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Wüstentochter

Der Weg einer Sklavin
von

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Buch III - Teil 3

Schande über mein Haupt, dass es solange gedauert hat ein neues Kapitel hochzuladen! Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen! :)

Nun ohne viele weitere Worte: viel Spaß mit dem neuen Kapitel :)
 


 

BUCH III – Teil 3
 

Es war noch früher Morgen, doch auf High Hill pulsierte bereits das Leben. Shaina überwachte die Vorbereitungen für das Fest, dass sie für heute geplant hatte.

„Nein, stellt die Tische und Stühle dort hin“, rief sie einigen Diener zu, die das genannte Mobiliar draußen in den Garten brachten. Immer wieder dirigierte sie das personal von hier nach da, verteilte neue Anweisungen und packte mit an, wenn es von Nöten war. Eine Angewohnheit der Herrin, die viele Diener schätzten, denn so wurden Fehler durch ungenaue Anweisungen vermieden.

Auch Zara half bei den Vorbereitungen mit. Sie wollte diese Feier nicht, doch Shaina hatte darauf bestanden und so hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt. Doch ihr graute es schon vor dem Frisieren und Ankleiden. Shaina hatte ihr extra ein neues Kleid schneidern lassen und angekündigt, dass sie eine wunderschöne mit Blüten geschmückte Frisur bekommen würde. Eigentlich eine Aussicht, die jeder Frau gefiel, doch Zara wollte einfach nicht im Mittelpunkt stehen.

Und ein Fest zur Feier ihrer Volljährigkeit? Sie war bereits mit 14 Jahren erwachsen geworden. In dem Moment, als die Sklavenhändler in Kelan einritten und als sie verkauft wurde. In dem Moment, als ihre Unschuld gestohlen wurde.

„Zara? Zara, komm mit nach oben. Du musst noch baden und dann lassen wir dich frisieren.“ Shaina stand neben ihr und lächelte breit. Zara unterdrückte den Impuls ihre Augen zu verdrehen. Sie wollte diese Feier nicht – aber sie würde nicht darum herum kommen. Es war Shainas Art ihr zu zeigen, wie wichtig sie war. Es war schön, dass sie sich solche Mühe gab, doch als sie Zara ins Bad bugsierte verflog deren Zuneigung wieder.

Sie wurde aus ihren Kleidern geschält und in die Wanne geschoben, wo ihr die Haare gewaschen und sie von oben bis unten geschrubbt wurde. Sie war kaum abgetrocknet, als Shaina sie in ihr Zimmer brachte. Vor dem Frisiertisch musste sie sich hinsetzen. Zwei Minuten später kam Ashana, eine der älteren Mägde, herein.

„Dann wollen wir mal anfangen“, sagte sie und klatschte in die Hände. Miram brachte einen Korb Lotusblumen herein. „Was sagt ihr, Baya? Ich denke es sind die richtigen Blumen für die kleine Biya. Sie passen so wunderbar zu ihren Augen.“

„Sehr gut, Ashana.“ Shaina hielt eine der Blüten neben Zaras Gesicht. „Ich denke wir sollten ihre Haare so stecken, dass ein Teil davon noch über ihren Rücken fällt. Und vielleicht zwei Strähnen, je eine vor jedem Ohr. Was hältst du davon?“

„Oh ja, Baya. Das ist eine gute Idee. Ich werde sofort beginnen.“ Ashana machte sich eifrig an die Arbeit.

Nach einer Stunde ziepen und zerren steckte sie die Blumen fest. Ashana schminkte Zara auch noch und betrachtete dann ihr Werk.

„Wunderschön seht ihr aus, Biya!“

„Wir werden die Männer scharenweise von dir fernhalten müssen“, scherzte Shaina, die wieder ins Zimmer kam, nachdem sie sich selber umgezogen hatte. Zara lachte, wurde aber trotzdem rot. Dennoch freute sie Shainas Kompliment.

Sie wusste, dass sie hübsch war, was nicht zuletzt daran lag, dass sie anders aussah, als andere Mädchen in Lyras. Sie hatte die typischen nachtschwarzen Haare und die honigfarbene Haut, die man den Frauen aus Nairi nachsagte. Und dazu die blauen Augen ihrer Mutter, eine Seltenheit bei den Menschen aus der Wüste. Sie hatte sich nie für außergewöhnlich schön gehalten, trotz ihres exotischen Aussehens, doch in diesem Moment fühlte sie sich, wie eine Prinzessin, als sie in den Spiegel sah.

