Zum Inhalt der Seite

Wüstenstaub und Dosenbohnen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Moony

~ Remus ~

 

Das Holz knarrte unter seinen Füßen, als Remus den Salon betrat. Sämtliche Blicke lagen auf ihm, von neugierigen Personen, die den Neuankömmling einzuordnen versuchten. Sie betrachteten ihn von Kopf bis Fuß, das konnte Remus deutlich spüren. Er war ein Fremder hier und Fremde mussten erst inspiziert werden. Doch er wusste, er hatte nichts zu befürchten. Sein abgetragener Hut wie auch seine Stiefel, die schon besser Zeiten gesehen hatten, zeigte ihnen: Ich bin einer von euch! Ihr habt nichts zu befürchten!

Der lange Mantel, der ihm viel zu groß war, schlackerte um seinen dünnen Körper wie ein Bettbezug um eine Wäschestange. Sein treuer Hund lief neben ihm, knurrte hier und da Menschen an, die es wagten, ihm direkt in die Augen zu sehen. Remus konnte den Sand in seinem Gesicht spüren, doch das würde bis später warten müssen.

Dies alles dauerte nur wenige Sekunden an und doch kam es Remus wie eine Ewigkeit vor. Schließlich hatten die Gäste des Salons genug gesehen und kehrten zu ihren Aktivitäten zurück. Die Damen auf der Bühne sangen und tanzten zu einem Lied, dass er nicht kannte. Männer schrien und lachten sich an, während sie sich mit Spielkarten duellierten. Die allgemeine Atmosphäre war lauter geworden, voller, rauchiger. Mitleidig sah Remus zu seinem treuen Begleiter herunter. Dieser blinzelte ihn verständnisvoll an.

„Na, Cowboy, was kann ich dir geben?“, fragte der Barmann mit einer Flasche Whiskey in der Hand. Remus kannte diese Flasche, er hatte sie oft genug in anderen Salons angeboten bekommen. Er wusste, es würde hier nicht anders sein. Um ihnen beiden die Zeit zu sparen, antwortete er: „Für mich einfach nur ein Glas Wasser. Und wenn’s möglich ist, eine kleine Schüssel für meinen Hund.“

Der Barmann murmelte unverständliche Worte in seinen Backenbart, bevor er die Whiskeyflasche abstellte und den Bestellungen nachging. Als der erste Schluck seine schon beinahe ausgetrocknete Kehle herunterrann, spürte Remus sofort die erfrischende Wirkung.

Auch sein Hund konnte nicht anders, als sich voller Freude über das Wasser herzumachen, kaum, hatte Remus die Schüssel vor seiner Schnauze abgestellt.

„Ich habe dich hier noch nie in der Gegend gesehen. Du suchst hier wohl Arbeit?“, fragte der Barmann und sah Remus misstrauisch an. Ein Blick, wie es seit Jahren üblich war in den Gesichtern der Leute zu sehen. Wer konnte es ihnen verübeln? Schließlich konnte sich das Gegenüber jederzeit als ein geheimer Todesser herausstellen, der einen sofort an den dunklen Lord verraten würde. Gewohnheiten wurde man schwerlich los, besonders, wenn die neuen Zeiten zu jung waren.

Remus schüttelte den Kopf.

„Nein, um ehrlich zu sein, komme ich von einem beendeten Job und möchte mir zusammen mit meinem Hund ein paar schöne Tage machen. Außerdem will ich mich auf dem neuesten Stand bringen. Herausfinden, was an den Gerüchten dran ist und was nur Wunschdenken.“

Remus hielt dem Blick des Barmanns stand, bis dieser ein lautes Schmatzen von sich gab.

„Wer möchte das hier nicht? Die Geschichten, die sich die Leute hier erzählen, werden auch immer wilder. Eine Räubergeschichte nach der anderen.“

Der Barmann schüttelte seinen Kopf, was mit seinen fehlenden Haaren wenig beeindruckend wirkte.

„Wenn du mich fragst, alles völliger Humbug. Was sich die Leute so als Wahrheit wünschen würden, daraus könnte man glatt ganze Fantasyromane schreiben! Andere wiederum wollen nur noch mehr Chaos anstiften, als ohnehin schon herrscht.“

Der Blick des Barmanns wanderte durch den Saloon, erst jetzt bemerkte Remus, dass seinem Gastgeber sämtliche Zähne fehlten. Wieder nahm dieser Blickkontakt auf.

„Und, wo warst du, als es passiert ist?“, fragte der Barmann ohne weitere Umschweife. Remus blinzelte überrascht zurück, es dauerte wenige Sekunden, bis ihm bewusstwurde, was dieser mit der Frage bezweckte. Es war kein Verhör, nur ein weiterer Teil ihrer ungezwungenen Unterhaltung.

„Ich war mit meiner Aufgabe beschäftigt und habe erst nach meiner Rückkehr davon erfahren.“

Nachdenklich rieb sich Remus das dürre Kinn.

„Aber wo genau die Herde und ich zu dem genauen Zeitpunkt unterwegs waren, kann ich nicht so genau sagen. Vermutlich in der Nähe einer großen Weide oder einer Höhle.“

Nachdenklich nickte der Barmann, bevor er sich mit beiden Händen auf der Theke abstützte. Für einen kurzen Augenblick hatte Remus sehen können, wie der gebeugte Mann zu zittern begonnen hatte.

„Ich war an diesem Abend, nein, in dieser Nacht hier und habe Dädalus Diggel sein fünftes Bier eingeschenkt. Eigentlich wollte ich ihm nichts mehr geben, seine Zahlungsmoral ist nicht gerade die beste … Aber ich konnte an diesem Abend gute Gesellschaft gebrauchen. War sonst keiner mehr hier zu der Uhrzeit. Zuhause wartet niemand auf mich und Dädalus hat immer diesen Hundeblick drauf, bei dem ich nur schwer nein sagen kann.“

Die Augen des Barmanns wurden glasig, seine Arme verkrampften sich und das Zittern wurde stärker.

