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Deepening Friendships

Auf einem Ausflug der jungen Pros bilden und vertiefen sich Freundschaften [HikaAki]
von

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Zeitlos

Hier das letzte Kapitel, ich hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen und seid nicht enttäuscht vom Ende :)

~x~
 

Der Hokuto-Cup fand wieder im März statt. Im Februar fand das Auswahl-Turnier statt. Auch Touya musste diesmal mitmachen, weil Hikaru ihn im Tengen-Turnier geschlagen hatte und seine Überlegenheit gegenüber seinen Altersgenossen damit nicht mehr außer Frage stand.

Hikaru lud Yashiro ein, bei ihm zu bleiben in dieser Zeit, der Platinblonde nahm das Angebot dankend an. Er erzählte es Touya und dieser schaffte es fast, seine Enttäuschung zu verbergen. Es hieß, dass Touya nicht mehr bei ihm schlafen konnte. Das würde er schon aushalten, dachte Hikaru sich. Sie hatten schließlich mittlerweile fast jeden Abend beieinander verbracht und er musste sich eingestehen, dass sie auch den Schritt über die Kuss-Linie genommen hatten, ohne dass er viel Einfluss darauf gehabt hatte. Jetzt war also einmal eine Gelegenheit, Touya hinzuhalten, und er ergriff sie sofort.

Yashiro kam an einem Freitag an, an dem Hikaru gerade ein Spiel hatte. Er würde bald zum 4-dan aufsteigen, es war kein Spiel, das er leicht nehmen konnte. Zumal Touya bereits den sechsten Dan errungen hatte. Touya 6-dan. Ein komischer Klang, dachte Hikaru, der andere sollte endlich einen Titel erringen, der besser zu seinem Namen passte. Kisei, zum Beispiel. Touya Kisei. Ein schöner Klang.

Nach der Hälfte seiner Partie sah er, dass Touya am Ausgang stand und ihn beobachtete, ernst wie immer. Er lehnte an der Wand bei den Stempeln, offensichtlich erwartete er einen Sieg von Hikaru. Hikaru sandte ihm ein flüchtiges Lächeln und konzentrierte sich danach auf seine Partie. Eine halbe Stunde später sah er wieder zur Tür, Yashiro stand dort und flüsterte aufgeregt mit Touya. Wirkten die beiden schon immer so vertraut? Hikaru war etwas eifersüchtig, auch wenn er wusste, dass dazu eigentlich kein Grund bestand. Vor allem nicht, dass er auf Yashiro eifersüchtig war. Er betrachtete seinen Gegner ernst und konzentrierte sich auf das Brett. Der andere sollte aufgeben, aber das schien er nicht zu erkennen. Kein Zug würde seine Niederlage verändern, höchstens den Abstand um wenige Moku verringern. Wenn er nur endlich aufgeben würde. Hikaru seufzte und strich über den weißen Fächer in seiner Hand. Er sollte wirklich üben, seine Ruhe zu wahren, aber er wollte so gern zu den Freunden gehen, dass er versucht war, unnötig grausam zu spielen.

Es zog sich noch weitere zehn Minuten hin, bevor sein Gegner erkannte, dass er nicht gewinnen würde. Er gab auf und Hikaru ging, bevor eine Diskussion aufkommen konnte. Er stempelte seinen Sieg und begrüßte die beiden Jungen, während sie aus dem Raum gingen.

"Hat ganz schön lange gedauert", kommentierte Touya seinen Sieg und Hikaru versenkte die Hände in den Taschen seiner weiten Hose.

"Yamahisa-san ist eben kein guter Verlierer. An seiner Stelle hätte ich schon viel früher aufgegeben."

"Lasst uns Sushi essen gehen, ich lade euch ein", meinte Touya und zeigte auf den Ausgang. Hikaru schüttelte den Kopf und erwiderte: "Ich habe ein Interview mit Weekly Go, das könnte eine Weile dauern."

"Wir könnten schon vorgehen", meinte Yashiro. Touya beobachtete Hikaru Reaktion und meinte dann: "Oder wir warten einfach. Wenn du so unhöflich wie immer bist wird es sowieso nicht lange dauern, bis du fertig bist."