„Ich sehe zum ersten Mal aus, wie die Prinzessin, die ich bin“, dachte sie mit einem kleinen Lächeln. Sie mochte in einem kleinen Dorf aufgewachsen sein, doch in ihren Ader floss auch das Blut der Nairi-Fürsten. Der Bruder ihres Vaters war einer der weniger bedeutenden Fürsten von Nairi. Ihr Vater, als jüngster Sohn der Familie, hatte sich um die Herden seines Bruders gekümmert. Er hatte die Freiheit gehabt eine einfache Bauerstochter zu heiraten, die jedoch seine Familie mit ihrer Schönheit und ihren Fähigkeiten bezaubert hatte. Und so war sie in Kelan aufgewachsen und nicht in Silah oder einer anderen Stadt.

Sie hatte selten über diesen Teil ihres Blutes nachgedacht, doch nun konnte sie nicht anders, als sich so zu sehen, wie es war. Es war immer ihr bestgehütetes Geheimnis gewesen. Ihr Vater hatte nichts Besonderes sein wollen und hatte diese Gefühle auch seiner Tochter vermittelt.

„Ach und wir sind nicht einmal fertig! Es fehlt noch das Kleid“, sagte Shaina und drückte Zaras Hände. Sie zwinkerte. „Aidaan wird seine Entscheidung treffen, glaub mir.“

In dem Moment kamen Miram und Ashana mit dem Kleid in den Raum. Zara hatte es selber noch nicht gesehen und wartete nun neugierig. Es war hellblau mit einem runden Ausschnitt und weiten Ärmeln, die gerade bis über den Ellenbogen reichten. Hinten musste man eine Schleife binden.

Es war eines dieser Kleider mit weitem Rock, wie sie schon in den Städten getragen wurden und nun auch aufs Land kamen. Dazu musste ein Unterrock getragen werden, der aus unzähligen Schichten Tüll bestand.

Zara stieg mit Ashanas Hilfe in den Unterrock und Miram und Shaina zogen ihr das Kleid vorsichtig über den Kopf, damit die Frisur nicht beschädigt wurde. Sie zupften noch hier und dort bis sie schließlich zufrieden waren.

Zara atmete auf. Sie betrachtete sich im Spiegel. Das Kleid stand ihr ausgezeichnet. Shaina hatte wieder guten Geschmack bewiesen, ganz so wie immer.

„So, dann wollen wir mal.“ Shaina schob Zara zur Tür. „Unsere Gäste werden jetzt gleich beginnen einzutreffen. Dann sollten wir unten im Garten sein.“

Draußen erwartete Jarl sie mit Kaleb auf dem Arm. Jarl zog Shaina an sich und drückte sie mit dem linken Arm an sich. „Du siehst wieder wunderschön aus, mein Herz.“

Shaina lächelte zum dank und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Vielen Dank, Geliebter. Und was sagst du zu Zara? Sie sieht doch bildhübsch aus, nicht wahr?“

„Ja, in der Tat. Einigen werden die Augen aus dem Kopf fallen.“ Er grinste. Und Shaina lachte. „Das ist die Absicht.“

Zara wurde rot. Es machte sie verlegen, dass Jarl über ihre Gefühle für Aidaan im Bilde zu sein schien.

Doch sie hatte nicht lange Zeit verlegen zu sein, denn schon trafen die ersten Gäste ein. Der Belor von K'Tar mitsamt seiner Frau, seinen beiden Söhnen und seinen drei Töchtern. Dann der Baron von Korin mit seiner Frau und seinem Sohn. Dieses Mal war auch seine Tochter, ein Mädchen von kaum vierzehn Sommer mit dabei. Sie war das Abbild ihrer Mutter. Dieselben braunen Haare und Augen und das selbe Gesicht, dass nur noch nicht erwachsen war. Aylana Korin würde einmal eine schöne junge Frau werden.

