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I'm on your side...

von

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Tiny incidents

5. Kapitel – Tiny incidents
 

Der erste Drehtag war endlich vorüber. Ich ließ mich langsam in mein Bett sinken und schloss die Augen. Mein Fenster war gekippt und ich nahm die Geräusche war, die von der Straße zu mir hereinkamen. Yumikos Apartment lag im siebten Stock eines großen Wohnhauses. Allerdings befanden sich darin ausschließlich teure und luxuriöse Wohnungen. Ich atmete ein und mir stieg der Geruch von Holz in die Nase. Man merkte noch genau, dass dieses Zimmer neu eingerichtet worden war. Zeit zum Einleben hatte ich ja kaum welche gehabt. Morgen beziehungsweise heute, würde es mit den Solos weitergehen und vielleicht würden wir sogar zu der neuen Location wechseln. Wir waren leider nicht so weit gekommen, da die Gruppenaufnahmen die meiste Zeit in Anspruch genommen hatten. Ich blickte auf den kleinen, runden Digitalwecker, der auf meinem Nachttisch stand.4:27 Uhr. Ich sollte langsam mal einschlafen! Doch es gelang mir nicht. Die Aufregung des Tages floss noch durch meinen Kopf und ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Zum Glück mussten wir an dem Tag nicht allzu früh am Set sein, worüber ich besonders erleichtert war. Ich rieb mir meine Finger. Der Schmerz hatte kaum nachgelassen, doch es kümmerte mich in dem Moment wenig. Ich war viel zu aufgeregt, auf den weiteren Verlauf des Tages.

Ich drehte mich auf die Seite und zog mir die Decke über den Kopf.
 

„Hey!“ Eine hohe Frauenstimme rief nach mir, doch ich ignorierte es.

„Hmmm!!!“, grummelte ich nur vor mich hin und wendete mich auf dem Beifahrersitz zur Seite.

„Das glaub ich jetzt nicht. Wie kann sie jetzt noch schlafen?“ Yumiko stand hilflos vor der offenen Autotür und versuchte vergeblich mich zu wecken, da ich auf der Fahrt zum Studio eingenickt war. Es war vermutlich schon so um die elf Uhr, aber trotzdem betrug die Zeit an Schlaf, die ich nur bekommen hatte, gerade mal zwei oder drei Stunden. Echt ätzend!

„Heeeeey!!!!!“

„Uuuaahhh!!!!!“ Ich schreckte panisch hoch, als mir jemand ins Ohr schrie. Plötzlich starrte ich in zwei kleine dunkle Augen. Verwirrt blinzelte ich diese an.

„Na, ausgeschlafen?“, fragte mich Koki mit einem breiten Grinsen, das so typisch für ihn war.

„Wie, was...??? Sind wir schon da? Eehhh?“ Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, stammelte ich vor mich hin.

„Da hat wohl jemand nicht genug geschlafen, ne?“

Ich rieb mir die Augen und gähnte kurz, bevor ich antwortete: „Wie auch? Ich hatte ja kaum Zeit zum schlafen! Uaah ich bin so verdammt müde!!“, maulte ich, fügte mich aber den mahnenden Blicken von Nee-chan.

Auch wenn ich bald 19 Jahre alt wurde, brach doch noch ziemlich oft das Kind in mir durch. Koki grinste nur weiter vor sich hin und begleitete uns ins Studio, wo wir daraufhin auch schon von dem Staff und ein paar der Member begrüßt wurden. Jin und Kame waren allerdings noch nirgendwo zu sehen.

Aus einem mir schleierhaften Grund schien es den Anwesenden um einiges besser zu gehen als mir. Die Atmosphäre hatte sich zum Vortag kaum verändert, doch es wirkte schon längst nicht mehr so gewaltig und fremdartig, wie am Tag zuvor.

„Na, ausgeschlafen?“, fragte mich Taguchi, wohlwissend von meinem Schläfchen im Auto, das konnte ich ihm an der Nasenspitze ansehen.

„Sehr lustig! Gib's zu, Koki hat es dir erzählt!“ Daraufhin grinste er mich nur vielsagend an. Dabei presste er seinen Augenlider so sehr zusammen, dass nur noch Schlitze zu erkennen waren. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch und antwortete einfach nicht mehr. Ganz schöne Tratschtanten!, kicherte ich dennoch in mich hinein.

Ich wanderte ziellos durch das Studio. Der eigentliche Dreh würde erst in einer Stunde beginnen, wenn alle anwesend und entsprechend vorbereitet waren. Mir fiel eine große Tür am Ende des Ganges auf. War die schon die ganze Zeit über da?

Ich schritt langsam darauf zu. Große Kanji prangten an der Tür, jedoch ließen sie sich nicht entziffern. Jedenfalls nicht von mir. Plötzlich hörte ich Stimmen aus dem Raum. Die eine gehörte eindeutig Kame, soviel war sicher. Die andere schien zu singen, ich konnte kaum etwas verstehen, doch es klang schön. Das scheint wohl der Umkleideraum zu sein..., schlussfolgerte ich, nachdem ich die singende Stimme als die Jins identifizieren konnte. Im selben Moment stieg diese angenehme Wärme in meiner Brust wieder auf, allein bei dem Gedanken, dass Jin hier war. Komisch...

