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Das Zepter des Ra

von

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Die Schatten-Chroniken

Das Wochenende, das bevorstand, bescherte Yuugi und Yami die Gelegenheit, sich voll und ganz auf die Übersetzung zu konzentrieren, wegen der Professor Dumbledore den jungen Hikari eigentlich nach Hogwarths gerufen hatte. Und nachdem die Seelenpartner nun wußten, wie wichtig ihre Arbeit für den Schulleiter - und damit vielleicht auch für die Wiederherstellung des Friedens in der Zaubererwelt - war, hatte sich ihr Wille, das Geheimnis der uralten Hieroglyphentexte möglichst rasch zu lösen, noch gesteigert.
 

Daher war es auch kein Wunder, daß sie, einmal mit der Übersetzung begonnen, erst wieder aufgehört hatten, als Yuugi trotz intensiven Kaffeekonsums kaum noch die Augen offen halten konnte. Zu diesem Zeitpunkt war die Nacht schon ziemlich weit fortgeschritten und Yami gelang es schließlich, seine lichte Hälfte dazu zu überreden, sich ein wenig auszuruhen und zu schlafen.
 

Doch schon mit den ersten Strahlen des Sonnenaufgangs waren die Beiden wieder auf den Beinen. Nach ihrem Training am See und einem reichlichen Frühstück ließ sich Yuugi mit einer Tasse seines geliebten starken ägyptischen Kaffees wieder vor seinem Laptop nieder. Seine dunkle Hälfte hatte bei ihm Platz genommen und erneut die erste der Schriftrollen in der Hand, um da weiterzulesen, wo sie aufgehört hatten.
 

Nach einem auffordernden Blick von Yuugi konzentrierte sich Yami auf die Schriftzeichen seiner Muttersprache und fuhr fort, seinem Hikari eine Übersetzung der Hieroglyphen zu liefern, welche der junge Mann in seinen Computer übernahm. Konzentriert arbeiteten die Seelenpartner für den größten Teil des Vormittags, bis sie die erste Schriftrolle schließlich vollständig übersetzt vorliegen hatten. Was sie dabei erfuhren, ließ sie einen erstaunten Blick tauschen, denn obwohl sie den Text noch nicht ins Reine geschrieben hatten, wurde ihnen das, was die Schriftrollen zu beinhalten schienen, immer deutlicher.
 

Es handelte sich dabei um Geschehnisse, welche bis in die Zeit zurückdatierten, in welcher Yami als Pharao in Ägypten geherrscht hatte. Wahrscheinlich sogar noch Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende davor. Was wiederum bedeutete, daß diese uralten Schriftrollen einen noch viel höheren Wert besaßen, als es Professor Dumbledore wußte. Denn vielleicht enthielten sie auch Hinweise auf Yamis Regentschaft - und damit Details aus seinem früheren Leben.
 

Auf der Schriftrolle, deren Übersetzung Yuugi sich gerade mit nachdenklich gerunzelter Stirn ansah, waren Ereignisse verzeichnet, die sich für einen Uneingeweihten wie ein uralter ägyptischer Mythos lesen würden. Ein Mythos vom Anfang der Zeiten und der Entstehung der Welt. Doch Yuugi spürte deutlich, daß es sich hier nicht um einen Mythos handelte - jedenfalls nicht im normalen Sinne. Denn der Text der ersten Schriftrolle gab mehrere Hinweise darauf, daß es sich bei der genannten Welt um das Reich der Schatten handelte.
 

"Bei allen Göttern Ägyptens", murmelte Yami leise, welcher sich den Text über Yuugis Schulter hinweg ebenfalls noch einmal gründlich durchgelesen hatte. "Diese Schriftrollen sind unglaublich bedeutsam, Hikari - doch mehr für uns als für die Zaubererwelt. Ich frage mich, woher Dumbledore-sama sie bekommen hat, denn sie stammen mit Sicherheit aus den geheimen pharaonischen Archiven. Ich erinnere mich, daß zu meiner Zeit die Palastbibliothek Bereiche aufwies, welche nur der königlichen Familie und ihren engsten Vertrauten offenstanden. Dort wurden Berichte von solch hoher Bedeutung aufbewahrt, daß sie nicht jedermann zugänglich werden durften. Und diese Schriftrollen hier gehören eindeutig in diese Kategorie, wenn sie wirklich, wie ich nach unserer Übersetzung annehme", Yami wies mit seiner Hand auf Yuugis Laptop, "über die Entstehung des Reichs der Schatten und seine Macht berichten."
 

"Du hast Recht", meinte Yuugi, während er sich zurücklehnte und die Augen schloß, um sich besser konzentrieren zu können. "Diese Schriftrollen sind bis jetzt der einzige schriftliche Hinweis auf das Schattenreich, welcher uns untergekommen ist. Ich habe mich schon oft gefragt, ob es noch - oder überhaupt jemals - schriftliche Erzählungen über seine Existenz gibt...was sich hiermit geklärt hat. Aber ich würde zu gern wissen, wer diesen Bericht angefertigt hat. Es muß jemand gewesen sein, der tiefgehende Kenntnisse und, wie du sagtest, auch Zugang zu den Geheimarchiven hatte."
 

"Also jemand aus der königlichen Familie oder ein Vertrauter, vielleicht sogar einer der früheren Träger eines Millenniumsgegenstands", führte Yami den Gedanken seiner lichten Seelenhälfte fort. Auf einmal blitzte es verärgert in seinen stolzen karmesinroten Augen auf und er sprang auf, um unruhig durch das Zimmer zu wandern. "Wenn ich mich doch nur an mehr aus meiner Zeit im Alten Ägypten erinnern könnte!", entfuhr es dem ehemaligen Pharao, frustriert über seine lückenhafte Erinnerung an sein vorheriges Leben.
 

Yuugi hatte seine Augen wieder geöffnet und blinzelte, überrascht von dem uncharakteristischen Gefühlsausbruch seiner dunklen Hälfte. Doch dann wurde sein Gesichtsausdruck weich, denn der junge Mann wußte, wie sehr sein Seelenpartner darunter litt, sich an so wenig aus seiner Vergangenheit erinnern zu können. Daher erhob sich Yuugi vom Boden, wo er vor seinem Laptop gesessen hatte und stoppte Yamis unruhiges Herumwandern, indem er zu diesem trat und den ehemaligen Pharao in eine feste, liebevolle Umarmung einschloß.
 

Yamis Frustration wich sofort ein wenig, als er die Wärme spürte, die wie Licht von Yuugi über ihr Seelenband zu ihm floß und ihn in ihren beruhigenden Schein hüllte. Unwillkürlich lehnte er sich näher an seinen Hikari und ließ dessen Liebe ihn umgeben. Es war eine rein instinktive, vertrauensvolle Reaktion des ehemaligen Pharaos, Yuugis Hilfe anzunehmen. Und wenn es nur dabei war, seine Verärgerung über sein lückenhaftes Gedächtnis wieder loszuwerden.
 

"Ich weiß, daß es schwer ist, itoshii", flüsterte Yuugi, nachdem sie schweigend mehrere Minuten einfach dicht aneinandergelehnt dagestanden hatten. "Doch du kannst nicht erwarten, daß deine gesamte Erinnerung auf einmal wieder da ist; du hast sie damals schließlich aus gutem Grund weggeschlossen. Im Laufe der Zeit wird dir alles wieder einfallen; und außerdem wissen wir doch mittlerweile schon eine ganze Menge über deine Zeit als Pharao. Der Rest wird folgen, wenn die Zeit dafür gekommen ist."
 

Yami seufzte tief auf, als er die klugen Worte seines Hikaris vernahm und dessen moralische Unterstützung tief in seiner Seele spüren konnte. Er wußte genau, daß Yuugi ihm nur allzu gern seine Erinnerungen wiedergeben würde, doch der junge Mann war sich bewußt, daß er diese Macht nicht besaß. Daher tat er alles, um Yami dabei zu helfen, die einzelnen Hinweise und plötzlichen Rückblicke, welche diesen manchmal aus heiterem Himmel überfielen, zu einem vollständigen Bild zusammenzufügen. Und Yuugi hatte Recht, denn sie hatten inzwischen schon einige Puzzleteile, die Yamis Leben als Pharao beleuchteten - doch noch lange nicht alle.
 

Mit einem innerlichen Seufzen drehte sich Yami in der Umarmung seiner lichten Hälfte herum und schlang nun selbst seine Arme um Yuugi, um ihn ganz nah an sich heranzuziehen. Dem jungen Mann für einige lange Momente einfach nur in die seelenvollen violetten Augen blickend, welche ihn so voller Liebe und Verständnis betrachteten, fühlte Yami, wie sein Unmut schwand. Statt dessen erfüllte ihn tiefe Zuneigung, Bewunderung und auch Dankbarkeit, daß er eine reine Seele wie die Yuugis in Liebe und Freundschaft an sich hatte binden können.
 