"Hey!" rief Hikaru beleidigt, als sie zu einer Sitzgruppe gingen. Als Touya sich gerade setzte glitten die Türen auf und ein ihnen unbekannter Reporter trat ein und sah sich suchend um. Hikaru winkte ihn heran und das Gesicht des jungen Mannes hellte sich sichtlich auf als er sah, in wessen Begleitung sein Interviewpartner war.

"Yashiro-kun, Touya-kun, schön euch auch zu sehen!" Die beiden sahen sich an und ihnen war anzusehen, dass sie ihn ebenfalls nicht kannten. "Ich bin Korota Tetsuhiro, ich habe bei Weekly Go angefangen, nachdem ich euch im Hokuto-Cup gesehen habe, ich habe für eine kleinere Zeitung darüber berichtet. Könnte ich euch mitbefragen? Dann könnte es so ein 'Mitglieder vom letzten Jahr'-Special werden." Die Jungen ließen sich von seinem Wortschwall berieseln und nickten ihre Zustimmung. Hikaru ließ sich in einen der schwarzen Sessel fallen, Korota nahm neben ihm Platz und die anderen beiden ihnen gegenüber.

Der Reporter kramte in seinen unordentlichen Unterlagen herum, bis er ein Sammelsurium kleiner Zettel in der Hand hielt, auf alle verschiedene Fragen gekritzelt.

"Gut, fangen wir an..." Er nahm wahllos einen der Zettel und legte ihn dann wieder zu den anderen. Schließlich schien er sich zu entschließen, sein Interview aus dem Stegreif zu führen.

"Habt ihr drei nach dem letzten Hokuto-Cup den Kontakt aufrechterhalten?" fragte er, mehr mit Blick auf Yashiro als auf die anderen beiden. Der Blonde nickte und sagte nichts. Hikaru musste grinsen und dachte, dass der Reporter vermutlich keinen leichten Job haben würde. "Gut... Meint ihr, ihr werdet auch dieses Jahr Japans Repräsentanten sein?"

Touya räusperte sich, ein Zeichen dass er etwas sagen wollte, doch Hikaru kam ihm mit diebischer Freude zuvor. "Natürlich. In unserer Altersgruppe sind wir mit Sicherheit die besten Go-Spieler! Obwohl ich mir um Touya schon ein bisschen Sorgen mache, ob er es durch die Auswahl schafft."

"Shindo." Touyas Ton klang eindeutig warnend und Hikaru schmuggelte ihm ein honigsüßes Lächeln zu, das ihn sprachlos zurückließ. So schnell würde er wahrscheinlich nichts mehr sagen, dachte Hikaru belustigt.

"Ihr seid also sehr zuversichtlich. Shindo-kun, auf welchen Gegner freust du dich am meisten in diesem Turnier?"

"Menschlich oder im Go?"

Korota überlegte, fast etwas zu lange. "Sowohl als auch."

"Ich freue mich sehr darauf, Hong Suyeong aus Korea wiederzusehen. Vielleicht ist auch Li Ping aus China diesmal unter den Teilnehmern. Im Go möchte ich auf jeden Fall gegen Ko Yongha eine erneute Partie. Diesmal werde ich gewinnen." Hikaru war die brennende Zuversicht, auch wenn er sich innerlich gar nicht so sicher fühlte, wie er hier vorgab.

"Touya-kun, freust du dich auch auf die koranischen und chinesischen Spieler?"

"Natürlich, ich bin immer an einem Erfahrungsaustausch und an neuen Herausforderungen interessiert." Diplomatisch wie immer, dachte Hikaru. Er verdrehte die Augen so, dass Touya es sehen musste und dieser warf ihm einen kühlen Blick zu.

"Yashiro-kun, wie sieht es bei dir aus?"

"Mir ist egal, gegen wen ich spiele. Letztens Jahr habe ich beide Partien verloren, dieses Jahr gewinne ich sie hoffentlich beide."

"Es ist wirklich mitreißend, wie elanvoll ihr die Sache angeht. Ich wünsche euch jedenfalls viel Glück. Was habt ihr getan, um euch auf das Turnier vorzubereiten?"

Die drei sahen sich an, schließlich antwortete Touya. "Wir haben uns durch unsere üblichen Pro-Spiele verbessert, haben an Titelturnieren teilgenommen, um auf bessere Gegner zu treffen und haben auch privat viel geübt."