„Ich stand hier, an diesem Zapfhahn. Ich kann von Glück reden, dass ich gerade fertig geworden bin, sonst hätte ich mit dem Zapfen nicht mehr aufgehört. Als der Bote hier reingekommen ist und uns beiden davon erzählt hat – ich sag’s dir, mein Herz stand kurz still.“

Remus schluckte schwer, sein Blick fiel auf das Glas. Mit den Fingern tastete er am Rand entlang, der Durst war ihm vollkommen vergangen.

 

„Weiß man denn mittlerweile schon etwas mehr? Also was da genau passiert ist? Ich befürchte, ich habe unterwegs noch mehr Schwachsinn zu hören bekommen als du hier in deiner Bar.“

Vorsichtig blickte sich der Barmann zu allen Seiten um, als wären seine nächsten Worte nicht für jedermanns Ohren bestimmt. Dann seufzte er und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht. Aus dem Zittern war ein Beben geworden.

„So wirklich weiß bis heute keiner, was da draußen auf der Farm passiert ist. Vermutlich wird das niemand so genau wissen. Die MACUSA versucht zwar so viel wie möglich zu ermitteln, aber das sind ja auch nicht immer die hellsten Köpfe, wenn du verstehst, was ich meine.“

Remus nickte, hoffte jedoch nicht, allzu sehr ins Detail gehen zu müssen. Er wusste leider ganz genau, was der Barmann mit dessen Bemerkung meinte. Dennoch war es ein Geheimnis, welches Remus nicht leichtfertig mit anderen teilen konnte oder wollte.

„Man sagt, dass Du-weißt-schon-wer höchstpersönlich bei den Potters auf der Türschwelle stand. Es soll wohl ganz schnell passiert sein, auch wenn sie sich gewehrt haben. Ihn hat es wohl zuerst erwischt, danach sie. Nur der kleine, der winzig kleine Harry, ihr einziger Sohn hat überlebt. Man es gerade noch geschafft, ihn aus dem zerstörten Gebäude retten zu können. Die ganze Farm soll komplett zerstört worden war.“

Aus irgendeiner Tasche zog der Barmann ein schmutziges Taschentuch hervor und schnäuzte unelegant hinein. Remus fühlte sich ebenfalls unwohl, zwar waren ihm die ganzen Details bereits bekannt, dennoch spürte er, wie sich sein Magen stark zusammenzog.

„Dann waren es also wirklich die Potters, die es erwischt hat? Ich kann es nicht glauben!“

„Genau das war auch meine erste Reaktion! Und meine zweite und meine dritte! Leider hat die MACUSA es unmissverständlich bestätigt, es handelt sich bei den beiden Verstorbenen um Lily und James Potter. Kaum zu glauben, dass es ausgerechnet die beiden erwischt hat.“

Dieses Mal war es Remus, der den Kopf schüttelte. Ganz langsam und bedächtig, als würden ihm die Informationen zu denken geben.

„Dabei sollen die Potters doch die höchsten Sicherheitsmaßnahmen ergriffen haben, sogar von einem oder zwei Geheimniswahrern soll die Rede gewesen sein. Ob das allerdings nur haltloses Geschwätz oder auf wahren Tatsachen beruht, kann ich nicht beurteilen.“

Vollkommen die Lust aufs Getränk verloren, schob Remus das Glas von sich.

„Stimmen denn die Gerüchte? Dass Du-Weißt-Schon-Wer dafür nun vollkommen verschwunden sein soll? Gibt es denn schon einen Verdächtigen? Oder hat Er die Potters ganz allein gefunden?“

Wieder kehrte die Skepsis in den Blick des Barmanns zurück, bevor er sich ein Tuch schnappte und begann, einzelne Gläser zu polieren. Dass er sie dabei noch schmutziger machte als zuvor, schien er nicht zu bemerken. Und Remus verspürte nicht das Bedürfnis, es ihm zu sagen.

„Das will hier jeder wissen. Natürlich sind auch solche Gerüchte im Umlauf und es gab auch schon einige, die sofort zu feiern angefangen haben. Die Leute sind vor Freude so unvorsichtig geworden, dass sogar die No-Maj mitbekommen haben, dass was passiert ist. Sie wissen natürlich nicht was, aber ganz so dumm sind sie auch nicht.“

Der Barmann schnappte sich das nächste Glas, um es ebenfalls trüb und dreckig zu polieren. Er schien über seine nächsten Worte nachzudenken. Schließlich stellte er das Glas ab und beugte sich zu Remus herüber. Ihre Gesichter waren sich nahe, zu nahe für Remus‘ Geschmack, doch wenn er an Informationen kommen wollte, musste er das wohl oder übel über sich ergehen lassen. Dass der Barmann viel Knoblauch in seinem Mittagessen gehabt haben musste, war etwas, was Remus lieber nicht hätte wissen wollen.

 

„Komplett bewiesen ist es noch nicht, aber ich sag’s mal so, ich habe meine Infos aus sicherer Quelle“, sagte der Barmann nun mit fester, ruhiger Stimme, während er mit seinen Augen unauffällig zur Seite blickte. Remus folgte dem Blick und bemerkte, dass der Barmann niemand anderes als den lokalen Sheriff damit meinen konnte. Der Sheriffstern auf seiner Brust verriet ihn sofort.

„Man sagt, die Potters wären von einem ihrer besten Freunde verraten worden. Sirius Black soll sie an Du-Weißt-Schon-Wen verkauft haben, doch wofür? Um in dessen Gunst zu steigen, um sein Ansehen zu erregen? Um seine rechte Hand zu werden? Es soll wohl auch handfeste Beweise gegen Black geben. Besonders das, was er seinem anderen Freund angetan haben soll…“

Remus riss die Augen auf, um Neugierde zu zeigen. Er wusste ganz genau, worauf der Barmann anspielte, konnte jedoch nichts anderes tun, als den ahnungslosen Reisenden zu mimen.

„Moment, was willst du damit sagen? Was hat er denn noch getan?“

Der Barmann atmete tief aus, eine intensive Knoblauchwolke wehte Remus ins Gesicht. Er bemühte sich stark, nicht das Gesicht zu verziehen.