Yuugi spürte Yamis Gefühle deutlich über ihr Seelenband, da seine dunkle Hälfte keine Anstalten machte, sie vor ihm zu verbergen und lächelte weich. Er fühlte oft dieselbe Ehrfurcht, wenn er die Stärke und innere Freundlichkeit in seinem Seelenpartner sah - wie zum Beispiel bei Yamis morgendlichen Gebeten an Ra. Dann schätzte sich der junge Mann stets sehr glücklich, daß Yami solch starke Gefühle für ihn hegte.
 

Mit einem warmen Lächeln überbrückte Yuugi die wenigen Zentimeter und legte seine Lippen zu einem sanften Kuß auf die Yamis. Dessen Arme festigten ihren Halt an seinem Körper und der ehemalige Pharao erwiderte und vertiefte den Kuß, der daraufhin ein wenig leidenschaftlicher wurde, dennoch aber vor allem ihre tiefe Liebe füreinander darlegte.
 

Den Kuß widerwillig beendend, da Luftmangel mit der Zeit wirklich zu einem Problem wurde, zog Yami Yuugi mit sich zu einem Sessel. Er nahm darin Platz und zog seinen Hikari auf seinen Schoß herab, der dieser stummen Aufforderung ohne Zögern folgte und seine Arme um den Hals seiner dunklen Hälfte schlang. Während sie in einem weiteren Kuß versanken, lösten Yuugis Hände die goldene Spange, welche Yamis langes Haar zusammenhielt und der Hikari begann, zärtlich mit den seidigen Strähnen zu spielen.
 

Sein Seelenpartner erschauerte leicht und ließ nun ebenfalls seine Hände wandern, indem er in sanften Bewegungen über Yuugis Rücken strich. Dies entlockte dem Hikari ein gedankliches wohlwollendes Aufseufzen und er schmiegte sich enger an Yami, während er gleichzeitig die Intensität ihres Kusses langsam abschwächte und mit einem zärtlichen Nippen an Yamis Unterlippe beendete. Der ehemalige Pharao lächelte liebevoll auf seinen Hikari hinab, als dieser den Kopf auf seiner Schulter ablegte, die Augen schloß und damit fortfuhr, seine Finger behutsam durch Yamis dreifarbiges Haar gleiten zu lassen.
 

Yami fühlte sich so entspannt und zufrieden in der Gegenwart seines Seelenpartners, daß er seine vorherige Verärgerung über das Fehlen seiner Erinnerungen schon vergessen hatte. Daher traf es ihn auch völlig unvorbereitet, als plötzlich Bilder vor seinem inneren Auge aufzuckten. Die Bilder wechselten so rasch, daß er ihnen kaum zu folgen vermochte, doch der ehemalige Pharao erkannte einen riesigen Raum voller Schriftrollen und erhaschte einen Blick auf eine Person, welche er als seinen Vater identifizierte. Dieser führte ihn auf einen zweiten Mann zu, welcher schon sehr alt war und doch wache, weise Augen besaß. Als die zwei älteren Männer jedoch gerade Anstalten machten, ihn irgendwo hinzuführen, endete Yamis Rückblick ebenso überraschend wie er auch begonnen hatte und blinzelnd kehrte er in die Gegenwart zurück.
 

Und schaute direkt in Yuugis geduldige Augen hinein, der seinen Kopf von Yamis Schulter gehoben hatte, als er die Hände seiner dunklen Hälfte plötzlich auf seinem Rücken erstarren fühlte. Dies war für den jungen Mann das Zeichen gewesen, daß er mit seiner Taktik Erfolg gehabt hatte. Manchmal war es Yuugi nämlich möglich, Yami durch sein visionäres Talent kleine Einblicke in sein Leben als Pharao zu gewähren. Doch dies klappte nur dann, wenn erstens sein Seelenpartner entspannt und zweitens der richtige Zeitpunkt zur Enthüllung der entsprechenden Erinnerung gekommen war.
 

Es erleichterte Yuugi, daß es ihm dieses Mal offensichtlich gelungen war und er fragte neugierig: "Was hast du gesehen, Yami? An welches Detail deiner Vergangenheit hast du dich erinnert?"
 

Yami stutzte für den Bruchteil einer Sekunde angesichts dieser Worte, dann flog ein warmes Lächeln über seine markanten Züge, als er erkannte, was Yuugi getan hatte. "Du bist wirklich raffiniert, Aibou", meinte er kopfschüttelnd, bevor er seiner lichten Hälfte zärtlich die weichen Haare aus der Stirn strich und ihm einen dankbaren Kuß gab. "Ich danke dir, itoshii."
 

Yuugi lächelte nur und zuckte die Schultern, bevor er erwiderte: "Ich war nicht sicher, ob es klappt. Der Zeitpunkt war jedoch anscheinend richtig, diese Erinnerung freizugeben. Also, an was hast du dich dieses Mal erinnert, Yami?"
 

"Die Bilder wechselten sehr schnell, daher erkannte ich nur wenige Einzelheiten", antwortete der ehemalige Pharao, während er die Bilder vor sein inneres Auge zurückzubringen versuchte. "Ich sah meinen Vater...und noch einen zweiten, sehr alten Mann mit weisen Augen." Während er einen nachdenklichen Blick in Richtung des Tisches warf, auf dem Yuugis Laptop und die Schriftrollen lagen, fügte Yami noch hinzu: "Ich glaube, wir befanden uns in den Palastarchiven. Die Beiden wollten mir etwas zeigen, doch dann brach die Vision ab."
 

Yuugi schwieg kurz, dann meinte er: "Nun, das nenne ich Timing. Wir wissen ja nie zuvor, an was du dich plötzlich aus deinem Leben als Pharao erinnerst - aber heute scheint es eine Erinnerung zu sein, die sich genau auf das Thema bezieht, mit dem wir uns gerade beschäftigen, Yami."
 

Nun war es an Yami, schweigend die Schultern zu zucken. Auch er wunderte sich ein wenig, daß sein Rückblick dieses Mal so offensichtlich mit ihrer Arbeit zusammenhing. Sonst war es meist so, daß seine sporadisch auftauchenden Erinnerungen überhaupt keinen Bezug zu ihrer Tätigkeit oder den gerade stattfindenden Ereignissen hatten. Es waren ganz einfach Bruchstücke seiner Vergangenheit.
 

Als Yuugi sich erhob, folgte Yami seinem Beispiel und warf seinem Seelenpartner dann einen fragenden Blick zu, den dieser mit einem Nicken beantwortete. Während Yuugi dann damit begann, die Schriftrollen wieder ordentlich in ihrem Kästchen wegzuschließen und ihre Übersetzung auf seinem Laptop sicherte, schuf Yami in der Mitte des Raumes eine genügend große freie Fläche für das, was sie jetzt vorhatten.
 

Dann konzentrierte er sich und rief die Macht seines Millenniumspuzzles an, ihm zu helfen. Knapp einen halben Meter über dem Boden erschien das verschlungene, golden leuchtende Symbol von Yamis Zauberkarte 'Bannkreis'. Normalerweise war diese Karte eine Fallenkarte, doch 'Bannkreis' würde die Seelenpartner vor allen Störungen schützen, während sie im Labyrinth des Millenniumspuzzles die Tür suchten, hinter der sich die gesamte Erinnerung an das Ereignis verbarg, von dem Yami gerade Bruchstücke gesehen hatte.
 

In der Sekunde, in welcher der Schwarze Magier als zusätzlicher Wächter in einem Lichtblitz neben dem ehemaligen Pharao erschien, hatte Yuugi fertig aufgeräumt und gemeinsam betraten Yami und Hikari das jetzt in mattem Goldton schimmernde Symbol. Sie setzen sich einander gegenüber und verschränkten ihre Hände ineinander. Nach einem letzten bestätigenden Nicken von Yami zu Khadres, welcher während ihrer Suche im Labyrinth des Puzzles über sie wachen würde, konzentrierten sich beide Seelenpartner auf ihren Millenniumsgegenstand.
 

Da sie nicht zum ersten Mal auf diese Weise in Yamis Erinnerungen eintauchen wollten, gelang es den zwei jungen Männern rasch, sich mit Hilfe ihrer Magie in das Millenniumspuzzle hineinzuversetzen. Sie materialisierten innerhalb des magischen Labyrinths, welches Yamis Gedächtnis darstellte und sahen sich für einen Moment schweigend um. Es erstaunte Yuugi jedes Mal auf's Neue, wie viele verschlungene Wege und verschlossene Türen der Geist seiner dunklen Hälfte aufwies - dies deutete darauf hin, daß Yami viele Geheimnisse zu hüten gehabt hatte. Hinter jeder dieser Türen wartete eine Erinnerung darauf, wiedererweckt zu werden. Wartete ein Rätsel, welches gelöst werden mußte, damit Yami schließlich wieder genau wußte, was vor 5000 Jahren, als er Pharao im Alten Ägypten gewesen war, geschehen war.
 