"In der Golden Week waren wir drei mit anderen Pros auf einem Go-Ausflug", vertraute Hikaru dem Reporter an, der sich fleißig alle Antworten notierte.

"Sehr löblich, wirklich. Wie schätzt ihr die Ergebnisse für den Hokuto-Cup dieses Jahr ein?"

Touya setzte an, doch wieder kam Hikaru ihm zuvor. "Japan-Korea 2-1, Japan-China 3-0, Korea-China 2-1."

"Wer verliert im Japan-Korea-Match?"

"Touya."

Der Reporter sah Touya an und wartete auf eine Reaktion, die allerdings ausblieb. Der dunkelhaarige Junge, der drei Monate jünger war als Hikaru, sah ihn weiter unterkühlt an und hob sein Kinn etwas an. Hikaru konnte sich bildlich vorstellen, was der andere ihm an den Kopf geworfen hätte, wäre kein Reporter dabei.

"Touya-kun, wirst du dich nicht verteidigen?"

"Nicht nötig, Shindo-kun wird schon früh genug sehen, dass er im Unrecht ist. Eine häufige Erfahrung für ihn." Die kleine Spitze war nur ein Vorgeschmack, dachte Hikaru lächelnd. Egal wie weit sie in ihrer Beziehung fortschritten, genauso oft stritten sie noch immer. Nicht immer über Go, seit neuestem auch über die Unordnung Hikarus oder Touyas Ordnungswahn, Hikarus Respektlosigkeit, Touyas Steifheit, und so weiter und so fort.

"Gut... im Rahmen des Hokuto-Cups hat sich das Interesse vieler Japaner nun auch auf die Go-Szene gerichtet. Habt ihr davon etwas miterlebt?" Hikaru und Touya sahen sich an und schüttelten dann simultan den Kopf. Yashiro allerdings erwiderte: "Ich finde, in letzter Zeit sind bei uns im Institut wirklich mehr junge Leute, auch mehr Mädchen interessieren sich für das Spiel." Hikaru dachte, dass sie vermutlich eher von Yashiro als von dem internationalen Turnier angelockt wurden, brachte dieses Kommentar allerdings nicht an.

"Was würdet ihr beginnenden Go-Spielern mit auf den Weg geben?"

"Bleibt dran. Ich habe auch erst vor etwa vier Jahren angefangen und habe letztes Jahr im Hokuto-Cup gespielt. Wenn sie Glück haben, könnten sie Japan also schon in drei Jahren im Go vertreten. Bis dahin sind wir auch zu alt für dieses Turnier", setzte er zwinkernd hinzu.

"Einige Firmen haben internationale Go-Turniere nun auch für sich entdeckt. Würdet ihr auch an ähnlichen Wettkämpfen teilnehmen?"

Die Jungen nickten und erklärten sich nicht weiter. Im Grunde ging es ihnen allen nur ums Go-Spielen selbst, ob nun gegen Japaner, Koreaner, Chinesen, das alles war ihnen ziemlich egal.

"Dankeschön, das wars erstmal. Nach dem Turnier würde ich gerne noch einmal mit euch sprechen. Besonders was Touya-kuns verlorenes Match gegen Korea angeht." Korota zwinkerte bei seinem letzten Satz, doch nur Hikaru erwiderte sein Lächeln. Der Reporter stand auf und verbeugte sich tief vor den Jungen. Als er gegangen war fing Hikaru noch einen von Touyas abgekühlten Blicken auf als sie gerade aufstanden.

"Ich gehe kurz Tobita-san begrüßen, er ist während unseres Gesprächs angekommen", erklärte Yashiro und ging zu den Fahrstühlen, um zum Büro seines früheren Lehrers zu gelangen. Touya zerrte Hikaru derweil an dessen Shirtkragen in den leeren Besprechungsraum. Als die Tür hinter ihnen zufiel zog er den größeren in einen wütenden Kuss, es war mehr als ramme er ihre Lippen aufeinander. Er biss auf Hikarus Unterlippe und dieser stöhnte schmerzvoll auf. Schließlich löste Touya sich von ihm.

"Auuu, Touya, was ist denn los?" Hikaru nahm seine Unterlippe in den Mund und leckte den blutigen Schnitt, den Touyas Zähne hinterlassen hatten.

"Das fragst du noch?"

"Ich hab doch nur Witze gemacht."

