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Nach dem Sturm

von

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Arc 1: Die Ruhe nach dem Sturm | Kapitel 1: Wiedersehen mit alten Freunden

Mikasa hatte ein wenig wie ein Roboter auf ihn gewirkt. Armin hasste es selbst an diesen Ort zurückzukehren und mit dem Anblick von Zerstörung, der sich ihnen bot, an Erens Taten erinnert zu werden. Zuerst hatte man die Zahl der Toten sehr hochgeschätzt, zwei Drittel der Menschheit außerhalb von Paradis. Zum Glück hatten sich die Befürchtungen als zu hoch erwiesen, doch das Ausmaß war immer noch katastrophal.  

Das Gespräch kam langsam in Gange, als die Arbeit verließen und eine Weile fuhren. „Wo ist Jean? Was macht er momentan?“, fragte Armin irgendwann, als sie mit dem Auto die freigeräumte Straße eine Weile entlangfuhren. Dem plattgetrampelten und von Zerstörung übersäten Gelände, wich nach einer Stunde ein unberührter Wald.

„Er organisiert Hilfsgüter, Nahrung, Decken, alle möglichen, nötigen Güter für die Geflüchteten, in der Verwaltung des Militärs, und hat ein Team unter sich. Ich glaube das kann er gut, etwas leiten und es macht ihn glücklich, dass er Menschen helfen und Verantwortung übernehmen kann.“ Mikasa lächelte. Das machte sie ebenfalls zufrieden. Momentan noch nicht glücklich, aber zufrieden genug, um sich zu freuen, dass Jean diese Aufgabe gefunden hatte. „Connie arbeitet auch in seinem Team.“

„Und was wirst du tun, wenn du deine Arbeit mit dem Wiederaufbau beendet hast?“

„Ich weiß nicht. Es sieht nicht so aus, als würden wir sie bald beenden. Vielleicht werde ich in Jeans Team wechseln, aber ich bin nunmal stark. Das sollte ich nutzen. Das hilft den Menschen schneller voranzukommen.“ Kurze Stille, bis sie fragte: „Wie lief es bei dir?“

„Ich hab herausgefunden, dass der Fluch gebrochen ist“, platzte es aus Armin heraus. „Das heißt meine Lebenszeit hier auf der Welt ist nicht so kurz bedacht wie ich dachte. Nun weiß ich auch nicht, was ich tun soll, ich hatte nicht viel für mein Leben geplant.“

„Aber du bist ein guter Botschafter für uns, der Commander und du. Das ist vielleicht deine Aufgabe.“

„Ich bin nicht mehr dein Commander, Mikasa und Levi ist nicht mehr dein Captain“, sagte dey vom Fahrersitz aus, wandte sich kurz nach hinten, bevor dey wieder den Blick auf die Straße wandte. „Wir sind nicht mehr im Krieg und du bist nicht mehr im Militär. Du bist jetzt frei zu tun was du möchtest und uns beim Vornamen zu nennen.“

„Ja, Commander“, kam es aus ihr automatisiert, bevor sie sich zu verbessern versuchte. Es gab ein kurzes Lachen im Auto, bevor sich Armin sie länger und fröhlicher als sonst in den letzten Monaten anlächelte. „Also bleib ich dir auch noch länger erhalten.“

Sie nickte freudig. „Ja, das tust du. Danke, Armin.“ Ein Leben ohne Armin war so schwer vorzustellen, da er bereits ein gutes Jahrzehnt bei ihr war und langsam sickerte es erst ein, dass seine Lebenszeit nicht wie durch eine Sanduhr davonrannte. „Danke, dass du mir länger erhalten bleibst“, erklärte sie nochmals.

„Es ist schon ein wenig schade. Versteh mich nicht falsch Armin, ich freu mich sehr, dass weder du, noch Falco noch Pieck oder die anderen zu diesem Fluch verdammt seid oder Paradis terrorisiert wird, aber …“ Dey klopfte einige Male nachdenklich gegen die Seiten des Lenkrads. „was erforsche ich jetzt. Und ich werde nie Piecks Titan reiten können.“

„Das klingt falsch“, merkte Armin von hinten an und blickte drein, als wäre er von seinem eigenen Witz überrascht.

