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Ponit de Minuit

von

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Der Auftakt

Eigentlich war Lauschen nicht so meine Art, aber dieses mal war ich doch schon neugierig geworden. Und das in meinem Alter! Ha, Sachen gibt’s. Aber diese Zwillinge... nicht, dass sie mich verspotteten und gleichzeitig lobten – was an sich schon eine Kunst ist, beides gleichzeitig hinzubekommen – nein, sie waren auf eine Weise anders. Dass diese Schule nicht normal war, war mir schon klar, aber dass es die halbe Stadt nicht war, fand ich nun doch interessant. Ich schlich mich über das Dach an und suchte einen Weg hinein. Als ich endlich einen schmalen Eingang fand, der sich als morsches Dachgewölbe herausstellte, nahm ich mir vor, mehr Sport zu treiben. Der Rest des Dachgerüstes schien soweit noch heile zu sein. Bis auf dem Staub, der mir in der Nase juckte und dem Dämmmaterial, was halb abgedeckt war, war hier nichts weiter. Nur wie kam ich von hier zur Aula? Leise krauchte ich von Balken zum Balken, fand meinen Weg auf die Bodenbedeckung und mutmaßte, wo ich war. Theoretisch müsste ich über der Aula sein. Nur wie und wo, käme ich näher ran, dass ich lauschen konnte? Ich krauchte noch etwas umher, bis ich eine Luke bemerkte, die mich in den Zwischenboden brachte. Hier war es noch dreckiger und stickiger. Ahh, scheiß Neugierde. Ich krauchte noch ein Stück bis ich mir einfiel, dass die Decke verputz war. Wie dumm.. dann würde ich hier auch nichts hören können.. Ich krauchte den Weg wieder zurück und suchte nach irgendeinem Weg in das Gebäude. Es musste doch irgendwo eine Dachbodentür geben! Und es gab sie. Am hinteren Ende. Sie war von der anderen Seite verriegelt. Also dann. Ich sah mir die Tür genau an, suchte nach den Scharnieren, um sie möglichste Leise aufzustämmen und hatte Glück, dass diese auf der Innenseite waren. Ich drückte und schob sie heraus, aber es waren keine einfache Stifte, sie bewegten sich keinen Millimeter. Mist. Also doch die ganze Tür ausheben? Ich überlegte noch kurz, eh ich meine Hand ausschüttelte und meine Nägel etwas wuchsen. Von meinen Fingerspitzen löste sich ein rot glimmender Faden, heiß und gefährlich. Ich schwang mein Handgelenk und durchtrennte das Metall vom Holz. Ein gerader Schnitt oben und unten und das Holz der Tür kam dumpf auf dem Boden auf. Gut soweit. Der rot glimmende Faden verschwand wieder und ich schob die Tür ein Stück weit auf. Hier oben war alles dunkel, doch soweit ich sehen konnte, war niemand da. Leise schlich ich die enge Wendeltreppe herunter. Sie war ganz aus Stein gemacht, besaß nicht mal kleine Fenster. Kurz vor ende der Treppe sah ich ein Licht und wurde noch aufmerksamer. Ich schlich gebeugt und dicht an die Wand gedrückt. Keiner war zusehen, doch erste Stimme zu hören. Na endlich!

„Wir müssen was gegen diese Verräter tun!“

„Wir haben keine Beweise, dass sie es waren.“ Ui, scheint ein hitziges Gespräch zu sein. Ich erreichte die Empore, doch hielt mich geduckt. Die Stimmen konnte ich noch nicht genau zuordnen, doch kamen sie mir bekannt vor.

„Schluss mit dem Thema. Wir holen Informationen ein und handeln danach. Wichtiger ist, was Are vermutet.“ Beim Klang der Stimme bekam ich gleich eine Gänsehaut. Diese kannte ich. Heute erst hatte ich sie verflucht.

„Warum nur ich? Du warst dabei Ilian“, diese Stimme klang amüsierter, weniger ernst als die erste, doch auch diese kannte ich. „Es geht um die neue Schülerin. Es gibt noch keine klaren Beweise, doch wir vermuten, dass sie auch ein Vampir ist.“ Na nun aber halt mit den Pferden! Die waren ja schlimmer als damals die Inquisition seiner Zeit. Selbst da wurde man nicht auf bloßem Verdacht hin als Vampir gebrandmarkt. Als Hexe schon, gut, die brannten sehr oft, aber vor Vampiren hatten sie noch genügend Angst. „Behaltet sie im Auge und wenn sie ein Vampir sein sollte, findet heraus, wem sie angehört!“

Erste Begegnung

Der Dorfseher warnte uns. Er meinte es würde dieser Tage noch eine Jungfrau aus dem Dorf treffen. Solche Vorhersagen machten jedem Angst. Den Eltern wegen ihrer Töchter, den Mädchen, da sie die Nächsten sein könnten. Aber die Tage vergingen, zum Glück und trotz der gespannten Unruhe, ohne weitere Ereignisse.

In der Nacht des ersten Sommerneumondes gewitterte es sehr stark und die Nacht an sich war mehr als unruhig. Das Dach meckerte und knirschte, sodass ich nicht wirklich einschlafen konnte. Meine Schwester lag auch noch wach, dass merkte ich daran wie oft sie sich umdrehte, auch wenn ich sie nicht sehen konnte in dieser Dunkelheit. Dann knarrte es lauter. Sie stand auf und ging zum Fenster. Nur schemenhaft sah ich wie sie das Fenster öffnete und eine Hand nach ihr griff. Stocksteif lag ich da und konnte mich weder bewegen noch etwas sagen. Sah schockiert zu wie meine Schwester ohne ein Wort zu sagen, oder Gegenwehr zu leisten, von der Gestalt auf der anderen Seite des Fensters nach draußen gezogen wurde. Innerlich schrie ich mich selbst an, mich endlich zu bewegen und schaffte es auch, aber zu spät. Meine Beine waren wie gelähmt und ich kam mir vor als würde ich mit Steinen an den Beinen laufen. Am Fenster angekommen, klatschte mir der Wind den Regen ins Gesicht und ein Blitz zuckte gerade noch auf, sodass ich sehen konnte wie etwas über die Wipfel der Bäume in den Wald hinein hüpfte und verschwand. Kurz darauf brüllte der Himmel ohrenbetäubend. Ich lehnte mich aus dem Fenster und wollte hinterher, aber der Wind drückte mich zurück und ich kehrte aus meiner Trance zurück. Atemlos stand ich da und Tränen liefen mir über die Wangen. Sie waren wärmer als die kalten Regentropfen. Hinter mir polterte es, die Zimmertür schlug auf und rammte verächtlich gegen die Wand. Langsam drehte ich mich um, sah in Papas entsetztes Gesicht und dann auf die Mistgabel in seiner Hand. „Wo ist sie? Wo ist deine Schwester?“, schrie er mir, in das stumme Zimmer, entgegen. Ich deutete nur mit dem Finger nach draußen, sackte dann endlich zusammen, da meine Knie zu weich waren, als das sie mich noch auf den Beinen hätte halten können. Die Tränen liefen mir jetzt erst recht die Wangen runter und ich konnte auch das Schluchzen nicht mehr zurück halten. Vater lehnte die Forke an die Wand und kam auf mich zu, nahm mich in den Arm. Er weine nicht, das hatte er mal gesagt, nachdem Mutter gestorben war. Und weil er nicht weinte, übernahm ich das für ihn. Dafür verfluchte er diese Viecher, die erst seine Frau nahmen und nun auch noch eines seiner geliebten Kinder.

Die Nacht verbrachten wir in der Küche, horchten bei jedem Knarren auf, in der Hoffnung Marlene würde doch zurückkommen, wäre dem Monster entkommen, aber ich bezweifelte es im Stillen. Sie hatte sich nicht gewehrt und nicht geschrien. Vater meinte die Bestie müsse sie vorher irgendwie betäubt haben, aber auch das glaubte ich nicht. Nach endlosen Stunden in denen das Gewitter langsam weiter zog, schien endlich die warme Sonne durch das Fenster und wir traten vor die Tür. Unser Haus war das, was am dichtesten am Wald stand. Es waren gut 150 Fuß bis zum Dorfplatz, wo ein hölzernes Kreuz in der Mitte stand. Davor befand sich ein Altar und im Innersten wussten wir schon, was wir dort vorfinden würden. Aber wir sahen beide noch in den Wald, als gäbe es noch Hoffnung; hatten dem Platz den Rücken gekehrt. Erst als weitere Dorfbewohner aus ihren Häusern kamen und die erste Frauenstimme schrill die Stille zerriss, drehten wir uns um. Papa lief gleich los. Stoppte vor den leblosen Körper, der blass und reglos auf dem Altar lag. Langsam kam ich hinzu, weinte nicht mehr, hätte es auch nicht gekonnt. Ausdruckslos sah ich auf meine Schwester. Sie hatte ein feines weißes Kleid an und eine weiße Lilien in den Händen. Sie sah aus wie jedes Mädchen, das von der Bestie geholt wurde und am nächsten Morgen wieder hier lag. Sie sah genauso aus wie Mutter, als wir sie hier gefunden hatten. Der Dorfseher tat zu uns heran und legte mir die Hand auf die Schulter. Seine Worte drangen nur schwer in meinem Kopf. Zum einem wiederholte er seine Warnung; bekam ein raunen aus der Menge. Ja, auch alte, krüppelige Seher wollen verehrt und gefürchtet werden. Zum Anderem sprach er hochtrabend von Trost und ein Opfer für die Gemeinschaft, aber da fragte ich mich eher, wann er mal ein Opfer bringen wollte und die Klappe hält? Seine Worte klangen in dem Moment einfach nur heuchlerisch und an teilnahmslos. Dann bestellte er sich noch ein paar Männer, die meinem Vater beim Ausheben des Grabes helfen sollten. Ich wiederrum, konnte nix tun, also sah ich zu, wie die Männer alles verrichteten. Als die Sonne hoch am Himmel stand, holte mich meine Tante und wir machten zusammen etwas zu essen. Sie war die Schwester meiner Mutter und ebenso so bestürzt. Nachdem Mutter geholt wurde, hatte Vater sich zuerst der Trinkerei hingegeben. So wie es jeder Mann macht und jedem Mann zu steht, wenn sein Weib verstorben war. Doch dieses Privileg wurde nur 3 Tage gewährt. Am siebenten ging meine Tante zum Wirt und schleifte meinem versoffenen Vater am Kragen auf die Straße. Vor der Schenke ließ sie ihn im Dreck liegen und beschimpfte ihn. Ich hatte ihn noch nie so dreckig und wirr gesehen. Er schwankte als er versuchte auf zu stehen und lallte stark. Vermutlich sah er auch alles doppelt, aber das weiß ich nicht genau. Doch Vater fing sich und schwor uns Kindern und sich selbst, nicht mehr zu weinen. Er würde uns beschützen, sodass uns nie solch ein Leid passieren würde. Wir hatten ihm geglaubt.

Meine Tante und ich sammelten Blumen und banden sie zu schönen Kränzen. Diesen Tag noch hielten wir die Beerdigung ab, der Dorfseher sprach einen Schutz um meine Schwester, damit sie nicht auch zu jenem Wesen wurde und am Ende des Tages zierte ein weiteres Kreuz unseren dörfischen Friedhof, welcher zweigeteilt war. Auf der linken Seite lagen jene die eines natürlichen Todes gestorben waren und auf der rechten Seite jene die durch Krankheit oder eben durch die Bestie dahingerafft wurden. Sie sollten die Ruhe der „normalen“ Toten nicht stören und lagen etwas abseits. Außerdem ekelte sich jeder insgeheim davor, verseuchte Erde zu betreten; sei sie auch vom Pastor gereinigt worden. Insgesamt konnte ich zehn Gräber zählen. Zwei Männer wurden von einer komischen Krankheit dahingerafft und die anderen acht von dem Schatten aus dem Wald. Wir wussten ja mit was wir es zu tun hatten, denn vor einem halben Jahr, als es Anfing mit dem „Opfer“, kam eine Reisegruppe durchs Dorf. Sie waren auf der Flucht vor „Etwas“. Sie erlebten auch wie ein Mädchen aus dem Dorf dem Vieh zum Opfer fiel und erzählten uns alles was sie darüber wussten. Ja, wir kennen den Schatten im Wald, aber jedem wurde verboten es beim Namen zu nennen, geschweige denn daran zu denken.

Die nächsten Monate vergingen ohne weitere Ereignisse. Wenn der Seher keine Warnung aussprach, dachte keiner weiter dran und erledigte seine Arbeite auf Feld und Hof. Es musste ungefähr Mitte August gewesen sein, als ich an einem schwülen, heißen Sommertag auf der Weide war, um die Schafe zu hüten. Wie hatten 5 Schafe und 3 Ziegen. Es klingt heute nicht viel, aber für uns war das ein Vermögen und wir waren recht wohlhabend. Auch wenn das was der Eine hatte auch gerne dem Anderem gegeben wurde, wenn es ihm nützte und er tauschen konnte. Wir waren eine kleine Gemeinschaft und bei Heiraten, Verlobungen, besonderen Ehrungen oder auch Verlusten war es Brauch und Sitte einen kleinen Teil der betroffenen Familie, dem Anlass entsprechend zu schenken. So kam es auch mal vor, dass die junge Zicke, welche zu einer Hochzeit der Braut als Mitgift gegeben wurde, derselben Familie als Trauergabe überreicht wurde. In seltenen Fällen wurde einem auch ein Stück Land übereignet. So war es gekommen, dass zur einen Seite des Dorfes eine weite Fläche mit Wiesen und Ackerland war und zur anderen Seite der Wald. Doch Vater besaß ein Stück Wiese, welches auf einer großen Lichtung lag und ging man die leichte Neigung hinab, kehrte man auf eine der Wiesen vor dem Dorf ein. Unser Land war schon immer mit sanften Hügeln durchsetzt. Die Wälder verschleierten den unebenen Boden oft, sodass man erst bei starken Regenfällen wieder daran erinnert wird.

Der Tag war viel zu warm und so führte ich meine kleine Herde zu den drei Bäumen auf unserer Wiese, damit wir etwas Schatten hatten. Sie waren in der Umgebung der höchste Punkt und boten einen guten Überblickt. Erschöpft von der Hitze lehnte ich mich an den Baum und schloss kurz die Augen. Ein erfrischender Wind wehte, aber kurzzeitig wurde mir eiskalt. Erschrocken öffnete ich die Augen, sah aber weit und breit nichts außer der Wiese und meiner Herde und trotzdem war mir unwohl zu mute. Kurz sah ich mich noch nach den Tieren um, begab mich dann zum kleinen Bächlein, der nur ein paar Fuß weit weg war. Er plätscherte frisch und lebendig vor sich hin, war kühl und ich konnte mich erfrischen. Ein Mähen weckte meine Aufmerksamkeit und ich sah mich zu den Tieren um. Zwischen den kleinen Tieren stand eine hochgewachsene Person. Sie war komplett angezogen, als wäre es Winter und nicht Sommer mit den heißesten Temperaturen seit Tagen. Skeptisch näherte ich mich der Person mit den dunklen langen Sachen und dem großem schwarzem Hut auf dem Kopf. Mein Herz schlug schneller und ich versuchte es ruhig zu halten. War das ein Kleriker oder so? „Was wollen Sie hier?!“ Die Gestalt drehte sich zu mir um, hob den Kopf an und ich konnte zumindest ausmachen, dass es ein Mann war. Er sah noch jung aus. Äußerlich jedenfalls, aber trotzdem schien er schon alt zu sein. Seine Haut war gebräunt; was ich nicht erwartet hätte unter den ganzen Sachen. Sein Haar war dunkel und lugte etwas unter dem Hut hervor. Seine Augen waren es ebenso. So dunkle Augen hatte ich hier noch nie gesehen. Man konnte nicht erkennen, wo sich die Pupille befand, so dunkel waren sie. Er hatte ein feines Gesicht ohne besonders markante Züge, sah eigentlich nicht böse aus, eher müde. Jedenfalls in dem Moment als wir uns das erste Mal trafen. „Ich bin nur ein Reisender und wollte eine kleine Pause machen. Erlaubst du, dass ich mich unter den Baum dort setzte?“, welch feine Art zu reden dachte ich. Dennoch blieb ich skeptisch. Trotzdem ich bin gut erzogen und war auch sonst nicht abgeneigt anderen behilflich zu sein. Er setzte sich hin, ich aber blieb bei den Tieren. So freundlich er auch aussah, ich fürchtete mich etwas vor ihm. Auch mein Herz raste mir noch vor Furcht.

„Hast du Angst vor mir?“ Erschrocken sah ich auf.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Es ist so warm heute und trotzdem steht du zwischen deinen Schafen und Ziegen in der prallen Sonne. Ich kann sogar von hier erkennen, dass dir der Schweiß den Rücken runter läuft.“ Böse sah ich den Mann an.

„Dann haben sie wahrlich ein gutes Auge. Aber ich setzte mich nicht gerne neben fremde Männer und erst recht nicht wenn es ein Reisender ist. Als Mädchen muss ich da aufpassen, sagt mein Vater immer.“

„Richtig so. Du scheinst eine sehr hohe Meinung von deinem Vater zu haben nicht wahr?“

„Sicher doch. Er ist mir das Liebste, was ich habe.“

„Soso, mein Name ist Yunes Aziz Vlad. Du musst ihn dir nicht merken, aber magst du mir deinen verraten?“

„Nein, aber es freut mich Sie kennen zu lernen Vlad.“

„Oho, ein eisiges Temperament, die junge Dame. Nenn mich doch lieber Aziz“, verlegen kratzte er sich am Kopf, sah schelmhaft zu mir herauf. Dieser Mann war anderes, auf eine oder mehrere Weisen, aber er schien ehrlich zu sein. Weiter erzählten wir nichts, erst als es Abend wurde, fragte mich Aziz, ob er nächstes Mal wieder herkommen könnte. Ich zuckte nur mit den Schultern und meinte, das müsse er wissen. Auch wenn mir der Gedanke an Gesellschaft schmeichelhaft erschien, war mir noch immer unwohl zumute. Aziz hatte etwas an sich, dass der Aura eines Raubtieres glich. Etwas, dass ich später an ihm noch bewundern sollte.

Die darauf folgenden Wochen kam Aziz ganze fünf Mal zu ‚Besuch‘ und fragte mich etwas, was ich nur knapp und ohne wirkliche Auskunft beantwortete. Nun war es schon Ende August und in den letzten Tagen ist es immer schwüler geworden. Vater meinte, dass es sicherlich bald ein Unwetter geben würde. Nicht nur, dass die Felder Wasser brauchten, auch der Wald war schon sehr ausgetrocknet. Ein Brand würde verheerende Folgen haben. Daher sollte ich bei den ersten Anzeichen für ein Unwetter mit den Ziegen und Schafen nach Hause kommen. Am heutigen Tag stand ich früh auf. Die Sonne hatte mich mal wieder geweckt. Schnell wusch ich mich und bereitete das Frühstück. Kurz darauf war Papa auch schon aufgestanden. Wieder belehrte er mich. Diese ewigen sich immer wiederholenden Belehrungen waren ätzend, darum nickte ich nur und versuchte es mir später wieder in Erinnerung zu rufen, wenn ich wollen würde.

Das Wetter war wieder einmal herrlich. Der Morgentau lag noch auf dem Gras und ließ eine feine Nebelwolke die Füße bedecken. Meine Tiere trieb ich singend vor mich her bis wir zur gewohnten Weide kamen. Es sah immer wieder gleich aus, nur diesmal war das Bächlein lauter. Neugierig ging ich schauen und stellte fest, dass es gewachsen war. Um gut 3 Fuß war es nun breiter. Aber wirklich Sorgen tat es mich nicht, denn der Tag wurde noch heißer und schwüler als die davor. Zur Mittagszeit setzte ich mich unter dem Baum in den Schatten. Mir war etwas schwindelig von der Schwüle und langweilig, weil Aziz nicht gekommen war. Diese zwielichtige Gestalt konnte ich zwar noch nicht richtig einschätzen, aber es war doch angenehmer, wenn man nicht den ganzen Tag alleine war. Da hatten es die alten Waschweiber im Dorf besser. Die saßen zu Haufen am Fluss, wuschen und erzählten, während ich hier alleine mit den Schafen und Ziegen hockte. Langsam dämmerte ich weg, wurde erst von einem gewaltigen Grollen geweckt und sah erschrocken auf. Der Himmel war schwarz und einige Tropfen vielen schon. So ein Mist! Schnell scheuchte ich die Tiere Richtung Dorf. Mein Glück war, dass selbst die Tiere von der Hitze so geschafft waren, dass mir keines weggelaufen war. Dafür waren sie nun umso Träger und durch das Donnergrollen verängstigt und schwer zu lenken. Das kleine Bächlein war ganz wild vor Aufregung über den nahenden Wolkenbruch und würde morgen wohl die halbe Weide überschwemmt haben. Platsch! Sogar hier war es schon nass und der Boden aufgeschwemmt. Die Tiere mühten sich dadurch ab und ich trieb sie mit Pfeifen und einem Weidenzweig an. Verdammt, warum waren die so langsam oder war ich zu panisch? Ein Blitz erhellte alles um uns herum, ließ mich eine Gestalt auf unserem Weg sehen, aber nur kurz, dann war alles wieder dunkel und ein ohrenbetäubender Donner hallte über unsere Köpfe. Kurz war ich wie erstarrt, versuchte das Bild von eben jemanden zu zuordnen. Vater vielleicht? Oder einer der Dorfleute? Egal, das Unwetter drang wieder in meine Ohren und ich trieb die Herde weiter. Der Regen wurde immer stärker. Wo kam nur das ganze Wasser her? Der kleine Pfad durch den Wald war beschwerlich, denn einige Bäume hatte der Blitz schon umgekippt und an gekokelt. Die wenigen Flammen wurden von der Menge an Wasser gleich wieder gelöscht. Dennoch lagen sie breit und sperrisch auf dem Pfad und ich musste mit dem Vieh drum herum. Wieder ein Blitz und ein Donner etwas verzögert hinterher. Gut es zog weiter. Doch meine Erleichterung wurde durch ein jähes Knacken und Brechen von Ästen verscheucht und schon sah ich die große Kiefer auf mich zu rasen. Die feinen Äste knackten noch, während der Baum fiel. Ich sah hinauf, konnte aber nicht ausweichen. Meine Knie waren weich vor Schrecken und meine Füße stecken im Schlamm. Meine Augen weiteten sich. Nein, ich will noch nicht! Na dann beweg dich, dummes Kind! Aber es half alles nichts. Abwehrend hob ich beide Arme, wollte mich schützen und schloss flehend die Augen. Kurz darauf hörte ich den Einschlag des schweren Holzes auf dem nassen Boden. Ich wartete auf den Schmerz, aber es kam keiner. Verwirrt öffnete ich die Augen wieder und sah vor Dunkelheit nichts. Meine Arme und Beine waren von dem kaltem Regen so taub geworden, dass ich nur schwer und langsam mitbekam, dass mich jemand im Arm hielt. Vielleicht lag es auch an der fehlenden Wärme von der Person die mich hielt?

„Was?“, fragte ich schockiert, die mir noch unbekannte Person vor mir. War es Vater? Wenn ja wird er mich gleich schellten, weil ich nicht aufgepasst habe? Aber vorerst war es nichts von all dem, denn ich sah in das mir neubekannte Gesicht mit den schwarzen Augen und dem kurzen, krausem und nun nassem Haaren. Sein Hut konnte sich bei dem Sturm wohl nicht am Kopf halten.

„Geht’s dir gut?“, fragte mich Aziz. Von allem um mich herum, war seine Stimme das was ich am klarstem hörte. Nicht der Regen, nicht das Blöken der Tiere und auch nicht Blitz und Donner. Beschämt senke ich meinen Blick, drückte ihn von mir weg.

„Danke, ich denke es geht.“ So viel Nähe war ich von einem Mann nicht gewohnt. Es war mir etwas peinlich und mein Herz schlug immer noch vor Aufregung, Panik und nun auch Scharm. Zitternd vor Schock und Kälte, versuchte ich aufzustehen. Aziz machte mir genug Platz, dass ich mich versuchen konnte, aber meine Beine wollten nicht. Verzweifelnd sank ich in den Matsch, schlug mit der Faust hinein, dass es spritzte und mir einige Schlammspritzer im Gesicht klebten.

„Kann ich dir helfen?“ Aziz beugte sich vor und bot mir seine Hand an. Dass er in Mitten eines Unwetters so ruhig war, verstand ich nicht. Blieb mir da was anderes übrig, als mich auf ihn einzulassen?

„Ich muss die Ziegen und Schafe ins Dorf treiben…“, gab ich fast unter Tränen wieder. Es war doch alles zu viel für ein junges Mädchen gewesen, aber der fremde Mann lächelte nur und hob mich auf die Arme. Dass er mich so leicht aufheben konnte, war schon erstaunlich. Papa scherzte immer über mein Gewicht, dabei war ich noch dünn im Vergleich zu anderen Frauen aus dem Dorf.

Als ich nun in diesen Armen lag, bekam ich nicht mehr viel von meiner Umgebung mit. Es war für mich einfach zu erstaunlich, wie mich diese Präsenz so beruhigen konnte, dass ich mir hier sicher vor dem Unwetter vorkam und jedes Knacken und Ätzen unsere Begleitmusik war. Aziz trug mich bis zum Dorfrand, wo er mich behutsam absetzte. Der Weg kam mir bei weitem nicht so lang vor als wenn ich ihn gehen würde. Etwas verwirrt sah ich mich um, fand aber weder eine Zeige noch ein Schaf.

„Keine Sorge ich bringe sie dir. Kehre du lieber heim“, als wäre ich ein kleines Kind tätschelte er mir den Kopf, aber was sollte ich machen, als zu gehorchen? Er war ein Mann, erwachsen, 3 Köpfe größer als ich und hatte die so beruhigende Hände. Mein Kopf war immer noch so wirr. Was von dem vorhin geschah und was nicht, konnte ich nicht mehr genau auseinander halten. Weder wusste ich, ob der Baum wirklich auf mich gefallen wäre, noch was wirklich nochmal geschehen war. Ich war ihm einfach nur dankbar, dass er da war und mich nach Hause gebracht hatte. Es blitzte, aber das Unwetter war schon weiter gezogen. Trotzdem machte ich mich mit zittrigen Beinen auf den Weg zu unserem Haus. Mir war kalt und ich war von oben bis unten mit Matsch beschmiert. Ich wollte gerade klopfen, als die hölzerne Tür aufgerissen wurde und Vater mich, so dreckig wie ich war, in die Arme schloss. Schnell brachte er mich ins Haus, holte Wasser, damit ich mich säubern konnte und Handtücher, sowie Decken, damit mir wärmer würde. Als ich dann warm eingepackt war und vor dem kleinen Kaminfeuer saß, schwiegen wir beide. Ich fürchtete mich vor der Schellte, die ich noch bekommen würde, wegen der Tiere und weil ich ihm nicht zu gehört hatte. Aber Vater war ruhig und das für eine sehr lange Zeit. Fast war ich schon eingeschlafen und das Feuer schon fast herunter gebrannt, als er mich in den Arm nahm und mich an sich drückte.

„Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist“, war alles was ich an dem Abend noch von ihm hörte, da ich in den warmen, mich haltenden Armen einschlief.
 

