Die Sonne stand hoch am Himmel und Zadei war schon seit Stunden mit seiner Arbeit bei den
Drachenställen im Schloss beschäftigt. Gerade war er dabei, die Stallungen zu inspizieren und
erste Überlegungen zu unternehmen, wie sie die Ställe am besten erweitern konnten, da er
geplant hatte, die Drachenkompanie zu vergrößern und zu verstärken, als eine Seitentür zu
dem riesigen Gebäude sich öffnete und ein bekannter, schwarz gelockter Haarschopf zum
Vorschein kam.
Zadei stand mit dem Rücken zu dieser Tür, aber als er sie sich öffnen hörte, brauchte er sich
nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, wer der Störenfried war.
"Guten Morgen. Na, hat unsere erlauchte Prinzessin ihren Schönheitsschlaf aus und geruht
nun, ihrem ergebenen Untertanen mal wieder auf den Sack zu gehen?" murmelte Zadei sar-
kastisch. So kaputt, wie die kleine Nervensäge gestern gewesen war, hätte sie doch mindes-
tens zwei Tage durchschlafen müssen. Das hatte er zumindest gehofft.
"Titius sagt immer, ich bin von Natur aus schön genug und brauche deswegen keinen Schön-
heitsschlaf," erwiderte die Kleine wie immer gelassen und Zadeis Wortwahl gänzlich ignorie-
rend. Sie hatte sich mittlerweile dran gewöhnt, Zadei war halt immer so.
"Titius sagt das also? Er sollte aufhören mit diesem Gesülze, das macht mich ganz krank."
Erwiderte Zadei etwas gereizt. Musste das Thema ihn schon wieder einholen? Was für ein
Scheißtag, er hatte seit dem Morgen eine unglaublichen Kater und jetzt musste auch noch die
Göre auftauchen und ihn an das Thema erinnern, dass er die ganze Zeit schon zu verdrängen
suchte.
Sherril trippelte an ihm vorbei, kletterte dann auf einen großen Strohballen an der Wand, ließ
die Beinchen hinunterbaumeln und sah Zadei seltsam an.
"Weißt du, du solltest wirklich etwas netter über Titius reden. Irgendwie scheint es ihm heute
nicht so gut zu gehen. Und er hat auch eine Verletzung an der Wange. Ich habe, das Gefühl,
irgendetwas stimmt nicht mit ihm in letzter Zeit. Er sieht so traurig aus..."
"Hat er irgendwas zu dir gesagt?" fragte Zadei plötzlich ein bisschen panisch. Wenn Laures
von der Sache gestern etwas erfuhr, konnte es durchaus sein, dass er ihn endgültig verbannte...
Er war eigentlich davon ausgegangen, dass Titius die Sache für sich behielt. Mittlerweile
meinte er den Engelsdämon gut genug zu kennen, um zu wissen, wie er sich verhalten würde.
Aber Sherril schüttelte nur den Kopf, dass die Zöpfe durch die Luft wirbelten.
"Nein, Titius sagt nie etwas, wenn ich ihn frage. Er spricht nie viel über sich. Als ich ihn nach
der Wunde gefragt habe, hat er gesagt, er hätte sich versehentlich geschnitten..." Sherril hatte
die ganze Zeit im Raum umhergeblickt und es war wohl Zufall, dass ihr Blick genau während
des letzten Satzes Zadeis Dämonenkralle streifte, an der ihre violetten Augen plötzlich hängen
blieben. Ein nachdenklicher Ausdruck legte sich über ihr Gesicht, sie schien zu grübeln, als
sie die spitzen Krallen betrachtete.
Zadei wurde das überaus unangenehm und unwillkürlich zog er seine Klaue etwas zurück, so
dass sie halb von seiner Hüfte verdeckt wurde. Nach ein paar Minuten Stille, in denen Sherril
kein Wort gesagt hatte und immer noch nachzudenken schien, startete Zadei nun einen ver-
zweifelten Ablenkungsversuch, der diese peinliche Stille unterbrechen sollte.
"Warum bist du eigentlich gekommen? Ich habe viel zu tun. Wir haben einen neuen Jungdra-
chen, den wir aufziehen müssen, da er verletzt war, als wir ihn fanden."
Sherril wurde sofort hellhörig. "Was, ihr habt einen Jungdrachen hier? Darf ich den mal se-
hen? Oh Bittebittebitte!" fragte sie direkt aufgeregt.
"Na ja, ich weiß nicht, der Drache ist zwar schon fast gezähmt, aber du würdest dir sowieso in
die Hosen machen, du traust dich bestimmt nicht auf zehn Meter an ihn ran..." meinte Zadei
mit übertrieben herablassender Stimme. Doch Sherril sprang sofort drauf an. Aufgeregt
sprang sie von dem Strohballen runter und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
"Doch, doch, ich traue mich ganz bestimmt! Bitte lass mich den Jungdrachen sehen, ja?
Nimm mich bitte mit, ja?!" quengelte sie und Zadei atmete innerlich erleichtert auf. Die Klei-
ne war tatsächlich drauf reingefallen! Sie hatte ihre Gedanken von eben wahrscheinlich schon
wieder völlig vergessen.
"Na gut, wenn's denn sein muss und du danach aufhörst, mich zu nerven. Also komm mit."
Er durchquerte die weitläufigen Stallungen und während Sherril aufgeregt und mit großen
Augen neben ihm her trippelte, begann er zu erzählen, um ihre Aufmerksamkeit bloß nicht
wieder abschweifen zu lassen:
"Wie du wahrscheinlich weißt, befinden sich hier im Schloss nur die gezähmten Drachen. Es
sind gerade so viele, dass die Drachenritter mit ihnen bei einem spontanen Angriff gut genug
gewappnet sind, um das Schloss zu verteidigen. Aber die Trainingsgelände für die Drachen
befinden sich weit außerhalb des Schlosses, damit nichts passiert, wenn beim gefährlichen
Zähmen und Trainieren wilder Drachen etwas schief geht. Und die Gefahr besteht ja immer.
Aber bevor wir sie Zähmen können, müssen wir sie erstmal einfangen. Das ist eine sehr ge-
fährliche Sache, deshalb versuchen wir sie nach Möglichkeit direkt nach dem Schlüpfen zu
fangen. Deshalb ist es wichtig, die Drachennistplätze zu kennen, die es überall in der Makai
gibt..."
"Nistplätze? Du meinst, wo die Dracheneier liegen, aus denen dann die Babys schlüpfen?
Aber woher wisst ihr denn, wo die sind?" Sherrils Wangen glühten vor Aufregung, so dass
Zadei fast schon versucht war, zu schmunzeln, was er im letzten Moment zum Glück noch
verhindern konnte. Dieses kleine Biest!
"Na ja, wenn durch Zufall Nester entdeckt werden, tragen wir sie in Karten ein. Und wir ha-
ben schon Jahrhunderte alte Karten, auf denen die Drachennistplätze verzeichnet sind. Weißt
du, Drachen pflegen immer wieder an ihren eigenen Geburtsort zurückzukehren und dort auch
selbst zu nisten."
"Und wo sind diese Karten?" fragte das Mädchen weiterhin aufgeregt.
