Hinweis: So, jetzt ist hoffentlich wieder alles an Ort und stelle. Die Adult-Warnung kommt hier hin, wo sie hingehört. Puh... ich hoffe, ich habe beim Neubarbeiten die Schnitt wieder richtig gemacht, habe nämlich vergessen, wo ich ursprünglich beim zweiten Kapitel abgebrochen habe. Ich hoffe, ich verwirre hier niemanden... zumindest nicht mehr als mich selber!
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An diesem Abend war Titius erst spät ins Bett gekommen. Es hatte so viel zu tun gegeben und
er war todmüde. Jetzt lag er eingehüllt in seinen weißen Seidenlaken, blickte an die dunkle
Decke und dachte nach. Natürlich über das Thema, dass ihm jetzt seit Tagen keine Ruhe ließ.
Er hatte Zadei jetzt zwei Tage lang kaum gesehen. Es waren nur flüchtige Begegnungen ohne
besondere Vorkommnisse gewesen, wofür er seinerseits auch sehr dankbar war.
Er konnte auch jetzt noch kaum glauben, dass er dem schwarzhaarigen Dämon so etwas Per-
sönliches erzählt hatte. Aber immerhin hatte dieser zugehört. Na ja, zumindest eine Weile.
Ganz interessant war auch, dass Sherril offenbar einen Narren an ihm gefressen hatte. Titius
musste lächeln. Ja, mit ihrer freien Art auf andere zuzugehen und zunächst immer nur das
beste im Menschen zu sehen, stand sie ihrer Namensvetterin in nichts nach. Es war auf jeden
Fall besser, wenn sie nie erfuhr, warum er selber mit Zadei nicht so gut zurechtkam, was sie
ihn, unwissend wie sie war, auch schon gefragt hatte.
Langsam merkte Titius. Wie seine Augenlider schwerer wurden und ihm das Nachdenken
zunehmend schwerer fiel, bis er schließlich in einen tiefen Schlaf glitt.
[Das Tosen des Eissturmes hat wieder zugenommen, wovon Titius aus seinem Schlaf er-
wacht. Der kalte Wind pfeift unheimlich, als er um die kleine Höhle fegt, in die er sich zu-
rückgezogen hatte. Etwas benommen rafft er sich vom gefrorenen Boden auf und lehnt sich
gegen eine Eiswand. Wie spät ist es jetzt? Aber das ist eigentlich gleichgültig, er hat ohnehin
schon seit langem kein Zeitgefühl mehr. Er zieht das Gewand, dass Zadei ihm gegeben hatte,
etwas zu Recht. Wenigstens schützt es ein wenig vor der beißenden Kälte. Zum Glück ist er
ein Dämon, ein menschliches Wesen hätte bei diesen Temperaturen nicht lange überlebt.
Mit einemmal hört er Schritte durch den Gang hallen, die trotz des tosenden Sturms zu hören
sind. Ein Schauder überkommt ihn allein bei diesem viel zu vertrauten Geräusch. ER kommt
wieder. Zögernd blickt Titius nun auf und erkennt auch schon Zadeis Silhouette, die sich auf
ihn zu bewegt.
Und erkennt auch, dass dieser offenbar sehr geladen ist. Sein Gesicht spricht Bände, wahr-
scheinlich hat ihn irgendetwas in der Menschenwelt oder wo auch immer er gewesen ist, wie-
der gereizt.
"Ist irgendwas geschehen? Ihr seht nicht gerade fröhlich aus," spricht Titus ihn an.
"Selbst wenn, würde es dich interessieren?" kommt die gereizte Frage zurück. Und schon
geschieht der Fehler, der den ohnehin kochenden Zadei zum explodieren bringt.
"Nein, nicht wirklich," Titius' nebenbei formulierte Antwort, die so typisch für ihn ist, lässt
Zadei rot sehen. Wütend packt er Titius an den Schultern, zieht ihn hoch und presst ihn gegen
die Wand.
"Wenn's dich nicht interessiert, dann frag gefälligst nicht. Ich mag es nicht, wenn du dich
über mich lustig machst! Aber das treibe ich dir auch noch aus!!"
"Ich mache mich nicht lus...!" In diesem Moment ist es schon zu spät, Zadei presst seinen
Mund auf den seines Engels, fixiert derweil sein Kinn mit der linken Hand, dass er sich nicht
entziehen kann und zwängt nun seine Lippen auseinander, dringt mit der Zunge gierig in sei-
nen Mund, so dass Titius kaum noch Luft bekommt. Entsetzt kneift er die Augen zu und ver-
sucht, Zadei mit den Händen wegzustoßen, erreicht aber nur, dass der Kuss noch härter, der
Griff mit dem er festgehalten wird, noch fester wird.
Dann löst Zadei den Kuss, lässt seinen kreidebleichen Engel aber nur kurz aufatmen. Seine
rechte Klaue fährt flink über die Verschlüsse des Gewandes, das er seinem Engel gerade erst
geschenkt hat und entblößt schneeweiße Haut. Die Klaue streift nun über die nackte Haut der
Schulter, fährt den Arm entlang nach unten und wieder hoch, während er dem verzweifelt
aufstöhnenden Titius abermals einen heftigen Kuss aufzwingt. Die sich wehrenden Hände und
die flehenden Worte ignoriert er, hat nun Titius ganzen Oberkörper entblößt und drückt ihn
nun grob zu Boden.