„Ich bitte dich.“

„Und sie hatte nie zugestimmt“, fügte Onyankopon hinzu.

„Sie hätte noch.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher.“

Mikasa entkam ebenfalls ein leises Kichern. Irgendwie war sie diesen Menschen nun näher, zumindest ein klein wenig. Sie hatte in dem letzten Jahr zugesehen, wie sie sich alle freundschaftlich näherkamen, nun da keine Titel mehr zwischen ihnen standen, doch Mikasa konnte das nicht. Ihr Leben bestand aus Eren und Armin, und nun aus Armin, Jean und Erens Schatten. Schon damals hätte sie sich gerne enger mit Sasha angefreundet, doch sie konnte sich nicht auf andere Menschen einlassen, wie sie gerne wollte und nun hatte sie nicht mehr die Gelegenheit dazu.
 

„Armin, du hast ihr noch nicht alles erzählt“, forderte Hange auf.

„Die Verhandlungen…“

„Nicht über Annie?“, neckte der Commander.

Armin errötete leicht. „Ja also… über Annie.“

Mikasa machte große Augen und fühlte ebenfalls etwas Aufregung aufsteigen. „Annie?“

„Wir sind eben einige Male ausgegangen und haben viel geredet und es ist kompliziert, aber da wir nun beide ein langes Leben haben werden, wollen wir das nicht allein verbringen.“ Er strich sich ein paar Mal eine Haarsträhne zurück, die vom Fahrtwind ins Gesicht geweht wurden und sah sich unwohl im Auto und den vorbeiziehenden Bäumen um. Die Fahrt war ein wenig holprig, da die Straßen nur bedingt und notdürftig gepflastert waren, und er suchte eine feste Stelle auf dem Vordersitz, um nicht einen von ihnen direkt anzusehen.

„Das finde ich schön“, sagte Mikasa schließlich sanft. „Und das ist wahr. Das hat Jean auch gesagt. Marco ist nicht mehr hier, aber er will nicht allein sein, also verbringt man seine Zeit mit einer Person, mit der man ebenfalls zusammenleben möchte.“ Sie griff in ihre Tasche und hielt Armin einen Ring mit einem eingearbeiteten Stein hin, der an einer Halskette befestigt war. „Das ist für ihn. Denkst du… ihm gefällt es? Ich habe es für ihn anfertigen lassen, aber Jean weiß es noch nicht.“

Ein unscheinbares Schmuckstück, doch allmählich verstand Armin, was er vor sich sah. „Wenn du den Schal an dir trägst, sollte er auch Marcos Asche nahe an sich tragen?“

„Ja. Das dachte ich.“

„Ich denke, ihm wird es sehr gefallen.“  

Sie ließ es in ihre Tasche zurückgleiten. „Ich hoffe.“

„Das ist eine sehr schöne Geste“, bestätigte Onyankopon vom Beifahrersitz aus und sah zu Hange hinüber. „Wir haben auch aus Paradis noch einiges aus Erwins Besitz mitgenommen und wir werden sehen, wie er reagiert“, sagte Hange etwas tonlos und ernst. Dey war um einiges ernster geworden, seitdem dey in Shiganshina Erwin, Moblit und ein Auge verloren hatte und danach zum Commander ernannt worden war.

„Er ist schon seit einiger Zeit kaum aus dem Haus gekommen, also lassen wir uns überraschen, und über die Verhandlungen sprechen wir am besten, wenn wir angekommen sind.“

„Jean und Connie wollten ebenfalls nach der Arbeit nachkommen und werden mit einem Auto von einem Kollegen gebracht“, unterrichte Mikasa.

„Sehr schön. Und worüber sich der grummelige, alte Mann auf jeden Fall freuen wird“, setzte Hange etwas freudiger nach.