Zadei wunderte sich in der Tat ein wenig, dass sie das interessierte, dachte sich aber weiter
nichts dabei und gab ihr Auskunft: "Die befinden sich bei den anderen Aufzeichnungen über
die Drachenzucht in der Bibliothek." In diesem Moment hatten sie das letzte Stallungsgebäu-
de erreicht und waren vor einem großen massiven Holztor angekommen, das mit zwei sehr
schweren Eisenriegeln verschlossen war, die Zadei zurückschob. Dann öffnete er das Tor und
bedeutete Sherril, ihm zu folgen. Sie betraten einen großen Raum, dessen Boden vollkommen
mit einer dicken Strohschicht bedeckt war. "In diesem Stall behandeln wir kranke Tiere, es ist
besser, wenn sie von den anderen getrennt sind," kommentierte Zadei beiläufig, während
Sherrils Augen tellergroß wurden. In der Mitte des Raumes, mit einer Eisenkette angebunden,
lag ein mittelgroßer, dunkelgrüner Drache auf dem Boden. Er hatte wohl geschlafen, als er die
Besucher jedoch bemerkte, öffnete er seine scharlachroten Augen und breitete majestätisch
seine Flügel aus und erst jetzt sah die kleine Prinzessin die verbundene Wunde am rechten
Flügel.
Begeistert hüpfte sie von einem Bein aufs andere. Für die anderen Dämonen mochte der Um-
gang mit Drachen etwas Alltägliches sein, aber da ihr Vater sie ja immer so behandelte, als
wäre sie aus Glas, war sie noch nie näher als 30 Meter an einen Drachen herangekommen.
"Darf... darf ich ihn anfassen?" fragte sie begeistert.
"Wenn's sein muss. Er ist ja schon zahm. Aber sei vorsichtig!" <<Würg, jetzt benehme ich
mich ja schon selber wie so eine Glucke!>> fluchte Zadei insgeheim, lehnte sich aber dann
mit verschränkten Armen an die Stallwand und beobachtete, wie die Kleine sich dem großen
Tier vorsichtig näherte und dann mit den kleinen Händen zaghaft über die schuppige Haut
fuhr. Der Drache ließ es sich gefallen. Sherrils Wirkung auf lebende Wesen war wirklich ein
Phänomen, dachte der Dämonengeneral, während er eine Weile schweigend die Szene beo-
bachtete. Sherril war vollkommen versunken. Ein paar Minuten herrschte eine fast schon
friedliche Stille zwischen ihnen.
"Was ist eigentlich passiert?"
Diese plötzliche Frage von Sherril, die die Stille zwischen ihnen zerriss, traf Zadei so unvor-
bereitet, dass er deren Inhalt erst gar nicht richtig wahrnahm.
"Was?"
"Na ja, ich meine, du hast sieben Jahre im Keller unseres Palastes geschlafen, ich weiß prak-
tisch seit meiner Geburt, dass es dich gibt. Aber sonst weiß ich nichts. Die Bediensteten haben
manchmal über dich geredet. Oft habe ich ihr Geschwätz durch Zufall mitbekommen. Es
machte mich neugierig. Besonders die jüngeren Dienerinnen und Mägde, die noch nicht so
lange hier im Schloss sind, erzählten sich schauerliche Dinge. Sie sagten Dinge wie, dass ein
sehr mächtiger, gefährlicher und blutrünstiger Dämon unten in den Katakomben ruhen würde
und dass sein Erwachen Unheil über uns bringen würde. Einige sagten sogar, du wärst ein
Rachegespenst oder so was. Ich habe so viele Geschichten gehört. Aber weder Mama, noch
Papa oder Titius sprachen je ein Wort darüber." Während Sherril erzählte, um ihre Frage nä-
her zu erläutern, sah sie Zadei nicht an. Gedankenverloren fuhr sie immerzu fort, den Drachen
zu streicheln, ihre Stimme war ernst. Wieder hatte sie dieses kindliche Etwas verloren, das
ansonsten ihr Wesen ausmachte. Zadei hatte das Gefühl, mit einer Erwachsenen zu reden.
Aufmerksam lauschte er ihren Worten. Währenddessen musste er sich eingestehen, dass er
geirrt hatte: Sherril hatte sich keineswegs durch sein Ablenkungsmanöver mit dem Drachen
von ihrem Gedankengang abbringen lassen. Also war die ganze Aktion hier völlig unnötig
gewesen und Zadei selber war hier der naive Kindskopf. Am liebsten hätte er sich mit der
Hand vor den Kopf geschlagen. Die Kleine war wirklich nicht dumm! Aber diesen Gedanken
schob er nun beiseite, kommentierte dabei Sherrils Aussage mit einem: "Klingt ja echt gruse-
lig. Ist ja interessant, dass man innerhalb von so kurzer Zeit schon fast so was wie ein Mythos
wird, über den man sich Geschichten erzählt."
Das kleine Mädchen lächelte kurz über den Kommentar, fuhr dann aber fort zu erzählen: "Ich
sprach meine Eltern und Titius darauf an, aber sie sagten mir nichts, außer dass ich diesen
Gruselmärchen keine Beachtung schenken sollte. Nur wurde Titius immer sehr nervös, wenn
ich mit dem Thema anfing. Das hat mich halt so unheimlich neugierig gemacht und deshalb
bin ich des Öfteren am Kellereingang rum geschlichen und habe festgestellt, dass dort unten
wohl regelmäßig Wache gehalten wurde. Die Wachposten haben sich Tag und Nacht immer
abgewechselt."
Zadei musste fast schmunzeln, als er sich vorstellte, wie Sherril sich auf die Lauer gelegt und
in der Erwartung, ein großes Geheimnis zu lüften, die Geschehnisse um den mysteriösen Kel-
lereingang genau verfolgt hatte. Was sie aber nun erzählte, ließ ihn den Atem anhalten.
"Und dann habe ich gemerkt, dass Titius öfter hinunterging! Und das, obwohl niemand sonst
außer den Wachen dies tat. Es war ja allen anderen -und vor allem mir- verboten, dort hinun-
ter zu gehen. Na ja, und als ich öfter gesehen hatte, wie Titius herunter gegangen und erst
nach einer ganz schön langen Zeit wieder heraufgekommen ist, bin ich irgendwann halt ein-
fach hinterher geschlichen..." Sherril erzählte dies wie nebenbei, war sich absolut keiner
Schuld bewusst, dass sie ein Verbot gebrochen hatte, was Zadei auch sehr gewundert hätte.
Sie handelte halt ohne lange darüber nachzudenken. Irgendwie kam Zadei das bekannt vor...
Aber das Gesagte gab ihm zu denken: "Titius... Titius ist nach unten gegangen?" fragte er
etwas aufgeregt und auch ein klein wenig ungläubig.
"Ja, sag ich doch! Also, ich bin jedenfalls hinterher. Ich folgte ihm heimlich bis in das Ge-
wölbe, in dem du lagst und beobachtete alles von einem Versteck aus. Ich hatte mit den gruse-
ligsten Sachen gerechnet und hatte ganz schön Angst! Ich glaubte zwar nicht das Geschwätz
von einem Geist oder Ähnlichem, aber ich hatte trotzdem was Schlimmes erwartet. Einen
brutalen, kaltblütigen Tyrannen vielleicht, bar jeden positiven Gefühls. Aber bereits nach ein
paar Sekunden wusste ich, dass das gar nicht stimmen konnte. Dass das alles nur Geschichten
und Geschwätz waren, denen man keine Beachtung schenken sollte. Denn du bist ja gar nicht
so, wie alle gesagt haben. Das habe ich in diesem Moment begriffen."