"Zadei, nicht! Wartet!" versucht Titius es weiter, aber vergeblich. Schon spürt er den harten
Boden wieder im Rücken und dann Zadeis schweren Körper, der sich auf seinen legt, wäh-
rend dieser sein Gesicht nun in Titius' Halsbeuge vergräbt, sich in der zarten Haut festbeißt.
Erste Tränen der Verzweiflung lösen sich aus himmelblauen Augen, tropfen lautlos auf den
Eisboden. Doch Zadei bemerkt es nicht, ist zu sehr in seinen eigenen Emotionen gefangen, in
seiner Wut und gleichzeitig in seinem Verlangen. Unfähig, überhaupt noch etwas um sich
herum wahrzunehmen, nimmt er den engelsgleichen Körper in Besitz. Seine Hände erkunden
jeden Zentimeter Haut, als wäre es das erste mal, seine Lippen setzten Küsse auf den Ober-
körper.
Titius schließt die Augen, versucht, jedes Gefühl in sich abzutöten, wie er es sonst immer tut.
Doch in diesem Moment spürt er, wie eine Hand sich in seinen Haaransatz krallt und daran
zieht. Erschrocken öffnet Titius die Augen, erneut rollen Tränen des Schmerzes über seine
Wangen.
"Sieh mich an Titius! Ich will mich in deinen Augen sehen!!" herrscht Zadei ihn an, den Titi-
us aber nur noch verschwommen erkennen kann.
"Warum tut ihr das? Lasst mich gehen, bitte!" fleht Titius nun, erkennt aber mit Schrecken an
Zadeis boshaftem Lächeln, dass es genau das war, was er von ihm hören wollte.
Noch immer bedrohlich lächelnd senkt dieser nun seinen Kopf ganz nah zu Titius' Ohr herab
und flüstert: "Habe ich's nicht gesagt?! Ich habe dir doch versprochen, dass ich deinen Stolz
zerschmettern werde! Hättest nicht gedacht, das ich das schaffe, was?! Aber nun sieh dich an,
du kannst am Ende überhaupt nichts gegen mich ausrichten..." Damit beißt er Titius ins Ohr-
läppchen und lacht ein heiseres Lachen.
Titius starrt entsetzt an die Decke, wünscht sich in diesem Moment nichts mehr als den Tod.
Aber noch nicht einmal sterben kann er ohne Zadei, diese bittere Erkenntnis und die Tatsache,
dass er wirklich völlig ausgeliefert ist, bringt ihn fast um den Verstand. Dann, plötzlich,
schieben sich Hände unter seinen Rücken und die schmale Hüfte, das Gewand wird ihm voll-
ständig ausgezogen und er wird schnell und unsanft auf den Bauch gedreht. Alles geschieht,
ohne dass Titius es noch richtig realisieren kann. Seine schmalen Handgelenke hält Zadei mit
seiner Klaue über dem Kopf fest. Als er in Titius eindringt, ist dieser zu keiner Bewegung
mehr fähig, nicht mal seine Stimmbänder arbeiten noch. Unbeschreibliche Demütigung und
Panik schnüren ihm die Kehle zu. Nur ein leichtes Wimmern entflieht seiner Kehle, als Zadei
endlich nach einer schier endlosen Zeit von ihm ablässt und mit seinem ganzen Gewicht nun
auf Titius liegt, seinen Engel fest umarmt und an sich drückt.
Wieder lösen sich heisere Töne aus Zadeis Mund, ganz nah an Titius Ohr formen seine Lip-
pen Worte, die dieser mittlerweile mehr hasst als alles andere:
"Ich liebe dich."]
Schlagartig fuhr Titius hoch. Noch ganz benommen vom Schlaf, realisierte er zunächst kaum,
dass er senkrecht im Bett saß. "Nicht schon wieder" flüsterte seine tränenerstickte Stimme
wie von selbst. Er hatte die gleichen Symptome wie immer nach diesem Traum, sein ganzer
Körper zitterte wie Espenlaub, seine Haut war feucht vom Schweiß, sein Mund war trocken
und schmeckte gleichzeitig den salzigen Geschmack der Tränen. Erst langsam löste sich der
eiserne Griff der Panik, der sein Herz so fest gepackt hatte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Körper sich etwas beruhigt hatte, das Blut nicht mehr so
schnell durch die Venen raste und das Zittern so weit abgeklungen war, das Titius sich trauen
konnte, aufzustehen, ohne gleich umzukippen. Obwohl noch immer Tränen ungehalten und
still über sein Gesicht flossen, wühlte er sich aus seinem Bett und wanderte durch das Zim-
mer.
Warum musste er diesen Traum noch immer träumen? Sieben Jahre lang hatte er ihn gequält
und auch Zadeis Erwachen und die Tatsache, dass noch nichts schlimmes passiert war, hatten
nichts daran geändert.
Er versuchte, es tagsüber zu verdängen, was ihm ja auch einigermaßen gelang, nachts jedoch,
wenn er allein in seinem Zimmer war und alles um ihn herum so schrecklich still, dann konnte
er sich selber nicht entkommen.