"Du weißt genau, was ich dir immer über Respektlosigkeit sage, vor allem in der Öffentlichkeit!"

"DU BIST EINFACH VIEL ZU VERKRAMPFT, TOUYA!!"

"ENTSCHULDIGE, DASS ICH DICH RESPEKTIERE, SHINDO!!" Touya hatte seine Arme in einer wütenden Geste in die Luft geworfen und durchbohrte Hikaru nun mit einem angesäuerten Blick. Hikaru überraschte sich selbst mit der Feststellung, wie warm ihm wurde, als er daran dachte, dass sie sich jetzt noch einmal küssen könnten. Er mochte es eigentlich, wenn sie sich stritten, er wusste, dass Touya so eine leidenschaftliche Beziehung mit niemand anderem pflegte.

Er bewegte sich auf Touya zu und nahm die Unterlippe des anderen zwischen seine Lippen, küsste sie behutsam und leckte leicht darüber. Er schmeckte nur das Blut, dass aus seiner eigenen Lippe quoll. Touyas Atmung verlangsamte sich wieder und er wurde ganz ruhig in Hikarus Armen.

Als sie sich lösten, murmelte er: "Du weißt, dass ich dir nach so etwas nicht böse sein kann."

"Hmm", lächelte Hikaru. "Das ist ein echter Vorteil an diesem ganzen Paar-sein."

"Sind wir jetzt doch ein Paar?"

"Naja... wir küssen uns, also sind wir das wohl. Aber kein schwules."

"Natürlich nicht."

Als Yashiro zehn Minuten später durch die Tür kam waren sie gerade dabei, sich herumliegende Kifus anzusehen. Sie hatten zwei von ihren Partien gefunden, betrachteten aber die Kifu von alten Tengen- und Honinbou-Turnieren. Touya zeigte gerade auf eines der Blätter und meinte: "Wäre ich schwarz gewesen, hätte ich hier gewonnen. Touya Tengen, wie klingt das?"

"Meijin passt immer noch am besten", kommentierte Yashiro. Die beiden anderen schreckten auf und drehten sich zu ihm um. Touya begann, die Blätter aufzuräumen und erwiderte: "Nein, ich möchte nicht mit meinem Vater verwechselt werden. Bei den anderen Titeln bin ich allerdings nicht wählerisch." Den letzten Satz sagte er mit einem vielsagenden Blick auf Hikaru. Dieser rollte die Augen über dem Kifu, das er in der Hand hielt und räumte es schließlich zu den anderen.

"Wohin wollen wir gehen?" fragte Hikaru, als sie das Institut verließen.

"Sushi", sagte Touya. "Und du lädst uns ein."

"Hey, vorhin klang das aber noch anders."

Touya warf ihm einen abschätzigen Blick zu. "Da war ich auch noch nicht sauer auf dich."

"Hmm, okay, schon gut, wenn du dann nicht mehr beleidigt bist." Er murmelte noch etwas darüber, dass Touya eigentlich mehr Geld verdiente, aber die anderen beiden ignorierten ihn. Yashiro suchte eine Sushibar aus, in der sie sich an das schmale Transportband setzten und sich Tee bestellten. Die Zeit verging viel zu schnell. Es war schon um elf, als sie die Bar wieder verließen, ein dickes Loch klaffte nun in Hikarus Geldbörse, denn Yashiro hatte sich nicht gerade zurückgehalten. Zu dritt gingen sie zu Hikaru und spielten in dessen Zimmer etwas Speed-Go, bis sie sich schließlich müde hinlegten. Hikarus Mutter hatte vorsorglich einen dritten Futon bereitgelegt.

Hikaru lag in der Mitte und redete im Flüsterton mit Yashiro. In der Sushibar hatten sie sich auf den neuesten Stand der Go-Karriere des jeweils anderen gebracht, jetzt tauschten sie private Neuigkeiten aus und Touya hörte ihnen geduldig zu. Hikarus Hand stahl sich in seine, während dieser Yashiro gerade von Waya und Asumi erzählte. Es dauerte lange, bis sie schließlich still waren. Touya dachte, dass Shindo mit ihm sonst nie bis in die Nacht quatschte, nicht oft zumindest, und wie gern er so unkompliziert wäre wie Yashiro.