Yamis Hand, welche die seine leicht berührte, weckte Yuugi aus seinen Betrachtungen und der Hikari nickte seinem Seelenpartner bestätigend zu, daß sie sich auf die Suche nach der Tür begeben konnten, welche sich ihnen heute öffnen würde. Daraufhin schloß Yami für einen Augenblick zur besseren Konzentration die Augen und streckte seine Sinne aus, damit er ihnen die richtige Richtung weisen konnte. Es war nicht leicht, in all der starken Magie, welche das Labyrinth des Millenniumspuzzles aussandte, den Teil auszumachen, welcher ihr heutiges Ziel war. Doch nach ein paar schweigsamen Minuten voller Konzentration hatte Yami die Richtung ausgemacht, in welche sie gehen mußten.
 

Gemeinsam schritten sie durch endlos lange Gänge, vorbei an Türen mit rätselhaften Verzierungen, durch riesige Räume, welche an pharaonische Grabkammern erinnerten - immer der Quelle der Magie entgegen, welche Yami ausgemacht hatte. Es dauerte eine geraume Weile, bis sie schließlich vor der Tür anlangten, die sich ihnen öffnen würde. Die Tür strahlte golden wie das Licht eines Leuchtturms in der Nacht, ganz im Gegensatz zu den anderen, an denen die Seelenpartner vorbeigekommen waren. Dies zeigte an, daß die Zeit gekommen war, den Raum hinter ihr zu betreten - und die Erinnerung wiederzuerwecken, welche sie bis zu diesem Zeitpunkt verborgen hatte.
 

Mit einem tiefen Atemzug stählte sich Yami innerlich gegen das, was sein Gedächtnis Yuugi und ihm nun preisgeben würde. Dann legte er seine Hand auf die Klinke der golden leuchtenden Tür, woraufhin diese langsam und lautlos aufschwang...und ein helles Licht die zwei Seelenpartner blendete.
 

Als das Licht nach einer Weile wieder verging und Yuugi und Yami sich daher umsehen konnten, erkannten sie, daß sie sich schon inmitten der Erinnerung befanden, denn sie standen in einem wahrhaft riesigen Raum, der bis unter die Decke mit Büchern, Schriftrollen und anderen Papyri gefüllt war. Regale und Schränke bogen sich unter der Last der Schriftstücke, welche deutlich erkennbar nach einer klaren Systematik geordnet waren; die entsprechenden Hieroglyphen gaben Auskunft über ihren Inhalt.
 

Die große Palastbibliothek.
 

Staunend sah Yuugi sich für ein paar Momente einfach nur um, seine Neugier bei dem Gedanken geweckt, was sich alles für unglaublich wertvolle Hinweise auf das Leben zu Yamis Zeit sich in den Papyri verbergen mochten, die er überall sah. Er erinnerte sich erst wieder an ihren eigentlichen Plan, als sich Yamis Hand Aufmerksamkeit heischend auf seinen Arm legte.
 

Der ehemalige Pharao hatte ebenso wie sein Hikari für einen Augenblick sehnsuchtsvoll auf all die Dokumente geschaut, welche in der Palastbibliothek lagerten. Was mochten sie alles enthalten? Waren in ihnen Antworten auf die Fragen verborgen, die er sich stellte?
 

Doch dann verdrängte er all diese Fragen für einen anderen Zeitpunkt und sah sich forschend um, denn er wußte von früheren Abstechern in seine Vergangenheit, daß Yuugi und er sich als stille Zuschauer hier befanden. Daher würden die Akteure dieser Erinnerung sicher bald auftauchen. Und er hatte Recht, denn schon wenige Momente später sah Yami plötzlich seinen Vater in der Tür zur Bibliothek auftauchen, sein jüngeres Ich an der Hand haltend. Der Pharao lenkte seine Schritte zielstrebig in einen recht abgeschiedenen Teil der Palastarchive, während der sicher nicht älter als Siebenjährige in seiner Begleitung alles um sich herum neugierig betrachtete.
 

Yuugi, welcher wie Yami nunmehr die Geschehnisse mit Interesse verfolgte, konnte sich ein leises Lächeln nicht verkneifen, als er seinen Seelenpartner als Kind vor sich sah. Yamis stolze, karmesinrote Augen, welche in ihm stets ein Gefühl von Sicherheit auslösten, wenn sie ihn mit der in ihnen enthaltenen Eindringlichkeit und Intensität betrachteten, waren groß mit Neugier und Staunen. Der Junge war sichtlich gebannt von den vielen Dokumenten und Büchern, die er überall sehen konnte. Daher dauerte es auch einen langen Augenblick, bis der junge Prinz sich aufraffen konnte, seinem amüsiert und geduldig auf ihn wartenden Vater dorthin zu folgen, wohin der Pharao ihn eigentlich führen wollte.
 

Vater und Sohn wandten ihre Schritte nunmehr erneut in eine bestimmte Richtung innerhalb des Gewimmels von Schreibern und Boten, welche bei ihrem Anblick alle ehrfürchtig den Kopf zur Begrüßung neigten, was der Pharao mit einem kurzen, jedoch freundlichen Nicken zur Kenntnis nahm, während Yamis jüngeres Ich die Leute alle mit neugierigen Augen betrachtete.
 

Daß der junge Prinz bei den Bediensteten der Palastbibliothek gut gelitten war, zeigte sich anhand der freundlichen Blicke, die ihm folgten, nachdem sein Vater und er scheinbar ihr Ziel erreichten und bei dem alten Mann stehenblieben, den Yami zuvor schon in seinem blitzlichtartigen Rückblick gesehen hatte.
 

/Sie mochten dich, Yami/, kommentierte Yuugi gedanklich an seine dunkle Hälfte gewandt.
 

Der ehemalige Herrscher wandte ihm den Kopf zu und blickte ihn fragend an. Yami hatte sich mehr auf den alten Mann konzentriert, auf den sein Vater und sein jüngeres Ich zugegangen waren und mit dem sich der Pharao jetzt zu unterhalten begann.
 

/Ich meine die Palastbediensteten/, erklärte Yuugi. /Sie erwiesen deinem Vater den ihm zustehenden Respekt, doch dich betrachteten sie mit Wärme in den Augen. Ich glaube, du hattest ihre Loyalität schon, bevor du selbst Pharao wurdest./
 

Yami sah Yuugi für einen Moment schweigend an, bevor er seinen Blick erneut über die Szenerie vor ihnen schweifen ließ. Und da er sich nun mehr auf die Schreiber und anderen Bediensteten konzentrierte, fiel auch ihm auf, daß die Blicke, die ihm folgten, mit Respekt und Wärme gefüllt waren. Dies zauberte ein kleines Lächeln auf die Züge des ehemaligen Pharaos und er meinte: //Es ist gut zu wissen, daß mein Volk mir zugeneigt war, Yuugi. Ich...//
 

Yami verstummte, als er etwas bemerkte und fuhr dann fort: //Wir sollten uns später über deine Entdeckung unterhalten, Aibou. Jetzt jedoch wäre es besser, ihnen zu folgen.//
 

Bei diesen Worten wies Yuugis Seelenpartner auf seinen Vater, der gerade mit Yamis jüngerem Ich an seiner Seite dem unbekannten alten Mann durch eine reich verzierte Tür folgte. Die Tür wurde bewacht vom Abbild einer Sphinx, welche Yamis Vater durch die Magie des Millenniumspuzzles davon überzeugte, den Durchgang für die Drei zu öffnen.
 

Bevor einer der beiden Seelenpartner Anstalten machen konnte, ihnen zu folgen, wechselte ihre Umgebung von ganz allein und Yami und Yuugi fanden sich in einem mit prachtvollen Szenen geschmückten Raum wieder. Dieser war nicht sehr groß, doch vermittelte er trotzdem unwillkürlich ein starkes Gefühl von Bedeutsamkeit. Man konnte förmlich spüren, daß in diesem Raum etwas äußerst Wichtiges - und Magisches - aufbewahrt und vor neugierigen Blicken geschützt wurde.
 

Yuugi fühlte, wie Yami sich neben ihm anspannte, als der ehemalige Pharao den Raum mit forschendem Blick in Augenschein nahm. Anscheinend kehrte seine Erinnerung immer mehr zurück und ließ ihn in Erwartung der vollständigen Enthüllung dieses Rätsels unruhig werden. Seiner dunklen Hälfte beruhigend eine Hand auf den Arm legend, wandte Yuugi seine Aufmerksamkeit wieder den Akteuren dieser Erinnerung an die Vergangenheit zu, die den Raum gerade durch die Tür hinter der Sphinx betraten.
 

*********Erinnerung*********
 

Yamis jüngeres Ich schien völlig gebannt von dem Raum und ließ den Blick seiner karmesinroten Augen ebenso neugierig forschend schweifen, wie es der ehemalige Pharao auch gerade getan hatte. Der junge Prinz war so fasziniert von dem, was er innerhalb des geheimen Raumes sehen konnte, daß er seine beiden Begleiter völlig vergaß und erst durch eine Berührung seines Vaters an seiner Schulter wieder in die Realität zurückkehrte.
 

