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Wüstentochter

Der Weg einer Sklavin
von

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Buch I - Teil 1

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«⌘Buch I - Teil 1⌘»
 

Der Rauch brannte in ihren Lungen, ihre Augen tränten. Schwarz hob sich die riesige Rauchwolke gegen den blauen Horizont ab und verschluckte die Reste des Dorfes mit ihrem undurchdringlichen Qualm. Die Kriegsrufe der Sklavenhändler und das Schreien der Bewohner hatten aufgehört.

Zara versuchte verzweifelt die Tränen zurück zu drängen, die in ihren Augen aufstiegen als sie sich noch einmal umdrehte, um einen letzten Blick auf ihre geliebte Heimat zu werfen. Mit allem an Willenskraft, die sie noch aufbringen konnte, hielt sie ihre Tränen tatsächlich zurück. Ihren Peinigern wollte sie den Schmerz, die unendliche Trauer, nicht zeigen, die sind in ihr ausgelöst hatten. Noch viel weniger wollte sie ihre Angst vor der ungewissen Zukunft, die ihnen nun bevorstand zeigen, diese Angst überhaupt wahrhaben.

Doch dieser Blick zurück, zwang ihre Gedanken zurück zu gehen. Zurück zu ihrer Mutter, die nun nicht mehr für sie da sein konnte, sich nie wieder um sie kümmern konnte oder sie beschützen. Denn auch sie lag nun kalt und tot auf dem blutgetränkten Boden des Dorfes, dass sie so sehr geliebt hatte, und würde mit ihm im Sand verschwinden.

Maraja legte Zara eine Hand auf den Arm und sah sie stumm an. Sie weinte, lautlos. Ihre Augen schwammen in Tränen und ihre Hand zitterte wie Espenlaub, doch kein Laut drang über ihre bleichen Lippen. Die Erkenntnis, dass fast alle Familienangehörigen und Freunde der Mädchen den Angreifern zum Opfer gefallen waren, von den Alten bis hin zu Marajas jüngstem Bruder, der nicht einmal sein drittes Lebensjahr erreichen durfte, breitete sich immer weiter aus und nahm ihnen die Luft zum Atmen.

Es war ein grausames Spiel, welches das Leben wieder spielte und sie hatten verloren. Alles.
 


 

Zara und Maraja waren zwei von neun jungen Mädchen, die aus Kelan noch am Leben waren. Ihnen war ein Schicksal als Sklavinnen bestimmt. In Silah, der Stadt der Nairi Fürsten, sollten sie in wenigen Tagen auf dem Sklavenmarkt verkauft werden. Das hatten sie aus den Gesprächen ihrer Entführer erfahren.

„Weiter gehen!“, brüllte einer der Männer, als er bemerkte, dass Zara und Maraja inne hielten, um zu ihrem Dorf zurück zusehen. Er schwang seine Lederpeitsche hoch über dem Kopf, als Drohung ohne sie jedoch tatsächlich niedersausen zu lassen, denn die Mädchen stolperten schnell weiter als ein kräftiger Ruck durch das Seil ging, das um ihre Handgelenke befestigt war.

Sie wussten in diesem Moment, dass es nur ein kleiner Ausblick auf die Grausamkeiten war, die noch auf sie warten konnten.
 


 

Nach mehreren Stunden Marsch durch den heißen Sand unter der gleißenden Wüstensonne wurde ein Lager aufgeschlagen. Vor Erschöpfung der Ohnmacht nah wurden Zara, Maraja und die anderen Mädchen in einem schnell aufgebauten Zelt untergebracht, dass von zwei Männern bewacht wurde, die mit Peitschen und Säbeln bewaffnet waren, damit die Frauen nicht auf die Idee kamen zu fliehen.

Die ließen sich jedoch nur noch erschöpft auf dem Boden nieder. Keine hatte mehr die Kraft einen Fluchtversuch zu versuchen, auch wenn alles in ihnen danach schrie. Doch auch jeder Versuch mitten in der Wüste ihren Häschern zu entkommen war aussichtslos. Man würde sie sofort einholen und wieder gefangen nehmen. Und zusätzlich eine harte Strafe über sie verhängen.

Und wo hätten sie auch hingehen sollen? Ihr Dorf gab es nun nicht mehr. Es gab nur den Weg in eine Zukunft, die sie nicht selber bestimmen konnten.

Keines der Mädchen sprach, sie warfen sich nur stumme Blicke zu, die von ihrer Trauer, Verzweiflung und Angst zeugten. Keine hatte mehr viel Hoffnung in den Augen, denn dem Schicksal, das ihnen bevorstand konnten sie nicht entfliehen. Sie konnten nur beten, dass sie zu keinen besonders grausamen Herrn oder sogar eine gütige Herrin kamen, jemand der sie wenigstens gut und gerecht behandeln würde.

Dass die meisten von ihnen dieses Glück nicht haben würde, wussten sie. Sklaven standen auf der untersten Stufe der Gesellschaft, wenn nicht sogar darunter. Sie waren nicht viel mehr Wert als Tiere und mussten für die kleinsten Vergehen mit grausamen Strafen rechnen. Und die meisten blieben bis zu ihrem Tod im Dienste eines Herren oder einer Herrin, die über sie bestimmten und verfügten, wie es ihnen beliebte.
 

Nach geraumer Zeit betrat ein großer, breitschultriger Mann in einem weißen Gewand den Innenraum des Zeltes und stellte einen Topf mit Couscous vor die Mädchen auf den Boden.

„Euer Essen“, sagte er mit emotionsloser Stimme und verließ das Zelt wieder. Sofort stürzten sich die Mädchen auf die Schüssel und begannen hungrig zu essen.

Der Mann kam noch einmal kurz herein und gab ihnen auch Wasser, das sie durstig tranken bevor er Topf und Feldflasche wieder hinaus trug.

Die Mädchen legten sich nachdem er gegangen war in der Mitte des Zeltes zum schlafen nieder. Man hatte ihnen sogar einige, alte Decke hingelegt in die sie sich zusammen einwickelten. Eng lagen sie aneinander, um die Kälte der Nacht zu vertreiben und auch, um sich gegenseitig wenigstens ein wenig Trost zu spenden.
 

Es war schon später Vormittag und sie hatte den ganzen Morgen an der neuen Satteldecke für ihren Vater genäht, als es draußen unruhig wurde. Zuerst war da nur das Getrappel von vielen Pferdehufen, die über den trockenen Boden klapperte und erfreut lief sie vor die Tür. Das konnten nur ihr Vater und die Anderen sein, die mit der großen Herde unterwegs gewesen waren! Doch dann hörte sie die Schreie – Das Gebrüll von Kriegern, von Angreifern.

Panisch starrte sie dorthin wo die Schreie herkamen und sah eine Gruppe von vermummten Reitern, die in halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Gassen jagten und Fackeln auf die Dächer der Häuser warfen. In ihren Händen glänzten gezogene Säbel silbern im Sonnenlicht.

Und dann holte der Erste aus und erschlug einen Greis der mit schreckgeweiteten Augen vor seiner Hütte stand.

Ein erschrockener Schrei entrang sich ihrer Kehle und sie versuchte zu rennen, doch ihre Beine wollten ihr nicht mehr gehorchen. Um sie herum rannten die Menschen. Die Menschen die sie kannte und liebte auf der Flucht vor den Männern, die ohne Gnade einen nach dem Anderen mit ihren Waffen nieder streckten. Sie machten keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, Kind und Greis.

Vor ihren Augen wurde ein kleines Mädchen von den mächtigen Hufen der Rösser zu Tode getrampelt.

Sie hörte das Schreien – Angst und Hilflosigkeit war darin. Es schmerzte in den Ohren und noch immer konnte sie sich nicht bewegen. Ein Reiter hielt auf sie zu, doch sie wurde zur Seite gerissen.

Aus ihrer Versteinerung erwacht sah sie in das verstörte Gesicht ihrer Mutter. „Sie werden jeden töten. Ve...“

Hilflos schrie sie. „Mutter!“ Doch die Augen ihrer Mutter waren bereits leer, als sie nach ihr rief.

Plötzlich stand der kleine Marrik neben ihr stand und sie mit Tränen in den Augen ansah griff sie nach dem Kind und zerrte es von der Straße in eine Hütte.

Als die Hände nach ihr griffen, versuchte sie ihn noch fortzuschicken doch er klammerte sich an sie und auf einmal waren seine Augen leer. Sie sah das Blut an der Klinge des Mannes und sie schlug auf ihn ein, doch in ihrer Wut war es ein Leichtes für ihn sie in Schach zu halten und schließlich mit einem gezielten Schlag kampfunfähig zumachen. Für einen Moment sah sie Sterne vor ihren Augen glitzern, dann wurde alles Schwarz...
 

Mit einem Schrei fuhr Zara aus dem Schlaf – vor sich noch das Bild leerer, schreckgeweiteter Augen.

Immer noch schlichen die schrecklichen Traumbilder durch ihren Geist, als sie sich im Zelt umsah.

Die Männer, die im Dorf waren hatten noch versucht den Angreifern entgegenzutreten, doch sie wurden einer nach dem anderen niedergeschlagen, niedergemacht. Keiner von ihnen war Krieger. Kelan war ein friedliches Dorf, das von der Pferdezucht lebte und sich immer aus Auseinandersetzungen herausgehalten hatte. Die Bewohner waren weit bekannt für ihre ausdauernden, genügsamen Tiere gewesen und man hatte sie mit Respekt behandelt. Jeder von ihnen hatte sich stolz gereckt, wenn er von Kelan sprach und die Anerkennung in den Augen der Menschen gesehen hatte.

Doch nun würde keiner mehr darüber reden, keiner mehr stolz auf sein Dorf sein, denn Kelan brannte. Und es hatte niemals eine reelle Chance bestanden zu siegen und das Dorf vor dem Untergang zu bewahren. Schon bald würde Kelan, wie schon so viele andere Dörfer davor, der Geschichte angehören. Ein vergessenes Stück Menschheit, das zusammen mit seinen Bewohner unter dem ewigen, alles verschlingenden Sand der Wüste verschwinden würde.

Stumm starrte Zara an die Decke, während Tränen ihre Wangen benetzten bis sie vor Erschöpfung wieder in einen dieses Mal tiefen, Traumlosen Schlaf fiel.
 


 

Am Morgen wurden sie unsanft mit Tritten geweckt. Mit Gefluche jagte einer der Männer sie aus dem Zelt und hinaus in die Sonne. In der Nacht war eine Karawane eingetroffen. Gut vier Dutzend zum Teil schwer bepackter Kamele und fünfzehn Treiber hatten sich vor den Zelten versammelt.

Den Mädchen wurden wieder die Hände gefesselt. Schmerzhaft schürften die groben Seile ihre Haut auf und schnitten ihnen in die Handgelenke. Nachdem die Zelte abgebrochen und verstaut waren wurden sie immer zu Zweit auf ein Kamel gesetzt, die Hände an den Sattel gefesselt.

„Damit unsere wertvolle Ware nicht herunter fallen kann und wir dadurch um unser Gold geprellt werden!“, rief einer der Männer lachend und seine Kameraden grinsten. „Es wäre doch schade, wenn wir durch einen unglückseligen Sturz schlechte Geschäfte machen würden!“

Danach hob er die Hand und schwang sich auf sein Pferd. Das Zeichen zum Aufbruch. Behäbig erhoben sich die Kamele mit einem lauten Röhren aus der Tiefe ihres Schlundes, als ihre Treiber sie mit Rufen dazu aufforderten sich zu bewegen. Sie wurden in eine Reihe getrieben und schon waren sie unterwegs.
 

Der sanfte, wiegende Gang des Kamels ließ Zara bald schläfrig die Augen schließen und vor sich hin dösen. Ihr war heiß, sie hatte Durst und die Sonne brannte ununterbrochen auf ihren ungeschützten Kopf herunter, da sie kein Kopftuch mehr hatte, das sie auch nur im Geringsten vor den sengenden Strahlen schützen konnte. Ihres musste bei dem Überfall am Tag zuvor irgendwann zu Boden gefallen sein und sie es nicht einmal mehr bemerkt. Irgendwann wurde ihr schwummerig und sie hatte das Gefühl das Bewusstsein zu verlieren. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und die Sonne blendete sie unaufhörlich, sodass sie ihre Augen schließen musste, um sich wieder zu sammeln. Ihr Kopf wippte leicht vor und zurück, während sie weiter durch die Dünen getragen wurde. In ihrem Dämmerzustand verblieb sie bis Stimmen ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen.

„Die Kleine hier wird uns eine Menge Goldstücke einbringen. Sieh dir mal ihre hellen Augen an. Sie sind außergewöhnlich. Von der Farbe des Himmels. Und sie ist noch dazu sehr jung und eine kleine Schönheit“, sagte ein Mann mit einem braunen Bart, der neben den Kamelen ritt.

Ein anderer nickte zustimmend und meinte: „Ja, da hast du Recht, mein Freund! Am liebsten würde ich sie selber behalten, um mein Bett zu wärmen.“ Sie lachten heiser und schallend.

Zara zuckte erschrocken zusammen, als sie den letzten Satz hörte, führte er ihr doch nur allzu sehr vor Augen, was sie erwarten würde. Sie krallte ihre Finger in den Sattel und eine einzelne Träne floss unter ihrem Augenlid hervor.
 


 

Nach zwei Tagen eintöniger Reise durch die brütende Hitze der Nairi Wüste erreichten sie schließlich Silah. In der Stadt der Nairi Fürsten war es war laut, staubig und stickig. Unter den Baldachinen des Basars liefen Männer, Frauen und Kinder eilig von einem Ende zum anderen des Marktes und wieder hier hin und dorthin. Hier und dort schnatterten Frauen mit bunten Kopftüchern aufgeregt miteinander, Männer feilschten um Ware und dunkelhäutige Sklaven trugen prall gefüllte Körbe auf ihren nackten Schultern durch die Straßen.

Dazwischen schlängelten sich Bettelkinder, Hunde und Ziegen, Schafe und Hühner durch die Menge auf der Suche nach etwas Essbarem und Wasser. Die kleinen, schmutzigen Kinder liefen den wohlhabend gekleideten Menschen hinterher und flehten um ein paar Kupfermünzen, versuchten ihnen Kleinigkeiten zu verkaufen und duckten sich dann, wenn sie nichts bekamen, geschickt unter den Stockhieben der Leibwachen hinweg und tauchten wieder in der Menge unter.
 

Die Sklavenhändler mieteten sich eines der hölzernen Podeste, die auf einem Platz im „Sklavenviertel“, dem Teil des Marktes wo die Sklavenkäufe und –verkäufe getätigt wurden, aufgebaut waren. Um sie herum handelten und feilschten schon viele Händler mit Interessierten Kunden oder untereinander.

Ausgestellt auf den Podesten warteten die Sklaven auf ihren Verkauf. Alles war zu sehen. Frauen, Männer, Kinder. Frauen und Männer mit hellblonden Haaren, blauen Augen und blasser Haut aus dem hohen Norden und dunkelhäutige Kinder, die mit Fußketten aneinander gefesselt waren. Weinende Gesichter, emotionslose Gesichter, verängstigte Gesichter. Nur eines war ihnen gemeinsam: Alle sahen mit derselben Ungewissheit ihrer Zukunft entgegen wie die jungen Mädchen aus Kelan.

Von ihren Entführern auf das Podest hinauf gescheucht, wurden den Mädchen ihre Tücher vom Kopf heruntergerissen und sie wurden laut schreiend von den Händlern angepriesen.

„Seht euch diese Schönheiten aus der Wüste an. Ja, kommt nur her und seht sie euch an!“, rief einer der Männer und winkte mit den Händen die Leute heran. „Dunkle Haare und honigfarbene Haut. Seht euch diese Mädchen an.“

Viele kamen und besahen sich die Mädchen, neugierig auf die neue Ware. Die meisten kamen nicht um ernsthaft einen Kauf in Erwägung zu ziehen, sondern nur um zu sehen was die Händler heute zu bieten hatten.

Zara versuchte die vielen gaffenden Blicke zu ignorieren, doch sie kam nicht umhin sich tatsächlich wie die Ware zu fühlen, die sie in den Augen dieser Menschen war. Ein Gegenstand, den man kaufen konnte, den man besitzen konnte, wenn man nur genug Münzen auf den Tisch legte.

Sie trat der Demütigung mit all dem Stolz entgegen, den sie aufbringen konnte und der noch da war. Sie versuchte es und fast bildete sie sich ein es zu schaffen. Ihr Blick war auf einen Punkt in der weiten Ferne gerichtet, das Kinn stolz nach vorne geschoben, wie es eigentlich gar nicht ihre Art war. Doch dies war der einzige Weg mit dieser Hölle in irgendeiner denkbaren Weise zu Recht zukommen. Nicht sofort daran zu Grunde zu gehen. Immer auf diesen weitentfernten Punkt konzentriert bemerkte sie den Mann erst, als er mit herrischer Stimme vor dem Podest erklärte: „Zeig mir das Mädchen mit den blauen Augen!“ Sie streifte ihn mit einem kurzen Blick. Er war breitschultrig, sein Haar graumeliert und er war in vornehme Gewänder gehüllt. Er betrachtete sie mit einem abschätzigen, doch eingehenden Blick.

Der Händler kam seinem Wunsch sogleich nach. „Natürlich, mein Herr“, flötete er und gab seinem Handlanger einen Wink.

Dieser brachte Zara vor den reichen Herrn, dessen schwarze Augen wanderten unentwegt über ihren zierlichen Körper. Angewidert biss Zara sich auf die Lippen und hielt den Atem an.

Der Sklavenhändler, wurde durch das lange Schweigen seines Kunden sichtlich nervös und begann Zara anzupreisen, um den Mann zu überzeugen das Mädchen zu kaufen. „Sie eignet sich für alles. Sie kann arbeiten. Was immer ihr wollt, mein Herr, wenn ihr versteht was ich meine!“, pries er und warf dem Kunden ein vertrauliches Lächeln zu. Dieser nickte einmal kurz und machte mit der Hand ein Zeichen in Richtung seines Dieners, der stillschweigend neben ihm stand. Dieser ging die zwei Schritte, die ihn von dem Mädchen trennten auf sie zu und blieb dann vor ihr stehen. Seine Miene war völlig emotionslos, keine Regung war zuerkenne, als er den Stoff ihres Kleides packte und mit einem harten Ruck daran zog, sodass er mit einem schrecklichen Geräusch zerriss und von ihren Schultern glitt.

Entsetzt und fassungslos starrte Zara ihr Gegenüber an, doch sie bekam keine Reaktion. Der Mann hatte noch immer keine Miene verzogen, doch auch seine Augen streiften ihren Körper nun interessiert.

Zara versuchte sofort ihre Blöße mit den Händen zu verdecken, doch der Händler zog grob an dem Strick, der um ihre Handgelenke geschnürt war und hinderte sie daran.

Scham stieg in ihr auf, als die Männer um sie herum sie genau musterten. Dutzende von Augenpaaren brannten auf ihrer Haut. Wie konnte man einem anderen solch eine Demütigung antun ohne mit der Wimper zu zucken? Warum musste ausgerechnet sie es über sich ergehen lassen? Warum? Warum? Warum?

Die kalte Stimme ertönte erneut: „Was wollt ihr für sie haben?“ „100 Goldstücke, mein Herr. Seht nur ihre Schönheit und diese blauen Augen. Außergewöhnlich, wenn ihr erlaubt, dass ich dies anmerke! Und die seidigen Haare von der Farbe der Nacht“, plapperte der Händler aufgeregt drauflos und rieb sich die Hände. Die herrische Stimme sagte: „Rede nicht so viel. Ich gebe dir 80 Goldstücke. Kein Einziges mehr.“ Eifrig nickte der Händler seinem Kunden zu und der Diener des Mannes übergab den ausgehandelten Preis in einem Lederbeutel indem das metallene Klirren der Münzen zu hören war.

Zara wurde ein weiteres Mal ein Stück zur Seite gezerrt und der Strick, ihr Strick, wurde dem Diener übergeben, der an der Seite seines, nun auch ihres Herrn stand. Gezwungenermaßen folgte sie diesem Mann stolpernd durch die Menge.

Als sie das Ende des Marktplatzes erreicht hatte, drehte die Schwarzhaarige sich noch einmal um. Sie blickte ein letztes Mal zu ihrer besten Freundin Maraja, die immer noch auf dem Podest zur Schau gestellt wurde und die sie niemals wieder sehen würde.
 


 

„Du hast zu tun, was man dir befielt. Egal was es ist. Hast du das verstanden?“ Eine Frau mit streng zurück gekämmten Haaren zog Zara gerade in ein Badezimmer.

Dieses Bad verblüffte das junge Mädchen so sehr, dass sie die Frage nicht bejahte, obwohl sie so oder so rhetorisch gemeint war. Es gab kein Ja, kein Nein mehr. Nur noch Gehorsam. Bedingungslos. Doch in diesem Moment war das Bad von größerem Interesse für sie. Sie ertrug ihre eigenen Gedanken nicht mehr und so hatte sie sich in der letzten Woche alles was sie sah bis ins Detail eingeprägt nur um nicht zu denken. So auch hier. Das Bad – es war gekachelt. Alles war in weiß gehalten und eine flache, runde Wanne, in der bereits Wasser war, befand sich in einer Vertiefung in den Boden eingelassen. Alles wirkte in Zaras Augen viel zu wertvoll und prächtig.

Als sie nicht auf die Aufforderungen reagierte, wurde Zara von einer jungen Frau aus ihren Sachen geschält. „Heute werde ich dir dies noch nachsehen, doch du solltest in Zukunft besser hören!“, sagte Marian, die Frau mit dem strengen Haarknoten nicht unbedingt unfreundlich. In ihren Augen stand Mitgefühl für die Neue und ein Funkeln, dass man als mütterliche Wärme deuten konnte.

Zara nickte nach dieser Schelte eilig und Marian winkte mit der Hand. Daraufhin wurde Zara in die Wanne geschoben und die junge Frau, die sie eben schon ausgekleidet hatte, begann sie zu waschen.

Es war ihr unangenehm von der anderen Frau berührt zu werden, doch Zara ließ es widerstandslos über sich ergehen. Sie war einfach zu müde und abgekämpft von der langen Reise und all den neuen Eindrücken, die auf sie eingestürzten. Auch die unvermeidbare Hoffnungslosigkeit und tiefe Angst, die nach ihrem Herzen griffen, trugen ihren Teil zu ihrer Ermüdung bei. Erschrocken besah sie ihr Gesicht im Spiegel, während ihre Haare gebürstet wurden bis sie schließlich in ein einfaches blaues Gewand gesteckt wurde, dass sich in sanften Wellen um ihren Körper legte und bis zu den Füßen reichte. Die Frau reichte ihr zwei Ledersandalen, die um die Fußknöchel geschnürt waren und bei denen es ihr erst nach zwei versuchen gelang sie sicher zu befestigen.

„Der Herr legt großen Wert auf Sauberkeit und wünscht, dass alle seine Sklaven vernünftig gekleidet sind. Hast du das verstanden, Mädchen?“, fragte Marian sie ernst und wieder nickte Zara. Marian hatte sie zu Beginn nach ihrem Namen gefragt, doch bisher hatte sie sich nicht die Mühe gemacht ihn auch zu benutzen. Zara fühlte sich einsamer als jemals zuvor in ihrem Leben, als sie sich bewusst wurde, dass sie nun ein Niemand war. Ein Niemand. Eine Nichtigkeit. Keiner würde sich mehr für ihre Probleme, Träume und Wünsche interessieren. Vielleicht nie wieder?
 

„Wie heißt du?“, fragte da eine sanfte, melodische Stimme überraschend. Es war als ob ihre Gedanken gelesen worden wären und das schwarzhaarige Mädchen sah erstaunt auf.

Die junge Frau, die sie gewaschen und angekleidet hatte, sah sie fragend und erwartungsvoll an. Ihre braunen Augen blitzten unter den braunen Haarsträhnen, die in ihre Stirn hingen, freundlich hervor. Sie lächelte und sagte dann: „Ich bin Shaina.“

„Mein Name ist Zara“, murmelte die Gefragte schließlich und Shaina nickte zufrieden. Sie lächelte wieder und strich sich eine Strähne ihres Haares aus der Stirn. „Komm. Ich werde dir einige unserer Aufgaben zeigen und erklären.“

Sie führt die Jüngere aus dem Badezimmer bis in eine große, geräumige und sehr geschäftige Küche. Männer und Frauen liefen eifrig herum, brachten Sachen von einem Ort zum anderen, kochten und riefen sich Sachen in einem Dialekt zu, den Zara kaum verstand.

„Komm, Zara, du kannst mir helfen dieses Gemüse zu schälen.“ Shaina winkte die Schwarzhaarige zielstrebig auf zwei kleine Schemel zu, vor denen sich Berge an Gemüse auf türmten.

Zara bekam große Augen. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass es so viele verschiedene Arten von Gemüse gab. Shaina zeigte ihr geduldig, wie sie die verschiedenen Knollen und Pflanzen zu schälen und zu scheiden hatte.

Sie waren schon eine Weile still am arbeiten gewesen, als plötzlich die Küchentür aufging und eine junge Frau von vielleicht achtzehn Jahren eintrat.

Sie hielt ihr zerrissenes Kleid um ihre Körper gewickelt und bewegte sich so, als ob sie unter großen Schmerzen litt, wie Zara sofort erschrocken feststellte. Ihre braun-blonden Haare waren zerzaust und hatten sich aus dem langen Zopf gelöst, der noch in Ansätzen über ihre Schulter hing.

Sofort eilten Shaina und eine andere Frau auf das Mädchen zu und brachten sie in einen Nebenraum. Zara vernahm kurz darauf ihr leises Schluchzen.

Erstarrt sah Zara auf die Tür, die den Nebenraum abgrenzte. Was war passiert? Panik befiel sie, ohne das sie es verhindern konnte und eine Gänsehaut überzog ihren zierlichen Körper. Sie bemerkte wie ihre Hände kaum merklich zitterten, während sie versuchte weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen.

Nach einiger Zeit verebbte das Schluchzen, welchem sie angespannt gelauscht hatte, letztendlich und Shaina und die andere Frau kamen wieder in die Küche.

Auf einige fragende Blicke hin, sagte die ältere Frau schließlich: „Sie schläft.“ Ihr Blick war leer und doch traurig, vielleicht auch mitleidig. Er spiegelte sich in vielen Augen wider, doch alle wendeten sich stillschweigend wieder ihrer Arbeit zu, mussten ihr Pensum schaffen, um nicht selber bestraft zu werden. Außerdem war die Szene, die sich zuvor abgespielt hatte zwar nicht Routine, doch auch keine Seltenheit. So waren die reichen Herren eben.

Zara erledigten ihre Aufgabe schweigend, danach musste die Küche aufgeräumt und geputzt werden, ebenso einige andere Zimmer.

Sie staunte über die Größe des Hauses. Ein prächtiger Flur reihte sich an den nächsten, ein schönes Zimmer an ein anderes.

Die Arbeit, das Neue hielten das Mädchen davon ab sich die ganze Zeit mit den Gedanken an die junge Frau mit den braun-blonden Haaren zu quälen, doch in ihrem Hinterkopf ließ das Geschehene sie nicht mehr los.
 

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EDIT: o1.o1.2o11

Buch I - Teil 2

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Buch I - Teil 2 [zensiert]

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«⌘Buch I - Teil 2⌘»
 

Seit nun fast vier Wochen lebte Zara auf dem Anwesen der Familie Nar'tun. Langsam gewöhnte sie sich an die Weitläufigkeit des gesamten Besitzes und des Hauses und an die Arbeit, die sie zu tun hatte.

Doch am meisten freute sie sich darüber die Pferdeställe entdeckt zu haben. Es war wie eine sachte Erinnerung an ihre Vergangenheit, an ihre Familie, an ihre Freunde. An das Leben, dass sie geliebt hatte. Ein Leben in dem sie immer glücklich gewesen war, wie sie nun sicher wusste.

Wann immer ihre Zeit es ihr erlaubte streute sie in den Ställen herum. Das hatte auch das restliche Hausvolk bemerkt und so übertrug ihr Marian viele Aufgaben, die in die Ställe führten.

Zara war ihr dankbar dafür und fragte sich, wie sie anfangs solch eine Furcht vor dieser Frau gehabt haben konnte, denn sie war ein herzensguter Mensch und machte es den Sklaven und Dienern so leicht sie nur konnte. Jedenfalls solange man sich ihr nicht widersetzte.

In ihre Gedanken versunken bemerkte sie Wren, einen der Stallburschen erst, als er grinsend vor ihr stand und sagte: „Hallo, Zara. Träumst du wieder vor dich hin?“

Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf und Wren lachte. Er glaubte ihr natürlich nicht. „Aber du bist wohl mal wieder abgehauen, um bei deinen Pferden zu sein, was?“

Dieses Mal lächelte das Mädchen verlegen. „Nicht direkt. Ich sollte euch euer Essen bringen. Es steht schon bei Naim“, erklärt sie und streichelte einer gescheckten Stute die weichen Nüstern. Sanft kitzelten die Haare des Pferdes und sein warmer Atem ihre Hand. Dann fuhr sie fort: „Allerdings...“

„Bist du mal wieder bei den Pferden hängen geblieben“, fiel Wren ihr lachend ins Wort und beendete damit ihren Satz. Wieder nickte Zara verlegen.

Wren schüttelte den Kopf. „Ich freue mich ja wirklich über so hübsche Gesellschaft im Stall...“ Er zwinkerte ihr schelmisch zu, bevor er ernster weiter sprach: „...aber wenn du keine Strafe riskieren willst, solltest du jetzt langsam zurück ins Haus gehen.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Ja, du hast Recht.“ Sie seufzte hörbar. Nun musste sie schon wieder ins Haus. Sie lief hinüber zur Stalltür und drehte noch einmal um. „Danke, dass du dir Sorgen um mich machst.“ Sie lächelte und winkte ihm noch einmal zum Abschied zu, bevor sie mit einem „Bis bald, Wren!“ nach draußen schlüpfte.

Vor dem Hauseingang wartete Shaina bereits auf sie. Streng fragte sie: „Zara, warst du wieder so lange in den Ställen?“ Da sie wusste, dass Shaina sich nur Sorgen um sie machte und sie nicht schelten wollte, nickte Zara betroffen. Leise murmelte sie reuevoll: „Ja. Es tut mir Leid, Shaina.“

Die Ältere schüttelte den Kopf, sagte dann jedoch nur: „Nun gut. Komm mit, der Herr kommt heute Abend wieder und wird einige Gäste mitbringen, deswegen müssen wir ein großes Essen vorbereiten.“ Sie drehte ich um und hielt Zara die Tür auf, die geschwind an ihr vorbeihuschte und dann wartete, damit sie gemeinsam in die Küche gehen konnten.

Dort wurden sie von Marian dazu eingeteilt im großen Esszimmer den langen Ebenholztisch zu decken. „Legt dreizehn Gedecke auf!“, befahl die resolute Mittfünfzigerin mit strenger Miene und erhobenem Finger. „Los, jetzt schnell an die Arbeit!“

Vorsichtig holten die jungen Frauen die wertvollen Porzellan Teller, die edlen Gläser und das Silberbesteck aus den Schränken und verteilten es fein säuberlich um die lange Tafel herum.

„Dreizehn ist eine schlechte Zahl. Sie bringt Unglück“, murmelte Zara nachdenklich vor sich hin und sah unbehaglich von einem Gedeck zum Nächsten. Unschuldig blitzen die Goldränder und die polierten Bestecke im sanften gelben Licht der Nachmittagssonne.

Shaina lachte leise über die Abergläubigkeit ihrer Freundin und meinte: „Ach, Zara, das ist doch Unsinn. Eine Zahl hat rein gar nichts zu bedeuten. Du solltest nicht so abergläubisch sein.“ Sie legte das letzte Messer an den ihm zugedachten Platz und winkte dann der Schwarzhaarigen zu, ihr in die Küche zurück zu folgen. Sofort lief diese hinter der Älteren her.

An der großen Tür blieb sie jedoch noch einmal kurz stehen und sah auf die dreizehn Gedecke. Vielleicht hatte Shaina Recht damit, dass sie nicht abergläubisch sein sollte, doch das beunruhigende Gefühl, dass etwas geschehen würde, verschwand dennoch nicht.
 


 

Das laute, ausgelassene Gelächter von Männern erfüllt den großen Saal. Sie saßen um die lange Tafel herum, die sich unter den Lasten der Berge an Essen schon beugte. Die Männer sprachen dem schweren Wein eifrig zu, während sie die Mahlzeit genossen und sich gegenseitig mit ihren Gesprächen und Späßen erheiterten.

Aus einer Ecke heraus beobachtete Zara das Essen. Ein Weinkrug, um den sich eine blaue Blüte rankte, in den Händen stand sie da, während ihre Augen aufmerksam von einem Gast zum nächsten huschten, immer bereit sofort Wein nach zufüllen, sobald ein Glas erneut geleert war.

Ein Blick über die Tafel verriet ihr, dass es nun wieder soweit war. Das Glas eines Mannes mit braunem Haar und teuren, blauen Gewändern war leer. Sogleich eilte sie an den Platz und füllte das Glas mit dem roten Getränk aus der Karaffe frisch auf.

Sie wollte sich wieder zurückziehen, als der Mann sie unerwartet am Handgelenk packte und näher an sich heranzog. Sein alkoholisierter Atem schlug ihr entgegen und Zara hielt erschrocken und angeekelt die Luft an.

Ohne ein Wort, nur mit einem angeheiterten Grinsen, zog der Mann sie auf seinen Schoß und hielt sie dort fest, als sie versuchte aufzustehen. Seine Hand wanderte zu ihren Hüften und Zara sagte, den Blick zu Boden gerichtet, leise: „Mein Herr, bitte lasst mich los. Ich muss meine Aufgaben erledigen.“

In guter Stimmung, wegen des vielen Alkohols, den er bereits intus hatte und des guten Mahls, meinte der Mann schließlich: „Nun gut, Kleine, dann geh wieder. Wir sehen uns noch.“ Er ließ sie aufstehen, jedoch nicht ohne ihr vorher noch einen Klaps auf den Po gegeben zu haben. Zara spürte wie ihre Wangen rot wurden vor Scham.

Erleichterte atmete sie schließlich auf, als sie sich von ihm entfernt hatte und hoffte er habe seine Aussage, später würden sie sich noch einmal sehen, bald im Rausch vergessen.

Shaina trat aus dem Schatten neben sie und fragte: „Alles in Ordnung?“ „Ja.“, antworte Zara leise und sah beschämt auf die polierten Fliesen unter ihren Füßen.

„Ignoriere es einfach. Nicht alle Männer sind so“, murmelte Shaina und ihr Gesicht bekam einen verträumten, doch traurigen Ausdruck. Zara antwortete nicht, sondern beließ es dabei, auch wenn sie nicht verstand, was ihre Freundin meinte.
 

Erst spät in der Nacht, verabschiedeten sich die reichen Herrn voneinander und suchten die jeweiligen für sie vorbereiteten Zimmer auf. Der Eine gestützt von seinen Dienern. Ein Anderer im Arm eine oder auch zwei Frauen. Der Andere wiederum ganz alleine.

Shaina und Zara saßen zusammen mit einigen anderen Dienern und Dienerinnen in der Küche und warteten auf weitere Anordnungen, während sie das Geschirr spülten und polierten. Sie waren müde, mussten jedoch noch bleiben bis Marian sie entließ.

Nach einer Weile betrat diese leise schnaufend den beheizten Raum. Sie stemmte eine Hand in die ausladende Hüfte und sagte laut: „Der Herr wünscht noch einen Tee.“

Sanira, eine der älteren Küchenfrauen, sprang sofort auf und machte sich an die Arbeit. Sie setzte Wasser in einem kleinen Kessel auf und holte Kräuter für den Tee aus einer Kammer, während eine weitere Frau eine Kanne und ein Teeglas hervorholte.

Marians Blick fuhr müde über die Anwesenden und blieb schließlich an Zara hängen. Mit erschöpfter Stimme meinte sie: „Bring dem Herrn seinen Tee, wenn er fertig ist.“ An die anderen gewandt fuhr sie fort: „Wenn die Küche fertig ist und das Geschirr weggeräumt, dürft ihr schlafen gehen. Gute Nacht.“ Mit diesen Worten zog sie die Küchentür hinter sich zu, um noch einmal im Festsaal nach dem Rechten zu sehen.

Leise pfiff das Wasser im Kessel und Sanira schüttete den Tee auf. Sie stellte ihn auf ein kleines, rundes Tablett, tat noch Zucker mit darauf und drückte es Zara in die Hand. Müde machte sich das Mädchen auf den Weg in den Flügel des Hauses in dem sich die Gemächer des Herrn befanden.

Dort öffnete sie leise die Tür, nachdem sie sachte an dem polierten Holz geklopft hatte.

Im Zimmer herrschte ein trübes Licht, dass von einer einzelnen Lampe neben dem großen Bett herrührte. Der Belor saß aufrecht im Bett und winkte sie sogleich näher zu sich heran.

„Ich bringe euch den Tee, Herr“, sagte Zara leise und verneigte sich. Mit einer Handbewegung bedeute der weißhaarige Mann ihr das Tablett auf dem Tisch, der neben dem Bett stand, zu stellen und Zara tat wie ihr geheißen.

Sie verneigte sich erneut. Und wollte gehen, doch Belor Loki sagte: „Komm her.“ Er deute ihr an sich neben ihn zu stellen.

Unsicher ging sie zu besagter Stelle und wartete mit gesengtem Kopf. Sie spürte seine Blicke, die sie von Kopf bis Fuß musterte nur allzu deutlich und wünschte sich er würde sie endlich gehen lassen, doch dem war nicht so.

„Leg dich hin.“ Seine Stimme war kalt und ohne jegliches Gefühl. Zara starrte ihn aus ihren blauen Augen erst ungläubig, dann ängstlich an, als ihr bewusst wurde, was er von ihr verlangte.

Als sie seinem Befehl nicht nachkam, blickte er von seiner Schriftrolle auf. In einem schneiden Ton wiederholte er seinen Befehl noch einmal: „Leg dich hin.“ Doch immer noch machte sie keine Anstalten ihm zu gehorchen. Sie war wie zur Salzsäule erstarrt und hörte kaum was ihr Herr ihr befahl.

Wütend packte er das Mädchen daraufhin und stieß sie selber auf die Kissen. Entsetzt versuchte Zara sich sofort wieder aufzusetzen und zu fliehen, doch er schlug ihr mitleidlos ins Gesicht, sodass ihr Kopf zur Seite flog und sie vor Schmerz aufstöhnte und benommen liegen blieb, ohne sich weiter zu wehren.

Als sie wieder klar denken konnte, spürte sie seine Hände, die ihr Kleid öffneten und an ihrem Körper entlang fuhren. Panisch schlug sie plötzlich mit den Fäusten auf ihn ein und begann heftig mit den Beinen zu zappeln, doch er war viel stärker als sie. Er hielt ihre Handgelenke grob mit einer Hand fest und setzte sich auf ihr Becken, womit er ihr jede Möglichkeit sich zu bewegen nahm.

Seine andere Hand entledigte sie ihres Kleides und ließ es achtlos zu Boden fallen. Verzweifelt versuchte Zara noch einmal um sich zu schlagen, doch ein erneuter Hieb seitens Belor Lokis ließ ihren Kopf wieder benommen zur Seite sinken.
 

[...]
 

Er rollte sich von ihr herunter und blieb kurz schwer atmend liegen. Dann richtete er sich auf und zog ein Gewand über, das über einem Stuhl in der Nähe des Bettes hing.

Sein Blick wanderte mitleidslos zu dem immer noch heftig zitternden Mädchen hinüber, dass ihn aus ängstlichen Augen ansah.

Kurz überlegte er, ob er sie noch einmal nehmen sollte, doch dann besann er sich eines anderen, da er am Morgen früh aufstehen musste und sagte: „Zieh ein neues Bettlaken auf. Dann kannst du gehen.“

Er warf einen angeekelten Blick auf die roten Blutspuren, die nun das Laken bedeckten und ging dann in das angrenzende Badezimmer, jedoch nicht ohne sich vorher noch ein Glas mit Wein aus der gläsernen Flasche, die immer griffbereit im Raum stand, einzufüllen.