„Ich war nicht dabei, aber meine Quelle hat es mir erzählt. Er soll sich auf einer offenen Straße mit Peter Pettigrew angelegt haben. Oder er sich mit Black … keine Ahnung, welche Version davon nun stimmt. Fragen kann man die beiden ohnehin nicht mehr.“

Remus‘ fragender Blick schien den Barmann zu verunsichern.

„Black ist auf der Flucht, nach dem wird überall gefahndet. Dass dir die Plakate noch nicht aufgefallen sind? Gut, die hängen auch erst seit heute Morgen hier“, und deutete auf eine der Wände. Remus konnte die Steckbriefe sehen. Sie alle zeigten das gleiche Bild von Sirius, wie dieser verschmitzt in die Kamera lächelte. Zusammen mit dem Zusatz „Tod oder Lebendig“ und den 500 Dragots, die als Belohnung ausgeschrieben worden waren.

„Wenn du mich fragst, dieser Black ist ein richtiger Mistkerl. Ganz ehrlich, ich hoffe, die bekommen den so bald wie möglich und stecken ihn für immer in das finsterste Loch, dass ihm das MACUSA-Gefängnis bieten kann. Oder sie stecken ihn am besten gleich in die Todeszelle, nur, um sicher zu gehen.“

Angewidert spuckte der Barmann zur Seite, das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse verzerrt. Der Hund neben Remus begann laut zu knurren. Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Barmanns, was die Grimasse zum größten Teil verschwinden ließ.

„Dein Hund scheint ein ganz Schlauer zu sein. Sogar er versteht, zu welcher Sorte Abschaum dieser Black gehört. Zu der finstersten Sorte!“

Erregend bohrte der Barmann den Zeigefinger in die Luft.

„Von Peter Pettigrew soll man nach ihrem Duell nur einen Finger gefunden haben, der Rest wurde wortwörtlich zermalmt. Er soll von einer riesigen Dampflok überfahren worden sein, die während ihres Duells entgleist ist. Dabei sind auch mehrere No-Majs ums Leben gekommen, MACUSA hatte alle Hände voll zu tun, das gegenüber den restlichen Zeugen zu verbergen. Besonders die Leute, die für die Gedächtnisveränderungen zuständig sind, haben die größten Überstunden schieben müssen. Können einem echt leidtun, die armen Kerle.“

Wieder begann der Barmann damit, ein Glas trüb zu polieren. Remus war dagegen bleich geworden, er fühlte, wie ihm jegliches Blut und Leben aus dem Gesicht wich. Sofort stellte der Barmann ihm ein sauberes Glas hin und füllte es mit Whiskey.

„Nimm es, geht aufs Haus. Du siehst aus, als könntest du das sehr gut gebrauchen. Kein Wunder, bei all dem, was du heute erfahren hast.“

Remus zögerte, nahm jedoch das Glas und leerte es in einem Zug. Der Whiskey brannte auf seiner Zunge, in seiner Kehle und füllte eine Lücke, die nicht zu füllen war.

„Es ist nur, das alles geht mir so nah. Die Potters, Pettigrew, Black, sie alle kenne ich von damals. Wir haben alle zusammen die Schulbank gedrückt und nun das …“

„Verrückt, was die dunkle Seite mit uns Menschen machen kann. Wozu manche Leute dann bereit sind zu tun, das kann man sich nicht ausdenken. Was für ein Monster das war! Vermutlich gab es da schon immer eine gewisse Veranlagung, die dadurch nur gefördert wurde.“

Wieder begann der Hund zu knurren, lauter als zuvor. Remus legte ihm eine Hand auf den Kopf.

„Ruhig, Snuffles, ruhig, hier sind wir in Sicherheit. Mir gefällt das alles auch nicht, aber es sind nun mal die Tatsachen, denen wir ins Auge blicken müssen.“

Belustigtes Schnauben kam aus der Richtung des Barmanns und als Remus ihn wieder ansah, konnte er sehen, wie dieser sich nun Lachtränen aus dem Gesicht wischte.

„Snuffles? Bei allem Respekt, aber sie haben ihren Herden- und Hütehund allen Ernstes Snuffles genannt?“

Remus zuckte mit den Schultern.

„Den Namen hat er nicht von mir. Ich habe den Hund von einer alten Lady geschenkt bekommen, nachdem ich mich wochenlang um ihre Kuhherde gekümmert habe. Sie hatte kein gutes Händchen, was Namen anging. Aber er ist an den Namen gewohnt, und alten Hunden bringt man nun mal keine neuen Tricks mehr bei.“

Sein Gegenüber wischte sich die letzten Tränen weg, wirkte aber gleichzeitig erleichtert, überhaupt mal wieder einen guten Grund zum Lachen gehabt zu haben. Seine Schultern senkten sich, seine Körperhaltung sah entspannter aus.

Schließlich verlor sich ihr Gespräch und Remus widmete sich wieder seinem Wasser. Es kühlte seine Lippen; seinen Mund nach dem Brand, den er nach wie vor vom Whiskey verspürte. Es dauerte nicht lange, bis der Barmann ihn erneut genauer unter die Lupe nahm. Ahnte er etwas? Remus versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Schließlich unterbrach der Barmann das seltsame Schweigen zwischen ihnen.

„Du scheinst auch nicht mehr bei der besten Kondition zu sein. Bist du immer so dürr? Oder hattest du während deines letzten Auftrages zu wenig zum Essen dabei?“

Remus dachte an die vergangenen zwei Wochen, daran, wie er auf die Herde Re’em aufgepasst hatte. Wie die Tiere es ihm nicht leicht gemacht hatten, mit ihren eigensinnigen Dickköpfen. Wie er die Neuigkeiten über die Potters gehört und es ihm sofort das Herz gebrochen hatte.

„Ja. Nein. Nicht wirklich“, sagte Remus und rang mit den Worten.

„Ich hatte an sich genug für meinen Hund und mich dabei, es ist mir nur ausgegangen. Außerdem war meine Arbeit hart und schwer. Und ich habe schon immer dazu geneigt, kaum zuzunehmen. Dafür habe ich nun die nächsten Tage genug Zeit, mich von all dem Stress zu erholen und um das eine oder andere Kilo zuzunehmen.“

Er versuchte locker zu klingen, was ihm eher weniger als mehr gelang. Doch ob nun aus Höflichkeit oder nicht, der Barmann ging nicht näher darauf ein.