Nachdem es ruhig geworden war musste Touya nicht lange warten, bis Yashiros Atem lauter wurde. Er musste in der Dunkelheit lächeln, weil er kurz gedacht hatte, wie er das Schnarchen vermisst hatte. Er spürte Shindos Hände an sich und ehe er sich versah hatte der andere ihn auf seinen Futon gezogen und lag ganz nah bei ihm, Kinn an Touyas Stirn. "Genieße es", flüsterte Hikaru tonlos. 'Es wird für zwei Wochen das letzte Mal sein,' sagte er stumm. Touya fragte sich, ob er der einzige von ihnen beiden war, der diese Momente mochte. Nicht, dass sie nötig waren - meistens dachte er, dass ihm Go reichte. Nur manchmal war es, dass er dachte, dass er die gemeinsamen, nahen Momente vermissen würde. Mehr als erwartet, wahrscheinlich.

~x~

"Shindo-kun, was sagst du zu den diesjährigen Ergebnissen des Hokuto-Cups?" fragte Korota ihn.

Hikaru rieb seine Hand als er sich an seine Partien erinnerte. "Ich bin natürlich etwas enttäuscht, aber man hat deutlich gemerkt, dass nicht nur die japanischen Pros sich verbessert haben."

Ko Yongha war wie er zweites Brett gewesen, was Hikaru etwas verwundert hatte. Hong Suyong war drittes Brett gewesen und hatte gegen Yashiro knapp verloren. Touya hatte gegen den aufstrebenden koreanischen Spieler am ersten Brett gewonnen - ebenfalls eine sehr knappe Partie, die Touya im letzten Moment für sich entscheiden konnte. In seinen finalen Zügen hatte Hikaru nicht wenig von seiner eigenen Spielweise in verzweifelten Situationen wiederentdeckt. Er selbst hatte den gleichen Gegner wie im Vorjahr gehabt, Ko Yongha. Der Koreaner hatte ihn ebenfalls nicht ohne Mühe niedergerungen, doch am Ende war es ihm nichtsdestotrotz gelungen. Bei ihrem ersten Hokuto-Cup hatte Hikaru weinend vor dem Goban gesessen, als er verloren hatte. Dieses Jahr war er ernst gewesen, nicht verzweifelt, denn er hatte seinen Fortschritt erkannt. Im nächsten Jahr würde er Yongha besiegen, ohne Zweifel. Redete er sich ein.

Gegen China hatten sie gewonnen. Li Ping war drittes Brett und hatte Yashiro geschlagen, es war eine freundschaftliche Partie gewesen. Hikaru und Touya hatten ihre Partien resolut gewonnen. Korea hatte China am dritten Tag in den Boden gerammt. Hikaru hatte die Partie zwischen Hong Suyong und Li Ping interessiert verfolgt. Hong hatte gewonnen, aber eine gute Portion Glück hatte dazugehört. Am Tag nach dem Turnier hatten Hong und Hikaru ihr sporadisches Spiel in Touyas Go-Salon gespielt, das Hikaru gewonnen hatte, danach war Hikaru zu seinem Interview gegangen, das wieder mit Yashiro und Touya geführt wurde.

"Yashiro-kun, deine Teilnahme stand etwas auf der Kippe. Habt ihr ihn angefeuert oder wart ihr auf einem neutralen Standpunkt?"

Touya antwortete, nachdem er sich mit einem Blick mit Hikaru verständigt hatte. "Uns war wichtig, dass Japan durch seine besten Spieler respräsentiert wird. Wäre es ein anderer Spieler als Yashiro gewesen, dann wären wir auch zufrieden gewesen, solange es einer der drei besten japanischen Jungpros ist."

"Aber die alte Gruppe wieder vereint zu sehen war definitiv eine Freude", fügte Hikaru hinzu. Er war nicht so aufgedreht wie zu ihrem letzten Interview. Seine Niederlage gegen den Koreaner hatte ihm einen deutlichen Dämpfer verpasst. Touya hatte bereits versucht, ihn aufzuheitern, war aber erfolglos gewesen.

"Touya-kun, was hälst du von Koreas erstem Brett?"

"Leung-sans Go war eine Herausforderung, ich habe vorher nur wenige seiner Kifus gesehen und denke, dass er zurecht als bester Spieler Koreas ausgewählt wurde."