Es kamen noch mehr Nachbarn. Unter ihnen auch die weniger wohlhabenden Familien. Doch zu Zaras Überraschung schien es keinem etwas auszumachen. Alle saßen gemeinsam auf den Picknick-Decken und ließen sich das gute Essen und den Wein munden. Was Zara jedoch am meisten erleichterte war, dass anscheinend alle vergessen hatten, dass Shaina dieses Fest für sie organisiert hatte.

Es war einfach ein fröhliches Zusammensein geworden.

„Zara?“

Als sie sich umdrehte erkannte sie Raiden Kartur, der vor ihr stand und sie freundlich anlächelte. Er neigte kurz seinen Kopf vor ihr und sie tat es ihm gleich. Dann fragte er. „Was hältst du von einem kurzen Spaziergang?“

„Natürlich. Gerne“, antwortete sie höflich, obwohl sie eigentlich keine Lust hatte mit Raiden spazieren zu gehen.

Sie betrachte den jungen Vicomt. Er war sehr klein für einen Mann, nur ein Stück größer, als sie selber und Zara versuchte ihr Misstrauen ihm gegenüber im Zaum zuhalten. Sie hatte ihn erst zweimal getroffen, da er meist in Nutik residierte. Daher musste auch dieses Misstrauen kommen. Sie vertraute ihr unbekannten Menschen einfach nicht.

Dennoch ging sie ein Stück mit ihm über den Rasen. Er bot ihr seinen Arm, den Zara gezwungenermaßen nahm.

„Nun es scheinen alle vergessen zu haben, dass es dein Fest ist, nicht wahr?“ Raiden lächelte. Er wirkte ein wenig amüsiert über diesen Zustand und Zara nickte mit einem höflichen Lächeln im Gesicht. „Ja, aber das macht ja nichts. Solange sich alle amüsieren ist es doch wunderbar.“

„Welch Bescheidenheit. Das habe ich selten bei jungen Frauen deines Alters erlebt. Sehr ungewöhnlich für ein Mädchen deines Standes“, sagte er und er ließ sie nicht aus den Augen, als sie antwortete. „Nun, dann ist es ungewöhnlich.“

„Bescheidenheit ist eher eine Charaktereigenschaft von Dienern – und Sklaven“, sagte er und lächelte berechnend.

Und dann wusste Zara, dass er sie nur zu einem Spaziergang aufgefordert hatte, um herauszubekommen, wie sie auf diese Provokation reagieren würde.

Er wusste etwas. Oder schien etwas zu wissen zu glauben.

Denn als sie damals nach High Hill kamen hatten Jarl und Aidaan mit ihnen entschieden, ihre und Shainas wahre Herkunft geheimgehalten. Es wäre ein Skandal, dass ein Adeliger, wie Jarl, selbst wenn er aus einer verarmten Familie stammte, eine ehemalige Sklavin zur Frau nahm. Sie hätten niemals heiraten können, wenn Shainas Vergangenheit ans Licht gekommen wäre. Bis jetzt hatte nie jemand die Geschichte angezweifelt, die sie damals zusammengestellt hatten. Nämlich, dass Shaina aus einer adeligen Famlie aus dem Süden stammte und das sie bei Verwandten aufgewachsen war, da ihre Eltern früh verstorben waren. Dort hatte Jarl sie kennengelernt. Zara war ihre Vertraute. Ein weiteres Mündel der Pflegeeltern.

Zara stockte noch der Atem, doch nur kurz, dann fing sie sich wieder. Sie musste sich jetzt schnell etwas überlegen. Für Shaina und Jarl – und Kaleb und Kitana. Auch, wenn sie sich selber dabei verriet. „Ja, das ist sie wohl. Ich muss es behalten haben, selbst nachdem meine Herrin mich frei ließ.“

„Deine Herrin?“

Nun hatte sie ihn. Es war nicht die Antwort gewesen mit der er gerechnet hatte. Als ob sie sich so schnell von ihm beeindrucken und einschüchtern lassen würde! Dafür hatte sie in den letzten Jahren zu viel Selbsbeuwsstsein gesammelt.