Angesichts der amüsierten Mienen der zwei älteren Männer wurde Yamis jüngeres Ich sichtlich verlegen, was die Heiterkeit seiner Begleiter noch erhöhte. Doch der junge Prinz erholte sich schnell von seiner Verlegenheit und wandte sich dem alten Mann an der Seite seines Vaters zu. Seine karmesinroten Augen spiegelten ehrliche Freude wieder, als er auf diesen zutrat und ihn mit den Worten "Verzeih mein schlechtes Benehmen, Großvater, doch ich habe so lange darauf warten müssen, bis Vater mir heute endlich sagte, daß ich ihn in diesen geheimen Raum begleiten darf. Ich war so schrecklich neugierig, was sich in ihm verbirgt und was du hier tust", schließlich herzlich umarmte.
 

Der weißbärtige Mann schmunzelte angesichts des unverhohlenen Enthusiasmus, welche sich in den Worten widerspiegelten und umarmte nun seinerseits den Jüngeren. "Ich weiß, wie sehr du auf diesen Tag gewartet hast, mein Junge", erwiderte er. "Doch jetzt ist die Zeit gekommen, daß du das größte Geheimnis unserer Familie erfährst und dich damit auf die Aufgabe vorbereiten kannst, welche du einst als Nachfolger deines Vaters übernehmen wirst."
 

Angesichts dieser Worte wurde der Prinz sofort ernst und seine Augen spiegelten eine für sein Alter ungewöhnliche Reife wieder, als er von seinem Großvater zurücktrat und aufmerksam zwischen ihm und seinem Vater hin- und hersah. Er schien zu spüren, wie wichtig die Enthüllungen sein würden, welche ihm die beiden älteren Männer jetzt anvertrauen würden. Das größte Geheimnis der königlichen Familie - und eine Aufgabe, welche nur der Pharao übernehmen konnte.
 

Der Pharao, welcher bis zu diesem Zeitpunkt geschwiegen hatte, übernahm es nun, seinem Sohn zu verdeutlichen, was im Laufe der nächsten Zeit auf ihn zukommen würde...welche Dinge er hören und verstehen mußte, um einst das Amt seines Vaters richtig ausüben zu können.
 

Den Jungen auf mehrere Stühle zuführend, die um einen riesigen, mit Büchern, Schriftrollen und anderen Papyri bedeckten Ebenholztisch zuführend, bedeutete er ihm, Platz zu nehmen. Der alte Mann war ihnen gefolgt und setzte sich ebenfalls, während er einen bedeutungsschwangeren Blick mit dem Herrscher tauschte.
 

Dann setzte der Pharao an: "Mein Sohn, du bist inzwischen alt genug, um begreifen zu können, daß die Herrschaft über Ägypten unserer Familie nicht nur gewisse Privilegien einbringt, sondern auch Pflichten beinhaltet. Daher habe ich dich heute hierher zu Nassir gebracht, damit er damit beginnen kann, dich in den Geheimnissen zu unterrichten, die für den Wohlstand unseres Landes und ein Gleichgewicht der Mächte sorgen. Ich möchte, daß du ihm aufmerksam zuhörst und alles tust, was er von dir verlangt, Atemu. Eines Tages kann nicht nur das Wohl Ägyptens, sondern vielleicht sogar das Wohl der gesamten Welt davon abhängen, daß du genau weißt, was du zu tun hast, um dein Amt als Pharao und Schattenwächter auszuüben."
 

Der junge Prinz hatte seinem Vater mit großen Augen gelauscht und nickte ernsthaft. Doch gleich darauf konnte er eine Frage nicht zurückhalten und wollte wissen: "Vater, was meintest du mit Schattenwächter? Wie kann man denn die Schatten bewachen?"
 

Der Pharao lächelte liebevoll auf seinen Sohn herab und meinte: "Das ist eine gute Frage, Sohn. Und ein guter Anfang, dich zu unterrichten. Vergiß nicht meine Worte, Atemu, lausche deinem Großvater sorgfältig und präge dir ein, was er dir vermittelt. Es kann die Welt vor dem Untergang bewahren, sollte es je zum großen Kampf der Prophezeiung kommen."
 

Mit diesen bedeutungsschweren, prophetischen Worten erhob sich der Pharao von seinem Stuhl und beugte sich herab, um dem jungen Prinzen einen Kuß auf die weichen Haare zu drücken, bevor er sich herumdrehte und den Raum wieder verließ.

Yamis jüngeres Ich war seinem Vater mit seinen Blicken gefolgt, und wandte sich erst wieder zu seinem anderen Familienmitglied herum, nachdem der Pharao durch die Nutzung des Millenniumspuzzles wieder durch die Tür verschwunden war.
 

Karmesinrote Augen blickten leicht verwirrt, aber auch neugierig und voller Wißbegier auf den alten Mann, welcher ihn schweigend für einige lange Momente musterte.
 

Dann lächelte Nassir seinen Enkel an und meinte: "Das muß für dich jetzt alles sehr dramatisch klingen, nicht wahr?" Der Junge nickte langsam und legte den Kopf ein wenig schief, bevor er meinte: "Ja, Großvater. Vater redet normalerweise nicht so rätselhaft mit mir - das tut er sonst nur bei den Gesprächen mit seinen Wesiren. Er hörte sich fast an wie Isis, wenn sie ihre Visionen preisgibt."
 

Nassirs Lächeln wurde breiter, als er diesen Vergleich mit der Hohepriesterin hörte. "Das mag wohl stimmen, Atemu. Doch laß uns beginnen, damit sich das Rätsel löst", sagte der alte Mann und erhob sich von seinem Stuhl. Er bedeutete dem jungen Prinzen, ihm in eine andere Ecke des Raumes zu folgen. Dort blieb er vor einem leicht erhöhten Podest stehen, das über und über mit Hieroglyphen verziert war. Auf dem Podest stand ein Gegenstand, welcher dem Jungen ein ehrfürchtiges Staunen abverlangte.
 

"Die Millenniumswaage", flüsterte Yamis jüngeres Ich leise vor sich hin, bevor der Junge den Blick zu dem Mann an seiner Seite hob. "Großvater, was hat dein heiliger Gegenstand mit dem zu tun, was ich laut Vater lernen soll?"
 

Nassir antwortete nicht gleich, sondern schien fast in Trance, während er die goldene Waage aus weisen grauen Augen betrachtete. Schließlich riß er sich jedoch aus seiner Versunkenheit, lächelte und wandte sich wieder an seinen Enkelsohn.
 

"Nicht nur mein Millenniumsgegenstand hat etwas mit den Geheimnissen zu tun, von denen dein Vater sprach, Atemu. Alle sieben Millenniumsgegenstände haben eine verborgene Macht und tragen in sich ein Geheimnis. Dadurch werden sie nur ausgewählten Personen übereignet, die sich ihrer Macht würdig erwiesen haben und die in den heiligen Gegenständen verborgenen Kräfte zum Wohl unseres Volkes einsetzen. Dein Vater, der Pharao, trägt das Millenniumspuzzle, welches das mächtigste dieser sieben Gegenstände ist. Eines Tages wird er es dir überreichen - wenn du dich seiner Macht würdig erwiesen hast. Das Puzzle ist ein bedeutsamer Teil der Aufgabe, welche der Pharao übernimmt, ohne daß jemand außerhalb des eingeweihten Kreises etwas von dieser Aufgabe weiß. Nur die Mitglieder des Hohen Rates und die königliche Familie haben Kenntnis von der wahren Macht der Millenniumsgegenstände."
 

Nassir seufzte leise, als er die wachsende Verwirrung in den Augen seines Enkels sah. "Ich sehe schon, mein Junge, daß ich mit meinen Worten nicht gerade zur Klärung deiner Verwirrung beitrage, nicht wahr?" Yamis jüngeres Ich blinzelte verlegen, nickte dann jedoch.
 

"Nun, wie schon gesagt, dieses Geheimnis ist von großer Bedeutsamkeit. Wenn unsere Feinde davon Kenntnis erlangen würden, würde dies großes Unglück mit sich bringen, da sie sofort alles daran setzen würden, in den Besitz nicht nur der Millenniumsgegenstände zu gelangen. Nein, vor allem würden sie es darauf absehen, die Schattenkristalle an sich zu bringen. Und dies würde das Ende der Balance zwischen Licht und Finsternis bedeuten - und damit das Ende der Welt, wie wir sie kennen."
 

Nassir verstummte kurz, winkte seinen Enkel dann jedoch näher zu sich heran. Als der Prinz der stummen Aufforderung folgte, deutete der alte Mann auf die Millenniumswaage. "Siehst du die Kristalle in den Waagschalen, Atemu?", fragte er. Yamis jüngeres Ich folgte der hinweisenden Hand seines Großvaters mit seinem Blick und musterte erneut den heiligen Gegenstand.
 

In den goldenen Waagschalen lagen jeweils drei funkelnde Kristalle, von denen deutlich spürbar eine Aura von Macht ausging. In der linken Schale waren sie von strahlendem Weiß, voller Wärme und Licht. Die in der rechten Schale hingegen waren schwarz wie die Nacht und versandten eine bedrohliche Aura von Kälte und Dunkelheit. Beide Waagschalen waren genau ausbalanciert, so als hätte sich jemand sehr viel Mühe gegeben, auf keiner der Seiten auch nur ein Quentchen mehr an Masse - oder besser Magie - hineinzutun.
 