„Na dann. Du wirst schon wissen, was du da tust. Wie dem auch sei, ich muss mich langsam um meine anderen Gäste kümmern. Der Sheriff sieht mir schon halb verdurstet aus… möchtest du ein weiteres Wasser, oder lieber was zum Essen bekommen?“

Remus wollte weder das eine noch das andere, mit einem freundlichen Nicken holte er mehrere Münzen hervor, die er auf dem Tresen ablegte.

„Komm, Snuffles, wir sollten langsam mal weiterziehen, sonst wird das später nichts mehr mit der Erholung heute Nacht.“

Der Hund warf einen letzten Blick in die Richtung des Barmanns und dieser hätte schwören können, einen sehr wachen Verstand hinter den zwei dunklen Augen zu erkennen. Doch kaum hatte er die Gläser für den Sheriff und seine Freunde abgefüllt, hatte er den Cowboy und seinen Hund längst wieder vergessen.

Die beiden dagegen hatten in der Zwischenzeit ihre Stute abgeholt und waren im Begriff, den Ort wieder zu verlassen. Die Wüste war ihr nächstes Ziel und je schneller die Stadt hinter ihnen lag, desto sicherer konnte sich Remus fühlen.

Tatze

~ Remus ~

 

Remus blinzelte unter seinem Hut hervor, als er die nähere Umgebung in Augenschein nahm. Die Sonne schien auf seinen Nacken. Zwar saß er mit dem Rücken an kleineren Felsen, dennoch hatte sich zwischen ihnen über im Laufe der Zeit ein kleiner Spalt gebildet. Neben ihm lag sein Hund. Den Kopf auf die Pfoten gelegt, beobachtete er aufmerksam seinen menschlichen Begleiter. Seine Stute stand neben ihnen und blähte hin und wieder die Nüstern auf.

Remus hob seine Wasserflasche, die metallene Fläche glänzte in der Mittagssonne wie ein billiger Diamant. Kaum hatte er seinen Schluck genommen, hob der Hund seinen Kopf ein wenig. Ihre Blicke trafen sich, Remus zögerte ein wenig, und sah sich ein letztes Mal um. Es hatte sich nichts an ihrer Situation geändert, sie beide waren immer noch allein. Ein Zustand, der sich auch in den nächsten Minuten nicht ändern würde.

Dennoch hob Remus seinen Zauberstab und deutete damit auf die Erde. Die Spitze des Stabs war auf mehrere Wüsten-Beifuß Setzlinge gerichtet, die zaghaft aus dem trockenen Boden gebrochen waren.

Leise murmelte er das magische Wort „Herbivicus“, obwohl ihn außer den beiden Tieren niemand anderes hätte hören können. Augenblicklich wuchsen die kleinen Setzlinge zu stattlichen Büschen heran. Mit seinem Zauberstab führte und lenkte Remus die Pflanzen nach seinen Wünschen, bald bedeckten sie ihr kleines Lager von allen freien Seiten, wie auch von oben herab. Bis auf den kleinen Spalt gelang nur noch spärlich Licht in ihre kleine Höhle hinein.

Zufrieden steckte Remus seinen Zauberstab wieder an seinen Gürtel, bevor er seinen Hund erleichtert ansah.

„In Ordnung, ich denke, wir können uns in Ruhe unterhalten. Die Sträucher sind blickdicht, dafür habe ich gesorgt.“

Der Hund hob seinen Kopf ein weiteres Mal, gähnte und streckte sich ausführlich in alle Richtungen, bevor er sich aufrecht hinsetzte. Den Blick zu Remus gewandt, begann der Hund sich zu verwandeln, nahm immer menschlichere Züge an, bis von dem Hund nichts mehr zu sehen war. Wenige Sekunden später saß ein Mann, im gleichen Alter wie Remus, neben ihm und schüttelte seinen Kopf. Die schulterlangen Haare flogen ihm ins Gesicht. Sein abgetragener Mantel verschmolz optisch mit dem trockenen Staub des Bodens.

„Langsam reicht es mir! Dass jeder, wirklich jeder diesen dummen Gerüchten glaubt. Der arme, arme Peter Petticrew! Jetzt hält mich absolut jeder für einen Mörder. Am liebsten hätte ich diesem Typen in seinen Schuh gebissen“, raunte Sirius so laut er konnte und schlug mit der Faust auf den Boden, immer wieder und wieder. Mit jedem Schlag flog ein wenig Staub in Remus‘ Richtung.

„So sehr ich deinen Ärger verstehen kann“, sagte Remus leicht gefasst. „Aber diese Hecken sind nur blickdicht, laute Geräusche sind nach wie vor zu hören. Und ich will dieses Versteck nicht umsonst gemacht haben. Abgesehen davon bin ich froh, dass du den Barmann nicht gebissen hast, seine Kleidung sah teuer aus.“

Mit der Hand wischte sich Remus den Staub von der Kleidung, zumindest, soweit es ihm möglich war. Ihm war bewusst, dass ein bloßes Abwischen mit der Hand nicht reichen würde. Doch er hatte kein Waschbrett und auch nicht die Zeit, sich eins zu besorgen. Das würde warten müssen. Er hatte andere Prioritäten. Und diese saßen vor ihm und hatten sich zu Remus‘ Glück wieder einigermaßen beruhigen können.

 

„Snuffles? Ein blöderer Name hätte dir nicht einfallen können, oder?“, fragte Sirius belustigt, doch Remus konnte die Belustigung nicht teilen. Peinlich berührt erwiderte er den Blickkontakt.

„Mir musste auf die Schnelle ein Name einfallen und Tatze war nun mal nicht möglich. Dann hätte ich dich ja gleich Sirius nennen können.“

Sirius verschränkte die Arme und ließ seinen Kopf seitlich hängen.