Mühsam erhob sich Zara vom Bett und griff nach ihrem Kleid. Mit einer vorsichtigen Bewegung zog sie es sich über den Kopf.

Jeder einzelne Muskel ihres Körpers schien gegen die Bewegung zu protestieren und ein unangenehmer, pulsierender Schmerz machte sich in zwischen ihren Beinen breit, der sie an das Vergangene erinnerte. Sie daran erinnert, dass er alles mit ihr tun konnte und niemand ihn aufhalten würde, denn sie war nichts. Nur eine Sklavin. Eine Sklavin, die jedem Wunsch und Befehl ihres Herrn gehorchen musste, auch wenn sie es nicht wollte.

So schnell es ihr möglich war mit den quälenden Schmerzen, die ihren Körper beinahe lähmten, zog sie ein neues Laken auf das Bett auf.

Das einzige was sie auf den Beinen hielt und nicht einfach zusammenbrechen ließ, war der Wunsch die Stätte des Grauens, das Zimmer ihres Herrn, so schnell wie möglich zu verlassen.

Mit schweren Schritten floh sie aus ihrer ganz persönlichen Hölle, hinaus auf den dunklen, nur vom Vollmond erhellten Flur.

Sie ging nur wenige Schritte, bevor sie zu Boden sank und einfach liegen blieb. Fest umschloss sie sich selber mit ihren Armen und begann leicht sich hin und her zu wiegen.
 

„Zara“, flüsterte die Gestalt, die sich neben dem Mädchen auf dem kalten Marmorboden gekniet hatte. „Zara.“

Shaina richtete ihre Freundin vorsichtig auf, doch diese reagierte in keiner Weise. Sie ließ es einfach wie eine Puppe und völlig apathisch mit sich machen.

Erneut versuchte die junge Frau die Aufmerksamkeit der Jüngeren zu bekommen: „Zara, komm. Ich bringe dich ins Bad.“ Sie versuchte Zara auf die Beine zu ziehen, doch ihr bewegungsloser Körper erschwerte es ihr deutlich.

Dann hörte sie ein heiseres, kaum wahrnehmbares Flüstern: „Es tut so weh. Bitte lass es aufhören. Bitte lass es nicht mehr wehtun.“ Zara sah sie mit ihren blauen Augen an, in denen sich all der Schmerz ihres Körpers und ihrer Seele widerspiegelten und nach Erlösung schrieen.

„Komm mit mir ins Badezimmer“, flüsterte Shaina erneut eindringlich.

Sie wusste nicht, was sie dem Mädchen, dass sie mit diesem leeren Blick, der doch voller Schmerz war, sagen sollte.

Es würde alles wieder gut werden? Nein, denn ihr war etwas Wertvolles gestohlen worden, etwas Grausames angetan und es war nicht sicher, ob es sich nicht wiederholen würde. Sie war nichts weiter als das Spielzeug eines grausamen Mannes, der sie ausbeutete, folterte und es auch noch genoss, ihr all diesen Schmerz zuzufügen. Und sie hatte keine Chance aus diesem Anwesen, dieser Hölle, auszubrechen.

Oder sollte sie sagen, es war nicht das Ende der Welt? Nein, denn es war das Ende von Zaras Welt, die sie bisher gekannt hatte.

Zärtlich strich Shaina dem Mädchen eine schwarze Haarsträhne aus dem bleichen Gesicht und wiegte sie, wie eine Mutter ihr Kind sanft hin und her, während Zara sich schwach an sie klammerte.

Nach scheinbar unendlich langer Zeit, schaffte Shaina es das Mädchen in ein Badezimmer zu bringen. Sie setzte sie auf den kleinen Hocker, der im Raum stand, wo die Schwarzhaarige reglos sitzen blieb und ins Leere starrte, keines Gedankens mehr fähig, außer dem quälenden Schmerz.

Ihre Blicke folgten Shaina, die Wasser erhitzte und es in die Wanne schüttete. Doch sie merkte es nicht. Wusste nicht, was die andere tat, obwohl es solch eine einfache, alltägliche Handlung war.

In ihrem Inneren herrschte nur noch Chaos. Schmerz, der alles überdeckte; ihr das Denken und Bewegen unmöglich machte.

Sie nahm Shainas vorsichtige und zärtliche Hände, die sie mit einem weichen Tuch wuschen, erst viel später wahr. Wie war sie in die Wanne gelangt? Sie wusste es nicht mehr, hatte es nicht einmal gemerkt...

Langsam richtete sie ihren leeren Blick auf die junge Frau, die neben der Wanne hockte. Shaina streichelte daraufhin tröstend ihre Wange.

Leise fragte Zara sie: „Warum?“ Unentwegt war ihr Blick auf Shainas Gesicht gerichtet und schien sie durchbohren zu wollen.

„Warum was?“, fragte Shaina sanft zurück. Ihre Hände verharrten für einen Moment in ihren Bewegungen. Zara flüsterte atemlos: „Warum hat er das getan?“

Shaina schauderte, antworte dann jedoch: „I-ich weiß nicht.“ Sie sah zur Seite. Wie sollte sie Zara nur helfen? Was konnte sie überhaupt tun? Konnte sie überhaupt wirklich etwas tun?

Leise öffnete sich die Tür des Bads und Rayla trat ein. Die dunkelhaarige Frau hatte einen Becher in der Hand, indem sich ein Tee befand.

Shaina stand auf und ging ihr entgegen. Flüsternd unterhielten sich die beiden jungen Frauen, wobei sie immer wieder verstohlen zu Zara blickten, die nun selber den Schwamm in der Hand hielt und die letzten, offensichtlichen Spuren ihres Leidens von ihrem Körper zu tilgen versuchte.

Immer und immer wieder glitt der Schwamm über ihre Beine und mit jeder Bewegung wurde das Schrubben energischer, fast wie ein Zwang die Reste nicht nur von ihrem Körper sondern auch von ihrer Seele zu waschen.

Besorgt trat Shaina neben sie, den Becher nun in der Hand. Rayla hatte den Raum verlassen.

„Zara.“ Sie hockte sich neben sie und hielt ihre Hand fest. Die Haut an den Beinen der Schwarzhaarigen leuchtete Rot, doch es kam nicht mehr von Blut, sondern von ihrem verzweifelten rubbeln mit dem Schwamm. Shaina schüttelte den Kopf. „Tu dir nicht noch mehr weh.“

Sie ließ die Hand der Jüngeren los und strich ihr über die Haare. Zara schluchzte noch immer. Ihr zierlicher Körper bebte und sie zitterte noch immer unaufhörlich.

Shaina zog sie hoch und nahm ein großes Tuch, das neben der Wanne gelegen hatte und legte es Zara um die zusammengesunkenen Schultern. Dann führte sie sie hinaus auf den dunklen Flur.

Die Kammer in der sie beide schliefen, lag nicht weit entfernt. Shaina öffnete die Tür, Zara vor sich her schiebend und den Becher mit Tee in der Hand.

Sie bedeutet dem Mädchen sich auf ihrer Matratze niederzulassen und Zara kam der Aufforderung ohne zu zögern nach. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die kalte Wand und sah starr aus dem Fenster, das auf der gegenüberliegenden Seite lag. Tausend Sterne funkelten am nachtschwarzen Himmel.
 

„Eine alte Legende unseres Volkes besagt, dass wenn du in einer sternklaren Nacht einen Wunsch aussprichst, wird er in Erfüllung gehen, denn in solchen Nächten sind die Götter gnädig mit uns, Zara“, sagte die Frau mit den langen schwarzen Haaren und dem roten Kopftuch. Ihre Augen lächelten und sie strich ihrer fünfjährigen Tochter über den Kopf.

Diese sah mit großen Augen in den Himmel. „Wirklich?“

Shara nickte. „Ja, daran glaube ich bis heute ganz fest.“

„Du solltest auch daran glauben, meine Kleine“, sagte die tiefe Stimme eines Mannes, der die Hütte betreten hatte. „Denn die Legende entspricht der Wahrheit.“

Zara sprang auf und flog ihrem Vater entgegen. „Vater.“ Sie umarmte ihn fröhlich und auch er legte seine Arme um seine kleine Tochter. Shara lächelte.
 

„Ich bitte darum, dass es nie mehr geschehen wird“, murmelte Zara den Blick fest auf die Sterne gerichtet, die so friedlich und hell zu ihr leuchteten, als ob nie etwas Böses unter ihren weisen Blicken geschehen könnte.

Ihre Mutter hätte niemals die Hoffnung aufgegeben. Zara wollte ihr nicht noch mehr Schande bereiten, als sie glaubte es bereits getan zu haben. Und sie glaubte, ganz genau wie ihre Eltern an die Gnade der Götter, die ihr weitere körperliche Qualen ersparen würden, wenn sie nur fest genug davon überzeugt war.

Doch jetzt fiel es ihr unendlich schwer dran zu glauben. Ihre Seele war verletzt, gebrochen und sie wünschte eigentlich in diesem Moment nur den Tod, der sie erlösen würde.

Denn ihre Seele konnte in diesem Moment keiner heilen. Vielleicht konnte es nur die Zeit. Aber dazu brauchte sie diese Zeit auch wirklich. Doch keiner konnte wissen ob sie ihr gegeben wurde.

„Trink das“, sagte Shaina auffordernd. Sie hatte den Wunsch der anderen gehört, doch sie sagte nichts dazu.

Sie konnte es nicht nachvollziehen. Auch wenn sie es noch so sehr wollte, denn es war unmöglich für sie sich vollständig in eine Situation hinein zu versetzten, die sie nie hatte erleben müssen. Sie konnte lediglich für Zara da sein und bei ihr bleiben, sich um sie kümmern und hoffen, dass ihr Wunsch in Erfüllung ging.

Zara trank den Tee. Ein bitterer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus und sie verzog leicht das Gesicht.

Fragend sah sie Shaina an. Diese setzte sich neben sie und sah auf ihre Hände. „Es wird verhindern, dass du ein Kind empfängst und dich in einen tiefen, traumlosen Schlaf schicken“, sagte sie leise ohne aufzublicken. Zara sah in den Becher.

Sie nahm einen weiteren Schluck. Er war noch bitterer, deswegen leerte sie den Becher danach in einem Zug.

Schon nach kurzer Zeit begannen ihre Augenlider sich müde und erschöpft zu senken. Sie lehnte ihren Kopf an Shainas Schulter und diese streichelte mitfühlend über ihre Haare.

Dann glitt Zara langsam in den ihr versprochenen tiefen, traumlosen Schlaf hinüber, der für einige Zeit ihre Zuflucht sein würde.
 


 

Der Morgen kam mit blendendem Licht. Die Sonne schien in das Zimmer und weckte die Frauen, die nun täglich mit ihr aufstanden. Der Sommer war nah. Bald würde die Arbeit auf den Feldern beginnen, die noch friedlich im Wind schaukelten, golden wie ein wertvolles Geschmeide.

Zara stand schwerfällig auf. Sie fühlte sich um viele Jahre gealtert, wenn sie sich bewegte. Alles schmerzte und sie presste die Kiefer aufeinander, um nicht laut aufzustöhnen.

Shaina trat besorgt neben sie. Dann begann sie die Haare ihrer Freundin zu kämmen, um sie zu einem langen Zopf zu flechten, der über ihren Rücken fiel.

Sie schwiegen beide. Es gab nichts zu sagen in diesem Moment.

Nach kurzer traten sie gemeinsam auf den Flur hinaus und gingen in die Küche, ihrem täglichen Arbeitsplatz. Der Herr musste sein Frühstück bekommen und seine feinen Gäste ebenfalls.

Shaina sah auf die reichlich gedeckten Tabletts, die vor Essen nur so überquollen.

Dann dachte sie an die Menschen, die sie aus dem nahen Dorf kannte. Die Menge an Essen, die diese feinen Herren an einem Tag aufgefahren bekamen, hatten manche Familien nicht einmal in einem ganzen Monat. Es war so ungerecht.

Doch was war schon gerecht? Das Leben bestand so oft nur aus Ungerechtigkeiten.

Die Armen lebten weit unter allem Menschenwürdigen und die Reichen lebten im Überfluss.

Und sie taten meist nichts für ihren Reichtum. Sie bekamen ihn vererbt, befehligten ein paar Diener und Sklaven herum, um ihre Felder zu bestellen, ihre Schiffe zu segeln und ihr Vieh zu hüten.

Die Bauern und armen Kaufleute mussten sich hingegen in ihre Dienste stellen, um ihre Familien durchzubringen und sich ihr einfaches Überleben zu sichern. Und dann mussten sie von ihrem eigenen, hart erarbeiteten Brot noch einen Teil an ihre Grundherren zahlen, die sich ein gemütliches Leben in ihren Besitztümern machten und dort in Hülle und Fülle lebten.

Und ihre treuen Untertanen lebten dazu immer noch in der Gefahr von ihrem Grundherren wegen der kleinsten Vergehen bestraft zu werden. Schon ein einziges Widerwort konnte schwere Strafen nach sich ziehen. Schon allein der Gedanke daran, konnte verheerende Wirkungen nach sich ziehen.

Mit einem lauten Knall ging die Tür auf. Erschrocken fuhren die Frauen herum. In der Tür stand Boriste, Lokis oberster Aufseher und der Verwalter des Anwesens.

Er ließ seine kalten Augen über die erstarrten Frauen wandern und sagte dann zu Marian, die vor ihn trat: „Eine deiner Unterstehenden hat es gewagt dem Herren nicht zu gehorchen. Wo ist das Mädchen, dass gestern Abend den Tee gebracht hat?“

Ruhe breitete sich wie ein schwerer Schleier über den Frauen aus. Mit rauer Stimme antworte Marian: „Einen Moment, bitte.“ Dann wandte sie sich um und sah sich nach Zara um. Sie hob die Hand und winkte das junge Mädchen zu sich heran. Ein mitleidiger Glanz lag in ihrem Blick, während sie nun zu der Schwarzhaarigen sagte: „Komm, mein Mädchen.“

Ängstlich legte die Angesprochene das Tuch, welches sie in der Hand hielt zu Seite. Ihre Hände zitterten leicht. Mühevoll versuchte sie es zu unterdrücken und faltete sie ineinander, um es zumindest zu vertuschen, als es ihr nicht gelang. Mit gesenktem Kopf und eingezogenen, hängenden Schulter ging sie zu Marian und Boriste hinüber.

In ihrem Innersten wusste sie, was nun passieren würde. Auch wenn sich alles in ihrem Herzen noch dagegen wehrte. Sie wusste, dass ihre Strafe folgen würde, bevor Boriste es zu Marian sagte: „Auf Grund ihres Ungehorsames, obliegt es mir die vom Herrn befohlene Strafe von zehn Peitschenhieben auszuführen.“

Marian nickte. Sie schien ungerührt von seiner Ankündigung zu sein, doch wer sie kannte wusste, wie schwer es für sie war, wenn ihre Mädchen bestraft wurden. Sie waren wie Töchter für sie, auch wenn sie es niemals zeigte. Nicht zeigen konnte und durfte.

Sie folgte Boris zusammen mit Zara auf den Hof. Shaina ging ebenfalls hinterher, doch blieb sie versteckt am Eingang stehen.

Wie in Trance folgte Zara Marian hinaus. Ihre Schultern zitterten. Die Angst vor ihrer Strafe war wie ein Käfig aus eiskaltem Metall, der ihr die Luft zum Atmen stahl und ihr Herz zerdrückte.
 

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Buch I - Teil 3

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«⌘Buch I - Teil 3⌘»
 

Schritt für Schritt setzte Zara ihren Weg fort. Ihre Hände zitterten noch immer. Sie schienen nicht mehr aufhören zu wollen. Nie wieder, während die Angst in ihrem Herzen wuchs bis sie regelrecht an Panik grenzte. Doch Zara unterdrückte es. Mühevoll.

Auf dem Innenhof hielten sie. Zara wurden die Hände gefesselt und mit einem Strick gebunden.

Den Blick gesengt ließ sie es einfach geschehen und versuchte sich innerlich auf das was folgen würde vorzubereiten.

Sie spürte, wie jemand ihr das Kleid von den Schultern zog und eine warme Hand kurz, beruhigend über ihre Haut strich. Marian. Das Mädchen sah kurz auf. Marian nickte ihr kurz mitfühlend, doch ermutigend zu. Dann wandte sie sich ab und trat zurück.

Als der erste Schlag ihren bloßen Rücken traf schrie Zara auf. Der Schmerz war unbeschreiblich. Doch plötzlich kehrte das Leben in sie zurück. Stolz, reckte sie den Kopf und klammerte sich an ihren Fesseln fest.

Ächzend ertrug sie die nächsten Schläge ohne jedoch noch einmal zu schreien. Irgendetwas in ihr verbot es.

Dennoch liefen ihr Tränen über die Wangen und ihre Augen waren auf einen unbestimmten Punkt in weiter Ferne gerichtet. Bei jedem Schlag entfuhr ihr ein Stöhnen.

Als nach einer endlos scheinenden Zeit alle Schläge ausgeführt waren blieb sie reglos bis sie Marians Stimme an ihrem Ohr hörte: „Komm, meine Kleine. Ich bringe dich auf dein Zimmer.“

Erschöpft sah sie die Frau aus leeren Augen an, dann nickte sie.

Die Fesseln wurden abgenommen und Zara streifte ihr Kleid wieder richtig über. Sie richtete sich auf und ballte den Schmerz tief in ihrem Inneren zu einer kleinen Kugel zusammen, die sie soweit zusammendrückte, dass sie ihn kaum spürte. Als wäre sie betäubt.

Dann folgte sie Marian zurück zum Haus.

Shaina trat sogleich besorgt aus ihrem Versteck und sah ihnen entgegen. Sie sah Marian fragend an und diese nickte. Sogleich nahm Shaina Zara an die Hand und führte sie zu ihrem Zimmer. Dort bedeutete sie ihr sich zu setzten, damit sie die Wunden versorgen konnte.

„Ich hole schnell eine Salbe, Wasser und Tuch“, erklärte sie, während sie zur Tür ging und Zara nickte.

Als die Tür ins Schloss gefallen war, ließ Zara sich langsam auf ihr Bett sinken. Sie legte sich auf den Bauch und legte sie Hände unter ihr Kinn, während sie aus dem Fenster sah.

Der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien und in der Ferne wogten die dunkelgrünen Wälder im leichten Wind.

Zara schloss die Augen und dachte an ihre Heimat. Es war nur eine Reise von wenigen Tagen, dennoch waren dieser Ort und ihr Zuhause so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Während hier Wälder und Wasser im Überfluss vorhanden waren hatten ihre Leute in heißen Sommer mit den Herden von Oase zu Oase ziehen müssen, um genug Wasser zu haben. Holz hatten sie, wenn von den knorrigen Bäumen, die von Wind und Sturm krüppelig geworden waren, und vereinzelt in der Steppe zu finden waren oder von den Märkten in den großen Städten, in denen sie ihre Pferde verkauft hatten.

Alles war so anders. Nicht nur das Land, auch die Menschen. Sie vertraten andere Auffassungen und manche sprachen sogar nur den starken Dialekt, den Zara nicht verstehen konnte. Sie war eine Fremde hier. Sie fühlte sich inzwischen sogar fremd in ihrem eigenen Körper.

Und nicht nur das, sie war nur eine Sklavin. Es kümmerte nicht viele, was mit ihr geschah. Sie fragte sich wie Menschen so grausam sein konnten.

In ihre Gedanken vertieft bemerkte sie nicht, wie Shaina eintrat. Erst, als sie sich auf dem Bett niederließ schreckte Zara auf. Shaina lächelte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Dann begann sie vorsichtig die wunden Striemen auf dem Rücken ihrer Freundin zu reinigen. Ganz sanft strich sie Zara über den Kopf, als diese bei der Behandlung wegen des brennenden Schmerzes, leicht zusammen zuckte.

Ein leises Wimmern kam aus ihrer Kehle und sie presste ihr Gesicht tiefer in die Kissen, um Shaina ihre Träne nicht sehen zulassen, auch wenn diese sowieso um sie wusste.

Shaina wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Wunden zu. Abgesehen von dem regelmäßigen Wimmern, gab Zara keinen Laut von sich und ertrug die Schmerzen.

Ähnlich wie die Hiebe zuvor. Shaina hatte die Bestrafung beobachtet. Zara hatte später nicht mehr geschrieen. Ihre Augen waren in die Ferne gerichtet gewesen und sie hatte bei jedem neuen Schlag vor Schmerz laut auf gestöhnt.

Ihre Hände jedoch hatten die Seile, die um ihre Handgelenke gebunden waren, fest umklammert, wobei ihre Knöchel schneeweiß hervorgetreten waren und sie hatte gezittert. Noch nie in ihrem Leben hatte Shaina jemanden so sehr zittern gesehen. Dieses Zittern hatte sie betroffener gemacht, als jeder Schrei, jedes Wehklagen es je gekonnt hätten.

Der Anblick des schwarzhaarigen Mädchens, das sie nun so oft auf leeren, traurigen Augen ansah hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt und zum aller ersten Mal hatte sie ein Gefühl gespürt, dass nur noch als Hass bezeichnet werden konnte.

Das gerade Zara, die sie noch gar nicht lange kannte, ihren Hass auf den Hausherren in diesem Maße beschworen hatte, überraschte Shaina einen Moment lang. Doch inzwischen erschien es ihr, als ob sie Zara schon immer gekannt hätte. Sie war ihr näher als sonst wer aus diesem Haushalt und sie verspürte den Drang sie zu beschützen. Ganz so, wie sie eine kleine Schwester vielleicht beschützt hätte.

Bisher hatte sie in ihren Augen jedoch versagt sie zu schützen. Doch hätte sie die Ereignisse verhindern können? Sie hielt in der Behandlung inne und fuhr der Jüngeren noch einmal über die Haare.

„Es tut mir Leid“, murmelte sie leise. Verwirrt sah Zara sie an. Shaina sah zu Boden. „Ich wünschte ich könnte mehr für dich tun. Ich wünschte ich hätte das verhindern können.“

Zara sah sie an. Verwirrt, überrascht, vielleicht auch etwas erfreut. Sie legte den Kopf schief. „Du hast mehr getan, als jeder andere.“

Shaina sah sie an. Aus einem Impuls heraus umarmte sie das Mädchen vor sich. Sie wischte ihr einige Tränen von den Wangen und sagte dann mit erstickter Stimme: „Leg dich wieder hin. Ich muss die Wunden weiter behandeln.“

Artig folgte Zara und ließ sie gewähren. Die kühle Salbe half. Sie verminderte die Schmerzen.

Lange nachdem sie fertig war saß Shaina noch auf der Bettkante und versuchte zu ergründen, warum gerade dieses Mädchen ihr so ans Herz gewachsen war, doch sie konnte keine Antwort darauf finden.

„Shaina?“

Überrascht schreckte die junge Frau auf. Sie hatte gedacht Zara schlafe. „Ja?“

„Danke für alles, was du für mich tust. Du bist die Einzige, die sich wirklich für mich interessiert. Und ich fühle mich fast so, als würde ich dich schon immer kennen.“ Zara sah ernst aus.

Shaina drückte ihre Hand. „So geht es mir auch.“ Sie lächelte und Zara schloss zufrieden die Augen, um endlich zu schlafen.
 

Stunden später erwachte sie wieder. Draußen war es bereits tiefste Nacht, doch Shaina lag nicht auf ihrem Lager.

Benommen fuhr Zara sich über ihre müden Augen, als es leise am Fenster raschelte.

Shaina saß auf der Fensterbank und lächelte Zara fröhlich an. Dann wich ihr Lächeln Besorgnis. „Alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?“

Zara nickte, fügte jedoch hinzu: „Es wird aber gehen, denke ich“, als Shaina sogleich von ihrem Platz aufsprang und nach dem Salbentiegel griff.

Wortlos begann dennoch sie den Wunden Rücken Zaras noch einmal einzusalben.

Nach einiger Zeit sagte sie: „Es gibt Neuigkeiten. Jarl und der junge Herr werden bald zurück sein. Ein Bote aus der Stadt kam, während du geschlafen hast.“

Zara nickte stumm. Was machte es, wenn noch mehr Adlige kamen? Das Leben würde genauso weitergehen wie bisher. Warum freute es Shaina so offensichtlich, dass sie kamen?

Shaina verschloss den Salbentiegel nach einer Weile.

„Schlaf noch ein wenig“, sagte sie und zog sich auf ihre eigene Bettstadt zurück.

Zara starrte in die Dunkelheit und schloss irgendwann jedoch die Augen, um sofort einzuschlafen.
 

Am nächsten Morgen erwachte sie bevor Shaina aufgestanden war. Sie setzte sich auf. Ihr Rücken brannte wie Feuer und sie zog scharf die Luft ein.

Während sie dasaß und vor sich hinstarrte wachte Shaina auf.

„Du sollst nicht aufstehen!“, sagte sie ärgerlich. „Marian hat dich für drei Tage von deinen Pflichten entbunden! Nutze sie, um dich zu erholen!“

Überrascht sah Zara auf. „Wirklich?“

„Natürlich“, erwiderte die junge Frau und stand auf. „Es bringt nichts, wenn du dich nicht schonst und arbeitest. Dann wird die Heilung nur länger dauern. Das wissen sogar die feinen Herren.“

Sie drückte Zara wieder in die Kissen und sagte streng: „Bleib liegen und ruh dich aus bis ich wieder komme. Ich werde dir etwas zu essen bringen und nach dir sehen.“

Ergeben nickte die Schwarzhaarige.

Shaina verließ das Zimmer und Zara war allein. Es war still und sie hatte Zeit ihren Gedanken nachzuhängen.

Sie wünschte sich plötzlich ihr Leben wäre anders verlaufen, doch wusste auch, dass nichts mehr rückgängig zu machen war und sie weiterleben musste. Sie sehnte sich nach der Wärme ihrer Familie. Hier war alles so kalt. Nur Shaina war da.

„Was wohl aus Vater geworden ist?“, fragte sie sich leise selber. Er war nicht im Dorf, als die Reiter kamen ebenso wie einige andere Männer. Vielleicht waren er und sie noch irgendwo. Frei, wie sie es sein sollten. Zusammen mit der Herde. Mit Leila und Gazhal, den beiden schwarzen Zwillingsfohlen, die einst hätten ihre Mitgift werden sollen. Mit all den anderen.

Was sie wohl getan hatten, als sie das Dorf nicht mehr vorfanden. Hatten sie die Toten beerdigen können? Ihnen eine letzte Ehre erweisen können? Oder war es zu spät gewesen? Zu spät für ihre Mutter ehrenvoll ihre letzte Ruhe zu finden?

Die Fragen brachten ihr die Tränen in die Augen. Sie legte den Kopf auf ihr Kissen und weinte lautlos. Sie wollte nicht darüber nachdenken, doch die Fragen drängten sich immer wieder in ihren Kopf ohne, dass sie auch nur eine Antwort erahnen konnte.
 

Als sich die Tür gegen Mittag öffnete und Shaina eintrat schreckte Zara aus einem unruhigen Schlaf auf. In ihren Träumen hatte sie wieder die Flammen gesehen, die gierig die Hütten verschlangen, das Schreien der Menschen gehört, ihre eigene Angst gespürt.

„Zara. Alles in Ordnung?“, fragte Shala, die mit Shaina gekommen war. Neben ihr stand Amina, die mitleidig zu Zara sah und sich dann neben ihr aufs Bett setze.

„Wie kann es ihr gut gehen nach gestern?“, sagte sie und warf Shala einen scheltenden Blick zu. Diese nickte geknickt und setzte zu einer Entschuldigung an, als Zara ihr zuvor kam: „Es ist alles gut. Soweit es das sein kann.“ Der letzte Teil war eher ein Murmeln als alles andere.

Shaina stellte geschäftig ein Tablett auf Zaras Knie. „Damit du uns nicht völlig vom Fleisch fällst.“ Sie lächelte.

„Danke.“ Plötzlich hungrig begann Zara die Suppe zu löffeln.

Sie hörte den Gesprächen der anderen Mädchen zu, die über die Ankunft der beiden Männer sprachen von der Shaina ihr gestern Abend schon berichtet hatte. Alle drei schienen begeistert, dass sie wieder kamen und Zara fragte sich langsam wirklich nach dem Grund für den Enthusiasmus.

In diesem Moment schloss Amina verträumt die Augen und erzählte: „Der junge Herr mag ja manchmal eiskalt und gefühllos erscheinen und auch mürrisch, aber wenn er einen in seine Gemächer ruft...Er ist wirklich ein Gott.“ Sie grinste anzüglich bei der Erinnerung. „Ich bete, dass er mich nicht vergessen hat und ich das noch mal genießen kann.“

Shala und Shaina lachten.

„Du bist unmöglich, Amina“, meinte Shaina mit einem nachsichtigen Kopfschütteln.

Amina verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. „Ach, aber du, ja? Erzähl mir nicht, du freust dich nicht auf die Nächte im Bett deines Liebsten.“

„Deine sind immerhin sicher“, fügte nun auch Shala mit einem Grinsen hinzu. Nur an Shaina gewandt sagte sie noch: „Lassen wir Amina mal weiter träumen von ihrem kalten Prinzen.“

„Er ist nicht mein Prinz. Dazu müsste ich ihn lieben.“ Amina warf ihr langes, dunkles Haar zurück und sah ihre Freundinnen überheblich an. Sie grinste wieder. „Aber gefallen tut er mir manchmal schon, dass muss ich zugeben. Vor allem, wenn er...“

Shaina sah zu Zara hinüber, die mit einem deutlich irritierten Blick auf ihrem Bett saß und unterbrach Amina bevor sie Einzelheiten mitteilen konnte. „Sei ruhig, Amina. Wir wissen schon alles. Und ich glaube, Zara möchte das gar nicht wissen.“

„Warum? Sie sollte wissen, dass es nicht immer nur schlecht ist mit einem Mann das Bett zu teilen! Ich mein erzähl ihr doch mal deine Geschichte“, forderte Amina. Sie lächelte und stand auf. „Heute Abend. Wir müssen jetzt los, sonst bekommt unser Herr Hochwohlgeboren sein Mittagessen nicht pünktlich.“ Sie verzog das Gesicht.

„Du bist wirklich die dreisteste Persönlichkeit, die ich kenne, Amina“, meinte Shala kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln. Shaina stimmte ihr mit einem Lächeln zu. Zara dagegen genoss einfach, die Fröhlichkeit der drei Frauen, die sie auf andere Gedanken brachte, ihr zeigte, dass nicht alles schlecht sein konnte.

Sie verließen schließlich das Zimmer und Shaina folgte ihnen, nachdem sie sich von Zara verabschiedet hatte. Zurück ließ sie ein Mädchen, das nun wirklich verwirrt war. Shainas Geschichte? Was hatte Amina damit gemeint? Sie beschloss Shaina sofort zu fragen, wenn sie am Abend wieder kam.

Das tat sie auch. Shaina saß auf dem Bett und lächelte sie an. „Gut, dann werde ich dir jetzt meine Geschichte erzählen. Vielleicht ist es in deinen Augen auch mein Märchen, aber es ist alles wahr.“

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Sanft strich der Wind durch die bunten Blätter des Waldes. Die letzten Sonnenstrahlen des Herbstes blitzten durch das Blätterdach und fielen auf den belaubten Boden.

Langsam ging die junge Frau durch den Wald. Leise raschelte es unter ihren Füßen und ab und zu knackten kleine Äste und Zweige. Aufmerksam wanderte ihr Blick auf der Suche nach Pilzen und den letzten Beeren des Jahres durch das Gebüsch und über die Baumwurzeln.

„Shaina, mein Korb ist voll. Ich laufe schnell zurück ins Haus und hole einen neuen!“, rief Jani und lief eilig dem Rand des Waldes entgegen, den Korb fest im Arm, ohne auf eine Antwort zu warten.

Shaina lächelte kurz, als sie der Jüngeren hinterher sah, dann ging sie langsam tiefer in den Wald hinein. Hier fühlte sie sich frei und ungebunden, erlöst von den ewigen Pflichten und Arbeiten, die sie zu erledigen hatte.

Vor ihr wurde der Wald schließlich spärlicher und sie betrat eine helle Lichtung. In der Nähe plätscherte eine Quelle mit kristallklarem Wasser, dass aus einem grauen Stein lief, ruhig vor sich hin. Um diese herum wuchsen rote Wildrosen und verströmten einen leichten, lieblichen Duft.

Shaina betrachtete, wie der Wind durch die Blumen strich und diese sich sanft hin und her wiegten, während immer wieder bunte Herbstblätter von den hohen Baumkronen zur Erde glitten.

Vollkommen in ihre Betrachtung versunken bemerkte sie den Reiter nicht sofort, der auf die Lichtung einritt.

Seine dunkelblonden Haare hingen nach dem schnellen Ritt zerzaust in sein Gesicht und seine Augen blitzten vergnügt. Er trug vornehme Kleidung, nicht pompös oder übermäßig reich verziert, doch seine adelige Herkunft war deutlich daran abzulesen. Auch seine Haltung unterstrich diesen Eindruck. Sie war gerade, stolz und eindrucksvoll.

Interessiert blickte er auf das Mädchen, das bei der Quelle stand und diese still betrachtete.

Als sein schwarzer Hengst leise schnaubte, fuhr sie herum und starrte ihn erschrocken an. Ihre Blicke trafen sich, doch sogleich sah sie zu Boden und fiel vor ihm auf die Knie.

„Verzeiht mir, Herr!“, flüsterte sie und sah furchtsam unter ihren braunen Stirnlocken zu ihm auf. Es gehörte sich nicht für eine Dienerin einem reichen Herrn in die Augen zu sehen, doch Jarl Er'shyi vergaß alle diese Regeln und starrte sie weiterhin an.

Er war fasziniert, wie verzaubert, von ihrer Schönheit. Noch nie hatte er etwas gefühlt, wie das was er spürte, als er in ihre Augen geblickt hatte.

Langsam stieg er von seinem Pferd ab und trat zu ihr. Er steckte ihr seine Hand entgegen und lächelte sanft, bevor er sagte: „Es gibt nichts zu verzeihen.“

Erstaunt ergriff das Mädchen seine Hand und murmelte: „Vielen Dank, Herr.“ Mit gesenktem Kopf stand sie vor ihm und wartet was geschehen würde.

„Wie heißt du?“, wollte der junge Mann wissen.

Leise beantwortete sie seine Frage: „Shaina, Herr.“

„Du lebst im Haus der Familie Nar'tun, nicht wahr? Ich bin mir sicher, dich schon einmal gesehen zu haben“, sagte er und dachte bei sich: „Wenn auch niemals genau.“ Während er versuchte sich an Einzelheiten zu erinnern, doch es fiel ihm nichts ein, das seine Vermutung wirklich bestätigt hätte.

„Ja, Herr. Ich bin eine Leibeigene der Familie Nar'tun“, antwortete Shaina und holte ihn somit aus seinen Erinnerungen zurück. Nachdenklich nickte er.

Nach einer Weile des Schweigens, meinte er dann: „Es wird bald dunkel werden. Gehen wir zurück.“ Er nahm die Zügel seines Pferdes auf und führte es zum Ende der Lichtung hinüber.

Kurz sah er zurück und bemerkte, dass Shaina noch an derselben Stelle, wie vor wenigen Sekunden stand. Verwirrt runzelte er die Stirn und fragte: „Kommst du?“

Erschrocken nickte sie und nahm ihren Korb. Dann lief sie zu ihm hinüber. Zufrieden nickte der junge Mann und ging weiter, sie immer ein paar Schritte hinter ihm.

„Warum gehst du nicht neben mir her?“ Dieser Satz war sowohl Angebot als auch Befehl. Ganz so, als ob er sich nicht hatte entscheiden können, was er nun wollte.

Shaina kam ohne Widerspruch zu leisten seinen nicht gerade unfreundlichen Worten sogleich nach und dies nicht nur, weil er ein Adeliger war, sondern da er ihr bisher sehr freundlich und sympathisch vorkam.

Schnell schlug ihr Herz, als sie neben ihn trat und ihn verstohlen aus den Augenwinkeln heraus ansah.

Er war groß. Fast zwei Köpfe größer als sie selber und seine Gestalt war hoch aufgerichtet, während er mit großen, selbstbewussten Schritten neben ihr ging. Sein ganzes Äußeres, seine Haltung ließen wohl die Herzen vieler Frauen höher Schlagen.

Shaina bildete da keine Ausnahme, auch wenn sie es zu unterdrücken versuchte. Doch sie kam nicht umhin ihm immer wieder kurze, bewundernde Blicke zu schenken.

„Woher kommst du? Du siehst nicht aus, als wärst du hier geboren worden“, fragte er ganz unvermittelt und holte sie aus ihren Gedanken. Überrascht von seinem Interesse antwortet sie: „Ich weiß nicht genau. Das erste woran ich mich erinnere kann ist, dass ich als kleines Mädchen an einen Mann aus dem Osten verkauft wurde. Er nahm mich mit in seine Heimat. Davor war ich vielleicht in Nyx, vielleicht in Cull. Vielleicht aber auch ganz woanders.“ Unwirsch zuckte sie mit den Schultern.

Es war egal, woher sie kam. Jetzt zählte es alleine die Gegenwart zu überstehen und eine Zukunft zu haben.

„Er behandelte mich gut. Ich spielte und lernte mit seiner eigenen Tochter, die nicht sehr viel älter war als ich selber bis sie mit sechzehn heiratete. Ich sah sie nie wieder. Danach blieb ich noch zwei Monate im Hause meines Herrn, doch dieser starb. Das ist nun drei Jahre her. Man verkaufte das Gut, die Pferde und die Sklaven und auch mich“, erzählte Shaina weiter, nachdem der junge Mann sie mit einer Handbewegung dazu aufgefordert hatte. „Ich kam danach in verschiedene Haushalte, doch nirgends blieb ich länger, als wenige Monate. Ich würde das Unglück mit mir bringen, so sagten meine Besitzer. Man wollte mich schließlich an ein Bordell in Foryn verkaufen, doch dann kaufte mich Belor Nar'tun und brachte mich vor vier Monaten hierher.“

Beide schwiegen daraufhin, nicht sicher, was sie sagen sollten.

Langsam kam das Anwesen in Sicht und Shaina seufzte lautlos. Noch mehr Arbeit wartet hier auf sie.

„Darf ich gehen, Herr?“, fragte sie und sah mulmig zum Haus hinüber. Sie war schon viel zu lange fort. Marian würde ungeduldig auf sie warten.

Der Mann neben ihr sah sie mit einem undurchschaubaren Blick an. Dann sagte er: „Tu, was immer du möchtest.“ Dabei machte er eine leicht ausholende Geste mit der rechten Hand. Shaina sah ihn an. In seinen Augen stand Ehrlichkeit.

„Wer seid ihr?“, entschlüpfte es ihren Lippen, bevor sie es verhindern konnte. Schuldbewusste schlug sie eine Hand vor den Mund und wurde rot. „Verzeiht mir, Herr. Das stand mit nicht zu.“

„Wie ich bereits sagte: Es gibt nichts zu verzeihen.“ Er lächelte. Erleichtert atmete Shaina auf und verneigte sich. Leise sagte sie: „Auf Wiedersehen, Herr.“ Dann lief sie in Richtung Haupthaus davon.

„Shaina“, rief er plötzlich. Eine ernste Miene aufgesetzt sagte er: „Mein Name ist Jarl Er'shyi.“ Dann schwang er sich in den Sattel und preschte auf seinem Pferd an ihr vorbei zu den Ställen.

Shaina sah ihm einen Moment erstaunt hinterher und ging dann nachdenklich in die Küche.
 

In den Tagen nach ihrer Begegnung mit Jarl auf der Lichtung zog es sie unwillkürlich immer wieder zur Quelle der wilden Rosen.

So lange ihre Zeit es zuließ saß oder stand sie am Ufer, um von ihm zu träumen. Innerlich schalt sie sich für diese hoffnungslosen und absurden Träumereien, doch es half nichts, denn sie konnte ihn nicht vergessen.