„Nun, natürlich. Shaina. Wir sind, wie Schwestern aufgewachsen, obwohl ich eine Sklavin war. Und dann durch einen glücklichen Zufall für mich konnte ich ihr Leben retten, als wir auf dem Weg nach K'Tar waren. Sie ließ mich auf der Stelle frei.“

Raiden schwieg. Er sah aus, als ob er nicht wusste, was er sagen sollte. Er öffnete mehrmals den Mund, schloss ihn jedoch sofort wieder.

Dann wirkte er plötzlich wütend. In seinen Augen glomm Zorn auf. „Willst du mich auf den Arm nehmen, du Luder? Shaina Er'shyi war selber eine Sklavin!“

Zara lächelte. Kühl und berechnend, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Mit fester Stimme widersprach sie Raiden: „Nein. Sie ist eine Frau von adeligem Blut.“

„Du lügst!“ Er packte sie am Arm und schüttelte sie mit plötzlichem Jähzorn. Da bekam Zara es doch mit der Angst zu tun. Ihre Sicherheit und Beherrschtheit war wie weggeblasen. Trotz seiner kleinen Statur, war Raiden kräftig. Sehr kräftig. Er konnte sie mit Leichtigkeit schütteln.

Er schubste sie hart von sich und Zara stürzte rückwärts über eine Wurzel.

Als sie auf dem Boden saß und versuchte sich aufzurappeln, lachte Raiden lauthals. Mit einem begehrlichen Glimmen in den Augen kam er auf sie zu und grinste. Als er vor ihr war, hockte er sich hin und sagte: „Eine schöne Aussicht, wie du da sitzt. Wenn du schon nicht redest, kann ich mich ja wenigstens ein wenig mit dir vergnügen. Das hört sich für mich nach einem Ausgleich an.“

Zara starrte ihn aus großen Augen an und versuchte sich wieder aufzurappeln, doch Raiden drückte sie auf den Boden und begann ihren Hals zu küssen. Zuerst war Zara völlig regungslos vor Entsetzen, als ihre Erinnerungen auf sie einstürmten und sie lähmten. Doch dann schlug sie nach Raiden. Sie war keine Sklavin mehr, die sich von einem Herrn nach seinem Belieben benutzen lassen würde. Sie kratze und biss ihn, wo sie konnte – und dann war das Gewicht plötzlich von ihrem Körper fort.

Sie hörte, wie Raiden vor Schmerz aufstöhnte und sah dann Aidaan, der ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht verpasst hatte. Raiden blutete aus der Nase. Fluchend hielt er seine Hand davor, doch das konnte den Fluss auch nicht aufhalten. Das Blut lief weiter, unter seiner Hand hervor.

„Verschwinde von meinem Land! Wag es ja nie wieder jemanden hier auf diese Weise anzufallen, sonst werde ich dich dafür persönlich zur Rechenschaft ziehen, Kartur!“, drohte Aidaan mit mühsam unterdrücktem Zorn in der Stimme und Raiden sah ihn wütend an.

„Du drohst mir? Für ein verkommenes Sklaven-Flittchen, dass wahrscheinlich sowieso schon dutzende von Männern bedient hat?“, höhnte der und grinste verzerrt. „Was würden bloß die anderen am Hof dazu sagen? Was würde dein König dazu sagen?“

„Er würde dir nicht glauben“, sagte Aidaan ruhig und Zara wusste, dass er die Wahrheit sagte. Und Raiden wusste es auch. Er spuckte Aidaan vor die Füße und drehte sich auf dem Absatz um.

Aidaan ignorierte ihn von diesem Moment an einfach. Er hatte die Auseinandersetzung schon lange gewonnen.

Er kam zu Zara und half ihr aufzustehen. Dann hielt er sie an den Schultern fest. „Ist alles in Ordnung?“

Sie nickte zaghaft. „Ja, dank dir schon.“ Sie versuchte zu lächeln, doch der Versuch missglückte ihr. Ihre Lippen zitterten genauso, wie ihre Beine.

Aidaan hielt sie aufrecht und schüttelte den Kopf. „Du ziehst solche Männer wirklich an, oder? Erst Malik und jetzt Raiden.“ Er sah sehr besorgt aus, sodass Zaras Herz einen Moment schneller schlug. Dann senkte sie den Kopf. „Das ist nicht meine Schuld.“

Aidaan hob ihr Kinn, damit sie ihn wieder ansah. „Ja, ich weiß. Das wollte ich nicht damit sagen. Natürlich ist das nicht deine Schuld! Aber du brauchst jemanden, der dich beschützt.“

„Ich sollte vielleicht nur nicht so leichtsinnig sein mit einem Mann alleine zu sein“, sagte sie leise und sah sich um. Sie standen in dem kleinen Waldstück, dass neben einer der großen Koppeln nahe dem Haus war.