Zadei war etwas verwirrt, dass ging ihm alles ein wenig schnell. Sherrils Worte gaben keinen
richtigen Sinn. "Woher glaubst du, zu wissen, wie ich bin? Und vor allem damals, ich meine,
ich habe doch geschlafen, da konntest du wohl schlecht meinen Charakter feststellen, oder?"
fragte er skeptisch. Eigentlich ärgerte es ihn, dass er sein Image des grausamen und mächtigen
Dämonen in ihren Augen wohl verloren hatte, wodurch auch immer, aber zunächst wollte er
diese Frage geklärt haben. Wie kam sie darauf, ihn so einzuschätzen?
"Na, weil ich Titius Blick gesehen habe, als er dich ansah. Das hat mir gereicht, um zu wis-
sen, was du bist. Den Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen, dass habe ich noch
nie bei ihm gesehen."
Einige Minuten lang herrschte Stille in dem kleinen Stall. Nur das Schnauben des Drachen
war gelegentlich zu hören, während Sherril ihn weiterhin unermüdlich streichelte. Zadei war
verwirrt, tausend Gedanken schossen durch seinen Kopf und doch war er unfähig, einen da-
von genau zu erfassen. Sherrils Worte klangen wie eine Endlosschleife in seinem Kopf nach.
<<Reicht dir das aus, Sherril? Reicht ein Blick in Titius blaue Augen dir aus, um zu dieser
Gewissheit zu gelangen? Was weißt du von mir? Wie kannst du glauben, dass ich ein guter
Mensch bin? Das ich nicht der wütende Dämon bin, für den mich alle halten? Diesen Ruf ha-
be ich nicht umsonst, weißt du...>>
Die Stille zwischen ihnen füllte sich mit unausgesprochenen Worten. Was auch immer Zadei
sagen wollte, es erreichte Sherrils Ohren nicht.
Nichts geschah und erst nach einer ganzen Weile sprach Sherril langsam weiter. Aus ihrer
Stimme sprach Aufrichtigkeit, nichts davon war gelogen, daran bestand kein Zweifel.
"Titius Augen sind immer so kalt. Ich meine, er ist immer so lieb und herzlich zu mir und
auch Papa scheint sehr viel von ihm zu halten, Titi ist ja sein engster Vertrauter. Aber seine
Augen sind so seltsam, sie machen mich traurig, wann immer ich hineinblicke. Meistens sind
sie kalt und leer. Ich kenne ihn so seit meiner Geburt. Aber als wir in diesem Kellergewölbe
waren, da war es irgendwie so anders. Ich meine, er wirkte zwar so unheimlich traurig, aber,
na ja, seine Augen waren auch... na, lebendig halt."
Nun sah Sherril ihn direkt an. Sie musterte genau sein Gesicht, schien etwas darin zu suchen,
als sie fragte: "Du magst ihn, nicht wahr?"
Zadei schluckte, als diese Frage so direkt an ihn gerichtet wurde. Die Kleine war wirklich
nicht dumm!
Kaum zu glauben, wenn man sich die Eltern so ansah... aber diese nervende Art sich in alles
einmischen zu müssen, hatte sie definitiv von ihrer Mutter!
Aber zurück zu seinem Problem: Was sagen?
"Und wenn es so wäre?" Er würde dieser kleinen Rotznase bestimmt nicht auf die Nase bin-
den, was er wirklich für Titius empfand. Obwohl Zadei absolut keinen Schimmer hatte, wie
viel die Kleine eigentlich wirklich wusste...
"Dann hast du ein Problem. Zwischen euch steht eine Mauer. Und Titius verstärkt sie immer
mehr..."
"Hör mal du Klugscheißer, ich weiß nicht, wo du das alles her hast, aber ich brauche ver-
dammt noch mal nicht den Rat eines Quälgeistes wie dir!" fauchte Zadei das Mädchen nun
ungehalten an. Was ging sie das überhaupt an? Aber innerlich musste er sich eingestehen,
dass das Problem eigentlich eher daran lag, dass er die ganze Misere nicht noch mal vor Au-
gen geführt bekommen wollte. Verdammt, er wusste selber, dass sie in einer gottverdammten
Sackgasse steckten! Aber war er gestern Nacht nicht noch zuversichtlich gewesen? Er hatte
mit Titius Klartext geredet und so was wie ein Versprechen, auch sich selber gegenüber, ab-
gegeben: Er würde nicht aufgeben!
Sherril verengte die Augen etwas zu Schlitzen und zog ob des lauten Tonfalls Zadeis eine
Augenbraue hoch. Mit seinen Ausbrüchen konnte er sie nicht einschüchtern!
"Ich bin selbst darauf gekommen! Ich bin doch nicht blöde! Jedes mal, wenn ihr euch begeg-
net, fängt die Luft Feuer! Aber ich weiß nicht warum. Was ist vor meiner Geburt passiert?
Bevor du in den Schlaf gefallen bist? Du und Titi, ihr habt euch doch vorher schon gekannt?
Und irgendetwas muss passiert sein, weswegen Titius so ist... na ja, wie er halt ist."
Zadei konnte nur noch schnaufend den Kopf schütteln. Mit Gebrüll würde er hier nicht wei-
terkommen. Mit normaler Stimme, die allerdings bitter und sarkastisch klang, antwortete er:
"Nein Sherril, das willst du nicht wissen, glaub mir. Und ich werde es dir auch nicht sagen.
Nur eines: in der Vergangenheit ist soviel passiert, dass Titius Grund genug hat, mich ab-
grundtief zu hassen. Das ist nun mal Tatsache und keiner kann es ändern, denn niemand ist in
der Lage, die Vergangenheit zu ändern."
"Die Vergangenheit nicht, aber man kann sich selber ändern. Auch wenn es schwierig ist.
Und man kann es auch nicht alleine," erwiderte sie mit fester Stimme. Und dann folgte wieder
Stille. Zadei fiel nichts mehr ein, was er sagen konnte. Es gab auch nichts mehr zu sagen.
Sherril hatte ihm einen Rat gegeben. Auf ihre Weise. Auch sie schien alles gesagt zu haben,
was sie wollte. Offenbar hatte sie akzeptiert, dass Zadei ihr nichts über die Vergangenheit
erzählen wollte. Eigentlich wäre es typischer für sie gewesen, jetzt noch so lange nachzuha-
ken, bis sie hatte, was sie wollte. Aber sie tat es nicht, erstaunlicherweise.
"Lass uns gehen, bestimmt suchen sie dich schon. Und wenn rauskommt, dass ich dich hier
rein gelassen habe, sind wir beide dran. Also komm jetzt," forderte Zadei sie schließlich.
"Du hast recht," stimmte das Mädchen zu, beugte sich dann zu dem Ohr des Drachen hinüber
und flüsterte etwas, wobei sie allerdings Zadei genau ansah. Ihre Stimme war gerade laut ge-
nug, dass er sie verstehen konnte.