„Du hättest den Wirt auch nicht anknurren müssen, das weißt du doch.“

„Klar, klar weiß ich das. Aber hey, es hat dich immerhin in einem positiveren Licht scheinen lassen“, sagte Sirius und wedelte mit der Hand, als wollte er aufdringliche Fliegen verscheuchen.

„Zumal mir der Wirt nicht gefallen hat, er und die Gerüchte, der er munter herumverteilt.“

„Damit ist er nicht der Einzige, viele schnappen diese Geschichten auf und geben sie weiter.“

Remus seufzte und reichte Sirius seine metallene Trinkflasche. Dieser leerte den Rest in einem Zug.

„Hast du wenigstens irgendeine Spur aufgenommen, die mir entgangen ist? Oder war der Besuch in der Stadt reine Zeitverschwendung?“

Sirius wischte sich die letzten Wassertropfen aus den Mundwinkeln, bevor er Remus die Flasche zurückgab.

„Der Saloonbesuch hat sich rein für das Getränk gelohnt, sonst gab es nichts neues, das ich da hätte erschnüffeln können. Wenigstens war das Wasser rein und lecker. Der Wirt war sehr großzügig, ist ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr.“

Kurz rieb er sich über die Nasenwurzel, schnaufte mehrere Male laut ein und aus, als wollte er versuchen alte Gerüche ein weiteres Mal aufnehmen zu können.

„Die ganze Stadt hat nach den üblichen Dingen gerochen. Ich bin immer noch der Meinung, dass sich unsere Gesellschaft nicht so stark von den No-Majs unterscheidet, wie sie es gerne hätte. Vor allem nicht, was gewisse Körpergerüchte und die Abfallbeseitigung betreffen.“

Angewidert verzog Sirius das Gesicht. Noch peinlicher berührt hob Remus seinen Arm und begann, an seiner Achsel zu schnuppern. Sirius verdrehte das Gesicht.

„Remus, wenn du stinken würdest, hätte ich es dich wissen lassen.“

Das Gesicht seines besten Freundes färbte sich roter als es jede Habanero der Welt geschafft hätte.

„Sonst ist mir nichts aufgefallen. Die hiesigen Damen scheinen wohl ganz verrückt nach dem Duft von Rosen zu sein. Bestimmt kein billiges Parfüm, zumindest vom Geruch her. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, bis… bis ich dann doch noch auf etwas gestoßen bin.“

Sirius‘ Blick verdüsterte sich und augenblicklich wurde die Temperatur in ihrer kleinen Naturhöhle einige Grad kälter. Zumindest nach Remus‘ Empfinden.

„Auf was bist du gestoßen? Eine Spur zu ihm? Oder etwas anderes? Ich dachte, du hättest nichts gefunden?“

Dabei nahm Remus seine nun leere Wasserflasche und warf einen Blick hinein. „Aquamenti“, sagte er nun in normaler Lautstärke und ließ aus einem Zauberstab einen dünnen Wasserstrahl in die Flasche gleiten, bis diese wieder gefüllt war.

„Wie gesagt, mir ist es dank der vielen anderen Gerüche auch erst gar nicht aufgefallen. Aber am Ende war es dann so klar wie die Sonne. Dieser ekelhafte Gestank dieses widerlichen Verräters war überall zu riechen, wenn auch nur ganz schwach. Vermutlich ist es schon länger her, dass er in dieser Stadt war. Aber war da! Und das definitiv nach unserem Treffen in St. Johns, das kann ich dir versprechen.“

Sirius holte aus einer Hosentasche eine kleine Dose, aus welcher er eine kleine Menge Kautabak nahm. Diese stopfte er sich in den Mund und kaute so kraftvoll er konnte darauf herum, bevor er die Masse in einer seiner Backentaschen schob. Angewidert blickte Remus zur Seite.

„Sein Geruch war also vorhanden, aber schwach. Sprich, die Spur ist schon ein wenig älter. Was bedeutet, dass wir keine Zeit verlieren dürfen, bevor von der Spur nichts mehr übrig ist. Und selbst wenn wir am Ende nichts finden, uns wird er nicht entkommen. Er wird nicht ewig davonlaufen können.“

Sirius drehte seinen Kopf weg, ein Spuckgeräusch war zu hören, gefolgt von einem kurzen Schmatzen. Remus rümpfte die Nase, was seinem Freund nicht entging, als er seinen Kopf zurückdrehte.

„Das Zeug kann dich kaputt machen, das weißt du“, sagte Remus mahnend in der Hoffnung, seinen Freund zur Vernunft bringen zu können.

„Dazu müsste ich es in Massen kauen und nicht einmal alle paar Wochen bis Monate herum. Ich passe schon auf mich auf, das weißt du doch. Und als Snuffles habe ich ohnehin eine sehr gesunde Lebensweise.  Nun, entsprechend unseren Umständen, natürlich.“

Sirius versuchte ihn ein wenig zu sticheln, doch Remus blickte ihn nur streng an. Sie sahen sich für ein paar Augenblicke an, bevor Sirius sich mit der Hand durch die Haare fuhr.

„Du hast recht, wir sollten nicht noch mehr Zeit verschwenden. Am besten reiten wir zur Stadt zurück und ich versuche die Spur wieder zu finden. Du besorgst ein paar Vorräte und dann suchen wir nach diesem Mistkerl. Achja, und wehe du vergisst das Beef Jerky wieder!“

„Du vergisst, dass ich derjenige bin, der das alles bezahlen darf“, beschwerte sich Remus zurück, doch eine Antwort brauchte er gar nicht mehr zu erwarten. Vor ihm war sein Freund verschwunden, stattdessen sah ihn ein großer, zotteliger Hund mit treuherzigen Augen an.

„Ja ja, ich habs dir ja beim letzten Mal versprochen. Aber wenn mich diese kleinen Fleischstreifen wieder einen Arm und einen Fuß kosten würden, werde ich sie liegen lassen müssen.“

Snuffles hob seinen Kopf an Remus‘ Bein, kaum war dieser aufgestanden. Remus spürte seinen Blick, als er mit dem Zauberstab die Pflanze gerade genug zur Seite schob, dass sie ihr Versteck problemlos verlassen konnten.