Als er so durch den Raum schritt, kam er an seinem Kleiderschrank vorbei. Aus einem Reflex
heraus öffnete er eine der Türen davon, die er sonst selten benutze und griff nach dem Klei-
dungsstück, das dort sorgfältig aufgehängt war. Es war das Gewand, dass Zadei ihm damals
geschenkt hatte. Es war völlig fleckenlos, dass Weiß des mantelartigen Überwurfs strahlte
noch immer so hell wie am ersten Tag. Nie hatte Titius sich dazu durchringen können, es
wegzuschmeißen, wobei ein Teil in ihm es am liebsten verbrannt hätte. Aber dieser Teil war
in dieser Beziehung seltsamerweise nicht der Stärkere.
Traurig schüttelte Titius den Kopf und hängte es wieder zurück. Nachdem er den Schrank
wieder verschlossen hatte, schritt er auf den kleinen Balkon dieses Raumes zu, öffnete die
Vorhänge und Tür und trat hinaus in die kühle Nachtluft. Ein leichter Wind wehte und spielte
etwas mit seinen Haaren und dem ebenfalls schneeweißen Nachtgewand.
So stand er da, wie so oft in den Nächten, in denen er von Alpträumen der Vergangenheit ge-
quält wurde und sah gedankenverloren in die Finsternis, noch immer Tränen in den Augen.
Und ihm wurde klar, dass Zadei nicht nur von seinem Körper Besitz ergriffen hatte, sondern
auch von seiner Seele. Irgendwie war er immer allgegenwärtig, in irgendeiner Form war er
immer in Titius Gedanken. Und es war nicht immer so schlecht wie in diesen Nächten.
Manchmal kamen ihm auch ganz einfach so irgendwelche anderen Szenen ins Gedächtnis.
Die Umarmung von Zadei, kurz vor seinem Abschied, sein Gesicht, als Titius ihm den Ring
geschenkt hatte oder der Moment, in dem Zadei den Arm verlor, als er sich schützend vor
Laures Attacke vor Titius warf.
So viel Titius auch darüber nachdachte, er kam zu keinem Ergebnis. Zu sehr fühlte er sich
zwischen den unterschiedlichen Gefühlen hin- und hergerissen. Wie konnte Zadei sich nur
seiner Gefühle immer so sicher sein? Wie konnte er immer noch behaupten, Titius zu lieben,
nach allem was geschehen war, nach all der Zeit? Aber selbst wenn es eine Antwort auf alle
von Titius' Fragen gab, wollte er sie überhaupt wissen?
*************
Dichtes Stimmengewirr erfüllte den Raum. Der ganze Hofstaat war im Ballsaal versammelt.
Zadei rümpfte die Nase, als er den Raum betrat. "Bälle" -so etwas hatte es zu seiner Zeit hier
im Dämonenschloss nicht gegeben. Man sah ziemlich deutlich, dass in den letzten Jahren mit
Hilda die weibliche Note hier Einzug gehalten hatte. Kein Wunder, wo Laures ihr wie ein
verliebter Trottel noch immer jeden Wunsch von den Augen ablas. Besagtes Paar saß im Üb-
rigen ganz hinten im Saal auf zwei goldenen Thronen. Zadei hätte kotzen können, wie er die
beiden sah.
Aber er unterdrückte seinen Würgreiz und bemerkte, dass heute nicht wirklich dass Königs-
paar im Mittelpunkt stand, sondern der nun 7jährige Nachwuchs. Klein-Sherril stand in einem
dunkelgrünen Seidenkleid, mit aufwendigem Faltenwurf und jeder Menge Nippes be-
schmückt, auf den Stufen zum Thron und ließ sich gerade beschenken. Titius stand bereits
neben ihr und beobachtete sie mit einem Lächeln.
Langsam schritt Zadei auf sie zu. Eigentlich hatte er keine Lust auf das Getue hier, aber ver-
dammt, wie sollte man denn in Ruhe in seinem Zimmer hocken und Trübsal blasen, während
hier ein rauschendes Fest stattfand?!
Als er näher kam und Sherril ihn erspähte, fing sie heftig an zu winken und als er in Hörweite
war, drehte sie sich kurz zur Seite und hob vom Geschenktisch neben sich einen Gegenstand,
den sie mit einem Grinsen wild hin und her schwenkte. "Guck mal Zadei, guck mal was ich
von Titius geschenkt bekommen habe!" Ihr Grinsen hätte fast einmal um den Kopf herum
gereicht, wären die Ohren nicht im Weg gewesen, als sie stolz verkündete: "Er hat mit ein
Schmuckkästchen geschenkt, ist das nicht hübsch!" Wild fuchtelte sie damit Zadei unter der
Nase herum.
"Ja, ganz toll, ich bin begeistert," ließ dieser nur in sarkastischem Tonfall verlauten, als er
Titius missbilligenden Blick auf sich fühlte.
"Und was hast du für mich? Was, sag schon?" kam die hibbelige Frage.
"Was sollte ich schon für dich haben, hä?"
"Ach komm, du musst doch was für mich haben, sag schon." Alles was recht war, da die
Kleine sonst schon so hyperaktiv war, wirkte sie heute, als stünde sie unter Drogen. Erwar-
tungsvoll sah sie ihn mit riesigen Kulleraugen an, dass er schon Angst hatte, sie würden ihr
gleich herausfallen und zu seinen Füßen landen.
Zadei grummelte etwas Unverständliches, sah kurz zu Titius, den Eltern, die Kleine, wieder
Titius, die Kleine... wurde rot um die Nasenspitze und kramte aus seiner Hosentasche etwas
Kleines hervor und legte es mit seiner riesigen Dämonenklaue in die kleine Kinderhand.