Auch ihre Arbeiten verrichtete sie nicht ordentlich und konzentriert, was Marian letztendlich dazu veranlasste ihr die Aufgaben im Wald und der Umgebung zuzuteilen, damit der Herr es nicht bemerkte und sie für ihre Nachlässigkeit bestrafte. Diese Aufgaben kamen Shaina jedoch gerade recht und so hielt sie sich ständig in der Nähe des kleinen Wassers auf, dass aus der Quelle im Stein sprudelte.

Am vierten Tag des Wartens kam er tatsächlich.

Leise, ohne, dass sie ihn bemerkte, trat er hinter sie. „Worauf wartest du? Oder auf wen?“, fragte er neugierig und als sie sich umdrehte sah sie sein zufriedenes Grinsen.

„I-ich...“, stotterte sie und wurde rot, als ihr keine passende Erklärung einfiel.

Sie wollte sich schon aufrappeln und aufstehen, doch Jarl hielt sie mit einer Bewegung seiner Hand davon ab und ließ sich selber neben sie ins Gras fallen.

Stumm saßen sie eine Weile dort. Shaina sah unbehaglich auf ihre im Schoß gefalteten Hände, deren Finger sich umeinander schlangen.

„Ich hab gehofft dich hier wiederzusehen.“ Jarl nahm ihre Hand und schüttelte den Kopf über ihre Nervosität.

Eingehend betrachte er ihre schmale, von Arbeit gezeichnete Hand und strich sanft um einen kleinen Schnitt, der über ihren Daumen verlief.

Erstarrt saß sie da und ließ ihn gewähren. Sie durfte sich seiner Berührung nicht entziehend, doch zu ihrem eigenen Erstaunen wollte sie es auch nicht.

Sie genoss das Gefühl seiner Finger auf ihrer Haut und bemerkte ein angenehmes Kribbeln, das sich in ihrem Bauch und dann im Rest ihrer Körpers ausbreitete.

Dennoch war sie misstrauisch ihm gegenüber. Sie hatte schon zu viel gesehen, als das sie einem Menschen schnell vertrauen wollte.

Ihr Blick traf seinen und es schien ihr, er könne alle ihre Gedanken direkt aus ihren Augen ablesen solch eine Intensität ging von seinen Augen aus.

Erschrocken sprang sie auf und entriss ihm so ihre Hand.

„I-ich muss zurück“, stotterte sie bevor sie die Flucht ergriff und davon lief.

Verwirrt sah Jarl ihr nach und zog eine Augenbraue hoch. Dann erhob er sich, um sich auf den Rückweg zum Nar'tun Anwesen zu machen.
 

Trotz ihrer Furcht vor den unbekannten Gefühlen, die sie ausgerechnet für einen Adeligen entwickelte, ging Shaina sobald es ihre Zeit erneut erlaubte auf die geheime Lichtung.

Die Sonne schien an diesem Tag, doch ein kalter Wind wirbelte die Blätter um sie herum auf und verhinderte, dass es warm wurde.

Shaina sah sich um. Zuerst sah sie ihn nicht, doch dann entdeckte sie ihn. Er saß unter einem Baum, das rechte Bein anwinkelt und den Arm auf einem Knie gestützt, da und sah ihr entgegen. Ein wissendes Lächeln lag auf seinen Lippen.

Entscheiden ging sie langsam zur Quelle und betrachtete diese, während Jarl sie beobachtete.

Er fand es bedauerlich, dass sie ihm nicht zu vertrauen schien, doch er verstand es, wusste wie es war kaum jemanden zu haben und hoffte ihre Haltung ihm gegenüber würde sich bald ändern, denn sie war das erste Mädchen, dem er begegnete, dass ihm wirklich gefiel.

Langsam ließ Shaina sich im Gras nieder und zupfte einige Halme aus dem Boden. Sie spürte seine Blicke, die sie beobachteten deutlich im Rücken.
 

So ging es einige Tage weiter. In stillem Verständnis trafen sie sich auf der Lichtung. Sie sprachen nicht viel, doch bald saßen sie nebeneinander im Gras.

„Bald wird der Winter da sein“, meinte Jarl mit einem Blick in die Umgebung und Bedauern in der Stimme.

Shaina murmelte. „Wenn er da ist wird diese Lichtung von Schnee völlig unzugänglich sein.“ Dabei sah sie ihn von der Seite an.

Jarl nickte. „Aidaan und ich werden bald wieder zurück nach Nutik aufbrechen.“

Shaina merkte, wie sie traurig wurde. Es war eine Andeutung auf einen nahenden Abschied, dass wusste sie. Und würde dieser für lange Zeit sein? Oder gar für immer?

Er würde sie vergessen, dessen war das junge Mädchen sich sicher, denn er würde anderen Mädchen, anderen Frauen begegnen. Dennoch fragte sie: „Wann werdet ihr wieder zurückkehren?“

„Im Sommer.“ War die unbestimmte und doch so genaue Antwort des jungen Mannes.
 

Der Tag der Abreise kam schon sehr bald. Nur eine Woche später war das Gepäck der beiden Männer gepackt und das Hausvolk nahm Abschied. Alle standen auf dem Hof des Anwesens und sahen den Reisenden nach als diese aus dem gusseisernen Tor hinaus ritten.

Stumm stand Shaina bei den anderen und sah den sich immer weiter entfernenden Reitern nach, die langsam, zu kleinen, dunklen Punkten am taubengrauen Himmel wurden.

Traurig ließ sie den Kopf hängen und dachte an das letzte Treffen mit Jarl am Morgen zurück.
 

Er hatte sie alleine in einem Flur erwartet, um sich zu verabschieden.

Sanft lächelnd sagte er: „Wenn ich im Sommer wiederkomme, treffen wir uns auf unserer Lichtung.“

Aus seinen Augen sprach Wahrheit und Shaina wusste, dass er das was er nun versprach in diesem Moment ehrlich meinte, doch vielleicht hatte er es schon bald vergessen. Denn bis zum Sommer lag noch eine lange Zeit vor ihnen in der er viel Zerstreuung in der Hauptstadt um sich haben würde.

Doch sie nickte nur und schwieg, behielt ihre Zweifel und Ängste für sich. Aber sie würde warten, sie wollte warten bis er zurückkam.

„Jarl, wir müssen los!“ Aidaan Nar'tun stand am Ende des Gangs und erwartete seinen Freund mit verschränkten Armen. In seiner Stimme schwang Ungeduld mit. „Beeile dich.“

Jarl nickte ihm kurz zu und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder Shaina zu. „Auf Wiedersehen“, sagte er leise und sah ihr fest in die Augen. Dann lehnte er sich zu ihr hinunter und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, der wie ein Versprechen schmeckte.

Shaina war überrascht, doch nur zu gerne ließ sie ihn gewähren.

Schon bald löste er sich von ihr. Ein letztes Mal strich er lächelnd über ihre Wange, dann ging er zu seinem Freund, der immer noch auf ihn wartete.

Shaina sah ihnen nach. Vorsichtig berührte sie ihre Lippen und lächelte.

Leise murmelte sie: „Auf Wiedersehen, Jarl“
 

Stumm sah Shaina auf die herabfallenden Flocken. Zum Abschied von ihm fiel der erste Schnee des neuen Winters und hüllte schon bald alles in einen Schleier aus wirbelndem Weiß.
 


 

Der Winter kam und ging. Shaina erschien er wie eine Ewigkeit. Tag für Tag fielen die weißen Flocken und hüllten das Land in einen dichten Mantel aus Schnee, der jeden weiteren Weg aus dem Haus und in die Umgebung verbot. So verbrachte Shaina ihre Tage mit Arbeiten und damit den Frühling zu erwarten, denn dieser brachte auch den Sommer ein kleines Stückchen näher.
 

Auch der Frühling kam und ließ die Welt zu neuem Leben erwachen. Überall erblühten die Pflanzen und Blumen. Die Sonne schickte die ersten warmen Strahlen auf die Erde herab, der Schnee schmolz und der Sommer rückte für Shaina in fast greifbare Nähe. Ungeduldig erwartete sie seine Ankunft.
 


 

Shaina richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihr Blick wanderte über die Felder. Überall arbeiten Knechte und Mägde Hand in Hand. Viele lachten und scherzten trotz der schweren Arbeit.

Doch diese war bald vorbei. Die Felder auf denen sich noch vor kurzer Zeit die Halme golden im Wind wiegten hatten, waren geerntet und nur noch die kurzen Stoppeln des Getreides waren übrig geblieben und stachen aus der dunklen Erde hervor.

In der Ferne zeichneten sich undeutlich die Schatten einiger Reiter ab, die auf der staubigen Straße dem Anwesen im gestreckten Trab entgegen ritten.

Schon bald schallte der Ruf „ Der junge Herr ist zurück!“ über die Wiesen und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Menschen auf den Feldern legten ihre Arbeit nieder und liefen zum Haus, um die Rückkehrenden zu begrüßen wie es seit jeher Tradition war.

Auch Shaina lief eilig mit der Menge. So lange hatte sie gewartet. Sie hoffte er hatte sie nicht vergessen, denn sie hatte so oft an ihn gedacht.

Als sie den Hof erreichte ritten Jarl und Aidaan mit ihrem Gefolge gerade durch das Tor. Vor dem Stall zügelten sie ihre Pferde und stiegen ab.

Die Zügel übergaben sie dem Stallmeister Naim und einem Stalljungen namens Wren, die diese sogleich entgegennahmen und die hohen Herrn willkommen hießen.

Shaina versuchte näher an Jarl heranzukommen, doch man ließ sie nicht vorbei und so erhaschte sie nur einen kurzen Blick auf den jungen Mann, der ihr inzwischen so viel bedeutete.

Er hatte sich nicht sehr verändert, doch seine Züge wirkten reifer, weniger jugendlich, während seine Haltung noch genauso stolz war wie vorher, wenn nicht sogar noch eindrucksvoller.

Er ließ seinen Blick über die Menschen schweifen, die von den Feldern kamen, doch er konnte das Gesicht, das er suchte nicht unter ihnen entdecken. Und auch sie sah seinen suchenden Blick nicht, da sie erneut versuchte etwas weiter nach vorne zugelangen.

So sah sie nur noch, wie Jarl und Aidaan die Treppen des Herrenhauses hochstiegen und oben von Belor Loki empfangen und begrüßt wurden.

Entschlossen entschied Shaina am Abend die Lichtung zu besuchen. Wenn er kam wusste sie endlich, ob sie ihm tatsächlich etwas bedeutet oder ob er alles vergessen hatte.
 

Abwartend stand sie da, den Blick starr auf die roten Rosen gerichtet, die sich ganz langsam im Sommerwind hin und her wiegten. Die Oberfläche des Wassers kräuselte sich leicht, als einige Wasserläufer darüber glitten und in den Bäumen zwitscherten die Vögel.

Alles war in ein sanftes rot-orangnes Licht getaucht, das von der untergehenden Sonne kam, die langsam hinter dem Horizont im Westen versank.

Das leise Knacken sich nähernder Schritte ließ sie herumfahren.

Und da stand er. Das Antlitz im goldenen Schein der Sonne, ein Lächeln auf den Lippen und in den grünen Augen.

Atemlos murmelte Shaina: „Jarl.“

Er kam auf sie zu und stand schließlich vor ihr. Seine Hände umschlossen ihr Gesicht und er lächelte wieder.

„Hallo, Shaina“, sagte er bevor er sie küsste.

Nachdem er sich von ihr gelöst hatte, legte er seine Stirn an ihre. „Wie ich es versprach: Wenn ich im Sommer zurückkomme treffen wir uns auf dieser Lichtung.“

Shaina nickte und strahlte. Nun wusste sie sicher, dass sie ihm etwas bedeutete.
 

Zu aufgeregt über ihr Wiedersehen bemerkten Jarl und Shaina nicht, wie der Himmel sich verdunkelte und ein Sommergewitter heranzog.

Erst die Regentropfen, die auf sie herab fielen machten sie darauf aufmerksam.

„Zum Haus ist es zu weit, als das wir es schaffen bevor wir völlig durchnässt sind“, stellte Jarl mit einem Blick in den wolkenverhangenen Himmel fest. „Laufen wir schnell.“

Er nahm Shainas Hand und wollte sie hinter sich her ziehen, doch sie schüttelte den Kopf. „Es gibt hier eine kleine Hütte in der ein Einsiedler lebte, doch seit einiger Zeit steht sie leer. Sie ist viel näher als das Haus. Vielleicht schaffen wir es rechtzeitig dahin.“

Jarl nickte zustimmend. „Gut. Gehen wir dorthin. Schnell.“

Er nahm ihre Hand wieder in seine und sie führte ihn im Laufschritt durch den Wald.

Sie liefen schnell unter den tiefhängenden, dunkelgrünen Ästen her, während die Tropfen immer dichter fielen.

Als sie die Hütte erreichten regnete es in Strömen und sie waren dennoch völlig durchnässt. Das Wasser tropfte nur so aus ihren Haaren und ihrer Kleidung.

In der Hütte schüttelte Jarl den Kopf. Wassertropfen flogen durch die Luft und er murrte: „Ich hasse solche Überraschungen.“

Shaina lächelte. Dann sah sie sich um.

Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein kleiner Ofen, der noch betriebsfähig wirkte. In einem Korb lagen noch Holzscheite, die nie gebraucht worden waren.

Sofort lief sie hinüber und legte einige davon in den Ofen. Sie fischte ein wenig Reisig vom Boden des Korbes und legte diese auf das Holz. Dann holte sie einige Zündhölzer aus der Tasche ihres Kleides und entfachte ein kleines Feuer, das stetig wuchs und flackerndes Licht an die Wände warf.

Zufrieden erhob sie sich und drehte sich um.

Jarl starrte sie an. Unwohl zog Shaina an einer Strähne ihres Haares, die lose in ihrem Gesicht hing. „Was ist denn los?“, wollte sie wissen.

Jarl schüttelte verwirrt den Kopf. „Ohne dich hätte ich hier einige Probleme bekommen“, sagte er ehrlich und machte ein gequältes Gesicht. Er seufzte. „Ich bin wohl doch ein verwöhnter und versnobter Adeliger.“

Shaina wusste nicht was sie darauf antworten sollte, also sah sie sich verlegen noch einmal in der spärlich eingerichteten Hütte um. Auf dem Strohlager lag eine zerschlissene Decke, die sie aufhob und Jarl hinhielt. Sie sah kurz zu Boden. „Du solltest die nassen Sachen ausziehen und dich vor den Ofen setzen, wenn du keine Erkältung bekommen möchtest.“

„Du denkst es auch“, sagte er und nahm die Decke entgegen. Dann setzte er sich auf eine Holztruhe und zog seine Stiefel aus. Seine Jacke und sein Hemd folgten. Unordentlich lagen die Sachen auf dem Boden.

Shaina hob sogleich alles auf und breitete es vor dem Feuer neben ihrem Kleid aus. Dann setzte sie sich nah an den Ofen und zog die Beine an, das Kinn auf den Knien. Leise fragte sie nach: „Was denke ich auch?“

Jarl ließ sich neben ihr nieder und sah in die prasselnden, warmen Flammen. „Na, dass ich ein verwöhnter Bengel aus reichem Haus bin“, erwiderte er und sah sie offen an.

Nachdenklich betrachtete Shaina ihn kurz. Dann sagte sie bestimmt: „Ja.“ Jarl zog erstaunt seine Augenbrauen hoch und Shaina fuhr fort: „Aber nur im ersten Moment. Du erscheinst genauso wie alle anderen deines Standes, stolz und etwas überheblich, aber es gibt auch einen Unterschied: du siehst in jedem Menschen einen Menschen, nicht nur einen Leibeigenen oder Sklaven. Das macht dich zu etwas Besonderem unter deinesgleichen. Du lässt dich nicht von den Traditionen davon abgehalten mit mir zu reden. Mir zu gestatten so mit dir zu reden, wie ich es gerade tue.“ Sie grinste etwas schief.

Danach sah Jarl sie lange stumm von der Seite her an. Sie hatte sich seit ihrem letzten Treffen verändert. Sie war offener geworden. Sie vertraute ihm.

Shaina lächelte. Dann rückte sie plötzlich näher an ihn heran und legte ihre Arme um seinen Hals.

Angenehm überrascht von ihrer Aktion schlang er seine Arme um ihre Hüfte und zog sie näher an sich heran, als sie ihn küsste.

Sie war es auch, die bald darauf den Kuss vertiefte und begann seine Brust zu streicheln. Sanft glitten ihre Finger über die nackte Haut und jagten ihm leichte Schauer durch den Körper.

Seine Hände wanderten von ihrer Hüfte aus über ihren Rücken und fanden ihren Weg zu ihren Haaren in die er seine Finger vergrub.

Dann unterbrach er ihren Kuss und schob sie ein Stück von sich weg. Verwirrt sah Shaina ihn an. Mit einer Hand strich sie sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und wollte etwas sagen, schloss jedoch den Mund wieder und sah Jarl nur weiter fragend und verwirrt an.

Der fuhr sich durch die Haare und seufzte. Er wirkte unglücklich und erhob sich schließlich, um ans Fenster zu treten.

Shaina wandte den Blick zu Boden. „Es tut mir leid. Ich überschreite die Grenzen zu oft in deiner Gegenwart.“

„Nein, nein, das tust du nicht.“ Jarl kam eilig auf sie zu und hockte sich vor sie. „Es ist nur...du verdienst etwas Besseres, als diese Hütte hier.“ Er machte eine ausholende Geste.

Shaina sah ihn sekundenlang sprachlos an, dann lächelte sie belustigt. Jarls Gesicht wirkte so bedrückt und verzweifelt, dass sie einfach nicht anders konnte, als einmal leise zu lachen.

„Glaubst du wirklich ich hätte nicht schon an unbequemeren Stellen geschlafen?“, fragte sie leise und wurde bei ihren nächsten Gedanken unsicher. Was würde er von ihr denken, wenn er erfuhr, dass er nicht der erste Mann war, der bei ihr lag?

Sie sah zur Seite und ließ sich auf die Unterlippe. Dann blickte sie wieder in sein Gesicht. Mühsam brachte sie schließlich heraus: „Und du bist auch nicht der Erste.“

Einen Moment flackerte es in Jarls Augen und Shaina schluckte unbehaglich, dann nickte er verstehend. „Ich werde mich damit arrangieren, Shaina. Ich gebe zu es...verwirrt mich, aber es ist auch ohne Bedeutung für mich.“ Er hob seine Hände an ihr Gesicht und strich mit seinen Daumen über ihre Wangen. „Es ist ohne Bedeutung, weil ich dich liebe.“

Shaina starrte in seine ernste Miene und sog die Luft zwischen ihren Zähnen scharf ein, dann spürte sie seine weichen Lippen auf ihren und schloss glücklich die Augen, während sie ihre Arme um seinen Hals legte.
 

Als Shaina am nächsten Morgen erwachte brauchte sie einen Moment, um sich zu orientieren.

Helles Sonnenlicht schien ihr ins Gesicht und die Morgensonne warf auch auf Jarl ihre warmen Strahlen. Der grummelte nur unwillig als Shaina Anstalten machte sich zu erheben und schlang seine Arme noch fester um sie.

„Jarl, lass mich. Ich muss zurück bevor der Herr mein Fortbleiben bemerkt“, sagte sie, während sie versuchte seiner Umarmung zu entkommen, doch der junge Mann schien nicht gewillt zu sein auch nur etwas locker zu lassen.

Shaina schüttelte ihn etwas unsanft. „Bitte, Jarl, lass mich los. Ich muss gehen.“

„Warum?“, murmelte der daraufhin. „Hier ist es doch sehr schön, auch wenn das Lager etwas hart ist.“

Unwillkürlich musste Shaina lachen. Er war tatsächlich ein verwöhnter Adeliger.

Dann richtete Jarl sich doch auf und sah sie an. „Ich lasse dich jetzt nur gehen, wenn wir uns später wiedersehen.“

Shaina lächelte. „Das wird kaum zu vermeiden sein, auch wenn das Haus noch so groß ist.“

„Ja, das ist wohl wahr“, stimmte er lachend zu.

Shaina sprang schließlich auf und zog ihr Kleid wieder über das Unterkleid, das sie trug und auch Jarl begann sich anzukleiden.

Eilig löschte Shaina die letzte Glut im Ofen und legte die Decke zurück auf das Strohlager. Danach wartet sie ungeduldig bis Jarl seine Stiefel angezogen hatte und sie aufbrechen konnten.

Marian würde wütend sein über ihr Ausbleiben, dessen war Shaina sich sicher, doch sie hoffte, dass die Ältere einen guten Tag hatte und sie so einem größeren Donnerwetter entgehen konnte.

Als Jarl fertig war liefen sie gemeinsam zwischen den Bäumen her Richtung Anwesen, wobei Jarl ihre Hand fest mit seiner umschloss.

Erst als die Tore beinahe vor ihnen lagen lösten sie ihre Finger voneinander. Es war noch nicht an der Zeit, dass man von ihnen erfuhr.

Shaina wollte schon durch die Pforte schlüpfen, doch Jarl hielt sie zurück. Einen Moment sah er sie nur ernst an. Dann sagte er: „Vergiss nicht, dass ich ernst meinte, was ich letzte Nacht sagte, auch wenn ich Belor Nar'tun vielleicht etwas anderes erzählen werde.“

Shaina nickte stumm, dann lief sie über den Hof zum Bedienstetentrakt, während Jarl kurz darauf langsamer auf das Haupthaus zuschritt.

Shaina war kaum in die Schatten des Hauses eingetaucht, als Marian auch schon vor ihr stand, die Hände in die ausladenden Hüften gestemmt.

„Wo zum Teufel bist du die ganze Nacht gewesen?“, polterte sie und Shaina sah betreten zu Boden. Marian seufzte. Etwas ruhiger fuhr sie fort: „Wir haben uns Sorgen gemacht, Kind, als du nach Einbruch der Dämmerung nicht nach Hause kamst. Ich konnte nicht einmal nach dir suchen lassen. Der Herr wäre äußerst aufgebracht gewesen.“

Reuevoll sah Shaina auf. „Es tut mir Leid, dass ihr besorgt wart.“

Marian nickte. Sie sah sie kurz prüfend an. „Mit wem warst du heute Nacht dort draußen?“

Kurz zögerte die Dunkelhaarige, dann sagte sie: „Jarl Er'shyi.“

Marian sah sie etwas überrascht an, sagte jedoch nur: „Geh dich waschen. Dann komm in die Küche. Es wartet eine Menge Arbeit auf uns.“

Shaina nickte und ging dann beschwingt den Flur entlang.

Bevor sie in ihre Kammer schlüpfen konnte rief Marian sie zurück.

„Versuch dich nicht zu sehr auf ihn einzulassen. Er ist einer von ihnen. Irgendwann werden wir ihnen zu langweilig und sie lassen uns fallen.“ Schützend legte die Ältere Shaina eine Hand auf die Schulter. Die Sorge stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

Shaina nickte und spürte einen Kloß im Hals. Nach einiger Zeit sagte sie jedoch überzeugt: „Er ist anders als sie.“

Marian sah ihr traurig nach, als sie den Flur entlang huschte. Leise murmelte sie: „Ich hoffe es.“
 

Ich behielt Recht. Er war anders. Seit dem Sommer auf der Lichtung sind fünf Jahre vergangen. Jarl kehrt mit jedem Sommer zu mir zurück und er beweist mir immer wieder aufs Neue, dass er zu mir gehört, egal wie viel uns der Gesellschaft wegen eigentlich trennen sollte.“

Stumm hatte Zara Shaina gelauscht, während diese ihre Geschichte mit leuchtenden Augen, die ihre Erinnerungen widerspiegelten, erzählte.

„Du liebst diesen Mann wirklich sehr, nicht wahr?“ Als Shaina nickte lächelte Zara zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein wahrlich ehrliches Lächeln. Shaina stockte der Atem, als sie es sah. Vor ihr saß plötzlich jemand, den sie gar nicht kannte. Eine schöne, fröhliche junge Frau, die noch nicht vom Leben gezeichnet worden war.

„Ich hatte schon fast vergessen, wie sehr man einen Menschen lieben kann.“ Zara schüttelte den Kopf. „Dabei ist es das Einzige, was einem am Leben halten kann, wenn etwas Schreckliches passiert. Es ist das Einzige, was Leben lebenswert macht.“ Sie zog die Schultern hoch und legte dann ihre Arme um die Knie.

„Ja, das ist es.“ Shaina griff nach Zaras Hand und drückte sie einmal kurz. „Ich hoffe, dass du das nie mehr vergisst und wieder mehr Liebe erfährst. Ich möchte die echte Zara gerne kennen lernen.“ Sie lächelte und Zara erwiderte es. „Das hoffe ich auch. Ich werde mir Mühe geben sie wieder ins Leben zu rufen.“
 

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Buch II - Teil 1

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«⌘Buch II – Teil 1⌘»
 

„Lass uns eine Rast einlegen. Im Osten zieht ein schweres Gewitter auf, Aidaan!“ Jarl wies mit ausgestrecktem Arm auf die dunklen Wolken, die über den Horizont zogen.

Aidaan sah seinen Freund an. „Seit Wochen liegst du mir in den Ohren, wie sollten endlich zurück nach Ascardia reiten und jetzt, so kurz vorm Ziel willst du noch eine extra Rast einlegen? Vermisst du deine Frau denn gar nicht? Was wird sie wohl dazu sagen?“ Er sah seinen Freund mit einem Grinsen an, dass nur wenige zu sehen bekamen, die dem schwarzhaarigen Mann begegneten.

Jarl erwiderte das Grinsen. „Meine Frau wird sich noch einen Tag gedulden müssen und mich voller Sehnsucht erwarten.“

Aidaan nickte zustimmend und gab das Zeichen zur Rast. Schnell fanden sie einen Platz auf einer Lichtung und es wurde ein Unterstand aufgebaut. Sie sattelten ihre müden Pferde ab, während ein heißer Wind über die Lichtung fegte und den Sturm ankündigte, den sie bereits in der Ferne ausgemacht hatten. Sie hatten gerade alles soweit für das Nachtlager vorbereitet und das Gepäck in Sicherheit gebracht als mit einem lauten Donnergrollen die ersten Blitze über den Himmel zuckten und der Regen auf sie herunter stürzte. Aidaan rief seine Männer in den Unterstand und sie ließen sich gemeinsam auf den Fellen und Decken nieder, die am Boden lagen.

„Wie es aussieht werden wir eine Weile hier festsitzen. Ich schlage vor wir nutzen die Gelegenheit und nehmen unser Abendmahl ein, mein Freund“, sagte Jarl und machte sich sogleich daran eine der Provianttaschen zu durchsuchen. Er förderte Brot, Käse und Früchte ans Tageslicht und hungrig griffen die Männer zu. Als sie ihren Hunger gestillt hatten saßen sie in der Runde und ein älterer Krieger gab eine Geschichte zum Besten in der er und seine Männer einmal mitten in der großen Wüste von einem Regensturm überrascht worden waren. „Fast wären wir damals alle ersoffen, wenn wir nicht diese Felsen erreicht hätten. Und das in der verdammten Nairi-Wüste. Und als wir am nächsten Morgen erwachten hatte sich die Wüste wie durch ein Wunder über Nacht in eine blühende Ebene verwandelt. So etwas hab ich nie mehr in meinen vielen Jahren gesehn, dass kann ich euch sagen.“ Er schüttelte den Kopf und zog an seiner Pfeife. „Und dann sind da noch die Nairi-Frauen. Als die Sonne aufging kamen sie und ritten wie Männer über die weiten Flächen und sammelten die ganzen Blumen ein. Es war auch das Einzige Mal, dass wir diese Weiber ohne ihre Schleier und dichten Gewänder sahen.“

Ein jüngerer Mann sah ihn mit einem an. „Und sind diese Weiber tatsächlich so schön wie man ihnen nachsagt? Mit honigfarbener Haut und nachtdunklen Haaren?“

Bedächtig nickte der ältere Krieger. „Sie sind es. Und sie sind so wild, wie das Land ihrer Ahnen. Du würdest dir nur die Finger an ihnen verbrennen, Junge.“

Der Gemeinte zog erbost die Augenbrauen zusammen, während seine Kameraden ihm lachend auf den Rücken schlugen.

Jarl grinste über die Scherze der Männer, während Aidaan über einer Karte lehnte und eine Wegstrecke berechnete. Jarl beobachte ihn kurz, bis Aidaan auf sah und ihm seine Ergebnisse mitteilte. „Es wird eine Reise von zwei Wochen sein, wenn wir mit Gefolge reisen.“

Jarl nickte. „Und ohne, was meinst du? Eine gute Woche?“

Aidaan nickte zustimmend und faltet die Karte zusammen.

„Dann vergiss die Diener, die du mitnehmen wolltest. Wir rekrutieren dort neue. Außerdem wird das Haus doch in Stand gehalten. Es wird also jemand dort sein, der sich schon bestens auskennt“, schlug Jarl vor und Aidaan nickte langsam. Dann sah er Jarl an. „Und deine Frau? Was ist mit ihr?“

Jarl winkte ab. „Shaina schafft das schon. Sie war bisher selber eine Dienerin. Ihre Ansprüche werden nicht die einer Herrin sein für diese Reise.“ Er lächelte kurz als er an Shaina dachte. Wenn sie erst dort wären, würde er ihr alles geben was sie sich wünschte. Sie würde leben wie eine große Dame und er konnte ihr endlich das geben, was sie verdiente.

„Wie du meinst. Dann werden nur sie und vielleicht eine Köchin und ein oder zwei Stallburschen mitkommen, die sich um die Pferde kümmert, die wir mitnehmen“, entschied Aidaan und sein Freund nickte. Sie setzten sich wieder zu den Männern ans Feuer und ließen sich Wein einschenken.

„Übermorgen werden wir in Ascardia sein.“ Jarl prostete allen zu und nahm zufrieden einen tiefen Schluck aus seinem Becher.
 


 

Die Sonne ging auf, als Shaina Zara sacht an der Schulter rüttelte. Müde schlug diese die Augen auf.

„Wir müssen aufstehen. Es muss noch viel vorbereitet werden bevor der junge Herr eintrifft.“ Sie lächelte und Zara nickte und stand auf. Sie ignorierte das Ziehen auf ihrem Rücken und kleidete sich an, während Shaina ihre Haare zusammenband. Als sie fertig war trat sie hinüber und band auch Zaras Haare zu einem Zopf, den sie im Nacken hochsteckte, damit er nicht über ihren Rücken strich.

Gemeinsam gingen sie in die Küche, die Versammlungsort für alle Bediensteten war. Marian verteilte bereits Aufgaben und eilig huschte einer nach dem anderen wieder hinaus. Als sie bei Shaina und Zara stehen blieb lächelte sie der Jüngeren kurz zu und schickte sie in den Ostflügel, indem die Zimmer für die jungen Männer bereitet werden mussten.

Etwas unwohl folgte Zara Shaina, die mit großen Schritten vorauseilte. Als sie etwas hinter ihr zurückblieb sah Shaina sich um. Sie öffnete den Mund um etwas zu fragen, schloss ihn jedoch wieder und runzelte die Stirn. „Der Herr ist heute in Ascardia. Er wird nicht vor dem Abend zurückkehren.“

Erleichtert beschleunigte Zara ihre Schritte wieder und folgte Shaina durch eine der großen hölzernen Türen. „Dies ist das Gemach des jungen Herrn, Aidaan.“

Sie zogen die seidenen Gardinen vor den großen Fenstern fort und befreiten Tische, Stühle und Kommoden von den weißen Tüchern, die sie vor Staub und Schmutz schützten. Die wertvollen Persanteppiche mussten ausgeschüttelt werden und das Bett frisch gemacht. Als Shaina an einer Kordel zog, fielen dünne Chiffontücher von der Decke bis auf den Fußboden und trennten den Raum in verschiedene Teile.

Erstaunt stellte Zara fest, dass es nun aussah, wie in den luxuriösen Stadthäusern Nairi-Fürsten, die die Herrscher ihrer Heimat waren. Wie oft hatte sie ihren Vater in die Städte begleitet und war in den Palästen gewesen, die aus Sandstein gehauen über die einfachen Häuser ragten. Wie oft hatte sie fasziniert alles in sich aufgesogen, was sie dort gesehen hatte. Dieses Zimmer gab ihr endlich das Gefühl gar nicht so weit von zu hause wegzusein.

Mit einem Lächeln folgte sie Shaina, um Jarls Zimmer herzurichten.

Spät in dieser Nacht fielen die Frauen müde ins Bett und schließen fest ein.
 


 

„Wir brechen auf!“ Aidaans dunkle Stimme schallte über die Lichtung und die Männer stiegen auf ihre Pferde. In einem schnellen Trab ritten sie von der Lichtung zurück auf die Landstraße.

Sie passierten eine Gruppe Bauern, die ihnen schnell aus dem Weg ging und sich tief vor den Herren verneigte. Ohne sie weiter zu beachten passierten die Reiter die Brücke über den Ascard und preschten in Richtung Ascardia davon.

Sie ritten scharf, um ihr Ziel zu erreichen und nach einer guten Stunde verließen sie den Wald, den sie soeben durchquert hatten und die Felder von Ascard House tauchten vor ihnen auf. In diesem Sommer waren die Knechte schon fertig mit der Ernte und nur noch Maisfelder wiegten sich im leichten Sommerwind, während die Sonne hoch am Himmel stand.

Aidaan und seine Männer trieben ihre Pferde in den Galopp und nach wenigen Minuten tauchte auch Ascard House vor ihnen auf. Wie eine helle Festung lag das Anwesen da, umgeben von der hohen weiß getünchten Mauer. Heimat, aber nicht zu Hause.

Aidaan hob die Hand und sie ritten auf direktem Wege auf das weit geöffnete Tor zu. Sie sprengten in den Hof und brachten ihre Pferde mit rutschenden Hufen vor dem Stellgebäude schließlich zum Stehen.

Aidaan gab einem Stalljungen mit Sommersprossen einen Wink und sogleich übernahm er das nachtschwarze Ross von seinem Herrn. Aidaan ging währenddessen mit festen Schritten auf das Haupthaus zu und entledigte sich seiner Handschuhe. Ein kurzer Blick nach rechts sagte ihm, dass Jarl an seiner Seite das Gleiche tat. Gemeinsam traten sie vor Belor Loki, der bereits mit einem Lächeln auf sie wartete.

„Aidaan, Jarl, wie schön euch zu sehen.“ Er umarmte jeden von ihnen mit der von allen erwarteten, höflichen Umarmung, die unter Familie und guten Freunden üblich war. „Richtige Männer seid ihr geworden. Wie ihr gerade in den Hof gesprengt sein. Sehr beeindruckend.“ Er lächelte wieder sein Lächeln, doch seine Augen blieben leer.

„Danke, Großvater.“ Aidaan nickte ihm zu, bemühte sich jedoch nicht um ein Lächeln. Belor Loki nickte ihm seinerseits zu und wies auf die offene Haustür. „Ihr seid bestimmt erschöpft von der Reise. Ich werde dafür sorgen, dass man euch ein Bad herrichtet. Danach würde ich es begrüßen, wenn ihr mir zum Abendessen Gesellschaft leisten würdet. Es muss gefeiert werden, dass ihr hier seid.“

Aidaan nickte und Belor Loki sah zu Jarl. Der bemerkte es jedoch nicht. Seine Augen hingen an Shaina, die am Torbogen zum Gemüsegarten stand, einen Korb aus geflochtenem Schliff auf der Hüfte und mit einem glücklichen Lächeln auf den vollen Lippen. Er wollte zu ihr gehen, als er Aidaans Hand auf der Schulter spürte und seine Stimme hörte: „Jarl, du wirst auch gerne an dem Abendessen heute teilnehmen, nicht wahr?“

„Wie?“ Jarl löste seine Augen von Shaina und sah zu Aidaan und seinem Großvater, die ihn erwartungsvoll ansahen. „Natürlich, werde ich da sein.“

„Sehr schön.“ Er schnippte mit den Fingern und zwei Jungen kamen herbei. „Sie werden für eure Bäder sorgen und frische Gewandung.“ Mit diesen Worten verschwand Belor Loki im Haus, jedoch nicht ohne einen Blick dorthin zuwerfen, wo Shaina eben gestanden hatte. Ein unwilliger Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als er niemanden sah.

Kaum war er verschwunden tauchte Shaina wieder im Hof auf, neben sich ein junges Mädchen, dass ebenfalls einen Korb auf der Hüfte trug. Sogleich eilte Jarl zu Shaina und wollte ihr den Korb abnehmen, was sie vehement verneinte. Er nickte und gab ihr stattdessen einen Kuss.

Er warf einen Blick auf die Schwarzhaarige neben Shaina. Sie hatte den Blick gesengt und war zwei Schritte zurück getreten, um ihnen etwas Privatsphäre zu geben. Er nickte zufrieden und strich Shaina über die Wange.

„Ich habe dich vermisst“, sagte sie und lächelte. Er gab ihr das Lächeln zurück: „Ich dich auch.“

Er hörte, wie Aidaan sich hinter ihm räusperte. Auch wenn er sie außerhalb von Ascardia vorbehaltlos als seine Frau akzeptierte, hatten sie vor vielen Jahren die Vereinbarung getroffen, dass sie hier nur eine seiner Geliebten war. Zu ihrem eigenen Schutz. Belor Loki hätte nie geduldet, dass einer seiner Schützlinge eine Frau von solch niederer Geburt zur Frau nahm.

Jarl seufzte. „Komm nachher zu mir.“ Shaina nickte und er gab ihr einen flüchtigen Kuss bevor er zurück zu Aidaan ging und sie im Haus verschwanden.

Mit einem Lächeln drehte Shaina sich zu Zara um. „Komm, wir müssen das schnell reinbringen.“

In der Küche standen Rauchschwaden und es herrschte wieder eiliges Treiben.

„Na hast du deinen Prinzen schon gesehen?“, fragte Amina Shaina, als die eintrat und sie nickte. „Und du deinen Bettgefährten?“ Das Grinsen auf ihrem Gesicht übertrug sich auf Aminas Züge. „Nein noch nicht, aber ich bin eingeteilt die Herrschaften zu bedienen.“

Marian trat sie. „Hier wird nicht gequatscht heute. Amina, geh mit Kala, Mahina und Zara in die Waschräume und zieht euch ordentlich an.“

Aminas Gesichtszüge entgleisten kurz. „Kala?“

„Ja, Kala. Jetzt beweg dich und lass mal deine Feindschaft ruhen“, orderte Marian an und schob Amina zur Tür. Zara sah die ältere Frau an. „Geh du mal mit ihr. Und pass auf, dass sie und Kala sich nicht die Augen auskratzen!“ Sie drehte sich um und murmelte noch: „Diese beiden bringen mich noch mal ins Grab und alles nur wegen den Männern.“

Shaina grinste über Marians Worte und nickte Zara aufmunternd zu. Stumm folgte sie Amina aus der Küche. Die starrte düster vor sich her und stapfte durch die Halle.

„Warum denn Kala? Diese dumme...Arrg!“

Zara holte Amina ein und fragte: „Was hast du gegen Kala?“

„Sie ist ein Flittchen! Immer versucht sie mir das Leben schwer zumachen. Und mit ihren blonden Locken wickelt sie einfach alle um den Finger!“ Amina sah inzwischen beleidigt aus und Zara wartete nur darauf, dass sie wie ein Kind trotzig mit dem Fuß aufstampfte. Doch sie schien sich im letzten Moment zu beherrschen und straffte ihre Schultern. Hoch erhobenen Hauptes setzte sie dann ihren Weg fort: „Komm, Zara, wir müssen gehen!“

Als sie zu Kala und Mahina traten verstand Zara, warum Amina so offensichtlich eifersüchtig war. Kala fiel völlig aus dem Rahmen. Im Vergleich zu ihnen hatte sie goldene Locken, silbergraue Augen und eine elfenbeinfarbene Haut. Mahina, Amina und sie selber waren dunkelhaarig und mit Ausnahme von ihr selber auch mit dunklen Augen ausgestattet worden. Sie alle glichen sich und Kala stach hervor – und sie wusste es.