Ich setzte mich neben die Tür und beschloss auf die beiden zu warten. Ich hatte im Moment sowieso nichts besseres zu tun. Eine blonde Haarsträhne viel mir ins Gesicht, die ich sofort wieder an ihren Ursprungsplatz zurück strich. Durch die großen Fenster schienen Sonnenstrahlen auf mich, hinterließen überall ihre warmen Spuren auf meiner Wange. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand und lauschte dem Gesang.

Er singt „Care“...
 

„Hey, Sora-chan!“ Jemand rief meinen Namen. Ich mochte es, wenn diese Stimme meinen Namen rief. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich behutsam schüttelte.

„Sora-chan, aufwachen!“ Ich hörte ein Lächeln aus diesen Worten heraus und langsam öffnete ich die Augen.

„Hmm...“ Vorsichtig versuchte ich etwas zu erkennen, doch die Sonne blendete mich und ich erkannte eine bekannte Silhouette.

„Akanishi-kun,... ohayou!“, murmelte ich noch vom Schlaf etwas benommen.

Er lächelte: „Ohayou! Das hier ist ja nicht gerade der beste Ort zum schlafen, ne? Komm her!“ Er nahm mich an der Hand und half mir aufzustehen. Ich schwankte noch ein wenig, doch er hielt mich vorsichtig fest. Seine Hand lag auf meinem Rücken und ich spürte, wie ein leichtes Kribbeln seiner Berührung folgte.

„Gomen, dass ich hier einfach eingeschlafen bin. Ich wollte eigentlich auf euch warten.“

„Haha! Kein Problem. Du musst dich halt erst an unsere Zeiten gewöhnen. Das ist für uns eigentlich schon der Standard.“ Er lächelte sanft.

„Hab ich was verpasst? Hat der Dreh schon angefangen?“

„Nein noch nicht. Ich denke du hast auch gerade mal 20 Minuten geschlafen.“

„Mehr nicht? Oh!“ Inzwischen konnte ich wieder aufrecht stehen und wischte mir den Rest Schlaf aus den Augen. Ich gähnte. So langsam schien ich mich wohl der japanischen Lebensweise anzupassen. Mir war schon seit längerem aufgefallen, dass Japaner es ausgezeichnet beherrschen, immer und überall einschlafen zu können. Überaus praktisch, wie ich zugeben musste.

„Wo ist Kamenashi-kun?“, fragte ich ihn. Ich blickte mich suchend im Gang um und erhaschte einen kleinen Blick in den Umkleideraum, der allerdings viel zu unordentlich war, um irgendetwas darin finden zu können. Sei es Kame oder eine verlorene Socke.

„Der ist schon vorgegangen. Er war wohl der Meinung, ich komme alleine klar.“ Seine Augen wichen den meinen aus. Er wirkte aus irgendeinem Grund verlegen nach seiner Antwort, warum nur? Fragend studierte ich seine Mimik, doch es ließ sich nichts Verdächtiges feststellen. Stattdessen erntete ich noch ein herzliches Grinsen seinerseits, dass mein Herz einen unerwarteten Hüpfer machte. Irritiert drehte ich mich von ihm weg. Mein Gott, was ist nur los mit mir? Ich dachte die Sache hätte sich erledigt. Wieso werde ich rot? Bisher hat mich doch auch jeder andere Kerl kalt gelassen. Warum sollte es bei ihm anders sein?

Mein Kopf drohte zu platzen. Ich verstand mich selbst kaum noch. Für ein Idol zu schwärmen war eine Sache, aber das ging selbst für mich zu weit. Ich seufzte innerlich vor mich hin. Vielleicht machte ich mir auch nur zu viele Gedanken.
 

Skeptisch beäugte ich den Karton vor mir, in denen die Lunchboxen verstaut und geliefert worden waren.

„Da stimmt doch was nicht!“, sagte ich.

Das konnte einfach nicht stimmen! Von den eingeschweißten Bentos von gestern war nichts zu sehen. Stattdessen standen vor mir etliche Kartons, mit verpackten Boxen in dünner Plastikfolie darin. Stinknormale Folie! Mir stiegen fast die Tränen in die Augen, vor Dankbarkeit an wen auch immer, dass sich meine Finger auch weiterhin noch erholen durften.

Vergnügt begann ich damit, die Folien von den Bentos abzuziehen, während sich zwei weitere Helferinnen zu mir gesellten.

Doch ganz verschont blieb ich leider nicht. Ein leichter Schmerz durchbohrte meine Hand bei jeder kleinen Bewegung.

Ist wohl doch noch nicht ganz verheilt, huh? Aber das war jetzt auch egal. Ich hatte besseres zu tun, als mich darum zu sorgen. Immerhin hatte ich noch einen Job zu erledigen. Nach dem Auspacken mussten die Bentos auf extra bereitgestellten Tischen zur Selbstbedienung aufgestellt werden.

„Brauchst du Hilfe?“ Ueda lief neben mir her. Ich selbst hatte die Hände voll mit fünf großen Lunchpaketen.

„Wäre echt nicht schlecht, danke. Aber darfst du als Idol mir überhaupt helfen? Ist das nicht unter deiner Würde?“ Erschöpft, aber immer noch zu sarkastischen Bemerkungen fähig, grinste ich ihn an.

„Klar, gib her ich nehm's dir ab!“ Und mit diesen Worten hatte er sie schon selbst auf den Arm. Bei ihm sah das so leicht aus und wieder wurde mir bewusst wie schwach ich als Mädchen doch war. Deprimierend!