„Gut, dann lass uns keine Zeit verlieren“, sagte Remus, setzte sich auf seine Stute und folgte „seinem“ Hund im langsamen, weichen Galopp.

 

~

„Verstehe. Hier ist die Spur zu Ende, nicht wahr?“

Kaum war Snuffles zum Stehen geblieben, hielt Remus neben ihm seine Stute an und verließ den Sattel mit einem lauten Seufzen.

„Nein, ich habe nicht vergessen, dass du als Hund nicht sprechen kannst. Wedle… wedle doch ein wenig mit dem Schwanz, um ja zu sagen.“

Snuffles blickte ihn blinzelnd an, bevor er mehr als deutlich seinen Schwanz wedeln ließ. Sie standen vor einer verlassenen Holzhütte. Allein die eingeschlagenen Fenster zeigten, dass sich hier niemand dauerhaft aufgehalten haben muss. Lediglich Halbstarke und Herumtreiber, die spontan ein Dach über dem Kopf benötigten, zog es zu diesem Gebäude hin.

Snuffles drehte seinen Kopf zur Hütte und bellte sie laut an. Dabei hoffte Remus, dass sie beiden die einzigen waren, die das Geräusch hören konnten.

„Gut, dann sehen wir uns doch mal um“, sagte Remus, zückte seinen Zauberstab und atmete tief ein.

Appare Vestigum“, sprach er laut und deutlich aus. Dann führte er seinen Zauberstab an seinen Lippen, drehte sich im Kreise und pustete feinen Goldstaub aus. Snuffles rieb sich knurrend die Schnauze.

„Tut mir leid, sei froh, dass ich das nicht so oft machen muss“, versuchte Remus sich zu entschuldigen. Dabei legte sich der Goldstaub und zeigte mehrere Fußspuren, die zum Haus und wieder wegführten. Auch ein paar Tiere, wie Vögel oder Ratten, hatten sich des Öfteren in der näheren Umgebung aufgehalten. Remus verzog seine Augen zu Schlitzen. Doch mehr konnte er nicht erkennen.

„Wer immer hier seine Zeit verbracht hatte, war entweder ein No-Maj oder hatte auf den Einsatz von Magie verzichtet. Zumindest, was die äußere Umgebung des Hauses angeht. Innen, das werde ich mir auch noch ansehen müssen“, sprach Remus seine Schlussfolgerungen laut aus.

Mit einer raschen Bewegung brachte er seine Stute auf die andere Seite des Hauses. In dieser Richtung befanden sich nur Bäume, soweit Remus sehen konnte und das würde sein Pferd vor neugierigen Blicken schützen. Der Ort war verlassen, dessen war er sich sicher. Sonst hätte ihn längst jemand mit einer gezückten Waffe vom Grundstück vertrieben.

Gleichzeitig wusste er, dass sich das jederzeit wieder ändern könnte und Remus wollte einem eventuellen Feind keinen Vorteil bieten. Vor allem nicht, wenn es sich dabei auch noch um ihre Zielperson handeln sollte.

„Komm, Snuffles, wir gehen rein.“

Mit einem Pfiff und einer Tasche unter dem Arm rief er den Hund herbei, welcher sofort knurrend angelaufen kam. Remus tätschelte ihm trostvoll am Kopf.

 

Im Haus selbst war es kühler, als Remus vermutet hatte, schob es jedoch auf den Umstand, dass die Bäume den Großteil der Sonnenstrahlen verschluckten. Schnell sah er sich in den drei Räumen um, die das Haus zur Verfügung stellte, konnte jedoch keine Menschenseele finden.

Mit einer raschen Bewegung seines Zauberstabs ließ Remus an jedem Fenster Gardinen erscheinen, welche die Fenster komplett verdeckten. Die Tür wurde ebenfalls verschlossen, um andere Personen vom plötzlichen Eintreten zu hindern.

Snuffles nahm derweil auf dem großen, durchgesessenen Sofa Platz und beobachtete ihn.

„Gut, mal sehen, ob wir hier magische Spuren haben“, sagte Remus, bereit, den Zauber von eben zu wiederholen. Doch er kam nicht so weit.

Statt eines Hundes saß nun wieder Sirius auf dem Sofa und hob beschwichtigend den Arm.

„Nicht nötig! Abgesehen davon wird mein Fell nun über die nächsten Wochen glitzern und funkeln, wie ein billiger Glasstein. Du weißt ganz genau, dass meine Nase als Hund auch viel feiner ist, weißt du, wie merkwürdig der Aufspürzauber stinkt?“

Remus schüttelte den Kopf.

„Nein, tut mir leid, mein Freund, aber dessen war ich mir nicht bewusst. Was hast du denn herausgefunden?“

Er sah sich um und betrachtete das, was ihm schon beim Betreten des Hauses sofort aufgefallen war. Eine kleine Feuerstelle im Kamin errichtet von einem Amateur. Dazu eine leicht verbeulter Topf und mehrere Dosen Bohnen, die Hälfte war bereits geöffnet worden. Hier hatte sich jemand für mehrere Tage eingerichtet und es sich gut gehen lassen.

„Dieses Haus stickt nach Verräter. Dagegen ist der Zaubergeruch eine wahre Wohltat“, spie Sirius die Worte aus, sein Blick so finster wie seine Kleidung. „Es stinkt nach Peter. Dieser Geruch ist einmalig. Der hat sich einmal in meine Nase gebohrt und wird dort für den Rest meines Lebens verweilen. Oder, bis wir ihn endlich gefunden und zur Rechenschaft gezogen haben.“

Ein weiteres Mal holte er aus seiner Tasche den Kautabak heraus, stopfte sich eine größere Menge in den Mund und begann, lautstark darauf zu schmatzen. Remus schickte ein Stoßgebet zum Himmel in der Hoffnung, Sirius würde den Mund bald wieder schließen. Stattdessen spuckte er den Tabak in eine der leeren Dosen hinein. Remus beobachtete die Szene mit gemischten Gefühlen.