„… ist Tee. Wir haben viele Teesorten an einem lokalen Markt gefunden, und eine Sorte aus meiner Heimat. Momentan sind die Plantagen etwas dürftig, aber es gibt sie noch. Rooibos. Meine damaligen Nachbarn hatten eine Plantage und ich hab ihn von Kind auf getrunken. Manchmal hatte ich schon genug davon, aber mein Vater hatte andauernd Rooibos-Tee von ihnen abgekauft und meine Schwestern waren so vernarrt darin. Das war, bevor Marley unser Land aus heiterem Himmel angriff, doch nun blühen sie wieder auf und unser Land erholt sich.“ Onyankopons Stimme nahm eine melancholische, nostalgische Tonlage an. „Ich bin so dankbar, dass sie sich in Sicherheit bringen konnten und die Göttin ihre schützende Hand über sie gelegt hat. Die Reise ist lang, aber ich möchte so gerne, dass du meine Familie kennenlernst, oder dass ihr das alle eines Tages könnt.“

„Sehr gerne, wir können das gerne in den nächsten Monaten machen, bevor die nächsten Verhandlungssitzungen beginnen.“
 

Mikasa und Armin saßen auf der Rückbank und hörten aufmerksam zu, wie Onyankopon aus seiner Kindheit und Jugend erzählte. Darüber wie Marley in seinem Land eingefallen war, um es der Kolonisation zu unterwerfen und er sich einer Rebellengruppe gegen Marley angeschlossen hatte, um seine Familie und das Land, das er kannte, von den Grausamkeiten zu beschützen, die Marley mit sich gebracht hatte und denen nicht bloß die Eldians zum Opfer gefallen waren. Davor hatte er noch studiert um Anwalt zu werden, da er dachte er könnte das geschehene Unrecht mit Recht bekämpfen, zumindest mit gesetzlichem Recht, doch Marley machte es einem schwarzen Mann an der Universität schwer.

Seine Erzählungen brachten auch dey alte, bekannte Hange hervor, dey neugierig und etwas aufgekratzt war und bei jeder Erzählung von Onyankopon noch mehr Details wissen wollte, noch mehr Beschreibung dazu haben wollte wie er gelebt hatte, woran er glaubte und was ihn antrieb.

Schon damals, als das Schiff aus Marley an Paradis Küste angelegt hatte, hatten sich Hange und Onyankopon auf Anhieb verstanden. Sie tauschten Erfahrungen aus und lernten voneinander; etwas wovon sie beide angetrieben waren. Als Onyankopon den Aufklärungstrupp zum ersten Mal nach Marley mitgenommen hatte, hatte Hange nicht genug bekommen können von den Museen, der neuartigen Technologie und der unbekannten Kultur und allem, was für denen unbekannt und neu war auf der anderen Seite des Ozeans.

„Einmal“, setzte Onyankopon an. „hatte meine Mutter für meine beiden Schwestern und mich gekocht und wir hatten einen alten, dicken Hofhund, der in unser Haus kam und alles aufgefressen hat. Und unsere Mutter war so zornig, sie hat ihn hinausgejagt und so sehr erschreckt, dass er davongelaufen ist. Sie hat sich die ganze Nacht lang Vorwürfe gemacht und hatte Angst, dass ihn wilde Tiere in der Nacht fressen könnten, doch in Wahrheit saß er wieder in unserer Vorratskammer und fraß schon wieder das Mittagessen für den nächsten Tag auf und sie ist ausgeflippt.“ Onyankopon gestikulierte, um seiner Geschichte mehr Ausdruck zu verleihen und auch wenn Hange die meiste Zeit über den Blick nach vorne auf die Straße gerichtet hatte, sah dey immer wieder zur Seite, um die Erzählungen deren Freundes zu folgen und lachte ausgelassen.
 

„Wenn wir deine Heimat besuchen, ich darf doch bestimmt Pieck mit mir bringen?“, fragte Hange an.

„Also dabei hast du sie schon gefragt, oder gehst du davon aus wie bei ihrem Titanen?“, kam es von Armin und das Auto war wieder von Gelächter erfüllt.

