nur an Go, Touya."

Touya verpasste ihm eine Kopfnuss. "An Go und an meinen lästigen Rivalen, der nicht auf sich selbst aufpassen kann. Der stur ist und unverbesserlich und selbstlos, und mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will."

~x~

Touya Kisei. Der Titel stand ihm gut, dachte Hikaru nicht zum ersten Mal. Es war Touyas Geburtstag und er lud den Kisei in eine Konditorei ein.

Seit sie zusammen wohnten gingen sie seltener weg, sondern verbrachten noch mehr Zeit vor dem Goban in ihrem Schlafzimmer. Nicht, dass sie immer Go spielten, musste er sich grinsend eingestehen. Sie stritten sich so oft wie früher, häufig ging es darum, dass Touya Hikaru hinterherräumen musste, dass Hikaru zu lang schlief oder Touya ihn immer kritisierte. Es waren tyische Streitigkeiten unter Eheleuten, hatte Asumi einmal gesagt. Es war ihm egal. So harmonisch wie jetzt waren sie vorher nie gewesen.

Touya trat ein und Hikaru stand auf. Sie trugen beide Anzüge und lächelten sich vertraut zu.

"Touya Kisei, darf ich sie zu ihrem Tisch geleiten?" fragte Hikaru schelmisch, als er seinen Freund begrüßte.

Touya nickte. "Es wäre mir eine Freude, Shindo Honinbou."
 

--------------

Vielen Dank fürs Lesen!

Ich habe schon eine neue HnG-Story angefangen, seht doch mal rein, sie heißt 'Seven Years from now' (ist aber noch länger als diese hier).

Nochmal Danke fürs Dabeibleiben!!

<3



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (14)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ribka-is-Mori
2019-04-28T13:48:04+00:00 28.04.2019 15:48
Hallihallo :D

Wirklich schöne FF ❤️ Ich shippe idR echt gerne aber Hikaru x Akira konnte ich mir nie vorstellen, weil sie für mich immer Freunde waren!! Diesen Spagat hast du, wie ich finde, wirklich gut hin bekommen, zwischen platonischer Liebe & echten Gefühlen! Hut ab ist sicher net leicht!!

Ich bin zu der FF gekommen weil ich jetzt eine Woche zu Hause war & sogar mal wieder zu meinem Go-Stammi gehn konnte *-* 6 Jahre sind echt ne lange Zeit & auch wenn ich nimmer so gut bin wie früher, hat es unglaublich Spaß gemacht & seitdem bin ich wieder im Go-Fieber!! xD Darum musste ne FF her & wenn ich wieder zu Hause bin wird Hikaru no Go nochmal durchgesuchtet (Als ob ich net genug auf der Liste hätte lol).

Naja lange Rede, kurzer Sinn: Danke für diese schöne FF! :*

Liebe Grüße
Das Fischen 🐟
Von:  Khyre
2014-09-23T00:05:24+00:00 23.09.2014 02:05
Heute habe ich in einem Anfall von Begeisterung für Hikaru no Go wieder an meiner eigenen Fanfiction zu dem Anime ein bisschen weiter geschrieben und bin mittendrin dann einmal auf Animexx gegangen, um dort wieder FFs dazu zu lesen.
Dann fand ich diese Fanfiction und war begeistert. Als ich dann deinen Namen gesehen habe, wusste ich wieder: Achso!
Also auch hier sehr gute Leistung. Das Erzähltempo ist am Anfang langsam, da muss man sich hinein gewöhnen. Aber dann wird es richtig interessant, die Beschreibungen sind schön und vor allem wirken die Charaktere sehr natürlich. Auch wenn sie sich von der der anderen Fanfic "Seven years from now" deutlich unterscheiden ^-^ Das Lesen hat großen Spaß gemacht. Hab es in einem Rutsch verschlungen. Vielen Dank!
Von: abgemeldet
2013-07-11T21:31:40+00:00 11.07.2013 23:31
Guten Tag :D
ich weiß gar net mal, ob du überhaupt mitbekommst, dass ich diese FF reviewe, aber es ist nicht meine Art, eine FF zu lesen, ohne sie danach zu reviewen