„Gut, dann fassen wir doch mal zusammen, was wir wissen. Peter war hier, eine unbekannte Zeit lang und hat sich von Dosenbohnen ernährt. Jetzt ist er nicht mehr hier, aber die Vorräte zeigen mir, dass er zurückkommen wird. Es gab keinen Kampf oder sonstige Anzeichen dafür, dass er flüchten musste. Vielleicht ist ihm seine Ernährung doch zu einseitig geworden und er besorgt sich eine weitere Zutat.“

Sirius gab ein verächtliches Geräusch von sich. Wie immer, wenn er früher oder später auf das Thema „Peter Petticrew“ zu sprechen kam.

„Wenn du mich fragst, wühlt der in irgendeinem Müll herum auf der Suche nach letzten Essensresten. Nach dem, was er da letztens geliefert hat, kann er sich keiner Menschenseele mehr zeigen.“

Remus wusste, er brauchte noch ein besseres Bild von den Ereignissen, und Sirius war neben Peter der einzige Überlebende, der die Wahrheit kannte.

Schnell kramte er aus seiner Tasche drei Beef Jerky Streifen, die er Sirius reichte. Dessen Augen nahmen einen Glanz an, den Remus seit ihrer gemeinsamen Zeit in Ilvermorney nicht mehr gesehen hat.

„Remus John Lupin, du, du bist wahrlich der beste Freund auf der Welt“, frohlockte Sirius glücklich und biss sich ein großes Stück ab. Remus, der spürte, wie sich seine Wangen und Ohren ein wenig rosa färbten, nahm auf dem Sessel gegenüber seinem Freund Platz. Beobachtete, wie dieser das Trockenfleisch genoss, wie jeder einzelne Biss eine Wohltat für ihn zu sein schien. Er wartete, bis sein Freund den Snack beendet hatte, bevor er das Wort wieder fand.

„Freut mich, dass es mir gelungen ist, dir eine Freude zu machen“, sagte Remus diplomatisch und Sirius sah ihm in die Augen. Remus hatte nun seine volle Aufmerksamkeit, mehr denn je. Das musste er ausnutzen.

„Gut, du hast mir bereits alles erzählt und ich glaube dir nach wie vor, da habe ich keine Zweifel oder Bedenken. Aber was war mit Peter genau los? Was ist da wirklich passiert? Ich denke, wenn ich alle Details kenne, kann uns das helfen, ihn aufzuspüren und zu finden. Egal was, es können auch unbedeutende Dinge sein, was auch immer dir in den Sinn kommt.“

Sirius spülte seinen Bissen mit einem großen Schluck Wasser herunter, als Remus ihm seinen Trinkbehälter gab. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über die spröden Lippen.

„In Ordnung, ich werde dich alles wissen lassen, was ich weiß“, sagte Sirius, lehnte sich zurück und verschloss die Augen.

Wurmschwanz

~ Remus ~

 

Remus‘ Augen ruhten auf Sirius. Er beobachtete ihn dabei, wie dieser versuchte eine bequeme Position für seine Arme zu finden. Am Ende verschränkte Sirius sie vor seiner Brust, seine Fingerspitzen bohrten sich angespannt in seine Oberarme.

„Dieser … Mistkerl. Hätte ich ihn nicht die ganze Zeit im Auge behalten, wäre mir diese kleine, subtile Bewegung entgangen. Vermutlich hat es außer mir niemand bemerkt, vor allem keiner von den No-Majs…“

Sirius schnaubte abfällig, sein Gesicht färbte sich rot, während seine Fingerspitzen weiß wurden. Remus seufzte bei diesem Anblick.

„In Ordnung, vergiss bitte deinen Hass auf ihn für eine einzige Minute und sag mir, was an dem Tag in St. Johns passiert ist. Du hast mir damals keine Details erzählt, ich weiß nur, dass er von einem Zug überrollt worden sein soll. Er und mindestens ein Dutzend No-Majs.“

Verächtlich zog Sirius die Nase hoch.

„Dass der Zug entgleist war, kam ihm wohl ganz recht. Aber es ist ja auch kein Wunder, er selbst steckt ja dahinter“, sagte Sirius mit trockener Stimme. Remus gab ihm seine Wasserflasche, aus welcher sein Freund mehrere große Schlucke nahm.

„Nun gut, jedenfalls war ich unterwegs in St. Johns, da ich versuchen wollte, an mehr Informationen zu kommen. Und auch, weil ich nach Peter gesucht habe. Er hat sich früher dort oft aufgehalten und ich dachte mir, dass er eventuell sagen könnte, was passiert ist. Immerhin war er von uns dreien der einzige Geheimniswahrer.“

Sirius wischte sich mit der freien Hand über den Mund, der Staub der Prärie hing nun in seinen unrasierten Bartstoppeln. Doch das störte ihn nicht.

„Wie es die Macht der Gewohnheit wollte, konnte ich ihn tatsächlich ausfindig machen. Glaub mir, ich hatte auch erst Zweifel daran, dass er es wirklich getan haben könnte. Dass er die beiden verraten hat …“

Seine Stimme brach ab, seine Arme lagen nun schlaff auf seinem Schoß und er drehte den Kopf zur Seite, offensichtlich mit den Tränen kämpfend. Remus konnte sich mehr als ausmalen, welchen Schmerz sein Freund in diesem Moment erneut durchleben musste.

Sirius blinzelte mehrere Male, holte sein Taschentuch hervor und wischte sich damit rasch über die Augen. Als ihre Blicke sich wieder trafen, waren sie leicht gerötet.

„Also habe ich ihn gefragt. Immerhin kann man die Auskunft von einem Geheimniswahrer nicht erzwingen, nicht durch einen Zauber, nicht durch Folter. Dennoch, dass er Du-Weißt-Schon-Wem den Standort aus freien Stücken gesagt hat … ein naiver Teil von mir dachte, dass er vielleicht hereingelegt wurde. Dass er das Opfer einer dunklen Intrige war.“

Mit einer schnellen Bewegung leerte Sirius die Wasserflasche, bevor er sie auf den Tisch vor sich fallen ließ.

„Auf dieser stark belebten Straße habe ich ihn gefunden, und ihn sofort angesprochen. Dachte, er würde anfangen zu heulen oder sonst irgendwie Reue zeigen. Weißt du, was dieser verdammte Bastard gemacht hat?“

Remus hob ahnungslos die Schultern.