Aidaan sah sie an und legte den Kopf schräg. Dann nach einigen Momenten sagte er: „Dann sollten wir wieder zu den anderen zu gehen.“

„Ja. Das wäre vielleicht besser.“ Zara bereute ihre Worte, sobald sie sie gesagt hatte. Jetzt hatte sie ihn tatsächlich auf eine Stufe mit Männern, wie Raiden gestellt, oder? Als ob sie nicht mit ihm alleine sein konnte.

Doch Aidaan war ja nicht so. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Er hatte sie immer beschützt. Sie wollte es ihm sagen, doch er setzte sich in Bewegung. Sie fürchtete, dass sie ihn nun verletzt hatte, dennoch hielt sie ihn zurück: „Aidaan?“

„Ja?“ Er drehte sich wieder zu ihr um. Sie stand noch auf dem gleichen Fleck, wie eben. Schnell ging er die wenigen Schritte zurück zu ihr. Sie sah aus, als würde sie innerlich im Zwist sein. Besorgt, strich er ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr. „Was ist los?“

„Keiner soll es erfahren“, sprudelte sie heraus und hielt seine Hand fest. Dabei sah sie ihn eindringlich an. „Er wollte, dass ich Shaina verrate.“

„Das sie eine Sklavin war?“, fragte Aidaan, der schnell verstand.

Bestätigend nickte Zara. Auf seinen besorgten Blick hin sagte sie: „Ich habe sie nicht verraten. Wie hätte ich das tun können?“ Sie lächelte traurig und senkte den Kopf. „Ich habe nur mich verraten.“

Aidaan sah, wie es sie innerlich zerfraß. Beruhigend nahm er sie an den Schultern und sah sie eindringlich an. „Niemand wird ihm glauben. Man wird über ihn lachen. Wie so oft. Aus diesem Grund hasst er mich. Ich war immer ein wenig besser, als er. Es begann schon an der Akademie und zog sich durch unser Leben. Glaub mir, er wird nichts sagen. Das würde er sich nicht trauen.“

Hoffnungsvoll sah Zara ihn an und nickte. „Danke.“

Und Aidaan wusste, dass sie sich nicht nur für den Trost bedankte, sondern auch für seine Hilfe von vorhin.

„Ich werde es jeder Zeit wieder für dich tun“, sagte er mit Bestimmtheit in der Stimme. Zara lächelte ihn an. In ihren Augen sah er Wärme und Zuneigung, die sein Herz zum rasen brachten. Er unterdrückte den Impuls sie einfach hier und jetzt zu küssen. Er fühlte, das es zu früh gewesen wäre für sie. Doch inzwischen wusste er, dass er sie für sich haben wollte. Er würde es ihr zeigen – eines Tages.

Doch nun war nicht der richtige Moment. Sie mussten zurück und so führte Aidaan Zara wieder zu den anderen Gästen auf die Wiese, nachdem sie sich den Staub vom Kleid geklopft hatte und die Strähnen wieder festgesteckt hatte, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten. Dann nahm sie den Arm, den er ihr bot und lächelte ihn wieder mit diesem Lächeln an, dass ihn so sehr in Versuchung führen konnte. Doch sie traten aus dem Wald, in Sichtweite der Gäste, und er beherrschte sich wieder.

Sie waren kaum am Picknickort angekommen, als jemand ausrief: „Ah, Aidaan! Seit wann bist du hier?“ Es war Shaina, die auch sogleich zu ihnen eilte. Sie sah zwischen Zara und Aidaan hin und her mit einen sehr neugierigen Ausdruck in den braunen Augen. „Ich habe dich nicht kommen sehen. Wo seid ihr euch denn über den Weg gelaufen?“

„Ich habe Zara mit Raiden bei einem Spaziergang angetroffen. Raiden musste leider eilig aufbrechen, als ich kam. Er bekam eine Nachricht von seinem Gut. Also habe ich Zara hierhin zurückbegleitet“, sagte Aidaan erklärend und Shaina nickte. „Das ist schade, dass er uns so früh verlassen musste. Nun, so ist es eben, wenn die Plicht ruft.“ Sie schien jedoch nicht im Mindesten so betroffen zu sein, wie ihre Worte es einen glauben machen sollten. Stattdessen sah sie aus, als ob sie etwas ausheckte.