Hikaru merkte erst, dass er zu tagträumen begonnen hatte, als er eine Frage mehrmals gestellt bekam. Er versuchte, sich weiter auf das Interview zu konzentrieren, doch es fiel ihm unsagbar schwer. Er merkte nicht einmal Touyas sorgenvolle Blicke, was seinen Rivalen nur noch mehr beunruhigte. Touya übernahm Hikarus Redeanteil ohne es offensichtlich zu machen.

Ihn verlangte es danach, den anderen zu berühren, in den Arm zu nehmen, ihm Ruhe zu gönnen. Touya hatte nicht noch einmal bei Hikaru geschlafen seit der Nacht vor zwei Wochen, stattdessen hatte er sich wieder mehr Pros zu sich eingeladen und seine Go-Übungen vertieft. Er hatte auch wieder begonnen, Kunden im Salon seines Vaters Unterricht zu geben. Alles, um sich von seinem täglich steigenden Verlangen nach seinem Rivalen abzulenken.

Heute war Yashiros letzter Tag. Er hatte seine Tasche schon ins Institut mitgenommen, eine Stunde nach dem Interview würde sein Zug gehen. Touya nahm ihm die Tasche ab, während sie zu dritt das Gebäude verließen und ein Taxi zum Bahnhof nahmen. Die Jungen schwiegen, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach oder schlief, in Hikarus Fall. Touya weckte ihn, als das Taxi hielt.

Sie gingen zum Bahnsteig, an dem Yashiros Zug bereits stand. Touya und Yashiro verabschiedeten sich wortreich, sie versprachen, einander anzurufen, übers Internet zu spielen und sich auf dem Laufenden zu halten. Yashiro drehte sich zu Hikaru und dieser umarmte ihn stumm. Touya sah, wie schwer ihm der Abschied dieses Mal fiel. Er legte Hikaru eine Hand auf die Schulter, als Yashiro in den Zug stieg und ihnen ein letztes Mal zuwinkte.

Auf dem Rückweg nahmen sie die Bahn. Touya brachte den anderen nach Hause und fuhr dann zu sich. Shindo hatte müde gewirkt und Touya gesagt, ihm wäre es lieber, die nächsten Nächte allein zu sein um etwas Schlaf aufzuholen.

Tatsächlich hatte sich Shindo eine schwere Erkältung eingefangen, die er fast zwei Wochen auskurierte. Er war nie kränklich gewesen, und Touya wunderte sich, was sein Immunsystem wohl geschwächt hatte. Er ließ ihm seinen Freiraum und stürzte sich stattdessen in sein Go, versuchte sich blind und taub zu spielen und nicht zu merken, dass sie einander immer seltener sprachen, später immer seltener sahen.

~x~

Touya schaffte es nicht. Er versuchte, seine Gedanken vierundzwanzig Stunden lang geschäftig zu halten, doch wenn er im Bett lag und nicht mehr an noch mehr Partien denken konnte, dachte er an Shindo und dass sie sich seit Ewigkeiten nicht mehr getroffen hatten. Nicht außerhalb eines Go-Salons zumindest.

Akira hatte es lange Zeit geschafft, Shindo seinen Freiraum zu lassen, und irgendwann musste er es gar nicht mehr versuchen, denn die Pros kamen und gingen in seinem Haus und er war jeden Tag im Go-Salon um sich um Kunden zu kümmern und war froh, wenn er abends ein Bad nehmen und koreanische und chinesische Kifus studieren konnte.

Shindo hatte ihn anfangs ab und zu angerufen, hatte aber immer ausgelaugt und kaputt gewirkt. Akira kannte seine Kifu, sein Go litt nicht unter seinem Zustand, also wusste er keinen Grund, den anderen zu maßregeln. Wann immer Akira versucht hatte, danach mit ihm zu reden, war er beschäftigt gewesen: er schien sich viele Termine vom Institut geben zu lassen und wenn Touya ihn abends angerufen hatte, dann hatte er entweder geschlafen oder hatte bei Waya herumgelegen. Er sah es als Zeichen, dass der andere gut ohne ihn auskam.

Doch Touya würde ihn nicht bedrängen, er hatte es sich geschworen. Noch dazu hatte er genug eigene Sorgen - in weniger als einer Woche forderte er Kurata im Wettkampf um den Kisei-Titel heraus und er konnte es sich nicht leisten, sich von irgendetwas ablenken zu lassen.