Verwundert führte das Mädchen den Gegenstand näher ans Gesicht und betrachtete ihn ein-
dringlich. Es war ein Stein. Ein seltsam aussehender heller Stein, ganz glatt und etwas mil-
chigtrüb. In ihrem Gesicht stand ein großes Fragezeichen geschrieben.
"Bist du blöd oder was?! Du musst ihn ins Licht halten," grummelte Zadei nun endgültig ner-
vös, die Blicke, die ihn aufgrund seines herben Ausdrucks der Prinzessin gegenüber trafen,
ignorierte er.
Die Prinzessin selber schien es im Übrigen auch nicht im geringsten zu stören.
Sherril hielt nun den Stein gegen das Licht einer nah stehenden Kerze und... staunte nicht
schlecht, als das Licht sich brach und der Stein es in tausend bunte, leuchtende Farben ver-
wandelte. Es war wie ein kleines Feuerwerk, die unterschiedlichen Farbtöne schillerten jedes
mal anders, wenn sie den Stein nur einen Millimeter anders ins Licht hielt. Es war faszinie-
render als ein Prisma es jemals sein könnte.
Mit offenem Mund starrte sie in das Lichtspiel in ihrer Hand.
"Hab ihn zufällig in der Nähe eines Drachennestes gefunden. Es ist die versteinerte Schuppe
eines weißen Drachen, die gibt's heut nur noch selten," murmelte er kaum hörbar, wand sich
dann augenblicklich um und steuerte eine Tisch an, auf dem prall gefüllte Weinkaraffen auf
ihn warteten. Jetzt brauchte er Alkohol! Er hätte selbst nicht gedacht, dass er das hier tatsäch-
lich tun würde. Obwohl er genau wusste, dass er in dem Moment, in dem er das seltene Stück
gefunden hatte, als erstes an den Geburtstag von Sherril gedacht hatte. Das konnte doch alles
nicht wahr sein!
Das Geburtstagskind hingegen fing an, in die Luft zu springen und hüpfte auf ihrem Platz
herum vor Freude, als sie Zadei ein lautes "Daannnkeeeeee!" hinterher rief. Vermutlich wäre
sie ihm sogar noch hinterher gerannt um ihm um den Hals zu fallen, aber im rechten Moment
kam Zadeis Rettung, der schon dabei gewesen war, eine Fluchtroute durch den Saal festzule-
gen. Die Rettung kam in Form von Musik. Ja Musik. Die Kapelle spielte einen Walzer auf
und die Paare, darunter auch das Königspaar, schritten zur Tanzfläche.
Und während Zadei schon wieder ein Würgreiz überkam, fing die kleine hyperaktive Prinzes-
sin vor Freude fast an, zu hyperventilieren. Quietschend griff sie nach Titius Robe, der noch
immer hinter ihr stand und zog quengelnd daran. Zadei konnte von seinem Standort, am Tisch
mit den Getränken in einer Ecke des Saales, zwar nicht verstehen, was sie sagte, konnte es
sich aber lebhaft vorstellen, als der Dämonenengel sie nun schließlich an der Hand nahm und
sie zur Tanzfläche geleitete, wo sie zu tanzen begannen. Obwohl Sherril nur halb so groß war
wie er und er sich deshalb etwas runterbeugen musste, sahen beide auf ihre Weise sehr ele-
gant aus.
Sherril strahlte über das ganze Gesicht, hatte offenbar wieder ihren "elegant und geschmei-
dig"-Modus eingeschaltet und stand trotz ihres kindlichen Körpers ihrer Mutter in nichts nach,
die im übrigen mit Laures ebenfalls über die Tanzfläche schwebte und gemeinsam mit ihrem
Mann über ihre Tochter lächelte.
Zadei lehrte sein Weinglas, dass er gerade in der Hand hatte, mit einem Zug und griff sich das
nächste. Dieses romantische Gesülze war wirklich zu widerlich! Wenn er sich an die früheren
Feste in diesem Dämonenschloss erinnerte, die mehr als Gelage oder Orgien zu bezeichnen
waren, konnte er kaum seinen Augen trauen.
Er wendete seinen Blick wieder Titius zu, der für ihn der größte Blickfang im Saal war. Seine
weißen Flügel waren weit ausgebreitet und schienen das Licht der Kronleuchter zu reflektie-
ren. Gelegentlich löste eine schneeweiße Feder daraus und tanzte schwebend zu Boden. Sie
sahen aus wie Schneeflocken. Versunken betrachtete Zadei das Schauspiel und ohne, dass er
es bewusst registrierte, wanderten ein drittes und ein viertes Glas Wein in seinen Magen.
Ein fünftes folgte, die Musik wechselte zu einem anderen Stück, beim sechsten waren seine
goldenen Augen zu Titius lächelndem Gesicht weitergewandert. Wann hatte er jemals die
Gelegenheit gehabt, ihn so zu sehen? Die hellen blauen Augen waren mild, zeigten echte Zu-
neigung, eine Art väterliche Liebe zu dem kleinen Mädchen. Ein siebtes, ein achtes Glas, Za-
dei hörte auf zu zählen.