Arigatou! Das waren jetzt eh die letzten. Du bist leider ein bisschen spät mit deiner Rettung gekommen, Romeo.“

Seit einiger Zeit nannte ich ihn manchmal so, wegen seines Theaterstückes „Romeo und Julia“, in dem er als die männliche Hauptrolle agierte. Ich fand das süß und er hatte auch nichts dagegen, im Gegenteil er musste jedes Mal über beide Ohren grinsen, wenn ich ihn so nannte. Diese Verlegenheit machte ihn noch niedlicher, als er eigentlich schon war. Ich mochte Ueda sehr. Er war immer so gut gelaunt und lächelte oft, wie ein Engel.

„Sag mal, hast du Akanishi-kun vorhin irgendwo gesehen?“

„Eh?“ Diese Frage ließ mich irritiert aufschrecken, allein weil sein Name erwähnt wurde.

„Ano... Nein ich hab ihn seit vorhin nicht mehr gesehen, seit den letzten Takes ungefähr.“

„Ach so? Hmm...“ Sein Blick tastete suchend die Umgebung ab, allerdings erfolglos. Zu sehen waren nur Kame und Maru, die miteinander für das Making of-Video herumalberten. Dabei schienen sie sehr von den zwei großen Vögeln, die an der CG-Bühne angebracht waren, fasziniert zu sein. Auch ich fragte mich inzwischen, wo Jin sein könnte, bis ich mir einen Ruck gab und mir befahl nicht mehr über ihn nachzudenken. Das musste doch irgendwann mal aufhören, oder?
 

Vorsichtig öffnete ich die Tür, die in die Umkleide führte. Niemand war zu sehen, was mich erleichtert aufatmen ließ. Zielstrebig ging ich auf den kleinen Medizinschrank zu, den ich zuvor schon hier drinnen entdeckt hatte. Ein großes Kreuz war darauf abgebildet, also unverwechselbar, auch für eine Kanji-Niete wie mich. Er hing links an der Wand, die wohl zu den Duschräumen führte. Darin befand sich ein Kästchen, das ich ohne zu zögern herausholte. Der Raum war sehr groß, mit vielen Fenstern und Spiegeln. In der Mitte standen blaue Schließfächer und Bänke aus Holz. Eilig setzte ich mich und kramte in dem Erstehilfekästchen herum. Pflaster oder Verbände wollte ich keine, die wären zu auffällig gewesen. Vielmehr suchte ich nach einer Wundsalbe oder Ähnliches. Auf die Idee, mich bei Yumiko zu verarzten, war ich, schlau wie ich nun mal bin, natürlich nicht gekommen. Die Verletzung, die ich mir am Tag zuvor zugezogen hatte, war wohl auch schlimmer gewesen, als ich es hätte zugeben wollen.

„Huh? Was machst du denn hier?“ Ich fuhr panisch zusammen, als Jin plötzlich eintrat. Schnell versteckte ich den Kasten hinter meinem Rücken, doch ich bezweifelte, dass er ihn nicht bemerkt hatte. Und ich hatte Recht.

Verdammt, warum muss ausgerechnet er jetzt auftauchen?

„Hey, was versteckst du da vor mir?“ Er kam mit großen Schritten auf mich zu.

„Nichts! Ist schon okay! Ich...“ Jin stand direkt vor mir, ehe ich reagieren konnte und beugte sich zu mir herunter. Mein Herz erstarrte, als sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war. Sein warmer Atem überflog meine Wange, doch ehe ich reagieren konnte griff er hinter mich und nahm mir den Kasten aus der Hand.

„Wozu brauchst du das denn? Hast du dich verletzt?“ Zwei dunkle, braune Augen sahen mich besorgt an. Da war es wieder. Ich wollte nicht, dass er sich um mich sorgt.

„Ach was, schon in Ordnung! Ist nur ein kleiner Kratzer, davon sterbe ich schon nicht.“

Sein Blick verdüsterte sich. Hatte er bemerkt, dass ich ihn angelogen hatte? Und wieso bekam ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen?

„Zeig mal her!“ Plötzlich packte er meinen linken Arm, den ich immer noch hinter mir versteckt hielt.

„Nein, bitte! Es ist nichts!“, versuchte ich ihn noch daran zu hindern, doch es gelang mir nicht. Fast schon verzweifelt versuchte ich mich aus seinem festen Griff zu lösen. Er war sehr stark und er gab sehr darauf Acht, mir nicht wehzutun. Trotzdem ließ er mich nicht gehen. Warum wollte ich unbedingt verhindern, dass er es sieht? Warum wehrte ich mich so gegen ihn? Jin zog meine Hand hervor. Ich hatte aufgehört zu zappeln und ließ ihn schließlich gewähren. Es hatte doch sowieso keinen Sinn. Meine Unruhe verschwand in jenem Moment, als ich in Jins klare Augen sah, die vorwurfsvoll meine Hand betrachteten. Vorsichtig strich er mit seinen Fingern über die geschunden Stellen. Jede seiner Berührungen hinterließ ein leichtes Prickeln, mein Herz fing an schneller und schneller zu schlagen, sodass mir schwindelig wurde. Er kniete vor mir und hielt weiter meine Hand.

Gomen...!“ Seine Stimme klang rau und sehr leise. Ein Ton voller Reue hing darin.

„Eh... Aber warum entschuldigst du dich? Das sind nur ein paar Blasen, nichts ernstes! Außerdem ist es nicht deine Schuld!“, versuchte ich ihn zu beruhigen und lächelte ihn beschwichtigend an. Dabei hörte ich mich überzeugter an, als ich mich fühlte.