Soviel zur Theorie. In der Praxis sah Touya sich noch am gleichen Abend vor Shindos Haus. Er hatte die Ungewissheit nicht ausgehalten und war gekommen, um mit dem Jungen zu reden. Dessen Mutter hatte ihn freudig empfangen und war froh, zu sehen, dass er sich um Hikaru sorgte.

Er betrat Hikarus Zimmer ohne zu klopfen. Der andere saß vor dem Goban und stellte eine Partie nach. 'Shuusaku' stellte Touya mit einem Blick darauf fest und umrundete das Brett. Hikaru sah auf, die Ringe unter seinen Augen waren dunkler als vor ein paar Tagen, als Touya ihn im Institut gesehen hatte.

"Lass uns reden", sagte Touya und Hikaru stand auf, damit sie auf gleicher Höhe waren.

"Touya, du hättest auch anrufen können", meinte er.

"Nein, ich glaube nicht. Warum bist du so beschäftigt in letzter Zeit?"

"Beschäftigt? Ich weiß ja nicht, Go ist immerhin mein Beruf, also sollte ich doch auch arbeiten."

"Es ist aber nicht mehr arbeiten, was du tust. Du richtest dich zugrunde."

"Du übertreibst mal wieder maßlos! Was soll ich außerdem tun, wenn du mir aus dem Weg gehst?!"

"Aus dem-?? Du warst es doch, der sich mit Arbeit zugeschaufelt hat, um mich nicht mehr zu sehen!!"

"Du hast doch keine Ahnung, Touya! Ich hab das nur für dich getan."

"Für mich?! Ich weiß ja nicht, was für verquere Vorstellungen du hast, Shindo, aber es ist sicher nicht in meinem Sinn, dass du jeden Tag halbtot ins Bett fällst und wir uns nie sehen!"

"Ich hab das gemacht, weil ich GELD brauchte! Für ein verdammtes GESCHENK!!"

"Was ist das denn für eine Ausrede?? Mein Geburtstag ist in einem halben Jahr!"

"DANN HÖR DOCH EINFACH ZU, OHNE MICH ZU UNTERBRECHEN!!" Hikaru schubste Touya an den Schultern rückwärts und der andere versuchte, ihn mit der Faust zu erwischen, war aber erfolglos und taumelte weiter nach hinten. Als er über das Goban stolperte und hinfiel hielten sie beide inne in ihrer vorübergehenden Raserei. Sie sahen sich an, Touya rieb sich den schmerzenden Rücken, mit dem er gegen die Wand geprallt war.

Er seufzte leise und sagte: "Schon gut, ich höre zu."

Hikaru setzte sich zu ihm und ordnete unbewusst die Go-Steine, bevor er leise zu sprechen begann. "Der Kisei-Titel", murmelte er. "Du wirst ihn bekommen, ich bin sicher. Und um das zu feiern wollte ich dich einladen, es sollte etwas nach deinem Geschmack sein. Und du hast nunmal einen teuren Geschmack." Seine Hände erschlafften um die Go-Steine und seine Schultern sackten etwas zusammen. Hikaru sah müde aus, verdammt müde. Wäre er es, der ein Titelturnier vor sich hatte, dann würde Touya wirklich daran zweifeln, dass der andere die Runden, die sich über Tage hinzogen, überdauern würde.

Touya streckte seine Hand aus und berührte Hikaru am Arm. "Für mich? Du hast das alles für mich gemacht?" Hikaru nickte nur. Sie umarmten sich bevor er wusste, was passierte. Touya atmete stoßartig ein und es klang, als würde er weinen, doch das tat er nicht. Und irgendwie doch. "Danke", sagte er ab und zu und wiegte Hikaru in seinen Armen. "Das hättest du nicht tun müssen. Gott, du weißt, dass ich mit dem Titel ein Preisgeld von dreißig Millionen Yen gewinne! Du musst nur ein Wort sagen und ich kaufe dir alles, was du willst."

"Ich wollte dir etwas kaufen."

"Halt die Klappe."