Der junge Prinz runzelte nachdenklich die Stirn, als er dies bemerkte und blickte dann fragend zu seinem Großvater auf, welcher ihn aufmerksam beobachtet hatte und nun zufrieden lächelte. Es freute ihn, wie schnell sein Enkel die genaue Austarierung der beiden Waagschalen bemerkt hatte - dies bedeute, der Junge würde rasch lernen.
 

"Du fragst dich, wieso die Waage so genau die Balance hält, nicht wahr?", fragte Nassir. Als Atemu nickte, erklärte er: "Die weißen Kristalle stehen für die Mächte des Lichts, Ras Einfluß auf das Leben der Menschen. Die schwarzen Kristalle hingegen symbolisieren die Kräfte der Finsternis, welche dem Befehl von Apophis folgen. Ihre gegensätzlichen Kräfte - Licht und Finsternis, Gut und Böse - wirken aufeinander ein und ergeben somit eine Balance.
 

Meine Millenniumswaage zeigt an, wie stark die Mächte des Lichts und der Finsternis sind, Atemu. Zur Zeit halten sie sich genau die Waage und geben Aufschluß darüber, daß in Ägypten Frieden herrscht. Es gibt mächtige Feinde für unser Heimatland, dies darfst du nicht vergessen, aber mit Hilfe von Ra gelingt es dem Pharao - deinem Vater - ihnen standzuhalten und entgegenzuwirken, so daß die Balance erhalten bleibt. Sollte sich die Waage eines Tages neigen und die Mächte der Finsternis überhand nehmen, dann wird großes Unheil nicht nur über Ägypten hereinbrechen.
 

Daher ist es die Aufgabe des Pharaos, mit Hilfe der Millenniumsgegenstände dafür zu sorgen, daß die Balance zwischen Licht und Finsternis stets gewahrt bleibt. Ich als Wächter der Millenniumswaage habe die Position eines Beobachters und in gewissem Sinne eines Aufpassers. Ich wache darüber, was die Waage anzeigt und dokumentiere es in den Chroniken der königlichen Familie." Seinen Enkelsohn musternd, meinte Nassir: "Dein Vater hat dir sicher von den Chroniken erzählt, oder nicht?"
 

Der Prinz neigte den Kopf und erwiderte: "Ja, ich weiß Bescheid über die Schatten-Chroniken, Großvater. Mutter hat mir immer vor dem Zubettgehen Geschichten über das Reich der Schatten erzählt, als ich noch jünger war. Und als ich vor neun Monaten endlich die Prüfung ablegen durfte, die zeigen würde, ob ich würdig bin, ein eigenes Monster aus dem Schattenreich als Beschützer zu erhalten - danach haben Mutter und Vater mir die ganze Wahrheit über die Chroniken jener Welt erzählt. Außerdem hat mir Vater seine eigene Abschrift überlassen, damit ich sie studieren kann."
 

Nassir schmunzelte erneut und betrachte seinen Enkel voller Stolz. "Du hast eine erstaunliche Leistung bewiesen, Atemu, als du schon beim ersten Anlauf diese schwere Prüfung durch das Reich der Schatten bestanden hast. Und du hast einen ehrfurchtgebietenden Beschützer erhalten - dadurch, daß dich der Schwarze Magier als würdig erachtete, wurde deutlich, daß dir Großes beschieden ist. Nur wenige Magier können von sich behaupten, daß ein derart hochrangiges Monster sich schon in solch jungen Jahren für sie als seinen Herrn entschied. Für viele bedeutet es eher langes, hartes Training, sich ein solches Level an Stärke und Macht zu verdienen. Versuche daher stets dein Bestes, sich seines Respekts und seiner Treue auch als würdig zu erweisen."
 

Atemu nickte ernst, doch seine karmesinroten Augen strahlten mit jugendlicher Freude, als er die lobenden, stolzen Worte seines Großvaters vernahm. Eifrig bestätigte er: "Seth hat etwas ganz Ähnliches gesagt, als ich ihm erzählte, welches Monster sich für mich entschieden hat. Doch auch er hat ein wirklich mächtiges Monster als Beschützer erhalten - als er voriges Jahr die Prüfung ablegte und von einen Weißen Drachen erwählt wurde, war ich sehr ungeduldig, bis ich endlich auch die Chance erhielt, die Prüfung durchlaufen zu dürfen. Ich wollte ihm beweisen, daß seine Hilfe bei meinem Training nicht umsonst gewesen ist."
 

Nassir lächelte gütig, als er den Enthusiasmus in den Worten seines Enkels hörte. Er wußte, wie eng Seth und Atemu befreundet waren - sie waren fast unzertrennlich, obwohl ihre Charaktere auf den ersten Blick so unterschiedlich schienen. Und obwohl ihre Lebenswege vorgezeichnet waren - während Atemu einst Pharao werden würde, so würde Seth seinem Vater als Hohepriester im Amt nachfolgen - so wirkte sich dies doch nicht negativ auf ihre Freundschaft aus.
 

Ganz im Gegenteil, Seth' Loyalität zu seinem jüngeren Freund schien unzerrüttbar. So wie Atemus Glaube an den Älteren. Wenn sie diese Gefühle der Freundschaft in der Zukunft bewahren konnten, so würden sie nach Nassirs Meinung ein unschlagbares Team ergeben und Ägypten zu neuen Höhen führen. Doch vorerst waren sie beide noch so jung und bei aller Ernsthaftigkeit für ihre späteren Aufgaben gab es doch immer wieder Augenblicke, wo sie kindische Streiche spielten und ihre Eltern oder die Palastwachen fast in den Wahnsinn trieben.
 

Um zum ursprünglichen Thema ihrer Unterhaltung zurückzukommen, schloß der alte weise Mann kurz die Augen und ordnete seine Gedanken. Es war so leicht, im Gespräch mit Atemu vom eigentlichen Thema ihres Beisammenseins abzuschweifen und sich einfach nur mit dem Jungen zu unterhalten. Der junge Prinz war ein aufgewecktes, neugieriges und wissensdurstiges Kind, mit welchem man sich über viele Dinge unterhalten konnte. Doch Atemu mußte alles lernen, was ihm später als Pharao bei der Ausübung seiner Pflichten als Schattenwächter behilflich sein konnte.
 

Daher räusperte sich Nassir leise, um die Aufmerksamkeit seines Enkels wieder auf sich zu lenken, welcher während der letzten Minuten über die Monster nachgedacht hatte, welche seinen besten Freund und ihn als ihre Herren auserwählt hatten. Der junge Prinz blickte fragend auf, als er seinen Großvater sich räuspern hörte und lauschte mit erneuter Aufmerksamkeit, als der Ältere zum Ursprung ihres Gesprächs zurückkehrte.
 

"Wie du mir mitgeteilt hast, hat dir meine Tochter all die alten Legenden über das Reich der Schatten erzählt, Atemu. Und dadurch, daß du vor kurzem die erste Prüfung durch das Reich der Schatten bestanden hast und damit deinen Beschützer erhieltest, bist du nun auch bereit, den Rest zu erfahren, um einst das Amt deines Vaters als Pharao auszuüben. Studiere die Abschrift der Schatten-Chroniken noch einmal gründlich, Enkel, denn sie sind die Grundlage dessen, was ich dir in den nächsten Monaten erzählen und beibringen werde. Du wirst lernen, warum die Schatten-Kristalle so wichtig sind für die Balance der Mächte und was sie für die Existenz des Schattenreichs bedeuten. Außerdem wirst du erfahren, warum dein Vater dich als einen zukünftigen Schattenwächter bezeichnete. Doch für heute ist es genug. Komm morgen nach deinem Unterricht wieder zu mir und wir werden beginnen."
 

Für einen Moment sah es so aus, als wolle der junge Prinz protestieren, doch dann überlegte er es sich anders und nickte zustimmend. Er ließ noch einmal den Blick durch den Raum schweifen, den er nach langer Wartezeit zum ersten Mal hatte betreten dürfen. Der Raum war voller Geheimnisse und uralter Magie, welche nicht nur von der goldenen Millenniumswaage ausging. Auch die Regale voller dicker Bücher und mit rätselhaften Zeichen bedeckter Papyri weckten die unersättliche Neugier des Jungen, so daß er sich nur schwer zurückhalten konnte, seinen Großvater nicht mit Hunderten von Fragen zu bestürmen.
 

Doch der Prinz tröstete sich mit dem Wissen, daß er in den nächsten Tagen noch oft in diesem geheimen Raum sein würde und dann sicher Gelegenheit haben würde, dessen Geheimnisse zu erforschen.
 