„Nein, ich werde sie fragen, aber ich gehe sehr davon aus.“

„Wir kennen uns schon länger“, ergänzte Onyankopon. „Aber weshalb gehst du davon aus?“

„Wir hatten nun auch einiges an Zeit miteinander verbracht, ich sagte doch, ich werde den Karrentitanen noch betören.“

„Die junge Lady darin auch? Oder galt das bloß für ihren Titanen?“

„Die Lady darin erst recht und sie mag meine Anwesenheit. Manchmal sieht sie mich so verwundert an und schüttelt den Kopf, aber sie mag meine Anwesenheit. Sie kommt öfters von selbst zu mir in meinen Raum, um sich zu unterhalten und zu fragen, woran ich arbeite. Ich weiß aber auch nicht weshalb sie mich manchmal so ansieht, als wäre ich der sonderbarste Mensch, dem sie je begegnet ist.“

„Hmm…“, machte Onyankopon nachdenklich und dey klopfte auf seinen Oberarm. „Hey.“

„Ich kann dir nicht sagen, weshalb sie das tun würde.“ Er grinste immer noch breit. „Aber wenn sie dich aufsucht, dann mag sie das wohl.“

„Was machst du nun eigentlich?“, fragte Mikasa. Sie wollte auch endlich an der Freundschaft, die sie alle verband, teilhaben. Niemand schloss sie daraus aus, aber sie brachte sich selten ein.

„Huh?“

„An Forschung.“

Armin half ihr aus. „Du hast gesagt du möchtest ein neues Forschungsgebiet, aber Pieck würde dich aufsuchen um dich danach zu fragen, was du gerade tust.“

„Unterrichten“, strahlte dey. „Das hatte ich ja einige Zeit in unserem Aufklärungstrupp getan und nun ja, für den Übergang. Onyankopon hatte mich an einer Universität zu Physiklesungen mitgenommen und ich glaube, das hat mich gepackt.“
 

In Sicht kam ein zweistöckiges, in einem simplen Stil gehaltenes Familienhaus, das ein wenig abgelegen von den Orten lag durch die sie hindurchgefahren waren. Der Captain hatte gesagt er wollte ein wenig abseits jeglicher Zivilisation leben, so fuhren sie noch gut zwanzig Minuten abseits eben jener sogenannten Zivilisation, die bloß ein Hundert-Seelen-Dorf war. Es sah idyllisch aus, eingebettet in den Rand einer Waldlichtung aus Nadelhölzern. Vermutlich hatte er Recht damit, dass er sich hier niederließ und für sich, und den Menschen, mit denen er sein Heim teilte, war.

„Ich hatte Levi, als ich ihn gefunden und zusammengeflickt hatte, gesagt, wir sollten zusammen verschwinden und abseits von allem leben. Er hat mich beim Wort genommen“, sinnierte Hange, als das Auto zum Stillstand kam. Der letzte Teil des Weges war geebnet, aber nicht ansatzweise gepflastert, und eine kleine Herausforderung sich hindurch zu navigieren.

„Parken wir weiter unten und gehen die fünf Minuten hinauf“, schlug Mikasa vor und hielt sich noch unsicher an der Seite der Karosserie an.

„Bei Regen ist es auch um einiges unwegsamer. Ich muss hier so nahe parken, weil er kaum einen Schritt tun kann, und mit dem Rollstuhl wird es noch schwieriger hier durchzufahren. Er hatte sich nicht vorgestellt noch zwei Kinder aufzunehmen, denke ich, aber nun hat er sie; haben wir drei die beiden.“

Je länger sie gefahren waren, desto mehr intakte Ortschaften bekamen sie zu Gesicht, die ihnen ein hoffnungsvolles Versprechen darauf gaben, dass sich die Menschheit erholen würde. Wahrscheinlich würde sie nie frei von Auseinandersetzungen sein, aber irgendjemand musste den Schritt dazu machen und dem Kreislauf von Hass ein Ende bereiten. Ein Wiederaufbau und Friedensverhandlungen waren der erste, richtige Schritt dazu.



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