Sie sah nur kurz auf, als sie den Raum betraten und fuhr dann fort ihre Haare zu bürsten. Auch Amina sagte kein Wort und begann sich zu waschen.

Als Marian kurze Zeit später kam, um sie zu holen hatte noch keiner ein Wort gesagt und das Schweigen lag schwer im Raum.

Sie seufzte laut. „Diese Rivalität bringt euch rein gar nichts ein, Mädchen. Und damit das klar ist: wenn ihr euch gleich nicht zusammen reißt, dann wird das ein Nachspiel haben! Verstanden?“ Sie sah sowohl Amina als auch Kala an und die beiden nickten gehorsam. „Gut, dann in den Salon. Die Herrn werden heute dort speisen.“

Die Frauen gingen in den besagten Raum, wo schon ein Tisch gedeckt war und drei Sitzgelegenheiten hergerichtet waren.

Mit ein paar schnellen Handgriffen richtet Marian noch einige Kissen bevor sie zufrieden nickte und stellte sich vor die Mädchen, um die Herren zu erwarten.

Nach ein paar Minuten öffnete sich die Tür und Jarl trat ein. Er nickte Marian kurz und ließ sich dann an der linken Seite des Kopfplatzes nieder. Lässig streckte er die Beine aus und wartete geduldig auf den Belor und seinen Enkel.

Interessiert musterte Zara den Mann, dem Shaina ihr Herz gegeben hatte. Er hatte für ihre Begriffe sehr lange Haare für einen Mann, die im Lampenschein zeitweise Gold aufglänzten sonst eher eine dunklere Färbung aufwiesen. Seine Augen waren von einem dunklen Grün, dass in den Aufsätzen seiner Tunikajacke aufgefangen wurde und auf der Herzseite seiner Brust prangte ein schwarz tätowierter Drache, der sich bis über seine Schulter fortsetzen musste.

Als die Tür geöffnet wurde sah Jarl auf und auch Zaras Blick ging in besagte Richtung. Der Belor der Nar'tun trat ein, Aidaan folgte ihm. Unbewusst versteifte Zara sich, als sie Loki sah. Eine Gänsehaut überzog ihre Haut und ihr war plötzlich kalt. Sie versuchte ihre Augen von ihrem Herrn abzuwenden, doch es wollte ihr nicht gelingen. Genauso wenig, wie sie den Schauder unterdrücken konnte, der über ihre Haut lief.

Erst als Amina ihr einen Stoß in die Seite gab und sie mit einem Grinsen fragte: „Sieht er nicht wirklich umwerfend gut aus?“ fand sie in die Wirklichkeit zurück. Verwirrt blinzelte sie und Amina verdrehte die Augen des Unverständnisses wegen. „Aidaan Nar'tun.“

Zum ersten Mal betrachte sie den Mann an Belor Lokis rechter Seite. Sein Haar trug er wie Jarl, doch sie waren tiefschwarz und auch sonst glichen sich die beiden Männer in Körperbau und Kleidung. Doch Aidaan erschien sehr viel ernster als sein Freund. In ihm war eine Anspannung, die man sehen konnte. Und als er aufblickte erhaschte sie einen kurzen Blick in seine sturmgrauen Augen. Sie waren kalt.

Amina zuliebe nickte sie dennoch und sagte: „Ja, wirklich.“
 

„Anscheinend hast du heute Nacht zwei Bettgefährtinnen, mein Freund.“ Jarl grinste Aidaan anzüglich an und der nickte, wobei er Amina und Kala beobachtete, die ihm ein Lächeln schenkten bevor sie sich gegenseitig einen bösen Blick zuwarfen. Jarl lachte leise. So ging das schon den gesamten Abend über. Die beiden Frauen versuchten jeweils die Aufmerksamkeit von Aidaan auf sich zu ziehen und warfen sich anschließend Blicke zu, die wirklich tödlich waren. „Wenn sie sich nicht vorher die Augen auskratzen.“

„Das wäre wirklich bedauerlich“, stimmte Aidaan ihm zu und griff nach seinem Weinkelch. Kurz warf er einen Blick auf das Mädchen, das ihn für ihn gefüllt hatte. Überrascht stellte er fest, dass sie hübsch war, doch ihre unscheinbare Aura machte sie uninteressant für ihn. Er trank einen Schluck und dachte nicht mehr an sie.

„Ich werde mich nun zur Ruhe begeben“, teilte der Belor in diesem Moment mit und Aidaan und Jarl erhoben sich mit ihm. Respektvoll wünschten sie ihm angenehme Bettruhe und wartet bis die Tür ins Schloss fiel bevor sie sich wieder setzten.

Plötzlich wich die Anspannung von Aidaan und er streckte sich ebenso entspannt aus, wie Jarl. „Willst du denn gar nicht zu deiner Frau? Sie wartet bestimmt schon auf dich.“

Nach diesem Zeichen nickte Jarl und lächelte. „Ja.“ Er stand auf und verabschiedete sich mit einem: „Ich wünsche dir eine angenehme Nacht.“ Bevor er verschwand.

Da betrat Marian leise den Raum. Mit einem Nicken und einem Wink ihrer Hand entließ sie Zara und Mahina. Zara warf unwillkürlich einen Blick zurück in den Raum. Aidaan starrte versunken in seinen Kelch und rührte sich nicht.

Als Zara dann ihre Kammer betrat, war Shaina wie erwartet nicht mehr dort. Müde schlüpfte sie aus ihrem Kleid und legte sich schlafen.
 

Als Jarl sein Zimmer betrat war es dunkel. Nur vereinzelt warfen kleine Lampen ihr flackerndes Licht über die Wände. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an das Dämmerlicht, doch schließlich entdecke er die, die er gesucht hatte. Shaina lag auf dem Bett und hatte ihren Kopf auf ihre Hände gebettet und schlief. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er kniete sich neben sie. Sanft strich seine Hand über ihre Haare und ihre Augenlider begannen zu flackern. Verschlafen sah sie ihn an und lächelte. „Ich habe auf dich gewartet.“

„Ich weiß.“ Er lehnte sich zu ihr und gab ihr einen langen Kuss. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie. Da spürte er ihr Lächeln an seinen Lippen. Langsam löste er ihren Kuss und schob ihr lächelnd eine verirrte Strähne hinters Ohr. Sie lächelte wieder und ihre Hand legte sich auf seine Brust, wo sie die Tunikajacke zur Seite schob und sie sie nach unten wandern ließ. Jarl grinste kurz. Dann sagte er: „Ich habe dich vermisst, mein Herz.“

„Das weiß ich.“ Shaina schmunzelte. „Willst du dann nicht zu mir kommen?“

Er nickte, zog seine Stiefel aus und legte sich neben sie. Seine Arme umschlangen sie fest und zufrieden legte sie ihren Kopf an seine Brust und genoss das Gefühl seiner Hände auf ihrer Haut und seine Haut unter ihren Fingern.
 

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Buch II - Teil 2

«⌘Buch II – Teil 2⌘»
 

Aidaan stapfte wütend durch die Halle. Erneut hatte er eine Auseinandersetzung mit seinem Großvater, dem Belor gehabt. Die Sechste in den letzten zwei Wochen. Loki passte der Plan der beiden jungen Männer nach K'Tar zu gehen nicht, die sich dort auf einem Anwesen niederzulassen gedachten, dass Aidaan von seinem Vater geerbt hatte. Belor Loki gefiel es nicht, dass er, Aidaan sich von im abwenden wollte.

Aidaan ballte wütend die Faust. Er war inzwischen erwachsen, nicht mehr der kleine Junge, der seine Eltern verloren hatte. Er würde sich nicht von seinem Großvater bevormunden lassen und ihm gestatten über sein Leben zu bestimmen. Er war einfach nicht gewillt ihm diese Macht noch einmal über sich zu gewähren.

Entschlossen ging er den Flur entlang. Seine Geduld war erschöpft. Er hielt vor Jarls Tür und klopfte laut an. Dann trat er ein.

Er rauchte noch immer unübersehbar vor Wut. Jarl sah ihm abwartend entgegen, die Augenbrauen hochgezogen, während Shaina sich aufrichtete. Aidaan blieb vor dem Diwan stehen auf dem Jarl und Shaina es sich gemütlich gemacht hatten.

„Was ist passiert, Aidaan?“ Ruhig sah Jarl seinen Freund an. Dieser sah dagegen zu Shaina, als ob entscheiden müsste, ob er nicht lieber allein mit Jarl wäre für diese Unterredung.

„Er verlangt, dass wir hier bleiben. Nein, nein: er befielt es mir“, brauste Aidaan dann doch auf. „Wie einem unmündigen Kind!“

Shaina rutschte unauffällig vom Diwan. Sie wollte die Freunde lieber nicht weiter stören, während ihres Gesprächs. Doch Jarl hielt sie am Handgelenk fest und schüttelte unmerklich den Kopf. Dann wandte er sich an Aidaan. „Wirst du dennoch gehen?“

„Ja!“ Entschieden ballte Aidaan eine Hand zur Faust. „Und schon bald. Ich will so schnell, wie möglich abreisen! Wenn es dir Recht ist natürlich, Jarl!“

„Wann könnten wir los?“ Jarl sah von Aidaan zu Shaina und wieder zurück.

„In zwei Tagen“, antwortete Aidaan.

Dann sahen beide Männer zu Shaina. Zustimmend nickte sie kurz.

„Gut, dann sollten wir keine Zeit mehr verschwenden. Jarl, wir brauchen Diener, Stallburschen. Such ein paar Freiwillige für die Reise. Sie dürfen auch zurückkehren, fürstlich entlohnt.“ Aidaan sag seine beiden Gegenüber an und Jarl nickte. „Gut, dann Jarl, mach dich auf den Weg. Ich kümmere mich, um den Rest“, befahl Aidaan und Jarl erhob sich in einer fließenden Bewegung.

Shaina verließ den Raum mit den beiden Männern. Während sie zum Eingang des Herrenhauses gingen, lief Shaina jedoch zu Marian. Sie hatte das Recht alles sogleich zu erfahren.

Sie fand die Matrone mit Zara beim Bohnen döppen im Garten vor der Küchentür. Sie hörte, wie Marian der Schwarzhaarigen von ihren Sprösslingen und ihren Taten erzählte, als diese noch Kinder gewesen waren. Zara lächelte leicht und lauschte gespannt.

„Entschuldigt bitte. Marian, ich muss dich sofort sprechen“, machte Shaina sich bemerkbar.

Zustimmend nickte Marian und wies auf einen freien Hocker neben sich. Shaina setzte sich und griff nach einer Bohnenstange, um die Schale zu lösen. Zara warf dagegen eine leere Hülle in den dafür bereitgestellten Korb und stand auf. „Sagt mir, wenn ihr euer Gespräch beendet habt und ich weiter arbeiten soll.“

„Du kannst bleiben, Zara!“, beschied Shaina sogleich und lächelte. Zara zögerte, ließ sich jedoch wieder nieder.

„Nun, Shaina, was ist passiert?“, wollte Marian schließlich wissen.

Shaina schluckte. „Sie wollen in zwei Tagen abreisen. Die Zeit ist gekommen. Sie werden nicht zurückkehren. Und ich werde Jarl folgen.“ Sie sah Marian an, doch aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Zaras Gesichtszüge entgleisten.

Marian dagegen nickte. „So sei es. Du hattest Recht. Er hat sich dir loyal gegenüber verhalten. Will er dich immer noch heiraten, mein Mädchen?“ Shaina nickte, sah jedoch zu Zara. Sie schien völlig verstört.

Shaina musste sich wieder Marian zuwenden, als diese fort fuhr: „Das ist gut. Ich wünsche dir nur das Beste! Möget ihr mit vielen Kindern gesegnet werden und einer glücklichen Ehe.“ Die Matrone hatte Tränen in den Augen, als sie die obligatorischen Glückwünsche aussprach.

„Ich danke dir, Marian.“

„Möge das Glück dich nie verlassen, Shaina“, meldete sich nun auch Zara zu Wort und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Sie bemühte sich, um ein Lächeln, doch die Traurigkeit in ihren Augen war nicht zu übersehen.

Schweigend betrachtete Shaina Zara. Diese schnappte sich den Korb, der nun mit Bohnen gefüllt war und stand auf. Mit einem Nicken in Richtung der beiden Frauen, ging sie in die Küche. Shaina sah ihr nach.

Marian riss sie aus ihren Gedanken. „Sie wird es nicht leicht nehmen, dass du gehst. Du bist wichtig für sie geworden. Wie eine Schwester.“

Shaina nickte. Nachdenklich zog sie an einer losen Strähne ihres Haares. Nach einer Weile sah sie Marian an. „Ich werde Jarl und Aidaan bitten sie mitzunehmen!“

Marian nickte zustimmend. „Eine gute Idee. Sie wird es dir ewig danken und du wirst eine treue Freundin in der Fremde brauchen. Als Frau eines Edelmannes umso mehr.“
 

Shaina fand Aidaan in den Ställen mit Naim. Sie hätte lieber Jarl darum gebeten, dass Zara sie begleiten dürfe, doch er war noch nicht wieder in Ascard House und Shaina wollte diese Sache so schnell, wie möglich geregelt haben. Und letztendlich würde es so oder so Aidaan sein, der die Entscheidung traf.

Sie seufzte kurz und machte sich durch ein Räuspern bemerkbar. Aidaan und Naim wandten sich ihr sogleich zu und nickten zum Gruß.

„Was kann ich für dich tun, Shaina?“, fragte Aidaan schließlich und Naim entfernte sich mit dem großen Rappen auf sein Zeichen.

„Es gibt da ein Mädchen...“ Sie zögerte kurz, nicht sicher, ob er ihre Bitte gewähren würde. Sie war sich nie sicher, was Aidaan von ihr hielt, ob er sie wirklich an der Seite seines Freundes akzeptierte.

Aidaan sah sie abwartend an. „Was ist mit diesem Mädchen?“

„Ich möchte dich bitten, dass sie uns begleiten darf“, sprudelte Shaina schnell heraus. Sie fuhr sich mit einer Hand nervös durch die Haare, als Aidaan sie prüfend musterte. „Warum?“

Shaina sah ihn an. Aidaan war nicht jemand für zu viel Gefühlsduselei. Er war eher nüchtern und praktisch veranlagt.

„Wir könnten sie als Küchenmädchen gebrauchen“, murmelte Shaina, unwohl unter seinem durchdringenden Blick. Dann besann sie sich. „Außerdem ist sie wichtig für mich. Sie ist, wie eine Schwester.“

Aidaan betrachtete sie einen Moment lang, dann nickte er. „Sorg dafür, dass sie morgen bereit für die Reise ist.“ Damit wandte er sich um und ging aus dem Stall.

Shaina folgte ihm kurz danach mit dem Ziel Zara so schnell, wie möglich zu finden. Sie war nur wenige Schritte aus dem Stall, als Jarl in den Hof ritt.

Sie blieb stehen und Jarl ritt auf den Stall zu. Neben ihr brachte er sein Pferd zum stehen und sprang ab. Lächelnd zog er sie an sich und küsste sie im Schatten des Stalls.

Als sie sich voneinander lösten trat Wren zu ihnen, um Jarl die Zügel abzunehmen.

„Danke, Wren“, sagte er und wandte sich dann wieder Shaina zu. „Bist du bereit für morgen?“

Sie sah an seinen Augen, wie glücklich er war über die Reise in ihre gemeinsame Zukunft und nickte ebenso glücklich. „Ja, ich kann es kaum erwarten.“

„Es wird fantastisch, mein Herz! Wir werden bald schon Mann und Frau sein und wir werden viele Kinder haben und immer glücklich zusammen sein“, ließ er sich hinweg tragen und Shaina lachte. „Ja, werden wir!“

„Ich werde dir endlich all das geben können, was ich schon so lange möchte, Shaina!“ Er war plötzlich ernst. „Du wirst schöne Kleider und Schmuck tragen. Und was immer du willst, sollst du von mir haben solange es auch nur irgendwie in meiner Macht steht, es dir zu geben!“

Shaina lächelte. „Das hört sich wundervoll an, aber das Wichtigste für mich ist, dass wir uns endlich nicht mehr verstecken müssen. Ich will deine Frau sein und deine Kinder großziehen.“

„Das lässt sich leicht arrangieren.“ Er grinste sie an bevor er fort fuhr: „Wir könnten gleich damit anfangen.“

Shaina lächelte und schob ihn von sich, als er sie wieder an sich zog und seine Hände ihren Hintern fanden. „Ich muss arbeiten!“, protestierte sie leise.

„Na und? Ich bin ein edler Herr. Niemand wird etwas sagen“, meinte Jarl leicht hin. Shaina schüttelte den Kopf. „Nein, wahrlich nicht, doch dann muss Zara alle Körbe alleine tragen und mein Gewissen würde mich nicht mehr in Ruhe lassen, Liebling. Außerdem muss ich Zara noch etwas Wichtiges sagen!“

„Was kann so wichtig sein, dass du nicht in mein Bett willst? Außer deinem Gewissen natürlich!“, grinste er sie an.

Shaina lächelte wieder. „Ich habe Aidaan, um Erlaubnis gebeten, dass Zara uns begleiten darf. Er hat dem zugestimmt.“

„Das Mädchen ist dir wirklich sehr wichtig, nicht wahr?“ Jarl sah sie nachdenklich an. Seit er hier war hatte Shaina ein großes Interesse an dem Mädchen gezeigt. Das hatte er noch nie bei ihr erlebt, dass ein Einzelner ihr so wichtig war. Über die Jahre hatte sie immer wieder Sorge über das Befinden einiger Anderer ihm gegenüber gezeigt, doch Namen waren meist nur einmal gefallen. Er hätte viele beim Besten Willen nicht wieder abrufen können, doch Zara war anders. Sie stand Shaina nah. So nah, wie vielleicht nur er selber.

„Ja, sehr sogar.“ Ernst sah Shaina ihn an und er nickte. „Dann geh und such sie. Ich freue mich sie kennenzulernen, wenn du ihr so sehr zugetan bist.“

„Danke.“ Shaina lächelte und gab ihm einen Kuss. Dann war sie fort.
 

Zara war im Garten am Unkraut zupfen, als Shaina sie fand. Fröhlich begrüßte sie sie und Zara rang sich ein Lächeln ab.

„Na, na. Kein Grund an so einem wundervollen Tag betrübt zu sein, Zara“, sagte Shaina fröhlich und Zara schüttelte den Kopf. „Nein, außer, dass du morgen alles für immer zurück lässt, was hier ist.“ Mich auch, dachte sie, doch traute sich nicht es zu sagen.

„Du hast Recht. Doch ich habe eine Überraschung für dich. Wenn du es möchtest, kannst du mit uns kommen. Ich habe Aidaan, um Erlaubnis gebeten.“ Shaina sah Zara abwartend an. „Ich kann den Gedanken nicht ertragen dich alleine zurück zulassen . Und ich werde eine Freundin brauchen in der Ferne. Jemanden, wie dich.“

Zara sah sie mit großen Augen an. „Meinst du das ernst?“

„Natürlich! Jetzt sag endlich ja, damit ich mir keine Sorgen machen muss!“ Shaina lachte und Zara nickte eilig. „Natürlich gehe ich mit dir! Nichts lieber als das!“

Sie sprang auf und umarmte Shaina stürmisch.

Shaina flüsterte: „Ich kann doch nicht ohne meine kleine Seelenschwester gehen!“
 

Am nächsten Morgen herrschte eifriges Treiben auf dem Hof. Die Sonne war gerade erst ihm Osten erschienen, als Naim und seine Jungs Pferde in den Hof brachten, sattelten und beluden.

Aidaan, Jarl und die Männer, die mit ihnen gekommen waren sattelten ebenfalls ihre Rösser und machten sich bereit für die Reise. Die angeheuerten Diener kümmerten sich mit Naim als Aufseher, um die Tiere, die an langen Stricken mit geführt wurden und für die Pferdezucht auf dem Anwesen in K'Tar gedacht waren. Es war ein gutes Dutzend bester Tiere, die Aidaan in den letzten Tagen ausgewählt hatte.

Shaina und Zara standen etwas verloren im Trubel bis Jarl mit Naim zu ihnen trat, zwei beinah identische Stuten an der Hand. „Naim hat diese Beiden für euch gesattelt.“

„Liebe Tiere sind die Zwei. Da kann gar nichts schief gehen!“, fügte Naim hinzu und beide Frauen nickten. „Shaina, Perla ist für dich. Sie ist das gutmütigste Pferd in diesem Stall.“

Er gab Jarl die Zügel, damit er sich um Shaina kümmerte, während er dem anderen Pferd auf den Hals klopfte. „Zara, du kennst Canaan ja.“

Zara nickte und griff nach den Zügeln. Sie legte sie über Canaans Hals und streichelte die Stute. Als Aidaan das Zeichen zum Aufsitzen gab, schwang sie sich mühelos, wie er und seine Männer in den Sattel und verstellte die Riemen für ihre Füße. Sie erntete einige erstaunte Blicke, doch sie ignorierte sie gekonnt. Hier war es nicht üblich, dass Frauen reiten konnten, doch da wo sie herkam, war es das natürlichste der Welt. Sie hatte genau, wie die Jungen schon als Kind das Reiten gelernt.

Die Kolonne wollte schon vom Hof reiten, als Belor Loki aus den Haus stürmte. Er blieb vor Aidaan stehen und schnaufte kurz, bevor er begann seinen Enkelsohn anzubrüllen: „Wie kannst du es wagen dich über meinen Befehl hinwegzusetzen?! Ich werde dich enterben! Dann stehst du vor dem Nichts!“

Die Stille im Hof war beinahe greifbar, jeder hielt den Atem an, bis Aidaan antwortete: „Du kannst mich nicht halten. Und das Erbe? Es gibt keinen Anderen mit den geringsten Ansprüchen darauf. Wenn deine Zeit gekommen ist wird es meines sein. Du wirst nichts dagegen tun können.“

Der Belor schäumte vor Wut über die ruhigem, gleichgültige Antwort. „Ich werde...Ich werde...“ Er unterbrach sich selber, bevor er lächelte. Eiskalt und berechnend. „Du wirst nichts bekommen, Enkel. Und wenn ich dafür einen Erben zeugen muss.“

Sollte die Antwort Aidaan getroffen haben, merkte man es ihm nicht an. Er nickte nur und sagte: „Erwarte nicht, dass ich zu deiner Vermählung erscheine. Doch benachrichtige mich, wenn dein Erbe da ist, damit ich meine Glückwünsche senden kann.“ Dann gab er erneut das Zeichen zum Aufbruch und gab seinem Hengst die Fersen, der daraufhin mit großen Sprüngen aus dem Tor sprengte. Sein Trupp folgte ihm.

Ihre Reise begann.

Buch II - Teil 3

Hier ist das neue Kapitel von "Unwritten Pain". Es ist das Letzte von Buch II. Im nächsten Teil wird es dann einen kleinen Zeitsprung geben ;)

Ich hoffe es gefällt euch und erfüllt die Erwatungen :)

LG Suzame
 


 

«⌘Buch II – Teil 3⌘»
 

Die ersten Tage der Reise führten den Konvoi durch die Wälder von Lagdor.

Die Wälder waren ein bevorzugter Ort für die Vogelfreien und Gesetzlosen, doch sie verhielten sich still. Jarl vermutete der Soldaten wegen und doch waren alle erleichtert, als sie die Seenebene von Kor erreichten, die sie bis zum Hinek überqueren mussten.

Die Ebene war ein recht menschenleerer Ort. Zwischen den Seen und Tümpeln gab es nur wenig Platz Ortschaften und Straßen zu bauen und so lebten vor allem Einsiedler hier von den verstreuten kleinen Ebenenfischer-Gehöften abgesehen.

An eben diesen Höfen hielt man übernacht. Die Bewohner der Ebene waren ein gutmütiger und sehr gastfreundlicher Schlag Menschen trotz ihres abgelegen Lebens.

Als sie an diesem Abend hielten, wurden sie freundlich von einem Fischer und seiner Familie begrüßt.

„Seid gegrüßt, Bayan“, grüßte der Mann Aidaan. „Ihr wollt die Nacht hier verbringen?“

„Ja, Ellan.“ Aidaan nickte bedächtig und Ellan nahm sogleich alles in die Hand.

Er gab seinen Söhnen ein Zeichnen, die das Scheunenentor öffneten und zusammen mit Aidaans Leuten die Pferde hinter dem Haus anbanden und ihnen Fußfesseln anlegten, da der Koral für diese Anzahl an Tieren bei weitem nicht ausreichte.

Währenddessen beförderte Ellans Frau Smira, Shaina und Zara ohne Umstände ins Haus.

Sie bot ihnen einen Platz am Feuer an, denn es wurde jeden Tag kälter, je mehr sie gen Norden kamen. Smira begann sofort einen weiteren großen Pott mit Eintopf und Brühe zu kochen. Sie schickte ihre Tochter, ein Mädchen mit langen, braunen Zöpfen hinaus, um den Männern zu sagen, sie könnten sich hier eine wärmende Brühe holen.

Nach und nach kamen die Stalljungen und Soldaten, um sich ihr Abendessen zu holen. Jarl kam mit einem Mann, um die Vierzig Sommer herein und dem Stalljungen Wren. Während Jarl sich mit seiner Schüssel neben Shaina setzte, gingen die anderen wieder, doch im Hinausgehen warf Wren Zara noch einen lange, verleibten Blick zu.

Doch diese merkte es gar nicht. Sie war müde und die Kälte setzte ihr zu die nun Tag und Nacht herrschte. In der Wüste sanken des Nachts ebenfalls die Temperaturen um ein vielfaches im Winter, doch wenigstens wurde es am Tag warm und brachte das Leben und die Wärme in die Knochen und den Körper zurück. Doch hier fror sie ununterbrochen.

Shaina hatte es längst bemerkt und Jarl hatte versprochen noch vor der Besteigung des Schiffs in Manda passende Kleider zu besorgen.

Zara hustete und zog ihren Umhang näher um sich, sodass sowohl Shaina als auch Jarl sie besorgt ansahen.

„Ist alles in Ordnung, Zara?“, fragte Shaina und ihre Freundin nickte. „Müde bin ich. Und es ist kalt.“

„Das stimmt. Du solltest etwas essen und dann schlafen, kleine Seelenschwester.“ Shaina schloss sie in die Arme, während Zara nickte.

Jarl räusperte sich. „Die Scheune wird unser Quartier sein. Nimm dir noch meine Decke, Zara. Ich werde Shainas mit ihr teilen.“

Dankbar lächelte Zara Jarl an und Shaina nickte zufrieden. „Dann iss auf.“

Zara löffelte gehorsam ihren Teller leer bevor sie ihn lächelnd Smira gab. „Vielen Dank, Biya. Es war sehr gut.“

„Gerne, Kind. Schlaf gut“, erwiderte die Frau und strich Zara über die kalte Wange, bevor diese in die Scheune ging. Auf dem Weg nahm sie ihre Decke, den Beutel mit ihren Habseligkeiten und auch Jarls Decke von dem Stapel vor dem Haus mit.

Sie hatte die Scheune noch nicht erreicht, als Shaina auf sie zulief. „Jarl und ich gehen noch ein Stück spazieren. Wir wollen gerne etwas alleine sein. Kommst du zurecht, kleine Schwester?“

„Natürlich. Geht nur. Ich lege mich schon schlafen.“ Sie lächelte müde und Shaina drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut.“ Dann ging sie zu Jarl, der auf sie wartete.

Zara hingehen betrat die kleine Scheune. Sie ging an den Männern vorbei, die um ein kleines Feuer saßen, Karten spielten, aßen und tranken.

Sie machte es sich schließlich an einem Pfosten, der das Dach der Scheune hielt, bequem und holte ihre Bürste aus dem Beutel, indem ihre wenigen Besitztümer verstaut waren.

Mit langsamen, bedächtigen Bewegungen begann sie ihren Zopf aufzuflechten und dann ihre Haare zu bürsten.

Versunken starrte sie vor sich hin bis sie eine Stimme neben sich hörte: „Mensch, Kleines, was hast du dich denn bis jetzt immer mit deinem Zopf für kleine Mädchen versteckt?“

Verwirrt sah Zara auf und sah den Mann fragend an. Es war einer der Soldaten, die mit Aidaan und Jarl nach Ascard House gekommen waren.

„Komm mal zu mir, Kleines. Lass uns ein bisschen Spaß haben.“

Er griff nach ihr und zog sie auf die Füße.

„Nein, danke“, erwiderte Zara ihm und versuchte sich loszumachen, doch der Mann hielt sie fest und lachte nur. „Ach komm schon, Süße. Spiel hier doch nicht die Unschuldige. Es wird dir gefallen.“

Wieder versuchte Zara ihn wegzustoßen. „Wohl kaum. Lasst mich los!“

„Stell dich nicht so an, Kleines.“ Als er sie in den Schatten ziehen wollte, versuchte sie wieder sich zu wehren. Sie sah zum Feuer, doch dort bemerkte keiner ihre Lage oder wenn, schien es keinen zu interessieren.

„Nein, ich will das nicht!“ Als ihr die plötzliche Ausweglosigkeit ihrer Situation bewusst wurde, kämpfte sie damit ihre Tränen zurückzuhalten. „Nein, lasst das.“

In diesem Moment betraten Aidaan und Wren die Scheune. Aidaan sah nur kurz zu Zara und Mali. Er kannte Mali lange genug, um zu wissen, dass er einfach keine Frau lange nur ansehen konnte. Und die Frauen liebten ihn. Überall hatte er seine treuen Geliebten.

Zara war eigentlich zu jung für sein Beuteschema, doch wenn sie ihn wollte, sollte er sich nicht einmischen.

Aidaan schüttelte den Kopf und wollte sich schon auf sein Lager fallen lassen, als Wren plötzlich rief. „Lass sie sofort los!“

Aufmerksam folgte Aidaan nun dem Ruf. Wren stand neben Mali und versuchte ihn von Zara wegzustoßen, doch Mali schob ihn selber zur Seite. „Hau ab, Junge. Das geht dich nichts an. Du bist doch noch ein Kind. Was weißt du schon.“

Wren sah wütend aus und wenn er den Fehler beging Mali anzugreifen, würde er den Kürzeren ziehen und vermutlich nicht glimpflich davonkommen, also schritt Aidaan ein, der jeden Ärger auf dieser Reise verhindern wollte. „Mali, Wren. Was soll das?“

„Der Bursche mischt sich in meine Angelegenheiten mit dem Mädchen ein“, erwiderte Mali sogleich.

Wren schnaufte empört. „Zara will doch gar nicht!“

Da sah Aidaan zu dem Mädchen. Sie stand mit gesenktem Kopf da, während Mali sie noch immer am Arm festhielt. Er konnte ihre Augen nicht sehen, da ihr die Haare ins Gesicht fielen.

„Zara?“ Als Aidaan sie ansprach zuckte sie zusammen. Doch sie hob unmerklich den Kopf.

„Wer von beiden hat denn nun Recht?“, wollte er wissen und Mali drückte fest ihren Oberarm. Sie wusste genau, was er sie sagen hören wollte, doch sie konnte nicht. Furchtsam schwieg sie bis Aidaan seine Finger unter ihr Kinn legte und ihr Gesicht hob. Er betrachtete sie kurz und nickte. „Ich verstehe. Wren, geh ans Feuer. Du hast genug getan.“

Der Junge gehorchte sofort, wenn auch widerwillig und sah sich nocheinmal um, während er sich setzte.

Dann wandte sich Aidaan wieder Mali und Zara zu. „Lass sie endlich los, Soldat!“

Sofort ließ Mali das Mädchen los und nahm Haltung an, während Zara einen Schritt auf Aidaan zumachte.

„Ich will, dass das klar ist: Zara ist die Schwester der Biya! Keiner hier rührt sie an und schon gar nicht gegen ihren Willen. Verstanden?“ Er hatte laut gesprochen und alle Männer in der Scheune nickten. Mali sah jedoch unzufrieden aus. Das Mädchen hatte sein Ansehen bei Aidaan sinken lassen, das wusste er und es machte ihn wütend. Doch wie hätte er wissen können, dass die Kleine und ihr Freund so einen Aufstand veranstalten würden?

„Du hast Glück, Mali. Du hast noch nie etwas getan, dass ich nicht toleriere. Doch so etwas dulde ich nicht. Das passiert nicht wieder.“ Aidaans Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er salutierte. „Nein, Bayan. Wird nie wieder vorkommen.“

Zufrieden nickte Aidaan. „Zara, nimm deine Sachen. Du schläfst da vorne neben mir“, ordnete Aidaan an. Ihm war bewusst, dass er damit Anspruch vor seinen Männern auf sie erhob, doch Shaina und Jarl würden ihn einen Kopf kürzer machen, sollte er sie nicht ordentlich schützen. In diesem Fall auch vor sich. Doch sie war noch ein Kind. Er würde sie wohl kaum anrühren wollen und müssen. Das hatte er nicht nötig.

Und doch, als sie sich neben ihm niederließ und ihn mit ihren fragenden, blauen Augen ansah spürte er, dass sie ihm gefiel. Er schalt sich einen Narren. Sie war vielleicht dreizehn. Ein Kind, auch, wenn sie an diesem Abend älter aussah mit ihren offenen Haaren und den Augen, die schon schlimme Dinge gesehen hatten.

„Schlaf. Ich habe keine Absichten, Zara, außer dich zu beschützen. Das verspreche ich“, sagte er, als sie ihn immer noch ansah und keine Anstalten machte sich schlafen zu legen. Sie nickte schließlich und lächelte ihn an. „Danke, Bayan.“ Dann legte sie sich hin und schlief ein. Was er nicht wusste, war das sie mit ihren letzten Gedanken ihn bedachte. „Er ist anders. Nicht, wie sein Großvater.“ Auch ihre Erleichterung darüber ahnte er nicht.

Aidaan blieb derweil mit seinen Gefühlen allein, doch schon am Morgen hatte er sich wieder gefangen und sich klargemacht, dass er sie nur schützen wollte. So wie ein Vater oder ein Bruder.
 

Zwei Tage später erreichten sie Manda und die Reisenden atmeten auf. Noch war eine Schifffahrt den Hinek entlang möglich. In einer Woche oder zwei würde das anders aussehen und wenn sie zu spät gewesen wären hätten sie in Manda festgesessen bis der Frühling kam. Doch so sollten sie, wenn das Eis kam längst in Foryn sein, wo sie wieder an Land gehen würden.

Während das Schiff geladen wurde blieben Shaina und Zara zum größten Teil in der Schänke am Hafen und zwischendurch machten sie einen Rundgang über den Markt, wo Jarl zwei warme Pelzmäntel für sie ersteigerte, die die Kälte auf der Reise von nun an fernhalten sollten.

Und schon am späten Nachmittag stießen die Reisenden mit der „Faye“ in See. Sie segelten die Nacht hindurch, denn der Mond stand voll und hell am Himmel und es gab keine gefährlichen Strudel oder Sandbänke.

Die ersten beiden Tage auf dem Schiff vergingen schnell. Zara schlief vorwiegend. Sie hatte einen Husten bekommen und fühlte sich nicht gut. Erst am dritten Tag kam sie zum ersten Mal wieder an Deck. Sie war noch blass, sah jedoch besser aus, als zu Beginn der Fahrt.

Shaina war erleichtert darüber. Als sie beobachtete, wie Jarl Zara über das Schiff führte und ihr alles erklärte, während sie gespannt zuhörte.

Es war ein großes Abenteuer für sie, die die meiste Zeit ihres Lebens in der Wüste gelebt hatte.

Nach einer Weile bemerkte sie Aidaan neben sich.

„Es wird bald schneien“, teilte er ihr mit. Shaina sah in den Himmel. Graue Wolken hingen tief über ihnen und es roch nach Schnee. Shaina hatte diesen Geruch lange nicht mehr in der Nase gehabt, doch er war unverkennbar. Sie wusste plötzlich, sie hatte ihn oft als Kind gerochen. Sie schreckte auf. Es war merkwürdig an ihre Kindheit erinnert zu werden, denn eigentlich erinnerte sie sich an nichts. Es waren momentane Eingebungen, Augenblicke von denen sie dachte sie schon einmal erlebt zu haben. Sie mochte es auch nicht darüber nachzudenken. Es gab keine Lösung für ihre Rätsel. Es war Vergangenheit.

Sie räusperte sich. „Ja, es sieht so aus.“

Aidaan nickte und Shaina dachte er würde wieder gehen, doch zu ihrer Überraschung blieb er stehen. Aidaan war Shaina auch ein Rätsel. Er war meist distanziert und kühl anderen gegenüber, doch manchmal blitzte etwas anderes auf, dass er zu verstecken suchte. Wärme, Fürsorge.

Sie blieben so stehen und irgendwann begannen die ersten Schneeflocken zufallen. Es wurden immer mehr und Shainas Blick fiel auf Zara und Jarl. Unwillkürlich musste sie lächeln. Zara stand mit ausgestreckten Händen da und sah in den Himmel. Sie hatte ein begeistertes Lächeln auf den Lippen. Die Kapuze ihres schweren Mantels war ihr vom Kopf gerutscht und gab einen Blick auf ihr Gesicht und die langen, schwarzen Haare frei, die sich im Wind leicht kräuselten. Shaina lachte leise. „Sie sieht aus, wie eine kleine Eisfee, nicht wie eine Wüstenprinzessin.“

Aidaan dachte kurz an die Märchen der Eisfeen und als Zara sich einmal fröhlich im Kreis drehte, stimmte er Shaina nickend zu.

„Sie ist ein schönes Mädchen“, lächelte Shaina versonnen.

Aidaan räusperte sich. „J-ja.“ Er hielt kurz inne, dann fuhr er fort, den Blick immer noch auf Zara. „Ich habe neben ihr gelegen. Sie ist ein Kind. Und doch erschien sie mir für einen schwachen Moment meinerseits begehrenswert.“

Shaina sah Aidaan an, doch er erwiderte ihren Blick nicht. Sie bemerkte seine inneren Qualen über sein Geständnis und schließlich sagte sie: „Zara ist fünfzehn Sommer. In den meisten Augen kein Kind mehr. Wenn sie eine Familie hätte, wäre sie vielleicht schon bald verheiratet.“

Überrascht sah Aidaan sie an. „Sie sieht aus, wie zwölf oder dreizehn unter ihrem weiten Mantel und mit ihrem feinen Gesicht!“

„Ja. Und sie ist, wie ein Kind. So unschuldig und jung in ihrer wahren Art. Doch was hat sie schon alles sehen müssen.“ Shaina sah Aidaan an. „Es ist gut, wenn sie noch, wie ein Kind angesehen wird und nicht, wie eine Frau. Sie hat es verdient sich erst wieder zu erholen bevor sich wieder ein Mann für sie interessiert.“

Aidaan sah sie fragend an, doch er war zu taktvoll zu tatsächlich zu fragen, was sie meinte. Aus irgendeinem Grund antworte Shaina dennoch auf seine ungestellte Frage. Sie sah zu Zara. „Ich war auch vierzehn, als ich das erste Mal bei einem Mann lag. Es war furchtbar, obwohl er sehr vorsichtig war und es in seiner Absicht lag, dass es mir gefiel. Und trotzdem war es furchtbar schmerzhaft. Doch nie in meinem Leben hat sich ein Mann mir aufgezwungen. Sie musste das erleben. Und dafür hat sie noch Schläge bekommen. Weil sie sich gewehrt hat.“

Ihre Offenheit überraschte Aidaan. Doch schon zu Beginn war es das was Jarl an ihr so geschätzt hatte, was ihn fasziniert hatte. Und dann wusste er, warum sie es ihm überhaupt erzählt hatte.

„Mein Großvater war es.“

Shaina nickte. Dann kamen Zara und Jarl zu ihnen hinüber. Shaina wischte die Wut und Traurigkeit von ihren Zügen und lächelte.

Und Aidaan verstand plötzlich. Für Shaina und vor allem für Zara war dies die Reise in ein neues, besseres Leben.

Buch III – Teil 1

So, hier ist nun der 1. Teil von Buch III :) Ich wünsche euch viel Spaß beim lesen :)
 

Buch III – Teil 1
 

High Hill, K'Tar - 3 Jahre später
 

Mit einem Poltern öffnete sich die Tür des Herrenhauses.