Als er sich daher nach einer herzlichen Umarmung für seinen Großvater von diesem verabschiedet hatte und sich der Tür zuwandte, welche ihn wieder in die öffentlichen Bereiche der Palastarchive bringen würde, weckte plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit. In einer Ecke des Raumes, welche völlig leer erschien, glaubte der Junge eine Bewegung bemerkt zu haben. Karmesinrote Augen versuchten, die in jener Ecke herrschende Dunkelheit zu durchdringen und instinktiv trat der Prinz näher.
 

Doch bevor er noch richtig ausmachen konnte, was sich dort befand, erschien plötzlich in einem Lichtblitz der Schwarze Magier vor ihm und hielt ihn auf. Das Monster verbeugte sich leicht und dennoch voller Respekt vor dem Jungen und kontaktierte ihn dann über ihre bei der Prüfung entstandene Bindung: +Bitte geht nicht weiter, mein Prinz. Es ist zu gefährlich für euch.+
 

Atemu blickte seinen Beschützer mit neugierigen, vertrauensvollen Augen an. +Weißt du, was sich dort befindet, Khadres? Ich glaubte, ich hätte etwas gesehen, doch jetzt ist die Ecke wieder leer. Aber das wäre unlogisch, denn sonst ist der Platz in diesem Raum vollständig genutzt - Großvater würde nicht ohne guten Grund gerade jene Ecke frei lassen.+
 

Ein Lächeln huschte durch die tiefblauen Augen des Schwarzen Magiers und er kniete vor dem Jungen nieder, als er dessen Neugier wahrnahm. +Ihr habt Recht, mein Prinz. Doch das, was sich dort befindet, ist jetzt noch nicht für Eure Augen bestimmt. Bitte habt Geduld, Herr, denn eines Tages in nicht mehr allzu ferner Zukunft wird Euch auch dieses Geheimnis enthüllt werden.+
 

Atemu blinzelte für einen Moment enttäuscht, da seine Neugier nicht befriedigt wurde. Doch er glaubte den Worten seines Monsters und nickte schließlich nachgiebig. Der Schwarze Magier war in den letzten Monaten mehr und mehr zu einem Freund für ihn geworden, welchem er rückhaltlos vertraute. Und wenn Khadres meinte, daß es jetzt noch zu gefährlich für ihn wäre, dieses Rätsel zu lösen, dann würde er halt warten, bis die richtige Zeit gekommen war.
 

Das Monster spürte die Zustimmung seines erwählten Herrn und verschwand in eine Lichtblitz, so wie es kurz zuvor gekommen war. Nassir, welcher die kurze Szene beobachtet hatte, lächelte in sich hinein. Sein Enkel hatte viele Qualitäten, welche ihn einst zu einem guten Herrscher für das Volk Ägyptens machen würden.
 

Atemu hatte seinen eigenen Kopf - und doch wußte er den Rat derer, die er als Freunde ansah, zu schätzen und fügte sich daher meist ihren Wünschen, wenn er es mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Ja, Atemu würde einst ein großer Pharao werden.
 

*********Erinnerung Ende *********
 

Abrupt blendete wieder ein helles Licht auf und versperrte Yami und Yuugi die Sicht auf das, was weiter geschah. Als die zwei Seelenpartner wenige Augenblicke später die Augen wieder öffneten, fanden sie sich wieder in Yuugis Räumen innerhalb von Hogwarths wieder, was bedeutete, daß sie alles gesehen hatten, was Yamis Gedächtnis ihnen an diesem Tag preisgeben würde.
 

Während Yuugi sich noch einmal all das, was sie gerade erfahren hatten, durch den Kopf gehen ließ und dabei völlig gedankenverloren vor sich hinsah, blieb Yamis Blick an dem Schwarzen Magier hängen, welcher noch immer Wache neben ihn hielt. Khadres erwiderte den Blick der karmesinroten Augen seines Herrn wie immer ohne Zögern und als der ehemalige Pharao die unbeirrbare Loyalität des Schwarzen Magiers in dessen Augen lesen konnte, fühlte sich auf einmal an die Worte erinnert, welche er vor wenigen Minuten seinen Großvater hatte sagen hören. Versuche stets, dich seines Respekts und seiner Treue würdig zu erweisen.
 

Für einen Moment fragte sich Yami, ob er immer so gehandelt hatte, daß er die Treue seines langjährigen Beschützers auch verdiente. Hatte er sich ihrer stets würdig erwiesen? Seine Erinnerung kehrte langsam und bruchstückhaft zurück, doch gab es noch immer so viele Lücken in seinem Gedächtnis - so viele Dinge, von denen er nichts wußte. So viele Tage seiner Existenz als Prinz und dann Pharao Ägyptens vor 5000 Jahren, von denen er nicht sagen konnte, ob er sie auf die rechte Weise genutzt hatte - zum Wohle seines Volkes und all der anderen Kreaturen, die seinem Schutz als Herrscher unterstellt gewesen waren.
 

/Du grübelst über Dinge nach, die deiner Sorge nicht wert sind, itoshii/, klang plötzlich Yuugis warme Stimme in Yamis Gedanken hinein. /Auch wenn wir noch sehr wenig Genaues über deine Zeit als Pharao wissen, so bin ich mir doch im Grunde meines Herzens sicher, daß du stets dein Möglichstes getan hast, um gerecht über Ägypten zu herrschen und all jene vor Unheil zu bewahren, die nicht allein für ihre Sicherheit sorgen konnten./
 

Bevor Yami etwas entgegnen konnte, trat auf einmal der Schwarze Magier auf Yuugi und ihn zu und sank dann vor dem ehemaligen Herrscher auf ein Knie herab. Seine tiefblauen Augen blickten voller Wärme in die Yamis, als das Monster seine Meinung beisteuerte. +Der Auserwählte sprach wie stets kluge Worte, Herr. Habt keine Sorge über Eure Vergangenheit, mein Pharao, denn Ihr wart trotz der schwierigen Zeiten während eurer Herrschaft immer auf das Wohl eures Volkes - und des meinen - bedacht. Bitte zweifelt nicht, daß ich nie den Tag bedauert habe, an dem ich Euch als meinen Herrn erwählte.+
 

Diese wenigen Worte legten sich wie Balsam auf die unsichtbare Wunde, die seine lückenhafte Erinnerung für den ehemaligen Herrscher darstellte. Khadres hatte seit seiner Kindheit auf ihn aufgepaßt, ihn beschützt und für ihn gekämpft... und vor allen Dingen hatte er ihn nie angelogen, da war sich Yami instinktiv sicher. Daher sprach er auch jetzt die Wahrheit und dies erlaubte es dem jungen Mann, einen großen Teil seiner - anscheinend gar nicht so geheimen - Sorgen über die Geschehnisse während seiner Zeit als Pharao loszulassen.
 

+Danke, mein Freund.+ Diese stille Botschaft, die Yami seinem Monster durch den Ausdruck seiner Augen zukommen ließ, verleitete Khadres dazu, bestätigend den Kopf zu neigen und dann nach einer Verbeugung zu verschwinden, da seine momentane Aufgabe beendet war. Yami hingegen verließ nach Yuugi ebenfalls das golden leuchtende Bannkreis-Symbol, welches seinen Hikari und ihn während ihrer Reise beschützt hatte.
 

Während Yuugi die Fallenkarte deaktivierte, ließ sich Yami in einen der nahestehenden Sessel sinken und ließ die gesamte Erinnerung noch einmal langsam vor seinem inneren Auge Revue passieren. Vieles von dem, was während dieser Erinnerung zur Sprache gekommen war, verwirrte den ehemaligen Pharao noch, da er noch nicht alle Puzzleteile zusammen hatte.
 

So fragte er sich, was jene Schatten-Kristalle sein mochten, von denen sein Großvater ihm scheinbar als Kind berichtet hatte. Yami konnte das Gefühl nicht abschütteln, daß diese Kristalle sehr wichtig waren - nicht nur damals. Nassir hatte gesagt, sie würden die Millenniumswaage anzeigen lassen, ob eine Balance zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis herrschte... und sie würden damit eine Möglichkeit der Warnung darstellen, wenn ein Ungleichgewicht entstand.
 

Wo mochten sich Waage und Kristalle heutzutage befinden?

Waren sie an einem sicheren Ort, wo sie vor den Handlangern der Finsternis geschützt waren - oder waren vielleicht all die Kämpfe, welche Yuugi, er und ihre Freunde in den letzten Jahren hatten bestehen müssen ein Zeichen dafür, daß die Kristalle die Waage nicht mehr im Gleichgewicht hielten?
 

Yami wurde aus seinen Grübeleien gerissen, als er spürte, wie sich Yuugi auf der Lehne seines Sessels niederließ. Aufblickend sah der ehemalige Pharao die warmen violetten Augen seines Hikaris auf sich gerichtet und erkannte die endlose Geduld in den seelenvollen Tiefen. Yuugi wußte genau, daß Yami erst für sich mit den Erkenntnissen der letzten Stunden ins Reine kommen mußte, bevor er darüber reden konnte - und der junge Mann würde warten, bis dieser Zeitpunkt gekommen war.
 