„Quatsch, das ist total geschwollen! Wir hätten dich nicht so viel arbeiten lassen sollen und besser auf dich aufpassen müssen! Immerhin tragen wir alle eine gewisse Verantwortung für dich. Vor allem, da du ein Mädchen bist!“

„Aber das war doch meine eigene Schuld und das ist auch nun mal mein Job! Es war nur gestern wegen dem Dreh. Ich bin sicher, das kommt nicht wieder vor. Ich muss heute einfach besser aufpassen. Außerdem... hätte ich doch sonst keinen Grund hier zu sein, wenn ich euch nicht irgendwie hilfreich sein kann...“ Ich senkte den Kopf und blickte beschämt zu Boden. Stimmt...! Das ist der einzige Grund, warum ich hier sein darf. Ich gehöre hier doch eigentlich gar nicht hin...

Ich spürte, wie Jin mich ansah, doch ich hatte nicht den Mut, seinen Blick zu erwidern. Ich hatte Angst, er würde nur bestätigen, was ich dachte.

„Jetzt rede doch keinen Unsinn! Du bist uns hilfreich, auch ohne dass du dich so abrackern musst. Wir alle sind froh, dass du hier bist! Du bist doch inzwischen.... eine Freundin geworden.“ Nach diesen Worten musste ich aufblicken. Ungläubig sah ich ihn an. Dachten sie wirklich so? Jins Blick wollte mir nicht antworten. Er starrte leicht zu Seite und versuchte ein verlegenes Lächeln zu verbergen. In diesem Moment schloss sich das Loch in meiner Brust, dass sich in der letzten Zeit immer tiefer in mich hinein gefressen hatte. Unsere Augen trafen sich erneut und das Gefühl der Einsamkeit, erlosch daraufhin. Er nahm einen Verband aus dem Kasten. Noch immer ruhte meine Hand in seiner.
 

„Und pass in Zukunft besser auf, ja?“

„Hai~!“ Nachdem Jin mich verarztet hatte, hielt er mir erst einmal Vorträge darüber, dass ich nicht immer alles auf eigene Faust versuchen sollte. Irgendwie kam ich mir vor wie ein kleines Kind, dass belehrt wird nicht mit Feuer zu spielen. Wir liefen nebeneinander her in dem Gang, der zurück ins Studio führte.

„Und wenn du schwere Sachen schleppen musst, frag vorher jemanden um Hilfe, okay? Zur Not kannst du auch mich oder einen der anderen rufen!“

„Hai~! Ich hab's verstanden! Du hörst dich ja schon an wie mein Vater!“ Ich musste lachen.

„Du bist ja auch fast noch ein Kind!“ Das war das einzige, das er, verlegen wie er anscheinend war, darauf antwortete.

„So ein Quatsch! Ich werde schon bald 19! So please, don't treat me like a child!

Plötzlich schossen seine Mundwinkel unwillkürlich in die Höhe.

„Hier bei uns ist man aber erst mit 20 volljährig!“

„Aber in Deutschland nicht! Ich könnt sogar heiraten und eine Familie gründen, wenn ich wollte!“ Ich hatte riesigen Spaß mir mit Jin solche Wortgefechte zu liefern. Es fühlte sich so vertraut an. Ich lief ein wenig schneller um ihn zu überholen.

„Was hält dich dann noch davon ab?“ Er grinste mich provozierend an, doch seine Frage irritierte mich ein wenig.

„Ähm... Naja, ich will schon irgendwann eine Familie und Kinder. Man kann ja nie wissen, was das Schicksal so für einen bereithält, nicht?“ Ich drehte mich zu Jin um. Den Ausdruck in Jins Gesicht, der daraufhin folgte, vermochte ich kaum zu definieren.

„Man kann es nie wissen, ja!“, wiederholte er. Kaum hörbar. Seine Augen richteten sich zum Fenster und sie schienen jeden einzelnen Sonnenstrahl, der hereinbrach, aufzufangen und festzuhalten. Sie wirkten auf mich so verloren, als suchten sie etwas, das weit entfernt und unerreichbar für sie wäre. Und trotzdem... hielten sie voller Hoffnung daran fest. Dieser Anblick stimmte mich traurig und doch faszinierte er mich. Noch nie hatte ich so einen Ausdruck bei einem Mann gesehen. Ich fühlte mich so hilflos, wenn ich ihn so sah. Irgendwie wollte ich ihm helfen, doch... ich hatte eigentlich gar nicht das Recht mich einzumischen.
 

Ich beobachtete, wie Jin versuchte seinen Solopart ordentlich zu performen, doch irgendwie schien es ihm noch nicht ganz zu gelingen. Ständig vergaß er seine Choreographie oder vertanzte sich. Die beiden Backgroundtänzer schienen sichtlich amüsiert zu sein.

„Aaaaahhh!“ Jin schrie auf, wütend über sich selbst und rannte genervt Richtung Wand.

Nach einem kurzen Kameracheck wurde sofort noch einmal gedreht.