Zara zuckte zusammen, als ein kalter Windstoß durch die Tür fegte. Sie drehte sich um, um den Ankömmling anzufahren, er solle gefälligst zumachen, es wäre kalt und die Herrin würde heute noch mit ihrem Kind niederkommen, wobei es keinesfalls eiskalt im Haus sein sollte.

Doch sie bekam keine Silbe heraus, als sie Aidaan erkannte, der sich die Kapuze vom Kopf zog. Mit einem Nicken grüßte er sie, während sein Diener Wren die Tür schloss. „Zara. Wo ist Jarl?“

„Er ist oben. Er wartet“, antworte sie schnell und wies die Treppe herauf.

Aidaan nickte. „Ich gehe zu ihm. Wren, geh dich aufwärmen. Ich werde deine Dienste heute nicht mehr brauchen.“

Wren nickte und verneigte sich vor seinem Herrn, der bereits auf die Treppe zuschritt.

„Aidaan - Bayan“, hielt ihn Zaras Stimme jedoch zurück.

„Hm?“ Irritiert sah Aidaan zurück.

Zara schluckte. Aidaan war der wahre Herr von High Hill, auch wenn er selten da war. Meist hielt er sich in Nutik auf. Der Hauptstadt und dem Sitz des Königs, dessen Berater er war. Trotz seiner Jugend war er ein Vertrauter des jungen Königs von Lyras geworden und hatte sich durch das Wohlwollen ihres Herrschers Einfluss am Hof verschafft. Jarl hatte erzählt, dass Neider gerne sagten, dass Aidaan nur so viel Einfluss auf den König hatte, da sie zusammen zur Schule gegangen waren, doch viele wichtige Personen achteten ihn seiner Umsichtigkeit wegen. Er war ein angesehener Edelmann durch und durch. Und dies merkte man in jeder seiner Regungen, selbst in den Kleinsten. Womöglich hatte sie aus diesem Grund von Beginn an sehr viel Respekt für ihn empfunden. Man wusste nie, wie er reagieren würde oder was er dachte. Ja, vielleicht war er deswegen von allen ihm Haus so beachtet, wenn er da war. Wahrscheinlich kümmerte sich deswegen jeder sofort um sein Wohlergehen, wenn er da war.

„Möchtet ihr Tee, heiße Schokolade oder Kaffee zum Aufwärmen, Herr? Ich kann in der Küche Bescheid geben.“

Sie machte da keine Ausnahme. Schon seit er sie damals in der Seenebene von Kor vor Malis Übergriff geschützt hatte, dachte sie oft über sein Wohl nach. Sie fühlte sich manchmal von ihm angezogen, wenn er vor ihr stand, wobei sie sich selber überhaupt nicht verstand. Er hatte nie sonderlich großes Interesse an ihr gezeigt.

Sie war eben die Schwester der Frau seines Freundes.

Und dennoch wollte sie ihm gerne gefallen – und wenn es nur ihre Aufmerksamkeiten waren.

„Kaffee mit Zucker, wie immer. Danke“, teilte er ihr mit und nickte zufrieden, doch mit einem kurzen Lächeln. Zara nickte ebenfalls und Aidaan ging.

Die junge Frau wollte schon in die Küche eilen, als Wrens Stimme nun sie zurückhielt: „Zara?“

„Ja?“ Fragend sah sie den jungen Mann an, der nun vor ihr stand.

Nervös fuhr er sich durch die Haare. Dann griff er in seine Manteltasche und holte einen in Tuch gehüllten, ziemlich kleinen Gegenstand heraus. „Ähm, es ist...ein Geschenk. Für dich.“ Aidaans Knappe war selten verlegen, doch nun wurden selbst seine Ohren rot, um die Spitzen.

Zara stockte der Atem. „Aber Wren, warum?“

„Es ist nur ein kleines Geschenk. Es wird dir gefallen“, wich er aus und drückte das Päckchen der verdutzen Zara in die Hand. Vorsichtig schlug sie den Stoff auseinander und betrachtete den Inhalt. Es war ein winziges, sehr filigranes Aquarell der Nairiwüste.

Sprachlos starrte Zara das Bild an. Unzählige Gefühle kamen in ihr auf. Heimat, Familie, Wärme – aber auch Angst, Verzweiflung, Schreie, Feuer.

„D-Danke, Wren. Das ist sehr nett von dir.“ Sie lächelte unsicher. Seine Geste rührte sie. Nur einmal hatte sie ihm gegenüber ihre Herkunft erwähnt und es lag bereits lange Zeit zurück. Dennoch erinnerte er sich daran.

„Es freut mich, dass es dir gefällt. Weißt du, ich dachte ich schenke dir etwas Besonderes. Denn schon damals in Ascard House mochte ich dich so gerne, Zara.“ Wren sah verlegen drein, aber auch hoffnungsvoll nach seinem Geständnis.

Zara blickte derweil stumm auf das Bild. Sie traute sich nicht Wren anzusehen. Er war nett und zuvorkommend, doch sie wollte seine Avancen nicht. Er war wirklich oft für sie da gewesen und hatte sich um sie gekümmert, doch er war für sie wie ein Bruder nichts mehr und nichts weniger. Und eigentlich war es das Letzte was sie für den Moment in ihrem Leben wollte: ein Ehemann, der ihr sagen konnte was sie zu tun hatte, was zu lassen und der davon Gebrauch machen würde. Sie mochte Wren, doch er war genau so ein Mann. Er würde eifersüchtig über sie wachen und von ihr erwarten, dass sie die perfekt Ehefrau war.

Sie war nicht bereit die Freiheit, die Shaina ihr verschafft hatte achtlos wegzuwerfen. Dafür war sie zu wertvoll. Doch Wren verletzten wollte sie ebenso wenig. Mit der Absicht es zu vermeiden, schwieg sie.

Wren räusperte sich schließlich. „Ich werde dann mal in die Küche gehen. Werde dann Marla den Wusch des Herrn mitteilen. Du hast bestimmt etwas für die Herrin zu erledigen.“

Zara nickte schnell. Sie sah Wren zum ersten mal seit Beginn des Gesprächs wieder an und sah die Traurigkeit in seinen Augen. Er hatte ihre Gefühle erkannt, dass sie seine nicht in dem Maße erwiderte, wie er sie für sie hefte.

Zara wollte sich plötzlich bei ihm entschuldigen, doch er war schon an ihr vorbeigegangen. Ein unwohles Gefühl machte sich in ihr breit. Mitleid, Schuld. Doch was sollte sie tun?

Sie konnte eine Lüge zu seinen Gunsten nicht leben. Nicht in ihrer Lage. Sie war eine der wenigen Frauen, die tatsächlich frei waren – frei zu wählen, frei ihr Leben zu gestalten. Mit all der Unterstützung, die sie brauchte. Und sie wollte es nutzen. Sie wollte frei entscheiden. Darum würde sie sich auch nie mit einem Mann vermählen, den sie nicht liebte.

In dieser Nachdenklichkeit machte sie sich auf den Weg zu Shainas Gemächern, denn ihre Freundin lag in den Wehen der Geburt ihres zweiten Kindes.

Im Flur angekommen sah sie bereits Aidaan und Jarl. Aidaan saß ruhig auf dem Diwan gegenüber der Tür und hatte die Beine ausgestreckt. Zara hörte, wie er Jarl ansprach, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen unaufhörlich auf- und abging: „Jetzt setz dich. Das Kind kommt auch nicht früher, wenn du so herum wanderst!“

„Aidaan, wenn die Frau, die einmal deine sein wird, mit einem deiner Kinder niederkommt, werde ich dich an deine eigenen Worte erinnern. Dann wirst du verstehen, wie ich mich im Moment fühle, mein Freund“, belehrte Jarl ihn und fuhr in seiner Tätigkeit fort.

Zara huschte zur Tür und wollte hineingehen, doch Jarl hielt sie zurück. „Sag mir bitte gleich, wie es ihr geht. Die verdammten Hebammen sind dabei so kooperativ, wie ein Felsen!“ Jarl sah unzufrieden und beleidigt aus – und mehr als alles andere besorgt.

Also nickte Zara und verschwand im Raum.

Schon nach wenigen Minuten kam sie zurück. Sie trat zu Jarl. „Du hast Recht. Die Hebammen sind wirklich Felsen. Sie haben mich wieder rausgeschickt und jetzt kann ich Shaina nicht beistehen!“ Sie sah enttäuscht aus, doch irgendwo auch etwas erleichtert.

„Mädchen, wenn du dein erstes Kind zur Welt gebracht hast, kannst du von mir aus bleiben solange du willst, aber vorher solltest du glücklich sein, dass ich mich um dich sorge!“ Malina, die Hebamme aus dem Dorf, steckte ihren Kopf durch die Tür und schaute Zara streng an. Die nickte artig, etwas verstört darüber, dass Malina ihre Worte gehört hatte. „Gut. Dann bring mir in einer halben Stunde neues Wasser, Zara!“

Damit schloss sie die Tür wieder hinter sich.

„Felsen, die um dich besorgt sind, Zara, hm?“ Aidaan schien amüsiert und als Zara auch noch schmollend eine Schnute zog und die Arme verschränkte, grinste er sie an.

Jarl beendete das Geplänkel indem er nach Zaras Arm griff und sie besorgt ansah. „Was ist mit Shaina?“

„Es geht ihr soweit ganz gut, glaube ich, aber...“ Sie hielt inne und zupfte am Ärmel ihres Kleids, bevor sie fort fuhr: „Ich soll dir ausrichten, dass sie noch ein Hühnchen mit dir rupfen wird, wenn sie es hinter sich hat. Du sollst dich gefälligst für die nächste Zeit nicht mehr in ihrem Schlafgemach sehen lassen und sie wird bestimmt nicht jedes Jahr eines deiner Kinder zur Welt bringen. Was danach noch kam, weiß ich nicht. Da musste ich schon hinaus.“

Schweigen folgte für einen Moment bis Aidaan mit einem Schulterzucken sagte: „Immerhin hat sie dieses mal nicht gesagt, dass sie dich dafür hasst und nie wieder ein Kind zur Welt bringen wird, Jarl.“ Er sah wieder amüsiert aus.

Jarl nickte nur und lächelte dann. „Sie wird es sich sowieso wieder anders überlegen.“ Die Sorgen in seinem Gesicht waren weniger geworden, nachdem er von Shainas Ausbruch gehört hatte, doch sie waren noch nicht vollständig verschwunden. Das würde erst geschehen, wenn seine Frau und das Kind wohlbehalten und gesund waren. Und so nahm er seine alte Beschäftigung wieder auf und schritt auf und ab.
 

Als der Morgen graute kam Malina erneut aus dem Gemach heraus. Sie ging zu Jarl und tauschte einige leise Worte mit ihm, die weder Zara noch Aidaan verstehen konnte, da sie auf dem Diwan saßen. Doch sie sahen den Schrecken auf Jarls Gesicht. Dann nickte er und Malina ging wieder.

Abwartend sahen Zara und Aidaan Jarl an. Der räusperte sich kräftig. „Hm, nun...Malina sagt, es wird noch eine Weile dauern. Sie...es geht Shaina nicht gut.“ Er atmete tief ein und aus. „Sie ist sich nicht sicher, ob beide das überleben. Shaina ist geschwächt von dem Husten, den sie letzte Woche noch hatte.“ Jarl rang mit den Händen. Seine Fassung war sichtlich erschüttert.

Aidaan trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Zara dagegen starrte noch immer Jarl an, der sich nun gesetzt hatte, den Kopf in den Händen abgestützt.

Shaina dufte nichts geschehen! Zara kniete sich auf den Boden und schloss die Augen. Leise begann sie in der alten Sprache ihres Volkes für das Wohl ihrer Freundin und das des Kindes zu beten. Unaufhörlich murmelte sie die Gebete ihrer Kindheit und ohne das sie es merkte vergingen die Stunden.

Alls sie Sonne am höchsten über dem Gut stand kam Malina erneut. Müde, doch mit einem Lächeln.

„Ein Mädchen, Bayan. Ihr habt nun eine Tochter“, erklärte sie und gab den Weg zum Gemach frei. „Die Herrin möchte euch sehen, Bayan.“

Jarl sprang auf und eilte sofort ins Zimmer.

Malina lächelte zufrieden. „Er ist ein sehr guter Mann. Die Herrin kann sie glücklich schätzen.“ Zustimmend nickten sowohl Aidaan, als auch Zara. „Vielleicht haben die Götter sie deswegen nicht zu sich geholt. Sie wird hier noch zu sehr geliebt, nicht wahr?“ Sie sah Zara kurz mit einem warmen Lächeln an. „Sie möchte auch dich gleich sehen“, sagte sie noch bevor sie ging.

Zara sah der Hebamme kurz nach und plötzlich begann sie zu zittern. Sie sprang ebenfalls auf und dann umarmte sie Aidaan, der neben ihr stand. Sie klammerte sich an ihn und schluchzte auf. „Sukran, Rhavan, sukran.“

Zögerlich legte Aidaan seine Arme, um ihre Schultern. Von ihren gedämpften Worten verstand er nur das Nairi-Wort „Danke“, dass sie wiederholt murmelte. Doch er vermutete, dass sie Gott dafür dankte, dass Shaina es geschafft hatte, denn immerhin hatte sie stundenlang gebetet. Er spürte ihre große Erleichterung und drückte sie näher an sich. Er verstand sie. Ihre Zuneigung zu Shaina war so tief, wie seine zu Jarl, wenn nicht sogar noch tiefer. Die Zuneigung einer Seelenperson.

Er fuhr mit seiner Hand über ihre Haare. Sie rochen nach Mondorchideen und fühlten sich seidig an zwischen seinen Fingern. Ganz anders, als die gepuderten und frisierten Haare der Frauen aus der Stadt, in deren Gesellschaft er verkehrte – egal, ob sie von Adel waren oder nicht.

Vorsichtig schob Aidaan Zara von sich. „Es ist gut, Zara. Ihr geht es gut.“ Er sah sie eindringlich an. In ihren Augen glitzerten Tränen, doch dann lächelte sie. „Ich weiß.“

Verwirrt sah Aidaan sie an. Sie lächelte und weinte zugleich. Dann lächelte er ebenfalls. „Ja.“

Einen Moment sahen sie sich nur lächelnd an. Sie waren Zeugen eines kleinen Wunders geworden. Dem Wunder des Lebens, dass Gott geben konnte.

„Ama Zara?“

Kaleb, Shainas und Jarls kleiner Sohn stand mit seinem Kindermädchen auf dem Flur. Aidaan ließ Zara los und sie streckte dem Jungen die Hand entgegen. „Komm zu mir, Kaleb.“

Mit den tapsigen Schritten eines kleinen Kindes kam er auf sie zu und griff nach ihrer Hand. Mit seinen großen, grünen Augen sah er sie an, als sie ihn hochhob. „Mama?“

„Ich bringe dich zu ihr. Du hast jetzt eine kleine Schwester, auf die du gut aufpassen musst“, sagte Zara leise und Kaleb nickte.

„Dann gehen wir.“

Sie ging mit dem Kind auf dem Arm in Shainas Gemächer. Durch die Tür kam man in einen Vorraum, einer Art Empfangszimmer oder Aufenthaltsraum, dann erst durch eine Flügeltür in das Schlafzimmer. Shaina saß aufrecht in ihrem frisch bezogenen Bett und mit einem neuen Nachthemd bekleidet, mit ihrer neugeborene Tochter im Arm. Jarl saß neben ihr und bestaunte ihr zweites Kind, wobei er glücklich lächelte.

Als er Zara mit Kaleb auf dem Arm und Aidaan erblickte, rief er aus: „Seht nur, wie wunderschön sie ist!“

Zara lächelte,. Genau wie Aidaan. Kaleb kletterte derweil auf Shainas Bett und sah seine Schwester eher misstrauisch an. Er legte den Kopf schief und sah seine Eltern an, als wolle er sagen: „Seid ihr sicher, dass das meine Schwester ist?“

Shaina lächelte und drückte den jungen mit dem noch freien Arm an sich. „Guck nur Kaleb, dass ist ist deine Schwester.“

Wie Kleb das kleine Mädchen neugierig ansah und Jarl und Shainas sich anlächelte, fühlte Zara sich fast wie ein Eindringling. Aidaan schien es ebenfalls so zu gehen, denn er räusperte sich. „Ich beglückwünsche euch zur Geburt euer Tochter.“ Er berührte respektvoll erst seine Stirn und dann seine Lippen.

Unwillkürlich machte auch Zara diese Geste, wobei sie Shainas Blick auffing. Leise sagte die: „Komm mal zu mir.“

Jarl stand auf und ging zu Aidaan, damit Zara sich neben Shaina setzten konnte. Sie betrachtete das kleine Bündel, dass Shaina ihr entgegenhielt. Das Kind hatte das Gesicht verzogen, schien jedoch zu schlafen. Fragend sah Zara Shaina an, die nickte. Zögerlich nahm Zara das Neugeborene auf den Arm. Ganz vorsichtig stütze sie ihren Kopf und hielt das kleine Mädchen fest. „So winzig klein. Noch viel kleiner als Kaleb nach seiner Geburt.“

Shaina unterbrach ihre Gedanken. „Ich hab es gespürt. Deine Gebete, Zara. Ich konnte dich dort knien sehen, deine Stimme hören. Du warst bei mir, die ganze zeit über. Ich danke dir.“ Sie lächelte und Zara sah sie verwirrt an. „Wie kann das sein?“, flüsterte sie.

„Ich weiß es nicht, aber es ist auch unwichtig. Du warst da.“ Shaina drückte Zaras Hand, als Jarl sie unterbrach. „Zara?“

„Ja?“

„Du kennst dich unsere Tradition: einem neugeborenen Jungen gibt man einen Mann als Paten, einem Mädchen eine Frau. Shaina und ich haben entschieden, dass du die Patin für unsere Tochter sein sollst. Darum gib uns dein Einverständnis für ihren Namen, um die Patenschaft zu akzeptieren“, sagte Jarl mit ernster Miene.

Eine Patenschaft war eine Ehre. Die Eltern vertrauten dem Paten das Leben ihres Kindes an, falls sie verstarben ehe das Kind für sich selber sorgen konnte. Es war ein Vertrauensbeweis in die ausgewählte Person.

Zara hatte tatsächlich nicht damit gerechnet, dass sie sie darum bitten würden Patin zu werden. Sie war nur eine freigelassene Sklavin. Kinder eines Adeligen bekamen in der Regel einflussreiche, meist auch edelmännische Paten zur Seite gestellt. So wie Aidaan. Er war Kalbes Pate. Dem Jungen würde es nie schlecht ergehen, selbst wenn seinen Eltern etwas geschehen sollte.

Doch das kleine Mädchen?

Sie hatte kaum etwas. Und doch scheinen Jarl und Shaina ihr ihre Tochter anvertrauen zu wollen. Das erfüllte sie mit Stolz.

Zögerlich fragte sie also: „Wie soll sie denn heißen?“ Es waren die ersten Worte der Zustimmung einer Patenschaft.

„Kitana.“ Es war Shaina die nun antwortete.

Zara nickte. Mit einem Lächeln sah sie auf das Kind in ihren Armen hinab. „Das ist ein guter Name.“

Damit war die Patenschaft besiegelt. Zara streichelte die Wange der kleinen Kitana und lächelte stolz. Für einen kleinen Augenblick öffnete sich ihr ein Blick darauf, wie es wohl sein würde eines Tages eigene Kinder zu haben. Es war ein gutes Gefühl, ein sehr glückliches.

Als sie aufsah begegnete sie Aidaans Blick. Er lächelte , doch etwas hatte sich verändert. Sie spürte, dass er sie von diesem Augenblick nicht mehr als Kind sah, sondern als die junge Frau, die sie war. Jarls Worte hatten es ihm bewusste gemacht, dass sie nun erwachsen war. Etwas in ihr sagte ihr auch, dass es von jetzt an nicht mehr das selbe sein würde, wenn er auf High Hill war. Er würde sich für sie interessieren. Nur wir weit dieses Interesse reichen und wann er sich ihr nähern würde, waren noch ungewiss.

Mit einem Lächeln wandte sie sich wieder von ihm ab.

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Wie hat es euch gefallen? Und wie gefällt euch eigentlich der neue Titel der Story? ;)

Bis zum nächsten Kapitel :)

Liebste Grüße

Suzame

Buch III - Teil 2

Hallo ihr Lieben :) Hier ist das neue Kapitel von "Wüstentochter". ICh hoffe es gefällt euch und nun viel Spaß beim lesen! :)
 

Buch III – Teil 2
 

In K'Tar war es Sommer geworden. Der dritte Sommer seit er Ascard House hinter sich gelassen hatte.

Aidaan war heute wiedereinmal auf dem Weg nach High Hill. Der König brauchte seine Dienste nicht und so wollte er eine Woche auf dem Gut verbringen. Er freute sich darauf. Das ruhige, beschauliche Gut begann ihm immer besser zu gefallen, als die Hauptstadt in der es Tag und Nacht keinen Frieden gab und in der jeder allein zu sein schien.

Doch noch stand er im Dienste des Königs von Lyras und dieser erwartete seine Loyalität und Treue. Etwas, dass Aidaan seinem ehemaligen Kameraden gerne bereit war zu geben.

Dennoch seufzte er lautlos. „Ich werde wohl schon alt, wenn ich beginne mich nach Ruhe und Frieden zu sehnen und den Wunsch entwickele sesshaft zu werden“, dachte er, lächelte jedoch unwillkürlich, wenn auch eher ironisch, als er an seinen Großvater dachte. „Doch, wenn ich es, wie er mache, dann lebe ich bis ich 70 Sommer gesehen habe und versuche auch dann noch mit allen Mittel einen Erben zu zeugen, um meinem Enkel nichts überlassen zu müssen.“

Es war ein kleiner Skandal gewesen, als man in der Stadt von der Vermählung Belor Lokis mit Alinna An'tara, der jungen Witwe des Barons von Haras, erfuhr. Denn natürlich waren auch die Gründe des Belors, seinen Enkel um das Erbe zu bringen, durch Gerüchte in Umlauf gekommen.

Aidaan hasste die falsche Empörung, die viele an den Tag legten, über das Verhalten seines Großvaters. Es war ihnen eigentlich egal, was der Belor tat und doch heuchelten sie ihm ihr Mitgefühl vor, denn er war eine angesehene Persönlichkeit. Ein Berater des Königs.

Doch Aidaan scherte sich nicht mehr um das Gerede. Noch weniger interessierte es ihn, was sein Großvater plante. Er brauchte weder seine Erbschaft noch seinen Titel.

Jarl und er hatten Erfolg mit ihrer Pferdezucht und das Gut hatte mehr als genug fruchtbare Ländereien zur Versorgung von vielen Menschen. Und auch König Alane belohnte ihn äußerst großzügig für seine Dienste.

Er war von edelmännischem Blut und anerkannt nicht eines Titels, sonder seines Wirkens wegen. Er hatte es an die Spitze geschafft. Er hatte das Ohr des Königs.

Und doch ärgerte ihn die offene Ablehnung seines Großvaters. Er hatte so lange versucht es ihm recht zu machen und alle Ziele erreicht, die sein Großvater je gesteckt hatte. Dennoch hatte er niemals nur die Andeutung von Stolz oder Zufriedenheit in seinen Augen gesehen. Nie hatte er ihm die Wärme gegeben, die er sich gewünscht hatte. Doch nun war er jemand. Die Missachtung seines Großvaters schmerzte ihn kaum mehr.

Er gab seinem Hengst die Fersen, um seine Gedanken dennoch hinter sich zu lassen.

Er galoppierte die Straße entlang über einen grünbewachsenen Hügel. Von oben konnte er High Hill sehen und so setzte er zum letzten Sprint an.

Die Tore standen, wie tagsüber immer, weit offen und Aidaan und sein kleines Gefolge ritten den von alten, hohen Eichen und Birken gesäumten Weg bis zum Haus hinunter. Auf dem Vorplatz hielten sie und Aidaan sprang vom Pferd. Er übergab die Zügel an seinen Knappen Wren, bevor er die wenigen Stufen zur Haustür hochstieg.

Dort erwartete ihn bereits Chyrisus, der Hausdiener.

„Willkommen zurück, Bayan. Der Herr ist nicht da. Er ist heute auf den Felder und überprüft die Weidenzäune der Hochweiden“, teilte er Aidan sogleich eilfertig mit.

Aidaan nickte. „Und die Herrin? Ist sie da?“

Wenn Jarl nicht da war, sollte er sogleich Shaina seine Aufwartung machen, um sie über seine Ankunft zu informieren.

„Im Garten, Bayan. Das schöne Wetter, nicht wahr.“ Chrysus lächelte versonnen und Aidaan nickte zustimmend. Der alte Mann war oft gesprächiger, als es ihm in seiner Position zu kam, und erzählte gerne. Seinem Alter wegen ließ man es ihm durchgehen, doch nun hatte Aidaan keine Lust ihm zuzuhören, also ging er schnell quer durch die Halle auf die verglaste Tür zu, die in den Garten hinaus führte.

Er trat wieder ins Freie und die Sonne kitzelte in seinem Gesicht. Er genoss den Moment, dann sah er sich um. Doch er konnte keine Menschenseele entdecken. Dann hörte er ein helles Lachen. Er sah nach links, wo unter einigen Bäumen ein Teich lag und von wo aus der die Quelle des Lachens vermutete.

Und tatsächlich, als er näher ging konnte er im Schatten der Weiden jemanden sehen. Er ging über den Rasen und als er vor der Brücke stand, die über dem Teich errichtet war, bemerkten die Frauen ihn.

Shaina, Zara und Kalebs Kindermädchen saßen mit dem Jungen und der kleinen Kitana auf einer Decke im Schatten. Shaina winkte ihm sogleich zu.

Während er die Brücke überquerte sprang das Kindermädchen auf und nahm Kaleb an die Hand, um mit ihm den Platz zu verlassen, wie es sich gehörte, wenn Besucher kamen. Doch der kleine Junge hatte schon seinen eigenen Kopf und wollte nicht gehen. Er ließ sich auf Zaras Schoß fallen und hielt sich mit seinen dünnen Ärmchen an ihr fest, während die Kinderfrau verzweifelt versucht ihn zum Aufstehen zu bewegen. Vergeblich.

„Lass nur, Mileena. Er wird sowieso jetzt nicht von Zaras Seite weichen“, entließ Shaina das hilflose Mädchen. Mileena knickste vor Aidaan und eilte dann davon.

„Er hat schon einen ziemlich Dickkopf.“ Aidaan lächelte und begrüßte dann Shaina und auch Zara mit einer galanten Verneigung. „Ich hoffe es geht euch gut, meine Damen.“

„Oh ja, Aidaan. Ich hoffe auch du bist wohlauf. Du warst schon sehr lange nicht mehr hier. Willkommen zurück.“ Shaina lächelte und lud Aidaan mit einem Wink ihrer Hand sich auf die Decke zu ihnen zu setzten. „Und was den kleinen Strolch hier angeht. Er hat tatsächlich schon seinen eigenen Kopf entwickelt. Manchmal lässt er Zara gar nicht mehr los in solchen Situationen.“ Shaina lächelte nachsichtig.

Aidaan sah zu Zara die bisher geschwiegen hatte. Wie sie es meist tat. Sie war kein Mensch, der viele Worte äußerte. Sie war zurückhaltend. Eine Erfrischung für ihn, wenn er von Hofe kam, wo die Frauen sich recht schamlos aufführen konnten – und darunter die ledigen, wie verheiratete.

Doch er konnte in ihrem Gesicht lesen. Es war offen. In ihren Augen, dem Zug um ihren Mund und den vielen kleinen Ausdrücken, konnte man lesen, wie sie sich fühlte. Und sie war peinlich berührt, wagte kaum ihn anzusehen. Genau wie bei seinem letzten Besuch. Auch da war sie in seiner Nähe noch schüchterner gewesen, als je zuvor. Es war so seit sie ihn nach Kitanas Geburt umarmt hatte. Und er erkannt hatte, dass sie kein Kind mehr war.

Doch nun wollte er eine andere Reaktion von ihr haben. Er wusste nicht worauf er hoffte, als er sagte: „Nun er macht es wohl richtig. Er sucht sich die besonders schönen Frauen aus.“

Es war an Shaina gereichtet, doch er ließ Zara nicht aus den Augen. So entgingen ihm zwar nicht ihre roten Ohre und die Freude über das Kompliment, doch dafür wie Shaina überrascht die Augenbrauen hochzog.

Er sah erst zu ihr, als sie antwortete: „In der Tat. Da hast du wohl recht. Und unsere Zara ist ja nicht zur hübsch, sondern hat auch einen wunderbaren Charakter. Sie ist fürsorglich, liebevoll, ehrlich und loyal, nicht wahr?“

„Ja. Natürlich, richtig.“ Nun war es Aidaan der in der Falle saß. Shaina ließ ihn nicht aus den Augen.

Aidaan ärgerte sich über seine Unvorsichtigkeit. Er hätte es kommen sehen müssen, dass es Shaina nicht entgehen würde, wie genau er ihre Seelenschwester ansah. Sie war eine intelligent Frau.

„Wie unaufmerksam von mir“, rief sie da aus. „Möchtest du etwas Trinken, Aidaan? Eine Kleinigkeit zu Essen?“

„Danke. Mach dir keine Umstände. Doch nachher ein frischer Minztee wäre wunderbar“, antwortete Aidaan ehrlich. Der Ritt von Nutik nach K'Tar war bei diesem Wetter genauso anstrengend, als ob meterweise Schnee lag. Man ritt beinahe nur durch die pralle Sonne, es gab nur ein kurzes Stück Wald. Das ging auch an dem stärksten Mann nicht einfach vorbei.

„Gerne.“

Aidaan dachte Zara würde seinen Wunsch sofort den Bediensteten mitteilen, den sie wollte aufzustehen, doch Shaina selber erhob sich. „Ich werde mich sofort darum kümmern. Wollt ihr nicht für eine Weile mit Kaleb zu den Pferden gehen? Ich bereite den Tee im Salon vor.“ Sie setzte ein verbindliches Lächeln auf, dass keinen Widerspruch zuließ. „Kaleb möchte dir bestimmt sein Pony zeigen, Aidaan.“

Notgedrungen nickte Aidaan, als nun Kaleb auf das Stichwort „Pony“ aufsprang und zu ihm kam.

„Ja, Amo Aidaan. Pony zeigen“, plapperte der kleine Junge in seiner abgehackten Kindersprache auf den jungen Edelmann ein. Aidaan mochte den Jungen, fühlte sich dennoch etwas überfordert für den Moment. Mit Kindern kannte er sich einfach nicht aus. Er sah die beiden Kinder von Jarl und Shaina vielleicht vier, höchsten sechs mal im Jahr für eine oder zwei Wochen!

Shaina lächelte wieder. „Zara kann euch ja begleiten. Sie kennt Kaleb gut und weiß, was der kleine Schelm gerne anstellt.“

Aus dem Augenwinkeln sah sie, wie Zara unwillkürlich den Kopf schüttelte, doch Shaina ging gar nicht erst darauf ein. Sie sagte sogar noch: „Kaleb freut sich bestimmt und sie auch.“

Aidaan nickte zustimmend. „Natürlich.“ Selbst, wenn er etwas dagegen gehabt hätte, dass Zara mitkam, hätte er keine Wahl gehabt. Shaina war geschickt darin geworden, alle Fäden zu ziehen.

Er wusste nur nicht genau, was sie damit bezweckte. Sie konnte unmöglich wollen, dass er Zara zu seiner Geliebten machte. Dafür waren sie zu sehr, wie Schwestern.

„Sollen wir gehen? Kaleb ist ungeduldig“, holte Zaras Stimme ihn aus seinen Gedanken. Aidaan sah zu ihr. Sie stand nun neben ihm, Kaleb an der Hand. Sie lächelte ih an, zögerlich und nur eine Andeutung, doch Aidaan lächelte sogleich zurück.

Zara schlug die Augen sofort nieder und wandte sich an Kaleb. „Wir gehen jetzt los, Kleiner.“ Eifrig nickte der Junge und stob auf die Brücke zu, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Zara folgte ihm, etwas langsamer, während Aidaan seine Augen nur auf sie richten konnte.

Ihre Haare, waren nach hinten gebunden in einem Netz aus dünne, geflochten Zöpfen und reichten ihr bis fast zu den Hüften. Sie wippten mit jedem Schritt auf und ab. Er versuchte seinen Blick auf ihre Schultern zu heften, doch unwillkürlich wanderte sein Blick an ihr herunter. Sie trug ein Sommerkleid, wie es auf dem Land noch in Mode war, aus einem fließenden Stoff in hellen Farben mit einem breiten saum, der es um die schultern hielt, diese jedoch frei ließ. Ein Kleid, dass der Fantasie, seiner Fantasie Flügel, verlieh.

Das Erstaunlichste war, dass sie sich ihrer Wirkung kaum bewusst sein konnte, so wie sie sich verhielt. Sie verstellte sich nicht, um zu verstecken welche Wirkung sie auf Männer hatte, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Sie wusste es nicht.

Aidaan stimmte dem zu was Shaina über Zara gesagt hatte. Sie war ehrlich, sie musste sich nicht verstellen und noch mehr war sie schön geworden. Aidaan dachte kurz daran, dass Wren schon immer, seit er ihn kannte, in sie verliebt gewesen war. Er hatte diese Schönheit erkannt, bevor sie überhaupt aufgeblüht war. Doch Zara hatte ihm im vergangenen Winter abgewiesen, als er ihr seine Gefühle gestand. Wren war einige Wochen am Boden zerstört gewesen, doch inzwischen hatte er sich damit abgefunden und erfreute sich anderer weiblicher Gesellschaft in der Stadt. Und doch betonte er hin und wieder, dass Zara seine große Liebe gewesen war und er ihr absolut nicht übel nahm, dass sie ihn nicht gewollt hatte. Denn selbst, während sie ihn noch abgewiesen hatte, hatte sie noch nett zu ihm sein wollen. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen und das tröstete den Knappen immer noch.

Aidaan bewunderte Wren dafür und doch war er in diesem Moment erfreut darüber, dass sie ihm einen Korb gegeben hatte. Denn damit war der Weg noch offen. Für ihn.

Aidaan schüttelte den Kopf, um sich aus seinen Gedanken zu holen. Er sah sie nur in einem Sommerkleid und schon dachte er, er würde sie haben wollen.

„Oh ja, die Wirkung“, dachte er nicht ohne Ironie und erwischte sich dann, wie er kurz grinste.

Da drehte Zara sich um. Sie lächelte kurz und zeigte dann auf Kaleb, der stolz seinerseits auf ein weißes Pony zeigte. Aidaan ging zu ihm und streichelte das Pferdchen. Es reichte ihm gerade bis zum Oberschenkel. „Das ist jetzt dein Pony? Wie hast du es genannt?“

Kaleb nicke, noch immer stolz auf das Geschenk. „Es heißt Aslan.“

„Ein schöner Name. Kannst du denn schon reiten?“, wollte Aidaan wissen. Kaleb kratze sich an der Stirn. „Na ja...nur ein bisschen.“

„Dann übe ich mit dir, solange ich hier bin“, versprach Aidaan seinem Patenkind und Kaleb strahlte mit aller Freude eines Kindes.

„Zara übt auch mit mir.“

Aidaan sah zu Zara. Das passte zu ihr. Sie hatten High Hill gerade erreicht, als sie sich die Erlaubnis von ihm erbeten hatte Canaan, die weiße Stute, auf der sie während der Reise geritten war, auch hier reiten zu dürfen.

Er hatte es ihr gewährt. Seitdem hörte er immer wieder von Jarl, dass sie stundenlang mit der Stute unterwegs sein konnte und immer fröhlich zurück kam.

So wie er vor vielen Jahren, als er noch ein Junge in Ascard House war. Bei seinen Ritten vergaß er den Tod seiner Eltern, die strengen Regeln seines Großvaters, einfach alles. Später begleitete Jarl ihn einige Male, doch nach und nach wurden die Ritte seltener. Er ging zur Akademie, wo er Alane, damals noch der Kronprinz, traf. Er blieb in Nutik. Das alles war schon mehr als zehn Jahre her.

Als er nun Zara betrachtete, die Canaans Nüstern streichelte und der Stute leise auf Nairi etwas zuflüsterte, spürte er zum ersten mal das Verlangen wieder einen solchen Ritt zu unternehmen. Stundenlang einfach durch die Wälder zu ziehen und die schöneren Seiten des Lebens genießen.

Vielleicht sollte er sie fragen, ob sie ihn begleiten würde. Sie würde ihn schon aus Respekt seine Bitte nicht verwehren. Doch er würde dann nicht wissen, ob sie wirklich einverstanden war mit seiner Anwesenheit. Er selber hatte nur Jarl auf seinen Ritten geduldet, jeden anderen strikt abgelehnt. Er fühlte sich nicht richtig an sich ihr aufzudrängen.

Kaleb unterbrach schließlich seine Gedanken wieder, indem er an seiner Hose zupfte. „Amo Aidaan?“

„Ja?“, schenkte er nun dem Kind seine Aufmerksamkeit.

„Wann wir üben?“

Aidaan sah den Jungen an. „Nach den Tee, wenn deine Mutter es erlaubt. Was sagst du dazu?“

Eifrig nickte Kaleb, dass seine dunkelbraunen Locken flogen. Aidaan nahm ihn auf den Arm. „Dann gehen wir und fragen deine Mutter, um ihr Einverständnis.“

Er ging Richtung Haus, blieb jedoch nach wenigen Schritten stehen, um auf Zara zu warten. Sie holte schnell auf und lächelte ihn an. Als er zurück lächelte schlug ihr Herz schneller.

Er war nun wirklich ein Mann geworden, hatte sich seit seinem letzten Besuch noch mehr verändert. Sie wusste, dass er inzwischen 25 Sommer alt war und von allen an Hofe trotz seiner wenigen Jahre respektiert und geachtet wurde. Man spürte, dass dieser Respekt ihn reif machte für sein Alter. Und auch seine Züge waren nun wirklich die eines Mannes, was nicht zuletzt an dem 3-Tagesbart lag, den er sich nun wachsen ließ.

Zara fragte sich, wie er sie wohl sah. Als Frau, ja, aber fühlte er sich nur im geringsten von ihr angezogen? So, wie sie von ihm? Sie unterdrückte ein Seufzen.

Es war sinnlos sich darum Gedanken zu machen. Wirkliches Interesse hatte er nicht an ihr gezeigt. Und manchmal was sie nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Es war einfacher Gefallen an ihm zu haben, solange er keinen an ihr hatte – und es war sicherer. Er konnte nichts fordern, wozu sie vielleicht nicht bereit war. Er konnte sie auch nicht verletzen – und sie ihn auch nicht.

„Alles in Ordnung?“, fragte Aidaan und holte sie aus ihren Gedanken.

„Ja, natürlich. Ich war in Gedanken. Entschuldigung.“

Aidaan nickte, fragte jedoch nicht weiter, da sie bereits vor dem Salon standen, wo Shaina den Tee hatte vorbereiten lassen. Zara öffnete die Tür.

„Ah, da seid ihr ja“, sagte Shaina mit einem Lächeln. „Der Tee ist soeben fertig geworden. Setzt euch doch bitte.“ Sie wies auf die verbliebenen freien Sitzmöglichkeiten.

Zara ließ sich neben ihr auf dem Diwan nieder und Kaleb kletterte seiner Mutter auf die Knie. Aidaan setzte sich auf den Diwan rechts neben ihnen.

Zara goss allen Tee ein, da Shaina versuchte Kaleb festzuhalten. Sie schien ein ernstes Wort mit ihm zu reden, da er sich auf das süße Gebäck gestürzt hatte, das auf dem Tisch stand, kaum das er es entdeckt hatte.

„Vielen Dank.“ Aidaan nahm das Gläschen mit Minztee entgegen. Sein Blick traf auf Zaras. In diesem Moment gestand er sich ein, dass er sie wirklich begehrte.