Die Tage darauf zogen sich hin mit Aufräumarbeiten und Reparaturen auf dem Dorfplatz und einigen abgedeckten Dächern. Zum Glück gab es keine Toten und auch unsere Tiere standen am nächsten Morgen allesamt im Stall. Vater lobte mich, dass ich alle noch hertreiben konnte. Wohl wollte er mir so mein immer noch schlechtes Gewissen nehmen. Es klappte nicht. Von daher strengte ich mich die nächsten Tage besonders an, auch wenn ich womöglich nichts gutzumachen hatte, fühlte ich mich so.

Nach ein paar Wochen war dann auch schon alles geschafft und die Ernte Zeit stand an. Während Frauen und Kinder alles Obst und erdgewachsene Gemüse sammelten, waren die Männer den Tag über auf den Feldern und holten alles Getreide und Mais ein. Manche Frauen gingen auch in den Wald und suchten Beeren und Pilze sowie Heilkräuter und spezielle Wurzeln gegen Fieber und Erkältungen im Winter. Neben der Ernte, gab es im Herbst oftmals noch ein großes Ereignis und das war die Hochzeit. Wir waren zwar ein kleines Dorf, doch hatten wir Kinder in jedem Alter und es waren auch dieses Jahr einige im heiratsfähigen Alter dabei. Auch der Sohn des Bürgermeisters sollte dieses Jahr sein Glück finden und eines der Mädchen ihr Unglück. Jonas hieß er und war ein Rüpel, der sich am besten beweisen wollte, indem er einer Frau zeigte, wie Mannhaft er schon war. Meine Schwester und ich hatten ihn und andere Jungs oftmals dabei erwischt, wie sie sich an den eigenen Tieren vergriffen hatten. Ob nun Huhn oder kleines Lamm, sie mussten sich austoben. Uns war das zuwider und wir achteten darauf, dass wir wenig Huhn und Lamm aßen, da diese perversen Bilder immer wieder hochkamen. Und nun konnte sich dieses Schandmaul ganz legal ein Weib nehmen und sobald die seine Frau war, auch noch so oft an ihr vergehen, wie seine Triebe es verlangten. Es schüttele mich bei dem Gedanken. Am Grab meiner Schwester erzählte ich ihr davon. Sagte ihr auch, dass sie Glück habe, dass sie schon Tod sei und es nicht mehr miterleben musste.

„Meinst du wirklich, dass sie nicht wusste, was dem armem Mädchen blühen würde, dass seine Frau werden müsste?“, eine dunkle Stimme unterbrach mein Gebet und ließ mich erschrocken herumfahren.

„Aziz?“, erkannte ich den Mann mit dunklem Hut und Mantel der neben mir stand und auf das Grab meiner Schwester sah. So nah am Dorf hatte ich ihn noch nie gesehen. „Was machst du hier? Und was soll das heißen, sie wüsste es?!“ Der Mann hockte sich zu mir hinunter und seine dunklen Augen waren so undurchdringlich wie bohrend zugleich.

„Weißt du, ich kannte deine Schwester. Genau wie du hatte sie eure Tiere gehütet.“

„Das weiß ich. Sie war älter als ich und musste vor mir auf die Weide.“

„Wusstest du auch, dass sie die Nacht vor ihrem Tod bei dem Sohn des Bürgermeisters verbracht hat? Er hat ihr bereits am Tage auf der Weide nachgestellt, doch sie konnte sich immer wehren. Nur diese Nacht nicht“, erschrocken weiteten sich meine Augen.

„Woher willst du das wissen?“ Woher wollte dieser Fremde das wissen, wenn ich nicht mal etwas davon wusste. Ihre Schwester...also...?

„Hör zu, kleine Lady. Ich biete dir das Selbe an wie deiner Schwester. Wenn du nicht mehr ein noch aus weißt, dann komm zu mir. Pfeife einmal und ich werde da sein, um dich mit mir zunehmen.“ fassungslos starrte ich ihn an, konnte nichts erwidern und ließ mich sogar auf die Stirn küssen von diesem...diesem Irren! Ich schlug seine Hand weg und stand auf. „Was fällt dir ein?! Solche Behauptungen aufzustellen und sie nicht mal zu beweisen! Mir aber anzubieten von zu Hause wegzulaufen!“, verachtend sah ich auf ihn herunter. „Verschwinde von ihrem Grab“, ohne weitere Worte drehte ich mich um und ging. Was Aziz da sagte, konnte nicht sein. Marlene hatte nie etwas Derartiges erwähnt und wenn Jonas ihr wirklich nachgestellt haben sollte, und sie ihn verjagt hätte, hätte sie sich damit nicht vor mir gebrüstet? Sie war stolz darauf nicht so schwach zu sein wie andere Mädchen und ich war ebenso stolz auf sie. Ich blieb stehen noch bevor ich den kleinen Friedhof verlassen hatte. Meine Gedanken wirbelten durcheinander und doch fehlten mir noch so viele Stücke um klar die Wahrheit zu sehen.

„Aziz?“, frage ich leise und doch antwortete er mir mit einem klarem: „Ja?“ „Warum.. kam meine Schwester zu dir?“, wütend und enttäuscht ballte ich meine Hände zu Fäusten und hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Warum ging sie zu einem Fremden?

„Eine gute Frage... Ich denke sie vertraute mir von allem am meisten“, seine Stimme klang amüsiert und ich konnte mir vorstellen wie er belustigt grinste.

„Das ist Schwachsinn! Ich war ihre Schwester. Sie vertraute mir am meisten!“ Ich erschrak leicht als sich mit mal eine Hand sanft auf meine Schulter legte. Ich spürte die Schwere und Bürde, die sie trug und doch starrte ich nur mit aufgerissenen Augen zu Boden. Unfähig mich zu bewegen... So direkt hatte er mich noch nie angefasst.

„Was möchtest du von mir, kleine Lady?“ Aziz's Stimme klang freundlich und etwas amüsiert. Langsam hob ich den Kopf und sah in die dunklen Augen.

„Beantworte mir meine Fragen.“
 

Was ich dieser Tage von Aziz lernte, war wie man die richtigen Fragen stellte. Er erzählte nicht viel, ließ mich die richtigen Fragen stellen. Es schien als spielte er mit mir und meinem Wissensdurst, doch jetzt bin ich ihm dafür schon fast dankbar. Auch wenn ich nun weiß, dass er es wirklich seine verflixte Art ist, andere auf den Arm zu nehmen oder sie zur Weißglut zu treiben. Eine Eigenschaft, die mir damals noch nicht so sympathisch erschien. Dennoch... schon nach unserem ersten Treffen auf dem Friedhof, wo ich ihn noch so vieles gefragt hatte, zu Marlene und ihrem Verhältnis zu einander, wurde klar, dass Yunes Aziz Vlad mehr wusste, mehr war! Und während ich mir Tag um Tag mehr Informationen holte, wurden die Festtage vorbereitet. Ich sagte mich von all dem los und übernahm die Beweidung aller Tiere. So war ich dem Dorfgeschehen fern und konnte am Tage mit Aziz reden. Ich hatte auch viel selbst überlegt. Aziz hatte gesagt, ich müsste Pfeifen und er wäre da. Rief man ihn so? Dann muss er ein sehr feines Gehör haben, oder aber er lauerte mir ständig auf. Doch so sehr ich auch meine Umgebung beobachtete, gesehen habe ich ihn nie. Er war gut, dachte ich nur, aber zeitgleich wollte mir nicht einfallen, dass Marlene damals gepfiffen hatte oder nicht? Es war vor einem Jahr und ich erinnerte mich nicht mehr. War der Schock einfach zu groß oder hatte ich es in meiner Angst nicht bemerkt?

In Gedanken trieb ich meine neue Herde auf die Weide; meine Zahl an Schafen und Ziegen hatte sich vervierfacht. Alsbald ich im Wald war pfiff ich nach ihm. Ich konnte unser Treffen kaum abwarten. Bald nach dem ersten Pfiff hörte ich ein Knacken und drehte mich erfreut um, doch ich sah nur einen Schatten, der sich schnell hinter einem eigentlich viel zu dünnem Baum versteckte. Was für ein Trottel, dachte ich nur und blieb dennoch auf der Hut. Aziz war das jedenfalls nicht, warnte mich mein Gefühl. Als ich gerade auf die Weide kam, schreckte mir ein Schäfchen auf und lief davon. Mist! Aber da war wieder dieser Schatten. Er fing das Schäfchen ein und brachte es mir mit einem sonnigen Strahlen im Gesicht.

„Das wäre beinahe schief gegangen, wie?“ Sie an, der Sohn des Bürgermeisters.

„Ernsthaft? Jonas hast nicht du oder einer deiner fetten Gefolgsleute mein armes Schäfchen erschreckt?“, ich sah ihn nur missbilligend an. Dachte er echt ich hätte den Stock nicht gesehen?

„Ich sicher nicht. Aber sag, oh du liebliche-“

„Was willst du? Und hör auf rumzuschmalzen“, würgte ich ihn ab. Ehrlich gesagt war ich etwas sauer auf ihn, weil er mir und meinem Nachmittag mit Aziz im Wege stand.

„Verzeih, meine Holde, ich wusste nicht, dass du so ähm... heroisch bist. Nun was ich will ist einfach. Eine Dame, wie du es bist, hat nichts alleine auf einer Weide verloren. Ich weiß, du bist nicht davon zu überzeugen dich den anderen Frauen anzuschließen. Aber erlaube mir bei dir zu bleiben, als Beschützer. Als zukünftiger Bürgermeister kann ich ein solches fahrlässiges Verhalten nicht ungesehen lassen.“ Jonas verbeugte sich und lächelte charmant. Ich erwiderte es und leugnete nicht, dass mir beinahe die Galle hoch kam.

„Jonas du hast noch nicht mal annährend den Schneid deines Vaters. Gib doch einfach zu das du mir nachstellst, wie du es einst mit Marlene gemacht hast.“, platzte es aus mir heraus.

„Marlene? Ich habe deiner Schwester nie nachgestellt. Auch ihr habe ich meine Hilfe angeboten und sie nahm sie an. Oder hat sie dir gegenteiliges berichtet?“ Ich sah ihn nur schmollend mit verengten Augen an, drehte den Kopf schwungvoll um und trieb meine Herde an. „Hat sie also nicht“, sein grinsen war deutlich zu hören. Es war fast noch lauter als seine Schritte im Gras, mit denen er mich schnell eingeholt hatte. „Was fällt dir ein mich so haltlos zu beschuldigen? Ich meine es nur gut mit dir und du verurteilst mich zu einem...“

„Schwein“, half ich ihm nach. „Sie brauchte mir nichts zu erzählen, dass hat man alles so sehen können. Denkst du wirklich keinem im Dorf würde auffallen, dass du dich jedes Jahr aufs Neue an die Mädchen ranmachst. Nein warte. Du machst dich das ganze Jahr über an Mädchen ran, aber nur jetzt suchst du dir gezielt eine aus, welcher du nachstellst und dich nicht scheuchst sie unter Druck zu setzte.“ Ich war schon stolz auf meine Aussage, doch sah ich auch wie Jonas' Augen anfingen zu funkeln.

„So? Tu ich das? Aber niemand hat jemals etwas gesagt, oder?“ Er griff nach meinem Handgelenk und fasste es mit alle Kraft an. Er tat mir weh, doch das war ihm augenscheinlich egal. Was hatte ich anderes erwartet? Ich dachte ich würde ihn mit meiner Aussage in die Defensive drängen und er würde sich verängstigt umsehen wer ihn alles beobachtete. Nicht etwa, dass er so wütend wurde. Ich vergaß, dass wir alleine waren... Er riss mir die Füße weg und brachte mich zum fallen. „Oh nicht so stürmisch. Ich weiß genau wie du es gerne hast. Du gibst dich hart und unnahbar, aber willst es mal richtig besorgt bekommen, nicht wahr? Deine Schwester war genauso. Sie hat sich gewehrt und genoss es am Ende doch. Sie wollte sogar mehr, ließ die anderen noch ran.“ Mit aufgerissenen Augen sah ich ihn an und mir stiegen die Tränen hoch. „Eine Schlampe war sie. Eine kleine verhurte-“ Jonas sah mich an, dann drehten sich seine Augen in die Augenhöhlen und er brach auf mir zusammen. Angewidert schon ich den schweren Männerkörper von mir und setzte mich mit klopfendem Herzen ein Stück von ihm weg. Marlene, Marlene... dachte ich nur.

„Menschen sich wahrlich amüsant“, ich sah auf und fand Aziz's dunkle Augen. Sie waren nicht erfreut und strahlten etwas Bedrohliches aus. „Ich hatte dich gewarnt, kleine Lady. Sagte ich nicht, du sollst dein Wissen weise ausspielen?“ Ich sah ihn erst nur fassungslos an, eh mich die Erleichterung erreichte, wen ich hier vor mir hatte. Ich schluchzte und rieb mir dir Tränen aus den Augen. „Na, na. Komm her“, schniefend sah ich wieder zu dem eigentlich so fremden Mann auf, der mir ein liebes Lächeln schenkte und die Arme nur für mich geöffnet hielt.

„Es tut mir Leid. Aziz, wirklich...“, schluchzte ich und stürzte mich in seine Arme. Wissend, dass ich mich eigentlich dem zuwendete was mein Dorf so sehr fürchtete, wissend, dass Aziz nicht ein einfacher Reisender war.

Eine Hochzeit?

Die Sonne ging gerade unter und hinterließ ein rotoranges Farbenspiel. Jonas war von Aziz in einen anderen Teil des Waldes gebracht worden. Wie genau hat mich gar nicht interessiert. Ich sah wie leicht es ihm fiel, den bewusstlosen Körper anzuheben und zu tragen. Er war stärker als alle, dachte ich nur. Er war das, was alle fürchteten und ich vertraute ihm so viel mehr als meiner eigenen Sippe. Ich fühlte mich schäbig und doch erleichtert. Geahnt hatte ich sowas schon, aber zu denken wagte ich es nicht. Als würde, wenn ich etwas nur in meinen Gedanken ausspreche, es sofort wahr werden. Aziz war den ganzen Nachmittag noch bei mir. Er ging erst als raue Männerstimmen vom Dorf her laut wurden. Sie kamen schnell näher, während sie sich mit lauten Rufen ihren Weg durch den Wald bahnten. Aziz drückte mich zum Abschied nur und versprach zu kommen, wenn ich ihn riefe, eh er in einer einzigen für mich viel zu schellen Bewegung verschwunden war. Keine Sekunden später tauchte Jonas auf, gefolgt von meinem Vater, dem Bürgermeister selbst, dem Metzger mit seinem größten Beil und den Gruberszwillingen, zwei handstämmigen, baumhohen Männern, mit allein von der Feldarbeit gestählten Muskelarmen, wie sie immer behaupteten. Ich erhob mich, als sie näher kamen und mein Vater schloss mich auch gleich in seine Arme.

„Mireille! Mein Mädchen, geht’s dir gut? Ist alles noch dran? Ich bin sofort gekommen, als Jonas uns erzählt hat, was geschehen ist. Mein Kind ist alles in Ordnung? So sag doch was.“

„Ich würde dir ja antworten, wenn du mich nicht erdrücken und mich auch mal zu Wort kommen lassen würdest“, sagte ich und drückte den alten Mann sanft von mir. Just in dem Moment kam Jonas an und legte seine Hände an meine Schultern. Prüfend blickte er mich an und blieb dabei länger als er müsste an meiner Brust, meiner Taille und meinem Becken hängen.

„Es hat dir wirklich nichts getan?“

„Nein, was auch immer du fantasierst, mir geht es gut! Und nun nimm deine Griffel weg“, herrschte ich ihn mit giftigen Blick an. Doch weiter kam ich nicht, denn schon mischte sich der Bürgermeister ein. Sein Blick war so hoheitsgebietend, dass ich ihm gerne eines mit der Forke gegeben hätte.

„Mein liebes Kind, du weiß gar nicht, was du für ein unverschämtes Glück hattest. Hätte Jonas uns nicht Bescheid gegeben, dass er diese Bestie bei dir gesehen hatte, hätte wer weiß was mit dir geschehen können. Denk nur an deinen Vater. Ein bisschen mehr Dank wäre nicht verkehrt.“ Ich bedankte mich nicht. Fiel mir gar nicht ein. Stattdessen konterte ich und wollte wissen, wie sie bitte überhaupt auf diese hirnrissige Idee kamen? Zumal Aziz wirklich hier war, doch passte er immer auf, dass ihn keiner mit mir sah. Zudem ging ich doch davon aus, dass Aziz Jonas an einen entsprechend weit entfernten Ort gebracht hatte, dass dieser, sollte er zur Besinnung kommen, uns nicht erneut stören konnte. Nur leider schien sein Schlag nicht hart genug gewesen zu sein.

„Du weißt es vielleicht nicht mehr, denn der Geruch der Bestie hat dich betäubt, aber ich hab sie gesehen! Gott, Mireille, du lagst da wie tot, ich dachte, es hätte dich schon...“, gespielt brach er ab, sah mich dabei mitleidig und voller Sorge an. „Alleine hätte ich gegen dieses Biest nicht bestanden, also lockte ich es nur an und hoffte, es von dir zu entfernen. Doch es war zu schnell und überwältigte mich. Als ich wieder zu mir kam, rannte ich sofort zum Dorf, um Verstärkung zu holen. In Gedanken immer bei dir, mit der Hoffnung, dass dir nichts passiert sein möge“, während er diese letzten, sülzigen Worte sagte, kam er mir wieder näher und hielt zärtlich meine Hand. Sicherlich musste er so viel Heucheln und sich in ein gutes Licht stellen. Immerhin war sein Vater anwesend, er hatte wohl immer noch nicht von mir abgelassen und sein Ego war größer als dieser Wald hier.

„Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern“, erwiderte ich einlenkend. Meine Meinung zählte hier eh nichts. Jonas hatte seine Geschichte schon erzählt und ich bezweifelte, dass mein Vater zu mir halten würde. Nicht, wenn noch so viele andere wichtige Männer des Dorfes da waren. Ich war einfach in der Unterzahl und Frauen hatten sowieso nicht die gleichen Rechte wie ihre Männer; und als noch freie Frau unterstand ich meinen Vater. Obwohl... ich wurde ja erst zu einer Frau, wenn ich geheiratet hätte oder über 20 Jahre alt wäre. Aber diese alten Jungfern gab es bei uns nicht. Alle wurden verheiratet oder von der Bestie geholt. Ich hatte das Gefühl depressiv zu werden. Nichts wurde mir mehr zugestanden, ich durfte keinen Schritt mehr alleine machen und wurde vor allem von Jonas begleitet. Da ich mich nicht wehrte und es mir egal war, ob er mir alles abnahm oder nicht, trat mein Vater mit einer unmöglichen Bitte an den Bürgermeister und dessen Sohn heran.

„Ich bitte Euch. Mireille ist noch jung, jungfräulich und ich wüsste sie bei keinem besser aufgehoben als bei Eurem Sohn.“

„Sicherlich, aber sie ist von der Bestie berührt worden. So wie deine andere Tochter, für die mein Sohn sich interessiert hatte. Nur wurde diese noch vor der Ehe von der Bestie geholt. Wird das mit deinem letzten Kind auch so sein?“ Mein Vater rutschte unruhig auf seinen Knien und verneigte sich noch unterwürfiger.

„Nein, Bürgermeister. Im Schutz Eures Sohnes wird die Bestie sich nicht an sie heran wagen. Bedenkt, wir haben nur noch wenige Frauen im Dorf, noch weniger Mädchen und bei Eurem starken Sohn, weiß ich sie in Sicherheit. Und überdenkt die Nachfolge“, gab er zu bedenken.

„Ich weiß nicht...“

„Vater, warum denn nicht? Mireille ist ein schönes Mädchen und ich nehme mich ihrer gerne an“, sagte der Jüngling und verbürgte sich für mich. Alter Schleimbolzen, dachte ich nur. Es war natürlich unnötig zu erwähnen, dass ich hinter meinem Vater kniete und alles mitbekam.

„Bist du dir sicher, Jonas? Denk an ihre Schwester und wie sie der Bestie-“

„Vater, ich werde doch mal Bürgermeister sein, richtig? Da muss ich doch ein Mädchen aus dem Dorf und meine baldige Frau schützen können, oder nicht?“ Der Bürgermeister überlegte kurz, dachte über die Worte seines Sohnes nach und nickte schließlich zufrieden.

„Ja, das ist eine Entscheidung eines Bürgermeisters würdig. Ich bin stolz auf dich“, lobte der Alte seinen Sohn. Mein Vater schien schier erleichtert zu sein, dass er mich so günstig und gut dazu verkauft hatte. Ob Marlene sich damals auch so angewidert gefühlt hatte? Vom eigenen Vater so verkauft zu werden... Mir wurde richtig übel. Auf dem Rückweg zu unserem Haus am anderen Ende des Dorfes redete ich kein Wort mit ihm und blieb dezent hinter ihm. Erst als wir daheim waren, drehte er sich zu mir um und umarmte mich glücklich.

„Du bist in Sicherheit, mein Kind. Endlich haben wir mal Glück!“

„Sicherheit? Bei diesem Lüstling?“, fragte ich skeptisch und drückte mich aus der Umarmung meines Vaters. Der verständnislose Blick, den er mir zuwarf, tat mir schon fast leid.

„Miri? Was soll das? Wenn Jonas dich zur Frau nimmt, haben wir keine Probleme mehr-“

„DU hast keine Probleme mehr, Vater. Du wirst eine ordentliche Mitgift bekommen und kannst dann in aller Ruhe deine Tiere hüten und auf Enkel warten. Ich muss mich seinen Launen ergeben. Weißt du, was das für ein lüsterner Strolch ist? Er vergeht sich an seinem eigenem Vieh-“ Mein Vater hob eine Hand und gebot mir zu schweigen.

„Du wirst ihn ehelichen. Es ist sicherer, sich von einem Mann nehmen zu lassen, als von dieser Bestie verschleppt zu werden.“

„Weißt du das denn so genau? Ich glaube, Marlene wusste es. Sie wusste, was Jonas für ein Ekel war und hat sich für die Bestie entschieden“, ich wurde energischer, wollte einfach, dass mein eigener Vater mich verstand. „Sie ging lieber dorthin als in die Arme und die sichere Gefangenschaft dieses Tyrannen!“

„Mireille, schweig“, herrschte er mich an und sein Blick bekam etwas Verletzliches. „Und deine Mutter? Hat sie sich auch aus einer Gefangenschaft von mir befreien müssen? Ich war, weiß Gott, immer gut zu ihr, habe ihr nie ein Haar gekrümmt und ergab mich ihren Launen, als sie schwanger war. Ich habe sie geliebt und doch hat die Bestie sie mir genommen“, seine Stimme brach fast und die Tränen standen ihm in den Augen. Mutter hatte ich fast vergessen, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass Aziz, so gut und wenig ich ihn schon kannte, ihm dennoch so viel mehr vertraute, sie ohne Grund getötet hatte.

„Aziz hatte sicher einen Grund. Sicher kann er es dir erklären“, sagte ich sanft und einfühlsam und legte meine Hand bedacht auf den Unterarm. Mit einer harschen Bewegung schüttelte mein Vater meine Hand ab und sah ihm wutentbrannt an.

„Aziz?“ Wie dumm von mir... „Du kennst die Bestie beim Namen?“, fragte er sehr beherrscht, sprach aber fast nur zwischen seinen Zähnen hindurch.

Ich hatte Vater noch nie wütend gesehen. Jedenfalls nicht richtig. Nichts davon, als ich mal ein Schaf verlor oder mir den Arm gebrochen hatte, all diese Wutausbrüche, standen im Vergleich hierzu. Sein Gesicht war rot, so rot als wäre ihm sämtliches Blut aus dem Körper in den Kopf geschossen. Seine Augen waren so groß und mit Adern durchzogen, dass sie schon gruselig wirkten. Auf seiner Stirn prangte eine dicke Ader, derer ich mir nie bewusst gewesen war, doch welche eindeutig pulsierte. Seine Hände waren zu Fäusten verkrampft, dass die Knöchel schon weiß hervor traten und er spuckte, bei jedem Wort, was er mir entgegen schrie, mir etwas ins Gesicht.

„Wieso kennst du diese Bestie?! Wann habt ihr euch getroffen?! Und wie kannst du nur so DUMM sein und dich mit dem Vieh anfreunden! Ist dir das Opfer deiner Mutter und Schwester und all der anderen nicht bewusst!?“

„Vater, er ist anders. Gar nicht so wie wir denken... Er ist... ach, nun hör mir doch zu... er ist nett und-“, wir redeten gleichzeitig und doch ging ich in meinen panischen Bemühungen um Frieden hilflos unter. Jedes Wort von mir machte ihn nur noch wütender.

„NETT!! War das, was er Marlene angetan hatte, nett?! Oder als er mir meine geliebte Frau genommen hatte?!“

„Nein, Vater, das war anders. Sie hatten ihre Gründe-“

„Nun sollen sie sich auch noch selbst das Leben genommen haben?!“

„Nein, so mein ich das nicht.. Gott! Würdest du mich BITTE endlich mal ausreden lassen!?“ Mein Lauterwerden brachte mir wenig. Ich wurde fest und schmerzhaft am Arm gepackt und von meinem Vater durch das Haus geschleift, eh er mich in die kleine Kammer, wo wir unser Fleisch aufhängten und trockneten und in der es immer so säuerlich und beißend roch, einfach hinein warf.

„Du bleibst hier! Ich will kein Wort mehr hören und wehe dir, du verliert ein Wort darüber an den Bürgermeister oder seinen Sohn. Wenn sie das erfahren, war es das mit der Hochzeit und du wirst nie einen Mann finden!“ Damit schlug er die Tür zur Kammer zu und es wurde dunkel um mich herum. Nur dieser elende Gestank und die Dunkelheit und ich. Oh Gott, mir war zum Heulen zumute...

Lobe nie den Tag vor den Abend

Hätte ich gekonnt, hätte ich zurückgeschrien, dass ich nie einen Mann wollte und schon gar keinen wie Jonas. Doch irgendwas hielt mich davon ab, zu schreien oder auch nur ein Wort des Trotzes von mir zu geben. Vielleicht war es einfach mein Gefühl, dass mich davon abhielt, etwas zu tun oder zu sagen, was mir später leidtun würde. Ich liebte meinen Vater, wie ich auch meine Mutter und meine Schwester geliebt hatte, doch er war so verblendet, dass ich ihm am liebsten wach gebrüllt hätte. Ich war mir aber sicher, dass dies nicht funktionieren würde. Mein Vater war ein Sturkopf, ein alter Esel, dem man nicht mehr belehren konnte. Er trottete Tag ein, Tag aus in seinen eigenen Spuren oder den Spuren anderer und ging diesen Weg bis zu seinem Tod. Ich hingegen fühlte mich freier, nicht so manipuliert, weshalb ich auch nicht nach Aziz rief oder pfiff. Sicher, für ihn wäre es einfach gewesen, doch zuerst wollte ich sehen, wie weit ich alleine kam und was genau mich erwarten würde, sollte sich diese Tür demnächst wieder öffnen.