„Wollt ihr euch nicht zu mir setzen? Du hast bestimmt Hunger, Aidaan.“ Sie loste sie auf eine Decke, auf der auch die Baroness von Korin und ihre Tochter saßen.

Aidaan begrüßte beide mit einem charmanten Lächeln, dass er in den Jahren an Hof gelernt hatte, und einem gehauchten Kuss auf ihre Knöchel. Aylana sah Aidaan danach mit bewundernden Blicken an und ihre Mutter lächelte zufrieden. In zwei oder vielleicht drei Jahren würde ihre Tochter eine gute Wahl als Braut für Aidaan sein.

Doch Aidaan würdigte das Mädchen kaum eines Blickes.

„Zara, holst du Aidaan ein Glas Wein?“, flötete Shaina und lächelte Zara bedeutend an. Eher widerwillig erhob sie sich. Shaina tüftelte etwas aus und da war es sicherer nicht zu gehen und sie im Auge zubehalten.

Trotz Shainas Blick blieb ihr jedoch keine große Wahl, also stand sie auf und holte Wein von einem Tisch, der wenige Meter entfernt stand.

Von hier konnte sie die Unterhaltung nicht mehr hören. Das Shaina über sie sprach war jedoch klar. Ihr Blick und auch Aidaans lagen auf ihr bis sie den Tisch erreichte. Sie nahm eillig einen Krug und Klech, um ihn hinüber zubringen und noch einen Fetzen der Unterhaltung zu erhaschen. Sie kam in Hörweite, als Aidaan sagte: „Ja, in der Tat. Nur, wie wollt ihr noch eine Verbesserung ihrer Garderobe erzielen, wenn sie einmal heiratet?“

„Dann werde ich die Kleidung meines Volkes tragen“, sagte Zara von hinten und Aidaan drehte sich zu ihr um. Er lächelte. „Das würde ich gerne sehen.“

„Nun bei unserer Hochzeitsgewandung ist nicht viel zu sehen. Es ist alleine dem Bräutigam zugestanden seine Braut ohne Schleier zu sehen“, sagte sie und groß ihm Wein in seinen Kelch. Lächelnd reichte sie ihn Aidaan.

Aidaan schüttelte den Kopf. „Ein Jammer.“ Dann nahm er seinen Wein entgegen.

Zara lächelte nur. „Es ist eine Sache der Gewohnheit. Unsere Frauen und die älteren Mädchen laufen meist mit Schleiern herum. Das ist normal.“

„Nun, dann werde ich wohl nicht viel von den berühmten Schönheiten aus der Wüste sehen, wenn die Fürsten nach Nutik kommen“, sagte er mit unleugbarem Bedauern in der Stimme.

Zara setzte sich auf und sah ihn aus großen Augen an. „Die Fürsten kommen nach Nutik? Wann?“

„In zwei Wochen sollen sie eintreffen“, sagte Aidaan verwunderte über ihre heftige Reaktion.

Zara bekam rote Wangen. „Wird der Fürst von Ibelin da sein?“

Shaina sah Zara fragend an. „Wer ist er?“

Zara hatte ihr in all den Jahren nur wenig von ihrer Vergangenheit anvertraut, da sie sie selber tief in sich vergraben hatte. Doch in letzter Zeit schien sie öfter an ihre Leute zu denken. Das hatte Shaina deutlich gespürt. Sie sehnte sich nach dem, was sie früher gekannt hatte. Dennoch überraschte Zaras Antwort auch sie.

„Er ist mein Onkel.“

„Der Fürst von Ibelin ist dein Onkel, Zara?“, wollte Aidaan wissen.

Zara nickte.

Shaina schüttelte den Kopf. „Du hast nie gesagt...das du von Adel bist.“ Sie flüsterte, damit es keiner der Gäste hörte. Immerhin dachte von denen jeder das sowieso.