Außerdem hat die FF das verdient, hach Gott, ich hab sie regelrecht in mich hineingesaugt. Einfach ne tolle FF, hab oft über Akira und Hikaru lachen müssen, wie sie sich streiten, hab mit Akira gelitten, weil Hikaru am Anfang seine Gefühle nicht erwidert hat und dann hab ich mich gefreut, als Hikaru doch auf Akira zugegangen ist.
das is so toll geschrieben, ich könnte noch mehr davon lesen.

ich finde es unendlich traurig, dass HnG nicht so bekannt ist, ich hab damals den Manga im Banzai! gesehen und hab mich damals schon darin verliebt. Und als ich gesehen habe, dass es sogar ne Anime-Serie gibt, hab ich laut gejubelt und alle 75 Folgen plus Special reingezogen, um danach gleich nochmal anzufangen. Der einzige Anime, den ich jetzt schon dreimal geschaut habe, ohne mich zu langweilen. und ich werde ihn wieder und wieder schauen.
Ich versuch auch ständig andere Leute dafür zu begeistern, bei manchen klappt, aber trotzdem bleibt die Fangemeinde sehr klein...
und somit wird es auch weiterhin so wenige FFs geben Q.Q

wenn du das Review i-wie mitbekommst, würde mich interessieren, ob du noch weiterhin solche FFs schreibst? ich würde sie auf jeden Fall lesen <3
hab gelesen, dass du noch eine hast, muss ich gleich schauen :D

also top-FF, selten sowas gutes gelesen!

mach weiter so!!!

gruß Hina
Von:  Just_Dreaming
2011-01-30T00:27:15+00:00 30.01.2011 01:27
Hi,
Schade, dass die Geschichte so wenig Kommis hat. Mir gefällt sie echt gut und dabei hab ich erst das 1. Kapitel fertig!

Ich finde sie sehr schön geschrieben und zumindest bisher sind die Charaktere auch nicht ooc. Und die Idee ist auch süß!
Liebe Grüße, Just
Von: abgemeldet
2011-01-02T11:36:56+00:00 02.01.2011 12:36
nur 9 kommis? es ist echt schade, dass hng so verhältnismässig unbekannt ist.. diese ff hätte mit sicherheit mehr verdient!
alles aufzuschreiben, was mir beim lesen durch den kopf gegangen ist, ist schlicht und ergreifend ein ding der unmöglichkeit, also nur soviel:
ich würd mir wünschen, dass sie noch weitergeht, aber so ist das ende der ff.. naja, total passend. irgendwie bleibt ein ruhiges gefühl der zufriedenheit zurück..
lg no_future_
Von:  Rebi-chan
2010-09-27T08:31:32+00:00 27.09.2010 10:31
*quietsch*
Eine süße Geschichte :3

Wie immer ein sehr schöner Schreibstil :3 Auch der Inhalt gefällt mir sehr gut :3 Weiter so!! x3

LG Rebi-chan ^^
Von:  Collectress
2010-09-22T15:49:49+00:00 22.09.2010 17:49
Gutes Ende^^
Gefällt mir echt gut^^
Hikaru als Nachfolger von Shusaku^^, auch wenn ein paar Generationen übersprungen wurden...
Ist echt eine meiner Lieblingsffs...
Ich freu michs chon auf deine nächste^^
LG
Von:  Collectress
2010-09-10T17:07:14+00:00 10.09.2010 19:07
Echt toll geschrieben!
Und die Gecshichte ist auch toll!
War klar, dass Hikaru alle mitbringt^^
Ich finds besonders süße, als Akira aufwacht^^
Freu mich schon auf das nächste kappi^^

Von:  Collectress
2010-09-07T14:20:45+00:00 07.09.2010 16:20
Toll!
Ich finde gut, dass Hikaru auch mal gewinnt....
Ich hatte ehrlich erwartete, dass er es nicht tut...
Und wie du Spannung aufgebaut hast...hat mir echt gut gefallen.
Mach weiter so!
Von:  Collectress
2010-08-31T14:13:30+00:00 31.08.2010 16:13
ich glaube ich wiederhole mich,aber es ist echt klasse^^
Die handlung ist diesmal besonders interessant und es gefällt mir, dass Tohya sich so fühlt, wie Hikaru, nachdem er Sai verloren hat.
Mach weiter so!


Zurück