Er wurde zunehmend verdrossener. Warum war es für andere so leicht, Titius Zuneigung zu
erringen, nur ausgerechnet für ihn unmöglich? Was dachte Titius denn nun über ihn? Auf der
einen Seite hatte er ihn nicht töten lassen, sondern ließ ihn hier im Schloss bei ihm leben, auf
der anderen Seite sprach er kaum mit ihm, ging ihm aus dem Weg, fühlte sich in seiner Ge-
genwart offensichtlich unwohl. Wollte er Zadei nun loswerden oder nicht? Oder war das gan-
ze gar einer seiner raffinierten Pläne, wollte der intrigante Dämonenengel sich vielleicht an
ihm rächen und heckte irgendetwas aus?!
Zadeis Gesicht verfinsterte sich, während er ein weiteres Glas Wein an seine Lippen führte.
*************
Es war schon weit nach Mitternacht, als Sherrils schier unerschöpfliche Kräfte doch endlich
nachließen; dafür geschah es aber schlagartig. Vollkommen erschöpft vom vielen Tanzen und
Feiern nickte sie auf ihrem Platz ein. Titius bekam den Auftrag, sie ins Bett zu bringen und so
hob er sie sanft auf die Arme und trug das schlafende Mädchen aus dem Saal und brachte sie
in ihr Zimmer, dass auf der anderen Seite des Schlosses lag. Da fast der ganze Hofstaat im
Ballsaal versammelt war, waren die Flure wie leergefegt und dunkel und auch die laute Musik
wurde immer leiser, je weiter sie sich entfernten, bis schließlich Stille um Titius und das
schlafende Mädchen herrschte.
In ihrem Zimmer angekommen zog er sie vorsichtig bis auf ihr Unterkleid aus und legte sie
vorsichtig in ihr Bett, immer darauf bedacht, sie nicht zu wecken. Als er sie zugedeckt hatte,
löschte er die Kerzen und verließ das Zimmer. Leise schloss er die Tür hinter sich und trat
langsam auf den dunklen und stillen Flur hinaus, der nur ein wenig vom Mondlicht erhellt
wurde, das durch die Fenster hinein schien.
Deswegen erschrak er umso mehr, als er im Augenwinkel plötzlich etwas aufblitzen sah.
Schnell wandte er sich in die entsprechende Richtung, als er auf einmal ein goldenes Augen-
paar erkannte, dass ihn fixierte, so wie ein Raubtier seine Beute fixiert, scheinbar in völliger
Ruhe, aber dennoch jederzeit sprungbereit.
Titius hielt unwillkürlich den Atem an, als er sich nach dem ersten Schreck dem Bann der
feuersprühenden Augen entziehen konnte und nun Zadeis Konturen ausmachen konnte. Was
machte er hier? Titius war die ganze Sache irgendwie unheimlich.
"Zadei-sama, ihr seid es! Ich habe mich richtig erschreckt." Er bemühte sich, seine Stimme so
kühl wie möglich klingen zu lassen.
"Oh, entschuldige Titius. Das lag gewiss nicht in meiner Absicht." Obwohl diese Worte so
harmlos waren, klang jedes einzelne wie eine Drohung. Zadeis Stimme glich einem grollen-
den Vulkan, von dem man zwar wusste, dass er ausbrechen würde, aber nicht wann. Langsam
wurde die Situation Titius mehr als unbehaglich.
"Wenn... wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich bin müde und würde mich gerne zurück-
ziehen," versuchte er es höflich wie immer, allerdings mit etwas fahriger Stimme.
Das Element von Dämonen ist die Dunkelheit. Freilich, auf Titius traf dies nicht gerade zu.
Die Helligkeit seiner Haut, das silbrig-weiße Leuchten seiner Flügel, Haare und Kleidung
reflektierte selbst das wenige Licht, das es hier gab, so dass er selbst schon wie eine Licht-
quelle wirkte.
Aber bei Zadei war es anders. Als er sich nun langsam auf Titius zu bewegte, schien er mit
den Schatten zu verschmelzen, die über ihn hinweghuschten. Einzig seine Augen stachen her-
vor, den Rest seines Gesichtes sowie dessen Ausdruck konnte Titius nicht erkennen. Instink-
tiv wich er zurück.
"Ich glaube dir, dass du müde bist. Aber ein paar Minuten wirst du doch noch Zeit haben für
mich, oder? Ich möchte mich nur etwas mit dir unterhalten, das ist alles." Titius wich noch
weiter zurück, je näher Zadei kam, bis er plötzlich den kalten Stein der Mauer in seinem Rü-
cken fühlte.
"Es wird wohl kaum so wichtig sein, dass wir das nicht auf morgen verschieben könnten, o-
der?" Mit diesen Worten wollte Titius sich rasch wegdrehen und gehen, aber augenblicklich
versperrte ihm ein Arm links neben seinem Kopf den Weg. Als er sich nun nach rechts wand-
te, stemmte sich auch hier ein Arm gegen die Mauer und Titius war zwischen ihnen gefangen.
Schockiert blickte er in die Katzenaugen direkt vor ihm.
"Oh nein, diesmal läufst du nicht weg, mein Engel. Ich will jetzt endlich wissen, was los ist.
Glaubst du, das hier ist ein Spiel? Glaubst du, ich lebe jetzt einfach so die nächsten paar Jahr-
hunderte neben dir her, als wäre nichts?! So naiv kannst nicht mal du sein. Immerhin habe ich
dir gesagt, was ich fühle, nicht war?"
"Lasst mich in Ruhe, wenn Laures-sama das erfährt, da..."