Die frische Luft, welche ich drei Tage später atmen durfte, war mir gerade das Liebste auf der Welt. Ich wusste nicht, dass Luft so frisch sein kann, so mild und feucht. Dazu die Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne, die Nebelwolken, welche noch über den Gräsern hingen und die Spinnweben glitzern ließen, voll von frischen Tau; es kam mir wie die schönsten und ersten Bilder vor, die ich je gesehen hatte. Drei Tage Dunkelheit und Gestank hafteten nicht nur an meiner Kleidung und in meinen Haaren, dass ich wie ein Räucherschinken auf zwei Beinen roch, sondern auch in meinem Kopf. Länger und ich wäre sicher verrückt geworden oder ich hätte Aziz wirklich gerufen oder noch schlimmer, ich wäre eingeknickt und hätte nachgegeben. Aziz... was er wohl gerade machte? Ob er auch den Sonnenaufgang genoss oder hatte er gar das Dorf beobachtet und wusste mal wieder mehr als ich? Mein Blick ging in die Ferne, doch ich sah natürlich nichts. Gerade als ich wegsehen wollte, bewegte sich etwas in meinem Augenwinkel und ich sah wieder zum Wald. Dort, dort im Schatten stand jemand oder etwas, in dunklen Kleidern gehüllt und ja, ich war mir sicher, dass es Aziz war.

„Mireille, komm.“ Ein kräftiger Ruck an meinem Handgelenk, zog mich von der schönen morgendlichen Szenerie und von Aziz fort. Vielleicht war es besser so, dachte ich stumpf, eh ich doch trotzig den Kopf schüttelte. Wie sollte es besser sein, mich in etwas zu fügen, wo ich mich gänzlich begraben fühlte, als mich nach jemandem zu sehnen, der mir weniger korrupt vorkam, als die, die ich schon Jahre liebte. Etwas Wesentliches, was meinem Vater wie auch mir in diesem einen Moment entging, waren die alten, von einigen Augenringen untersetzten Augen, die jede meiner Bewegungen erfasste. Die alten Augen, einst strahlend blau, waren nun fahl, misstrauisch und zum Teil von grauen Schlieren überzogen. Vielleicht sahen sie manche Dinge nur noch verschwommen, doch seine Vorahnungen trafen immer zu und sein alter, kauziger Geist war scharfsinnig und sehr eigen.

Meinem Vater gingen ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf. Er war besorgt, wie es sich mit seinem ungehörigen Kind entwickeln würde, so dachte ich es mir. Was die letzten drei Tage im Dorf passiert, besprochen und geregelt wurde, war mir ja verschlossen geblieben. Vater zog mich zum Haus des Bürgermeisters und klopfte an. Ungeduldig wartete er und schien sichtlich aufgeregt zu sein. Sicher, heute heiratete seine letzte Tochter. Selbst Marlene hatte so etwas nicht erleben dürfen. Müssen... sie war diesem Alptraum knapp entgangen.

„Da seid ihr ja; pünktlich, sehr schön“, wurden wir von der Schneiderin unseres Dorfes empfangen. Sie entzog mich gleich meines Vaters Griff und maß mich im spärlichen Schein, welches durch die kleinen, wenig Licht spendenden Fenster einfiel. „Ein mageres Ding, aber gut, dann spar ich Stoff. LEAR!“, rief sie mir direkt ins Ohr, da sie gerade meine nach Räucherwahre stinkenden Haare roch. „Stinken tut sie...“ „Sie hat mir noch geholfen, das Fleisch haltbar zu machen. Ein fleißiges Ding“, erwähnte mein Vater. Schleimer, Lügner, dachte ich nur und fragte mich, warum sie über mich reden mussten, als wäre ich dumm oder nicht da? Schritte wurden lauter und eine Bodenluke zum Keller öffnete sich. Herauf kam ein Junge in meinem Alter. Er war schmächtig den ersten Anschein nach, doch zierten einige kräftige Muskeln seine Oberarme. Seine Haare lockten leicht und schmeichelten dem schmalen Gesicht, in welchem Kohlenstaub und Dreck klebte. Sein hellbraunes Haar war ebenso verschmutzt und es schien, als hingen Spinnweben in ihnen. Ich musste schmunzeln, denn Lear sah genauso schlimm aus, wie ich womöglich roch. Als seine ebenso haselnussbraunen Augen mich fixierten, legte sich auch ein Grinsen auf seine Lippen.

„Miri“, meinte er erfreut, doch unsere kleine Wiedersehensfreude wurde bedauernswerter weise von der Schneiderin unterbrochen.

„Mach das Wasser heiß und bereite alles für ein Bad vor, ich muss sie komplett schrubben. So kann sie weder heiraten noch eines meiner hübschen Kleider tragen.“ Ich lächelte nur entschuldigend, während Lear mich irgendwie entgeistert ansah. Doch eh er oder ich etwas sagen oder weitere nonverbale Gesten austauschen konnten, schob diese gretige, aber doch kräftige Frau mich einfach beiseite und machte Lear Beine, er solle sich doch beeilen. Anschließend zeigte sie das fast fertige Kleid. Es war nur einfacher, weicher Wollstoff, der in einem blassen Lila strahlte, den die Färberinnen von dem Lavendel, womöglich mühsam, übertragen hatten. Ich gab's nicht gerne zu, doch ich wollte schon immer mal ein schönes Kleid tragen. Eines aus weicher Wolle, nicht wie meine, die den ganzen Tag nur kratzten und scheuerten und nach jedem Ort aussahen, an dem ich bis zur nächsten Wäsche gewesen war. Doch solche Wolle wurde für die wohlhabenderen im Dorf gebraucht. Vielleicht war diese Hochzeit doch nicht so schlimm? Ich würde danach eine bessere Stellung im Dorf haben und könnte immer so schöne weiche Kleider tragen. Ich müsste nur Jonas aushalten. Ihn lieben und Kinder gebären, seine Launen ertragen, mich ihm hingeben und seine Schläge dulden; es hinnehmen müssen, dass ich vielleicht rumgereicht würde, wie ein Vieh, das genommen werden konnte und sich nicht zu wehren hatte, so, wie es den Herren beliebte. Mich überkam ein Eisschauer und das trotz des warmen Wassers, in welchem ich saß. Meine Haut war gerötet von dem harten Schrubben der Schneiderin und meine Haare taten weh, so grob hatte sie sie mir gewaschen. Dafür aber war ich nun sauber und durfte mich noch etwas in meinem 'alten Dreck' suhlen, wie sie es nannte. Der Wasserbottich stand draußen hinter dem Haus. Lear hatte mir einen Sichtschutz aus alten, löchrigen Holzbrettern errichtet, der mir gerade ein kleines 10 Fuß breites und 7 Fuß langes Reich schaffte. Ich lehnte mich genießend zurück und vergaß für kurz all meine Sorgen. Stattdessen genoss ich lieber die Sonne auf meinem Gesicht und den frischen Duft nach Lavendel und Myrre und etwas Thymian. Etwas Ruhe, dachte ich nur, eh ich ein Rascheln hörte und mein Körper sich automatisch anspannte. Ich war nackt und irgendwie war es mir klar, dass Jonas oder einer seiner Kumpanen sich anschleichen würde, um zu spannen. Langsam öffnete ich die Augen und sah mich vorsichtig um. Als ich die Person sah, die sich angeschlichen hatte, erschrak ich erst, eh ich doch entspannter zurück in das Wasser glitt und hinter der Hand kicherte.

„Ebenso hatte ich mich heute Morgen gefühlt“, meinte Aziz ziemlich leise, doch ich verstand ihn.

„Warum?“, fragte ich erheitert und bettete meine Arme auf den hölzernen Bottichrand, um meinen Kopf auf diesen abzulegen und erheitert aufzusehen.

„Du warst eingesperrt und hast mich nicht gerufen. Und heute Morgen seh' ich dich erstmals wieder und du schaust...“ „Schlimm aus?“ „Grässlich aus.“ Wieder kicherte ich und glitt zurück in das warme Wasser. Lear konnte echt gut heizen.

„Du hättest mich dann erstmal riechen müssen...“

„Das habe ich. Roch etwas nach ausgehangenem, gesalzenem Fleisch“, meinte Aziz verwundert und trat näher. „Und nun lockte mich der Duft nach Myrre und etwas anderem, ebenso Süßem.“ Mein Herz schlug schneller, nur wusste ich nicht warum. Ich saß in dem Bottich und war nackt. Die Sonne schien auf mich nieder und erhellte meine eh viel hellere Haut. Aziz war so groß, dass er womöglich alles sehen konnte. Alles von mir... Ich wurde rot und sein Blick schien so dunkel, wie die Nacht.

„Lavendel. Ich bade in Myrre und Lavendel. Und etwas Thymian“, erwiderte ich schluckend. Ich fühlte mich wie ein Kräutersud...

„Das riecht sehr gut. In meiner Heimat gibt es kein... Lavendel. Thymian kenne ich. Doch das Andere riecht sehr gut an dir“, verwundert sah ich auf, da ich dachte, mich verhört zu haben. Hatte er mir gerade ein Kompliment gemacht? Gut, das hatte er schon öfters, nur warum berührte es mich gerade jetzt? Doch nicht nur, weil ich nichts anhatte? Aber dieser Blick mit welchem er mich bemaß...

„Aziz?“

„Ja, kleine Lady?“

„Warum siehst du mich so an?“ Seine Augen wandten sich vom reglosen Wasser weg hinauf in meine Augen und sein intensiv dunkles Braun fesselte mich, zog mich in seinen Bann.

„Ich sehe dich nicht an, ich betrachte dich und deine Schönheit“, meinte er ganz galant und strich mir so unglaublich sanft eine nasse Haarsträhne beiseite. „Ich lebe nun schon lange und bin weit gereist, aber ich habe wenige, wirklich schöne Frauen wie dich gesehen.“ Uhhh, ich bekam eine Gänsehaut! So süße Worte von einem fremden Mann an meinem, ähm…, ungewollten Hochzeitstag! Schöner konnte es nicht sein.

„Du hast dich damals als Reisender vorgestellt, aber du bist schon die letzten Jahre hier...“ Seine Finger strichen von meinem Ohr, wo sie kurz verweilt hatten, über meine Wange zu meinen Lippen und versiegelten sie. Dieser feine Zug seiner dunklen Finger ließ meine Haut kribbeln und ich kam nicht umhin, meinen Atem anzuhalten.

„Ich reise viel und ein paar Jahre sind für mich nicht von Bedeutung“, er flüsterte nur noch und legte mir seine Hand um mein Kinn, wobei der verführerische Finger von dem Daumen ersetzt wurde, der sogleich immer wieder über meinen Mund strich. „Ich ließ mich hier nur kurz nieder, es schien, ich könnte helfen und essen zugleich“, diese Worte machte mir ehrlich gesagt etwas Angst. Essen? Was meinte er damit? Doch ich kam nicht dazu, zu fragen, da ich immer noch die Luft anhielt und nur gebannt in seine dunklen Augen sehen konnte. „Warum verbirgst du deinen Atem“, fragte er verwundert, doch ebenso sanft und leise. Seine Hand an meinem Kinn dirigierte mich in die Höhe, bis ich nur noch bis zu den Oberschenkeln vom Holz des Bottichs verdeckt wurde und Aziz gerade alles zeigte, was ich hatte. Aber er sah nicht meinen Körper an; auch war er mir viel näher als sonst. Er sah in meine Augen und strich mir sanft über die Lippen. „Atme“, hauchte er leise und ich kam der Bitte nach. Ich holte tief Luft und spürte, dass es dringend nötig gewesen war! Sofort kehrte alle Anspannung und Nervosität in meine Glieder zurück und ich strauchelte, da ich mich auch zu weit über den Rand des Bottichs gelehnt hatte, nur um ihm etwas näher zu sein. Aber Aziz hielt mich an meinen Oberarmen fest. Kurz hatten wir uns verloren, doch nun sahen wir einander wieder an und ich spürte, wie sein Arm sich langsam und blind um meine Taille legte, mich zu sich zog und festhielt, als wäre ich nur ein junges Lamm, während die andere, viel größere Hand sich auf meine Wange legte und sanft darüber strich.

„Aziz?“

„Ja, kleine Lady“, sein Blick war amüsiert, sogar seine Augen lächelten. Ich hatte Augen noch nie so lächeln gesehen.

„Willst du mich etwa auch essen?“ Ich war unsicher, ob dies gerade der richtige Moment war, doch andererseits wusste ich damals noch nicht viel von Romantik und Stimmungen. Oh, wie oft habe ich mir durch meine Taktlosigkeit schon so manchen perfekten Moment verstaut. Doch Aziz strich mit seinem Daumen über meine Wange, zu meinen Lippen und ein erneutes Kribbeln erfasste mich.

„Sehr gerne sogar, nur vielleicht anders als du denkst“, seine Stimme war nur noch ein raues Flüstern, als er seinen Kopf leicht schräg legte und mir näher kam. Abermals hielt ich die Luft an, doch es passierte nichts. Nicht nur ich hatte ein gänzlich schlechtes Timing für 'romantische Momente'.

„Miri, wie ist das Was- Oh! Oh Gott, i-ich hab nichts gesehen!“ Lear kam um die Ecke getreten und sah mich nur noch nackt im Bottich stehen. Den Rücken zu ihm und mein Gesicht, welches wie Fieber glühte Richtung Wald, in welchen Aziz gerade verschwunden war.

„Miri?“ Ich war noch so verzaubert, dass mir Lear gerade ziemlich egal war. Doch mit jeder Sekunde wurde mein Kopf klarer und ich setzte mich und meine ausgekühlte Haut schnell in das noch warme Wasser.

„Alles ok, dreh dich wieder um.“ Lear gehorchte und sah mich mit roter Nase etwas schüchtern an.

„Tut mir leid, dass ich... ich wollte nicht so freinehmend sein-“, ich winkte nur lächelnd ab.

„Ist schon gut. Ein Hase war bis an den Bottich gekommen und ich wollte ihn fangen, doch da war er weg. Dabei bin ich etwas aus dem Bottich gefallen, sei froh, dass du das nicht gesehen hast“, scherzte ich, während Lear scheinbar noch röter wurde, bei dem Gedanken mein Hinterteil als höchstes Element zu sehen. Männer...

„Irine fragt, ob du fertig bist oder darauf wartest ein Fisch zu werden?“ Ich grinste und er grinste auch. Es war so ein einfaches gegenseitiges Grinsen, welches immer auftrat, wenn wir uns sahen. Als wäre er mein Bruder, mein bester Freund und mein heimlicher Geliebter zugleich. Dabei waren wir einfach nur entfernte Freunde. Er ist auch der Einzige im ganzen Dorf, der mich Miri nannte.

„Nein, aber du heizt so gut, da konnte ich mich nicht trennen.“ Wieder legte ich meine Arme auf den Rand und bettete meinen Kopf auf diesen. Lear saß weit genug weg, dass ich nicht fürchten musste, mich noch einem Mann preis geben zu müssen.

„Danke. Auch wenn mich Holz und Kohle zu verarbeiten nicht so interessiert...“

„Nicht? Aber dein Vater hat dir doch sein Geschäft überlassen?“

„Schon, und ich mach es auch, aber viel lieber als das würde ich… ach nichts. Du würdest nur lachen“, meinte er verlegen und wandte den Blick ab.

„Ach komm, nun sag schon“, schäkerte ich und stupste ihn an. „Nun sag schon. Was würdest du denn gerne machen, wenn du nur könntest?“ Lear zögerte, musterte mich eingehend, eh er sich doch mehr zu mir wandte und mit ruhiger Stimme von seinem Traum erzählte. Eigentlich waren es zwei Träume und ich fand sie beide schön. Zum einen war da doch diese Faszination in Holz, die Lear seit Kindheit an schon nicht mehr los ließ. Doch wollte er Holz nicht einfach verbrennen, er wollte lieber Tischler oder Schreiner werden. Er wollte etwas mit diesem Holz schaffen, etwas Wunderbares und Brauchbares. Und zum anderen, wollte er schneidern. Doch das fiel schon allein deswegen weg, da Männer oder Knaben nicht mit Stoffen hantieren durften. Auch ich fand es erst verrückt und nicht angebracht, doch Lear überzeugte mich, dass es auch anders gehen könnte. Seine Einfälle waren anders, aber erschienen mir geschmackvoll.

„Und du wirst mein Modell, Miri“, meinte er weiter sinnierend. „Du hast tolle Maße und in meinen Kleidern sähest du sicherlich hinreißend aus.“

„Lass das nur niemanden hören, sonst musst du noch zum Seher, wegen Verwirrtheit“, scherzte ich kurz, doch es reichte, damit Lear wieder einlegte. „Woher weißt du bitte meine Maße?“

„Ich habe vorhin auf Irines Merkliste gesehen“, meinte er, etwas rot um die Nase werdend. „Ich darf ihr ja ab und an mal helfen und kaum einer im Dorf hat deine Maße. Abgesehen von Marlene vielleicht… aber“, er hielt inne, doch ich winkte nur ab. Es störte mich nicht so sehr wie andere über bereits Verstorbene zu sprechen.

„Schon gut. Aber es scheint dir wirklich Spaß zu machen“, ich grinste und er grinste ebenso. Zumindest bis eine wild schnaufende Irnie, alias Schneiderin zu uns kam und erst Lear, dann mir die Leviten las. Diese dumme Hochzeit hatte ich schon vergessen gehabt. Doch so wie ich rumgescheucht wurde, blieb mir nicht mal Zeit, mich in irgendwelchen Gedanken zu verlieren. Aziz.. ich wollte über Aziz nachdenken, über das, was vorhin war und wie genau er es gemeint hatte, als er sagte, er wollte mich essen, aber anders als ich dachte. Dazu sein Verständnis von Zeit… verlief die Zeit für jemanden wie ihn etwa anders? Wenn ja, wie? Ich war so neugierig und fand einfach keine Antworten auf meine Fragen. Ob er mir zusehen würde? Ich hoffte es irgendwie.
 

Es gibt viele Weisheiten und Leitsprüche. Vater sagte gerne: „Lobe nie den Tag vor dem Abend!“ Oft hatte er recht gehabt, vor allem was das Wetter betraf. All die Sprüche und Weisheiten, die er immer so nebenbei erwähnte, sei es über das Wetter, das Verhalten eines Tieres vor dem Tod oder der Geburt, der Ernte oder auch bei einigen Menschen aus dem Dorf; sie trafen zu oft zu und ich habe mir nur diesen einen gemerkt.

Bis zum Abend wurde noch viel gemacht, genäht, gesteckt, gezogen, gezerrt, gekocht, geredet, verhandelt, geschoben, verschoben, umgestellt, hingestellt, neu geordnet und was man nicht noch alles für eine Hochzeit tun musste. Ich musste natürlich nur still sein, mich löblich benehmen und brauchte nicht mal etwas abzunicken oder etwas zuzustimmen, da meine Meinung eh nicht gefragt wurde. Jonas, sein Vater, der Bürgermeister, und mein Vater regelten alles. Ich war nur das hübsche Beiwerk, die Mitgift. Da fiel mir ein, meine Mitgift, wurde teuer. Natürlich weil wohlhabende Personen, immer nach mehr gierten. Vater war schon ganz blass, da er 10 Tiere und einiges von seinem Wintervorrat hergeben durfte. Wenn ich es an dieser Stelle erwähnen dürfte, würde ich gerne sagen, dass ICH dieser Hochzeit eh nie zugestimmt hatte.

Doch dem genug Gerede geschuldet! Ich trug mein neues, wunderbar weiches und nach Lavendel riechendes und leicht violettes Kleid. Dazu waren mir Blumen ins Haar geflochten worden und meine leichten, braunen Locken legten sich auf meine Schultern. Um meine Handgelenke trug ich Blumenkränze, welche von den jüngsten Mädchen im Dorf geflochten worden waren. Das ganze Dorf war auf den Beinen und hatte eine lange Tafel mit viel zu viel Essen auf dem kleinen Dorfplatz aufgebaut. Die Sonne stand genau über dem Platz und beleuchtete die Hochzeit in ihren warmen Farben. Es war ein schönes und einzigartiges Farbenspiel, welches sich uns bot und selbst ich war hin und her gerissen. Doch als Jonas vor mir stand, wurde mir wieder übel. Ich hatte heute noch nichts gegessen und der Stress und die Anspannung schlugen mir so langsam auf den Magen. Jonas grinste natürlich und trug seines Vaters prächtiges Hochzeitsgewand. Er sah viel zu prunkvoll aus mit all dem seltenen Schmuck, den wir nur manchmal von einigen fahrenden Händlern bekommen, und welcher natürlich vom Bürgermeister aufgekauft wurde.

Mein Vater stand hinter mir, gerührt von all den Ereignissen, welche seine einzige Tochter endlich in Sicherheit wiegen würden. So hätte es schon mit Marlene sein sollen, welche er nur noch zu Grabe tragen durfte.

Der Bürgermeister stand hinter Jonas und war ebenso prunkvoll gekleidet. Sein Blick streifte mich immer wieder und es schien, als sei er doch noch mit mir zufrieden. Nun, wo ich wohl aussah und mich doch endlich weniger rebellisch verhielt. Die Mitgift gefiel ihm ebenso, denn sein eigenes Erspartes, hätte für diesen Winter nicht mehr gereicht. Er grinste und mir lief es bei diesen schiefen Zähnen eiskalt den Rücken herunter.

Jonas stand vor mir. Er grinste ebenfalls, doch zeigte er mir noch seinen Rücken, da er sich mit seinen Kumpanen unterhielt, die ihn mit mehrfachen, obszönen Worten beglückwünschten, mich doch noch bekommen zu haben. Sie redeten über die Mitgift und über mich, als würde ich es nicht hören. Mir wurden allmählich die Beine schlapp und die Knie weich. Sollte ich das tun? Aber wenn ich jetzt nein sagen würde, würde ich nicht nur meinen Vater schändlich enttäuschen, sondern wohl auch mit Knüppeln und Prügel aus dem Dorf gejagt werden. Wenn ich denn Glück hätte und sie mich nicht gleich tot schlugen. Wieder glitten meine Gedanken zu Aziz und ich ließ meinen Blick durch die kleine Traube von Menschen schweifen. Ich sah alle, die ich kannte und erblickte weiter hinten Lear. Mein Herz hüpfte kurz bei seinem Anblick und er grinste mich an. Schwach und bedrückt, so sah es aus, doch mir ging es nicht anders. Ich schaffte es nicht mal zu grinsen, sondern ließ meine Mundwinkel nur etwas kraftlos zucken. Auf dem ganzen Platz herrschte leises Getuscheln und Gemurmel, welches ich schon als viel zu laut empfand. Doch ich wusste nicht, was noch in wenigen Minuten sein würde.

Als der Dorfseher, mit seinem alten, mit Bändern und Perlen behangenen Stock und seinem Mantel aus Waschbärfellen, langsam, schreitend die kleine Traube teilte, wurde es still und immer stiller. Nur seine Schritte waren auf dem sandigen Boden zu hören und das Knirschen der kleinen Steine unter seinen hölzernen Sohlen. Alle waren still und nahmen ihre Plätze ein. Der Wind wehte sanft durch das Dorf und verteilte die stehende Sommerluft, als der Seher seinen Stock nahm und ihn vor sich weit ausholend nach links und rechts schwang. Tief murmelnd in schamanischer Sprache, trat er näher und hielt seine halb vergrauten und blinden Augen stur auf mich gerichtet.

„Merle ashi ara ashi ashara, bunta bata, solum!“ Das Letzte schrie er und alle zuckten zusammen. Oft vergaß man, welchen großen Einfluss unser Dorfseher hatte, nur weil er alt und kauzig aussah. Mir schlug das Herz bis zum Hals, als er mich ansprach, bat zu ihm zu treten, um mir die heilige und von den Göttern gesegnete Weihe einer Jungfrau zu vermachen.

„Auf das, sie eeeewig ihre Mann liebe“, rief er mit gedehnten Worten und schwulztigem Ton. Wieder frischte der Wind auf, als er seine Worte weiter murmelte und die Sonne langsam hinter den höchsten Baumwipfeln zu verschwinden begann. Der Platz wurde in ein tiefes Orangerot getaucht und irgendwas an dieser Zeremonie ließ mich mehr als unruhig werden. Während alle anderen wie gebannt auf den Seher sahen, war ich versucht, mich von seinem Blick loszureißen und in den Wald zu sehen. Es gab jemanden, den ich sehen wollte, dem ich vertraute und nach dessen Schutz ich mich sehnte. Seit wann machten mir nur die Menschen, die ich mein Leben lang kannte, solche Angst? Der Seher ward still, alles ward für den Moment still, eh dieser kratzige Alte seine Stimme erhob.

„Sie trägt den Fluch auf sich. Die Hochzeit kann nicht erfolgen. Selbst Ihr, hoher Bürgermeister oder Euer Sohn, seid nicht im Stand diesen Fluch zu brechen. Ihr Herz ist verseucht und schlägt nur für den TOD!“ Er schrie das letzte Wort heraus und zeigte prangernd mit seinem am Stockende klimpernden Perlen auf mich. Alle um mich herum raunten, hielten den Atem an und sahen mich mit einer Mischung aus Frucht und Verachtung an. Hinter mir diskutierten mein Vater und der Bürgermeister hektisch miteinander.

„Habt Ihr davon gewusst?“

„Nein, woher? Sie hat nie eines der Zeichen gezeigt…“

„Vielleicht liegt der Fluch schwerer auf ihr? Verdammtes Frauenzimmer! Und sowas wolltest du mir unterschieben“, keifte der Bürgermeister zwischen zusammen gebissenen Zähnen. Mir aber wurde kalt und heiß im Wechsel. Wieder frischte der Wind auf und ich sah nervös durch die Menge. Verflucht zu sein, auch wenn ich den Grund kannte, war kein gutes Zeichen. Ich kannte Aziz nicht und hatte mit mal fürchterliche Angst. Meine nervösen Augen huschten durch die nervöse Menge, doch ich fand niemanden, niemanden, der mir mit seinem Blick Halt geben könnte. War ich verloren? Welche Strafe erwartete mich?

„NEIN! Ihr müsst Euch irren“, bat eine wohl bekannte Stimme aus der Menge heraus. Nicht mal mein Vater hatte den Mut, gegen den Seher anzureden. Vielleicht tat er es auch nicht, weil er ganz genau wusste, dass ich mit der Bestie einen Umgang pflegte und er selbst glaubte, ich müsse gereinigt werden? Wollte er, dass ich gereinigt wurde?

„Woher nimmst du das Recht, mir, dem Seher, zu widersprechen? Lear... Kremas Sohn, verstorben vor so vielen Jahren. Dein Vater hatte es wahrlich nie leicht mit dir Querkopf. Und er hat dich wahrlich zu wenig lehren können, sonst wüsstest du, dass ICH mich nie irre.“ Lear blieb zwischen den Dorfbewohnern und dem Seher stehen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er bemühte sich um Fassung.

„Mein Vater hat mich alles gelehrt, was er konnte und es war nicht vergebens. Dennoch, Miri kann nicht verflucht sein! Sie zeigte nie Symptome“, bat Lear schon fast flehend. Er tat mir leid, doch sagen konnte ich nichts. Mitfühlend sah ich ihn an und krallte meine Hände in den weichen Stoff meines Kleides.