"Das ist hier ist unser kleines Geheimnis. Niemand außer uns wird es erfahren," meinte sie in
verschwörerischem Ton. Dann aber sprang sie auf und setzte ein Grinsen auf und hopste an
Zadei vorbei in Richtung Tür, nachdem sie sich von dem Tier verabschiedet hatte. "Komm
schon du Transuse, sonst finden sie uns echt noch." Jetzt war sie wieder ganz die alte, dachte
Zadei bei sich. Und doch hatte er die Doppeldeutigkeit ihrer Aussage vorhin durchaus ver-
standen. Ihr "Geheimnis" betraf nicht nur die Tatsache, dass er sie verbotenerweise zu dem
Drachen gebracht hatte. Es ging vor allem darum, was in diesem Raum gesprochen worden
war. Keines dieser Worte würde diesen Raum verlassen, dass war ihrer beider stummes Ver-
sprechen.
Draußen angekommen, verließen sie die Stallungen und überquerten den Hof, als sie von wei-
tem schon zwei Gestalten hektisch auf sich zulaufen sahen. Es waren Hilda und die Amme.
Obwohl Hilda bereits hochschwanger war, stand sie der anderen Frau in Geschäftigkeit in
nichts nach (auch wenn es sie in ihrem Zustand wesentlich mehr Kraft zu kosten schien.)
Schon von weitem rief sie vorwurfsvoll: "Sherril! Wo hast du nur gesteckt? Wir haben dich
überall gesucht!"
Besagtes Mädchen, das neben Zadei ging, quiekte mal wieder erschrocken auf, als sie die bei-
den durchaus verstimmten Frauen auf sich zukommen sah und setzte wieder zur Flucht an.
Und diesmal war sie schlau: Mit den Händen hielt sie ihre Zöpfe rasch fest, so dass Zadei
nicht danach greifen und sie festhalten konnte, wie er es schon einmal getan hatte. Fast schon
siegessicher begann sie in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Doch leider hatte sie die
Reaktionsgeschwindigkeit des Dämonengenerals unterschätzt. Dieser streckte nämlich nur
blitzschnell den rechten Fuß aus, was die Kleine zu spät bemerkte, da sie ja damit beschäftigt
war, ihr Haupt zu schützen. Somit stolperte sie über den ausgestreckten Fuß und klatschte der
Länge nach auf den Boden, war somit erfolgreich außer Gefecht gesetzt.
Dort lag sie dann einige Minuten mit dem Gesicht auf dem Boden, ohne sich zu bewegen.
Zadei grinste inzwischen über beide Ohren. "Tja, netter Versuch, aber um mich auszutricksen,
musst du schon früher aufstehen." Die Tatsache, dass es für einen Dämonengeneral kein
Kunststück sein sollte, ein kleines Mädchen am Weglaufen zu hindern, ignorierte er geflis-
sentlich. Vom besagten Mädchen kam im Übrigen keine Reaktion. Sie lag weiterhin regungs-
los am Boden. "Hey, Kleine, was soll das denn jetzt?" Mit der Stiefelspitze stupste er leicht in
ihre Seite, worauf er endlich ein paar Worte vernehmen konnte, die gegen den kalten Stein
gemurmelt wurden:
"Lass mich, ich bin jetzt tot. Das hast du nun davon."
Noch bevor er etwas sagen konnte, waren die beiden Frauen endlich bei ihnen angekommen.
Sie hatten das kleine Spiel nicht genau mitbekommen, glaubten, Sherril sei über ihre eigenen
Füße gestolpert. Das Kindermädchen zog sie mit einem Ruck auf die Beine und Hilda meinte:
"Siehst du, das hast du nun davon. Warum hörst du nur nie auf uns und haust immer einfach
ab?!" Da mischte sich jedoch die Amme ein. "Mit Verlaub Lady Hilda, ihr solltet auch besser
auf die Ratschläge des Arztes hören. In eurem Zustand dürftet ihr gar nicht mehr so hier he-
rumlaufen. Ich bitte euch, geht wieder in eurer Gemach. Herr Laures wird mir den Hals um-
drehen, wenn er erfährt, dass ich zugelassen habe, dass ihr hier herumlauft!
Und vielen Dank an euch, Herr Zadei, dass ihr sie gefunden habt!" meinte sie an besagten
Dämon gewandt, wurde aber sogleich energisch von Hilda angesprochen.
"Keine Sorge, ich weiß was ich tue. Und ich habe definitiv nicht vor, den ganzen Tag nur in
meinem Zimmer rum zu sitzen und abzuwarten. Und jetzt bringt Sherril bitte schon mal rauf,
ich komme gleich nach." Die Amme konnte nach diesen Worten nur seufzend nicken. Gegen
die Energie ihrer Herrin kam sie nicht an. Also tat sie, wie ihr geheißen. Sie verbeugte sich
vor Zadei höflich und zog Sherril mit sich, die Zadei noch einmal die Zunge rausstreckte um
ihm klarzumachen, was sie davon hielt, dass er sie "verraten" hatte.
Als die Amme und das Kind außer Sichtweite waren, erlaubte Hilda sich nun doch, ange-
strengt Luft zu holen. Sie stützte sich mir einer Hand an einer Mauer ab und man sah ihr
plötzlich deutlich an, dass sie die Herumlauferei doch ziemlich viel Kraft kostete. Zadei sah
sie an. "Versteh mich nicht falsch, Lady Hilda, es interessiert mich eigentlich nicht wirklich
und ich habe auch nicht viel Ahnung von Schwangerschaft, aber es scheint ja ganz schön an-
strengend zu sein, so herum zu rennen. Wäre es da nicht wirklich klüger, sich auszuruhen? Ich
frage nur, weil du so aussiehst, als würdest du gleich zusammenklappen."
Hilda sah ihn daraufhin nur verbissen an. "Natürlich wäre es angenehmer für mich, wenn ich
einfach auf meinem Zimmer bliebe, aber ich will beweisen, dass ich mir nichts vorschreiben
lasse, von niemandem!"
"Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen..."
Die blonde Frau strich sich eine Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht. "Na, Laures und
Titius würden mich am liebsten in einen goldenen Käfig sperren, sie behandeln mich als wäre
ich aus Glas! Also..." "...rennst du allein aus Trotz hier rum und verausgabst dicht total,"
schloss Zadei, während er eine Augenbraue hochzog. Einen Moment lang war er sich nicht
sicher, ob er Sherril oder ihre Mutter vor sich stehen hatte. Denkensweise und Dickschädel
waren exakt dieselben. Hilda hatte durch ihre Mutterschaft offenbar doch nicht soviel an Ver-
nunft hinzugewonnen, wie er anfänglich geglaubt hatte.
Diese bemerkte Zadeis herablassenden Blick und meinte: "Ich weiß genau, was du jetzt
denkst. Wahrscheinlich denkst du, ich bin total irre. Aber es ist nun mal meine Art, ich kann's
nicht ändern. Ich hasse es, wenn man mich bevormunden oder einsperren will. Ich weiß, dass
Laures das alles tut, weil er mich liebt. Er will nur das beste für mich. Aber manchmal habe
ich das Gefühl, dass er mich am liebsten vor jedem und allem wegsperren würde, um mich
ausschließlich für sich allein zu haben. Darum muss ich regelmäßig zeigen, dass ich so etwas
nicht will, damit er wieder auf den Teppich kommt."