Schon damals auf dem Schiff, während ihrer Reise nach K'Tar hatte sie ihm gefallen – doch in seinen Augen war sie noch ein Kind gewesen, kaum 15 Sommer alt. Dazu hatte sie eher ausgesehen, wie 12 oder 13 Jahre, doch nun...Er hatte die Jahre über beobachtet, wie sie erwachsen wurde, dennoch überraschte es ihn in ihr eine Frau zu sehen, die er begehrte. Eine Frau, die er womöglich nicht nur rein körperlich begehrte, sondern die ihm auch gefiel von dem was ihr Inneres ausmachte.

Shaina holte ihn in die Gegenwart. „Kaleb und Zara sagen, du würdest mit ihm reiten üben. Ich finde das eine gute Idee. Jarl hat darauf bestanden ihm das Pony zu schenken, doch im Moment hat er leider nur wenig Zeit, sich um Kaleb zu kümmern. Es ist schön, dass du das als sein Pate für eine Weile übernehmen möchtest. Immer nur von uns Frauen umgeben zu sein ist bestimmt nicht leicht für ihn.“

Sie lachte und drückte ihren Sohn an sich. Auch Zara lachte. Aidaan erinnerte sich, das dies die Worte des Barons von Korin waren, ihrem Nachbarn, als er im Frühjahr hier gewesen war.

Er grinste. Der Baron war ein alter, verstockter Mann, doch er war dennoch gütig und gerecht. Nur seine Meinung über Frauen war nicht die Beste. Er hielt dran fest, dass Männer den Frauen sehr weit überlegen waren und das Frauen nicht zu viel zu sagen haben sollten. Man musste sie vor sich selber schützen. Darum war auch ihr Einfluss auf einen kleinen Jungen nicht gut.

„Nun dann ist es gut, dass ich ihn für eine Woche hier bin“, sagte Aidaan und grinste wieder. Er nahm den letzten Schluck aus seinem Teeglas. Das war der Moment indem Kaleb aufsprang. „Los. Üben?“ Ganz aufgeregt zappelte er von einem Bein auf das andere und zupfte an Aidaans Ärmel.

„Nur zu. Geht noch für eine halbe Stunde oder auch eine Stunde üben. Dann wird Jarl zurück sein und wir können zu Abend essen“, sagte Shaina und auf ihre Zustimmung zog Kaleb an Aidaan bis er endlich stand.

„Bis nachher dann.“ Im Rausgehen warf er Zara noch einen Blick zu ohne jedoch zu bemerken, dass sie ihm ihrerseits auch nachsah.

Shaina jedoch bemerkte beides.

„Wie lange bist du schon in ihn verliebt, kleine Schwester?“ Sie saß ganz ruhig da und trank ihren Tee. Zara dagegen sah sie erschrocken an. „Ich...“

„Es ist schon gut. Du musst es mir nicht sagen. Ich wusste es ja.“ Sie lächelte. „Er jedenfalls hat ein Auge auf dich geworfen. Du gefällst ihm.“

Zara wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Gefiel sie ihm tatsächlich? Doch wichtiger war für sie in diesem Moment etwas, dass Shaina gesagt hatte. „Du wusstest es? Warum hast du nichts gesagt?“

„Weil ich nicht einmal ansatzweise wusste, was er fühlt. Ich wollte dich nicht ermutigen und riskieren, dass du nur verletzt wirst. Doch heute habe ich gesehen, dass er auch irgendetwas für dich empfindet. Das solltest du wissen“, erklärte Shaina und griff nach Zaras Händen. „Du solltest vielleicht herausfinden, was er wirklich von dir will, Zara. Pass nur auf, dass du nicht verletzt wirst. Und vergiss nicht – ich bin immer für dich da. Auch, wenn ich jetzt viel beschäftigter bin, als früher.“ Sie umarmte Zara und drückte sie fest an sich.

„Es tut mir Leid, Shaina. Ich hätte es dir sagen sollen“, flüsterte Zara. Sie wusste, dass Shaina verletzt war durch ihr Schweigen und sich selber daran die Schuld gab. „Du hattest immer Zeit für mich, dass weiß ich. Nur ich konnte es keinem sagen. Dann hätte ich es mir ja selber eingestanden.“

„Ich verstehe“, sagte Shaina nickend. Dann lächelte sie. “Ich bin sehr neugierig, wie es weitergeht. Aidaan wird irgendwann eine Annäherung machen. Dann wissen wir definitiv, dass du ihm gefällst.“ Sie grinste verschmitzt. Etwas, dass sie sehr lange nicht mehr getan hatte. „Wobei er ein Narr wäre, wenn dem nicht so wäre.“ Sie drückte Zaras Hand, die nur lächelte. „Warten wir es ab.“
 

*
 

Aidaan holte tief Luft. Zara stand keine drei Meter von ihm entfernt mit Shaina und der Baroness von Korin. Die Frauen unterhielten sich leise und lachten zwischendurch. Aidaan rieselte ein Schauer über den Rücken, wenn er Zaras Stimme hörte.

Immer wieder sah er zu ihr hinüber. Sie trug ein hellblaues Kleid, wie an dem Tag, als er auf High Hill ankam und hatte ihre Haare nur wenig mit einigen Zöpfen an den Schläfen gebändigt.

Sie war eine wunderschöne junge Frau geworden – und er war nicht der Einzige, dem es auffiel. Jaen, der Sohn des Barons von Korin, hatte es ebenfalls bemerkt. Er starrt sie unverhohlen mit glühender Bewunderung an – und es machte Aidaan rasend vor Wut. Dabei war er selber nicht besser! Seit er auf High Hill war konnte er kaum noch die Augen von ihr nehmen, wenn sie in seiner Nähe war. Ihre wiegenden Hüften und die vollen Brüste waren der Traum und die Qual seiner Nächte geworden. Und doch konnte er nicht die Initiative ergreifen. Seine Familie hatte Zara Unglück gebracht – und wenn sie ihn abwies würde er es nicht ertragen.

Seit Vela hatte er keine Frau mehr gekannt, die für ihn mehr war, als ein Weg seine eigenen körperlichen Bedürfnisse zu stillen. Doch Zara begann in ihm Gefühle zu erwecken, wie er sie einst für Vela gehabt hatte. Doch er fürchtete von ihr verletzt zu werden, wie von ihr. Von Vela seiner Verlobten, der er alles gegeben hatte und die nie etwas zurückgegeben hatte.

„Ich sollte nicht mehr daran denken müssen. Vela war kalt und berechnend. Sie hat nur für sich selber gelebt.“

Und Zara war doch völlig anders! Sie war warmherzig, sogar fürsorglich. Er sah es, wenn sie bei Kaleb und Kitana war. Und sie war schüchtern, zurückhaltend. Etwas, dass Vela nie war. Er sah Zara wieder an. Nein, sie war wie Vela – und doch...

In diesem Moment sah sie zu ihm. Sie lächelte ihn an, sah jedoch wieder weg, als die Baroness ihr eine Frage stellte, die sie mit Kopfschütteln beantwortete. Er wollte sich abwenden, als sie ihn wieder ansah. Dieses mal war ihr Lächeln amüsiert, als ob sie etwas Lustiges gehört hätte. Er lächelte zurück und wurde dann vom Baron in Beschlag genommen, der sich über die politische Lage Lyras ereiferte. „Es ist nicht vernünftig sich mit den Menschen aus der Wüste zu verbünden. Sie werden uns noch in den Rücken fallen, diese dunklen Barbaren! Noch nie haben sie gekämpft, wenn unser Land bedroht wurde!“

„Nun sie wurden auch nie um eine Allianz gebeten“, sagte Aidaan. „Wir können nicht wissen, was sie für Verbündete sie sein werden, doch eines ist klar: ohne Verbündete werden wir dies Mal untergehen.“

„Lyras wird nicht besiegt werden! Nyx hat nicht genug Männer, um das zu schaffen! Schon vor 80 Jahren, waren sie zu schwach!“ Der Baron sah Aidaan ernst an, der den Kopf schüttelte. „Das ist wahr. Aber Crexis und Cull mit Nyx vereint haben eine Chance. Und es besteht eine Allianz der Länder.“

Jarl strich sich über sein Kinn. „Dann wäre es wohl sogar ratsam nicht nur die Nairi-Fürsten, sondern auch die Bergvölker der Arsghan zu einem Bündnis zu bewegen!“

„Das ist es was der König bei der Zusammenkunft am Ende des Sommers plant. Er hat alle Führer der beiden Völker nach Nutik eingeladen. Wir erwarten noch die Zusage der Arsghan und darum ist ihr Kommen noch nicht offiziell bekannt.“ Aidaan sah in diesem Moment sehr zufrieden aus und Jarl vermutete, dass die Bündnisse seine Idee waren.

Die Nairi waren als übermäßig gute Reiter und Schützen bekannt, die auch mit dem Krummsäbel umzugehen wussten. Die Arsghan waren ein noch kriegerischeres Volk. Sie bildeten sogar Frauen im Kampf aus, wenn sie aus einer der vielen Kriegerfamilien stammten. Sie waren bekannt für ihre Stärke und ihren Furcht erregenden Kampfstil mit sämtlichen Waffen, die einem in den Sinn kommen konnten. Ihre südlichen und östlichen Nachbar zahlten ihnen einen freiwilligen Tribut, um nicht überrannt zu werden. Doch sie waren auch ein Volk, dass mit wenig zufrieden war.

„Arsghan schicken ihre Frauen in den Kampf. Das lenkt Männer nur unnötig ab“, gab Jaen zu bedenken.

Aidaan widersprach, schärfer als nötig: „Dann müssen unsere Männer eben lernen sich nicht ablenken zu lassen. Das Schicksal unsere Landes hängt davon ab.“

Jaen schien eine hitzige Bemerkung erwidern zu wollen, was den Baron veranlasste die Unterhaltung zu beenden: „Wir werden sehen, ob diese nichtsnutzigen Wüstenwölfe überhaupt für uns kämpfen werden.“

„Sie werden nicht für euch kämpfen, sondern höchstens mit euch“, mischte sich da Zara ein. Es war wohl eine Kurzschlussreaktion, denn kaum hatte sie es gesagt schlug sie die Augen nieder. Sie fühlte nicht im Recht ihre Meinung zu äußern. Das hatte sie nie.

Der Baron lachte. „Und woher wollt ihr, eine Frau, dass wissen?“ Er sah sie mit einem mitleidigen Blick an, als ob er sie nicht für ganz zurechnungsfähig hielt und das schien Zara wütend zu machen.

„Weil sie ein stolzes Volk sind. Wir lassen uns nicht benutzen!“ Sie hatte stolz ihr Kinn gehoben, doch wer darauf achtete sah, dass ihre Lippen zitterten. Shaina sah es und griff ein bevor der Baron etwas sagen konnte, dass Zara noch mehr verletzen konnte. „Wir sollten wohl langsam zu Abend essen. Das beruhigt die Gemüter und darum sind wir ja hier, nicht wahr?“

„Wir lassen uns nicht benutzen.“ - noch während sie es sagte, merkte sie, wie sie sich schuldig fühlte. Zum ersten Mal seit zwei Jahren fühlte sie sich so schuldig, wie in jener Nacht, als Belor Loki sie gegen ihren Willen genommen hatte. Sie hatte sich von ihm benutzen lassen.

Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen. Es war Aidaan. Er sah die Geister der Vergangenheit in ihrem Blick und reichte ihr seinen Arm. „Komm.“

Dankbar, dass sie nicht allein gehen musste hielt sie sich an ihm fest, während er sie zum Esszimmer und auf ihren Platz brachte.
 

Das Abendessen verlief wieder in ruhiger Atmosphäre. Baron Korin war kein nachtragender Mensch, er verhielt sich, als sei nie etwas geschehen. Und so hielten es auch alle anderen.

Nur Zara saß stumm am Tisch. Sie rührte kaum ihr Essen an. Sowohl Shaina, als auch Aidaan und Jarl sahen sie ab und an besorgt an. Doch jedes Mal setzte sie ein Lächeln auf, um ihre Gefühle zu überspielen.

Das Essen war kaum vorbei und die Gäste abgefahren, da zog sie sich auf ihr Zimmer zurück. Shaina folgte ihr kurz darauf, um mit ihr zu reden.

Aidaan und Jarl gingen in den Salon. Aidaan wollte am nächsten Tag zurück nach Nutik reiten und so blieben sie an diesem Abend noch lange zusammen im Salon, um einige Dinge zu entscheiden, die das Anwesen betrafen, aber auch, um über das zu reden, was sie bewegte. Und so beschloss Aidaan Jarl noch an diesem Abend davon zu erzählen, wie seine Gefühle für Zara sich entwickelt hatten.

„Jarl?“

„Ja?“ Jarl sah Aidaan aufmerksam an, der jedoch noch mir sich rang. „Was ist los, Aidaan? Du wirkst sehr nachdenklich.“

„Das kann sein. Ich bin es schon die ganze Woche.“ Er hielt inne und Jarl wartete, die Fingerspitzen aneinander gelegt, wie er es immer tat, wenn er auf eine Antwort wartete, darauf, dass Aidaan fort fuhr. Aidaan stand auf und ging um seinen Stuhl herum ans Fenster. Es war bereits dunkel draußen, nur der Mond erhellte die Nacht. „Zara. Sie ist sehr schön geworden. Sie ist eine junge Frau, die man einfach begehren muss.“

Jarl sah ihn abwartend an, obwohl er sich sicher war zu wissen, worauf Aidaan damit hinaus wollte. Der drehte sich in diesem Moment wieder um. „Ich begehre sie.“

Dann sah er Jarl abwartend an.

Der nickte langsam. „Du hast recht. Sie ist eine schöne junge Frau geworden. Aber willst du nur ihren Körper für deine Befriedigung oder willst du sie, Aidaan? Du weißt, dass Shaina dir die Hölle heiß machen würde, wenn du Zara verletzt. Also lass sie sein, wenn du nur ihren Körper willst. Das geht vorbei und dafür wirst du andere Frauen finden.“ Jarl sah Aidaan an und der nickte. „Ich weiß. Doch eine Antwort habe ich darauf noch nicht. Meine Gefühle für sie gehen über das rein körperliche hinaus, aber ob ich sie nicht verletzen würde, weiß ich nicht. Ich kann nicht sagen, wie weit meine Gefühle für sie tatsächlich reichen.“ Er seufzte. „Es ist gut, dass ich morgen nach Nutik zurückkehre. Dort werde ich Zeit haben all die fehlenden antworten zu ergründen – und Zara zu vergessen oder nicht.“

„In drei Wochen will Shaina ein kleines Fest geben. Zara wird 18 Sommer alt und damit volljährig“, sagte Jarl nach einer Weile. „Du solltest kommen und dann deine Entscheidung treffen.“

„Ja, dass ist gut. Ich werde hier sein.“

Jarl nickte und Aidaan setzte sich wieder.

„Ich danke dir, Jarl.“

„Dafür gibt es keinen Grund. Triff nur deine Wahl.“ Jarl lächelte und Aidaan nickte ernst.

In drei Wochen würde er seine Wahl getroffen haben.
 


 

Und was haltet ihr davon? Ich hoffe es hat euch gefallen x3

Bis zum nächsten Kapitel! Liebe Grüße

Suzame

Buch III - Teil 3

Schande über mein Haupt, dass es solange gedauert hat ein neues Kapitel hochzuladen! Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen! :)

Nun ohne viele weitere Worte: viel Spaß mit dem neuen Kapitel :)
 


 

BUCH III – Teil 3
 

Es war noch früher Morgen, doch auf High Hill pulsierte bereits das Leben. Shaina überwachte die Vorbereitungen für das Fest, dass sie für heute geplant hatte.

„Nein, stellt die Tische und Stühle dort hin“, rief sie einigen Diener zu, die das genannte Mobiliar draußen in den Garten brachten. Immer wieder dirigierte sie das personal von hier nach da, verteilte neue Anweisungen und packte mit an, wenn es von Nöten war. Eine Angewohnheit der Herrin, die viele Diener schätzten, denn so wurden Fehler durch ungenaue Anweisungen vermieden.

Auch Zara half bei den Vorbereitungen mit. Sie wollte diese Feier nicht, doch Shaina hatte darauf bestanden und so hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt. Doch ihr graute es schon vor dem Frisieren und Ankleiden. Shaina hatte ihr extra ein neues Kleid schneidern lassen und angekündigt, dass sie eine wunderschöne mit Blüten geschmückte Frisur bekommen würde. Eigentlich eine Aussicht, die jeder Frau gefiel, doch Zara wollte einfach nicht im Mittelpunkt stehen.

Und ein Fest zur Feier ihrer Volljährigkeit? Sie war bereits mit 14 Jahren erwachsen geworden. In dem Moment, als die Sklavenhändler in Kelan einritten und als sie verkauft wurde. In dem Moment, als ihre Unschuld gestohlen wurde.

„Zara? Zara, komm mit nach oben. Du musst noch baden und dann lassen wir dich frisieren.“ Shaina stand neben ihr und lächelte breit. Zara unterdrückte den Impuls ihre Augen zu verdrehen. Sie wollte diese Feier nicht – aber sie würde nicht darum herum kommen. Es war Shainas Art ihr zu zeigen, wie wichtig sie war. Es war schön, dass sie sich solche Mühe gab, doch als sie Zara ins Bad bugsierte verflog deren Zuneigung wieder.

Sie wurde aus ihren Kleidern geschält und in die Wanne geschoben, wo ihr die Haare gewaschen und sie von oben bis unten geschrubbt wurde. Sie war kaum abgetrocknet, als Shaina sie in ihr Zimmer brachte. Vor dem Frisiertisch musste sie sich hinsetzen. Zwei Minuten später kam Ashana, eine der älteren Mägde, herein.

„Dann wollen wir mal anfangen“, sagte sie und klatschte in die Hände. Miram brachte einen Korb Lotusblumen herein. „Was sagt ihr, Baya? Ich denke es sind die richtigen Blumen für die kleine Biya. Sie passen so wunderbar zu ihren Augen.“

„Sehr gut, Ashana.“ Shaina hielt eine der Blüten neben Zaras Gesicht. „Ich denke wir sollten ihre Haare so stecken, dass ein Teil davon noch über ihren Rücken fällt. Und vielleicht zwei Strähnen, je eine vor jedem Ohr. Was hältst du davon?“

„Oh ja, Baya. Das ist eine gute Idee. Ich werde sofort beginnen.“ Ashana machte sich eifrig an die Arbeit.

Nach einer Stunde ziepen und zerren steckte sie die Blumen fest. Ashana schminkte Zara auch noch und betrachtete dann ihr Werk.

„Wunderschön seht ihr aus, Biya!“

„Wir werden die Männer scharenweise von dir fernhalten müssen“, scherzte Shaina, die wieder ins Zimmer kam, nachdem sie sich selber umgezogen hatte. Zara lachte, wurde aber trotzdem rot. Dennoch freute sie Shainas Kompliment.

Sie wusste, dass sie hübsch war, was nicht zuletzt daran lag, dass sie anders aussah, als andere Mädchen in Lyras. Sie hatte die typischen nachtschwarzen Haare und die honigfarbene Haut, die man den Frauen aus Nairi nachsagte. Und dazu die blauen Augen ihrer Mutter, eine Seltenheit bei den Menschen aus der Wüste. Sie hatte sich nie für außergewöhnlich schön gehalten, trotz ihres exotischen Aussehens, doch in diesem Moment fühlte sie sich, wie eine Prinzessin, als sie in den Spiegel sah.

„Ich sehe zum ersten Mal aus, wie die Prinzessin, die ich bin“, dachte sie mit einem kleinen Lächeln. Sie mochte in einem kleinen Dorf aufgewachsen sein, doch in ihren Ader floss auch das Blut der Nairi-Fürsten. Der Bruder ihres Vaters war einer der weniger bedeutenden Fürsten von Nairi. Ihr Vater, als jüngster Sohn der Familie, hatte sich um die Herden seines Bruders gekümmert. Er hatte die Freiheit gehabt eine einfache Bauerstochter zu heiraten, die jedoch seine Familie mit ihrer Schönheit und ihren Fähigkeiten bezaubert hatte. Und so war sie in Kelan aufgewachsen und nicht in Silah oder einer anderen Stadt.

Sie hatte selten über diesen Teil ihres Blutes nachgedacht, doch nun konnte sie nicht anders, als sich so zu sehen, wie es war. Es war immer ihr bestgehütetes Geheimnis gewesen. Ihr Vater hatte nichts Besonderes sein wollen und hatte diese Gefühle auch seiner Tochter vermittelt.

„Ach und wir sind nicht einmal fertig! Es fehlt noch das Kleid“, sagte Shaina und drückte Zaras Hände. Sie zwinkerte. „Aidaan wird seine Entscheidung treffen, glaub mir.“

In dem Moment kamen Miram und Ashana mit dem Kleid in den Raum. Zara hatte es selber noch nicht gesehen und wartete nun neugierig. Es war hellblau mit einem runden Ausschnitt und weiten Ärmeln, die gerade bis über den Ellenbogen reichten. Hinten musste man eine Schleife binden.

Es war eines dieser Kleider mit weitem Rock, wie sie schon in den Städten getragen wurden und nun auch aufs Land kamen. Dazu musste ein Unterrock getragen werden, der aus unzähligen Schichten Tüll bestand.

Zara stieg mit Ashanas Hilfe in den Unterrock und Miram und Shaina zogen ihr das Kleid vorsichtig über den Kopf, damit die Frisur nicht beschädigt wurde. Sie zupften noch hier und dort bis sie schließlich zufrieden waren.

Zara atmete auf. Sie betrachtete sich im Spiegel. Das Kleid stand ihr ausgezeichnet. Shaina hatte wieder guten Geschmack bewiesen, ganz so wie immer.

„So, dann wollen wir mal.“ Shaina schob Zara zur Tür. „Unsere Gäste werden jetzt gleich beginnen einzutreffen. Dann sollten wir unten im Garten sein.“

Draußen erwartete Jarl sie mit Kaleb auf dem Arm. Jarl zog Shaina an sich und drückte sie mit dem linken Arm an sich. „Du siehst wieder wunderschön aus, mein Herz.“

Shaina lächelte zum dank und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Vielen Dank, Geliebter. Und was sagst du zu Zara? Sie sieht doch bildhübsch aus, nicht wahr?“

„Ja, in der Tat. Einigen werden die Augen aus dem Kopf fallen.“ Er grinste. Und Shaina lachte. „Das ist die Absicht.“

Zara wurde rot. Es machte sie verlegen, dass Jarl über ihre Gefühle für Aidaan im Bilde zu sein schien.

Doch sie hatte nicht lange Zeit verlegen zu sein, denn schon trafen die ersten Gäste ein. Der Belor von K'Tar mitsamt seiner Frau, seinen beiden Söhnen und seinen drei Töchtern. Dann der Baron von Korin mit seiner Frau und seinem Sohn. Dieses Mal war auch seine Tochter, ein Mädchen von kaum vierzehn Sommer mit dabei. Sie war das Abbild ihrer Mutter. Dieselben braunen Haare und Augen und das selbe Gesicht, dass nur noch nicht erwachsen war. Aylana Korin würde einmal eine schöne junge Frau werden.

Es kamen noch mehr Nachbarn. Unter ihnen auch die weniger wohlhabenden Familien. Doch zu Zaras Überraschung schien es keinem etwas auszumachen. Alle saßen gemeinsam auf den Picknick-Decken und ließen sich das gute Essen und den Wein munden. Was Zara jedoch am meisten erleichterte war, dass anscheinend alle vergessen hatten, dass Shaina dieses Fest für sie organisiert hatte.

Es war einfach ein fröhliches Zusammensein geworden.

„Zara?“

Als sie sich umdrehte erkannte sie Raiden Kartur, der vor ihr stand und sie freundlich anlächelte. Er neigte kurz seinen Kopf vor ihr und sie tat es ihm gleich. Dann fragte er. „Was hältst du von einem kurzen Spaziergang?“

„Natürlich. Gerne“, antwortete sie höflich, obwohl sie eigentlich keine Lust hatte mit Raiden spazieren zu gehen.

Sie betrachte den jungen Vicomt. Er war sehr klein für einen Mann, nur ein Stück größer, als sie selber und Zara versuchte ihr Misstrauen ihm gegenüber im Zaum zuhalten. Sie hatte ihn erst zweimal getroffen, da er meist in Nutik residierte. Daher musste auch dieses Misstrauen kommen. Sie vertraute ihr unbekannten Menschen einfach nicht.

Dennoch ging sie ein Stück mit ihm über den Rasen. Er bot ihr seinen Arm, den Zara gezwungenermaßen nahm.

„Nun es scheinen alle vergessen zu haben, dass es dein Fest ist, nicht wahr?“ Raiden lächelte. Er wirkte ein wenig amüsiert über diesen Zustand und Zara nickte mit einem höflichen Lächeln im Gesicht. „Ja, aber das macht ja nichts. Solange sich alle amüsieren ist es doch wunderbar.“

„Welch Bescheidenheit. Das habe ich selten bei jungen Frauen deines Alters erlebt. Sehr ungewöhnlich für ein Mädchen deines Standes“, sagte er und er ließ sie nicht aus den Augen, als sie antwortete. „Nun, dann ist es ungewöhnlich.“

„Bescheidenheit ist eher eine Charaktereigenschaft von Dienern – und Sklaven“, sagte er und lächelte berechnend.

Und dann wusste Zara, dass er sie nur zu einem Spaziergang aufgefordert hatte, um herauszubekommen, wie sie auf diese Provokation reagieren würde.

Er wusste etwas. Oder schien etwas zu wissen zu glauben.

Denn als sie damals nach High Hill kamen hatten Jarl und Aidaan mit ihnen entschieden, ihre und Shainas wahre Herkunft geheimgehalten. Es wäre ein Skandal, dass ein Adeliger, wie Jarl, selbst wenn er aus einer verarmten Familie stammte, eine ehemalige Sklavin zur Frau nahm. Sie hätten niemals heiraten können, wenn Shainas Vergangenheit ans Licht gekommen wäre. Bis jetzt hatte nie jemand die Geschichte angezweifelt, die sie damals zusammengestellt hatten. Nämlich, dass Shaina aus einer adeligen Famlie aus dem Süden stammte und das sie bei Verwandten aufgewachsen war, da ihre Eltern früh verstorben waren. Dort hatte Jarl sie kennengelernt. Zara war ihre Vertraute. Ein weiteres Mündel der Pflegeeltern.

Zara stockte noch der Atem, doch nur kurz, dann fing sie sich wieder. Sie musste sich jetzt schnell etwas überlegen. Für Shaina und Jarl – und Kaleb und Kitana. Auch, wenn sie sich selber dabei verriet. „Ja, das ist sie wohl. Ich muss es behalten haben, selbst nachdem meine Herrin mich frei ließ.“

„Deine Herrin?“

Nun hatte sie ihn. Es war nicht die Antwort gewesen mit der er gerechnet hatte. Als ob sie sich so schnell von ihm beeindrucken und einschüchtern lassen würde! Dafür hatte sie in den letzten Jahren zu viel Selbsbeuwsstsein gesammelt.

„Nun, natürlich. Shaina. Wir sind, wie Schwestern aufgewachsen, obwohl ich eine Sklavin war. Und dann durch einen glücklichen Zufall für mich konnte ich ihr Leben retten, als wir auf dem Weg nach K'Tar waren. Sie ließ mich auf der Stelle frei.“

Raiden schwieg. Er sah aus, als ob er nicht wusste, was er sagen sollte. Er öffnete mehrmals den Mund, schloss ihn jedoch sofort wieder.

Dann wirkte er plötzlich wütend. In seinen Augen glomm Zorn auf. „Willst du mich auf den Arm nehmen, du Luder? Shaina Er'shyi war selber eine Sklavin!“

Zara lächelte. Kühl und berechnend, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Mit fester Stimme widersprach sie Raiden: „Nein. Sie ist eine Frau von adeligem Blut.“

„Du lügst!“ Er packte sie am Arm und schüttelte sie mit plötzlichem Jähzorn. Da bekam Zara es doch mit der Angst zu tun. Ihre Sicherheit und Beherrschtheit war wie weggeblasen. Trotz seiner kleinen Statur, war Raiden kräftig. Sehr kräftig. Er konnte sie mit Leichtigkeit schütteln.

Er schubste sie hart von sich und Zara stürzte rückwärts über eine Wurzel.

Als sie auf dem Boden saß und versuchte sich aufzurappeln, lachte Raiden lauthals. Mit einem begehrlichen Glimmen in den Augen kam er auf sie zu und grinste. Als er vor ihr war, hockte er sich hin und sagte: „Eine schöne Aussicht, wie du da sitzt. Wenn du schon nicht redest, kann ich mich ja wenigstens ein wenig mit dir vergnügen. Das hört sich für mich nach einem Ausgleich an.“

Zara starrte ihn aus großen Augen an und versuchte sich wieder aufzurappeln, doch Raiden drückte sie auf den Boden und begann ihren Hals zu küssen. Zuerst war Zara völlig regungslos vor Entsetzen, als ihre Erinnerungen auf sie einstürmten und sie lähmten. Doch dann schlug sie nach Raiden. Sie war keine Sklavin mehr, die sich von einem Herrn nach seinem Belieben benutzen lassen würde. Sie kratze und biss ihn, wo sie konnte – und dann war das Gewicht plötzlich von ihrem Körper fort.

Sie hörte, wie Raiden vor Schmerz aufstöhnte und sah dann Aidaan, der ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht verpasst hatte. Raiden blutete aus der Nase. Fluchend hielt er seine Hand davor, doch das konnte den Fluss auch nicht aufhalten. Das Blut lief weiter, unter seiner Hand hervor.

„Verschwinde von meinem Land! Wag es ja nie wieder jemanden hier auf diese Weise anzufallen, sonst werde ich dich dafür persönlich zur Rechenschaft ziehen, Kartur!“, drohte Aidaan mit mühsam unterdrücktem Zorn in der Stimme und Raiden sah ihn wütend an.

„Du drohst mir? Für ein verkommenes Sklaven-Flittchen, dass wahrscheinlich sowieso schon dutzende von Männern bedient hat?“, höhnte der und grinste verzerrt. „Was würden bloß die anderen am Hof dazu sagen? Was würde dein König dazu sagen?“

„Er würde dir nicht glauben“, sagte Aidaan ruhig und Zara wusste, dass er die Wahrheit sagte. Und Raiden wusste es auch. Er spuckte Aidaan vor die Füße und drehte sich auf dem Absatz um.

Aidaan ignorierte ihn von diesem Moment an einfach. Er hatte die Auseinandersetzung schon lange gewonnen.

Er kam zu Zara und half ihr aufzustehen. Dann hielt er sie an den Schultern fest. „Ist alles in Ordnung?“

Sie nickte zaghaft. „Ja, dank dir schon.“ Sie versuchte zu lächeln, doch der Versuch missglückte ihr. Ihre Lippen zitterten genauso, wie ihre Beine.

Aidaan hielt sie aufrecht und schüttelte den Kopf. „Du ziehst solche Männer wirklich an, oder? Erst Malik und jetzt Raiden.“ Er sah sehr besorgt aus, sodass Zaras Herz einen Moment schneller schlug. Dann senkte sie den Kopf. „Das ist nicht meine Schuld.“

Aidaan hob ihr Kinn, damit sie ihn wieder ansah. „Ja, ich weiß. Das wollte ich nicht damit sagen. Natürlich ist das nicht deine Schuld! Aber du brauchst jemanden, der dich beschützt.“

„Ich sollte vielleicht nur nicht so leichtsinnig sein mit einem Mann alleine zu sein“, sagte sie leise und sah sich um. Sie standen in dem kleinen Waldstück, dass neben einer der großen Koppeln nahe dem Haus war.

Aidaan sah sie an und legte den Kopf schräg. Dann nach einigen Momenten sagte er: „Dann sollten wir wieder zu den anderen zu gehen.“

„Ja. Das wäre vielleicht besser.“ Zara bereute ihre Worte, sobald sie sie gesagt hatte. Jetzt hatte sie ihn tatsächlich auf eine Stufe mit Männern, wie Raiden gestellt, oder? Als ob sie nicht mit ihm alleine sein konnte.

Doch Aidaan war ja nicht so. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Er hatte sie immer beschützt. Sie wollte es ihm sagen, doch er setzte sich in Bewegung. Sie fürchtete, dass sie ihn nun verletzt hatte, dennoch hielt sie ihn zurück: „Aidaan?“

„Ja?“ Er drehte sich wieder zu ihr um. Sie stand noch auf dem gleichen Fleck, wie eben. Schnell ging er die wenigen Schritte zurück zu ihr. Sie sah aus, als würde sie innerlich im Zwist sein. Besorgt, strich er ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr. „Was ist los?“

„Keiner soll es erfahren“, sprudelte sie heraus und hielt seine Hand fest. Dabei sah sie ihn eindringlich an. „Er wollte, dass ich Shaina verrate.“

„Das sie eine Sklavin war?“, fragte Aidaan, der schnell verstand.

Bestätigend nickte Zara. Auf seinen besorgten Blick hin sagte sie: „Ich habe sie nicht verraten. Wie hätte ich das tun können?“ Sie lächelte traurig und senkte den Kopf. „Ich habe nur mich verraten.“

Aidaan sah, wie es sie innerlich zerfraß. Beruhigend nahm er sie an den Schultern und sah sie eindringlich an. „Niemand wird ihm glauben. Man wird über ihn lachen. Wie so oft. Aus diesem Grund hasst er mich. Ich war immer ein wenig besser, als er. Es begann schon an der Akademie und zog sich durch unser Leben. Glaub mir, er wird nichts sagen. Das würde er sich nicht trauen.“

Hoffnungsvoll sah Zara ihn an und nickte. „Danke.“

Und Aidaan wusste, dass sie sich nicht nur für den Trost bedankte, sondern auch für seine Hilfe von vorhin.

„Ich werde es jeder Zeit wieder für dich tun“, sagte er mit Bestimmtheit in der Stimme. Zara lächelte ihn an. In ihren Augen sah er Wärme und Zuneigung, die sein Herz zum rasen brachten. Er unterdrückte den Impuls sie einfach hier und jetzt zu küssen. Er fühlte, das es zu früh gewesen wäre für sie. Doch inzwischen wusste er, dass er sie für sich haben wollte. Er würde es ihr zeigen – eines Tages.

Doch nun war nicht der richtige Moment. Sie mussten zurück und so führte Aidaan Zara wieder zu den anderen Gästen auf die Wiese, nachdem sie sich den Staub vom Kleid geklopft hatte und die Strähnen wieder festgesteckt hatte, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten. Dann nahm sie den Arm, den er ihr bot und lächelte ihn wieder mit diesem Lächeln an, dass ihn so sehr in Versuchung führen konnte. Doch sie traten aus dem Wald, in Sichtweite der Gäste, und er beherrschte sich wieder.

Sie waren kaum am Picknickort angekommen, als jemand ausrief: „Ah, Aidaan! Seit wann bist du hier?“ Es war Shaina, die auch sogleich zu ihnen eilte. Sie sah zwischen Zara und Aidaan hin und her mit einen sehr neugierigen Ausdruck in den braunen Augen. „Ich habe dich nicht kommen sehen. Wo seid ihr euch denn über den Weg gelaufen?“

„Ich habe Zara mit Raiden bei einem Spaziergang angetroffen. Raiden musste leider eilig aufbrechen, als ich kam. Er bekam eine Nachricht von seinem Gut. Also habe ich Zara hierhin zurückbegleitet“, sagte Aidaan erklärend und Shaina nickte. „Das ist schade, dass er uns so früh verlassen musste. Nun, so ist es eben, wenn die Plicht ruft.“ Sie schien jedoch nicht im Mindesten so betroffen zu sein, wie ihre Worte es einen glauben machen sollten. Stattdessen sah sie aus, als ob sie etwas ausheckte.

„Wollt ihr euch nicht zu mir setzen? Du hast bestimmt Hunger, Aidaan.“ Sie loste sie auf eine Decke, auf der auch die Baroness von Korin und ihre Tochter saßen.

Aidaan begrüßte beide mit einem charmanten Lächeln, dass er in den Jahren an Hof gelernt hatte, und einem gehauchten Kuss auf ihre Knöchel. Aylana sah Aidaan danach mit bewundernden Blicken an und ihre Mutter lächelte zufrieden. In zwei oder vielleicht drei Jahren würde ihre Tochter eine gute Wahl als Braut für Aidaan sein.

Doch Aidaan würdigte das Mädchen kaum eines Blickes.

„Zara, holst du Aidaan ein Glas Wein?“, flötete Shaina und lächelte Zara bedeutend an. Eher widerwillig erhob sie sich. Shaina tüftelte etwas aus und da war es sicherer nicht zu gehen und sie im Auge zubehalten.

Trotz Shainas Blick blieb ihr jedoch keine große Wahl, also stand sie auf und holte Wein von einem Tisch, der wenige Meter entfernt stand.

Von hier konnte sie die Unterhaltung nicht mehr hören. Das Shaina über sie sprach war jedoch klar. Ihr Blick und auch Aidaans lagen auf ihr bis sie den Tisch erreichte. Sie nahm eillig einen Krug und Klech, um ihn hinüber zubringen und noch einen Fetzen der Unterhaltung zu erhaschen. Sie kam in Hörweite, als Aidaan sagte: „Ja, in der Tat. Nur, wie wollt ihr noch eine Verbesserung ihrer Garderobe erzielen, wenn sie einmal heiratet?“

„Dann werde ich die Kleidung meines Volkes tragen“, sagte Zara von hinten und Aidaan drehte sich zu ihr um. Er lächelte. „Das würde ich gerne sehen.“

„Nun bei unserer Hochzeitsgewandung ist nicht viel zu sehen. Es ist alleine dem Bräutigam zugestanden seine Braut ohne Schleier zu sehen“, sagte sie und groß ihm Wein in seinen Kelch. Lächelnd reichte sie ihn Aidaan.

Aidaan schüttelte den Kopf. „Ein Jammer.“ Dann nahm er seinen Wein entgegen.

Zara lächelte nur. „Es ist eine Sache der Gewohnheit. Unsere Frauen und die älteren Mädchen laufen meist mit Schleiern herum. Das ist normal.“

„Nun, dann werde ich wohl nicht viel von den berühmten Schönheiten aus der Wüste sehen, wenn die Fürsten nach Nutik kommen“, sagte er mit unleugbarem Bedauern in der Stimme.

Zara setzte sich auf und sah ihn aus großen Augen an. „Die Fürsten kommen nach Nutik? Wann?“

„In zwei Wochen sollen sie eintreffen“, sagte Aidaan verwunderte über ihre heftige Reaktion.

Zara bekam rote Wangen. „Wird der Fürst von Ibelin da sein?“

Shaina sah Zara fragend an. „Wer ist er?“

Zara hatte ihr in all den Jahren nur wenig von ihrer Vergangenheit anvertraut, da sie sie selber tief in sich vergraben hatte. Doch in letzter Zeit schien sie öfter an ihre Leute zu denken. Das hatte Shaina deutlich gespürt. Sie sehnte sich nach dem, was sie früher gekannt hatte. Dennoch überraschte Zaras Antwort auch sie.

„Er ist mein Onkel.“

„Der Fürst von Ibelin ist dein Onkel, Zara?“, wollte Aidaan wissen.

Zara nickte.

Shaina schüttelte den Kopf. „Du hast nie gesagt...das du von Adel bist.“ Sie flüsterte, damit es keiner der Gäste hörte. Immerhin dachte von denen jeder das sowieso.

„Es ist auch nicht wichtig. Ich bin nicht so aufgewachsen. Meine Mutter war die Tochter eines Bauern.“ Sie sah Aidaan abwartend an.

Der verstand, dass sie noch immer auf eine Antwort wartete. Also nickte er und sagte: „Ja, ich glaube der Fürst Ibelin wird auch da sein.“

Zara dachte fieberhaft nach. Wenn ihr Onkel ihr glaubte, das sie Zara, die Tochter von Shara und Karim war, dann konnte sie erfahren, was aus ihrem Vater geworden war nach dem Überfall.

Sie zitterte vor Aufregung. Dann sah sie entschlossen auf. „Ich muss nach Nutik.“
 


 

Und wie hat es euch gefallen? Was sagt ihr zu den neuen Wendungen des Geschehen?