„Keine Symptome, für wahr. Doch! Ich habe sie geprüft, die Geister befragt und sie beobachten lassen! Sie kennt den Dämon, den Schatten aus dem Wald!“ Ein erschrockenes Raunen geht durch das Dorf und ich biss mir nur auf die Unterlippe. „Die BESTIE! Den Mööörder von so vielen von uns. Ihrer eigenen Schwester und Mutter! Und doch behielt sie alles für sich, redete mit dem Verdorbenen und ließ sich bewusst verfluchen!“ Nun schnappte ich nach Luft. War es meine Schuld gewesen? Hatte ich den Fluch etwa wirklich alleine auf mich gezogen?

„Nein...“, kam es kläglich aus meinen zu trockenen Mund, aber niemand außer dem Seher schien es gehört zu haben.

„Nein? Irre ich mich da, du heuchlerisches Frauenzimmer. War es für dich keine Versuchung der Gefahr zu erliegen; der Lust des Fleischlichen und der Begierde der Toten?“ Nun schnappte nicht nur ich nach Luft. Ich sah, Lear die Farbe aus dem Gesicht weichen und hörte meinen Vater hinter mir ungläubig meinen Namen sagen. „Sprich ihn ruhig aus, den Namen des Bösen! RUF ihn doch. Deinen Satan, deinen Untoten. Tu es! Und ich kann vielleicht noch deine Seele retten.“ Mein Herz setzte kurz aus und mir kamen die Tränen. Diese Worte waren mein Untergang. Ich würde sterben, das war gewiss. Der Seher hatte nicht vor mich am Leben zu lassen. Nur meine Seele sollte 'vielleicht' noch Erlösung finden. Alles andere war Unrat, vom Teufel beseelt und verflucht, verdorbenes Fleisch eben. „LOS! Ruf ihn.“ Ich zitterte und als ein erneuter Windstoß kam, war mir, als würde er es selbst so wollen. Kurz haderte ich noch, eh ich dem Befehl nachkam.

„Aziz...?“, meine Stimme war klein und gebrochen, doch ich war mir sicher, dass er mich gehört hatte.

Kräuter an die Macht

Es war, als hielte das gesamte Dorf die Luft an. Ebenso der Wind und der Wald. Kein Vogel flog mehr und selbst die Sonne schien ihre Wärme mit sich hinter den Baumwipfeln zu verstecken. Die Schatten wurden länger und der Platz war schon zur Hälfte in Dunkelheit getaucht. Schritte wurden lauter, schienen wieder zu hallen und dann doch wieder nicht. Ein Schwindelgefühl überkam mich und so schloss ich kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war nichts mehr von dem Zauber da, der sich eben, wie es den Anschein nach gewesen war, über das Dorf und die Menschen hier gelegt hatte. Aziz, der große, dunkelhäutige Mann, den nur ich beim Namen nannte und der sonst als skrupellose Bestie bekannt war, teilte die Menschentraube vor mir und dem Priester, als wäre er jener Gottesgleiche aus den heiligen Schriften. Aber wahrscheinlich war es nur die Angst, die die Dorfbewohner von ihm fern hielt. Aziz hatte heute nicht seinen Mantel an und auch nicht seinen Hut auf. Er trat näher, mit fremdartig aussehenden Sandalen, die unseren ähnelten und dann wieder nicht, mit einer dunkel gefärbten Hose – Wo der erste Blick schon verriet, dass weder das Material noch die Färbe- oder Nähkunst hier aus der Gegend stammen konnten – und einem flachsfarbenden Hemd mit tieferen Ausschnitt und einigen Schnüren zum zu zurren der Ärmel und des Kragens, welches vom Stoff her der Hose ähnelte, doch einen gänzlich anderen Schnitt zeigte. Mit jedem Schritt den Aziz wirklich näher kam – mir und dem blöden Seher, der natürlich nicht mal so gütig war und mir aus dem Bild ging, wo ich schon so gelähmt auf dem Boden saß – wurde ich nervöser, aufgeregter. Nur was erwartete ich von ihm? Was sollte er tun? Mich erlösen? Alle hier töten? „Miri? Alles ok?“ Die leise Stimme von Lear drang an mein Ohr und ich sah schwer zu ihm hin. Er hatte sich neben mich gesetzt und einen ebenso gehetzten Ausdruck in den Augen wie alle anderen hier. Doch er blieb bei mir. Er war eben ein wahrer Freund. Dennoch hatte mich seine Frage verwirrt. Als ich aber liebevoll nach seiner Hand greifen wollte, merkte ich, was er meinte. Das lähmende Gefühl war keine Einbildung gewesen. Es war wirklich! Ich war also nicht vor Erschöpfung auf den Boden gesunken, sondern weil mich etwas... lähmte? Jetzt sah ich gehetzt aus. Panik und Angst stiegen gleichermaßen in mir auf, aber nicht weil Aziz immer näher kam, sondern weil ich vorhin auf Geheiß des Sehers und zur Läuterung von Innen etwas getrunken hatte... Etwas sehr Bitteres und nun wurde der Gedanke allein noch zehnmal bitterer.

„Miri, was ist?“

„Ich weiß nicht...“, flüsterte ich.

„Ist dies eure Art der Buße? Eure Vergeltung und Richterei?“ Aziz' Stimme klang so kraftvoll und sicher.

„Weiche Dämon! Über mich hast du keine Macht“, rief ihm der Seher im selben Moment entgegen, doch so jung Aziz klang, so alt und kauzig klang der Seher.

„Lasst euch leiten von so einem Alten“, abfälliger hätte er 'Alten' nicht sagen können und der Blick schien noch vernichtender.

„Sprich nicht mit mir! Dämon! Du Bestie, die unserem Dorf nur Unheil bringt! Schwinde! Weiiiiche!“, psalmsierte der Seher weiter, doch der Fremde schritt voran, und mühelos an dem altem Greis vorbei.

„Aziz-“, mir brach die Stimme und Lear hielt mich schon mehr, als dass ich selbst sitzen konnte. Ich wollte ihn voller Freude ansehen, doch musste mein Anblick wohl erschreckend gewesen sein.

„Shh, schone di-“

„Fass sie nicht an“, schrie Lear ihn an und zog mich mehr in seine Umarmung.

„Bi-itte, nimm mir meine letzte Tochter nicht auch noch“, flehte eine Stimme hinter mir, die ich als die meines Vaters erkannte. Aziz sah ihn an und sein Blick war kühl und verständnislos.

„Hast du deine Tochter nicht erst all dem ausgeliefert?“

„Es diente ihrem Schutz... ich... ich wusste nicht...“

„Ihrem Schutz?! Was habt ihr ihr überhaupt gegeben?“ Ich glaube, es war Lear, der dort rief, doch mit mal waren es so viele Stimmen, die ich nicht mehr ordnen konnte. „Sie musste gereinigt werden, von diesem Biest da!“ „Aber schaut sie doch an!“ „Sie ist komplett gelähmt.“ „Mireille, mein Schatz...“ „Als Wiesenhexe könnte ich sie gebrauchen, aber nicht als Frau!“ „Was redest du da? Du wolltest sie doch!“ „Aber nicht, wenn sie so unrein ist!“ „Seht es ein, dieser geile Bock wollte nur ein legitimes Loch für seine Begierden!“ „Aber der Schutz-“ „Selbst eine Ziege ist besser ran zu nehmen als diese Hexe da!“ Es knallte und ein Raunen, welches sich für mich wie ein tiefes Brummen anhörte, breitete sich aus. „So was will mein Sohn sein? MEIN Fleisch und Blut! Als hätte ich dich so erzogen!“ „Der soll erzogen sein?“ „Und dafür wolltest du meine Tochter?!“ „Miri?“ „Kleine Lady, kämpfe weiter.“ Doch ich hörte nur noch ein seltsames Gurgeln und spürte so etwas Saures in meinem Mund. Danach war alles schwarz. Einfach nur pechschwarz und so still wie es sicherlich nur auf dem Grund eines Sees sein konnte. Doch wir hatten keinen See. War ich dennoch ertrunken?
 

Der Bürgermeister, sein Sohn, der auf dem Boden kniete und eine heftig rotleuchtende Wange mit seiner eigenen Hand festhielt und verbarg, Lear, der Mireille in seinen Armen hielt und sie flehentlich ansprach wieder aufzuwachen, ihr Vater, der weinend seinen Stolz vergaß und nur noch im Sumpf seiner Fehler weilte, die Dorfleute, die wie gaffende Penner um sie herum standen, in gebührendem Abstand, sowie der so genannte Dorfseher, der sich auch nur mit billigen und teils giftigen Pilzen in Trance versetzt und dabei glaubte, er wäre wirklich ein Seher! Dieses Dorf war eigentlich ganz in Ordnung, doch abgeschieden und so klein, dass ein korrupter Irrer ausreichte, um alles kontrollieren zu können. Ich verweilte nun schon vier Jahre hier, in diesem Dorf, welches mir nur sympathisch war, da dies hier die perfekte Einöde war. Es war so abgelegen, dass ich mich wirklich sicher fühlte. Zum Überleben brauchte ich nicht viel. Ein, zwei Tiere im Monat und ich kam über die Runden. Es war in meinem ersten Sommer hier, dass ich mir eines der Schafe riss und dabei erwischt wurde. Die Frau, die erschrocken aufgesprungen war, war jung und wirkte doch erschöpft. Sie hatte langes, gewelltes, braunes Haar und ebenso schöne braune Augen...

Wenn ich an damals denke und in welchem erbärmlichen Zustand sich nun dieses einst so friedliche Dorf befand, kochte Wut in mir hoch. Auch Verachtung und Hass, so wie ich ihn lange nicht mehr gespürt hatte und auch nie mehr spüren wollte. Ich weiß, dies hier ist auch meine Schuld, doch nicht von Anfang an, und ich wollte nur helfen.

„Dieser Dämon hat dieses arme Kind zugrunde gerichtet“, rief der Seher aus und die Masse plapperte es ihm nach. Nur der Vater der Kleinen und ihr Freund sahen mich an. Ich spürte ihre Blicke auf mir, der ich nur auf diese kleine Lady achtete.

„Mit welchen Kräutern habt ihr sie gelähmt?“ Doch der Seher rief weiter zum Dorf, dass sie mich mit lächerlichen Sprüchen davon jagen sollten.

„Junge, musstest du Kräuter sammeln?“ Der Bursche erschrak und dachte nach. Sein Blick wich meinem aus, doch er fand seine Antwort.

„Vor einigen Tagen schon. Ambrosia, Flatterich und das Myzel von verschiedenen Pilzen. Aber ich...“

„Du weißt nicht, wo zu es verwendet wird. Du bist Holzarbeiter und konntest es nicht wissen.“ Es war verständlich, dass der Bursche mich verwundert ansah, weil ein Monster wie ich ihm die Schuld, die durchaus mit seine war, auszureden versuchte. „Musstest du auch Tanzelkraut sammeln?“

„Was ist das?“

„Also nein...“ Er wollte wieder fragen, doch ich unterbrach ihn mit einer forschen Bewegung meiner Hand.

Sie tat mir leid. So gelähmt und leidend da zu liegen und nichts mehr mitzubekommen. Sie würde sterben, wenn man sie nicht versorgte. Doch selbst, wenn man sie wirklich richtig versorgen könnte, würde das Gift in ihrem Körper sie nach weiteren drei Tagen dahinraffen. Wie bei all den anderen vor ihr.

„Gebt ihr das Kraut“, sprach ich den Seher an, der sichtlich erschrocken zusammen fuhr.

„Du Biest gibst mir Befehle?“

„Gebt ihr das Tanzelkraut, Seher“, wieder erschauderte er und andere mit ihm.

„Auch wenn ich dieses Kraut habe, würde ich es nicht auf Geheiß einer Bestie einer der Unseren geben.“ Reger Beifall für den Seher. Ich wusste, es würde nicht nur mit Worten klappen.

„Dann lasst ihr sie einfach so sterben?“

„Wenn es denn ihr Wille ist?“

„Es ist sicher nicht ihr Wille, gelähmt zu sterben.“

„Woher will eine Kreatur wie du wissen, was 'ihr Wille' sein könnte? Sie hat selbst den reinigenden Trank zu sich genommen und darf laut unseres Ritus' erst am Ende der Vermählung das Tanzelkraut erhalten.“

„Als wollte sie sich mit diesem da vermählen“, sprachen der Bursche und ich gleichzeitig, was uns beide gleichermaßen erstaunte. Ich war mir sicher, in seinem Blick Gefühle für die kleine Lady zu erkennen. Nur rätselte er, welches Interesse ich wohl an ihr haben könnte. Der Bürgermeister mischte sich mit ein, doch so ein witzloses Fass ging mir gerade ziemlich auf die Nerven. Mit einer Armbewegung wischte ich ihn weg. Ich stellte es mir nicht nur vor, sondern ich fühlte auch, wie sein Gewicht, sein dicker Körper einige Meter weit flog, eh er dumpf auf dem Boden aufkam und das alte Schwein sich panisch auf dem Boden rollte, während die Menge sich ängstlich mehr von mir zurück zog.

„Habt ihr die Skrupellosigkeit gesehen!? So was gehört vernichtet!“

„Ach, der Alte ging mir nur auf den Zeiger, ebenso wie du, alter Widerling.“ Der Seher schnappte nach Luft, während ich endlich aufstand und den alten Kauz mit guten 4 Köpfen überragte. „So eine verrottete Seele wie die deine habe ich seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen. Ohne Skrupel manipulierst du deine Leute, spielst ihnen Dinge vor, die du angeblich in deinem Wahn gesehen hast. Vielleicht hast du das ja auch, doch prüft niemand die Wahrheit, weil sie alle zu feige sind!“ Ich sah in die Runde und besah mir jedes einzelne zermürbte, junge, alte, wettergegerbte oder faltige Gesicht. Ich sah die Angst und die Furcht. Als der Seher wieder seine Stimme erhob, hielt ich meine Hand in seine Richtung und schloss die Finger, womit er seinen Mund nicht mehr öffnen konnte. Ganz so, als wäre er zugeleimt. „Ich weiß, ihr fürchtet mich, aber habt ihr euch je gefragt, warum es zwei Friedhöfe gibt? Einen nahe bei, den anderen weiter ab?“ Sicher, sie wollten reden, doch sie fürchteten sich. Nun bis auf einer, welcher resignierend leise brabbelte.

„Es war wegen der Bestie, die auftauchte und unsere Frauen und Kinder fraß“, antwortete der Vater weiter auf seine Tochter schauend.

„Richtig, doch begraben und geweiht, hättet ihr sie doch besuchen können, so wie bei denen, die ich nicht geholt habe.“ Ein erstes kleines Aufleuchten war in den alten Augen zu sehen. „Und warum wurden auch die Schwester der Bürgermeisterin und die Tochter des Müllers dort begraben? Warum alles nur Frauen?“ Meine Fragen schienen die Leute endlich zum Nachdenken gebracht zu haben. Sie murmelten leise und verhalten und waren auf dem richtigen Weg, als der Bürgermeister sich besonnen hatte und in den regen Kreis der Unterhaltung zurückkehrte.

„Alles Mumpitz! Seit wann hört dieses Dorf auf so eine grässliche Bestie!“

„Aber Liebster... meine Schwester wurde nicht von dem Biest gefressen. Warum liegt sie auf dem anderen Friedhof?“

„Und ich habe das Grab meiner Tochter immer noch nicht auf 'unserem' Friedhof gefunden! Dabei sagtet ihr, ich könnte sie ohne Sorge dort begraben“, rief der Müller entrüstet. Das junge Ding war erst vor einem halben Jahr gestorben. Sie war sehr hübsch und gescheit.

„Marlene, Ilona, Greta, Viola, Margaret. Diese fünf Schönheiten hab ich mir geholt.“ Wieder ein Raunen und ein Dorfbewohner, der schrie: „Er gibt es endlich zu!“ Wohingegen ich ihm netterweise dem Mund ebenso verbot wie dem Seher selbst. „Aber nicht, weil sie besonders jung waren und ich durstig war, sondern weil ich Mitleid hatte. Sie sind in Sanftheit gestorben, während ich für deine Schwester“, ich sah die Bürgermeisterin an und dann den Müller, „Und für deine Tochter nichts tun konnte.“

„Unsinn! Hör nicht auf ihn, meine Liebe“, bat der Bürgermeister seine Gemahlin, doch diese schien verwirrt.

„In eurem schönen Wald wächst eine Pflanze, die sehr giftig ist. Dieser ach so schlaue Greis da, den ihr so glorreich euren Seher nennt, wusste um ihre Wirkung, als er zufällig auf sie stieß. So war es doch, oder alter Mann?“ Ich sah den Alten tief in die Augen und die Schweißperlen auf seiner Stirn waren Antwort genug. „Ja, du wusstest es. In einem Sud mit anderen Kräutern zerstoßen, fällt der üble Geruch nicht auf. Die lähmende Wirkung wie bei ihr“, ich zeigte auf die kleine Lady, „tritt schnell ein und sofern man nicht das Gegenkraut verabreicht, hält dieser Zustand an. Meist bis zu drei Tage, dann ist der Körper am Ende und stirbt.“ Es war still geworden, so sah ich den Vater der Lady an. „Deine Frau kam dahinter und erkrankte schließlich an immer wieder kleinen, ihr verabreichten Dosierungen des Giftes. Als ich sie traf, erzählte sie mir davon und ich bat ihr meine Hilfe an. Deine Tochter, Marlene, floh, nachdem dieser Abschaum sich an ihr vergangen hatte“, ich zeigte nun auf den Sohn des Bürgermeisters, der nur kurz zuckte. „Er gab ihr eine kleine Dosis des Giftes, um sie sich ihm gefügig zu machen. Ebenso verhielt es sich mit deiner Schwester. Dein Mann begehrte sie“, erklärte ich der Bürgermeisterin, „doch er verstand sich nicht so gut auf das Dosieren und konnte nicht warten, bis es wirkte. Er stellte sie ruhig, doch als sie sich gar nicht mehr bewegte, glaubte er, sie sei tot und begrub sie in aller Eile auf Anraten des Sehers auf dem Friedhof. Ebenso war es mit der Tochter des Müllers. Beide sind unter quälenden Schmerzen jämmerlich erstickt.“ Ich sah in die Runde. Der Bürgermeister war still geworden, einige andere weinten und flüsterten, dass sie solche Tyrannei gar nicht glauben konnten. Es musste doch Satan gewesen sein. Der Seher war vom Teufel besessen. Na, wenn es ihnen hilft, dachte ich nur gleichgültig und schaute auf den Friedhof.

„Wozu dann ein zweiter Friedhof?“ Ich sah den jungen Burschen an, der klammernd die junge Lady in seinen Armen hielt. „Wozu war er gut, was sollte er verstecken?“

„Er stinkt. Dadurch, dass das Gift nicht geläutert wurde, fraß es sich durch die Körper. Von ihnen ist nichts mehr übrig außer einem Loch in der Erde, das mit einem entsetzlich stinkenden und giftigen Gas gefüllt ist. Zwar ist über jedes Grab Grün gewachsen, doch es ist immer dieselbe Pflanze. Kein Gras, sondern jene giftige Pflanze. Medeaskresse. Sie blüht in der Nacht und gibt einen bitteren Geruch von sich. Und das Gas der Verfaulten Leichname kriecht Tag für Tag über ihre Wurzeln nach außen.“

„Aber.. man kann Miri doch noch retten?! Wenn ich ihr dieses Tanzelkraut, oder wie es auch heißt, gebe, dann muss sie doch wieder aufwachen?!“ Ich sah den Burschen an, dann den Vater und dann den Seher, der noch immer versuchte, entgegen meinen Willen seine Lippen auseinander zu ziehen.

„Sie wacht wieder auf, ODER“, kam es mit Nachdruck. Vielleicht machte ich hier einen Fehler, doch auch ich, der ich so alt bin und so vieles schon gesehen habe, ist nicht perfekt. Es gab zwei Möglichkeiten, vielleicht später auch mehr, doch ich entschied mich für jene, welche mir am günstigsten war.

„Nein.“

Die Katze beißt sich selbst in den Schwanz

Eigentlich war Lauschen nicht so meine Art, aber dieses Mal war ich doch schon neugierig geworden. Und das in meinem Alter! Ha, Sachen gibt’s. Aber diese Zwillinge... nicht, dass sie mich verspotteten und gleichzeitig lobten – was an sich schon eine Kunst ist, beides gleichzeitig hinzubekommen – nein, sie waren auf eine Weise anders. Dass diese Schule nicht normal war, war mir schon klar, aber dass es die halbe Stadt nicht war, fand ich nun doch interessant.

Ich zog im Spätsommer in eine kleine norddeutsche Kleinstadt. Sie bestand gerade mal aus 14.000 bis 16.000 Einwohnern. Es war also wirklich eine kleine Kleinstadt, schließlich war ich schon in Rom, Athen, Kairo und wo nicht noch alles schon gewesen. Doch in den Großstädten sammelten sich immer mehr Vampire. Gute wie Schlechte, so habe ich das Gefühl. Doch mein Mentor hatte mir geraten, mich von solchen Aufläufen fern zu halten und bisher war es auch immer geglückt. Die menschliche Geschichte hatte mich nach meinem eigentlichen Tod – also dem Zeitpunkt, wo ich aus menschlicher Sicht nicht mehr leben konnte und auch dem Zeitpunkt, wo/ab dem ich ein Vampir geworden war – nicht mehr interessiert. Darum kümmerte mich auch nicht, was andere Vampire machten. Bis zu dem Moment, an dem ich mich an diesem Gymnasium eingeschrieben hatte.

Für mich war es nur eine Routine gewesen. Eine Wohnung, Möbel, einen fingierten Lebenslauf abgeben und mich in eine Schule einzuschreiben, damit ich möglichst lange an einem Ort bleiben kann. Mit Schule und Arbeitsjahren hätte ich gute 20 bis 25 Jahre an einem Ort.

„Ich freue mich, Sie hier bei uns willkommen heißen zu dürfen, Miri. Ich hoffe, Sie gewöhnen sich schnell ein und können auch ein paar Freundschaften schließen. Wir sind als Gymnasium eines der führenden und besten in der Gegend. Nun ja“, der Direktor lachte und kratzte sich verlegen an der Schläfe. „Wir sind auch das einzige in dieser Provinz. Dennoch die Besten! Nun denn. Ich werde Sie gleich mal einem unserer Schülersprecher übergeben. Er zeigt Ihnen Ihren Stundenplan, Ihren Tutor und beantwortet Ihnen Ihre Fragen sicherlich gerne.“ Der Direktor brachte mich zu der schwerfällig wirkenden Holztür, die auch schon den zigsten Farbüberstrich gesehen hatte und reichte mir noch einmal die Hand. „Das mit Ihren Eltern tut mir sehr Leid, ich bin mir aber sicher, dass Sie hier schnell Freunde finden werden.“ Wie sehr er schon darauf behaarte, dass ich Freunde finden würde, fand ich schon seltsam, doch ich wollte ihm vorerst in dem Irrglauben lassen. Richtige Freundschaften hatte ich sehr lange nicht mehr gehabt. „Nun denn... Jetzt fehlt nur noch..“, just in dem Moment öffnete sich die Tür zum Sekretariat, in welchem wir gerade standen, und ein Junge in etwa meinem Alter trat ein. „Ah da ist er ja schon!“ Zumindest der Direktor schien überglücklich über diesen Bub zu sein. Ich betrachtete ihn. Er war vielleicht ein paar Zentimeter größer als ich, hatte flachsblondes Haar; in einem modernem Schnitt gebannt, auch wenn es dennoch recht wild aussah. Sein Gesicht war typisch männlich, etwas kantig ums Kinn herum, dennoch noch jungenhaft schlank. Nur Männer konnten in jungen Jahren so gut aussehen... Seine Nase war gerade und seine Augen fingen für einen Moment meine ein. Sie waren grau und wurden um die Pupille herum fast schon gleißend hell.

„Das ist Ilian. Unser Schülersprecher-“

„Ich bin Are, Herr Direktor. Haben Sie sich das immer noch nicht gemerkt?“ Are sah den Direktor für eine Sekunde ernst an, eh er lächelte und auch der Direktor irgendwie nervöser lachte. Ich hob nur eine Augenbraue und blieb still. Are war irgendwie anders. Allein wie unterschiedlich ihre Aura sich anfühlten. Seine und die des Direktors. Als wäre Are der Direktor und nicht der Ältere von ihnen.

„Aber sicher, mein Lieber. Hach, du und dein Bruder seht euch einfach zu ähnlich.“

„Das hören wir oft. Ilian wurde gerade zu einem wichtigem Telefonat gerufen. Er wird gleich wieder kommen, doch sollte ich in der Zeit schon mal unsere neue Schülerin herum führen und in ihre Klasse bringen, meinte er.“ Are war höflich und schien eine alte Manier an sich zu haben. Ich schätzte ihn schon als netten und zuvorkommenden Gentleman ein. Zumindest bis wir beide auf dem Flur getreten waren und der Direktor die Tür hinter uns mit besten Erfolgswünschen zu gemacht hatte. Are sagte nichts, doch seine Miene änderte sich ,als hätte er gerade eine Kakerlake gesehen.

„Wie heißt du?“ Überrascht sah ich ihn an und er musterte mich unverhohlen von Kopf bis Fuß.

„Miri.“

„Miri? Die Namen heutzutage werden auch immer kürzer...“, motzte er rum und führte mich derweil ins Foyer oder besser: Er ging vor, ich folgte ihm.

„Verzeihung, aber deiner ist doch auch nicht länger. Ich mein, Are ist-“

„Du bist hier die Neue, oder?“

„Ja, aber-“

„Miranda wäre ein schöner Name oder Mirabelle, hmm oder-“

„Mein Name ist so wie er ist. Könntest du nun so freundlich sein und nicht meine Zeit verschwenden?“ Ich versuchte es resoluter, denn dieser Sturkopf ließ einen ja nicht einmal zu Wort kommen. Er jedoch sah mich nachdenklich an und hob eine seiner hellen Augenbrauen. Ich muss gestehen, seine Augen waren echt schön.

„Ich wollte erst was Französisches vorschlagen, doch bei jemanden so einfaches wie dir reicht auch ein billiger Name wie Miri.“ Entrüstet sah ich ihn an und konnte wirklich nur Maul-aufm-Pfeil-halten. „Also, du bist bei Frau Eeger. Sie wird dein Tutor sein und aus deinen gewählten Fächern hier“, er zeigte auf eines der Blätter, die ich vorhin erst ausgefüllt hatte, „ergibt sich für dich diese Belegung.“ Er redete weiter und ich konnte nur fasziniert und fassungslos zugleich zu sehen wie dieser Mistkerl mich erst beleidigt und dann zu seiner eigentlichen Aufgabe zurückkehrt. Friedliebend wie ich bin, beließ ich es dabei und hörte 'aufmerksam' zu.

„Alles verstanden?“

„Ja, ich denke. Es ist ein leichteres System als ich dachte“, bemerkte ich nur beiläufig und übersah, während ich auf meinen neuen Stundenplan schaute, wie Are seine Augenbraue abermals hob.

„Es ist nicht schwer, aber für einen so durchschnittlichen Namen wie deinen wird es reichen.“ Wieder so eine Spitze, die mich nun doch aufschauen ließ. Dieser blöde Egoman!

„Ich finde meinen Namen bei weitem schöner als deinem.“

„Are hat eine unübertroffene Herrlichkeit, die Miri oder Miram oder Mirabelle, bei weitem nicht gerecht werden kann.“

„Vielleicht ja Mireille? Ich finde, dieser Name ist sehr schön, passt zu einer neuen Schönheit wie ihr und lässt deinen Namen auch gewöhnlich erscheinen.“ Die Stimme kam von hinter mir. Are sah den Jungen, der näher kam, schon und verdrehte nur die Augen, während ich mich umdrehte und irgendwie schluckte und geplättet zu gleich war. Echt jetzt? Zwillinge?!