<<Am liebsten würde ich dich wieder einsperren, irgendwo weit weg von allen anderen, und
vor allem von Laures. Ich will dich wegsperren von allen Wesen, denen du auch nur ein Lä-
cheln schenkst! Ganz tief in einen Kerker, wo niemand dich sieht, wo niemand außer mir sich
in deinen Augen spiegelt... Ich würde am liebsten ohne mit der Wimper zu zucken jedes Wesen
töten, das sich dir auch nur auf hundert Meilen nähert!>>
Zadei erinnerte sich seiner eigenen Worte, die er zu Titius in jener Nacht nach dem Ball ge-
sagt hatte.
"Aber ist es denn nicht normal, dass man das Wesen, welches man liebt, allein für sich haben
möchte?"
"Ja, aber es ist auch egoistisch."
"Liebe ist egoistisch. Wie alles andere, was wir tun auch."
"Das stimmt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Man darf in seinem Egoismus nicht soweit
gehen, dass man den anderen einschränkt oder ihn verletzt. Solange das der Fall ist, handelt es
sich nicht um Liebe. Es ist etwas anderes. Begehren, Verlangen vielleicht, aber keine Liebe."
Sie sah Zadei direkt an und er sie. Eine Weile tauschten sie nur ihre Blicke, bis Zadei sich
schließlich abwandte.
"Interessant. Deine Tochter hat auch schon versucht, mir Ratschläge zu erteilen. Wer kommt
als nächstes? Will dein ungeborenes Baby mir vielleicht auch noch ein paar Tipps geben?"
sagte er mürrisch. Allerdings herrschte er sie nicht an wie sonst jemanden, der versuchte, ihm
Ratschläge zu geben. Wahrscheinlich hatte ihn Sherril schon zu mürbe gemacht.
Aber Hilda sah ihn nicht mit einem missbilligendem Blick an, wie Titi es vielleicht getan hät-
te, sondern sie lachte auf. Es war ein klares, helles Lachen, wie der Klang kleiner Glöckchen.
"Nun, du kannst ihn ja mal fragen. Aber ich fürchte, du wirst dich noch etwas gedulden müs-
sen. Der Arzt meinte, es kann noch zwei, vielleicht auch drei Wochen dauern, bis Laures
Sohn das Licht der Welt erblickt. Ich bin mir sicher, dass es ein Junge wird..." Damit strich
sie liebevoll über die Wölbung unter ihrem Kleid."
Zadei verdrehte die Augen. Na toll, noch so'n Balg, dass ihm auf die Nerven ging! Vielleicht
sollte er Titius doch aufgeben und das Weite suchen, so lange er noch konnte... Aber als er in
Hildas liebevoll lächelndes Gesicht sah, verkniff er sich zum ersten Mal eine derartige Be-
merkung, warum, wusste er selber nicht. "Na, dann werd ich mal. Hab noch zu tun," verab-
schiedete er sich kurz angebunden und ließ die junge Frau stehen. Hilda war etwas überrascht
über Zadeis fluchtartigen Abgang, zuckte dann aber nur mit den Schultern und beschloss,
doch lieber wieder in ihr Zimmer hinauf zu gehen. Man musste ja nicht zu sehr übertreiben...
**********
Der restliche Tag hielt für Zadei noch ziemlich viel Arbeit bereit, so dass er recht schnell ver-
ging und Zadei abends mit der Feststellung ins Bett ging, Titius nicht einmal zu Gesicht be-
kommen zu haben. Es war doch alles in Ordnung? Die Wunde, die er ihm zugefügt hatte, war
ja wohl nicht so schlimm gewesen... er hatte ihn ja nur etwas einschüchtern wollen, um ihn
aus der Reserve zu locken, was ihm scheinbar auch gelungen war. Nun, es würde sich für Za-
dei schon noch eine Gelegenheit bieten, sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, wie es
seinem Engel ging.
Diese Gelegenheit bot sich schon am nächsten Morgen, allerdings für beide ziemlich unver-
hofft. Zadei war auf dem Weg zu Laures Arbeitszimmer, um mit ihm über seine Pläne bezüg-
lich der Erweiterung der Dracheställe zu sprechen. Dort angekommen, klopfte er an die Tür,
aber wie es nun mal seine Art war, wartete er nicht auf eine Antwort, sondern betrat einfach
das Zimmer, auch wenn er sich dafür wieder einen Verweis einhandeln würde. Er mochte es
einfach zu sehr, den Dämonenfürsten zu provozieren. Aber der Verweis blieb aus, aus dem
einfachen Grunde, dass Laures nicht im Zimmer war. Dafür allerdings Titius, der erschreckt
aufblickte, als er so plötzlich Zadei durch die Tür treten sah. Fast hätte er den Stapel Papiere
fallen lassen, den er soeben auf den riesigen Schreibtisch seines Herrn legen wollte.
Auch Zadei war im ersten Moment etwas verdutzt, sprach ihn dann aber in völlig gewöhnli-
chem Tonfall an. "Ich hatte eigentlich Laures erhofft zu sehen. Ich wollte was mit ihm be-
sprechen. Weißt, wo er ist?" Der Dämon mit den weißen Flügeln begann, die Blätter wieder
zu ordnen und sie gut sichtbar auf die Mitte des Schreibtischs zu legen. Er bemühte sich
merklich um einen ebenso nebensächlichen Tonfall, hielt dabei aber den Kopf gesengt, so
dass sein Haar sein Gesicht verdeckte und Zadei es nicht sehen konnte. Er konnte ihm offen-
bar nicht in die Augen schauen.
"Ich hatte auch geglaubt, ihn hier zu finden, normalerweise ist er um die Zeit immer hier.
Vielleicht kommt er ja gleich. Wenn ihr ihn seht, könnt ihr ihm bitte ausrichten, dass ich die
Papiere auf den Schreibtisch gelegt habe?" Damit wandte Titius sich zum Gehen, noch immer
ohne ihn anzusehen. Trotzdem bemerkte Zadei seine angespannte Haltung, als Titi an ihm
vorbeiging.
"Du hast Sherril gesagt, du hättest dich versehentlich geschnitten?" fragte er ganz unvermit-
telt.
Titi blieb stehen und hob den Kopf. Der kleine Schnitt unter dem Auge war schon fast wieder
verheilt, wie Zadei mit Erleichterung feststellte.
"Hätte ich ihr etwa die Wahrheit sagen sollen?"
"Hättest du es getan, würde Laures mich mit Sicherheit aus dem Schloss verbannen." Er be-
merkte genau, wie Titius sich auf die Unterlippe biss. Zadei hätte jetzt gerne eine Antwort
gehört, die ihn weiterbrachte. Aber dazu kam es nicht, denn in diesem Moment wurde die Tür
zum Arbeitszimmer aufgerissen und Sherrils Kinderfrau stürzte hektisch hinein.
"Oh, Zadei-sama, Titius-sama, gut, dass ich euch hier finde! Wo ist Sherril? Haben sie sie
gesehen?" Die gute Frau wirkte eigentlich immer irgendwie hektisch, aber diesmal war es
schlimmer als sonst.
"Nun, hier ist sie nicht", stellte Zadei fest, sah aber sicherheitshalber noch mal an seinem Bein
hinunter, nur um sicherzustellen, dass nicht doch das gewünschte Objekt daran klebte. Aber
nein, da war nichts.