Ich hoffe es hat euch gefallen :)
 

Liebe Grüße

Suzame

Buch III - Teil 4

Hallo, ja ich lebe noch! :D Also ich dahcte mir es hat jetzt lang genug gedauert und es wird endlich Zeit für ein neues Kapitel!

Ich hoffe ihr habt noch Interesse an der Geschichte :)

Nun denn genug der Vorrede und viel Spaß beim Lesen!!! :)

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BUCH III - Teil 4

Zara sattelte Canaan mit kräftigeren Bewegungen, als normal. Doch sie war enttäuscht und ein wenig wütend darüber, dass sowohl Jarl, als auch Shaina versuchten sie von ihrem Entschluss nach Nutik zu gehen abbringen wollten. Zum einen verstand sie ihre Sorgen ja.

Vielleicht würde sie nicht besonders positiv in der Gesellschaft am Hofe aufgenommen werden, wo Intrigen und falsches Lächeln die Tagesordnung waren.

Und ja, sie würde unglaublich enttäuscht sein, wenn ihr Onkel nicht da war. Oder schlimmer - er sie gar nicht erkannte.

Aber sie wollte sich nicht später vorwerfen müssen, dass sie es nicht versucht hatte.

Doch anscheinend wollte Shaina vor allem das nicht verstehen. Immer wieder hatte sie gesagt, sie wolle sie beschützen. Zara glaubte es ihr auch und war dankbar dafür, doch auf der anderen Seite war sie inzwischen erwachsen und musste ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Seufzend schob sie Canaan die Trense ins Maul.

Neben sich hörte sie Hufgetrappel auf dem Kies. Mäßig interessiert sah sie auf. Sie erkannte Aidaan, der auf Sheitan zu ihr geritten kam. Da lächelte sie zu ihm hinauf, als der große Rappe neben ihr zum stehen kam.
 

„Möchtest du ausreiten?“, fragte Aidaan und lächelte ebenfalls. Zara nickte. „Ja. Ich brauche das jetzt.“
 

Aidaan nickte, ging jedoch nicht weiter darauf ein. Er dachte sich schon, dass sie wieder mit Shaina und Jarl eine Diskussion gehabt hatte. Er verstand nicht wirklich, warum die beiden sich so extrem dagegen sträubten, dass Zara für den Sommer nach Nutik ging. Immerhin war sie ja nicht alleine. Sie konnte in seinem Haus wohnen und er würde für sie da sein.
 

Doch vielleicht war auch genau das das Problem. Er wusste es nicht. Doch er war überzeugt, dass die beiden ihre Gründe hatten für ihr Verhalten. Doch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Er würde später nochmal mit ihnen darüber sprechen.

Nun wollte er gerne die freie Zeit genießen, die ihm blieb. Schon morgen musste er nach Nutik zurück und dort warteten viele Geschäfte auf ihn.

„Ist Begleitung erlaubt? Ich wollte auch gerade losreiten“, sagte er so unvermittelt zu Zara. Sie sah ihn überrascht an. Doch dann nickte sie. „Ähm, ja. Natürlich. Ich brauche nur noch einen Moment.“ Sie zog den Sattelgurt nach und schwang sich dann gekonnt in den Sattel der Stute.

Lächelnd sah sie zu ihm. „Fertig.“

Langsam ritten sie nebeneinander an den Ställen und dann an den Koppeln vorbei. Hier und da wurden sie von Knechten gegrüßt und ab und an wieherte ein Pferd, wenn sie vorbeiritten.

Schließlich erreichten sie den Wald, der sich hinter dem Herrenhaus befand. Unter den Bäumen herrschte trübes Licht, an das sich die Augen erst gewöhnen musste nach dem grellen Sonnenschein. Dafür war es angenehm kühl unter dem dichten grünen Dach.

„Soll ich mal versuchen mit Shaina und Jarl über deinen Aufenthalt in Nutik zu sprechen?“

Zara war von Aidaan Direktheit überrascht, doch sein Vorschlag gefiel ihr. Einen Fürsprecher konnte sie tatsächlich gebrauchen. Also nickte sie zustimmend. „Ja, sehr gerne. Ich weiß gar nicht, warum sie so dagegen sind. Ich verstehe es nicht.“

„Sie haben Angst, dass du verletzt wirst“, bemerkte Aidaan vorsichtig.

Zara zog missmutig die Stirn kraus. „Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen. Und das Risiko abwägen. Ich bin kein Kind mehr!“

„Nein, dass bist du wahrlich nicht mehr.“ Aidaan fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Nein, ein Kind war sie nicht mehr. Das wusste er ja schon seit einiger Zeit. Doch das sie es selber sagte machte das Ganze schwieriger. Er hatte sich schon gestern zurückhalten müssen sie nicht zu küssen, jetzt hatte er rein gar nichts mehr dagegen aufzubieten.

„Wenigstens einer, der das auch so sieht. Wenn ich Shaina und Jarl so höre, dann denke ich sie halten mich immer noch für 14 oder 15.“ Zara schob die Lippen vor. „Ich bin froh, dass sie sich um mich sorgen, aber ich muss wissen, was mit meinem Vater passiert ist.“

Aidaan nickte. „Vergiss es für jetzt. Wir reden nachher nochmal mit ihnen. Es wird sich alles klären.“

„Ich hoffe es“, sagte Zara leise, doch dann lächelte sie. Ja, er hatte Recht. Für den Moment wollte sie den Ärger vergessen. Darum war sie ja überhaupt zu den Ställen gegangen. Also lenkte sie Canaan aus dem Wald hinaus auf die frisch geernteten Stoppelfelder. Sie gab der Stute die Fersen und sofort sprengte die Stute über das Feld.

Zara genoss den Wind auf ihrem Gesicht und lehnte sich vor, damit die Stute noch schneller lief.

Neben ihr tauchte der mächtige, schwarze Kopf von Sheitan auf. Sie sah zu Aidaan und der grinste. Dann trieb er den Hengst weiter an, sodass er mit Leichtigkeit an der kleinen Stute vorbeizog. Zara lachte, als sie Sekunden später neben Aidaan am anderen Ende des Feldes zum stehen kam.

Es war eigentlich gar nicht so schlecht mit jemandem zusammen auszureiten. Das brachte Abwechslung, stellte Zara fest. Sie sah zu Aidaan, als sie langsam weiterritten.

Er sah nachdenklich aus. Eine Miene, die er oft zu Schau trug, überlegte Zara. Sein Leben am Hof, als Berater des Königs hatte ihn schnell erwachsen und ernst werden lassen. Schon damals, als sie ihn in Ascard House kennengelernt hatte, war er so gewesen. Damals hatte er auch viel älter gewirkt, als er war. Doch an diesem Tag wirkte er einmal nicht älter, als seine tatsächlichen 25 Sommer. Er sah entspannter aus, als Zara ihn je gesehen hatte.

„Was ist?“ Aidaan sah sie fragend an. Zara wurde etwas rot, um die Ohren. Sie musste ihn angestarrt haben, ohne, dass sie es gemerkt hätte. Doch nun schuldete sie ihm eine Erklärung. „Ich habe nur gedacht, dass du heute nicht so ernst wirkst wie sonst.“

„Tatsächlich? Nun, dass muss an dem Ausritt liegen. Ich bin früher gerne geritten, doch in den letzten Jahren hatte ich dazu keine Zeit. Alane brauchte mich, jemand dem er vertraute. Ich war damit voll eingespannt. Wir mussten beide früh den Ernst des Lebens erkennen. Seine Stellung an der Spitze des Landes hat uns das gelehrt. Er war noch sehr jung, als sein Vater starb und er König wurde. Darum hatte er auch viele Gegner, bevor er sich bewiesen hatte.“ Aidaan sah Zara offen an.

Die nickte. Sie kannte die Geschichte des Königs von Jarl, doch noch nie hatte sie Aidaan über ihn reden hören. Über den König, Alane, seinen Freund. Sie wusste, dass beide sich nah standen und zusammen auf der Akademie waren, doch sie hatte nicht geahnt, dass sie Freundschaft der Beiden so tief reichte.

„Wir hatten beide nur sehr wenig Zeit für uns selber. Aber das ist in Ordnung. Ich bin heute froh, wenn ich zurückblicke, dass ich Alane damals zur Seite stand. Er ist ein guter König für Lyras“, fuhr Aidaan fort und offenbarte Zara seine Gedanken. „Er wird auch die Arsghan und Nairi für sich gewinnen und damit diesen Krieg für sich entscheiden. Lyras wird nicht mit ihm untergehen.“

„Ist die Bedrohung wirklich so schlimm?“, fragte Zara, die bisher nicht gedacht hatte, dass das Ausmaß so verheerend sein würde, falls der Krieg nicht zu Lyras Gunsten ausfiel.

Aidaan nickte. „Sollten wir verlieren wird Lyras nicht mehr so existieren, wie wir es kennen. Seit 80 Jahren warten die Nyx darauf sich an unserem Königshaus zu rächen. So wird es jedenfalls erzählt, seit die einzige Tochter des Königs von Nyx einen Prinzen von Lyras heiratete und dann einfach spurlos verschwand nachdem sie einen Sohn zur Welt gebracht hat. Was aus ihr geworden ist weiß bis heute keiner. Ihr Vater jedenfalls schwor Rache, doch Leor, der inzwischen König war, lachte nur über seine Drohungen. Er schickte seine Soldaten und Nyx wurde vernichtend geschlagen. Er überließ sie sich selber und heute sind die Nyx wieder zu einem starken Volk geworden. Doch die Schmach, dass sie in nur zwei Schlachten von Leor besiegt worden waren, sitzt bis heute in den Gedanken der Menschen fest.“ Mit einem bedeutungsvollen Blick sah Aidaan Zara an. „Leor war Alanes Großvater.“

„Wie kann man denn Alane etwas nachtragen, was vor 80 Jahren passiert ist, als er nicht mal auf der Welt war?“ Zara runzelte die Stirn. „Das wäre so als...“ Sie brach ab und sah Aidaan an. Auffordernd sagte er: „Als ob was?“

„Als ob ich dich für etwas, dass dein Großvater getan hat verurteilen würde“, flüsterte sie und sah ihn an.

Aidaan schwieg eine Weile. „Und das tust du nicht?“

Zara schüttelte heftig den Kopf. „Wie könnte ich das?“

„Es geht. Ich habe es oft genug erlebt, dass ganze Familien für die Tat eines Einzelnen verurteilt wurden“, sagte er langsam und sah Zara eindringlich an. „Ich bin froh, dass du es nicht tust. Das würde ich nicht ertragen.“

Zara nickte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Dieser Blick mit dem Aidaan sie bedachte – sie konnte ihn nicht recht deuten. Er war intensiv und eindringlich. Warm und begehrlich. Sie hatte das Gefühl er könnte bis in ihre Seele sehen und sie wärmen. Doch auf der anderen Seite hatte er sie noch nie mit diesem Blick angesehen, der Begehren ausdrückte.

Sie wollte nicht darüber nachdenken. Es war das was sie fürchtete. Begehren. Bisher hatte es ihr nur Unglück gebracht, wenn ein Mann sie wollte. Sie wollte nicht, dass es mit Aidaan auch so war. Denn es gab einen Unterschied: für ihn empfand sie etwas. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Angst alles zerstörte.

Sie brauchte Abstand. Und doch wollte sie ihm nah sein. Der Ausritt sollte nicht so schnell enden. Sie wollte ihn noch etwas für sich allein.

Kurz schlich sich eine Stimme in ihren Kopf. „Wenn er dich auch benutzt?“

Doch Zara schüttelte den Kopf. Nein. Er hatte schon bewiesen, dass er nicht so war. Er hätte hunderte von Gelegenheiten gehabt sich ihr auf diese Weise zu nähern, doch das hatte er nie. Sie vertraute ihm.

Bedingungslos. Die Erkenntnis erstaunte sie, doch sie war auch beruhigend.

Sie sah sich um. Sie waren in einem großen Bogen zurück zum Wald geritten. Neben ihnen plätscherte der Bach, der über das Anwesen lief. Es war eine ihrer Lieblingsorte auf den Ländereien von High Hilll. Sie hatte schon stundenlang am Bach gesessen und ihren Gedanken nachgehangen.

Unvermittelt sagte sie: „Wollen wir nicht unsere Pferde etwas trinken und grasen lassen?“

„Warum nicht?“ Aidaan folgte Zara hinunter zum Bach. Zielstrebig lenkte sie Canaan auf den Bach zu. Die Stute kannte die Stelle und ging willig ins Wasser. Sie wateten ein Stück den Bauchlauf entlang bis eine Stelle am Ufer kam, an der sie die Böschung wieder hoch konnten. Sie standen nun auf der anderen Seite des Bachs auf einer blühenden Wiese. Wildblumen und Gräser wuchsen hier kniehoch. Zara stieg ab und knotete Canaans Zügel am Sattelhorn zusammen. Aidaan tat es ihr nach und sie ließen die Pferde laufen

„Gehen wir ein Stück?“, fragte Aidaan und Zara nickte. Sie raffte ihre Röcke und ging neben ihm über die Wiese. Zara war schweigsam und Aidaan fragte schließlich: „Warum so still?“

„Ich weiß nicht“, wich Zara aus. Sie wollte ihm kaum erzählen, dass sich ihre Gedanken, um ihn drehten.

Aidaan beließ es jedoch nicht bei ihrer Antwort. Er blieb stehen und nahm sie vorsichtig an den Schultern.

„Ist es, weil wir auf meinen Großvater zusprechen gekommen sind? Auf das was er dir angetan hat? Oder ist es wegen gestern? Weil Raiden dir das auch antun wollte?“

„Woher weißt du, was er getan hat?“, flüsterte Zara und sah Aidaan mit großen Augen an. Sie hatte es nie jemandem erzählt, was in Ascard House passiert war. Sie hatte sich immer dafür geschämt. Und Aidaan war der Letzte der es erfahren sollte. „Warum weißt du es?“

„Shaina hat es mir vor langer Zeit einmal erzählt. Es war auf dem Schiff nach Foryn“, sagte Aidaan langsam. Er merkte, dass es ihr nicht gefiel, dass er Bescheid wusste. Doch er wollte ihr die Wahrheit auch nicht verschweigen.

Zara selber fühlte sich mehr als unwohl. Sie hatte gedacht, dass niemand es wusste außer Shaina. Sie kam sich schutzlos vor. Aidaan kannte ihr schrecklichstes Geheimnis.

Aidaan sah ihren inneren Konflikt und hob ihr Kinn an, damit er sie ansehen konnte. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht in diese Situation bringen. Ich war nur besorgt, um dich. Shaina hat recht. Du bist ein besonderer Mensch und ich habe dich gern, Zara.“

Er wunderte sich, wie leicht ihm dieses Geständnis plötzlich über die Lippen kam, als er ihr Ungemach sah. Er strich ihr eine verirrte Strähne hinters Ohr und fuhr mit seinen Fingern von dort zu ihren Lippen. Das Verlangen sie zu küssen wurde übermächtig und schließlich neigte er sich ihr langsam zu. Zara stand da und sah ihn an mit einem Ausdruck in den Augen, den er nur als erwartungsvoll bezeichnen konnte.

Als er sie küsste, schloss Zara die Augen. Seine Lippen waren warm und weich. Sie hatte das Gefühl ihre Beine würden jeden Moment wegknicken, so fühlten sie sich an. Darum hielt sie sich an Aidaans Hemd fest und erwiderte seinen Kuss. Sie war sich sicher, dass sie jeden Moment fliegen konnte, so wunderbar fühlte es sich in seinen Armen an. Alle Angst und Scham war fort. Sie konnte nur noch an dieses wunderbare Gefühl denken, dass er ihr gab. An die Wärme und Zuneigung, die er vermittelte.

Als er sich von ihr löste, lächelte Zara Aidaan an.

Doch dann fühlte sie sich so schutzlos, wie zuvor. Leise sagte sie: „Wie kannst du mich gern haben und wollen, nach alldem?“

„Wie kann ich dich nicht gern haben? Es ist kein Makel, was dir passiert ist. Es ist nicht deine Schuld. Du bist immer noch eine wunderbare Frau“, flüsterte er und nahm sie in den Arm. „Und von nun an werde ich dich beschützen.“

Zara versuchte ihm zu glauben. Sie hielt sich an seinen Worten fest, doch es war nicht leicht. Noch immer schlichen die Zweifel in ihr umher.

Es würde lange dauern, bis die Wunden verheilt waren. Und die Narben würden für immer da sein, wurde ihr klar, als er sie in seinen Armen hielt.

Sie wusste nicht mehr, wie lange sie so gestanden hatten bis Aidaan sie ein Stück von sich schob. „Wir sollten zurückreiten. Es wird spät.“

Zustimmend nickte Zara und sie machten sich auf den Weg zum Haus. Dort angekommen wurden sie bereits erwartet. Wren stand vor Sheitans Stall und pfiff vor sich hin.

Als er sie zusammen sah, verdunkelten sich seine Augen und ein schmerzlicher Ausdruck trat in sein Gesicht. Doch er fing sich schnell wieder und verneigte sich vor seinem Herrn.

„Bayan, die Herrin hat mich geschickt, um euch zu sagen, dass das Abendessen bald soweit ist. Zara und ihr sollt euch doch bitte beeilen“, sagte er pflichtbewusst. Sein Blick streifte Zara einen Moment länger, als nötig, doch dann nahm er beide Pferde am Zügel. „Ich kümmere mich um die Pferde.“

„Danke, Wren. Nimm dir den Abend frei und geh ins Dorf. Ich brauche deine Dienste heute nicht mehr“, sagte Aidaan. Er hatte Wrens Blick gesehen. Noch immer schien er Gefühle für Zara zu haben. Er musste sehr enttäuscht sein. Ein Abend mit seinen Freunden im Dorf würde ihm gut tun.

Wren lächelte kurz und verneigte sich dann noch einmal. „Danke, Bayan.“ Dann führte er die Pferde weg.

Aidaan reichte Zara seinen Arm und sie gingen ins Haus. Sofort eilte Miram herbei. Eilig knickste sie vor Aidaan, bevor sie Zara mit sich zog. „Biya, komm. Dein Bad ist schon eingelassen.“

Zara folgte ihr. „Was ist denn los? Warum die Eile?“

„Du kennst doch die Herrin. Sie möchte, dass du pünktlich beim Abendessen bist. Es scheint etwas zu geben, dass der Bayan und sie zu sagen haben, denke ich“, sagte Miram und schloss die Tür zum Bad hinter ihnen. Sie holte neue Kleider, während Zara sich schon in die Wanne begab und sich ordentlich wusch. Nachdenklich spülte sie den Schaum aus ihren Haaren. Was hatte Shaina und Jarl zu sagen, dass so wichtig war?

Das letzte Mal, dass sie so von Miram im Foyer erwartet worden war hatten sie ihr mitgeteilt, dass Shaina ihr zweites Kind erwartete. „Gott Gütiger. Das wird es doch wohl nicht sein.“ Sie dachte an Kitanas Geburt.

Eigentlich hatte sie gehofft, dass das nicht mehr in naher Zukunft passieren würde. Dann musste sie sich keine Sorgen, um Shaina machen. Doch sie und Jarl wollten eine große Familie...darum war es gar nicht so unwahrscheinlich, das sie tatsächlich wieder guter Hoffnung war.

Als Zara den Speiseraum betrat, waren sowohl Shaina, Jarl, als auch Aidaan bereits dort. Sie setzte sich an ihren Platz und sah fragend in die Runde. Doch Shaina schien es nicht eilig zu haben die Neuigkeiten mitzuteilen, denn sie ließ in Ruhe das Essen auf tragen. Sie fragte Jarl nach seinem Tag, Zara nach dem Ausritt, Aidaan nach seinen Plänen für die nächste Zeit. Als der Nachtisch serviert wurde hatte Zara genug.

„Shaina, was ist los? Immer, wenn du mich derart schnell am Esstisch sehen willst hast du etwas zu sagen. Etwas wichtiges.“

„Ja, dass ist wohl in der Tat so.“ Sie seufzt. „So auch heute.“

„Was ist denn los, Liebling?“, fragte Jarl und nahm ihre Hand. Zara las in seinem Gesicht, dass er die selben Überlegungen anstellte, wie sie zuvor im Badezimmer.

„Jaen Korin war heute hier. Er wollte mit Zara sprechen, doch als sie nicht aufzufinden war trug er mir sein Anliegen vor.“ Shaina sah Zara an und lächelte. „Er will dich zur Frau nehmen.“

Mit einem Klirren landete Zaras Löffel auf dem Boden. „Er will mich heiraten?“

„Ja, dass hat er gesagt. Sein Vater sei auch einverstanden“, erzählte Shaina, während Zara ihren Löffel wieder aufhob und ihn auf den Tisch legte.

Dann sah sie Shaina wieder an. Sie war verwirrt. Sie hatte kaum je ein Wort mit Jaen gewechselt. „Warum?“

„Das habe ich ihn auch gefragt. Er sagte du seist das schönste Mädchen, dass er kennt und das er dich äußerst liebreizend findet.“ Shaian versuchte jegliche Wertung aus ihren Worten zu verbannen. Es war allein Zaras Entscheidung, ob ihr das reichte. Doch die schwieg.

Es war Jarl der fragte: „Möchtest du Jaen denn zum Mann haben, Zara?“

Zara sah ihn an. Aidaan hielt die Luft an, während er auf ihre Antwort wartete.

Dann schüttelte Zara den Kopf. „Ich kenne ihn überhaupt nicht.“

„Nun das ist eigentlich kein Argument in höher gestellten Familie“, scherzte Shaina, doch sie war erleichtert über Zaras Entscheidung. Sie hatte das Gefühl, dass Zara niemals mit Jaen hätte glücklich werden können, auch wenn sie es versucht hätte. Jaen Korin war Zara und ihrer Vergangenheit nicht gewachsen.

Jarl räusperte sich. „Nun da der erste Antrag ins Haus kommt, denke ich müssen wir“, er sah Shaina an. „Wirklich einsehen, dass du erwachsen bist. Darum frage ich dich jetzt, ob du möchtest, dass wir einen passenden Bräutigam für dich suchen. So, wie es Brauch ist.“ Er räusperte sich wieder und warf einen kurzen Blick zu Aidaan. Er kannte seinen Freund. Und der hatte im Moment nicht die Absicht in nächster Zukunft zu heiraten. Zara dagegen hatte schon öfter erwähnt, dass sie in den Kleidern ihres Volkes heiraten wollte und eine eigene Familie haben wollte. Nun war sie 18 Sommer. Alt genug, um eine Ehe zu schließen. Er als Familienoberhaupt hatte nun eigentlich dafür zu sorgen, dass sie einen passenden Ehemann für sie fanden.

„Ich weiß nicht“, stammelte Zara. Und sie wusste es tatsächlich nicht. Natürlich wollte sie eine Familie gründen, wie andere Mädchen ihres Alters. Doch wer würde sie heiraten mit ihrem Makel? Und was war mit Aidaan? Sie konnte ihn nicht einfach vergessen. Jetzt noch weniger, als zuvor. Doch er griff nicht ein, um ihr zu helfen. Er saß da und sah sie stumm an. Diese Entscheidung musste sie selber treffen.

„Du musst das nicht sofort entscheiden, Schwester“, sagte Shaina sanft und lächelte ihr zu. „Nimm dir etwas Zeit es zu überdenken.“

Zara nickte. Sie hatte eine Idee. „Ja, dass werde ich. Wenn ich aus Nutik von den Versammlungen zurückkehre, dann werde ich euch meine Antwort geben.“

„Du willst noch immer gehen?“, fragte Shaina sie und sah aus, als ob sie ihre Traurigkeit zurückhalten musste. Doch Zara nickte. „Ich muss. Ich muss versucht haben das Schicksal meines Vaters zu erfahren.“

„Ich weiß.“ Shainas plötzliche Einsicht überraschte Zara. Erst später in ihrem Zimmer erfuhr sie den Grund für dies Einsehen kam.

Shaina stand hinter ihr und bürstete ihre Haare, etwas das sie schon lange nicht mehr getan hatte. Ganz unvermittelt sagte sie dann: „Bitte versprich mir, dass du zurückkommst.“

Doch Zara wusste sogleich, was sie meinte.

„Warum sollte ich nicht zurückkommen?“ Sie war dennoch verdutzt.

Doch Shaina hatte Recht, wurde ihr klar. Was war, wenn sie erfuhr, dass ihr Vater noch lebte? Würde sie ihn dann suchen? Von diesem Blickwinkel aus hatte sie es nie gesehen. Nun verstand sie auch Shainas vehemente Ablehnung der Reise. Sie hatte nur Angst, dass sie sich nie wiedersehen würden.

Zara drehte sich um und griff nach Shainas Hand. „Natürlich komme ich zurück. Egal, was passiert, uns wird für immer ein festes Band vereinen, denn du bist meine Seelenschwester.“

„Es ist gut, dass du das auch so siehst.“ Shaina drückte ihre Hand und lächelte. „Dann geh mit meinem Segen nach Nutik. Ich wünsche dir, dass du etwas über den Verbleib deines Vaters erfährst.“

„Danke, Shaina.“ Zara strahlte. Jetzt konnte sie ohne Sorgen nach Nutik gehen und ihren Onkel suchen. Und sie fühlte, dass sie in Nutik etwas über ihren Vater erfahren würde.

Doch es gab noch etwas, dass sie beschäftigte: das was auf der Wiese passiert war. Sie musste es Shaina einfach erzählen. Shaina hatte bestimmt Rat für sie. Denn selber wusste Zara im Moment nicht, was sie davon halten sollte.

Als Shaina die Bürste hinlegte, sagte sie ganz direkt: „Ich war mit Aidaan ausreiten. Er hat mich geküsst.“

„Tatsächlich?“ Shaina zog ihre Augenbrauen hoch. „Wie ist es dazu gekommen?“

„Ich weiß nicht. Wir haben uns unterhalten und dann sind wir auf der Wiese spazieren gegangen. Er wusste, was sein Großvater getan hat und er sagte, er hätte mich dennoch gern. Und dann ist einfach passiert.“ Zara sah unglücklich aus.

Shaina setzte sich neben sie. „Wolltest du nicht, dass er dich küsst?“

„Doch. Aber er hat nichts mehr gesagt oder getan. Nicht einmal, als du von dem Antrag erzählt hast. Jetzt weiß ich nicht weiter. Was, wenn er das alles gar nicht ernst nimmt?“, sagte Zara mit seichter Verzweiflung in ihrer Stimme. In ihren Ohren hörte sie sich albern an, doch es war das was sie fühlte. Was war, wenn er es nicht ernst meinte?

Shaina seufzte. „Ich kann dir da auch nicht mehr sagen. Du musst auf das hören, was dein Herz dir sagt, auf das was du willst.“ Sie hielt inne. Mit einem Lächeln sagte sie: „Weißt du, für eine Frau ist es in diesem Land keine Schande die Geliebte eines Edelmannes zu sein. Schon gar nicht, wenn er Aidaans Rang hat. Ich war es jahrelang. Und sieh was daraus geworden ist. Wenn es das ist, was du willst, was du ertragen kannst, werden weder Jarl noch ich etwas dagegen sagen. Denn ich weiß inzwischen, dass Aidaan sich noch nicht mit Gedanken an Ehe trägt. Er wird es eines Tages, ja das sicher, doch noch nicht heute, dass musst du ganz klar sehen.“

„Märchen werden nicht oft wahr“, stellte Zara nach einiger Zeit fest. „Wenn ich realistisch bin, werde ich keinen passenden Ehemann finde, solange ich noch Gefühle für Aidaan hege. Bleibt dann nicht nur auf ihn warten und solange nur seine Geliebte sein?“

„Nun, wenn du es so auslegst, ja. Doch, wenn du dich anders entscheidest, können Jarl und ich immer noch nach einem passenden Mann für dich suchen“, sagte Shaina, doch sie spürte, dass Zara dieses Angebot nie in Anspruch nehmen würde. Selbst, wenn Aidaan sie nie heiraten würde, würde sie an seiner Seite bleiben, wenn sie sich erst für ihn entschieden hatte.

Dennoch nickte sie. „Ja, natürlich.“ Dann sah sie nachdenklich in den Spiegel. „Ich kann auch keine Geliebte werden. Was soll ich tun, wenn er das Bett mit mir teilen will?“

„Das würde er auch, wenn du ihn heiratest“, sagte Shaina und streichelte Zaras Schopf. „Außerdem kann das auch sehr schön sein, wenn man der anderen Person zugetan ist.“

Zara sah ihre Freundin skeptisch an. „Wie kann etwas schön sein, dass so schrecklich schmerzt?“

„Es ist nicht immer schmerzhaft. Wenn man es öfter tut, dann wird es besser. Natürlich nur, wenn man selber es will“, sagte Shaina langsam. Als Zara sie noch immer mit diesem skeptischen Blick ansah, lächelte sie. „So war es bei mir jedenfalls. Mit der Zeit wird es immer besser.“

Zara schwieg lange Zeit danach. Stumm sah sie auf ihre Hände, die sie auf ihrem Schoß gefaltet hatte. Vielleicht hatte Shaina recht, aber noch wollte sie es nicht bewiesen bekommen. Sie wusste nicht einmal, was sie von Aidaan überhaupt erwarten konnte. Vielleicht interessierte sie ihn nicht mehr, wenn sie erst in der Hauptstadt waren. Sie würde es herausfinden, wenn sie in seinem Haus leben würde.

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Und was sagt ihr? Wie hat es euch gefallen?

Das Ende finde ich selber jetzt nicht sooo gut, aber na ja ;)

Bis zum nächsten Mal! Das hoffentlich schneller geht ;)
 

Liebe Grüße

suzame

Buch IV - Teil 1

Hallo, ihr Lieben!

Nach all der Zeit wird es wirklich Zeit für ein neues Kapitel!

Ich hoffe ihr lest alle fleißig weiter ;)

Ganz besonders möchte ich mal Thuja, blechdosenfee & Regenbogenseele danken, die immer noch alles fleißig lesen auch, wenn es jetzt länger dauert mit den Kapitel ;)

Und nun wünsche ich euch viel Spaß beim lesen! :)

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Buch IV – Teil 1
 

Eine Woche später kam Aidaan zurück nach High Hill. Zara wollte nun nach Nutik kommen.

Sie hatte alleine gehen wollen, doch er hatte darauf bestanden sie abzuholen, damit sie gemeinsam reisen konnte. Seit er Raiden davon abgehalten hatte sich an ihr zu vergehen, dachte er oft darüber nach, dass er Recht gehabt hatte. Sie zog solche Männer, wie Raiden aus irgendeinem Grund magisch an. Und er hätte keine ruhige Minute gehabt, wenn er wüsste, dass sie allein unterwegs war.

Sie war wieder zum Traum seiner Nächte geworden, seit sie ihm auf der Wiese gestattet hatte sie zu küssen. Und dann dieser Antrag von Jaen! Er dachte vor Eifersucht vergehen zu müssen, als sie so lange für ihre Antwort brauchte. Ein Gefühl, dass ihm einfach fremd war. Er hatte immer alles im Leben gehabt, was er wollte. Eifersucht war ihm bis zu dem Moment, indem er erkannte, das er Zara wollte, ein eher unbekanntes Gefühl gewesen. Nur selten hatte er es gehabt.

Aus diesen Gründen war er auch noch einmal zurück nach High Hill geritten, um sie zu holen, obwohl es noch viel zu tun gab und er eigentlich keine Zeit hatte für solch eine Unternehmung. Alane hatte es ihm gestattet, doch er war nur schwer zu überzeugen gewesen.

„Ich gestatte es dir, als dein Freund. Als dein König müsste ich dir deine Bitte verwehren.“

Aidaan war mit dem Versprechen schnell wieder zurück zu sein sofort aufgebrochen.

Jetzt hoffte er, dass Zara bereits zur Abreise fertig war. Er hatte nicht vor sich eine lange Rast zu gönnen. Sie würden die Pferde ein oder zwei Stunden ausruhen lassen und dann zurück reiten, die Nacht hindurch, um die heißen Stunden des Tages zu vermieden und auch da sie sich keine Rast erlauben konnten.

Er war sicher, dass sie schon morgen Vormittag in Nutik sein, würden, wenn alles gut verlief. Denn der König brauchte ihn wirklich. Von ihren Verhandlungen hing das Schicksal des Landes ab. Sie mussten perfekt darauf vorberietet sein und genauso perfekt organisiert, damit sie sowohl die Nairi, als auch die Arsghan auf ihre Seite ziehen konnten.

Er ritt über den Hügel, der vor ihm aufragte, und hinter dem sich High Hill versteckte. Von oben sah er, dass eifriges Treiben auf dem Hof herrschte. Wren, der schon einen Tag zuvor aufgebrochen war, musste schon angekommen sein, um alle von Aidaans Ankunft zu unterrichten und dafür zu sorgen, dass alles bereit war für einen möglichst schnellen erneuten Aufbruch.

„Sehr gut“, dachte er, als er wieder einmal den von einer Allee gesäumten Weg zum Hof ritt. Als er vor dem Haus war, kam dieses Mal nicht Chrysius zur Tür, sondern Jarl selber. Aidaan gab Sheitans Zügel an einen Stalljungen ab.

„Sorgt dafür, dass alles in zwei Stunden bereit ist!“, befahl er seinen Begleitern, bevor er zu Jarl ging.

„Willkommen, Aidaan“, sagte Jarl mit einem Lächeln. Er umarmte Aidaan kurz und klopfte ihm auf die Schulter. „Komm rein und ruh dich noch ein wenig aus. Wir wollen gerade zu Mittag essen. Du hast noch einen weiten Weg vor dir, du solltest uns Gesellschaft leisten. Vermutlich willst du morgen schon zurück in Nutik sein?“

„Genau. Darum bleibt uns nicht viel Zeit zur Rast“, bestätigte Aidaan Jarls Vermutungen. Sie gingen zusammen ins Esszimmer, wo Aidaan einen Blick auf Jarls gesamte Familie bekam. Shaina und Zara mit Kaleb und Kitana.

Es war das erste Mal, dass Aidaan so deutlich bemerkte, wie verschieden ihre Leben inzwischen waren. Noch vor drei Jahren hatte Jarl mit ihm in der Hauptstadt als Junggeselle in seinem Stadthaus gewohnt und gleichermaßen an Alanes Seite gestanden, doch nun war er ein Landbesitzer mit einer Familie, die ihm alles bedeutete. Während er, Aidaan, noch am selben Punkt seines Lebens zustehen schien, wie vor drei Jahren. Doch es war voraussehbar gewesen. Jarl hatte immer genau das gewollt – eine Familie mit Shaina an seiner Seite.

Einmal hatte er sich dasselbe gewünscht. Eine Familie. Doch die Frau an seiner Seite war nicht, wie Shaina gewesen. Vela hatte ihn verraten für einen Mann, der doppelt so alt war und nur mit seinem Vermögen zu locken hatte brauchen. Also hatte er seine Ziele neu geordnet, seine Wünsche von einer Familie vergraben und stattdessen eine Karriere am Hofe vorgezogen.

Diese Ziele hatten sich bis heute nicht geändert.

„Aidaan, setz dich doch“, holte Shaina ihn aus seinen Gedanken. „Du solltest wirklich etwas essen, bevor ihr wieder aufbrecht.“

„Danke.“ Aidaan ließ sich auf dem noch leeren Platz neben Zara nieder. Sie hatte ihn die ganze Zeit über betrachtete, doch erst jetzt lächelte sie ihn an. Sofort erwiderte er es. Er hatte schon gedacht sie grolle ihm aus irgendeinem Grund, doch dem schien nicht so zu sein. Vielmehr schien sie unsicher. Doch für sie würde diese Reise auch ein großer Schritt sein. Sie würde es in Nutik nicht leicht haben, die Menschen dort waren neidisch. Und sie war schön – und sie würde an seiner Seite sein. Dafür würde er sorgen. Das hatte er endlich für sich entschieden und etwas sagte ihm, dass sie ihn nicht abweisen würde.
 

Nach dem Mahl zog er sich noch für eine halbe Stunde mit Jarl in den Salon zurück, während Zara sich zur Abreise bereit machte. Als sie mit Shaina wieder herunter kam trug sie ein dunkles Reisekleid, indem sie reiten konnte und hatte ihre Haare im Nacken zu einem Knoten geflochten. Einen Schal hatte sie noch in der Hand.

„Wir können aufbrechen, Aidaan“, teilte sie ihm mit und schluckte. Ja, sie war nervös. Sie würde in Nutik ganz auf sich gestellt sein, denn Aidaan hatte nur wenig Zeit und sie wollte ihm nicht zur Last fallen. Sie fürchtete sich ein wenig davor allein zu sein.

Doch Aidaan lächelte zufrieden und sagte: „Reiten wir!“

Sie gingen zur Haustür und die Stufen hinunter. Im Hof saß Aidaans Trupp bereits auf den Pferden. Wren hielt Sheitan am Zügel und ein Stalljunge wartete mit Canaan. Aidaan verabschiedete sich schnell von Jarl und Shaina, wie er es immer tat. Er umarmte sie kurz und versprach bald zurück zu sein. Dann stieg er auf seinen Hengst und wartete.

Zara wurde stürmisch von Shaina umarmt. „Komm bloß schnell zurück, kleine Schwester. Wir werden dich vermissen!“ Dann wischte sie sich eine Träne aus den Augenwinkeln und lächelte. „Kaleb, verabschiede dich bitte von Ama Zara. Sie macht eine Reise.“

Der Junge kam der Aufforderung nach und ließ sich von Zara umarmen. Er steckte ihr noch ein kleines Holzpferd zu. „Damit du an Aslan denkst.“

„Dankeschön, Kaleb. Ich werde jeden Abend vor dem Einschlafen an euch beide denken.“ Zara strubbelte dem Jungen durch die Haare und der lachte. „Gut.“

Dann küsste sie Kitana auf die Wange. Das kleine Mädchen lächelte sie freundlich vom Arm ihrer Kinderfrau an und kuschelte sich dann wieder an deren Schulter.

Zuletzt ging Zara zu Jarl, der noch bei Aidaan stand. Der sah sie mit einem Blick an, wie sie ihn vielleicht von einem Vater erwartet hätte, bevor er sie fest umarmte. „Pass gut auf dich auf, Zara.“

„Das mache ich, Jarl“, sagte sie leise. „Ich danke dir.“

Jarl nickte. „Komm gesund zurück.“ Er sah zu Shaina. „Alles andere würde ihr das Herz brechen.“

„Ich weiß.“ Ernst nickte Zara. Sie sah, dass Shaina noch immer mit den Tränen kämpfte und als sie aufstieg, kam sie noch einmal herüber.

Sie sah Aidaan an. Mit einem strengen Blick erhob sie den Zeigefinger. „Wehe dir, du achtest nicht gut auf sie!“

„Das werde ich. Ich verspreche es!“ Zur Bekräftigung legte er seine Faust auf sein Herz.

Zara lächelte Shaina beruhigend an, bevor sie ihrerseits versprach: „Ich komme bald zurück!“

Dann gab Aidaan das Zeichen zum Aufbruch und sie ritten im gestrecktem Trab vom Hof. Als Zara sich umdrehte sah sie, wie Jarl Shaina seinen Arm um die Schulter legte. Er hatte Kaleb auf dem Arm und sie nun Kitana. Und alle winkten bis sie nicht mehr zu sehen waren. Erst da wurde Zara der Abschied bewusst. Sie würde sie wochenlang nicht sehen. Die Menschen mit denen sie jeden Tag der vergangenen Jahre erlebt hatte. Sie würden ihr sehr fehlen. Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange, dann sah sie zu Aidaan, der sie beobachtete und lächelte. „Wie lange werden wir unterwegs sein?“

„Die ganze Nacht.“ Er verstand ein wenig, wie sie sich fühlte. Und auch, dass sie bestimmt nicht darüber reden wollte.
 