„Mireille? Ja, der ist schön, aber meinst du wirklich, er passt zu ihr? Sie hat einen ziemlich vorlauten Mund.“ Hallo ich stehe daneben...

„Jeder, der dir etwas Parole bietet, hat immer gleich einen vorlauten Mund, Are“, amüsiert lächelte der andere Zwilling und wandte sich nun mir zu. Er war ebenso etwas größer als ich, hatte einen Stich helleres Haar als Are, aber eine ähnlich gut geschnittene, wenn auch wirre Frisur. Sein Gesicht schien mit dem von Are identisch zu sein und doch strahlten seine Augen etwas Sanfteres aus. „Ich bin Ilian. Ares Zwilling, wie man unschwer erkennt und ebenfalls Schülersprecher.“ Er reichte mir seine Hand und ich schüttelte sie. Seine Augen faszinierten mich noch etwas mehr als die von Are und das Gefühl beim Händeschütteln war wie ein kleiner elektrischer Schlag.

„Freut mich. Ich bin Miri. Du scheinst weniger aufbrausend zu sein“, ich warf Are einen kurzen Blick zu und lächelte dabei frech.

„Stimmt schon. Manchmal zumindest. Und nun lass uns erstmal deinen Tutor aufsuchen, dann bringe ich dich in deinen Kurs.“

„Dann kann ich ja wieder gehen, ja?“ Es klang schnippisch, als hätten wir Are gerade versetzt.

„Ja, du darfst wieder gehen und ich glaub das nächste Mal schick ich wen anders, wenn du weiter so unsere Neuankömmlinge behandelst.“ Ilian schien wirklich vernünftiger zu sein. Are zuckte nur mit den Schultern und steckte seine Hände in beide Hosentaschen.

„Mir geht es nur um die hübschen Mädchen, die neu ankommen“, ich wollte mich schon geschmeichelt fühlen, als er mich schon beinahe herablassend ansah. „Zumindest die, die nicht so borstig sind...“ Ilian seufzte und ich biss die Zähne zusammen. Are aber hob bloß unschuldig die Schultern und wandt sich von uns ab, während er erzählte, was so seine Vorstellungen von einer hübschen Schülerin waren. „Eine sanfte Blume, die nicht all zu viel im Kopf hat, um so borstig zu sein und doch genügend, damit sie mir nicht zu dumm ist. Hach, solche Grazien findet man heute nur noch selten. Welche Schande...“ Er drehte sich, als er die drei Stufen hochgegangen war und vor einer weiteren Tür stand, die das Foyer und das Treppenhaus trennten, um und verbeugte sich leicht. „Wirklich Schade.“

„Er ist einfach zu theatralisch“, seufzte Ilian.

„Idiot“, fügte ich nur hinzu. Es dauerte etwas bis ich Ilians Blick bemerkte. „Sorry, ich meine nur... dass er für einen Schülersprecher doch recht unhöflich war. Nur wegen eines Namens...“, meinte ich kleinlauter.

„Es stimmt schon. Er ist ein Idiot. Aber auch ein Frauenschwarm hier an der Schule. Also sag das lieber nicht zu oft“, er lächelte und schien mich beschwichtigen zu wollen. „Nun komm.“ Ich packte meine Sachen zusammen und folgte ihm.

„Dann wärst du ja auch ein Frauenschwarm. Naja, verstehen kann mans ja, trotzdem...“, es wurmte mich wirklich, dass ein Junge mich so behandelte. „Was machen denn seine Fans? Beschmieren sie meinen Stuhl mit Klebe, oder so?“ Ilian lachte bei der Vorstellung und sein Lachen klang melodisch und gefiel mir.

„Ehrlich, ich weiß es nicht. Bisher gab es einfach noch kein Mädchen, dass ihm nicht doch erlegen ist. Selbst la Fleur liegt ihm zu Füßen. In gewisser Weise.“ Ich hatte keine Ahnung wer bitte La Fleur sein sollte. Bestimmt eines dieser unheimlich tollen, dürren und aufgetakelten Weiber, auf die eigentlich jeder Mann fliegt, weil sie leicht flach zu legen sind. „Aber das wirst du schon noch alles mitbekommen. Für einen ersten Tag gibt es eh immer so viel, was man sich alles merken muss. Hier ist erstmal der Biologieraum. Eigentlich habt ihr in einem der unteren Räume Bio, doch da wird die Woche noch gemaltert... Es gab einen kleinen, experimentellen Unfall“, meinte er peinlich berührt von der Erinnerung. Ob er darin verwickelt war? Oder war es vielleicht sein Zwilling, der sich so doof angestellt hatte? „Deine Tutorin Frau Eeger ist auch deine Biologielehrerin. Ich stelle euch gleich mal vor.“

Ilian klopfte und wir betraten einen Raum mit vier Bankreihen, die teilweise spärlich mit Schülern besetzt waren. Es war ein recht kleiner Kurs; doch Kurse waren ja anders als Klassen, die waren mal mehr oder mal weniger. Ilian stellte mich meinem Tutor vor und wir begrüßten einander, eh diese hagere, brünett gelockte Frau mich gleich dem ganzen Kurs vorstellen musste. Ilian bekam einige kreischende Zurufe von ein paar Schülerinnen, denen er nur winkte. Interessanter Weise sprachen sie ihn mit „Schülersprecher!“ an. Ich schmunzelte leicht, weil ich mir vorstellen konnte, dass nicht nur der Direktor Probleme damit hatte, die Jungs auseinander zu halten.

Ich durfte mich auf einen freien Platz in der zweiten Reihe setzen und der Unterricht ging weiter. In der erste großen Pause, die folgte, holte mich mein Tutor zu sich und erklärte mir einiges zum Stoff, fragte mich aus, was ich schon in meiner anderen Schule gehabt hatte und was ich schon alles wisse, aber auch zu mir und meiner Person wollte sie mehr wissen. Zum Glück zieht die 'Meine-Eltern-sind-gestorben-Karte' immer. So konnte ich noch einen Schokoriegel essen und in meinen Deutschkurs verschwinden. Diesmal setzte ich mich einfach auf einen freien Platz und merkte, wie ich angestarrt wurde. Wie immer dauerte es nicht lange, eh mich jemand ansprach und wir ins Gespräch kamen. Die Lehrerin bemerkte mich sofort und forderte uns auf, an die Tafel zu gehen und je eine Frage an mich und eine Tatsache über sich selbst aufzuschreiben. „Wo wohnst du?“ und „Ich liebe Motorräder“ stand zum Bleistift dran. Aber auch „Magst du die Schülersprecher“. Ich war erstaunt, diese Jungs schienen allein durch ihren Zwillingscharm die Schule im Griff zu haben. Ich wurde freundlich aufgenommen und eigentlich viel sozialer als in manch einer anderen Schule. Die Schüler kamen manchmal auf mich zu und als sie merkten, dass ich kein Wesen vom Mars war, schienen sie beruhigter und schon beinahe lockerer mit mir umzugehen. Ein Wesen vom Mars. Ehrlich, so fühlte ich mich! Wenn ich nicht wüsste, wie es ist, ein Opfer zu beobachten und jede noch so kleine Regung wahrzunehmen, hätte ich es nicht bemerkt, doch fast immer – in der Klasse, auf dem Schulhof, in den Pausen, beim Wechseln der Räume – spürte ich wie brennende, mich fixierende Augen, nicht von mir ablassen konnten. Es war schon beinahe unheimlich.

Ich schlug mich souverän durch den Tag. Ich war ja immerhin darin geübt, mich nicht zu zeigen, mich so gut es geht zu verstecken und einfach nur menschlich zu wirken und zu sein. Doch selbst für mich war es ein harter Tag und ich hoffte, dass wenn ich diese Schultore hinter mir hatte, dieser endlich ein Ende hätte.

„So ein erster Tag ist wirklich anstrengend, nicht wahr?“ Neben mir erschien Ilian, gerade als ich aus der Tür zum Hof rausgegangen war. Überrascht wandte ich mich zu ihm um.

„Ja, stimmt. Ich bin noch ganz platt vom Umzug und heute noch mal so viel neues...“, ich seufzte, tat geschunden, eh ich aufmunternd lächelte.

„Du armes Miri, aber bei solch einem Namen kann man keine reichen Eltern erwarten...“ Ich zog augenblicklich eine Flappe und drehte mich zu Are um, der auf meiner anderen Seite erschienen war.

„Lass endlich meinen Namen in Ruhe. Ich mag ihn und außerdem...“, wir kamen an den Fahrradständern vorbei zu einer einzelnen schmalen gußeinsernen Tür, wo nur ein Schüler nach dem anderen durchpasste. Ich drängte mich als erste durch, drehte mich um und sah beide Jungs ernst an. „Meine Eltern sind leider schon gestorben, also nein, ich bin leider nicht reich, aber es reicht zum Überleben.“ Zumindest für kurz schien Are stumm zu sein. Nur Ilian sah mich an, als wäre das nichts Neues für ihn.

„Sie sind bei einem Autounfall gestorben, richtig?“

„Ähm.. ja, woher weißt du das?“

„Genau, woher weißt du das“, fragte auch Are, was irgendwie gespielt klang. Ilian sah mich milde an, seinen Bruder aber strafender.

„Wenn du mal die Unterlagen lesen würdest, die du von mir bekommst, dann wüsstest du erstens besser über ihren wirklich hübschen Namen Bescheid und zweitens aus was für Umständen sie zu uns kommen musste. Ich mag den Papierkram ebenso wenig wie du, aber tu mir den Gefallen und lies es dir wenigstens mal durch.“

„Ist ja schon gut. Erzähl es mir doch auf dem Heimweg“, versuchte Are auf freche und charmante Art.

„Nein, lies es selbst“, erklärte sein Bruder motzig und trat dabei auf mich zu. Er lächelte mich an und bat mich mit einer schlichten Handbewegung weiter zu gehen. Are folgte uns Sekunden später.

„Gibt es einen Grund, warum ihr mich bis zur Straße begleitet oder ist das so ein Neuankömmlingending?“ Etwas komisch war es ja schon. Vor allem nach einem Tag unter ständiger Beobachtung.

„Wir sind eigentlich nur hier, um nachzufragen, wie dein erster Tag so war“, belächelte Ilian mich.

„Anstrengend, sagte ich doch schon.“ So ein offenkundiges Interesse war mir neu.

„Keine Besonderheiten? Ein mulmiges Gefühl, wie als ob du verfolgt würdest oder eher so ein unerklärlicher Heißhunger?“ Verdutzt sah ich Are an, der seine Arme hinterm Kopf verschränkt hatte.

„Are!“

„Was denn? Ich hab noch besseres zu tun als das hier.“

„Die paar Minuten wirst du doch mal haben!“

„Ähm..“

„Ja. Warum können wir die Leute nicht einfach direkt fragen? Das wäre einfacher.“

„Weil dir vielleicht Einer von Fünf die Wahrheit sagen würde, wie oft denn noch?“

„Jungs! Aus!“ Sie waren dabei sich in ihren kleinen Bruderzwist hochzuschaukeln, als ich sie lauter unterbrechen konnte. Beide sahen mich nun an und ich rieb mir nur entnervt die Schläfe. Ein Mysterium am Tag reichte, dann mussten die Zwei nicht noch eines erfinden...

„Ich hatte ein mulmiges Gefühl, weil es mein erster Tag war. Es gab viele die mich gut aufgenommen hatten und andere, die es nicht taten. Ich war an einigen Schulen und kenne Gruppenbildung. Ich werd schon was finden, ok? Und nein ich hatte keinen Heißhunger. Ich hatte mir nämlich was zu essen mitgenommen.“ Ich sah vor allem Are ernst an, eh ich mich entspannte. Meine Schultern sackten etwas ab und ich seufzte. „Warum fragt ihr das überhaupt? Ihr verhaltet euch ja so, als ob hier irgendein Promi zur Schule ginge...“ Are schnaufte nur und Ilian lächelte. So langsam wirkte sein Lächeln wie etwas Alltägliches und gar nicht mehr so schön wie noch heute Morgen. Schade eigentlich.

„Wir fragen dich nur, weil wir eine besondere Schule sind und du schon wissen solltest, wer mit dir auf eine Schule geht.“ Ich sah Ilian fragend an und er trat einen Schritt zurück. Mit dem ausgestrecktem Arm zeigte er auf ein Schild, welches neben der großen hölzernen Eingangstür des backsteingotischen Gebäudes wirklich gut sichtbar aufgehängt war.

„Wir sind eine Schule...“, fing er an, während mir schon die Farbe aus dem Gesicht wich, was Are wiederum spannend zu finden schien, „...die für mehr Solidarität zwischen Vampiren und Menschen steht. Sozusagen ein Pilotprojekt.“

Ich bin eine Fledermaus

Ich glaube, ich hatte das Schild noch eine Weile bleich angestarrt, eh mich ein lauwarmer Fingertipp auf meine Wange aufschrecken ließ. „Was-?“

„Entschuldigung, aber ich wollte nur gucken, ob schon alles Blut aus deinem Gesicht entwichen ist. Das sah lustig aus“, erklärte Are grinsend und eigentlich war ich ihm dafür dankbar. Dadurch, dass er mich wieder sauer auf ihn werden ließ, konnte ich das Gefühl mich zu übergeben wieder loswerden.

„Ha ha, sehr lustig“, kommentierte ich Are und sah dann wieder zu Ilian. „Das ist ein Witz, oder? Ich meine... es gibt keine Vampire!“ Ich wurde lauter und war selbst erstaunt, wie hysterisch ich doch sein konnte. Ich selbst war ein Vampir, aber ich hatte nie etwas davon gehört, dass Menschen und Vampire sich annäherten. Wann war das passiert? Warum? Wieso und wie konnte ich nur so leichtsinnig sein und mich dann hier als Mensch einschreiben?

„Es gibt welche, Mireille und bitte schrei es nicht so raus. Diese Schule ist zwar das Pilotprojekt, aber das heißt nicht, dass jeder in der Stadt es billigt.“ Ich schluckte und wurde ruhiger. Irgendwie erinnerte ich mich gerade an einen wütenden Mob mit Fakeln und Mistgabeln, die auf Hexenjagd waren. Ilian schaute mir in die Augen und Are auf... meinen Hals? Dann auf meine Brust und es schien mir beinahe so, als ob er meinem Puls folgen würde. Denn falls er so meinen Vorbau anschauen sollte, war das echt deprimierend.

„Du beruhigst dich schnell“, stellte Ilian fest, während Are über meinen ruhigen Herzschlag erstaunt schien und eine Augenbraue hochzog.

„Ja, ich.. hab schon das ein oder andere durchgemacht. Also gehen auf diese Schule junge Vampire, oder wie darf ich das jetzt verstehen?“

„Jung ist relativ zu sehen. Aber ja, wir sind so jung, dass wir sozusagen dauerhaft auf diese Schule gehen können.“

„Wir? Also heißt das... ihr“, ich zeigte mit dem Finger zwischen den Zwillingen hin und her.

„Wir“, fragten beide und machten beide zur gleichen Zeit, „Ahh, ja, was dachtest du denn“, fragte Are und Ilian sagte: „Ahh, ja, sozusagen.“ Beide sahen sich an und wieder verfielen sie in eine kleine Diskussion über die Einigkeit von Zwillingen. Ich lachte leise. Sie waren schon niedlich, anstrengend und nervig wie auch frech, aber sie konnten auch echt witzig sein. Gott, was dachte ich hier nur? Ich musste mich vor den Zweien hüten und sollte sie nicht sympathisch finden...

„Und was macht ihr dann, wenn ihr euren Abschluss gemacht habt?“ Das wiederum interessierte mich wirklich, denn vielleicht wanderten sie auch immer von Stadt zu Stadt. Obwohl... wenn sie hier ein Projekt hatten, waren sie dann nicht sesshaft?

„Wir nehmen nicht am Unterricht teil. Also nicht richtig. Ab und zu sitzt jemand von uns mal mit im Raum, aber wir haben unseren eigenen Stundenplan. Wir lernen andere Sachen als ihr. Aber es ist dennoch wichtig, dass mindestens zwei von uns oder drei, mal so mal so, mit im Raum sitzen. Immerhin geht es um Toleranz und darum zu zeigen, dass Vampire nicht nur blutrünstige Killer sind.“

„Das heißt ihr habt noch nie?“

„Was?“ Jetzt waren sie sich mal einig!

„Blut getrunken. Menschliches Blut, mein ich?“

„Naja-“ „Haben wir, ja. Aber das ist langer her. Es kommt immer auf das eigene Bewusstsein an und ob man zum lieben oder richtigen Arschlochvampir werden will“, fiel Are seinem Bruder ins Wort. Liebe und Arschlochvampire? Was genau das hieß, wusste ich den Moment noch nicht, doch mir war klar, dass Are sehr direkt war, während sein Bruder meist beschönigender sprach.
 

In dieser Nacht konnte ich so gar nicht schlafen. Eigentlich konnte ich immer gut einschlafen, da ich noch nie einen festen Wohnsitz hatte, außer natürlich als ich in meinem Dorf lebte. Auch wenn ich meist einige Jahre an einem Ort blieb, kam bisher nie das Gefühl von Heimat oder einem zu Hause in mir auf. Meine Heimat war schon lange nicht mehr da. Sie war überwachsen, verwildert, als Lager einer Schlacht genutzt und seit Neustem zu einem Ackerfeld gerade umpflügt worden. Sie war so gesehen ein Acker. Ich lächelte bei dem Gedanken dort ein Zelt aufzuschlagen, denn er war einfach zu irrwitzig.

Dennoch, trotz aller Gedanken oder gerade deshalb, konnte ich nun erst recht nicht mehr schlafen. Es war lange her, dass ich überhaupt so lange wach war, dass ich die Nacht getrost durch machen konnte. Ob ich rausgehen sollte?

Ich überlegte nicht lange und zog mich wieder an. Diesmal waren es aber Nachtschwärmersachen, die ich mir im Laufe der Zeit zugelegt hatte. Sie bestanden aus einer sehr engen Hose, einem engen Shirt, das am Rücken eine gute Aussparung meiner Schulterblätter zuließ. Dann noch ein schwarzes Tuch, dass ich mir über die Schultern legen konnte. Im Winter hatte ich auch schon mal einen Mantel, der bis zum Boden reichte und eine Kapuze mit einem kleinen Zipfel besaß. Ich liebe diese Sachen so! Das beste an ihnen ist, dass sie aus besonderem geräuscharmen Stoff bestehen. Also perfekt für einen Vampir, der unerkannt über die Dächer huschen wollte. Ein nächtlicher Umtrieb konnte richtig Spaß machen.

Perfekt angezogen stieg ich durch mein einziges Dachfenster hinaus auf den schrägen Dachsparen. Die frische Nachtluft zog ich sogleich tief ein und fühlte mich wieder frei. So unendlich frei. Mein Fenster klappte ich so weit zu, dass es nicht auffiel. Obwohl es hier viele offene Fenster gab, was der drückenden Wärme des Tages geschuldet war. Sommer eben. Doch gerade das war das Schöne daran, sich abends auf Streiftour durch die Nacht zu begeben. Noch einmal streckte ich mich, dann krabbelte ich auf den höchsten Punkt des Daches und sah mich um. Die Stadt war klein und die Dächer gut, um auf ihnen herum zu laufen. Die meisten waren zwar schräg, doch nicht so sehr, dass man herunter rutschen würde. Leider nur leider, waren hier viele andere Vampire. Besser ich band mir mein Tuch so um, dass nur noch meine Augen zu sehen waren. Übung darin hatte ich ja, immerhin habe ich eine ganze Zeit in nahen Osten gelebt, wo es damals noch strenger verboten war, sich als Frau ohne Mann zu zeigen. Immer mussten die Haare und das Gesicht verhüllt und nur die Augen durften sichtbar sein. Ich steckte es fest und sah mich nochmals um. Wo wollte ich denn als erste hin? Vielleicht der Kirchturm?

Ich machte mich bereit und sprang. Die Luft zischte an mir vorbei und ließ das schwarze Tuch flattern. Das einzige Geräusch, was ich machte, war ein leiser Ton beim Aufkommen auf dem nächsten Dach in ca. 10 Metern Entfernung. Es hatte eben seine Vorteile ein Vampir zu sein. Eigentlich sogar ziemlich viele.

Wir leben lange, was einer permanenten Regeneration unserer Zellen zu verdanken ist. Dennoch gibt es so viele Vampire im unterschiedlichen Alter. Man bleibt eben in jenem Alter stecken, in welchem man verwandelt wurde. Ich sah sogar schon Kinder. Doch diese lebten nicht lange. Die meisten zumindest. Oft werden Kinder angefallen, weil sie leichte Beute für einen jungen Vampir sind. Doch in so jungen Jahren verkraftet der Körper es noch nicht und zerbricht daran. Es sieht unterschiedlich aus. Entweder wie eine Krankheit oder das Kind wird ‚verrückt‘.

Wir sind stärker und schneller als normale Menschen, unsere Augen und Ohren sind besser und doch können wir auch von ganz normalem Essen leben, wenn man sich nicht nur auf den Verzehr von Blut spezialisiert. Dabei muss ich sagen, dass Menschen und Tiere schon unterschiedlich schmecken. Aber es ist nicht so, dass man nur weil man Menschenblut trinkt, gleich stärker ist. Nein, die Stärke eines Vampirs hängt von seinen Fähigkeiten ab und seiner Umwandlung. Als schwach und einfach gelten jene Vampire, die nur einmal von ihrem ‚Schöpfer‘ gebissen wurde. Von ihnen gibt es leider viele, da sie nur einmal als Trinkgut gebraucht wurden und dann nicht mehr benötigt worden waren. Sie haben keine Fähigkeiten, besitzen aber die allgemeinen Vampirkräfte. Dennoch werden sie oft getötet oder nochmal als Trinkgut missbraucht. Eigentlich sind sie ziemlich unglücklich, wie ich finde, denn sie sind knapp der Erlösung durch den Tod entkommen.

Beißt man den ‚Schöpfer‘ zurück, kommt es noch auf die Blutmenge an, die man von ihm trinkt. Diese Vampire stehen dann sozusagen in der Mittelklasse. Sie besitzen wenige Fähigkeiten und diese werden weniger, je dünner das Blut des Archetypen wird, von dem der Erste getrunken hatte. Ein Archetyp ist der stärkste Vampir, den es gibt. Es soll vier geben; basierend auf den vier Elementen, von denen sie ihre Kraft erhalten haben sollen. Doch wie genau das entstand, weiß ich nicht, denn das alles liegt so weit zurück, wie es die ersten denkenden Menschen gab und ich selbst bin ja erst ein Jahrtausend alt. Es war alles noch weit vor meiner Zeit, was an sich schon echt gruslig ist. Ich bin schon soo verdammt alt! Gut, dass ich keine Falten bekomme!

Ein Archetyp ist also der ultimative Vampir mit Kräften über das Feuer, den Wind, die Erde oder das Wasser. Ihre Untertypen besitzen dann verkleinerte, abgeschwächte Fähigkeiten wie etwa die Kraft Blumen blühen zu lassen oder das Wasser zu färben. Meist harmlose Fähigkeiten, doch es gibt auch welche, die verletzen können. Einmal bin ich auf einen Vampir getroffen, der den Wind bewegte. Er war mächtig, denn er konnte nicht nur einen Tornado erzeugen, sondern auch den Wind so von sich schleudern, dass er wie feine Messer durch die Haut schnitt. Ich weiß aber nicht mehr was aus ihm geworden ist… Alles was, an was ich mich noch erinnere, ist ein Feuerball und wie er mit schweren Verbrennungen vor uns auf den Boden lag und meine Begleitung – ich kann ihr Gesicht nicht erkennen – seinen Fuß auf dessen Kopf setzte und nach ein paar leeren Drohungen, die sich anhörten wie tiefes Brummen, einfach fest zudrückte, dass der Schädel zerquetscht wurde. Ein ekeliges Bild, für wahr, aber daran sieht man nur, wie stark ein Fuß sein kann. Ich habe auch gehört, dass man, wenn man das Blut eines Archetypen trinkt, ihn also auf diese Weise umbringt, seine vollen Fähigkeiten erbt. Oft hab ich mir schon überlegt, ob so vielleicht die Archetypen gewechselt haben. Denn mir ist noch nie ein Vampir begegnet und ich habe auch noch nie von einem gehört, der über 10.000 Jahre alt sein soll. Zum ersten Mal wurde mir das alles von Aziz erzählt.

Gerade erreiche ich den Kirchturm und stehe auf dem geraden Dachplatten, die die schrägen Dachseiten zu beiden Seiten zusammenfassen und abrunden. Der Blick über diese kleine Stadt mit den wenigen Lichtern ist so wunderbar und idyllisch. Es ist still und nur der warme Sommerwind zerrt etwas an meinem Schal. Aziz, dies hier hätte dir bestimmt gefallen. Du warst doch immer für die Zukunft und neugierig auf das, was neu ist und doch alt wirkt. Diese Stadt würde dir so gefallen, dachte ich und unterdrückte eine Träne. Ich vermisste ihn. Am Anfang war es schlimmer, dann ging es mit der Zeit, doch in letzter Zeit kam dieses Gefühl immer wieder hoch. Ich frage mich, was mit ihm passiert ist, wo er ist, was er macht und wieso ich mich nicht an die letzten Tage mit ihm erinnern kann. Könnte ich es, wüsste ich vielleicht auch, wo ich nach ihm suchen müsste. Doch nichts. Es ist alles schwarz. Er fehlt mir…

Ein leises Geräusch, vom Wind zu mir getragen, beraubte mich der Stille und dem Gefühl alleine zu sein. Achtsam spitzte ich meine Ohren und lauschte. Es kam vom Norden her, dort wo eine kleine Freifläche war. Ich sprang los, von Dach zu Dach und erreichte das letzte Haus der Altstadt. Ein kleiner Fluss, vielleicht zehn, fünfzehn Meter breit und nur zwei Meter tief, umkreiste die alte Innenstadt und auch in einem kleinem Kreis diese Grünfläche. Am Ufer des Fluss gab es einen Fußweg aus einfachen Sand. Dieser wurde von Reihen alter und junger Bäume geräumt. Kastanien, Eichen, Ahorn und Linden wechselten sich immer mal wieder ab und bildeten eine schöne Allee. In der Mitte gab es einen kleinen Spielplatz und sonst nur Gras. Hier und Da vielleicht ein Maulwurfshügel und dort hinten drei Gestalten. Ich versteckte mich in einem der größeren Bäume und beobachtete alles von einem dicken Ast aus. Sie waren auf dem Spielplatz und unterhielten sich nervös. Genaues gestand ich nicht, doch einer war sehr hektisch, die anderen zwei sehr ruhig. Der Hektische erzählte mit wilden Gesten von irgendwas und überreichte auf Nachfragen von einem Ruhigen eine Schriftrolle und etwas sehr kleines. Vielleicht einen Stick? Also Agentenstil in alt und modern, dachte ich nur und musste grinsen. Ich hockte mich etwas anders hin und ließ etwas Rinde unter meinem Schuh leise ratschen. Nichts was ein Mensch hätte hören können, doch sofort war es still geworden. Die Stimmung war gespannter und der Hektische hatte sich leicht gebückt, als wolle er gleich was anspringen. Nun frischte der Wind auf, zu meinem Glück so, dass sie meinen Geruch nicht riechen konnte und ich ihren nicht. Er kam von der Seite. Langsam kamen sie näher und während die ruhigen Zwei aufrecht gingen, ging der Hektische immer mehr in die Knie und es sah so aus, als würden sich seine Haare aufstellen. Er knurrte, das konnte ich schon hören, obwohl sie noch genau die Flussbreite von mir entfernt waren. Wieder frischte der Wind auf und diesmal brachte er einen Teil ihres Geruches zu mir. Ich roch etwas, das mich stark an einen Hund oder Bären erinnerte, und Wald und Erde… Ich bekam Angst. Wieso bekam ich Angst?