Doch nun wurde die Amme geradezu panisch. "Oh, nein, dass sie bei ihnen wäre, war unsere
letzte Hoffnung. Dann hat Laures-sama doch recht..." Plötzlich begann sie zu schluchzen und
schlug die Hände vors Gesicht. Zadei überkam ein ziemlich unangenehmes Gefühl und auch
Titius wurde sichtbar nervös. Er eilte zu der Frau und fasste sie sanft, aber bestimmt an den
Schultern.
"Was ist denn passiert? Womit hat Laures-sama recht?"
Schluchzend blickte sie ihn an: "Als ich heute Morgen in ihr Zimmer kam, war ihr Bett leer.
Ich dachte, sie ist halt wie sonst wieder ausgebüchst, aber auch nach langem Suchen konnte
ich sie nicht finden, obwohl ich schon alle Bediensteten eingespannt habe. Also musste ich es
dem Herrn sagen und er hat gleich gesagt, dass er ihre Aura nicht in der unmittelbaren Nähe
spüren kann. Wo kann sie nur sein?"
Wie auf Bestellung kam nun einer der Soldaten angehetzt, rannte ins Zimmer und fiel vor den
höher gestellten Dämonen auf die Knie, ehe er atemlos verkündete: "Zadei-sama, der Jung-
drache, den wir neulich fanden, der Verletzte, er ist weg! Ich habe es nur durch Zufall be-
merkt!"
Zadeis Augen weiteten sich für einen Augenblick, als er eins und eins zusammenzählte. Er
blickte die Amme an, die erneut in Tränen ausbrach und dann zu Titius, der seinen Blick mit
versteinerter Miene erwiderte.
"Zadei-sama, der Drache... meint ihr, Sherril hat... sie kann doch nicht... und, wo sollte sie
denn hin...?" stammelte er fassungslos, als der Soldat fort fuhr, ehe Zadei antworten konnte.
"Bitte kommen sie beide sofort in den Hof, es wird eine groß angelegte Suchaktion gestartet!
Laures-sama hat angeordnet, dass die ganze Kompanie ausrücken soll. Kommen sie bitte
schnell, er ist völlig außer sich!"
Die Amme sank auf einem Sessel in sich zusammen. "Was kann sie nur wieder vorhaben?
Warum hat sie das Schloss verlassen?" Zadei blickte einen Moment zu Boden, als er
nachdachte. Ja, was konnte der Grund dafür sein? Konnte es vielleicht sein, dass...?!
Titius wandte sich augenblicklich zum Gehen, blickte sich aber nach Zadei um. "Was ist, Za-
dei-sama? Wir müssen uns beeilen! Der Befehl gilt auch für euch!"
Aus seinen Gedanken gerissen blickte Zadei auf. "Titius, geh schon mal vor, ich komme so-
fort nach. Ich muss nur noch etwas nachprüfen!" Damit ging er schnellen Schrittes an dem
verdutzten Titius vorbei. Er eilte die Flure entlang, durchquerte im Laufschritt das halbe
Schloss, bis er endlich den Raum erreicht hatte, den er suchte.
Er öffnete die großen Flügeltüren der Bibliothek, eilte an den zahllosen Bücherregalen vorbei
bis in den hinteren Teil der großen Halle, wo sich die wichtigeren Aufzeichnungen des
Schlosses befanden. Und mit einem Blick auf einen großen Holztisch, der vor den Regalen
stand, bestätigte sich seine Vermutung, ohne dass er näher hinsehen musste. Trotzdem ging er
zu dem Tisch und betrachtete die ausgebreiteten Papiere und Karten, die fast den ganzen
Tisch bedeckten. Es waren die Aufzeichnungen über die Drachennistplätze. Natürlich. Darum
hatte Sherril ihn also nach deren Aufbewahrungsort gefragt! Und er hatte es ihr auch noch so
genau erklärt! Sie hatte ihren Plan, die Drachennistplätze zu sehen, also nicht aufgegeben.
Und da Zadei sie nicht mitnahm, versuchte sie es nun auf eigene Faust. Dieser verdammte
Sturkopf!
Wütend fegte Zadei mit einer einzigen Bewegung die Papiere zum Tisch. Ein kleines Mäd-
chen, allein mitten in der Makai! Und wenn sie tausendmal die Tochter des Dämonenfürsten
war, die dummen Monster und Unterdämonen, die hier hausten, fragten nicht lange nach dem
Rang des Opfers, dass sie gerade im Begriff waren zu fressen! Zadei schlug mit der Faust auf
den Tisch. Was war er auch so dumm gewesen, ihr den Jungdrachen zu zeigen! Er hatte sie ja
förmlich zu dieser Tat eingeladen!
Aber die Grübelei half jetzt auch nicht. Sie mussten sie so schnell wie möglich finden. Er zog
aus dem Gewühl eine große Karte hervor, auf denen die Nistplätze mitsamt den vermuteten
Schlüpfdaten verzeichnet waren. Er überflog die Daten. Es kamen fünf Nester in Frage, in
denen entweder gerade junge Drachen geschlüpft waren oder in denen es vermutlich in diesen
Tagen dazu kommen würde.
Welches hatte Sherril gewählt? Das größte, das kleinste, das, was am nächsten lag oder das,
was am weitesten weg war? Herr Gott, sie würden einfach alle abklappern müssen! Hektisch
packte Zadei die Karte und eilte auch zum Schlosshof, wo sich bereits die komplette Kompa-
nie rüstete.
Es herrschte reges Chaos, der Hof wimmelte von Drachen, die bereit gemacht wurden. Schon
von weitem sah er Laures und Titius mitten im Gewühl. Es war nicht schwer, denn Laures
verströmte eine Aura, die man nur schwer übersehen konnte. Seine Aura hatte momentan et-
was von einem Sturm, eine Gewitternacht über dem tosenden Meer. Auch die Bediensteten
und Soldaten, die um ihn herum liefen, merkten es: sie machten alle einen großen Bogen um
ihn, nahmen seine herrischen Kommandos mit bleichen Gesichtern entgegen.
Zielstrebig hielt Zadei auf ihn zu. "Laures! Es scheint so, als ob Sherril aufgebrochen ist, um
ein Drachennest zu sehen. Ich habe hier eine Karte mit möglichen Zielen!"
Laures drehte sich um, als er Zadeis Stimme hinter sich vernahm. Titius tat es ihm nach. Za-
dei stockte einen Augenblick. Sein Engel war kreidebleich.
"Was sagst du da?! Woher weißt du das?" Laures packte Zadei am Kragen und zog ihn zu
sich heran. Und dieser musste zugeben, dass die Bediensteten gut daran taten, Abstand von
ihm zu halten. So hatte selbst er den Dämonenfürsten selten erlebt. Laures, der doch immer
diese gewisse Überlegenheit ausstrahlte, diese Gelassenheit, die Zadei immer den letzten Nerv
geraubt hatte. Aber genau dieser Mann zeigte nun mehr den je, was er eigentlich war: Ein
Dämon. Seine unergründlichen violetten Augen versprühten Funken und eine stumme Dro-
hung, das Lächeln war einer steinernen Maske gewichen, die keinen Zweifel daran ließ, dass
er bereit war, jeden ohne mit der Wimper zu töten, der sich ihm den Weg stellte. So hatte Za-
dei ihn wirklich selten erlebt. Eigentlich immer nur dann, wenn es um Laures geliebte Hilda
ging. Und jetzt ging es um seine Tochter. Seine Familie schien wirklich das einzige zu sein,
was ihn aus der Fassung bringen konnte. Dafür aber so richtig.