Hikaru lachte tonlos an Touyas Schulter, während dieser ihm über den Kopf strich. "Du bist so ein Idiot, Shindo Hikaru, ein riesiger Idiot. Statt bis zur Erschöpfung zu arbeiten hättest du einfach zu mir kommen sollen. Du kannst mir nichts schenken, das schöner ist als Zeit mit dir. Verdammter Idiot. Trottel." Hikaru begann, lauter zu lachen, während Touya ihn weiter beschimpfte. Er wollte Touya in ein Restaurant einladen. Nicht nur einladen, er wollte den ganzen Laden mieten und irgendetwas Abgedroschenes tun oder sagen, das er sich noch nicht überlegt hatte. An erster Stelle stand die Location und nicht einmal die konnte er sich bisher leisten. Hikaru hatte jeden Tag gearbeitet, mehrere Termine, oft bis in die Nacht. Touya hatte sich nicht um ihn gekümmert, also hatte er weitergemacht.

"Du hörst auf mit diesem Mist." Es war dieser Ton an Touya, der keinen Widerspruch zuließ. "Du hörst auf, ich gewinne diesen verdammten Titel und dann..." Er atmete tief ein. Er hatte lange über diese drei Worte nachgedacht, die er Shindo sagen wollte. "Lass uns zusammenziehen."

Hikaru sah verblüfft auf. "Du weißt, wie wenig ich zu Hause tue?"

"Ich koche und bezahle uns eine Haushälterin. Es wäre praktisch, wir müssten nicht mehr eine halbe Stunde fahren, um gegeneinander zu spielen."

Sie sahen sich an und Hikaru lächelte.

"Du denkst wirklich nur an Go, Touya."

Touya verpasste ihm eine Kopfnuss. "An Go und an meinen lästigen Rivalen, der nicht auf sich selbst aufpassen kann. Der stur ist und unverbesserlich und selbstlos, und mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will."

~x~

Touya Kisei. Der Titel stand ihm gut, dachte Hikaru nicht zum ersten Mal. Es war Touyas Geburtstag und er lud den Kisei in eine Konditorei ein.

Seit sie zusammen wohnten gingen sie seltener weg, sondern verbrachten noch mehr Zeit vor dem Goban in ihrem Schlafzimmer. Nicht, dass sie immer Go spielten, musste er sich grinsend eingestehen. Sie stritten sich so oft wie früher, häufig ging es darum, dass Touya Hikaru hinterherräumen musste, dass Hikaru zu lang schlief oder Touya ihn immer kritisierte. Es waren tyische Streitigkeiten unter Eheleuten, hatte Asumi einmal gesagt. Es war ihm egal. So harmonisch wie jetzt waren sie vorher nie gewesen.

Touya trat ein und Hikaru stand auf. Sie trugen beide Anzüge und lächelten sich vertraut zu.

"Touya Kisei, darf ich sie zu ihrem Tisch geleiten?" fragte Hikaru schelmisch, als er seinen Freund begrüßte.

Touya nickte. "Es wäre mir eine Freude, Shindo Honinbou."
 

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Vielen Dank fürs Lesen!

Ich habe schon eine neue HnG-Story angefangen, seht doch mal rein, sie heißt 'Seven Years from now' (ist aber noch länger als diese hier).

Nochmal Danke fürs Dabeibleiben!!

<3



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-01-02T11:36:56+00:00 02.01.2011 12:36
nur 9 kommis? es ist echt schade, dass hng so verhältnismässig unbekannt ist.. diese ff hätte mit sicherheit mehr verdient!
alles aufzuschreiben, was mir beim lesen durch den kopf gegangen ist, ist schlicht und ergreifend ein ding der unmöglichkeit, also nur soviel:
ich würd mir wünschen, dass sie noch weitergeht, aber so ist das ende der ff.. naja, total passend. irgendwie bleibt ein ruhiges gefühl der zufriedenheit zurück..
lg no_future_
Von:  Rebi-chan
2010-09-27T08:31:32+00:00 27.09.2010 10:31
*quietsch*
Eine süße Geschichte :3

Wie immer ein sehr schöner Schreibstil :3 Auch der Inhalt gefällt mir sehr gut :3 Weiter so!! x3

LG Rebi-chan ^^
Von:  Collectress
2010-09-22T15:49:49+00:00 22.09.2010 17:49
Gutes Ende^^
Gefällt mir echt gut^^
Hikaru als Nachfolger von Shusaku^^, auch wenn ein paar Generationen übersprungen wurden...
Ist echt eine meiner Lieblingsffs...
Ich freu michs chon auf deine nächste^^
LG


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