Diesmal machte er keinen Fehler und trotzdem wollte er die Stelle noch einmal wiederholen. Ich fand es beeindruckend, dass er sich verbessern wollte, obwohl er schon von den bisherigen Takes genug hatte. Er machte weiter, bis er mit sich selbst zufrieden war. Verschwitzt und vollkommen erschöpft stand Jin neben mir, nachdem er endlich fertig war und das Filmmaterial noch einmal gecheckt hatte. Heute trug er, statt einer Sonnenbrille, einen Trilby-Hut. Solche trug er in letzter Zeit immer öfter, wenn ich ihn in der Agentur sah.

„Ich glaube, du warst der Einzige, der so viele Takes gebraucht hat.“ Ich grinste ihn herausfordernd von der Seite an. Er dagegen erhob nur schmunzelnd einen seiner Mundwinkel.

„Heute ist wohl nicht mein Tag! Du hättest es ja auch mal versuchen können!! Mal sehen ob du es besser machen kannst!“, sagte er grinsend, als er mir leicht in den Arm kniff.

„Nee, danke ich passe!! Das haste schon gut gemacht! Ich bin stolz auf dich!“, antwortete ich ihm mit einem strahlenden Lächeln, nachdem ich kurz von ihm zurückwich um weiteren Kniffen zu entkommen. Doch er sah mich allerdings nur weiter ungläubig an.

„Doch, wirklich! Ich mein's ernst!“ Ich stellte mich direkt vor ihn und blickte ihm ehrlich in die Augen. Dies schien ihn aus irgendeinen Grund zu verunsichern und er wich abrupt meinem Blick aus. Daraufhin konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen.
 

„Wooaah! Sugee!“ Sprachlos blickte ich mich in dem gigantischen Raum um. Ach was Raum, das war eine Halle, die unsere neue Location bildete. Fenster gab es keine und die einzige Lichtquelle waren die vielen Scheinwerfer an der Decke. Alles war grau und an den Wänden hingen komische Metallvorrichtungen und künstliche Steinfassaden standen herum. Ich war neugierig. Diese Location war anders, als die vorherige, da diese vorher sehr von CG abhängig war. Hier jedoch wurde der Eindruck einer Umgebung per Hand erstellt. Wasser wurde über den Boden gekippt und Nebel wurde erzeugt. Noch immer waren einige Leute dabei die Requisiten aufzustellen. So viele Menschen wanderten hektisch durch das Studio. Ich musste oft ausweichen um nicht von den Requisiten überfahren zu werden. Ich fühlte mich so hilflos inmitten des Geschehens und glaubte jeder sähe durch mich hindurch, als wäre ich gar nicht hier. Sie waren viel zu beschäftigt um mich wahrzunehmen. Zu gerne hätte ich dem Staff bei der Arbeit zugesehen, jedoch hätte ich nur im Weg herumgestanden. Es war furchtbar kalt hier drin. KAT-TUN und Helfer trugen dicke Jacken um nicht zu frieren, doch leider mussten Erstere diese beim Dreh wieder ausziehen, worum ich sie nicht gerade beneidete. Ich selbst trug meinen warmen, braunen Mantel mit Kunstfell an der Kapuze. Yumiko hatte mich vor einer kalten Location gewarnt.

„Friert ihr?“ Fast schon entsetzt starrte ich Jin und Maru an, als sie mit hochgekrempelten Ärmeln in ihren dünnen Outfits vor mir standen.

„Natürlich, was denkst du? Nur es geht gleich weiter, da bleibt nicht viel Zeit zum Aufwärmen.“ Jins Tonfall klang eindeutig genervt und wenn ich mir seine Arme ansah, die mit Gänsehaut überzogen waren, konnte ich das recht gut nachvollziehen.

„Wenn wir tanzen geht es, aber beim Stehen merkt man's so langsam. Vor allem wenn man schwitzt.“ Auch der Ältere sah schon ziemlich mitgenommen aus. Ich bekam richtig Mitleid mit den Jungs.

„Hey, wie wäre es, wenn ich euch Tee mache?“, fragte ich die unterkühlte Meute vor mir.

„Dann wäre ich der dankbarste Mensch auf der Welt!!“, antwortete plötzlich ein aufgeregter Koki.
 

Ich kam aus dem hinteren Teil des Studios. Wenn man die Halle verließ kam man zu den Aufenthaltsräumen. Ab dort glich alles dem vorherigem Studio: Aufenthaltsräume, Lager und sogar eine kleine Cafeteria mit Küche.

Hey, who are you? You aren't a Japanese!“ Einer der Backgroundtänzer sprach mich plötzlich an, als ich das Tablett mit Tee auf einen Tisch am Rande der Halle stellte. Er war ein Afroamerikaner, und sprach wohl kein Japanisch.

Well, I'm something like a guest, you know? I'm just helping out a little bit. I'm from Germany. My name is Sora Main, nice to meet you.“ Ich wurde ein wenig verlegen. Es überraschte mich, dass er mich so plötzlich angesprochen hatte. Er wirkte sehr nett und ich konnte ein wenig Gesellschaft gebrauchen, da KAT-TUN inzwischen wieder anderweitig beschäftigt waren.

I'm Ray, nice to meet you, Sora. From Germany, for real? That's cool! It must be very hard here in Japan for a young girl like you.

Yeah, it's hard but it's also much fun. I'm happy here although I'm a bit lonley.