Dankbarkeit ob dieser Rücksichtnahme überflutete Yami und er schlang seine Arme um Yuugis Taille, um seinen Seelenpartner zu sich herab in den Sessel zu ziehen. Er zog Yuugi eng an sich heran und bettete dann seinen Kopf gegen den seiner lichten Hälfte.
 

Yami hatte schon öfter bemerkt, daß er einfach entspannter war, wenn er Yuugi nah bei sich spürte. Dann gelang es ihm oft besser, mit gewissen Ereignissen klarzukommen und sich für einen bestimmten Weg oder eine Handlungsweise zu entscheiden. Oder auch einfach nur seine Gedanken zu ordnen. Die Ruhe und Gelassenheit, welche Yuugi ihm durch seine bloße Anwesenheit vermitteln konnte, war eine Quelle der Stärke für Yami, für die er aus tiefster Seele dankbar war.
 

So auch jetzt wieder. Schon nach wenigen Minuten angenehmer Stille, während derer er seinen Hikari einfach nur in den Armen hielt, klärten sich Yamis Gedanken und nachdem er die Erinnerung mehrmals durchgespielt hatte, war es ihm gelungen, diesem Bruchstück seiner Vergangenheit alle relevanten Informationen zu entnehmen, die sich vielleicht in Zukunft als wichtig erweisen würden. Zwar hatten sich durch diese Erinnerung viele neue Fragen für Yuugi und ihn ergeben, doch Yami fühlte neue Hoffnung in sich aufsteigen, daß er bald sein gesamtes Gedächtnis wiederhaben würde. Die Erinnerung, die sie gerade miterlebt hatten, steckte voll tiefer Bedeutung und bot Hinweise auf Yamis einstige Aufgabe - und damit auch auf das, was Yuugi und ihm letztendlich bevorstand.
 

Und ganz nebenbei hatte er auch erfahren, daß der Schwarze Magier ihm schon seit seiner Kindheit die Treue hielt, auch wenn er sich noch nicht wieder an die Prüfung der Schatten erinnern konnte, deren Bestehen ihm einst die Loyalität von Khadres eingebracht hatte.
 

Seufzend drückte Yami schließlich einen Kuß in Yuugis weiche Haare und beschloß, vorerst mit dem Grübeln aufzuhören. Er war sich sicher, daß er bald weitere Rückblicke in seine Vergangenheit erhalten würde, denn bisher hatten sich stets, wenn sich ihm die Erinnerung an ein wichtiges Ereignis offenbarte, weitere Türen in seinem Gedächtnis geöffnet, welche dieses Geschehnis nach und nach erläuterten, indem sie weitere Details preisgaben, die das Gesamtbild vervollständigten. Er mußte also nur ein wenig Geduld aufbringen.
 

Yuugi, der es sich in den Armen seiner dunklen Hälfte bequem gemacht hatte, überließ seinen Seelenpartner geduldig seinen Grübeleien, da er sicher war, daß Yami am Ende all seine Erkenntnisse mit ihm teilen würde. Bis dahin machte sich der junge Mann jedoch seine eigenen Gedanken über das, was sie gerade erlebt hatten. Und im Gegensatz zu dem ehemaligen Pharao konzentrierte er sich nicht auf die Schatten-Kristalle - obwohl deren Existenz auch ihn sehr neugierig auf ihre Bedeutung und Magie machte - sondern auf das, was Nassir sowie Yamis jüngeres Ich über die Schatten-Chroniken gesagt hatten.
 

Yuugi konnte nämlich das starke Gefühl nicht abschütteln, daß es sich dabei genau um jene Schriftrollen handelte, die Yami und er gerade für Professor Dumbledore übersetzten. Schließlich hatte die Passage, welche sie schon hatten entziffern können, von der Entstehung der Welt - des Schattenreichs - gesprochen. Und diese Annahme würde auch einen guten Grund dafür liefern, warum Yamis Gedächtnis gerade jetzt eben diese Erinnerung freigab. Es hing alles miteinander zusammen und Yuugi fühlte instinktiv, daß sie ein weiteres großes Puzzleteil auf ihrer Suche in die Hände gelegt bekommen hatten, auch wenn sie vielleicht noch nicht genau zu sagen wußten, wo es in das Gesamtbild paßte.
 

Dennoch war es ein Fortschritt und der Hikari fühlte sich darin bestärkt, so rasch wie möglich auch den Rest der Schriftrollen zu übersetzen, denn in ihnen konnte der Schlüssel zu weiteren Erinnerungen Yamis verborgen liegen. Und damit auch ein Weg, ihr Schicksal zu erfüllen.
 

Für den heutigen Tag jedoch war vorerst jedoch genug Neues auf sie eingestürmt, was sie erst ins rechte Licht rücken mußten. Daher blickte Yuugi auch lächelnd zu seinem Yami auf, als er spürte, wie dieser ihn enger an sich preßte und ihm dann einen Kuß aufs Haar drückte. In den karmesinroten Augen stand neuerwachte Entschlossenheit, Neugier, aber auch Zufriedenheit geschrieben. Es hatte Yamis Frustration gelindert, eine solch bedeutende Erinnerung an sein Leben vor 5000 Jahren wiederzuerhalten.
 

Und nebenbei hatten sie auch Einblicke in sein Leben erhalten, die rein persönlicher Natur waren. So freute sich Yuugi darüber, daß sein Seelenpartner wie er selbst eine solch enge Bindung an seinen Großvater gehabt hatte. Die Zuneigung der Beiden war für ihn offensichtlich gewesen. Ebenso wie die Tatsache, daß Yamis jüngeres Ich sehr an Setos früherer Inkarnation gehangen hatte - so, wie der junge Prinz von Seth gesprochen hatte, war dieser sein bester Freund gewesen.
 

Dies ließ Yuugi wiederum darüber nachgrübeln, ob Seth Yami später wirklich verraten hatte. Nach dem gerade Erlebten hoffte er, daß die große Steintafel, welche Ishizu ihnen vor dem Battle City Turnier gezeigt hatte, nicht die ganze Wahrheit zeigte. Yuugi konnte sich nicht vorstellen, wie es sein mochte, von seinem besten Freund und Vertrauten verraten zu werden - Jou würde ihm so etwas nicht antun. Doch hatte es Seth Yami - oder besser Atemu - angetan?
 

//Worüber denkst du nach, Aibou? Deine Gefühle zeugen von Freude, aber gleichzeitig Trauer; Hoffnung und doch im selben Moment Schmerz - wieso?//, klang Yamis besorgte Stimme auf einmal in die Gedanken des jungen Mannes hinein.
 

/Ich habe mich gefragt, ob aus der offensichtlich engen Beziehung zwischen deinem früheren Ich und Seth wirklich im Endeffekt Feindschaft wurde, itoshii. In deiner Erinnerung zeigte sich deutlich, daß du als Kind sehr an ihm hingst - er schien dein bester Freund zu sein. Zeigt die Steintafel im Domino Museum daher wirklich die ganze Wahrheit über das, was während deiner Herrschaft geschah? Könnte es nicht doch sein, daß die Ereignisse falsch weitergegeben wurden? Selbst Ishizus Visionen eröffnen ihr nicht alles über das, was vor 5000 Jahren geschah./
 

//Darauf weiß ich auch keine endgültige Antwort, Yuugi. Doch du hast recht, als Kinder waren Seth und ich scheinbar unzertrennlich - und trotz all der Dinge, die wir von Ishizu erfahren haben, sträubt sich auch ein Teil von mir, diese Erzählungen nicht wenigstens in Frage zu stellen. Wir kennen nur einen Bruchteil meiner Vergangenheit, und somit wissen wir auch nicht, ob meine Freundschaft mit Seth bestehen blieb.//
 

/Ich hoffe es, Atemu. Ich weiß, wie ich mich fühlen würde, sollte Jou mich jemals im Stich lassen oder sogar verraten...es wäre schrecklich für mich./
 

//Das wird er nicht tun, Aibou. Jou und all unsere anderen Freunde haben uns schon so oft bei großen Gefahren zur Seite gestanden; dadurch bin ich sicher, daß nichts ihn dazu bewegen könnte, dir willentlich Leid zuzufügen. Doch wieso nanntest du mich Atemu? Das tust du doch sonst nicht, Hikari.//
 

Als er diese neugierige Frage hörte, blinzelte Yuugi überrascht. Er hatte gar nicht bemerkt, daß er seine dunkle Hälfte bei seinem Namen genannt hatte. Sich an seinen wahren Namen zu erinnern, war einer der ersten wichtigen Rückblicke des ehemaligen Pharaos gewesen. Es hatte sozusagen den Auftakt für weitere Bruchstücke seiner Vergangenheit gebildet, welche Yuugi und er nach dem Battle City Turnier aktiv zu erforschen begonnen hatten. Daher hatte der Hikari auch beschlossen, seine Leidenschaft für Ägypten und dessen Geschichte durch ein Studium eine wissenschaftliche Grundlage zu geben und gleichzeitig in Yamis Heimatland nach dessen Wurzeln zu forschen.
 