"Unser lieber Laures-sama ist jetzt leider nicht hier, der ist vermutlich momentan mit seiner
verehrten Gemahlin beschäftigt, im Schlafgemach, wenn du verstehst, was ich meine. Er kann
dir jetzt nicht helfen und ich lasse dich nicht eher gehen, bis du mir geantwortet hast." Zadeis
Stimme war ruhig, gefährlich ruhig, was Titius fast noch mehr Angst machte, als wenn er ihn
einfach wie sonst anschrie. Seine Augen funkelten noch immer in der Dunkelheit, die lange
Narbe über dem einen Auge war in einen dunklen Schatten gehüllt.
Titius Herz begann schneller zu schlagen. Was sollte er tun? Zadei schien es wirklich ernst zu
meinen.
Aber was sollte er Zadei antworten? Er wusste doch selbst nicht, was er erwartete oder wie er
selber zu dem schwarzhaarigen Dämonen stand. Innerlich völlig zerrissen, schwieg er betre-
ten, so dass die Stille zwischen ihnen fast zu knistern begann.
Zadei hingegen, der ungeduldig auf ein Wort seines Engels wartete, interpretierte Titius'
Schweigen auf seine Weise.
Seine Augen begannen auf einmal noch mehr zu glühen, was Titius mit Schrecken feststellte.
Er zuckte zusammen, als sich plötzlich Zadeis Klaue auf seine Wange legte. Schnell wollte
Titius sie von sich wegschieben, aber blitzschnell hatte Zadei mit seiner linken Hand Titius
Rechte gepackt und so heftig gegen die Wand geschlagen und dort festgenagelt, dass Titius
erschreckt aufstöhnte. Jetzt hatte er nur noch die eigene linke Hand frei, womit er nicht viel
gegen Zadeis Klaue ausrichten konnte, die nun sein Kinn fest umklammert hielt.
"Glaubst du wirklich, du kannst deine Spielchen mit mir treiben? Ich habe mich einmal von
dir für dumm verkaufen lassen, Titius. Aber das wird mir nicht noch einmal passieren!" Mit
dem Daumen seiner Kralle fuhr Zadei nun über Titius Wange, sein Nagel hinterließ dabei
einen feinen Streifen, aus dem nach einigen Sekunden Blut quoll.
Schockiert hielt Titius den Atem an, als er fühlte, wie die warme Flüssigkeit seine Wange
hinunterlief.
Was sollte er tun? War er denn nicht mal im Schloss seines mächtigen Herrn vor Zadei si-
cher? Aber Laures war doch auch hier im Schloss, Zadei konnte ihm nichts anhaben. Sollte er
schreien? Aber nein, Titius besann sich und erkannte mit Schrecken, dass Zadei recht hatte.
Laures würde ihn nicht hören, niemand würde es, denn alle waren beim Ball, sie waren in
diesem Teil des Schlosses völlig abgeschnitten von all dem Trubel. Das einzige Lebewesen in
Hörweite wäre Sherril in ihrem Zimmer.
Aber das war dass letzte, was der weißhaarige Dämon gewollt hatte: Sherril da mit hinein zu
ziehen, ihr den Anblick dieser Szene hier anzutun. Wieder war Titius ganz allein auf sich an-
gewiesen.
"Ich weiß nicht, was euer krankes Hirn sich wieder zusammen spinnt, aber ich treibe keine
Spielchen," antwortete mit versucht kalter Stimme, dennoch zitterte sie, was Zadei sehr wohl
bemerkte.
"So, langsam kannst du ja doch wieder Emotionen zeigen. Seit meinem Erwachen hast du mir
nur die kalte Schulter gezeigt, dabei war ich mir damals sicher gewesen, dir diese verdammte
Arroganz ausgetrieben zu haben!" Mit dem Daumen wanderte er nun weiter zu Titius' Mund,
fuhr die schmalen, aufeinander gepressten Lippen langsam nach.
Der Dämonenengel versuchte den Kopf zu entziehen, die Dämonenklaue hielt ihn jedoch in
eisernem Griff. Wieder kamen ihm die Erinnerungen an damals in den Sinn. Es war schon
wieder alles genauso wie damals. Und genau davor hatte er am meisten Angst gehabt. Er
fühlte, wie sein Herz sich zusammenkrampfte und ihm die Tränen in die Augen stiegen. Wie
weit würde Zadei gehen, er würde doch nicht...?
"Ja, vielleicht ist es so, wie ihr sagt, vielleicht hasse ich euch ja wirklich, vielleicht will ich
mich ja wirklich an euch rächen, vielleicht habe ich mir ja schon einen Plan zurechtgelegt!
Vielleicht will ich mich rächen für all das, was ihr mir angetan habt, für all die seelischen und
körperlichen Demütigungen, die ihr mir angetan habt! Dafür, dass ihr mich soweit gebracht
habt, euch anzuflehen mich zu töten!", schrie Titius ihn nun mit dem Mut der Verzweiflung
an, "Und wenn es so ist, was wollt
ihr dann machen, wollt ihr mich wieder mitnehmen, mich in einer Eiswüste einsperren?! Ist es
das, was ihr wollt?! Ist das die einzige Lösung, die ihr parat habt?!!!" Fast wie ein Echo hallte
Titius Stimme durch die Gänge, er selbst bemerkte kaum, wie sehr er schrie und wie ihm da-
bei Tränen in Strömen die Wangen hinunterliefen. Er hatte das alles nie wieder aussprechen
wollen, hätte es am liebsten für immer totgeschwiegen. Aber nun war es zu spät.