Zadei beschloss klugerweise, sich jetzt nicht unbeliebt zu machen. Laures jetzt zu provozie-
ren, konnte ziemlich gefährlich sein; er war völlig außer sich. Also meinte Zadei mit betont
ruhiger Stimme:
"Ich kann es mir denken, weil sie mir gegenüber oft erwähnte, dass sie gerne mal ein Dra-
chennest sehen wollte. Ich habe es ihr natürlich verboten und darum ist sie jetzt wohl auf ei-
gene Faust los!" Den Teil über die Tatsache, dass er selber ihre Neugier noch geschürt und ihr
den Jungdrachen gezeigt hatte, ließ er geflissentlich erst mal weg. Verdammt, er hatte doch
auch nicht ahnen können, dass das solche Konsequenzen nach sich ziehen würde!
Und Laures ließ ihn tatsächlich los, blickte ihn nur weiterhin finster an. "Dann kümmere dich
schnell darum, dass alle von den Zielen erfahren. Ich will keine Sekunde mehr verlieren. Ich
will, dass alles verfügbaren Soldaten ausrücken. Erste Trupps habe ich schon rausgeschickt,"
donnerte er im Befehlston, wandte sich dann seinem eigenen, riesigen schwarzen Drachen zu.
Auch Titius ließ sich ein Tier bringen. Die Sorge um Sherril stand ihm ins Gesicht geschrie-
ben, natürlich wollte er bei der Suche helfen.
In diesem Moment hörte man einen Tumult, der vom Schlosstor herrührte. Mehrere Bediens-
tete stürmten aus dem Schloss hektisch auf den Platz und auf Laures und Titius zu. Bei ihnen
angekommen, warfen sie sich in den Staub und der erste brachte atemlos hervor: "Laures-
sama, verzeiht, Lady Hilda geht es nicht gut! Sie war so geschockt von der Nachricht von
Lady Sherrils Verschwinden. Die Wehen haben eingesetzt!"
"Oh nein, nicht jetzt!" Laures sprang wieder von seinem Drachen, fasste aber augenblicklich
einen Entschluss. "Titius!" Allein der Name klang wie ein Befehl und augenblicklich stand
dieser neben seinem Fürsten. "Titius, du nimmst nicht an der Suchaktion teil. Du bleibst hier
im Schloss und kümmerst dich um die Geburt. Du trägst die Verantwortung!"
"Aber Laures-sama, ich will auch helfen! Wir brauchen doch jeden Mann, den wir kriegen
können. Und der Arzt ist doch da... Ich kann doch nicht hier bleiben, wenn Sherril..." Blitz-
schnell hatte Laures ihn am Hals gepackt und mehrere Zentimeter hoch in die Luft gehoben.
Seine Stimme war ein einziges Donnergrollen.
"Wage es nicht, mir ausgerechnet jetzt zu widersprechen! Du warst bei der ersten Geburt da-
bei, Hilda vertraut dir! Du musst sie beruhigen, weil ich es jetzt nicht kann. Du trägst die Ver-
antwortung dafür, dass dieses Kind gesund zur Welt kommt!" Dann zog er den entsetzten
Engelsdämon noch näher an sich heran und durchbohrte ihn mit seinen Blicken. "Wenn mei-
ner Frau oder dem Kind etwas zustößt, ziehe ich dich dafür zur Rechenschaft, hast du das
verstanden?!" Titius nickte nur stumm, mit aufgerissenen Augen, worauf Laures ihn unsanft
zu Boden fallen ließ.
Zadei beobachtete die Szene von einigen Metern Entfernung. Als er sah, wie Laures Titius so
schroff behandelte, wollte er eingreifen, wurde aber von mehreren Soldaten eingekeilt, die ihn
mit Fragen und der Bitte nach Anweisungen bestürmten. Zu seiner Erleichterung stellte er
fest, dass Laures seinen Diener wieder losließ, mehr bekam er nicht mit, da er versuchen
musste, den chaotischen Haufen zu koordinieren. Die Soldaten waren überaus hektisch, wuss-
ten sie doch, dass vielleicht ihr letztes Stündlein geschlagen hatte, sollte der kleinen Lady
etwas zustoßen. Ihr Fürst war zwar besonders in den letzten Jahren zu einem sehr gerechten
Herrscher geworden, aber wenn er selber geladen war, würde er nicht zögern, allein aus Wut
alle zur Hölle zu schicken, die sich in seiner Nähe befanden.
Auch wenn der Dämonengeneral es sich nicht gerne eingestand, er begann selber, ziemlich
hektisch zu werden und die Soldaten anzubrüllen, als gelte es, einen Krieg zu gewinnen, der
dass Ende der Welt entschied. Es konnte doch nicht sein, dass ihn das ganze so mitnahm?!
Verdammtes Gör!
Er teilte schnell Geschwader ein, nannte ihnen Ziele und Vorgehensweise, bis er sich schließ-
lich selbst an die Spitze des letzten Trupps stellte. Alle anderen Geschwader rückten aus und
Laures war schon längst alleine los geflogen. Gerade wollte Zadei seinen eigenen Drachen
besteigen, als er spürte, wie jemand ihn am Arm zurückhielt. Er fuhr herum und wollte den
Idioten gerade anschnauzen, der immer noch nicht kapiert hatte, in welche Reihe er gehörte,
als er mit Überraschung feststellte, dass es sich um Titius handelte, der ihn am Arm festhielt
und mit verzweifelter Miene anschaute. Zadei liebte die helle, sanfte Haut seines wunder-
schönen Engels, aber so bleich, wie dieser jetzt war, sah es selbst bei ihm ungesund aus.
"Zadei-sama... ihr werdet Sherril doch sicher zurückbringen, oder?" fragte er mit zitternder
Stimme.
"Ich kann nicht mithelfen, dabei wollte ich doch auf sie aufpassen! Ich hatte... doch geschwo-
ren...", seine blauen Augen füllten sich mit Tränen, die Unterlippe zitterte, "Wenn Sherril
etwas zustößt, dann..."
Zadei legte einen Finger auf Titius bebende Lippen. "Keine Sorge. Wir wissen, wo wir sie
suchen müssen. Und wir finden sie. Bestimmt," sagte Zadei mit fester Stimme, verzog dabei
seine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln.
Und zu seiner Überraschung entspannten die Gesichtszüge des weißhaarigen Engelsdämonen
etwas, der Griff an Zadeis Arm ließ etwas nach. Dann ließ er schließlich ganz los und ging
einen Schritt zurück. Im Hintergrund hörte man ein Dienstmädchen rufen: "Titius-sama! Lady
Hilda ruft nach ihnen! Und wir haben die Tücher, wie viel heißes Wasser brauchen sie?"
Titius blickte sich kurz um. "Ich komme sofort, einen Moment!" Schnell wandte Titius sich
wieder an Zadei. Er zwang sich sichtlich zur Ruhe, um seinen Pflichten nachkommen zu kön-
nen.
"Zadei-sama, Lady Sherril verfügt noch nicht über Angriffsmagie. Sie beherrscht bis jetzt nur
ein paar einfache Schutzzauber. Ich dachte, es ist gut, wenn ihr das wisst," erklärte er noch
hastig.