„Hey! Wer bist du?! Komm sofort raus da“, er knurrte und bellte es gleichermaßen in einer tiefen Stimme und mir stellten sich die Armhaare auf.

„Ruhig Lyssykh. Riechst du was?“

„Nicht richtig, nur die kalte Wärme eines beschissenen Saugers.“

„Wurden wir beobachtet“, fragte eine zweite Stimme.

„Nein, das kann nicht sein. Lyssykh passt immer auf. Sonst hätten wir nicht 'ihn' geschickt“, meinte die erste Stimme wieder.

„Mir ist niemand gefolgt und ich habe mich nicht verraten. Weiß nicht, wo diese da herkommt“, knurrte Lyssykh wieder – Lürzik gesprochen. Er kam noch einige Schritte näher und ich wusste nicht wohin. Ich hatte Angst vor dem, was dieser Lyssykh war und wollte hier nur noch weg. Doch ich wusste, dass alle es mit mir aufnehmen könnten. Zwei mussten Vampire sein, der Dritte… Gott bewahre, was der war… doch sicher war er auch schnell. Ich musste schneller verschwinden. So, dass niemand mich einholen konnte.

Noch ein Schritt näher kam Lyssykh er knurrte und stellte sich auf alle Viere. Dann passierte alles gleichzeitig. Lyssykh knurrte laut zu mir herauf: „Zeig dich, Sauger!“ Die erste Stimme sagte gleichauf: „Nun warte doch mal, wir wollen ihn lebend“, und ich… ich hatte so Angst, dass ich mit einigen gezielten Sprüngen schnell nach oben sprang, aus er Baumkrone heraus und davonflog. So schnell ich konnte, so hoch ich konnte und ich blieb lange in der Luft.
 

Auf den Boden zuckten alle drei zusammen, was ich nicht mehr sah, und ein erschrockener wie fast schon panischer Ausdruck huschte über alle Gesichter.

„Ein Vampir mit Flügeln“, kam es atemlos von Lyssykh, der sich beruhigt hatte und nun eher klein wirkte, wie ein Welpe.

„So ein Dreck. Das hat uns gerade noch gefehlt“, schimpfte die zweite Stimme.

„Nun beruhige dich wieder Are. Wir-“ „Du hast gut reden, Ilian! Du hast selbst welche und kannst bestehen, ich dagegen…“ Are verstummte und biss sich so sehr auf den Kiefer, dass er knackte.

„Du weißt, ich kann das leider nicht mehr ändern. Ich kann dir nicht-“

„JA, ja ich weiß. Es wurmt mich dennoch“, gab er knurrend zurück und sah seinen Bruder an, der ihn besorgt musterte. Doch eh dieser was sagen konnte, schnitt Are ihm das Wort ab. „Und du brauchst dich nicht sorgen, dass ich es auf andere Weise versuchen werde. Ich weiß, was mit Mischblut geschieht. Ich will kein Flohfänger werden. Sorry Lyssykh.“ Der winkte nur ab.

„Ach, ich hab mich dran gewöhnt. Aber Flöhe habe ich keine, wie oft noch. Außerdem sind Hunde und Wölfe etwas anderes! Ehrlich, ihr steht für so viel Gutes ein und dann diskriminiert ihr uns Wölfe…tss.“ Lyssykh tat, als schmollte er. Die Brüder sahen sich an und für einige Sekunden lachte alle erleichtert. Dann aber wandte Ilian sich wieder dem schwarzen Nachthimmel zu und machte ein ernstes Gesicht.

„Dennoch müssen wir der Sache nachgehen. Morgen fangen wir an zu forschen. Merkt euch alles von heute Abend!“

„Ja Chef. Als ob wir je was vergessen könnten…“, erwiderte Are schelmisch.
 

Ich flog und flog und die Sterne über mir und die winzigen Lichter der Stadt unter mir, sowie der schneidend kalte Wind hier oben, beruhigten mich, sodass ich nach Mitternacht vorsichtig in meine kleine Dachwohnung zurückkehrte und erschöpft ins Bett fiel.

Vampire sind stark und schnell. Wir sehen und hören besser als Menschen und leben länger. Einige von uns können fliegen. Sie werden getragen von starken schwarzen Flügeln, die denen einer Fledermaus ähneln. Sie haben spitze Widerhaken an den Enden der Knochen und eine dünne Flughaut.
 

Ich wusste noch nichts von Wölfen und nicht genug über Archetypen. Denn… nicht alle Vampire können fliegen.

Eine Blume mit Dornen

Was gibt es peinlicheres, als am zweiten Tag schon zu verschlafen? Und das nicht um ein paar Minuten, sondern geschlagene drei Stunden! Ich kam also pünktlich zur dritten Stunde und ziemlich abgehetzt zur Schule und betrat in der kleinen Fünf-Minuten-Pause, den Chemieraum.

„Wen haben wir denn da?“ Ich dachte erst einer der Schüler hätte gehässiger Weise gefragt, doch es war der Lehrer, der hinter mir in der Tür stand, da er sich noch Kopien ziehen musste.

„Es tut mir furchtbar leid! Ich habe verschlafen“, sagte ich mit noch immer roten Wangen und mäßig ruhigen Atem.

„Am zweiten Tag schon verschlafen? So, so. Kaum zu glauben“, bemerkte er und ging in den Raum. Eigentlich hatte er ja Recht, es gab bessere Ausreden.

„Das ist, weil.. ich.. ich hab seit gestern mein neues Bett und war zu lange auf“, meinte ich geknickt und spielte meine Scharade weiter. Er glaubte mir eher schlecht als recht und meinte, solange es nur ein einmaliges Vergehen war, würde er es mir diesmal durchgehen lassen. Schweigend setzte ich mich hin und war bereit für den Unterricht, als ich von der Seite angesprochen wurde. Ein Junge mit wachen Blick und fein gelegten Haaren, sprach mich an. Ich habe mich bisher noch nicht mit meinen Banknachbaren beschäftigt, doch er schien mir nicht wirklich vertrauenerweckend. Vor allem nicht, da ich ja nun weiß, dass diese Schule hier alles andere als normal ist. Vielleicht verzog ich deshalb so das Gesicht, was er zum Glück ganz anders deutete.

„Rieche ich?“ Ich blinzelte schnell.

„Was? Nein, nein, schon gut, du hast mich an jemanden erinnert, den ich nicht leiden konnte.“

„Was für ein Vergleich“, fand ich auch. Schlimmer ging es doch wohl nicht!

„Sorry, aber ich habe wirklich nur verschlafen...“

„Is ja auch alles chillig hier. Der Alte da vorne tut nur so streng, der trägt nichts ein.“

„Aha...“, meinte ich wenig überzeugt. Wir redeten noch etwas, bis es klingelte. Ich wollte dann doch lieber aufpassen und zuhören, nicht dass der Lehrer mir doch (würde ich wegen Wiederholung streichen) noch was einschrieb. Als es dann hieß Partnerarbeit, konnte ich mich einem weiterem Gespräch nicht mehr verwehren. Dieser Typ war ja lästig. Er fragte so viel. Er wollte wissen, wo ich herkommen, wie es meiner Familie ging, womit ich ihm gleich ein schlechtes Gewissen machte, als ich sagte, ich hätte keine mehr. Für fünf süße Minuten war er dann auch still, eh er weiter erzählte. Von seinen Hobbies, eh er nach meinen fragte und wissen wollte wie ich die Schule bisher fand. Er redete so viel und experimentierte dabei weiter, dass unser einfacher Knallnachweiß für Wasserstoff doch etwas sehr laut wurde.

Nach dieser einen Stunde war ich schon so erschlagen, dass ich mich richtig auf Deutsch freute, denn er hatte Mathe. Doch in Deutsch begegnete ich meinen bis dato noch nicht bekannten Alptraum von Schönheit. La Fleur, die Blume, war wirklich eine Blume. Sie roch so und sah ebenso bezaubernd aus. Die Jungs verzauberte sie mit einem Blick und die Mädchen umringten sie von selbst. Sie war vielleicht um die 170 Meter groß und hatte lange, gelockte und strahlend blonde Haare. Ihre Haut war so weich und blass, dass es einfach nur vornehm aussah und nicht krank. Ihre Augen waren grün wie frisches Gras und so durchscheinend, dass ich kurz wirklich glaubte, sie wüsste alles von mir! Zum Teil tat sie das auch schon, denn eines sah ich ihr deutlich an. Sie war ein Vampir. Und das versteckte sie nicht einmal. Ihr Fangzähne blitzen bei jedem Lächeln hervor und der Duft, der sie umgab, war irgendwie betörend. Ich setzte mich zwei Reihen vor sie, denn dort war ein freier Platz und ein eindeutig menschliches Mädchen.

„Entschuldige, würdest du dich auf meinen Platz wohl setzten wollen?“ Die Stimme klang zart und melodisch. Das Mädchen neben mir stotterte, dann räumte sie ihren Platz und ging nach hinten.

„Entschuldige, ich dachte eigentlich du würdest dich nach hinten setzten“, meinte sie charmant und setzte sich elegant mit ihrem kurzen Rock hin. „Ich bin La Fleur, ein Vampir, wie unschwer zu erkennen ist“, sagte sie und warf ihr Haar hinter die Schultern und verstreute eine Welle von süßlichem Duft. „Freut mich dich kennenzulernen. Ich wurde gebeten dich etwas herumzuführen.“

„Ähm, ja, danke, freut mich auch, aber das ist nicht nötig. Die Räume kenne ich schon recht gut und den Rest bekomm ich so schon mit“, versuchte ich sie abzuwimmeln. Sie aber lachte.

„Wenn das hier eine normale Schule wäre, hätte ich dich sicher nicht angesprochen.“ Oh sie war mir unsympathisch. „Ilian wollte gerne, dass ich dir ein paar Vampire vorstelle, dir zeige, was wir so tun und so weiter, einfach, damit du nicht schreiend fortrennst.“ Seltsamer Weise zeigte das Grün ihrer Augen nichts von Fürsorge, sondern eher von Belastung und dass sie es eindeutig nicht gerne machte. Wahrscheinlich wollte sie lieber zur Maniküre für ihre viel zu langen Nägel.

„Ah ja~ Und wenn Ilian sagt, spring aus dem Fenster, machst du das auch?“

„Mal abgesehen davon, dass mir erst ein Sprung aus dem 20. Stock etwas anhaben könnte, ja, ich mache alles, worum er mich bittet. Sogar dir helfen. Sag, wie findest du meinen Duft heute?“ Ich hätte am liebsten die Augen verdreht, doch da hielt sie mir schon die Hand hin und ich sollte an ihrem Handgelenk riechen.

„Er riecht süß“, kommentierte ich nur, nachdem ich noch etwas dichter in diese Duftwolke abgetaucht war und an ihrem Handgelenk gerochen hatte. Ich musste bedenken, ich war hier nur ein Mensch und roch daher diesen verdeckten muffig, erdigen Geruch nicht. „Blumig“, lächelte ich sie an. Ich weiß nicht genau, wie ich ihren Blick deuten sollte, so, als ob ich auch nur nach gewöhnlichem Abfall riechen würde. Von da an wollte ich mich eigentlich auf den Unterricht konzentrieren, doch mich beschäftigte mehr die Frage, wie ich roch. Konnte man es riechen, dass ich ein Vampir war, so wie ich es bei ihr konnte? Aber bei Are und Ilian konnte ich es auch nicht und als ich mich auf dem Schulhof umsah roch keiner der Anwesenden deutlich nach Vampir. Nur dieser Lyssykh und einige seiner Freunde rochen etwas streng nach Hund, so als hätten sie gerade erst kräftig gekifft, und La Fleur natürlich roch nach Blumen. Vielleicht roch ich ja auch nicht?

Die Tage zogen dahin und die erste Woche war geschafft. Ich ebenso. Man glaubt gar nicht, wie anstrengend es sein kann, wenn einem ständig jemand folgt. Ich kannte nun schon mindestens 15 Vampire und alle sahen sie jung aus und waren so unterschiedlich. La Fleur hatte sich auf diesen Freitag schon früher verabschiedet, was ich als himmlische Ruhe bezeichnen möchte. Sie mochte mich nicht und ich sie nicht und das hörte man in jeder verdammten Spitze. Doch so beliebt wie sie war, konnte ich auch nicht direkt kontern. Die Menschen waren da viel zu eingenommen von ihr.

„Schade, dass La Fleur schon los musste“, meinte Sophie, ein Mensch, mit dem ich mich gut angefreundet hatte.

„Ja, wirklich schade, aber ich bin sicher nächste Woche ist sie wieder da“, lächelte ich gespielt.

„Meinst du, sie begleitet dich noch eine Woche? Ohhh das wäre soo cool, ich komm sonst nicht in ihre Nähe und sie ist soo coool“, schwärmte sie, während ich innerlich die Augen verdrehte.

„Wir werden sehen. Aber du kannst dich doch in ihre Nähe trauen“, meinte ich eher verwundert.

„Nee, sie ist doch ein Vampir und auch wenn wir ab und an eine spontane Unterrichtsstunde zu Vampiren bekommen, ist es dennoch seltsam. Außerdem.. Ilian und Are unterrichten“, sie wurde rot und das ziemlich deutlich. „Ich mein, wer hört da schon wirklich zu?“ Ich grinste nur, ja wer hörte bei zwei heißen Jungs schon wirklich zu, wenn man lieber schmachtete?

„Du bist auch verschossen in sie?“ Sie wurde noch röter, stritt es aber vehement ab.

„Nein! Also nicht so wie dieser Fan-Club, wenn dann nur so ein bisschen, verstehst du? Ey! Lach mich nicht aus!“ Sie haute mich und ich lachte nun richtig los. Wir hätten sicher noch weiter gelacht, hätte uns nicht ein sanftes Räuspern erschrocken umfahren lassen. In der massiven, alten Tür stand Ilian.

„Verzeiht, aber wollt ihr nicht lieber nach Hause?“ Schnell raufte Sophie ihre Sachen zusammen und war verschwunden.

„Tschüß Miri!“ Ich starrte ihr nur hinterher und sah dann zu Ilian.

„Deine Wirkung auf Frauen ist echt erschreckend. Hast du das mal untersuchen lassen?“

„Nein“, lächelte er und trat nun näher. Als Mensch hätte ich unruhiger werden müssen, ich weiß, aber ich war es nur ein bisschen. So ganz vorsichtig im Bauch, aber ich blieb stehen und spürte, wie die Anspannung stieg. Gut einen Meter vor mir blieb er stehen und musterte mich. Er machte mich nervös. Nicht wie La Fleur, aber auf eine Ich-mag-lieber-wegrennen-Weise.

„Wie hast du dich gut eingelebt?“

„Gut, soweit...“

„Klingt noch nicht wirklich 'gut'.“

„Du hast mir La Fleur aufgehalst...“, ich verdrehte die Augen und sah ihn grummelnd an. Er lächelte.

„Sie brauchte eine Auszeit. Für das, was wir eigentlich machen, ist sie oft zu... zart.“

„Was macht ihr denn sonst so?“ Er grinste und trat einen Schritt näher.

„Nichts, was Menschen interessieren sollte.“

„Ich bin aber interessiert und sehr neugierig.“ Er trat noch näher und ich war überrascht, wie nah er mir mit mal war. Sein Blick war zwar angriffslustig, aber da war auch etwas Sorge hinter. Etwa wegen mir?

„Sicher, aber übernimm dich nicht“, bat er schon beinahe sanft und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Mein Herz wummerte, was sollte das? Musste er mich so ansehen? Und...

„Ich seh deine Fangzähne“, stellte ich etwas unschlüssig, dann amüsiert fest. Er jedoch erschrak und wich gleich wieder diesen einen Meter zurück.

„Oh, tut mir leid, das sollte nicht passieren.“

„Warum versteckst du sie? La Fleur zeigt es auch allen.“

„Ich bin aber nicht sie und Vampir wollte ich auch nie werden“, fuhr er mich an und nun starrten wir uns beide erschrocken wie ratlos an. Die Sekunden verstrichen und er fing sich als erster. „Du solltest nach Hause und halte sich von Vampiren fern“, meinte er immer noch grantig.

„Dann pfeif La Fleur zurück!“, rief ich ihm hinterher, als er schon aus der Tür heraus war. Während er dabei gespannt und grummelnd drein blickte, was ich nicht mehr sehen konnte, musste ich schmunzeln. „Halte dich von Vampiren fern“, wiederholte ich und dachte gleich wieder zurück. „Genau wie Aziz...“
 

Auch wenn ich neugierig war, wusste ich wirklich noch wenig. Sicherlich hätte alles viel ruhiger verlaufen können, wenn ich einfach nur vorgegeben hätte, ein Mensch zu sein. Ich wäre nach guten fünfzehn oder zwanzig Jahren wieder umgezogen und hätte von vorne angefangen. Nichts hätte sich geändert und mein kleines, perfekt verstecktes Leben, wäre so ruhig geblieben wie immer. Aber ich war neugierig. Diese 'Arbeit der Vampire' interessierte mich brennend und so versuchte ich aufmerksamer zu sein, wenn ich zwei von ihnen beisammen sah, um zu lauschen. Vieles ergab einfach keinen Sinn, wie: „Ramon sucht nach dem letzten Archetypen.“ „Ich habe gehört, er sucht seine Liebe?“ „Nein, es geht ihm um Macht.“ oder „Wir brauchen keinen König!“ oder „Diese Archetypen halten sich echt bedeckt, aber es hängt auch viel von ihnen ab.“ „Ich will nicht in seiner Haut stecken...“ „Ach, er schafft das und er hat noch seinen Bruder.“ oder „Ramon will im Winter Späher schicken?!“ „Will er eine Fehde starten?“

Es waren nur Gesprächsfetzen, doch ich verstand, dass dieser Ramon ziemlich gefürchtet wurde. Warum aber ein Archetyp gesucht wurde, verstand ich nicht. Und was sollte das Gerede von einer Fehde? So oder so ich kam nicht weiter. Diese paar Fetzen hatte ich in den letzten zwei Monaten zusammengetragen. Ich war nicht mehr die Neue, sondern einfach da und ein Mensch. La Fleur hatte mich wirklich in der zweiten Woche in Ruhe gelassen, sehr zum Leidwesen von Sophie. Sie und ich verstanden uns derweil immer besser, während ich das Gefühl hatte, dass die Zwillinge auf Abstand zu mir gingen. Besonders Ilian, der mich nicht mal mehr ansah, während Are ab und an noch mal grinste.

„Was ist nur mit denen los?“

„Mit wem? Den Zwillingen oder den Vampiren“, fragte Sophie, als wir gerade geschaut hatten, ob wir vielleicht auch Ausfall hätten. Im Foyer waren viele Schüler und dennoch kam es mir so vor, als gingen sie besonders weit von mir entfernt vorbei...

„Nimmt sich ja nicht viel. Are lächelt ja mal ab und an noch, aber Ilian... als wäre ich Luft“, es deprimierte mich wirklich! War es etwa nur zwangsweise gewesen, weil ich neu war und sie Schülersprecher?

„Nimm es nicht so schwer“, sagte Sophie und legte einen Arm um meine Schultern. „Die müssen doch uns Schäfchen hüten und dass Are dir zulächelt, ist schon mehr als manch anderer von uns bekommt.“ Das stimmte schon. Viele haben gesagt, dass es echt verdammt selten sei, dass ich so viel Aufmerksamkeit von den Vampiren bekommen hatte. Aber war das nicht eine Schule, um genau das zu üben? Sollten die Vampire denn nicht mit den Menschen auskommen und umgekehrt? Toleranz und all das? Es war fast so, dass je länger ich hier war, desto weniger verstand ich.

„Aber mal genug von dem Liebeskram“, für diese Bemerkung kassierte sie gleich einen Ellenbogenschlag in ihre Seite. „Wir müssen lernen. Nächste Woche schreiben wir Bio und Chemie und ich muss noch einen Sporttest machen.“

„Bei mir kommt noch ein Test in Latein und Englisch dazu...“ Ja, wir hatten unsere eigenen Sorgen. Die Schule verlangte gerade unsre volle Aufmerksamkeit, da war für so flüchtige Detektivspielchen keine Zeit. Wir lernten abwechselnd bei ihr und bei mir. Bei ihr bekamen wir immer leckere Kekse von ihrer Mutter, als 'Nervennahrung' mit Tee oder warmer Milch, da es draußen oft schon klirrend kalt wurde. Ich wusste nicht, dass der Herbst hier so schnell so kalt wurde, obwohl, es war ja schon November. Die Tage wurden nebeliger und boten gerade in den frühen Morgenstunden einen herrlichen Ausblick vom Kirchturm aus. Dieser Platz, war inzwischen wirklich mein Lieblingsplatz geworden. Es war ruhig und windig, wie ich es mochte. Dazu sah man die ganze Stadt und die Dachkacheln wackelten immer so lustig, wenn die Glocke läutete. Aber durchs Lernen kam ich selten dazu, da wir bis spät in die Nacht lernten und ich dann doch lieber ausschlief.
 

Es war die Woche vor den Weihnachtsferien, in der ich unaufmerksam war. Dabei war es nur ein Fauxpas, der jedem hätte passieren können. Doch ich war mir nicht sicher, dass bei jedem so ein Aufruhr gemacht worden wäre. La Fleur war nicht begeistert von dem Wetter und der Kälte. Es täte ihrer Haut nicht gut und das ließ sie jeden wissen, der es nicht hören wollte.

„Das ist hier so kalt... Nicht mal die Pflanzen wollen mehr richtig blühen. Eine Schande! Man sollte den Winter abschaffen“, klagte sie in meiner und Sophies Nähe herum.

„Ich mag den Winter“, stellte Sophie fest, der diese Art auch schon auf die Nerven ging.

„Ja, ne? Und es ist ganz natürlich, dass Pflanzen auch mal eine Pause brauchen“, stieg ich mit ein. Wir hatten Erfolg, denn wir redeten so laut, dass La Fleur sich zu uns umwandte.

„Wollt ihr beiden mir etwas sagen?“

„Nein, nein, nur, wenn du es warm magst, kannst du ja auch auswandern, gibt genug warme Länder“, erwähnte Sophie.

„Ach? Das Mauerblümchen kommt auch mal zu Wort? Was ist dein Problem, du Dörrblume?“

„Dass du allen mit deinem Gelaber auf den Keks gehst, jeden Winter das Gleiche!“ Sie standen sich nun direkt gegenüber und die Zuschauer wurden mehr. Nicht nur, dass sich die schöne La Fleur stritt, sondern auch noch mit einem Menschen!

„Pass auf du... Wenn ich so aussehen würde wie du, würde ich mir mehr Gedanken um mein Äußeres machen“, fauchte La Fleur.

„Gut, dass du dir schon genug Gedanken um 'dein' Äußeres machst“, ich sah Sophie an, dass ihr, trotz ihrer Schlagfertigkeit, die Knie schlotterten. Und La Fleur sah es auch.

„Du hast ein ganz schön großes Maul für einen Menschen.“

„Wo sie aber recht hat. Du jammerst nur rum, es ist ermüdend in deiner Nähe“, schaltete ich mich ein und stellte mich halb vor Sophie.

„Weißt du, auch wenn du bei einigen einen Stein im Brett hast, gerade du gehst mir tierisch auf die Nerven“, fauchte sie nun mich an, ihre grünen Augen funkelten und ihre Zähne waren deutlich zu sehen. Dazu verzog sie die Nase, als habe sie etwas Sonderbares gerochen.

„Ohh, das wusste ich gar nicht. Aber wenn es dir besser geht, ich mag dich auch nicht“, meinte ich scheiß freundlich, was sie nur noch mehr aufregte.

„Oh, wenn ich könnte, würde ich dich so windelweich prügeln, du fauliges Etwas. Machst du dir überhaupt mal Parfüm dran? Du stinkst wie ein Iltis!“

„Ja, deines.“ Ich grinste und wusste, es war ein Fehler gewesen. Ich hätte zehntausend andere Antworten geben können, aber ich musste die wählen, die sie vollkommen auf die Palme brachte.

„Du hässliche Made“, keifte sie so gezischt und leise, als auch schon ihre Hand mit dem polierten, langen Nägeln flog und mir das Gesicht herum riss. Während ich einen Schritt zurück taumelte, klingelte die Schulglocke, doch kaum einer ging zurück in das Gebäude. Alles war still geworden und auch die umstehenden Vampire starrten uns still und angespannt an.

„Du scheiß Vampir...“, begann ich und es hörte sich in der kalten Stille so laut an, als hätte ich geschrien. „Kannst du deine Kraft so wenig kontrollieren? Armes Wesen du...“ Langsam hob ich meinen Kopf und nahm die Hand von der Nase, woraufhin gleich etwas Blut floss. Die Vampire um uns zuckten zusammen und einige gingen gleich fort. Menschliches Blut, wie lange sie das wohl nicht mehr so direkt gerochen hatten? Auch La Fleur zuckte zusammen. Wohl wegen des Geruchs, aber auch wegen meines Blickes, der ebenso mörderisch war, wie der eines Vampirs. Sie bewegte sich kein Stück. Erst als die Lehrer kamen und die Schüler in die Räume scheuchten, sowie Ilian und Are, die die Vampire auseinander trieben, kam wieder Leben in die Szenerie. Are führte die versteinerte La Fleur weg und Sophie reichte mir ein Taschentuch.

„Miri? Geht's dir gut? Gott, du hast voll die Kratzer auf der Wange!“ Ich beruhigte mich und schloss die Augen. Nun merkte ich die Kratzer auch, sie brannten ziemlich.

„Geht schon wieder“, näselte ich und hielt mir das Taschentuch vor die blutende Nase.

„Mireille, geht’s dir gut?“ Wohl wegen der Stimme und des Namens sah ich gleich auf. „Da hat sie dich aber richtig erwischt. Komm mit“, Ilian griff nach meiner Hand, die eben noch vor meiner Nase war und an der etwas Blut klebte.

„Wohin?“ Ich war zu überrascht, dass er mich endlich wieder beachtete, dass ich mich keinen Schritt bewegte.

„Wohin wohl... ins Krankenzimmer. Ich kann dich hier nicht so rumlaufen lassen, wo jeder Vampir dieser Schule gerade deine Blutfährte aufgenommen hat.“ Gut, das war logisch, also ließ ich mich mitziehen.