Für einen Moment stand Überraschung über Titius' Ausbruch in Zadeis Gesicht geschrieben.
Aber nach Sekunden verfinsterte sich sein Ausdruck wieder.
"Ja, du hast recht. Am liebsten würde ich dich wieder einsperren, irgendwo weit weg von al-
len anderen und vor allem von Laures. Ich will dich wegsperren von allen Wesen, denen du
auch nur ein Lächeln schenkst! Ganz tief in einen Kerker, wo niemand dich sieht, wo niemand
außer mir sich in deinen Augen spiegelt... Ich würde am liebsten ohne mit der Wimper zu
zucken jedes Wesen töten, das sich dir auch nur auf hundert Meilen nähert!" Die scharfe
Stimme Zadeis ließ Titius zu Eis gefrieren. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Zadei nur
an, der nun mit etwas leiserer Stimme weiter sprach.
"Aber das kann und werde ich nicht tun. Jedoch nicht wegen Laures und seinen Drohungen,
nein. Ich bin vielleicht nicht besonders schlau oder lernfähig, aber ich will nicht, dass es noch
einmal so endet wie damals... Wer von uns beiden trägt mehr Schuld dafür, dass es soweit
kam? Wer von uns hat den entscheidenden Fehler gemacht und was war es für einer?" Plötz-
lich wurde Zadeis Stimme sanfter, er ließ seine Klaue nun hoch wandern zu Titius Haaran-
satz, wo er liebevoll eine der seidenen Strähnen zwischen seine Finger nahm und vorsichtig
an ihr entlang strich. Titius sah ihn immer noch tränenüberströmt an, konnte den plötzlichen
Wandel in Zadei nicht ganz verstehen, der nun fort fuhr zu sprechen, nachdem seine Fragen
eine Zeit zwischen ihnen in der Luft geschwebt hatten
"Ich kann es nicht sagen, egal wie viel ich darüber nachdenke. Wahrscheinlich gibst du mir an
allem die Schuld und vielleicht hast du recht. Und das schlimme ist, dass ich die Vergangen-
heit nicht ändern kann. Aber vielleicht gibst du mir ja noch eine Chance? Ich kann nicht in
deinen Kopf gucken, weiß auch nicht, was du gerade denkst. Vielleicht, nein, wahrscheinlich
hasst du mich jetzt sogar mehr als jemals zuvor und schmiedest weiter deine Rachepläne. A-
ber ich gebe trotzdem nicht auf. Ich werde es solange versuchen, bis du mich mit eigenen
Händen tötest! Erst dann geben ich auf."
Ohne eine Reaktion von Titius abzuwarten, der ohnehin noch zu perplex und schockiert
zugleich war, um irgendetwas zu sagen, zog Zadei dessen Gesicht nun zu sich heran, ließ die
rechte Hand des Dämonenengels wieder frei, nahm seine eigene linke Hand noch zur Hilfe,
um das tränenüberströmte Gesicht in beide Hände zu nehmen und die schmalen Lippen zu
küssen.
Stille und die Dunkelheit senkten sich für einige Sekunden über sie, die Titius wie die Ewig-
keit vorkamen. Seine Glieder waren schlaff und bewegungsfähig, er fühlte sich, als hätte man
ihm jeden Funken Energie entzogen. Darum ließ er es einfach geschehen, nahm es nur noch
wie durch eine Art Schleier war. Dann löste Zadei ihre Lippen voneinander, ließ auch Titius
Gesicht los und ging einen Schritt nach hinten. "Das ist alles, was ich dir sagen wollte."
Kurz sah er mit einem undefinierbaren Blick Titius noch einmal von oben bis unten an, wand-
te sich aber dann ohne ein weiteres Wort um und verließ Titius so lautlos wie er gekommen
war.
Noch eine ganze Weile, nachdem Zadeis Schritte in den langen Fluren verklungen waren,
starrte Titius, unbeweglich an die Wand gelehnt, ins Leere. Das Blut aus dem Schnitt an der
Wange tropfte leise zu Boden, aber selbst dieses Geräusch war laut genug, um Titius aufhor-
chen zu lassen und ihn aus seiner Trance zu reißen. Zadei war weg, er war allein. Und nichts
war geschehen, der Dämon hatte ihm nichts angetan. Ein Zittern durchlief seinen Körper, als
die Anspannung sich mit einemmal löste.
Mit einer Hand befühlte er seine Wange, wo soeben noch Zadeis Hand gelegen hatte und ließ
sich langsam an der Wand entlang zu Boden sinken, bis er schließlich mit angewinkelten
Knien auf dem kalten Boden saß. Dann verschränkte er die Arme auf den Knien und vergrub
den Kopf darin, als er anfing, hemmungslos zu schluchzen. Ganz für sich allein ließ er seiner
ganzen angestauten Angst und Ratlosigkeit freien Lauf. Er konnte es nicht verhindern, für
diesen Moment hatte seine eiserne Selbstdisziplin ihn völlig verlassen. Die Tränen kamen
einfach von allein, sein Körper zitterte wie unter Krämpfen.
Wie lange er so da saß, wusste er nicht.