Bei ihm machte es mir nichts aus ehrlich zu sein. Er war nur ein Statist, den ich vermutlich nicht wiedersehen würde und ich glaubte auch kaum, dass er den anderen davon erzählen würde. Dafür hatte er keinen Grund. Doch bei ihnen war das anders. Ich wollte, dass keiner von ihnen erfährt, wie ich mich fühlte. Weder Yumiko, noch KAT-TUN. Nee-chan wollte ich keine Sorgen bereiten, sie hatte schon genug Probleme und KAT-TUN ebenso. Ein kleines jammerndes Mädchen war das letzte, dass sie jetzt gebrauchen konnten, vor allem in nächster Zeit. Ein neues Album und ein großes Konzert standen ins Haus, da wäre ich doch nur ein Klotz am Bein. Außerdem war mir das von Anfang an klar gewesen, dass es einsam werden würde. Ich wusste es genau.

Hey, Ray-san! Your turn!“ Jin kam auf einmal zu uns herüber und Ray verabschiedete sich.

„Was ist denn los Akanishi-kun?“ Ich wunderte mich warum er plötzlich herkam.

„Was soll schon sein? Ich hab jetzt Pause!“, antwortete er nur und nahm sich eine Tasse Tee. Irgendwie wirkte sein Tonfall so seltsam gereizt.

„Ach, und die willst du unbedingt bei mir verbringen?“ Ich stieß ihn leicht in die Seite und setzte ein breites Grinsen auf.

„Wah!! Vorsicht, der Tee!! … Nein,... ich hab nun mal gerade nichts besseres zu tun.“

Diese Antwort hatte ich nicht erwartet und ich kam mir irgendwie beleidigt vor.

„Ach so...?“, antwortete ich emotionslos um meinen Ärger nicht zu zeigen.

Weil er nichts besseres zu tun hat? Hallo? Bin ich etwa sein Lückenbüßer?

Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust.

„Stehst du auf solche Typen?“, fragte er mich nach einigen Sekunden. Irritiert blickte ich ihn an. „Hä?? Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Ihr habt euch ja ziemlich gut verstanden... Ich wusste gar nicht, dass du fast fließend Englisch sprichst. Geht ihr demnächst aus?“

„Was soll dieses Gerede? Ich habe mich lediglich mit einem Kollegen Unterhalten.“

„Na, das habe ich gesehen, wie breit du ihn angegrinst hast! “

Ich stellte mich demonstrativ vor ihm hin, die Hände an meine Hüfte gestemmt.

„Moment mal!!! Kannst du mir mal verraten wo genau dein Problem liegt? Spionierst du mir jetzt auch noch hinterher, oder was?“

„Wieso spionieren?? Ich habe nur zufällig gesehen dass DU... ano... “

„Was?“ Ich war für einen kurzen Moment abgelenkt. So wie er „du“ betont hatte, war auffällig.

„Überhaupt, wieso lässt du dich von jedem anquatschen?“, fuhr er fort.

„Was.... So ein Blödsinn!!! Tue ich doch überhaupt nicht!!“

„Tust du wohl! Ich hab doch Augen und Ohren!! Und wie bitte schön nennst du das denn jetzt gerade, wenn nicht einen Flirt?“

Ich glaubte das einfach nicht. Ich starrte ihn ratlos, direkt perplex an. Nichts was er sagte, ergab für mich einen Sinn. Erst anquatschen, dann flirten? Das wird ja alles immer unlogischer!

„Mein Gott, er hat mich lediglich gefragt, wo ich herkomme und ich habe ihm geantwortet. Was hätte ich denn machen sollen, einfach stumm dastehen als hätte ich die Zunge verschluckt? Er ist ein Kollege, verdammt nochmal!“

„Lässt du da nicht eine Kleinigkeit aus? „It must be hard for a young little girl.“ Der Typ hat doch garantiert einen Lolita-Komplex! Und du - „Yeah, I'm a bit lonely.“ Das war ja die reinste Einladung!“ Es war weniger die Tatsache, dass er Ray und mich imitierte, sondern die verächtliche Art, die mich zur Weißglut trieb. Herabwürdigend. Als hätte ich mich wie eine dieser japanischen Püppchen im Café verhalten, was darauf wartete von den Kunden vernascht zu werden. Unfassbar, WIE lächerlich Jin sich gerade verhielt. Wenn ich es nicht gerade selbst mit erleben würde, hätte ich das niemandem geglaubt. Jin Akanishi, der sich an der winzigen Kleinigkeit störte, dass ich mit einem Kollegen ein paar Sätze ausgetauscht hatte.

„Und wie bringst du es überhaupt fertig, ihm zu sagen, dass du hier einsam bist? He's a total stranger! So was, kannst du mir oder den anderen anvertrauen! Vertraust du uns so wenig? Ich dachte, du und ich... wir wären, wir würden- wir wären Freunde!“

„Das kann ich aber nicht!!! DU bist für mich nicht nur ein Freund!!“

Jin starrte mich mit offenen Mund an, als hätten ihm meine Worte einen Schlag versetzt.

Verdammt!!! Das war mir einfach herausgerutscht! Mein verdammtes Temperament, das ich nicht zügeln konnte. Mein Kopf war leer. Seine kindischen Vorwürfe, sein verurteilender Blick... Er hatte mich so sehr in die Ecke gedrängt, dass ich ihm die Wahrheit an den Kopf geworfen hatte. War das denn die Wahrheit? Nein, ich konnte es nicht mehr bestreiten! Ich konnte nicht verleugnen, was so offensichtlich war. In dem Moment, wo die Worte meine Lippen verließen, wusste ich, dass es die Wahrheit war. Jin war nicht nur ein Freund. Er war viel mehr für mich. Mehr als ich mir jemals eingestehen wollte. Deswegen war er der letzte, dem ich sagen würde, dass ich einsam war. Diese Schwäche konnte ich ihm gegenüber nicht zugeben. Diese Erkenntnis tat weh und erschreckte mich zutiefst.
 