„Sophie, wir sehen uns später“, rief ich ihr noch zu, als wir schon die Tür passierten und die vier Stufen zum Foyer hoch eilten. Es war niemand zu sehen, alle waren in ihren Klassenzimmern und die Vampire, wer weiß wo die waren. Ilian zog mich mit festem Griff nach links zum Lehrerzimmer. Daneben war eine Tür, die nicht als solche auffiel. Der Raum, den sie verbarg, war größer als es von außen den Anschein gemacht hatte. Es war wie ein typisches Krankenzimmer, mit einem Bett, einen Schreibtisch, Schränken mit Medikamente und Verbänden, einem Fenster mit Gittern vor und einem Waschbecken. Ilian setzte mich auf dem Bett ab und ich wartete mit dem Taschentuch an meiner Nase. Ich nahm es kurz weg, dann schnaubte ich aus und er sah mich entgeistert an.

„Was machst du da?“

„Meine Nase sauber. Ich habe nicht lange Nasenbluten, das hat schon aufgehört.“ Ilian holte sich den Stuhl ans Bett heran und ließ sich darauf fallen. Er schien sichtlich erschöpft.

„Du machst mich wirklich fertig... Musstest du sie denn auch so reizen?“

„Sie hat doch auch nicht aufgehört...“

„Ahh, Mireille, bitte, du bist ein Mensch. Kannst du dich nicht einmal wie einer verhalten?“ Tadelnd und bittend zugleich sahen mich die grauen Augen an, die diesen schönen hellen, beinahe weißen Ring in der Mitte hatten. Ich musste schlucken.

„Gib doch einfach zu, dass ihr Gerede genervt hat...“ Ich sah weg, er sollte mich nicht so ansehen.

„Ja, gut, es nervt wirklich, aber sie kann nicht viel dafür. Es ist ihre Natur, dass sie den Winter nicht mag. Sieh es ihr nach, bitte“, nun sah ich ihn doch wieder an. Ihre Natur? Ich verstand es nicht, doch mich lenkte etwas anderes ab. Ilian hatte mein Blut an einer Hand und blieb doch vollkommen gelassen.

„Willst du dir nicht mal die Hände waschen? Nicht, dass du auch gleich durchdrehst“, fragte ich

vorsichtig, doch er lächelte nur wie immer.

„Ich habe mich da mehr unter Kontrolle, als andere. Are und ich haben uns von menschlichem Blut distanziert.“

„Aha?“

„Vor mir brauchst du keine Angst haben, oder stört es dich so sehr?“ Wieder sah das Grau mich an.

„Nein, passt schon...“ Doch er lächelte, anders diesmal, nicht so oberflächlich. Was spielte er bitte hier?!

„Lüg nicht. Aber gut“, damit leckte er sich die Hand ab und sah mich dabei an. Ich wurde rot, das gab's doch nicht! Er aber lachte und stand auf, um sich die Hände richtig zu waschen. Danach sagte er wenig. Er holte etwas Watte und Desinfektion heraus. Ich aber hatte ihn lachen gehört. Ein richtiges Lachen und es klang schön.

„Das wird etwas brennen, aber es wird helfen, deinen Geruch zu verdecken.“

„Rieche ich denn so schlecht?“ Ich wusste nicht, wo diese Frage herkam, aber vielleicht, weil La Fleur meinte, ich stinke? Ilian sah mich überrascht an, eh er wohl auch auf diesen Schluss gekommen war.

„Weil La Fleur vorhin meinte, du riechst wie ein Iltis? Nein, dein Geruch ist anders. Sie kennt viele Gerüche und konnte deinen nicht zu ordnen. Vielleicht ist sie deswegen einfach etwas verunsichert.“ , Ich musste lachen. Sie und verunsichert? „Halt still, sonst treff ich zu viel heile Haut und du behältst eine Narbe zurück.“ Ich hielt wieder still, obwohl es wirklich sehr brannte und ich das rechte Auge zusammenkneifen musste, da es so brannte. Diese zwei oberflächlichen Kratzer brannten höllisch. Und dennoch genoss ich es auch irgendwie, aber nicht wegen dem Schmerz. Vielleicht weil er sich endlich mal mir zu wandte?

„Warum ignorierst du mich?“ Nun hielt er inne und sah mich fragend an. „Auf den Fluren, wenn wir aneinander vorbei gehen? Vielleicht stinke ich wirklich so sehr? Aber... Are lächelt wenigstens dann und wann mal“, meinte ich betroffen.

„Miri, das... das hat... letztens da, das war nicht in Ordnung und ich hatte viel zu tun, aber ich habe dich nicht ignoriert. Denkst du, ich habe nicht nachgesehen, ob du dich eingelebt hast. Oder wie du dich mit Sophie angefreundet hast?“ Er machte mich sprachlos und gerade war mir mehr als komisch. Er sah mich direkt an und mir klopfte das Herz so sehr. Just in dem Moment öffnete sich die Tür. Während Ilian sich ruhig umwandte, zuckte ich zusammen und erkannte Are, der frech grinsend eintrat.

„Stör ich“, fragte er mit frechem Blick.

„Nein, wir sind gleich fertig. Geht es den anderen gut?“

„Na, geht so. Die meisten haben sich wieder beruhigt, aber La Fleur nimmt es sich noch zu Herzen. Ich habe sie nach Hause geschickt.“

„Ist vielleicht besser so...“, sinnierte Ilian und tupfte unerwarteter Weise an meiner Wange weiter.

„Au.. ey!“

„Hätte ich dich vorwarnen sollen?“

„Jaaa..“ Da war er wieder, der Ilian, der so glatt war und lächelte. So als käme nichts an ihn heran.

„Du musst hier noch Lüften. Der ganze Raum riecht nach ihrem Blut.“

„Ja gut. So bin fertig. Bringst du sie wieder in die Klasse?“

„Ich glaube, ich finde alleine zurück...“, aber mein Protest wurde übergangen.

„Sicher. Komm mit, nicht, dass dich noch wer anfällt.“ Auch wenn Are grinste, fühlte ich mich beleidigt. Wir verließen den Raum und er brachte mich zu meiner Klasse. Wir schwiegen die Treppe hinauf und auch im Gang. Erst kurz vor der Tür zum Klassenzimmer sprach er mich an. „War da gerade was zwischen dir und ihm?“ Fragend sah ich ihn an, doch sein Blick war ernst.

„Nein, außer dass mir die Wange brennt und ihr übertreibt-“

„Oh, wir übertreiben nicht, glaub mir. Aber er hätte dir schon ein Pflaster drauf machen können“, fiel er mir ins Wort und besah sich meine Wange genauer.

„Wie ihr meint, aber da war nichts. Er ist wie immer am lächeln.“ Dass meine Worte Are nicht sonderlich beruhigten, sah ich ihm an, aber es war mir egal.

„Sei nicht so stur. Mir gefällt es ebenso wenig wie ihm, dass sie dir weh getan hat. Sei froh, dass dein Kiefer nicht zu Bruch ging“, meinte er sanfter und streichelte über die Kratzer, dass ich eine Gänsehaut bekam. Ich wollte nicht der Spielball der Zwillinge sein. Sie machten alles irgendwie kompliziert... Dazu dieser Blick!

Are aber dachte an seinen Zwilling und dessen Reaktion, wie er mich beobachtete und oft seine Sinne nach mir ausgestreckt hatte. Wie er als erster gezuckt hatte, als der Schlag erklungen war und der Geruch von Blut seine Kreise zog. Er machte sich Sorgen, wirklich Sorgen. Doch jede Einzelne behielt er für sich.

Ich ging in den Klassenraum und musste erstmal Rede und Antwort stehen, während in dem Krankenzimmer immer noch ein Vampir stand, der seine Hand betrachtete. Auch wenn man nichts mehr sah, er fühlte und roch das Blut noch, roch jede Nuance und ballte dann seine Finger zur Faust. Ernst blickte er drein, ja... er müsste noch mehr auf diesen Verräter achten.

Ich unterschätze Vampire

Ich unterschätze Vampire. Das hätte ich von mir nicht gedacht, aber andererseits war es für mich seit knapp einen Jahrtausend das erste Mal, dass ich mit Vampiren so viel und so lange zu tun hatte. Das letzte Mal war mit Aziz, von dem ich wirklich gerne wüsste, wo er hin ist. Gerade jetzt könnte ich seinen Rat gut gebrauchen. Doch eh ich mich in alten Erinnerungen verlor, hatte ich genug Probleme in der Gegenwart.
 

La Fleur habe ich die letzte Woche vor den Weihnachtsferien nicht mehr gesehen. Es störte mich nicht und Sorgen machte ich mir deswegen auch keine. Im Gegensatz zu den Zwillingen. Selbst Are verhielt sich nun sehr reserviert, von Ilian ganz zu schweigen! Ich verstand ihn auch nicht. Einerseits sagte er, er würde mich beobachten und so über mich wachen, andererseits hatte er sich im Krankenzimmer seltsam benommen. Ich hatte ihn lächeln sehen, echte Emotionen gesehen und nicht nur dieses aufgesetzte allerwelts Lächeln. Sophie aber hinderte mich daran, alles zu zerdenken und ebenso griesgrämig wie die Vampire zu werden. Ja, das hatte sie wirklich gesagt und ich musste so lachen. Ich war froh sie zu haben, sie hielt mich dazu an, Mensch zu sein.

Am letzten Schultag gingen wir gleich nach der Schule in ein nahes Café in der kleinen Einkaufspassage, welches nur noch diese Woche auf hatte, eh es für den Winter ganz schloss. Wir tranken eine der leckeren, puddingartigen, heißen Schokoladen und redeten über das, was uns in den Feiertagen bevorstehen würde. Während bei Sophie allerhand an Verwandtschaft zu Besuch kam, würde ich wohl putzen, versuchen zu kochen oder einfach die Zeit vertrödeln. Wir beneideten einander und lachten gleich wieder los. Dann ging Sophie auf Toilette und ich wartete. Entspannt ließ ich meinen Blick schweifen und sah hier und da Familien mit kleinen Kindern sitzen oder Freunde, die ebenso lachten. Nur an einem Tisch saßen zwei Gestalten, die wenig entspannt aussahen. Eher als wären sie gerade noch im tiefsten Arbeitsstress.

„Hast du sie gefunden?“ Ich lauschte und hatte dabei den Blick auf meine halb leere Schokolade gerichtet.

„Wir konnten beide ausmachen. Die Informationen dieser Kröte waren wohl richtig.“

„Gut, beide, Jake und Alex, sind wichtig für ihn. Einer von ihnen ist ein Alter“, sprach der mit der helleren Stimme.

„Das wird nicht leicht. Wie sollen wir das machen“, fragte der mit der tieferen Stimme, der scheinbar fürs Grobe war.

„Stimmt, aber wir haben ja ein Druckmittel. Diese Kleine, die uns da in die Arme gelaufen ist, wird ihnen schon nicht unwichtig sein. So wie sie von Jake redet.“ Ich bekam eine Gänsehaut. Das war ja wie in einem schlechten Krimi...

„Meinst du, für mich hat dieses Gör einfach zu dick aufgetragen... und ihr Gestank“, ich konnte das Wedeln seiner Hand hören und starrte mit großen Augen auf den Tisch. Gestank? Warum beschlich mich der Gedanke, dass es sich bei der Göre um La Fleur handelte? Nein, sie war ein Vampir und konnte sich verteidigen. Oder waren diese Schläger da auch...

„Miri alles ok? Du bist so blass?“ Sophie war schon wieder zurückgekommen und riss mich aus meinen Gedanken. Schnell versuchte ich mich zu ordnen und tischte ihr das Erstbeste auf, dass mir einfiel.

„Nein, schon gut, ich glaub, ich bekomm einfach meine Tage... Mir tut der Bauch etwas weh“, irgendwie zog das immer.

„Ach so. Na dann bring ich dich heim“, lächelte sie und ging bezahlen. Ich aber schluckte schwer und stand auf, zog mir meine Jacke an und sah mich dabei wie zufällig um. Der Tisch war leer. Beinahe panisch sah ich in die andere Richtung und gerade als ich mich umdrehte, streifte mich einer der beiden Männer. Ich machte einen Ausfallschritt zurück. „Ey!“ Der Typ sah mich an, lächelte und entschuldigte sich. Dann gingen sie bezahlen, gerade als Sophie zurück kam. Mir aber wurde schlecht. Was machte ich nun? La Fleur konnte ich nicht leiden, aber das Gespräch klang alles andere als gut und eben hatte ich neben verschiedenen Blutgerüchen auch den des blumigen Parfüms von ihr gerochen.

„Miri komm. Lass uns gehen.“

„Du, Sophie? Wenn du wüsstest, dass jemand, den du gar nicht leiden kannst, in Schwierigkeiten steckt, was machst du dann da? Hilfst du ihm oder lässt du es einfach vergehen“, fragte ich und war mir wirklich unsicher.

„Wie kommst du darauf? Hm, ich weiß nicht, wenn ich jemanden nicht leiden kann, denk ich mir eigentlich, er hat's verdient, aber...“, sie musterte mich und sicherlich wusste sie nun, dass ich keine Bauchschmerzen wegen fraulicher Probleme hatte. „Du bist anders als ich, Miri. Ich denke, du machst dir auch um die Sorgen, die du nicht magst, dazu bist du einfach ein viel zu lieber Mensch. Ist es das, was dich so nervös macht?“ Ich nickte nur und knöpfte meine Jacke zu, während ich auch den Schritten der Männer lauschte, die gerade das Lokal verließen. „Dann geh hin. Hilf der Person. Ich will nämlich nicht, dass du dir deswegen später Vorwürfe machst“, sie lächelte und drückte mich zum Abschied. „Viel Erfolg und melde dich zu Weihnachten.“

„Sophie...“, sie drehte sich noch mal um und ich drückte sie. „Danke dir.“ Damit machte ich mich auf den Weg aus dem Lokal und an die Verfolgung dieser Typen. Sophie aber sah sich um und seufzte.

„Ach dieses Mädel! Gut, dann nehme ich deine Schultasche mit.“
 

Was tat ich hier eigentlich? Ich war immer noch in meinen menschlichen Klamotten unterwegs. Viel konnte ich nicht ausrichten, ohne mich zu verraten oder ich schaltete jeden aus, der mich irgendwie gesehen hatte. Aber was machte ich dann mit La Fleur?

Die beiden Männer gingen die Einkaufspassage entlang, bis sie in die kleine Seitenstraße, die zum Kino führte, abbogen. Ich bog mit ihnen ab und wäre beinahe in sie gelaufen. Erschrocken sah ich beide an und wich meckernd zur Seite aus. Dann ging ich weiter zum Kino hin, dass zum Glück schon auf hatte. Ich öffnete die Tür und ging rein. Dann sah ich vorsichtig hinaus und sah noch, wie die beiden Kerle gerade die kleine Kreuzung überquerten. Unauffällig waren sie ja nicht gerade... Beide trugen einen Anzug und sahen aus wie irgendwelche Bodyguards einer wichtigen Persönlichkeit. Doch hier in der Provinz? Ich schlich mich aus dem Kino, hatte eine Cola und einen Prospekt in der Hand und ging ihnen weiter nach. Sie gingen über die kleine Brücke. Gerade aus lag eine Grundschule, rechts davon ein Spielplatz mit Fußballtoren, links davon führte eine weitere kleine Brücke über denselben kleinen Fluss. Von da aus kam man zum zweiten Haus des Gymnasiums. Doch davor stand eine kleine Turnhalle, an deren Hinterseite noch ein Oldtimermuseum seinen Sitz hatte. Ich bog kurz hinter der ersten Brücke nach links ab und setzte mich auf den Rasen, von wo aus ich die Gegend gut im Blick hatte.

Die beiden Typen gingen über die zweite Brücke, dann geradeaus und bogen in die kleine Turnhalle ab. Ich stand auf und ging denselben Weg, wobei ich gleich nach der Brücke links auf einen kleinen Sandweg abbog, der um die beiden Hallengebäude herumführte. Wie kam ich da jetzt rein? Es war noch heller Tag und da konnte ich nicht einfach über das Dach... Eher ungewollt sah ich nach oben und erkannte eine Person, die eben jenes versuchte. Der Junge schlich sich an und ich hatte keine Zweifel, dass es ein Vampir sein würde. Doch welcher? War es denn wirklich so, dass man nur noch in Clans oder Verbünden kämpfte und einem die Einheit total egal war? Dabei hatte mir Aziz... warte, was hatte Aziz mir dazu gesagt? Warum ist es so verschwommen? Gerade wusste ich es doch noch. Stärker versuchte ich mich zu erinnern und kniff sogar die Augen zu. Ich sah ihn, er stand vor mir, doch ab seiner Brust schien es, als läge er im Schatten verborgen. Er redete mit mir, seine Stimme(,) war verzehrt, dass ich die Worte nicht richtig verstehen konnte. Es strengte mich an, also ließ ich es sein und öffnete die Augen. Schwerer atmete ich und sagte mir, dass das jetzt nicht wichtig war. La Fleur brauchte jetzt mehr meine Hilfe.

Wieder sah ich mich um und fand an der Rückseite eine kleine Treppe, die zu einer fest verschlossenen Eisentür führte. Ich schlich über den mannshohen Zaun und dann weiter zur Tür. Sie hatte ein Eisenschloss dran. Kurz sah ich mich um, doch niemand war in der Nähe. Ich konzentrierte mich und aus meinen Zeige- und Mittelfinger kam ein glühend roter Faden. Er schmolz das bisschen Eisen auseinander, sodass ich das Schloss abmachen konnte und neben mir auf den Boden legte. Vorsichtig öffnete ich die Tür und sah, wie die kleine Grundschulturnhalle mit irgendwelchen Kisten vollgestellt war. Zu meinem Glück befand sich direkt vor diesem Hintereingang ein riesiger Haufen von gestapelten Kisten, hinter dem ich mich schnell versteckte. Meine Augen gewöhnten sich schnell an das Dämmerlicht der Halle und meine Ohren hörten das erste Fluchen.

„Die scheinen sich nicht für dich zu interessieren“, sagte eine dunklere Stimme.

„Ach, lass die doch. Wir haben unseren Auftrag und der wird bald erfüllt sein“, meinte die hellere Stimme von vorhin. Scheinbar waren es wirklich nur zwei, so schlich ich mich weiter vor und wich gleich wieder zurück. Es waren mehr als einer. Verdammt! Vorsichtig kletterte ich auf den Turm und spähte die Wachen aus. Es waren fünf. Alle so muskelbepackt wie die anderen beiden und in einem Anzug. Dazu noch eine Waffe oder einen Schläger bei sich tragend. Na toll.

„Sie werden aber nicht kommen!“ Diese Stimme ließ mich aufhorchen. Es war La Fleur.

„Sagt die Stinkmorchel? Was lässt dich glauben, dass sie nicht kommen“, fragte die hellere Stimme.

„Beide sind schlau. Nur weil ihr ihre sterblichen Namen wisst, kommen sie nicht angelaufen!“

„Vielleicht hast du Recht, das wäre wohl nicht Anreiz genug. Aber du, eine ihrer Untergebenen-“

„Ich bin niemanden unterstellt“, fauchte sie nun.

„Ja, ja, ihr mit eurer halblauen Politik. Ramon lacht jedes Mal drüber. Wisst ihr eigentlich, wie widerwärtig es ist, was ihr macht? Freunde mit den Menschen sein? Sowas von geheuchelt!“ Sie sagte nichts mehr und ich konzentrierte mich nun erstmal auf die Wachen. Sie musste hier raus. Noch war es Tag, da konnte uns draußen vielleicht jemand helfen. Zumindest hoffte ich, dass diese Schläger keine Menschen in fremden Gebieten angreifen würden. Fünf Wachen... Alle weit auseinander. Würde ich hinter jeden schleichen, brauchte ich ca. eine halbe Minute für alle fünf, da ich immer außen herum musste, um ihnen die Kehle von hinten aufzuschlitzen. Das wäre wohl zu auffällig. La Fleur oder einer der anderen könnte mich sehen. Es würde mich ja nicht stören, aber ich war nicht verkleidet... ach, so ein Dreck! Gut, dann anders. Ich konzentrierte mich auf die beiden, die am weitesten von mir entfernt waren und versuchte ihren Plus zu hören. Ich spürte ihre Wärme und erhöhte sie. Erst nur langsam, sodass beide sich am Kragen fassten und ihn öffneten. Doch ich ließ ihre Temperatur weiter steigen. Sie begannen zu schwitzen und die anderen drei wurden aufmerksam. Zwei gingen zu ihnen hin. Gut, dachte ich, so waren sie auch in meinem Radius. Noch während die beiden Dazugekommenen Hilfe leisten konnten, merkten auch sie, wie ihnen wärmer wurde. Vampire mochten zwar lange leben, was einer Erneuerung unserer Zellen zu verdanken ist, doch der Körper war menschlich und bestand aus denselben Bausteinen. Und Eiweiß gerinnt nun mal ab einer bestimmten Wärme, das ist bei jedem Lebewesen so. Die ersten zwei klappten ab. Ich beeilte mich und brachte so auch die anderen zwei zu Fall. Schnell versteckte ich mich und war ganz außer Atem. Viel zu lange habe ich meine Kräfte nicht mehr eingesetzt oder jemanden getötet. Wobei die Nutzung meiner Kräfte mich eher erstaunte, als dass ich vier Männer hops genommen hatte. Jeder Vampir war ein Killer. Das lag uns einfach in den Genen. Ich schluckte schwer und krabbelte so leise ich konnte von dem Kistenhaufen herunter. Dann schlich ich mich an die letzte Wache, die den Befehl bekommen hatte, stehen zu bleiben, während der mit der dunklen Stimme nachsehen sollte.

„Scheinbar ist doch jemand gekommen, um dir zu helfen.“ Ich brachte die Wache mit einem gezielten Schnitt zum Schweigen und zerrte sie hinter eine Kiste.

„Nein... das.. das würde sie nicht riskieren!“ La Fleur schien aufgelöst zu sein und schrie den anderen an. Es knallte und ich wusste, dass man ihr eine Ohrfeige gegeben hatte. Ich schlich mich hinter eine andere Kiste und war nun schon richtig nah, doch weiter konnte ich nicht, ohne mich zu verraten.

„Ey, Kalle! Was ist nun?“

„Sie sind tot. Alle vier. Scheint, als hätten sie einen Hitzschlag oder so bekommen“, rief Kalle mit der dunklen Stimme zurück.

„Hmm... Das ist ja interessant. Habt ihr nicht den Alten der Erde? Wie kommt dann jemand mit Hitzefähigkeiten zu euch?“ Er beugte sich vor und nahm La Fleurs Gesicht grob in seine Hand. Sie war verletzt und hatte einige blaue Flecken an den Armen, ein blaues Auge und eine aufgeplatzte Lippe. Zimperlich waren die ja nicht. Nicht mal einer Frau gegenüber. „Sprich!“

„Was weiß ich! Der gehört sicher nicht zu uns! Bestimmt ist noch jemand hier, um euch daran zu hindern, euer Ziel zu erreichen“, sie grinste ihn gehässig an und selbst ich dachte mir, dass es wohl dumm gewesen war. Ähnlich wie sie vor ein paar Tagen bei unserem Streit, rastete der Vampir aus und schlug sie so hart mit seinem Handrücken, dass sie mindestens drei Meter auf mich zu geflogen kam. Samt dem Stuhl, an den sie gefesselt war.

Dann passierte wieder viel zur gleichen Zeit. An den Fenstern, die an den langen Seiten der Turnhalle direkt unterm Dach angebracht waren, waren huschende Schatten zu sehen.

„Ey Kalle, wir bekommen Besuch. Lass die liegen und komm her.“

„Die trauen sich doch eh nicht(,) hier rein-“ Genau in dem Moment krachten drei Fenster gleichzeitig und unzählige Scherben fielen zu Boden. Aus jedem kam ein Schatten herein gehuscht und ich nutzte die Unaufmerksamkeit der beiden Schläger, um La Fleur die Fesseln durch zu schneiden. Verwirrt sah sie sich um und wurde direkt kreidebleich, als sie mich erkannte.

„Was machst du denn hier“, zischte sie mich an.

„Dir helfen, also komm.“

„Du bist ein Mensch, weißt du nicht, in was für Gefahren zu dich gerade gebracht hast?“

„Willst du mir hier Vorträge halten oder wollen wir schnell abhauen?“ Sie sah sich um und auch wenn die beiden Schläger zu tun hatten, so sah einer doch zu uns und brüllte uns wutentbrannt an. Sein nächster Schlag war so heftig, dass es den Angreifer bis ans andere Hallenende schleuderte.

„Wir gehen“, sagte sie kurz und griff meine Hand. Schnell rannten wir los, doch vor der Tür stand uns der Schläger mit der hellen Stimme im Weg.

„Wohin des Weges? Die Party ist noch nicht zu Ende!“ Er knackte seine Finger, als er von den Beinen geholt wurde und ein weiterer Vampir sich vor uns stellte.

„Lady's schlägt man nicht“, sagte er grinsend und ich erkannte, dass es der Junge vom Dach war. Hatte er gewartet? War ich etwa in eine geplante Operation geplatzt? Er drehte sich um und mir stockte der Atem. Die kurzen verfranzten Haare, der Schnitt des Gesichtes...

„Lear“, flüsterte ich so leise, dass es wohl keiner für voll nahm.

„Irias! Was soll das hier?“

„Denkst du, der Chef lässt dich hier verprügeln?“

„Aber ich...“, La Fleur stotterte und zog die Augenbrauen entschuldigend hoch.

„Ihr kleinen Scheißer! Was denkt ihr, mit wem ihr euch anlegt“, mischte sich der Schläger wieder ein.

„Nun verschwindet“, forderte uns Irias auf und es war La Fleur, die meine Hand fest ergriff und ich wurde mitgezogen. Schnell flohen wir aus der Tür und blieben doch abrupt stehen, als uns draußen noch mehr Wachen erwarteten. Menschen schienen hier keine zu sein. La Fleur fluchte und wirbelte kurz mit ihrer freien Hand, sodass vom Gras ein bläulicher Nebel aufstieg. Als die Wachen diesen einatmeten, wurden sie für kurz benommen. Ich hielt mir nur die Nase zu.

„Was ist das?“

„Betäubungsgas. Es hält nicht lange vor, also komm“, drängte sie und nahm mich nun auf den Arm. Sie sprang in einem Satz über alle Wachen und landete auf dem kleinen Sandweg, auf dem ich vorhin auch schon war. Dann sprang sie den Abhang hinunter und landete mit den Füßen im Fluss. Das Wasser reichte ihr, dank des niedrigen Standes nur bis zu den Waden. Wir versteckten uns unter der Brücke, die von der Grundschule zur Turnhalle führte und sie drückte mich fest gegen den harten Stein, der mit allerlei schlechtem Graffiti beschmiert war.

„Das ist nicht gerade weit weg...“, merkte ich an, doch La Fleur saß neben mir, kreidebleich und außer Atem.

„Alleine würde ich es auch weiter schaffen, aber die haben mich zu sehr (d)ran genommen, dass ich dich mitnehmen kann.“ Sie tat mir leid. All die blauen Flecken entstellten sie nur etwas und das war wiederum faszinierend.

„Kann ich was tun, damit du auch kämpfen kannst?“ Sie sah mich an, wollte etwas sagen, sicher eine Beleidigung, aber sie schloss den Mund wieder. Schwer schluckend sah sie mich an, ihre Augen huschten zu meinem Hals und dann sah sie weg.