„Es ist auch nicht wichtig. Ich bin nicht so aufgewachsen. Meine Mutter war die Tochter eines Bauern.“ Sie sah Aidaan abwartend an.

Der verstand, dass sie noch immer auf eine Antwort wartete. Also nickte er und sagte: „Ja, ich glaube der Fürst Ibelin wird auch da sein.“

Zara dachte fieberhaft nach. Wenn ihr Onkel ihr glaubte, das sie Zara, die Tochter von Shara und Karim war, dann konnte sie erfahren, was aus ihrem Vater geworden war nach dem Überfall.

Sie zitterte vor Aufregung. Dann sah sie entschlossen auf. „Ich muss nach Nutik.“
 


 

Und wie hat es euch gefallen? Was sagt ihr zu den neuen Wendungen des Geschehen?

Ich hoffe es hat euch gefallen :)
 

Liebe Grüße

Suzame



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Regenbogenseele
2011-12-22T06:00:40+00:00 22.12.2011 07:00
*mich vor dir verneig*
Du bist großartig. Deine Geschichte ist großartig. Deine Charakter sind großartig
das hier ist GROßARTIG
ich stehe ja so auf Aidaan
lalalala
aber zu Zara passt er besser und ich denke nach ihrer Vergangenheit lasse ich ihr ganz höflich den Vortritt.
Zara ist wirklich eine schöne Frau, die Männerherzen höher schlagen lässt. Leider ist das nicht immer gut.

Von:  blechdosenfee
2011-12-03T08:52:54+00:00 03.12.2011 09:52
Gott. Zara zieht die Kerle an, wie dass süße Gebäck die Bienen.
Hab mich echt mal gefragt, was sie gemacht hätte, wäre Aidaan nicht aufgetaucht, aber zum Glück war der Retter da. Ich frag mich nur, wie lange er es ihr noch verheimlichen will.
Also wenn Zara Shaina verraten hätte, ich glaub, ich hätte Zara eine runtergehauen. Schließlich war es ja Shaina, die sich seit Beginn der Geschichte wie eine Schwester um sie kümmert und es immernoch tut. Gut eingefädelt, dass Zara adlig ist. Kann mich zwar nicht mehr erinnern, ob du es schon erwähnt hast. Da hat man doch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Wenn der König, Aidaan erlaubt - weiß ja nicht, ob der sich irgendwelche Erlaubnis einholen muss - Zara zu heiraten, dann hat Aidaan die Frau die er liebt und der König hat nen Verbündeten. Okay, ich spinn hier einfach mal ein wenig rum. XD

Muss sagen toll geschrieben. War enttäuscht, als es schon wieder zu Ende war das Kapitel, deswegen freu ich mich umso mehr, wenns weiter geht.

Gruß, Kita
Von:  -fluffi-
2011-12-02T01:37:32+00:00 02.12.2011 02:37
OMG die wendung ist der hammer! Heilige scheisse
ich hab das kapitel nur so in michhineingesogen
und dann hörst du wieder mal in dem moment auf ich glaubs nich ;)
wieder klasse geschrieben
mal sehen wie es weiter geht ich hoffe doch aidaan begleitet sie ;);)
hihihi
Von:  Thuja
2011-11-28T11:18:04+00:00 28.11.2011 12:18
Sie braucht nicht irgendjemanden der sie beschützt
Sie braucht Aidaan
Wenn die beiden zusammen sind, schlägt auch mein Herz schneller
Wenn jedes Lob ein Sandkorn wäre, dann würde ich dir jetzt gerne einen ganzen Strand hier lassen
Deine Geschichte ist einfach wunderbar und die Charaktere so liebenswürdig.
Zara tat mir wirklich leid. Dieser miese Raiden. Was denkt er sich???
Gut, dass Zara Shaina nicht verraten hat. Das war toll von ihr. *daumen hoch für Zara*
Leider wollte der Mistkerl auch noch handgreiflich werden. Als Aidaan auftauchte, wäre ich ihm am liebsten um den Hals gefallen.
Ich freue mich schon auf jedes weitere Kapitel
Ich bin jetzt schon sehr gespannt, auf die Begegnung mit ihrem Onkel.



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