„Akanishi-san!“ Der Ruf des Direktors rettete uns aus dieser peinlichen Situation. Jin schreckte auf, als wäre er aus einer Trance erwacht.

Hai...“, reagierte er lahm und wendete sich langsam von mir ab ohne seinen Blick von mir zu nehmen. Ich selbst konnte mich nicht rühren und sah ihn immer noch wortlos an.

Er streckte die Hand plötzlich nach mir aus, als wollte er mich berühren. Er wollte nicht gehen, das war ihm anzusehen. Schließlich riss ich mich als erste los und stürmte davon, irgendwohin, wo ich alleine sein konnte.
 

Wie war es so weit gekommen? Ich hatte ihn jahrelang verehrt - als Idol, aber das hier war etwas anderes.

WAS ist er überhaupt für mich? Er ist mehr als ein Freund, dessen bin ich mir bewusst,... aber ist das Liebe? Woher konnte ich wissen, ob es Liebe war? Und wieso quälte mich diese Frage so sehr?

Ich saß in der Mädchentoilette und kauerte mich in der Kabine auf den Boden. Ich weinte nicht. Warum wusste ich auch nicht, dabei hätte ich es am liebsten getan. Elend genug fühlte ich mich dafür. Es hätte sowieso keiner mitbekommen. Hier wäre niemand hereingekommen, dafür gab es am Set zu wenige Frauen. Yumiko war auch beschäftigt. Sie war schnell hinüber in die Agentur gefahren, um einige juristische Angelegenheiten zu klären. Wenn doch nur Shirley hier wäre... Mit ihr könnte ich wenigstens reden., seufzte ich in Gedanken.

Ich blieb eine Weile dort sitzen. Keine Ahnung wie lange. Ob sie mich suchen? Heh!... Ob ER mich wohl sucht? ... Verdammt!!! Ich denke zu viel über ihn nach!! Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte an die weiße Decke ohne diese dabei anzusehen und versuchte den Himmel durch den dicken, kalten Beton zu erkennen. Ich wünschte es wäre mir gelungen. So was albernes ich verstecke mich auf der Toilette!!! Wie alt bin ich? Zehn?

„Tse..!!" In diesem Moment ärgerte ich mich furchtbar über mich selbst.
 

Ich war müde. Genau wie die letzten Tage musste ich auch heute wieder früh raus.

Wieder am Set versuchte ich Jin aus dem Weg zu gehen um ja nicht noch einmal in so eine peinliche Situation zu kommen, wie am Tag zuvor. Aus irgendeinem Grund hatte er auch bisher nicht weiter nachgehakt. Und ich hoffte, das würde er auch in Zukunft nicht.

Ich Idiot!!! Ich hab ihm ja fast schon eine Liebeserklärung auf den Tisch gelegt... Gott, was ist nur los mit mir?? Wie komme ich da nun wieder raus? Nervös tippte ich mit den Fingern auf meinen Arm herum, während ich abseits dem Dreh aus sicherer Entfernung weiter zuschaute.

„War irgendwas als ich weg war?“ Ich zuckte zusammen, als ich Yumikos hohe Stimme neben mir hörte.

„Hey, Nee-chan! Meinst du gestern? Ano... nichts bestimmtes eigentlich, wieso?“

Sie sah mich stutzig an: „Die Atmosphäre ist heute ziemlich angespannt, merke ich.", sagte sie schließlich.

„Ach wirklich? Wie kommst du denn darauf?"

„Weil Akanishi-kun ständig so merkwürdig herüberschaut.", antwortete sie mit einem Tonfall voller Selbstverständlichkeit. Sofort blickte ich in genannte Richtung. Jedoch war Jin schon nicht mehr da. Er stand nun wieder bei den anderen und drehte uns den Rücken zu. Das Pochen in meiner Brust wollte daraufhin nicht mehr verstummen. Hab ich mich erschreckt!! Ich atmete tief ein, versuchte normal zu wirken und wandte mich wieder Nee-chan zu.

„Der Junge sollte lieber arbeiten, anstatt nach dir zu sehen. Nimm es mir nicht übel. Ich finde es gut, dass die Jungs sich um dich kümmern, aber sie sollten dadurch ihren Job nicht vernachlässigen, verstehst du?“

„Hai!“, antwortete ich ohne ihr in die Augen zu sehen.
 

„Sora-chan!!" Ich drehte mich um, als Kame nach mir rief.

„Ja, was ist?"

„Jin hat dich gesucht! Geh besser mal zu ihm, es schien wichtig zu sein! Ich glaub er ist jetzt gerade noch in der Maske."

Na das hat mir gerade noch gefehlt. Als ob nicht schon genug Chaos in meinem Kopf herrscht! Ihn konnte ich jetzt ganz bestimmt nicht in meinem Wirrwarr namens Gehirn gebrauchen.

Gomen, ich kann gerade nicht. Ich wollte euch Tee machen. Später dann, ja?" Und damit wandte ich mich von ihm ab, begab mich blitzschnell auf dem Weg zur Küche und ließ einen ratlosen Kamenashi zurück. Das tat mir zwar Leid, doch ich wollte ihm keine Gelegenheit bieten mich zu Jin bringen zu können. Kame war sehr verantwortungsbewusst. Und wenn es etwas Wichtiges war, hätte er mich vermutlich so lange versucht zu überreden bis ich nachgegeben hätte. Das Schlimme war ja noch, dass man ihm nichts abschlagen konnte.
 