Stunden später begann es zu dämmern. Zara ritt zwischen Aidaan und Wren, die aufmerksam die Gegend beobachteten. Am Nachmittag war ihnen ein Spielmann begegnet, der steif und fest behauptete Nyx-Krieger gesehen zu haben. Aidaans Hauptmann Moroam hatte gelacht, doch dann waren sie an einem Hof vorbeigekommen, der geplündert worden war. Die Familie schwor ebenfalls, dass es Nyx-Krieger gewesen waren. Sie seien vom Meer mit einem Schiff gekommen und wieder verschwunden kaum, dass sie hatten, was sie wollten.

Aidaan versprach verstärkt Patrouillen an der Küste entlang anzufordern, bevor sie weiter ritten. Seitdem musste Zara auch stets in der Mitte des Trupps reiten und Aidaan ließ sie nicht aus dem Blick. Doch bisher war ihr Weg unbehelligt geblieben, sodass alle sich wieder ein wenig entspannten. Erst jetzt, als die Dämmerung kam wurden die Soldaten wieder wachsamer. Sie blieben stets vor und hinter Zara und beobachten die Umgebung.

Es war Wren, der brüllte: „Überfall!“

Erschrocken sah Zara in die Richtung in die er wies. Und tatsächlich. Auf dem Hang tauchten die Schatten von Männern auf. Im letzten Licht der Sonne blitzten stählerne Klingen auf.

Moroam brüllte seine Befehle: „Aufstellung!“

Aidaan zog genau, wie die Soldaten seine Waffe. Ein Schwert, dass an der Seite seines Sattel in einem Gehänge saß. Dabei rief er laut: „Schützt die Biya!“

Er sah zu Zara und nickte ihr kurz zu, dann konzentrierte er sich, wie die anderen auf ihre Gegner. Nur Wren lenkte sein Pferd neben Zara. „Ich soll bei dir bleiben.“

„Ja.“ Zara nickte eilig und versuchte zu verstecken, dass sie Angst hatte. Mühevoll versuchte sie Canaan unter Kontrolle zu halten. Die verstand die Aufregung nicht, zuckte nervös mit den Ohren und scharrte mit den Hufen. Aufgeregt schnaubte sie und tänzelte auf der Stelle, als ein Kriegsschrei der Feinde erschallte. Zara war eine gute Reiterin, doch auch sie war genauso erschrocken, wie das Pferd. Es war Wren, der die Stute am Zügel packte und sie direkt neben seinen Braunen trieb, der ruhig und gelassen dastand. Langsam beruhigte sich das Tier daraufhin. Doch Zara dagegen hatte die Augen aufgerissen, als sie beobachtete, wie die Männer um Aidaan und Moroam in den Kampf ritten. Ihre Schwerter blitzen und auch sie stießen einen fürchterlichen Kriegsschrei aus.

„Zara?“

Erst nach mehreren Anläufen gelang es Wren ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Er drückte ihr einen langen Dolch in die Hand. In seinen Augen blitzte es düster auf. „Nur für den Notfall.“

Zara sah ihn noch erschrockener an, wenn das möglich war. Doch Wren lächelte grimmig. „Keine Sorge. Es sind nicht viele und wir haben Pferde.“

Und dennoch zog auch er ein Schwert hervor. Er nickte den beiden Männern, die mit ihnen zurückgeblieben waren kurz zu. Die spannten daraufhin ihre Bogen und zielten.

Sie schossen den einen oder anderen Pfeil ab, dann wendeten sie ihre Pferde. Wren packte Canaans Zügel und trieb sie hinter ihnen her bis sie über einen Hügelkamm geritten waren. An einem Findling machten sie wieder Halt. Die beiden Schützen stellten sich in Position, während Wren auf den Stein hinaufkletterte. Von dort aus hatte er das Schlachtfeld gut im Blick.

Doch Zara bemerkte das gar nicht. Sie hörte das Schreien von sterbenden Menschen. In ihrem Kopf hörte sie das Rauschen von Feuer, dass Häuser zerfraß, das schrille Wiehern tödlich verwundeter Pferde und das Weinen ihrer Mutter. Sie hielt sich die Hände vor die Ohren und presste sie gegen ihren Kopf, doch die Schreie verebbten nicht.

Erst, als sie grob geschüttelt wurde kam sie zu sich. Sie wollte schreien, doch sie konnte nicht.

„Nein, nein“, wimmerte sie und war wieder das Kind, dem sie Stricke anlegten. „Bitte nicht. Umm, hilf mir!“

„Zara, komm wieder zu dir! Zara!“ Es war Aidaans Stimme. Da kehrte sie langsam zurück in die Realität. Aidaan kniete vor ihr und hatte sie an den Schultern gepackt. Sein Gesicht war schmutzig und verschwitzt. Blut lief über seine Wange. Gehetzt sah sie sich um. Die Pferde standen ruhig unter einem Baum und die Soldaten verbanden sich ihre Wunden.

„Ich glaube sie ist zurück, Bayan“, sagte Wren, der ebenfalls neben ihr kniete. Er sah besorgt aus. „Geht es dir gut, Zara?“

Sie machte eine Bewegung mit dem Kopf nicht sicher, ob sie mehr nicken oder Kopfschütteln war. Aidaan und Wren schien sie zu genügen. Wren holte einen Wasserschlauch und hielt ihn ihr an die Lippen. „Trink was.“

Gehorsam schluckte Zara und fühlte sich wirklich besser. „Es geht schon wieder. Danke.“ Langsam setzte sie sich auf. Noch immer wurde sie besorgt betrachtet. Doch sie merkte es nicht. Ihr Blick fiel auf Aidaan, der einen Schnitt auf der Wange hatte.

„Du blutest!“, sagte sie und besah sich die Wunde. Es war, als ob sie nie dort gewesen wäre. In ihrer Vergangenheit. Das Einzige was zählte, was dass es Aidaan gut ging. Der sah sie an, doch sie konnte nicht erfassen, was er dachte. „Ich brauche Wasser, Wren. Und Brandtwein!“

„Natürlich.“ Der Knappe machte sich auf den Weg. Er warf einen Blick zurück, doch da zog sich sein Herz zusammen. Zara strich Aidaan vorsichtig eine Strähne seines Haares zurück und betrachtete Wunde voller Sorge. „Sie liebt ihn!“

Er griff nach dem Brandtwein und brachte ihn ihr. Es wäre seine Aufgabe seinen Herrn zu versorgen, doch er konnte nicht sehen, wie liebevoll sie ihn berührte und betrachtete. Noch nicht. Also ging er wieder kaum, dass er ihr den Schlauch gereicht hatte.

„Was ist passiert, Zara? Was hast du gesehen?“, fragte Aidaan unvermittelt, als Zara seine Wunde reinigte. Zara zuckte zusammen, als er die Frage stellte. Sie brauchte lange für die Antwort. „Meine Vergangenheit.“

Aidaan nickte, sagte jedoch nichts mehr und ließ sie ihre Arbeit machen. Doch seine Gedanken kreisten, um nichts anderes. Er wusste eigentlich gar nichts über Zara. Er hatte nicht angenommen, dass sie so sehr darunter leiden würde, dass es diesen Kampf gab, sonst hätte er sie sofort weggeschickt. Es war nur ein kleines Scharmützel gewesen, sogar ohne Verluste für sie, doch für Zara musste es ein wahrer Krieg gewesen sein, wie sie reagiert hatte. Sie musste schon viel in ihrer Vergangenheit erlitten haben. Das sie schlecht träumte, dass wusste er schon seit er sie kannte, doch nun würde er den Dingen auf den Grund gehen. Er wollte ihr helfen.

„Ich bin fertig, Aidaan“, murmelte Zara, doch Aidaan sah sofort auf. Er lächelte kurz. „Ich danke dir.“

Zara nickte und stand auf. Sie drehte sich um und ging zu Wren, dem sie den Brandtwein gab. Er verstaute ihn wieder und ging dann zu Zara. Er schien mit ihr zureden, doch Aidaan wurde abgelenkt. Moroam kam zu ihm und schlug die Hand gegen seine Brust zum Gruß. „Zaor und Jasin sagen sie sind bereit weiter zureiten, Bayan!“

„Dann reiten wir!“ Aidaan stand auf und Moroam brüllte: „Aufsitzen! Wir reiten!“

Zara schien überrascht, dass sich die Männer wieder in den Sattel quälten, denn einige schienen verletzt zu sein, doch sie sagte nichts. Wortlos stieg sie auf und ritt an Aidaans Seite, wie zuvor. Doch ihr Schweigen fiel nicht auf. Auch die Männer waren wortkarg. Sie ritten nur wenige Meilen, als Zaor, einer der verletzten Soldaten sich nicht mehr auf seinem Pferd halten konnte. Er sackte zusammen und fiel, wie ein Sack Mehl zu Boden. Aidaan stieg mit Moroam vom Pferd und ging zu dem Verletzten. Der hatte sich wieder aufgesetzt und redete leise auf Aidaan und Moroam ein. Erst schienen beide gegen seine Worte Protest zu erheben, doch dann nickten sie beide.

Zaor wurde wieder auf sein Pferd gesetzt und an den Sattel gebunden. Seine Zügel nahm ein Kamerad und führte das Tier den Rest der Strecke.

Zara war schockiert, dass sie keine Rast für den armen Mann einlegten. „Können wir nicht rasten?“

„Doch.“ Aidaan sah sie finster an. So hatte sie ihn noch nie gesehen. „Aber dann würde Zaor sterben. Es zählt jetzt jede Stunde für ihn. Er will zu Bersan, dem besten Arzt aus der Kaserne. Es war sein Wunsch. Und es ist vielleicht auch für Jasin die einzige Chance.“

Zara nickte langsam. Sie merkte, wie sehr es Aidaan bedrückte, dass seine Männer sterben würde, wenn sie nicht rechtzeitig in Nutik waren.

„Er sollte was trinken.“ Sie nahm ihren Wasserschlauch und wendete Canaan. Zielstrebig ritt sie auf den Mann zu, der Zaor genannt wurde. Er sah sie aus trüben Augen an.

„Hier trink“, sagte Zara sanft und hielt im den Schlauch vorsichtig an die Lippen. Gierig trank Zaor und rang sich ein Lächeln ab. „Ich danke dir, Biya!“

„Es ist gut“, sagte Zara und legte dem Mann eine Hand auf die Schulter. Sie wiederholte es bei Jasin und auch der schien dankbar.

Moroam nickte ihr ebenfalls kurz anerkennend zu, als Zara ihren Platz neben Aidaan wieder einnahm. Sie zog ihren Umhang dichter und streckte dann ihre Hand aus. Zögerlich legte sie sie auf Aidaans, die verkrampft, um den Zügel lag. Dankbar drückte er sie kurz und lächelte, bevor er sie loslies. Doch Zara ließ ihre Hand, wo sie war und Aidaan lächelte wieder leicht.

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Und was sagt ihr? Gefallen euch die Entwicklungen? :)
 

Bis zum nächsten Mal!

Suzame

Buch IV - Teil 2

Hallo ihr Lieben! Ohne viele Worte kommt der neue Teil von Wüstentochter! Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim lesen!
 

Liebe Grüße

suzame
 


 

Buch IV – Teil 2
 

Sie ritten die ganze Nacht hindurch und wurden belohnt. Noch bevor die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte ritten sie ihn Nutik ein. Die Wachen am Tor ließen sie sogleich passieren und Aidaan gab ihnen den Auftrag einen Boten zum König zu schicken. „Ich muss den König sofort sprechen! Ich komme gleich in den Palast! Richtet ihm das aus, Soldat!“

„Ja, Bayan!“ Der junge Krieger salutierte und machte sich auf den Weg zum Palast, der etwas oberhalb der Stadt auf einem Hügel stand.

Aidaans Trupp ritt ebenfalls darauf zu. An der Kaserne trennte sich die Gruppe.

„Möge Gott mit euch sein!“, gab Aidaan seinen beiden verwunderten Soldaten mit auf den Weg. „Kommt zum Dienst, wenn ihr wieder erholt seid!“

„Ja, Bayan!“ Beide schlugen sich mit der Faust vor die Brust und Aidaan nickte. Dann ritt er weiter. Zara lächelte den beiden Soldaten zu. „Hamd'rhavan! Gott sei mit euch!“

„Insha'rha, Biya. Insha'ra!“, antwortete Zaor zu Zaras Erstaunen auf Nairi. Dann lächelte sie und folgte Aidaan und Moroam. Wren ritt neben ihr, die beiden Bogenschützen hinter ihr. Während sie durch die Straße zum Inneren Bezirk ritten wurden sie von den Einwohnern von Nutik beobachtet. Sie verneigten sich vor Aidaan und sie hörte genau das Gemurmel, um sie herum. Immerhin war der Kampf den Männern anzusehen. Sie mussten sich fragen, was passiert war.

Denn die Bedrohung durch Nyx, Crexis und Cull war inzwischen kein Geheimnis mehr. Die Zusammenkunft der Lyrianer, Nairi und Arsghan eine bekannte Tatsache.

„Wren, du bringst Zara nach Hause!“, befahl Aidaan seinem Knappen in diesem Moment und Zara schreckte auf. Nach Hause? Sie war doch gerade erst in Nutik angekommen! Wollte er sie zurückschicken? Erst, als Aidaan zu ihr sagte: „Ruh dich aus. Ich habe ein Mädchen arrangiert, dass als deine Zofe für dich bereitsteht. Wenn du sonst etwas brauchst scheu dich nicht zu fragen!“ Er lächelte und Zara wurde klar, dass er sein Haus meinte nicht High Hill, dass ihr Zuhause war.

„Danke“, sagte sie und lächelte. Sie war erschöpft und wollte nur noch schlafen. Schlafen und vergessen.

Sie folgte Wren durch einige Straßen bis sie vor einem großen Stadthaus zu stehen kamen. Es hatte drei Stockwerke und war weiß getüncht mit großen Fenstern. Trotz seiner Schlichtheit wirkte es erhaben. Zara stieg unsicher vom Pferd. Es war komisch in Aidaans Haus zugehen, wenn er nicht dabei war. Doch ihre Sorge wurde ihr genommen, als eine ältere Frau die Treppe herunter kam.

„Das ist Martha“, erklärte Wren hilfreich. „Sie ist die Haushälterin vom Bayan.“

„Wren du hast eine Dame mit Titel anzusprechen!“, schalt die Frau den Knappen mit ärgerlich zusammengekniffenen Augenbrauen. Dann wandte sie sich an Zara. „Verzeiht, Biya. Dem Jungen fehlt einfach die Mutter.“

Zara war perplex. Dann lachte sie. „Das ist schon okay. Wren kennt mich schon sehr lange. Es wäre merkwürdig, wenn er mich mit irgendeinem Titel ansprechen würde.“

Wren sah Martha überlegen an und trollte sich dann jedoch schnell mit den Pferden, bevor sie ihn noch wegen seiner Frecheit schelten konnte.

„Wenn das so ist, Biya.“ Die Frau schien nicht zu verstehen, wollte jedoch auch keine Fragen stellen. „Ihr müsst erschöpft sein. Ich werde Neri sofort schicken ein Bad einzulassen und dann könnt ihr schlafen.“

„Das hört sich himmlisch an“, seufzte Zara und folgte Martha die Stufen herauf. Im Hausflur wartete ein junges Mädchen von vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahren auf Order, die sie von Martha erhielt. „Geh ein Bad vorbereiten und das Bett, Mädchen!“

Unwillkürlich lächelte Zara. Martha erinnerte sie an die resolute und strenge Marian, die jedoch ein Herz aus Gold besessen hatte und immer für ihre Schützlinge dagewesen war.

„So, Biya, nun kommt. Ich helfe euch persönlich beim Auskleiden und sorge dafür, dass euer Gepäck in eure Gemächer kommt“, sagte Martha und lächelte gutmütig. „Hier entlang geht es zum Bad!“

Sie führte Zara in ein Nebenzimmer vom Bad. Es musste neben dem Bad sein, denn nebenan plätscherte Wasser. Martha half ihr aus dem Reisekleid und reicht ihr einen Hausmantel, der ihr jedoch viel zu groß war. Martha besah es sich. „Das muss geändert werden. Aber Bayan wird das schon veranlassen.“

Zara wurde klar, dass sie einen von Aidaans Mänteln trug und wurde rot, doch Martha ging nicht darauf ein. „Nun geht schon, Biya. Einfach durch die Verbindungstür. Neri wartet dort auf euch.“

„Danke, Marian“, sagte Zara, als sie durch die Tür ging. Doch dann drehte sie sich um. Sie hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund. „Entschuldige bitte, Martha. Marian ist ein Frau, die ich kannte und an die du mich sehr erinnerst. Verzeih mir den Ausrutscher. Es wird nicht mehr passieren.“

„Oh, das ist doch nicht schlimm, Biya!“ Martha lächelte breit und legte den Kopf schief. Zara ging ins Bad. Durch die Tür hörte sie Martha murmeln. „So ein gutes Mädchen.“

Das berührte ihr Herz. Selbst, wenn Aidaan nicht zu Hause war, war sie hier nicht allein. Das war ein gutes Gefühl, denn allein sein, war ihre größte Angst.

„Biya?“ Neri stand vor ihr und schien zu warten. Zara lächelte sie freundlich an. Das Mädchen war beinahe genauso groß, wie sie, auch wenn sie nicht älter, als dreizehn sein konnte und hatte ein paar lustige, braune Sommersprossen auf der Nase. Sie war Zara sogleich sympathisch. „Neri, richtig?“

„Ja, Biya“, sagte das Mädchen und nickte eifrig. Sie schien aus dem Häuschen darüber, dass Zara sich sofort ihren Namen gemerkt hatte. Nun, die meisten Herrinnen brauchten länger, dass wusste Zara aus Erfahrung. Doch anscheinend hatte sie damit bei Neri einen Nerv getroffen. Sie sah sie eilfertig an, als ob sie ihr sofort jeden Wunsch erfüllen wollte. „Soll ich euch Seifen holen? Der Bayan hat Martha beauftragt einige zur Auswahl für euch zu holen!“

„Oh“, sagte Zara. „Das ist sehr aufmerksam von ihm.“

„Ja, dass hat Martha auch gesagt. Darum waren auch alle so neugierig, wie ihr sein würdet“, plapperte Neri munter drauflos und hielt sich dann erschrocken die Hand vor den Mund. „Ups.“

Sie schien auf eine Rüge zuwarten, doch Zara musste sich zurückhalten nicht laut loszulachen. „Ich behalte es für mich. Wir tun so, als ob du nichts gesagt hättest, Neri, in Ordnung?“

Eilig nickte das Mädchen. „Danke, Biya.“

„Gerne. Und jetzt hol rasch die Seifen“, sagte Zara mit einem Lächeln. Neri gefiel ihr. Sie war so ganz anders, als sie in dem Alter. Sie war so, wie sie sich Shaina vorstellte mit dreizehn.

Ja, mit Neri würde sie gut auskommen.

„Biya, hier sind die Seifen“, flötete das Mädchen, als sie zurückkam. „Rose, Lavendel, Veilchen und Lilie.“ Sie ließ Zara an allen riechen.

„Lilie“, sagte die bestimmt und Neri machte sich daran ihr die Haare damit zu waschen. Dabei plapperte sie unaufhörlich. Sie erzählte Zara, wer alles im Haus tätig war, wer im Stall arbeitete und, dass der Herr oft im Palast war.

Zara genoss es nicht reden zu müssen und dennoch alles zu erfahren, was sie interessierte. Als sie gebadet hatte kannte sie jeden aus dem Haus, so schien es ihr. Dafür war sie Neri dankbar, denn das machte es leichter sich zurechtzufinden.

Neri führte sie auch durch das Haus und zeigte ihr alles. Den Salon, ein Esszimmer, die Küche, mehrere Gästezimmer, ihre Gemächer, Aidaans Gemächer. Dabei ließ sie auch nicht aus, dass die Räume, die sie nun bewohnte eigentlich für die Frau des Hausherrn gedacht waren und das darum alle erwartet hatten, dass Aidaan seine Ehefrau mitbrachte. Doch Wren hatte das Missverständnis wohl schnell aus dem Weg geräumt und erzählt, dass Aidaan die Räume nur gewählt hätten, weil sie die Schönsten im Haus waren.

Neri zeigte ihr gerade den Garten, als Aidaan nach Hause kam. Martha, die bis dahin mit ihnen im Garten gewesen war, eilte zur Haustür und Zara folgte ihr. Sie blieb jedoch an der Tür zum Garten stehen und wartete ab. Aidaan gab Martha seinen Mantel und sagte: „Es ist nichts. Machen sie sich keine Sorgen, Martha.“

„Wenn ihr das sagt, Bayan. Aber jemand sollte sich den Schnitt ansehen“, versuchte sie es noch einmal und Aidaan nickte. Dann entdeckte er Zara in der Tür. Er lächelte. „Zara wird das sicher mit Vergnügen machen. Sie hat ein Händchen dafür, glaube ich.“ Er kam auf sie zu und zwinkerte.

Zara lächelte. „Vielleicht, aber vorher solltest du ein Bad nehmen.“

„Nichts lieber als das.“ Er deute eine scherzhafte Verneigung an, sodass Zara lachte. Dann wurde er wieder ernst. „Essen wir gemeinsam zu Abend?“

„Natürlich“, sagte Zara verwundert. Sie kannte es nicht anders. Sie aß immer mit Shaina und Jarl zusammen zu Abend. Selbst Kaleb war inzwischen meist dabei.

Aidaan lächelte. „Das freut mich. Und nimm das nicht als selbstverständlich. Du wirst oft allein essen, befürchte ich“, prophezeite Aidaan und sah sie entschuldigend an.

Zara nickte. „Ich weiß.“

„Wenn das so ist - bis später, Zara“, sagte er und stieg die Treppe hinauf, um ein Bad zu nehmen.

Zara sah ihm nach, dann ging sie zurück zu Neri in den Garten. Die fuhr darin fort ihr die verschiedenen Blumennamen zu erklären und Geschichten dazu zu erzählen. So ging die Stunde bis zum frühen Abendessen, dass Aidaan angeordnet hatte, schnell vorbei.

Martha führte sie in den Salon, wo das Essen serviert wurde.

„Der Bayan isst nicht gern im Esszimmer. Es sei zu groß, um allein oder zu zweit zu essen.“, erklärte sie Zara mit einem Lächeln. „Setzt euch. Er wird bestimmt gleich hier sein.“

„Danke.“ Zara ließ sich auf dem Platz nieder, den Martha ihr zeigte und betrachtete den Tisch. Das Geschirr sah überaus wertvoll aus. Genau, wie der Rest des Hauses. Alles schien wertvoll, wenn auch nicht prunkvoll und pompös. Doch alles wirkte eleganter, als sie es erwartet hatte. Aidaan musste ein sehr reicher Mann sein. Reicher, als sie es je vermutet hätte. Kein Wunder, dass alle Mütter ihm ihre Töchter, während ihres Festes zur Volljährigkeit vorgestellt hatten!

Sie drehte ihre silberne Gabel zwischen ihren Fingern und betrachtet die Verzierungen, als sie in ihren Gedanken unterbrochen wurde: „Gefällt es dir?“

Zara sah zur Tür. Aidaan stand da und betrachtete sie mit einem Lächeln.

Zara nickte. „Es ist ein sehr schönes Haus.“

„Nicht ganz zeitgemäß, aber ja. Meine Mutter hat es eingerichtet, als sie meinen Vater heiratete. Es war ihre Mitgift.“ Aidaan ließ sich auf den Platz neben ihr nieder und gab Martha ein Zeichen das Essen auftischen zu lassen. Zara sah Aidaan nachdenklich an. Er hatte noch nie viel über seine Eltern geredet. Nur einmal vor zwei Jahren hatte er ihr gesagt, dass sie gestorben waren, als er gerade sechs Sommer alt geworden war. Danach war er von seinem Großvater zu sich geholt worden und hatte in Ascard House gelebt.

Zara konnte sich vorstellen, wie seine Kindheit ausgesehen hatte. Es war keine gewesen. Belor Loki hatte ihn nur gefordert und nie gelobt, so wie es seine Art war. Hatte alles erwartet, doch nichts gegeben.

Als das Essen auf dem Tisch stand fuhr Aidaan fort: „Sie hat es mir direkt vermacht. Darum ist es auch mein Besitz, nicht der meines Großvaters. Sie war sehr weise. Vielleicht habe ich darum nie etwas hier verändert. Es erinnert mich an sie.“

„Es muss schlimm gewesen sein, sie zu verlieren“, sagte Zara vorsichtig. Sie dachte daran, wie schrecklich es gewesen war, als sie ihre Eltern verlor. Doch nun hatte sie die Hoffnung ihren Vater wiederzusehen. Aidaan würde seine Eltern nie mehr sehen können. Und er hatte sie viel eher verloren, als sie. Sie konnte auf ihre vielen Erinnerungen zurück sehen. Konnte er das auch?

Aidaan hatte begonnen zu essen und kaute nachdenklich. Dann nickte er. „Es war schlimm. Ich habe nicht verstanden, was passiert war. Ich war noch ein Kind.“ Er hielt inne. „Ich kann mich kaum an sie erinnern. Ich weiß nur, dass sie immer nach Lilien roch und an ihr langes Haar, dass mich immer begeistert hat, weil es so weich war.“ Er lachte. Dann sah er Zara an. „Entschuldige bitte.“

„Es gibt nichts zu verzeihen, Aidaan. Ich verstehe, wie du fühlst.“ Sie legte den Kopf schief und lächelte. „Wenn ich an meine Mutter denke, stelle ich mir ihre Hände vor, wie sie mir über den Kopf streicheln. Sie waren so sanft, obwohl sie schwere Arbeit nicht gescheut haben.“

„Und dein Vater?“, wollte Aidaan wissen. „Wie erinnerst du dich an ihn?“

„Ich sehe ihn auf seinem Pferd, wie er nach Hause kommt und mich lachend vor sich in den Sattel hebt. Das hat er jedes Mal gemacht, auch als ich schon selber reiten konnte“, erzählte Zara versonnen und lächelte Aidaan dann fröhlich an. „Ich hoffe, ich kann herausfinden, was ihm damals widerfahren ist.“

„Wir werden es herausfinden“, versprach Aidaan ihr. „Doch du wirst dich gedulden müssen. Der König hat Nachricht von den Fürsten erhalten. Sie werden erst in einigen Tagen hier sein. Der Fluss Altana ist stark über die Ufer gegangen. Sie müssen einen Umweg in Kauf nehmen, der sie einige Tage kosten wird.“

Zara nickte und starrte in ihr Glas. Vielleicht war das gut. Denn so genau wusste sie noch nicht, wie sie es anstellen sollte an ihren Onkel heranzukommen. Die Fürsten waren immer gut bewacht von ihren Schergen. Nur selten ließen sie Fremde an sich heran und genau das stellte ein Problem dar. Sie war dann eine Fremde. Und genau dieses Problem setzte sie vor Aidaan auseinander.

Der sah eine Weile nachdenklich in die Flamme der Kerze, die auf dem Tisch stand. Doch dann fand er eine Lösung. „Eigentlich dürfte das kein Problem sein. Im Palast werden sie wohl kaum in voller Kampfstärke auftreten und du kannst jederzeit dorthin, wenn du in meiner Begleitung bist. Es wird sich eine Gelegenheit bieten. Ich werde auch versuchen etwas zu arrangieren.“

„Ich danke dir!“ Zara strahlte ihn an und griff nach seiner Hand. Aidaan sah einen Moment auf ihre Hand und dann nahm er sie in seine und drückte sie leicht. Erstaunt sah Zara zu ihm auf und Aidaan lächelte. Dann ließ er ihre Hand wieder los und räusperte sich. „Aber, wenn du im Palast ernst genommen werden möchtest, solltest du neue Kleider haben. Ich werde gleich morgen nach einer Näherin schicken. Das hatte ich sowieso angedacht.“

„Ich habe doch Kleider“, protestierte Zara, wenn auch eher halbherzig. Sie wusste selber, dass sie nur ein einziges Kleid besaß, dass der Mode in Nutik entsprach. Und sie wollte nicht noch mehr auffallen, als sie es sowieso schon würde, wenn sie plötzlich an der Seite eines Mannes, wie Aidaan an Hofe auftauchte.

Darum widersprach sie nicht mehr, als Aidaan sagte: „Keine Widerrede. Vertrau mir. Ich kenne mich an Hof und in Nutik besser aus, als du!“

„Ja, da hast du Recht.“ Sie lächelte und unterdrückte ein Gähnen. Sie hatte schlafen wollen, doch aus irgendwelchen ihr nun unerfindlichen Gründen hatte sie es nicht getan. Sie hatte sich herumführen lassen – um auf Aidaan zu warten. Doch nun wünschte sie sich nur noch in ihr Bett, dass wirklich gemütlich ausgesehen hatte.

„Geh schlafen, Zara. Es war eine anstrengende Reise. Du solltest dich ausruhen“, forderte Aidaan sie auf, als sie zum zweiten Mal gähnte. Zara nickte und erhob sich. „Ich wünsche dir eine gute Nacht, Aidaan.“

„Die wünsche ich dir auch. Schlaf gut. Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich von ihr, woraufhin sie nickte und sich umdrehte. Vor der Tür wartete Neri auf sie. Sie hatte eine Kerze in der Hand.

„Neri, was machst du noch hier? Es ist spät“, sagte Zara zu ihr. „Geh nach Hause.“

„Aber, ich muss euch den Weg leuchten, Biya!“, protestierte sie mit flehenden Augen. Zara lächelte und nahm ihr die Kerze aus der Hand. „Das kann ich selber. Du bist ein Kind, du solltest schlafen gehen.“

„Ihr seid eine merkwürdige Herrin“, flüsterte das Mädchen. Unwillkürlich wurde Zaras Lächeln breiter. Sie zwinkerte ihr kurz zu, bevor sie sagte: „Das mag sein. Und nun geh, damit du morgen früh pünktlich für mich da bist.“

„Danke, Biya!“ Neri machte einen artigen Knicks und huschte dann Richtung Küche davon.

Zara sah ihr hinterher und gähnte. Dann stieg sie die Treppe hinauf und ging in ihre Gemächer. Im Schein der Kerze zog Zara sich um.

Als sie im Bett lag dachte sie an Aidaan, Shaina und Jarl, an ihren Vater und ihre Mutter, an Neri und an Marian. Sie war gerade achtzehn Sommer alt und hatte schon drei Leben geführt. Das einer Tochter, das einer Sklavin und das einer Adeligen. Sie hatte verschiedene Persönlichkeiten für jedes entwickelt, doch jetzt schienen sie alle zusammenzukommen. In dieser kurzen Zeit hatte sie sie alle noch einmal gelebt, indem sie Erinnerungen zu Tage brachte, die sie schon lange vergessen zu haben glaubte. Das was lange verdrängt gewesen war, drang an die Oberfläche und die Linien zwischen ihren Leben verschwammen. Und sie hatte mit keinem Stück damit gerechnet, dass es so verwirrend sein würde.
 


 


 

*Hamd'rhavan – Gott sei mir dir.

** Insha'rha – Hoffentlich!



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Kommentare zu dieser Fanfic (49)
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Von:  Yamasha
2017-01-09T13:15:17+00:00 09.01.2017 14:15
Hab alles grade in einem Rutsch durchgelesen. Es ist einfach so toll. Ein bisschen klischeehaft, aber trotzdem schön! Wann geht es denn weiter?
Von:  LadyNayami
2013-06-06T17:02:40+00:00 06.06.2013 19:02
Jetzt hab ich es endlich geschafft diese FF zu lesen :)
Hatte mir das schon vor Ewigkeiten vorgenommen, aber bin nie richtig dazu gekommen :(
Als ich jetzt aber vor 2 Tagen damit angefangen habe, konnte ich gar nicht damit aufhören.

Ne super schöne Idee und auch richtig schön umgesetzt.
Hätte mir an manchen Stellen nur irgendwie ein bischen "drumrum" gewünscht. Kann es nicht genau beschreiben, aber mir lief die Story teiweise zu berechnet ab. Zu gradlinig...
Z.B. wird in allen vorrigen Kapitel nie erwähnt, dass Zara eig Adelig ist und plötzlich denkt sie darüber nach und es findet Bedeutung in der Geschichte. Hätte mir sowas als roten Faden eher am anfang der Geschichte gewünscht - also, dass es erwähnt wird...

Hoffe es geht bald weiter! Freue mich schon darauf was nun am Hofe passiert und ob sie von ihrem Onkel wieder erkant wird :)
Antwort von:  Suzame
07.06.2013 08:34
Hi :) erstmal vielen lieben dank für dein kommi :3 es freut mich sehr dass es dir so gut gefallen hat :3
Das mit dem Drumherum versteheich! Ich arbeite daran weil.mir das inzwischen.auch aufgefallen ist ;)
Das mit dem adelig liegt daran das ich mirdas erst später überlegt habe - um.einiges für den weiteren Verlauf zu....Naja möglich zu machen ;)
Aber danke für den Hinweis! Vielleicht bastel ich vorne auch nochmal.was rein! Hast du noch mehr solcher verbesserungsvorschläge vielleicht? :)

Und du darfst gespannt sein - es wird ich viel passieren :P

liebste grüße
suzame

[ps: ich schreib vom Handy aus - rechtschreibfehler etc.bitte einfach ignorieren :P]
Von:  Thuja
2013-01-15T18:13:46+00:00 15.01.2013 19:13
Schlicht und ergreifend: Großartig!
Ich bewundere diese Geschichte. Sie ist ein Meisterwerk. So toll
*schwärm*
Ich könnte die Geschichte gar nicht noch mehr lieben. Ehrlich nicht.
Und ich warte sehnlichst darauf, endlich für mich NEUES zu lesen
Das Kapitel war natürlich nichts desto trotz eine Meisterleistung, unabhängig davon, ob ich es schon kannte. Deine Formulierungen begeistern. Du bist eine super Autorin!
Deine Charaktere sind so sympathisch. Das finde ich wunderbar. Ganz selten sind mir Charaktere derart ans Herz gewachsen. ♥
Allein Zara gibst du so eine Herzenswärme, dass ich sehr gerne von ihr lese
Neri ist aber auch irgendwie trollig. ^__^ Ich mag sie.
Mehr! Mehr!! Mehr! Ich will mehr!!!

Von:  Regenbogenseele
2012-10-18T22:39:38+00:00 19.10.2012 00:39
ich war so lange nicht mehr on
aber jetzt habe ich das Kapitel gelesen

und Himmel, bist du eine großartige Schreiberin. Total talentiert!!!
Echt krass!!!
Aidaan ist so toll. Er bringt mein Herz zum Schmelzen.
Stark, mutig, stolz.....
Toll von Zara, dass sie den Männern Trinken gegeben hat. Ich mochte die Stelle sehr.
Ich liebe diese Geschichte!!!

Von:  Thuja
2012-09-19T12:23:48+00:00 19.09.2012 14:23
Wahnsinn!
War das wieder toll!!
Das soll dir erstmal einer nachmachen. ^__^
Aidaan und Zara sind für mich mit eines der schönsten Paare, die ich kenne. Nicht nur weil sie gut zusammen passen, nein, sie haben sich so viel zugeben (ganz besonders emotional), sie ergänzen sich Beide sind auf ihre Art besonders
Dein Stil ist mal wieder grandios, sehr einfühlsam, wie ich finde, schreibst du die Szenen.
Das Kapitel war wirklich sehr spannend.
Und ich kann mir lebhaft vorstellen, dass der Anblick schockiert, wenn einer an sein Pferd gebunden wird, der schwer verletzt ist. Aber was im ersten Moment kalt wirkt, ist vielleicht die einzige Chance für diese Verletzten. Und auch da fand ich Zara wieder so super, wie sie ihnen zu trinken gibt. Definitiv. Zara wird niemals eine eingebildete Adelsfrau, egal ob sie im größten Reichtum lebt. Sie hat ein zu großes Herz

Von:  Regenbogenseele
2012-06-25T14:24:06+00:00 25.06.2012 16:24
lalalala
das ist toll
das ist großartig
einen Moment dachte ich ja sie nimmt den Antrag an. Das war echt ein Schock. Das kannst du doch nicht machen.
Aber zum Glück hat sie nein gesagt.
Das hat mich erleichtert
deine Geschichte ist super und umwerfend. Ich hoffe es kommen noch viele Kapitel.
Es ist einfach nur schön das zu lesen
Von:  Thuja
2012-05-15T21:45:46+00:00 15.05.2012 23:45
*jubel*
*freu*
Du ahnst es schon. Ich liebe es. Ich lese so gerne bei dir. Das kannst du dir gar nicht vorstellen. Und auch wenn ich es schon kenne, habe ich es nochmal gelesen.
Mich hatte der Heiratantrag übrigens auch geschockt und ich war froh, dass sie ihn abgelehnt hat.
Zara soll einen Mann kriegen, der sie liebt und versteht
Zara soll Aidaan kriegen !!!
Von:  blechdosenfee
2012-05-07T05:16:39+00:00 07.05.2012 07:16
Ah, es geht weiter. ... Sehr interessant, die erste Annäherung zwischen den Beiden ist deutlich zu erkennen. Ich finde das Ende gar nicht so schlimm. Du beschreibst die Ängste, die in Zara langsam aufkeimen und auch ihre Zweifel und ich bin der Meinung, dass du das gar nicht so schlecht machst.
Viel mehr war ich jetzt über den Heiratsantrag geschockt und wie Shaina und ihr Mann reagiert haben. Am Ende hat Shaina zwar eingelenkt, mit der Aussage: Jeder Zeit einen passenden Ehemann für Zara zu suchen, sobald sie sich entschieden hat. Aber trotzdem hatte ich das Gefühl, die beiden hätten sich gefreut, wenn Zara gesagt hätte: Wirklich! Super. (So in der Art)

Ich bin mal gespannt, wie Aidaan im nächsten Kapitel reagiert und ob Zara ihren Onkel trifft und somit das Schicksal ihres Vaters erfährt.

Gruß K.
Von:  Regenbogenseele
2011-12-22T06:00:40+00:00 22.12.2011 07:00
*mich vor dir verneig*
Du bist großartig. Deine Geschichte ist großartig. Deine Charakter sind großartig
das hier ist GROßARTIG
ich stehe ja so auf Aidaan
lalalala
aber zu Zara passt er besser und ich denke nach ihrer Vergangenheit lasse ich ihr ganz höflich den Vortritt.
Zara ist wirklich eine schöne Frau, die Männerherzen höher schlagen lässt. Leider ist das nicht immer gut.

Von:  Feeroxi
2011-12-09T09:44:00+00:00 09.12.2011 10:44
OMG
Das trieft ja nur so vor Romantik :D
Da haste aber alles rausgeholt was es in diesem Genre gibt und ein rosarotes Märchenland mitten in der kalten Realität geschaffen. Ich seh schon überalle rote Wildrosen ;)
Du weißt wie ich das meine, meine Romantikader ist für ein Mädchen irgendwie verkrüppelt, aber ich hab das Kapitel trotzdem mit Freuden gelesen, weil dein Stil schön ist, auch wenn mir das Wort "Aktion" das du benutzt als sie die Arme um Jarl schlingt irgendwie nicht gefällt. Ich fände Geste oder so besser, aber das nur mal so am Rande ;)
Ich kann Shainas Skepsis dem guten Mann gegenüber verstehen, warum sollte er sich nach nem hlaben Jahr noch an sie erinnern. Männer sind ja eh nicht so gut darin zu warten, schon gar nicht der Liebe wegen und ich hoffe mal er hat sich in der Hauptstadt in Enthaltsamkeit geübt, aber bei den Gesellschaftsverhältnissen glaub ich irgendwie nicht dran...aber hoffen wir das Beste ;)
Die Bestrafung ist übrigens auch gut beschrieben, sehr tapfer die Zara, sowas tut bestimmt derbe weh >.< Ich find es schön das Marian mitleidet und auch die anderen Mädchen sich um sie kümmern, Zara sollte das echt mehr wertschätzen und nicht immer nur den schlechten Erfahrungen dort nachhängen.
Hab ich noch was vergessen? Ach ja...alles erinnert mich irgendwie an...dich. Wenn ich nicht wüsste, dass du die Story geschrieben hättest und jemand würde sie mir geben, wüsste ich irgendwie spätestens nach diesem Kapitel Bescheid. ich weiß nicht warum xD


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