"Gut zu wissen. Also, wird schon schief gehen. Ich bring sie zurück!" versprach Zadei. Er
musste sehr zuversichtlich wirken, denn Titius' Züge entspannten sich noch mehr. Nickend
trat er zurück, um den Drachen beim Abheben nicht im Weg zu sein. Und Zadei glaubte sogar
den Ansatz eines kleinen Lächelns zu sehen, als er sich nun mit dem großen Tier in die Lüfte
erhob. Es war so schön, zu sehen, dass er sich wünschte, dass er sein Versprechen halten
konnte. Aber leider war er nicht so zuversichtlich, wie es wohl ausgesehen hatte. Die
Dämonenwelt außerhalb des Schlosses bot viele Gefahren. Nicht nur für ein kleines Mädchen.
Aber Titius vertraute ihm doch nicht etwa wirklich? Nie, kein einziges Mal, seit Zadeis Erwa-
chen, war der Dämonenengel ihm freiwillig so nah gekommen. Wahrscheinlich wusste dieser
in dieser Ausnahmesituation, in der er voller Sorge um Sherril war, gar nicht wirklich was er
tat. Aber er war zu Zadei gekommen. Er hatte Zadei darum gebeten, seinen Schützling wieder
zurückzubringen. Das bedeutete Zadei mehr, als alles andere.
**********
Eine ganze Weile waren Zadei und seine Truppe nun schon unterwegs zu einem Nest, dass
Zadei ganz bewusst für sich ausgesucht hatte. Er hoffte inständig, dass sein Gefühl richtig
war, das ihm sagte, dass Sherril sich genau dieses ausgesucht hatte. Es war nämlich das, in
dem auch ihr Jungdrache geschlüpft war. Und Sherril war nicht dumm. Sie hatte Zadei wohl
genau zugehört und wusste, dass Drachen ihren eigenen Geburtsort immer quasi blind wieder
fanden. So ersparte sie sich das Kartenlesen.
Eigentlich müssten sie sie bald eingeholt haben, wenn sie wirklich diese Route genommen
hatte. Sie hatte zwar einen enormen zeitlichen Vorsprung, allerdings war ihr kleinerer Drache
um einiges langsamer als die größeren von Zadei und seinen Leuten. Hinzu kam noch, dass
die Verletzung an dessen Flügel zwar weitestgehend verheilt war, das Fliegen allerdings im-
mer noch beeinträchtigen würde. Das Mädchen würde also gezwungen sein, Pausen zu ma-
chen.
Zadei konnte nur hoffen, dass sie das mit dem Fliegen einigermaßen hinbekam und das Tier
kontrollieren konnte und der Drache sie nicht hintrug, wohin er wollte. Denn dann war sie
wirklich verloren. Gerade, als ihn dieser Gedanke beinahe entmutigen wollte, erblickte er am
Horizont einige schwarze Punkte. Er trieb seinen Drachen zu mehr Schnelligkeit an, so dass
seine Männer kaum noch mithalten konnten, deren Tiere nicht so kräftig und wendig waren
wie sein eigenes. Dann, endlich erkannte er das Mädchen! Aber diese kurze Erleichterung
wurde direkt vom nächsten Schreck zunichte gemacht.
Denn sie war nicht alleine. Drei riesige Ungetüme umschwebten sie. Noch nicht mal Zadei
konnte ihre Rasse genau ausmachen. Sie sahen aus, wie etwas zu groß geratene, fliegende
Zitterrochen. Es war schon seltsam, was die Makai so an Lebewesen hervorbrachte. Aber für
solche Gedanken hatte er jetzt keine Zeit. Er trieb seinen Drachen noch einmal kräftig an. Er
war immer noch zu weit entfernt!
Sherril blickte panisch um sich. Wo waren diese Viecher denn auf einmal hergekommen?! Sie
kreisten sie ein, umflogen sie in immer enger werdenden Kreisen. Ein paar mal schlugen sie
mit ihren Tentakeln nach ihr, bis jetzt hatte sie immer entweder ausweichen oder kurz einen
kleinen Schild erschaffen können. Aber die Dinger schienen sie nur zu testen, sie wusste
nicht, was sie tun sollte, wenn sie nun anfangen sollten, sie ernsthaft anzugreifen. Tränen stie-
gen ihr in die Augen. So hatte sie sich das eigentlich nicht vorgestellt. Und nun kam das erste
der drei Biester mit weit geöffnetem Maul auf sie zu. Sherril schloss die Augen, errichtete
einen weiteren kleinen Schild und betete, dass er halten würde. Doch dann hörte sie nur ein
lautes Zischen, dass Vieh gab einen schrillen Laut von sich und dann roch es nach verbrann-
tem Fleisch.
Erschrocken riss Sherril die Augen auf und automatisch ließ Erleichterung Tränen über ihre
Wangen laufen, als sie Zadei in einigen Metern Entfernung sah.
"Onkel-Zadei!"
"Freu dich nicht zu früh! Du bist die nächste, die ich mit eigenen Händen umbringen werde.
Wie viel geballte Blödheit passt eigentlich in deinen kleinen Schädel?!" knurrte er, musste
sich aber dann auf die beiden Viecher konzentrieren, die ihn nun zu zweit ins Visier nahmen.
Und dann ging alles plötzlich Schlag auf Schlag. Er kämpfte mit ihnen, wich aus, attackierte
den einen, verlor dabei für einige Momente das Mädchen aus dem Blick, hörte sie nur krei-
schen, erledigte auch den zweiten, um mit Erschrecken festzustellen, dass weitere Tiere auf
der Bildfläche erschienen waren. Die drei ersten waren nur die Kundschafter für eine ganze
Herde gewesen! Sherril war abermals umzingelt. Ein kurzer Blick nach hinten sagte Zadei,
dass seine Leute immer noch zu weit entfernt waren, um zu helfen. Und schon griffen zwei
Monster gleichzeitig das Mädchen an. "Verdammte Mistviecher!"
Der kleine Drache schaffte es, auszuweichen, doch Sherril verlor den Halt und stürzte nach
unten. Im Schock sah sie nur noch den dichten Wald unter sich näher kommen, bekam sonst
nichts mehr mit, konnte deshalb auch zunächst kaum realisieren, das etwas sie auf einmal
festhielt und am weiteren fallen hinderte. Als sie benommen aufblickte, sah sie über sich Za-
dei, der sie von seinem Drachen aus am Arm festhielt, während sie in der Luft baumelte. Er
sah sie an, achtete für einen Augenblick nicht darauf, was hinter ihm geschah. "Alles in Ord-
nung?"
Sherrils Augen weiteten sich. "Pass auf, hinter dir!!!
Doch es war schon zu spät. Eines der Viecher hatte eine Energiekugel abgefeuert, die direkt
auf Zadei zielte, der erst aufblickte, als das Ding direkt vor ihm war.
Dann war es nur noch gleißend hell. Sherril musste die Augen schließen, hörte noch das Ge-
schrei der anderen Soldaten, dass Kreischen der Biester, noch mehr Explosionen. Und das
letzte, was sie spürte, war, wie der eiserne Griff, der die ganze Zeit sicher ihren Arm hielt,
plötzlich kraftlos wurde und sich langsam löste. Dann stürzte sie abermals in die Tiefe.