/Das ist mir gar nicht aufgefallen, itoshii. Doch in deiner Erinnerung nannte dich dein Großvater mehrmals bei deinem Namen - das muß ich unbewußt nachgemacht haben. Du kennst deinen richtigen Namen schon eine ganze Weile wieder, doch hatte ich mich inzwischen schon so sehr daran gewöhnt, dich ,Yami' zu nennen, daß ich wohl einfach vergessen habe, mich umzugewöhnen. Möchtest du, daß ich dich öfter bei deinem wirklichen Namen nenne?/
 

Yami blieb für einen langen Moment stumm, während er über dieses Angebot seiner lichten Hälfte nachdachte. Doch dann entschied er: //Nein, das wird nicht nötig sein, Aibou. Auch wenn ich froh bin, mich nach so langer Zeit wieder an meinen Namen als Prinz und später Pharao erinnern zu können, so birgt doch ,Yami' für mich inzwischen fast noch mehr Bedeutung in sich. Es ist der Name, den ich dir nannte, als wir uns das erste Mal richtig miteinander unterhielten - und damit der Name, welcher uns aneinander bindet, mein Hikari. Er macht die enge Bindung deutlich, welche sich unsere Seelen teilen.//
 

/In Ordnung, mein Yami./
 

Die Betonung, die Yuugis Gedankenstimme auf ,Yami' legte, ließ diesen lächeln. Yuugi verstand wie immer die Gesamtheit der Gründe, welche den ehemaligen Pharao nicht auf der Nennung seines eigentlichen Namens bestehen ließ. Denn auch wenn er selbst und auch all ihre Freunde diesen inzwischen wieder kannten, so war er doch lange ein großes Geheimnis gewesen. Und irgendwie wurde er dadurch zu etwas Besonderem, das den einstigen Herrscher mit seiner Vergangenheit verband, aber gleichzeitig für sein jetziges Leben von untergeordneter Bedeutung war. Im Hier und Jetzt war er ,Yami' - ein Wort, welches Yuugi stets voller Liebe und Wärme aussprach.
 

Still saßen die beiden Seelenpartner noch eine geraume Weile einfach nur aneinandergelehnt da und ließen ihren Gedanken freien Lauf. Schließlich erinnerte jedoch Yuugis Magen mit einem lauten Knurren daran, daß der junge Mann lange nichts mehr gegessen hatte. Mit einem Blick auf die Uhr wurde Yuugi auch klar, warum. Es war mittlerweile später Abend. Die Reise innerhalb des Millenniumspuzzles hatte länger gedauert, als der Hikari angenommen hatte - und so war es kein Wunder, daß sein Magen protestierte.
 

Er wollte sich gerade aufmachen, um zu sehen, ob es in der Großen Halle noch Abendessen gab, als plötzlich auf dem nahegelegenen Tisch wie von Zauberhand eine Auswahl von Speisen erschien. Erneut verblüfft von der Art und Weise, wie in Hogwarths das Essen auf den Tisch kam, erhob sich Yuugi und trat auf den Tisch zu. Eine kurze Nachricht in Dumbledores unverkennbarer Schrift informierte ihn darüber, daß ihn der Schulleiter beim Abendessen in der Großen Halle vermißt hatte und daher einen Hauselfen gebeten hatte, ihm etwas in seinen Räumen zu servieren. Der alte Mann nahm an, daß Yuugi total in seiner Arbeit versunken war und mahnte ihn, mehr auf seine Gesundheit zu achten.
 

Yami, welcher inzwischen zu seiner lichten Hälfte getreten war und über dessen Schulter die Nachricht des weisen Zauberers ebenfalls gelesen hatte, fühlte seine Zuneigung für diesen wachsen, als er erneut einen Beweis für die Sorge erhielt, die Dumbledore seinem Hikari erwies.
 

Yuugi hatte indessen Platz genommen und ließ sich die Speisen schmecken, welche die Hauselfen für ihn zubereitet hatten. Nachdem er sich satt gegessen hatte, beschlossen Yami und er, es für heute mit dem Arbeiten gut sein zu lassen und lieber noch einen langen Spaziergang über den Hogwarthsgrund zu machen. Auf seinem Weg nach draußen begegneten Yuugi - und Yami, der ihn in seiner Geistform begleitete - niemand in den Gängen und auch außerhalb des Schlosses war keine Menschenseele mehr zu sehen, was auf die späte Stunde hinwies.
 

Den beiden Seelenpartnern war dies jedoch ganz recht, denn so würde sie niemand stören oder beobachten und sie konnten sich frei bewegen. Nach einer ausgedehnten Runde um den See lenkten sie ihre Schritte in mittlerweile tiefster Dunkelheit wieder auf das hellerleuchtete Schloß zu. Yuugi wurde erneut von Ehrfurcht erfüllt, als er Hogwarths schon von weitem wie eine Bastion aus Licht inmitten der sternklaren Nacht funkeln sah. Das Schloß hatte etwas unbestreitbar Magisches und Wunderschönes an sich. Auch Yami gab ihm Recht, daß Hogwarths es an Ausstrahlung durchaus mit den Palästen des Alten Ägypten aufnehmen konnte.
 

Zurück in Yuugis Räumen machten es sich die Seelenpartner mit einem der Bücher aus Flourish & Blotts bequem, wobei Yami sich darüber informieren wollte, was in der heutigen Zeit über die magische Geschichte seines Heimatlandes bekannt war. Yuugi hindessen interessierte sich mehr für die magischen Geschöpfe, welche die Zaubererwelt zu bieten hatte.
 

Bastet, welche den Großteil des Tages verschwunden gewesen war und wahrscheinlich auf eigene Faust das Schloß erkundet hatte, machte es sich auf Yuugis Schoß bequem, welcher ihr willig ein paar Streicheleinheiten schenkte, die der grausilbernen Katze ein wohliges Schnurren entlockten.
 

Auch Horus war vor geraumer Zeit in einem Schauer aus goldenem Licht bei ihnen aufgetaucht und schlief nun auf einer Stange in der Nähe der Sessel, in denen Yami und Yuugi Platz genommen hatten. Zusammen erschufen die beiden Seelenpartner und ihre magischen Begleiter eine harmonische, entspannte Atmosphäre, welche anzeigte, wie wohl sie sich miteinander fühlten.
 

Frohe Ostern und bis zum nächsten Kapitel,

Antalya



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2008-11-06T15:49:07+00:00 06.11.2008 16:49
Tolles Kapitel.
und sehr intressant.
Weiter so
JLP
Von: abgemeldet
2006-05-02T13:45:55+00:00 02.05.2006 15:45
Ist zwar nicht mehr Ostern, doch trotz allem hab ich mich riesig gefreut.
Ich fand das Kap auch echt wieder verdammt gut, auch die Infos die du rüberkommen lässt. Aber ich finde es so toll wie du immer die Beziehung zwischen Yami udn Yuugi beschreibst. sooo cute
Freu mich schon aufs nächste Kap
Hdl Tati-chan^^
Von:  Allmacht
2006-04-16T08:59:41+00:00 16.04.2006 10:59
Super! Du wirst immer besser. Das war ein echtes Ostergeschenk für mich. Ich bin auch schon ganz gespannt wie es weitergeht. V.a. ob Harry seine Zweifel über Yuugi überwindet und welche Fallen noch auf die Weasley Zwillinge warten. Außerdem frage ich micht, wann das Geheimnis von Yami aufgedeckt wird. Lg Julia
Von:  Lampow
2006-04-15T22:48:00+00:00 16.04.2006 00:48
Hi,
ich bin es nochmal. Ich wollte dich nur fragen, ob du mir vielleicht Bescheid sagen könntest, wenn es weiter geht? Wäre voll lieb.
Schau mal vielleicht bei mir vorbei. Hab auch zwei ganz dolle Stories am Laufen.
Cu, Saturn - chan
Von:  Lampow
2006-04-15T22:46:39+00:00 16.04.2006 00:46
Hi.
Na, haben wir wieder was von dir zu lesen bekommen. Ist ur cool von dir und sozusagen als Osteri!
Also, ich muss dir sagen, deine Kapis werden von mal zu Mal besser. Ich fieberte richtig mit Yami und Yugi mit. Ich freu mich immer auf ein neues Kapi von dir und hab schon ganz ungeduldig gewartet bis du ein neues hochgeladen hast.
Naja, ich wünsche dir auf jeden Fall auch schöne Ostern.

Cu, Saturn - chan
Von:  Lampow
2006-04-15T22:46:29+00:00 16.04.2006 00:46
Hi.
Na, haben wir wieder was von dir zu lesen bekommen. Ist ur cool von dir und sozusagen als Osteri!
Also, ich muss dir sagen, deine Kapis werden von mal zu Mal besser. Ich fieberte richtig mit Yami und Yugi mit. Ich freu mich immer auf ein neues Kapi von dir und hab schon ganz ungeduldig gewartet bis du ein neues hochgeladen hast.
Naja, ich wünsche dir auf jeden Fall auch schöne Ostern.

Cu, Saturn - chan


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