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So in seinem Gefühlsausbruch versunken, merkte er nicht, wie sich hinter einer Ecke am Ende
des Flures hinter einer Säule geräuschlos ein Schatten von der Wand löste. Violette Augen
blickten etwas besorgt in Titius Richtung. Dann jedoch wandte sich Laures um und ver-
schwand leise wie ein Geist, so lautlos und unscheinbar, wie er gekommen war. Mit langsa-
men Schritten machte er sich auf den Weg zurück in seine und Hildas gemeinsame Gemächer
und ließ Titius allein zurück, der ihn nicht einmal wahrgenommen hatte.
Die Szene, die Laures beobachtet hatte, gab ihm zu denken, beruhigte ihn aber trotzdem, weil
sie in sein Szenario passte. Es war durchaus eine positive Entwicklung in Zadei vorgegangen,
seiner Meinung nach. Das hatte er auch erwartet, jedoch zeichnete sich Zadei durch seine be-
rechenbare Unberechenbarkeit aus, weswegen Laures ihn seit seinem Erwachen immer heim-
lich beobachten ließ, manchmal auch selber diese Aufgabe übernahm. Ansonsten hätte er na-
türlich niemals zugelassen, dass Sherril einfach so Kontakt zu ihm aufnahm. Was seine ge-
liebte Familie anging, ging er nicht das geringste Risiko ein. Hätte Zadei auch nur ansatzwei-
se versucht, seiner Frau oder Tochter ein Haar zu krümmen, Laures hätte ihn mit einem Fin-
gerzeig endgültig ins Jenseits befördert.
Aber mittlerweile war er sich sicher, dass Sherril keine Gefahr seitens des Dämonengenerals
drohte. Zadei war nämlich durchaus in der Lage, jemanden zu mögen. Und Sherril mochte er
in jedem Fall, auch wenn der temperamentvolle Dämon jedem an die Kehle springen würde,
der das laut aussprach.
Einzig um Titius machte Laures sich Sorgen. Darum war er Zadei auch gefolgt, als dieser
kurz nach dem der Engelsdämon mit Sherril gegangen war, ebenfalls aus dem Saal ver-
schwunden war. Laures hatte Zadei schon den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen
und als dieser so kurz entschlossen und dazu noch angetrunken verschwand, hatte er sich doch
ein wenig Sorgen gemacht.
Dank seiner verstärkten Kräfte war es ihm ein leichtes gewesen, seine Aura so zu verhüllen,
dass nicht einmal Zadei ihn bemerken konnte. Die ganze Zeit hatte er sich dann im dunklen
verborgen gehalten und einfach nur beobachtet, allerdings bereit, jeden Augenblick einzugrei-
fen, falls Zadei zu weit gehen sollte. Zadei hatte wirklich etwas von einem Barbaren, dachte
Laures bei sich, aber er war der einzige, der wirklich an Titius herankommen konnte.
In den letzten Jahren hatte Titius sich sehr verschlossen. Er investierte wohl all seine Kraft
dafür, so zu wirken, als hätte er alles Geschehene völlig vergessen. Aber Laures kannte seinen
engsten Vertrauten zu gut, um nicht zu merken, wie sehr die Vergangenheit an ihm nagte, ihn
langsam von innen zerfraß. Aber nicht einmal Hilda, mit der Titius sich mittlerweile so über-
aus gut angefreundet hatte, kam an ihn heran, was seine schöne Frau sehr mitnahm.
Und ihm selber gegenüber würde Titi sich niemals öffnen, das verbot sein Stolz ihm wohl.
Aus diesem Grund hatte Laures sich auch jetzt bei ihm nicht bemerkbar gemacht. Auch wenn
ihm unwohl dabei war, Titius in seiner Verfassung allein zu lassen; hätte er sich ihm gezeigt,
hätte er dessen Leid noch dadurch verschlimmert, dass Titi auch noch Scham und Demüti-
gung gegenüber seinem Herrn ertragen musste. Titius war einfach zu stolz, er hätte den Ge-
danken nicht ertragen können, dass Laures diese ganze Szene mit Zadei gesehen und gehört
hatte und ihn nun in Tränen aufgelöst am Boden fand.
Also konnte der Dämonenkaiser nur die Rolle des stillen Beobachters einnehmen. Aber er
fühlte sich in seiner Annahme, dass es doch noch Hoffnung für Zadei gab, durchaus bestätigt.
Nun gut, Zadei hätte bei Titius beinahe einen Herzinfarkt verursacht und während der ganzen
Szene, hatte Laures mehrmals befürchtet, Titi würde zusammenbrechen, aber offenbar war es
genau diese Art von Zadei, mit der er Titi aus der Reserve locken konnte. Auch wenn dieser
jetzt verzweifelt schien, immerhin war er wieder fähig, seinen Emotionen freien Lauf zu las-
sen. Das würde auf Dauer bestimmt eine erste Erleichterung für ihn sein.
Trotzdem würde Laures auch in Zukunft wachsam bleiben, beschloss er für sich. Ansonsten
konnte er nichts tun, außer abzuwarten, wie sich die Sache entwickeln würde. Es hing alles
davon ab, ob Zadei Titi dazu bringen konnte, über seinen eigenen Schatten zu springen.
Mit dieser Erkenntnis erreichte Laures das Schlafgemach, in dem Hilda schon auf ihn wartete.
Als er die goldene Klinke drückte, entschloss er sich, diese Gedanken nun zu vertreiben und
sich angenehmeren Dingen zuzuwenden, wie zum Beispiel seiner wunderschönen Frau, die
ihn wie immer mit offenen Armen und einem warmen Lächeln empfing. Ja, hier war er zu
Hause.
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