Nun stand ich wieder in der Küche und musste den versprochenen Tee kochen. Das machte mir überhaupt nichts aus. Im Gegensatz zu der Schlepperei der letzten Tage war das eine angenehme Abwechslung. Meine Hand, die immer noch verbunden war, schmerzte auch kaum noch. Sie hatte sich wohl dank Jins Fürsorge ziemlich gut erholt. Verträumt starrte ich sie an. Ich hatte ganz vergessen den Verband noch mal zu wechseln. Es war noch immer der gleiche, den er mir angelegt hatte... Das Piepsen des Wasserkochers holte mich schlagartig aus meinen Gedanken zurück auf den Boden. Verdammt!! Schon wieder denke ich an ihn!! ... Hmm... Ich glaube ich fluche in letzter Zeit zu viel..., seufzte ich, kippte das kochende Wasser in eine Kanne und setzte die Teebeutel in das heiße Bad. „Zehn Minuten warten.", sprach ich vor mich hin. Auch wenn die Haupthalle, in der der Dreh stattfand, hinter einigen Metern Beton lag, so konnte man trotzdem die dumpfe Musik aus den Lautsprechern hören, welche bis zum letzten Winkel des Studios dröhnte. Jedoch konnte man die Melodie längst nicht mehr identifizieren. Doch ich ging davon aus, dass immer noch "Rescue" lief. Ständig, den ganzen Tag hoch und runter.
 

„Ach hier bist du!" Ich stieß einen leichten Seufzer aus, als ich Jins Stimme hinter mir hörte. Irgendwie hatte ich schon mit ihm gerechnet. Nur war dieser gelassener, als ich dachte. Hatte er sich denn keine Gedanken gemacht?

„Ja, hier bin ich und mache Tee, siehste ja!" Mist, das klang jetzt zickiger als beabsichtigt!

Das schien ihm anscheinend nicht sehr zu kümmern und er fuhr fort: „Wollen wir die Sache nicht langsam mal klären? Ich will nicht, dass du mir aus dem Weg gehst!"

„Tut mir Leid, aber ich vertraue euch ja nicht, wie du sagtest! Also wäre es doch recht unangebracht die ganze Zeit an deiner Seite zu kleben, oder?" Dreck!! So langsam werde ich wirklich zu zickig!!, ermahnte ich mich selbst, doch meine aufkeimende Wut ließ sich schlecht zügeln.

Er stand nur weiter scheinbar ungerührt da. Seine Gelassenheit irritierte mich so sehr, dass ich unsicher wurde. Ich dachte er wäre noch immer wütend? Er lehnte sich an die Arbeitsplatte, presste seine Lippen zusammen und ließ seine Augen scheinbar den Boden nach Worten absuchen.

„So war das nicht direkt gemeint! Ich war nur sauer, dass du mir... uns nicht erzählst, wenn es dir nicht gut geht. So wie damals, als du am Telefon geweint hast..." Das war ein Schlag ins Gesicht. Ein heftiger. Ich sah zu Boden und versuchte meinen Körper zur Selbstbeherrschung zu zwingen.

„Ich habe nicht geweint!", sagte ich schließlich mit gezwungen, ruhiger Stimme.

„Aber du-"

„Ich habe nicht geweint!!!!" Das schrie ich ihm nun mitten ins Gesicht. Weg war die Selbstbeherrschung. Wieso musste er ausgerechnet dort bohren, wo schon ein Loch war und die Fassade zu bröckeln begann?

„Wenn du ein kleines heulendes Mädchen sehen willst, das kannst du vergessen!! Ich bin einsam, ja und? Ich bin tausende von Kilometer von meiner Heimat entfernt, da habe ich wohl Grund zu weinen, aber das muss doch nicht gleich jeder mitkriegen. Mitleid brauch ich keins!"

Jins Augen weiteten sich unter seinem Hut, der fast sein halbes Gesicht verdeckte. Mir war noch unklar wieso er mich so ansah, bis mir bewusst wurde was ich gerade gesagt hatte. Oh, nein! Ich drehte mich sofort um und wendete ihm den Rücken zu. Verdammt!! Verdammt!! Verdammt!! Jin sagte nichts. Vorsichtig versuchte ich einen Blick auf sein Gesicht zu werfen, um eine Reaktion erkennen zu können. Eine, die ich nicht erwartet hatte und meinen Ärger in Luft auflöste. Er lächelte... sanft und verständnisvoll.

„Schön, dass du es mir gesagt hast.“, sagte er.

Ich war verwirrt. Erleichtert und auch irgendwie glücklich,... aber verwirrt.

Zögerlich fragte ich ihn: „Also... ist es in Ordnung? Du bist nicht mehr sauer oder enttäuscht von mir?“ Er lächelte erneut und sah mich mit seinen dunklen Augen an.

„Nein...! Immerhin vertraust du mir jetzt!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-04-19T23:22:43+00:00 20.04.2009 01:22
Loved it!
Wieder mal sehr gut
Aber ich sollte jetzt ins bett ich muss um 5 wieder aufstehen -.- Uni und so >-<
Mach weiter so
Mir gefällt die story sehr.


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