„Nein“, lehnte sie kurz ab, doch ich hatte verstanden. Sicher war sie schon einige Tage gefangen gewesen. Es erklärte so vieles. Die Anspannung der Zwillinge, ihr Fehlen und auch die nur etwas verheilten Verletzungen. Ohne weiter drüber nach zu denken, öffnete ich meine Jacke, nahm den Schal ab und präsentierte meinen Hals.

„Wenn es dir dann besser geht, trink ruhig. Aber lass mich am leben“, ich lächelte und sie sah mich skeptisch an.

„Bist du sicher?“

„Du tust mir nicht weh“, sagte ich, sie aber schluckte und kam näher. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und hielt die Jacke zurück. Es fühlte sich komisch und vertraut an. Als hätte ich das schon mal erlebt. Wie ein Déjà-vu. Sie hauchte noch ein Danke und dann spürte ich das Zwicken und das feine Knacken, das immer zu hören war, wenn Fangzähne Haut durchschlugen. Es brannte etwas und der Zug war kräftig. Sie trank. Drei Schluck, vier, fünf, mir wurde schwindlig, sechs, sieben... ich schob sie weg und sah sie aus müden Augen an.

„Entschuldige“, keuchte sie und leckte sich ihre Lippen sauber. Ihre Augen leuchteten wieder und als ihr bewusst wurde, was sie gerade getan hatte, sah sie mich erschrocken und verzeihend an. „Oh Gott, das war zu viel. Tut mir wirklich leid, ich habe so lange nicht mehr von Menschen getrunken... Ich wusste das Maß nicht-“

„Schon gut“, lächelte ich und legte mir den Schal wieder um den Hals, dass er gleich verdeckte, was eben geschehen war. Mir war etwas schlecht, aber ich glaube nicht, dass es daran lag, dass sie sieben Schluck getrunken hatte. Ich meinte mich zu erinnern, dass ich noch mehr hätte geben können, aber etwas war komisch... „Nun geh schon und trete ihm von mir mit in den Arsch.“ Sie wartete noch kurz, dann nickte sie und stellte sich mit neuer Kraft hin.

„Warte kurz hier, ich bring dich dann heim.“ Ich lächelte nur und sie verschwand. Natürlich wartete ich nicht. Ich musste nach Hause, dringend. Mir war schlecht geworden, dabei sollte das Fehlen von so wenig Blut nicht das Problem darstellen. Doch der Weg nach Hause kostete mich den Rest meiner Kraft und er kam mir so lang vor. Ich nahm auch nichts mehr von den Aufständen um mich herum wahr, von dem Gerede der Leute über die wahnsinnigen Vampire und dass man doch die Polizei rufen sollte, oder besser gleich die Armee! Nein, ich schleppte mich heim, die Treppen hoch, schloss meine Tür auf, wieder zu und legte noch gerade so den Mantel und die Schuhe ab, eh ich auf meiner Couch zusammenbrach und in einen äußerst unruhigen Schlaf fiel...
 

»Wald war um mich herum. Grüner, wohl duftender Wald. Der Gesang von Vögeln lag in der Luft, der Geruch von Moos, Erde und Feuchtigkeit, und vereinzelte Sonnenstrahlen durchbrachen das dichte Blätterdach, beschienen den Farn, der sich zu einem Meer auf dem Waldboden ausbreitete. Es war wunderschön und ich mittendrin. Dann bemerkte ich die Waffe in meiner Hand und ich sah das Ziel vor mir. Ein Reh und ich sollte es mit einem Pfeil erlegen. Ich legte an und zielte, dann ließ ich den Pfeil fliegen und traf den Baum neben dem Reh. Das Tier erschreckte sich und rannte davon.

„Mireille! Du solltest es doch erlegen, nicht verscheuchen!“ Ich drehte mich um und lächelte unschuldig.

„Wozu habe ich dich?“ Aziz kam auf mich zu und tadelte mich. Er sah aus wie immer. Braungebrannt mit diesen undurchsichtigen dunklen Augen. „Warum soll ich das lernen?“

„Es ist immer besser so was zu können. Wenn ich mal nicht an deiner Seite bin, musst du dich auch verpflegen können!“ Er stand dicht vor mir, dass ich hoch sehen musste.

„Ich glaube nicht, dass du mich alleine lässt. Du hast mein Dorf zerstört und alle sind tot. Und ich weiß nicht, was es ist, aber du wirst bei mir bleiben“, sagte ich selbstbewusst und ärgerte ihn damit, was er mir vor gut einem Monat gezeigt hatte. Mein Dorf war zerstört und ausgebrannt. Alle, die ich fand, waren tot, verbrannt, verstümmelt oder verschleppt worden. Zumindest dachte ich das von denen, die ich nicht fand. Meinen Vater begrub ich neben meiner Mutter und nahm mit, was ich noch gebrauchen könnte. Lear fand ich nicht, doch ich hoffte, dass er überlebt hatte. Ich stellte es mir einfach vor und wünschte ihm alles Gute. Ich selbst blieb bei Aziz, der mir nur das erzählte, was ich eh schon gesehen hatte. Mein Dorf war zerstört und alle tot. Mehr sagte er nicht. Ich war böse mit ihm gewesen und doch machte ich ihm nach ein paar Tagen schon keine Vorwürfe mehr. Dennoch mochte ich es, ihm das vorzuhalten. Einfach wegen dem, was er dann immer tat. So auch diesmal.

„Miri, bitte“, sagte er immer und sah mich flehend an, „ich kann dir nicht sagen, was passiert ist, noch nicht“, damit nahm er jedes Mal mein Gesicht in seine Hände und mir schlug gleich das Herz schneller. „Und sieh mich nicht so an“, flüsterte er.

„Wie denn“, lächelte ich und trat einen Schritt näher.

„Du weißt wie...“, wiederholte er und wir überbrückten die letzten Zentimeter. Unsere Lippen berührten sich und ich schlang meine Arme um seinen Nacken. Der Kuss entfachte sich von selbst und er zog mich dichter an sich heran. Wie jedes Mal küsste wir einander, stürmisch zu Anfang und wurden immer sanfter, je länger der Kuss dauerte. Ich gestehe, ich liebe ihn. Das hab ich schon vor einer ganzen Weile bemerkt und ich merke auch, wie er mich ansieht. Irgendwas bedeute ich ihm, nur was? Er sagte es mir einfach nicht... Aziz drehte uns etwas und ich spürte die Borke eines der Birkenstämme in meinem Rücken. Ich wollte schon lange mehr, doch immer endete es gleich. Aziz löste langsam den Kuss und begann damit meinen Kiefer zu liebkosen. Er wanderte zum meinem Ohr, dann zu meinem Hals, wo er über die Haut leckte und dann war es zu Ende.

„Miri nein“, sagte er wie immer.

„Warum nicht? Was hält dich davon ab?“

„Es geht nicht. Ich weiß nicht, ob ich dir nicht doch weh tue, du bist schließlich ein Mensch.“ Ich verdrehte innerlich die Augen...

„Dann mach, dass ich keiner mehr bin!“ Ich hatte ihn schon so oft angefleht, mich zu verwandeln. Ich wollte schließlich bei ihm bleiben und nicht irgendwann sterben.

„Vampire sterben auch und wir führen ein weniger schönes Leben, als du denkst.“

„Das ist mir egal. Yunes“, flehte ich und ich spürte, dass er bei diesem Namen eine Gänsehaut bekam. „Ich will aber bei dir bleiben und dir nah sein. Du weißt, ich liebe di-“

„Sag es bitte nicht“, unterbrach er mich mit leidendem Blick.

„Ich liebe-“, so leicht gab ich nicht auf, doch er auch nicht.

„Miri bitte!“

„Nein! Yunes! Ich -“ Diesmal wartete er gar nicht lange und küsste mich. Ich genoss den Kuss und ließ ihn diese Runde gewinnen.

„Bitte, Miri“, seine Augen waren dunkel und doch glänzten sie. Ich war hin und weg, und doch seufzte ich.

„Gut, dann beiß mich.“

„Was? Nein!“

„Aziz bitte! Tu es für mich! Bitte.“ Er zögerte und ich sah ihm an, dass er wirklich überlegte, ob ja oder nein. So nahm ich sein Gesicht in meine Hände und küsste ihm sanft die Lippen. „Keine Angst. Du tust mir nicht weh“, flüsterte ich und drückte seinen Kopf zu meinem Hals herunter. Er zögerte noch, doch dann nahm er mich in den Arm, kurz nur, dann legten seine warmen Hände sich auf meine Schulter und an meinen Kiefer.

„Entschuldige“, flüsterte er nur und versenkte seine Fangzähne in der Nähe meiner Halsschlagader. Ich kniff die Augen zusammen. Es brannte so sehr, als hätte ich ein glühendes Eisen auf meiner Haut. Dann kam der erste Zug und mir wurden die Beine weich. Ich dachte nur, dass ich ihn liebe, gerade noch mehr als ich eben noch tat. Es war gefährlich, erotisch irgendwie und ließ meinen Körper erzittern. Ich zählte jeden Schluck mit. Zwanzig, Einundzwanzig... Meine Finger wurden kalt. Zweiundzwanzig... Ich drückte ihn weg. Schwer atmend und mit müdem Blick. Er aber wirkte wach, agil, hungrig und wie auf der Jagd.

„Es tut mir leid“, flüsterte er, doch ich küsste ihm die von meinem Blut beschmierten Lippen. Ich schmeckte Eisen und Blut, es war seltsam.

„Alles gut...“ brachte ich raus, eh alles dunkel wurde.

Die Umgebung veränderte sich und ich erwachte irgendwann später in dem Bett der alten Burg. Neben mir lag Aziz und zwar nackt. Ebenso war ich es. Er hatte einen schönen Körper und einige Liebesflecken von mir. Wir hatten es getan. Letzte Nacht das erste Mal und es war himmlisch gewesen. Mir tat zwar etwas der Rücken weg, doch das verflog, als ich aufstand und mich nackt, wie ich war, vor den leicht angelaufenen Spiegel stellte. Ich war von Malen übersät, doch mich interessierten zwei Punkte an meinem Hals. Dort hatte er mich gebissen. Zum zweiten Mal gestern. Die Punkte waren mit Schorf bedeckt, die Ränder gerötet und ein leichter blauer Fleck zeichnete sich langsam ab. Wohl der Rest, der zurück ins Gewebe gelaufen war. Doch mich störte es nicht. Ich fühlte mich schön damit. Es war viel mehr eine Liebeserklärung von Aziz, ebenso wie der Beischlaf letzte Nacht.

Arme umfingen mich, hielten mich und ich sah zu, wie Aziz mir eben jene Stelle zärtlich küsste.

„Es ist noch früh, komm zurück ins Bett.“ Ich lächelte und streckte meinen Hals.

„Habe ich dich endlich überzeugt?“

„Ich gestehe, ich empfinde viel zu viel für dich“, sagte er meine Bisswunde küssend, „aber dennoch wird trainiert.“ Ich stöhnte.

„Man... warum?“

„Gerade weil wir jetzt verwundbarer sind, als je zu vor, Mireille. Und glaub mir“, er sah mich über den Spiegel durchdringend an und ich bekam eine Gänsehaut. „Das Training wird härter. Du wirst töten können müssen und als Belohnung...“, er grinste, als er meinen Hals küsste und ich lachte nur. „Und vielleicht mache ich dich zu meiner Gefährtin.“ Mit großen Augen sah ich ihn an und wieder schwamm die Szene. Diesmal wurde alles Schwarz und blieb auch Schwarz.<<



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Von:  Eisprinz
2015-03-11T18:04:13+00:00 11.03.2015 19:04
Tja ja, eine gute Planung ist das A und O, um als Vampir zu überleben, aber eine Kleinstadt, also, eine wirklich kleine Stadt als nächsten Wohnort auszuwählen ist ziemlich mutig. Da kennt doch jeder jeden! Oh Miri, sei bloß wachsam, aber vergiss ja nicht, Freunde zu finden XD
Ilian... ich meine Are ist ja schon ein hübscher Bub. Besonders die Augen! Grau und zur Mitte hin heller werdend? Oh, ja, wirklich hübsch. Nur der erste Eindruck ist etwas... naja. Vorlaut ist er, ne? Vorlaut und ehm... ach, mir fällt das Wort gerade nicht ein. Wenn ichs finde, sag ich Bescheid. So, weiter im Text-
Der ist ja wirklich dreist! Bengel ey! So was ungehobeltes, freches, hochnäsiges! Bei so jemand einfachem wie Miri reicht ein banaler Name! Tss -.- Der verspielt die Punkte, die ihm seine unglaublich hübschen Augen eingebracht haben aber in Windeseile!
Ilian ist einem doch gleich sympathischer! Nicht so motzig und dreist, sondern netter. Ach ja, ein kleiner Charmeur und dann der Hint mit dem kleinen elektrischen Schlag bei sowas banalem wie Händeschütteln? XD Ehrlich? *lalala* Ich denk mir meinen Teil *thihi*
Es ist aber irgendwie klar, dass die kleinen frechen Jungs bei den Mädchen immer irgendwie gut ankommen. Ich kanns verstehen ^^" Naja, Ilian ist wahrscheinlich ein zu netter, aber dennoch charismatischer Bub, während sein Brüderchen mit seiner Art dich anzulächeln und zugleich mit einem Blick runterzuputzen, die Mädels einfach fesselt. Du verstehst mich, ne? XD
Und denn diese Brechbohnen, ehm... ich meine Mädchen mit sehr schmaler Statur, hübschem Gesicht und naiver Sichtweise, die bei den Jungs immer gut ankommen, weil sie schön anzusehen sind, aber einfach zu wenig Charakter haben? Ah, sorry, das war zu böse ausgedrückt! Ich kenn ja La Fleur noch gar nicht >_<
Miri scheint aber ganz schön Eindruck zu hinterlassen XD Aber sie mag Motorräder! Hallo! Sie mag MO-TOR-RÄ-DER! Ich mag sie gleich ein bisschen mehr *hihi*
Das die Zwillinge aber so einen Charme haben, kann ich mir vorstellen. In einer kleine, wirklich sehr kleinen Kleinstadt fallen Zwilling halt auf, besonders wenn es solche Charmebolzen sind! Na gut, weiter!
Man kommt um die beiden Jungs einfach nicht herum XD Da sind sie schon wieder und Are ist sicherlich nur dabei, weil er nicht allein heim gehen mag XD Der wird sich ja schwer hüten, sein liebstes Miri mit neuen Neckereien zu nerven *lalala* Am schönsten aber sind die brüderlichen Sticheleien! Erinnert mich so an ein anderes Zwillingspaar *thihi*
(mal von der Schule ganz zu schweigen!)
Bitte? Pilotprojekt für mehr Solidarität zwischen Mensch und Vampir? Gibts dann Bluttabletten und so, damit die armen, menschlichen Schülerchen nicht von den bösen Blutsaugern angegriffen werden? *g* Naja, es erklärt zumindest das Verhalten der beiden Zwillinge und lässt durchaus noch offen, ob sie auch zu den nachtaktiven Geschöpfen gehören ^^ Obwohl ich es fast vermuten würde, aber das ist ja dann wieder total klischeehaft! Also, Mausel, schreib brav weiter, damit ich endlich meine Antworten bekomme:
1. Was sind Are und Ilian?
2. Was ist mit Aziz passiert?!
3. Für wen wird Miri sich entscheiden? XD
4. Ist keine Frage, nur eine Aussage: SCHREIB WEITER1
Von:  Eisprinz
2014-12-15T17:18:49+00:00 15.12.2014 18:18
Ich liebe die Beschreibung am Anfang. Die Stimmung ist wunderbar gelungen, besonders dadurch, dass du die Sätze so kurz und prägnant hältst. Dann Aziz' Erscheinen, seine Wirkung auf die Menge und auf unsere junge Heldin. Vollkommen unterschiedlich, denn für Miri ist er zwar auch noch immer irgendwo ein Fremder, aber wohl kaum diese Bestie, wie sie vom Priester gepredigt wurde. Aber der alte Knacker ist ohnehin 'ne Nummer für sich. Den hab ich sowieso schon gefressen! Und gerade würde ich ihm am liebsten einen Knüppel auf die Rübe hauen und gut ist! Der ist so dämlich und bescheuert und argh! Lear hingegen ist ein Schatz *hihi* Auch wenn er selbst einfach nur Angst hat, wohl auch wegen dem, was mit Miri ist, bleibt er bei ihr. <3
Gelähmt? Zur Läuterung von innen? Gut, ich mein, ich kann's verstehen. Damals hat man sich gern was aufquatschen lassen, weil das Wissen einfach nicht ausreichte, aber Miri, warum?! Du mochtest diesen Seher doch sowieso schon nicht und dann trinkst du so 'ne bittere Brühe? Mädel, ey!!!
Jetzt Aziz! Holt zum Gegenschlag aus und das auf eine so ruhige Art, dass der Alte hoffentlich hysterisch wird. Aber... Nee, dann würde man Aziz ja noch richtig dumm kommen, von wegen, er hätte selbst den Seher verflucht! Sch*** ey, egal, wie man's dreht, aber so kopfvernebelte Menschen bekommt noch nur noch mit 'nem Schock wach!
Oh Lear! Ich mag den Bub, der ist so herzensgut und lieb *flausch* Mein kleiner Lear :3
Der Satz ist geil 'Seht es ein, dieser geile Bock wollte nur ein legitimes Loch für seine Begierden!' Das würde so perfekt zu Aziz passen, trocken und geringschätzend! Das sagte er doch, oder? XD
Oh nein, Miri! Statt euch zu streiten, hättet ihr ihr doch irgendwie helfen müssen! *an nägeln knabber* Ich glaub's einfach nicht! Ich mein, anders hätte der Sohn vom Bürgermeister zwar nicht das bekommen, was er verdiente, aber dennoch! Mach doch einer was. Die arme Miri!
Und jetzt... Aziz? Aus Aziz' Sicht? OO Wow. Jetzt bin ich gespannt, was der Fremdländer alles so aus seinem Wald heraus beobachtet hat. Welche Abgründe sich auftun werden!? *gebannt weiterles*
Boar, Alta! Warum setzt er dem Greis nicht endlich ein Ende? Dann wäre der ganze Irrsinn vorbei, das Dorf könnte vielleicht aus seiner Trance erwachen und Miri wäre gerettet! Aber nee, Aziz hält sich zurück. Warum?
Na endlich kommt mal Schwung in die Geschichte! Gib's ihm, Aziz! *anfeuer* Einen linken, dann einen rechten Haken und einen Arschtritt obendrein!
Das Dorf erwacht... Aber unter welchen Umständen. Das ist... bäh!
Aber jetzt muss ich doch mal nachfragen. Wenn du schreibst, dass der lähmende Zustand nach Verabreichen des Giftes bis zu drei Tagen anhält, ehe man daran stirbt, sollte einem nicht das Gegengift verabreicht werden... Wie war das dann mit Marlene? Wenn der Bub vom Bürgermeister sie mit dem Kraut gefügig gemacht hat, muss er ihr da nicht das Gegengift gegeben haben? Oder hat die Wirkung nachgelassen und Aziz hat sie dann 'errettet', bevor sie an dem im Körper verbleibenden Toxin elendig gestorben wäre?
Oh... armer Lear. Ich mein, von Aziz' Reaktion bin ich schon etwas geschockt und es gibt alledem einen Dämpfer. Oder anders, er hat zumindest ein paar Minuspunkte gesammelt, aber Lear... Der tut mir wirklich leid. Der Arme vergeht in einer Zuneigung für Miri und dann so ein kaltes, klares 'nein'. Das zerreißt ihn doch! *in taschentuch rotz* Oh, ich hoffe, dass Aziz für diesen Fehler noch 'ne ordentliche Ohrfeige bekommt! Egal, auf welche Art und Weise.
Next? ^^
Antwort von:  mikifou
15.12.2014 18:43
hih freut mich, dass es doch noch so gut angekommen ist^^
marlene wurde von jonas nur geringfügig betäubt ja, aba da sie alles wusste und ihm drohte, hat er sie kurzerhand umgebracht.. ist eine andere geschichte, leider eine tragische, aber sie war heldenhaft ^^
u aziz? ohhh, dazu schweige ich ^^ ebenso wie zu lear^^
Antwort von:  Eisprinz
15.12.2014 18:47
Aber das passt doch dann mit dem Anfang gar nicht. Miri ist doch durch einen Krach wachgeworden und hat noch gesehen, wie Marlene vom Fenster gerissen wurde. Oder bring ich da jetzt was durcheinander? Wie soll Jonas denn das bewerkstelligt haben? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Kerl das geschafft haben soll Oo
Antwort von:  mikifou
20.12.2014 20:36
stimmt, aba cih paar geheimnisse muss ich mir ja noch lassen neXD
Von:  Eisprinz
2014-12-10T13:35:44+00:00 10.12.2014 14:35
Ich bin noch immer schockiert, wie ein Vater seine eigene Tochter tagelang zum Schinken sperren kann! Also wirklich! Dieser alte, verknitterte Kerl!
Aber ich bewundere Miri, dass sie so eisern geblieben ist und Aziz nicht rief. Ich hätte das vermutlich gemacht und sei es nur, um zu schmachten XD
Ach, is' er nicht süß? Der Lear? Erster Eindruck bekommt schon mal ein girlyhaftes Quietschen!
Manchmal ist Miri aber doch durch und durch Mädchen. Das macht sie ziemlich sympathisch. Ein kleiner Bengel getrieben von Abenteuerlust und naiver Neugier und dann wieder ein klassisches Mädchen, mit dem Anspruch hübsch auszusehen und schöne Kleider tragen zu wollen. Eine angenehme Mischung!
Der Übergang an der Stelle mit den Gedanken ist dir echt gut gelungen! Gibt ein großen Daumen hoch!
Und dann... Da, mein AZIZ... *fähnchen schwenk* bah, bei dem Bub bin ich gern Fangirly *pfeif*
Aber ehrlich? Nackt im Bottich und DER Kerl schaut zu? Ich wäre nicht minder schamvoll im Boden versunken und dann diese Atmosphäre. Also ehrlich, wer da nicht schwach wird *schwärm*
Ach man, Lear! Total die Stimmung versaut! Das ist so typisch. Da hängt man vor dem Bildschirm, schmachtend und mit Kissen an die Brust gepresst, weil das so packend ist und dann passiert das. Ja, genau dafür hat man ein Kissen, um es einem Lear um die Ohren zu pfeffern! Bengel ey... -.-
Entfernte Freunde? Die kommen wir eher wie die dicksten Kumpel vor. Ich finde 'entfernt' verfehlt das bei weitem ^^ Allein die Art, wie sie miteinander umgehen, wie sie über ihre Träume sprechend die Zeit vergessen.
Und dann wirds ernst. Die Hochzeit. Hätte Daddy sich mal nen anderen Bräutigam gesucht! Lear zum Beispiel. Der wäre seiner einzigen, noch lebenden Tochter zumindest ein guter Ehemann! Aziz ging auch, wenn der nicht schon mir gehören würde XD
Brrr, jetzt wirds beängstigend. Die Stimmung ist gut, spannend und einnehmend und man kann sich das echt gut vorstellen. Sie hat Angst, denn gerade gerät echt alles aus den Fugen und das aufgrund eines Fremden, der ganz plötzlich in ihr Leben trat und ihr eigentlich so nah schien. Oh man *an fingern knabber* Lear! Der einzige Kerl mit Mumm in den Knochen! Preiset ihn, segnet ihn, denn der Kerl ist gut!!! Aber... Die Angst vor dem Bösen ist einfach stärker. Ihm zumindest kann ich das Zurückweichen nicht verübeln, allen anderen schon! Dass Miri schließlich der Forderung nachgibt *sfz* Was blieb ihr anderes? Familie entehrt, sie dem Tode geweiht, da blieb ihr doch nur noch dieser letzte Hoffnugsschimmer! Aber... kommt Aziz? Natürlich, warum frag ich überhaupt! Der rettet seine 'kleine Lady' und bringt den Dorfbewohnern Manieren bei! Punkt!!!
So, next XD
Antwort von:  mikifou
10.12.2014 14:45
hihi danke danke :3 freut mich dass dir mein stimmung u die charas gefallen^^ u aziz is deiner? Oo soso
Von:  Eisprinz
2014-08-30T10:22:47+00:00 30.08.2014 12:22
Jonas ist ein A****! Brüstet sich mit Taten, die er so nie begangen hat, um vor den Alten gut dazustehen. Lachhaft, lächerlich, total unsympathisch. Aber der war ja auch nicht zum Lieben geboren *grrr* Und dann der Dad. Ich kann ihn ja verstehen, wirklich, aber dennoch sind solche Situationen einfach nur bescheiden. Man darf sich nicht erklären, wird gänzlich missverstanden und dann auch noch dafür bestraft, weltoffener und der Zeit ein Stück voraus zu sein! Ich könnt' ewig so weitermachen *drop* Aber dafür ist dieser wertvolle Platz nicht gedacht.
Geschrieben, wie bisher, gut und auch gut vorstellbar, aber bitte, lass Aziz seine kleine Lady retten! *fleh* Und dann reiten sie gemsinam auf einem Bär oder Wolf in den Vollmond, ja? *_*
So, next ^^
Von:  Eisprinz
2014-08-27T09:49:20+00:00 27.08.2014 11:49
Das ist aber sehr streng in diesem Dorf und bestimmt ist der Dorfseher so ein alter, knattriger Fatzke, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, aber die Angst der Leute vor dem Ungeheuer ausnutzt, um sich zu profilieren!
Das mit Marlene ist schon traurig, aber sie hat offenbar nicht gelitten *sniff* Ich weiß nicht, ob es beabsichtigt war oder nicht, aber dass du dich bei all dem nicht zu sehr im Beschreiben der Gefühle verloren hast, find ich gut. Man bekommt zwar ein gewisses Gefühl vermittelt, hat aber noch genug Spielraum für eigene Empfindungen. Dadurch kann man noch ein Stück besser in diese Geschichte eintauchen! *däumchen hoch* Bei unserer Protagonistin hab ich das Gefühl, dass sie ein sehr rational denkendes, kluges Mädchen ist und nur einen minimalen Funken naiv. Ich find sie sehr sympathisch und das sag ich über weibliche Charaktere nicht sehr oft *ähä*
Aziz könnte mir auch gefallen, sehr offen, aber auf seine Art schon gefährlich. Bleib wachsam, holde Maid!
Oh nein, oh nein! Ein Unwetter! Und dann eine Katastrophe nach der nächsten und schließlich: Der Retter in Schwarz! Aziz! *hihi* Jupp, ich glaub, das wird mir gefallen *weiterles*
Ich bin schockiert! Dieser Bengel, dieser kleine, schmierige Wurm namens Jonas! Suhlt sich im Erfolg des Vaters und stellt armen, unschuldigen Mädchen nach! Ich glaubs nicht *schimpf* Aber Aziz ist auch nicht die Unschuld vom Lande. Ich mein, das war irgendwo schon klar, aber jetzt wird es deutlicher! Dennoch kann ich nicht anders, als ihn mindestens zu mögen!

Mausel, wie gehts weiter? *_*


Von:  Eisprinz
2014-08-27T08:52:44+00:00 27.08.2014 10:52
Ein gelungener, erster Auftakt! Interessant, und irgendwie freu ich mich schon auf die Zwillinge XD Sind doch sicherlich die beiden Süßen, deren Stimmen unserer Protagonistin bekannt vorkamen, oder? Ach, ich les einfach weiter *umblätter*


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