„Nein, ich weiß es offensichtlich nicht, sonst hätte ich dich ja nicht nach den Details gefragt.“

Sirius ging nicht darauf ein. Stattdessen nahm er die Wasserflasche erneut in die Hand, nur um festzustellen, dass er sie bereits geleert hatte. Sein überraschter Blick verriet ihn, dass er sein emotionaler Konflikt diesen Umstand bereits wieder hatte vergessen lassen.

„Dieser Mistkerl von einer Ratte hat gelächelt. Kannst du dir das vorstellen? Ich frage ihn, was da genau los war und er scheint sich auch noch darüber zu freuen! Da war mir klar, der Kerl hat das nicht aus Angst gemacht oder weil ihm jemand eine Falle gestellt hat, nein, der ist vermutlich sogar mit diesem Lächeln zu seinem Herrn gegangen und hat ihn haargenau alles wissen lassen, was sein Meister wissen wollte.“

Sirius vergrub sein Gesicht in der rechten Hand.

„Keine Ahnung, was ihn dazu geritten hat, aber als er seinen Zauberstab gezückt hat, konnte ich nicht anders, als meinen herauszuholen. In seinen Augen lag so ein seltsames Glänzen, das habe ich noch nie bei ihm gesehen! Danach ging alles ganz schnell. Mit einem Schwung seines Zauberstabs hat der den Zug, welcher gerade auf dem Weg zum Bahnhof war, entgleisen lassen. Genau in unsere Richtung! Ich habe mich gerade noch auf die Seite retten können, aber all diese armen No-Majs nicht.“

Sämtliche Wärme verließ sein Gesicht und auch Sirius wurde deutlich blass um die Nase. Remus konnte sich noch an das Foto einer Schlagzeile erinnern, welches er eher zufällig gesehen hatte. Große Teile des Bildes waren magisch zensiert worden, und er konnte sich den Horror des Anblickes nur zu gut vorstellen. Er war sogar so grausam gewesen, dass man das Bild nicht magisch verzaubert hatte, dass es stillhielt, wie es bei den No-Majs normal war. Ein extrem seltener Umstand und Remus konnte sich nicht daran erinnern, dass die Zeitung das jemals zuvor getan hatte.

„Überall lagen Blut, Kleidung, menschliche Körperteile… ohne ins Detail gehen zu wollen, es hieß jedenfalls, dass man die meisten von ihnen wohl nicht mehr hätte identifizieren können. Auch ihn nicht, das Einzige, was man von ihm noch fand, war ein Finger. Dann sahen mich die ersten Leute aus unserer Gesellschaft, ich mit meinem Zauberstab in der Hand und dazu noch die Gerüchte, die es bereits über mich gab. Da war es für sie nicht schwer, eins und eins zusammenzuzählen.“

Kraftlos schlug er sich mit der Faust auf das Bein. Remus vermutete, dass es nicht das erste Mal war, dass Sirius diese Worte aussprach, doch bei den anderen Malen hatte es keine Zuhörer gegeben. Vielmehr wirkten sie wie die Überreste eines Monologs, das immer wieder und wieder in seinem Kopf stattgefunden hatte.

„Irgendwo ist es auch meine Schuld. Es war meine Idee, ihn zum Geheimniswahrer zu machen. Eben weil er so unschuldig und unauffällig wirkte. Es ist meine Schuld, dass er mir entkommen konnte und dass wir nun nach ihm suchen müssen. Dass er so gut zaubern konnte, das hätte ich erahnen müssen.“

Wirsch wischte sich Sirius über sein Gesicht, welches langsam wieder an Farbe gewonnen hatte. Remus dagegen nahm die Flasche an sich und füllte sie erneut mit Wasser auf.

„Irgendwie muss dieser Mistkerl ja entkommen sein – und jetzt sitzt er irgendwo, erfreut sich an meinen Steckbriefbildern und lacht sich ins kaputte Fäustchen.“

Remus sah ihn mit einem warmen Blick an, doch seine eigenen Gefühle begannen auch ihn langsam zu übermannen. Mit der Fingerspitze wischte er sich einzelne Tränen weg. Sirius’ Stimme wurde wieder lauter.

„Dabei war ich es, der das zerstörte Farmgebäude betreten hatte! Ich hatte den kleinen Harry aus den Trümmern gerettet und Hagrid in die Arme gedrückt, damit er den Kleinen in Sicherheit bringt. Weißt du, wie erleichtert ich war, als ich ihn lebendig gefunden habe, nur mit dieser kleinen Narbe auf der Stirn? Seine kleinen, neugierigen Händchen, die nach mir griffen? Es hatte so lange gedauert, ihn zu beruhigen. Er hatte nach Mama geweint, nach Papa, aber sie beide konnten ihn nicht mehr trösten. Gerade noch, dass ich Hagrid meine Kutsche geben konnte. Und ich soll die beiden verraten haben? Meine allerbesten Freunde, neben dir natürlich?“

 

Remus zwang sich zu einem Lächeln, ging jedoch nicht näher darauf an. Stattdessen wollte er Sirius weiterhin das Wort geben, doch diesem schien jede Kraft verlassen zu haben. Innerhalb weniger Sekunden wich jedes Leben aus ihm und als Sirius auf dem Sofa zurücksank, wirkte er mehr wie eine Puppe als wie ein lebendiger Mensch. Der Anblick schmerzte Remus, doch er wusste, er würde nicht so schnell etwas daran ändern können.

„Ich kann genau verstehen, was du durchmachst. All diese Blicke, all diese Vorwürfe, ob nun ausgesprochen oder nicht, sie tun einem weh. Selbst, wenn man so tut, als würde es an einem abprallen. Und hey, mach dich nicht so fertig.“

Er stand auf, ging zum Sofa und legte eine Hand auf Sirius’ Schultern.

„Wir alle hielten es für eine gute Idee, ihm zum Geheimniswahrer zu machen. Niemand hat uns dazu gezwungen oder überredet, ich selbst hatte ihn ja sogar vorgeschlagen. Er selbst wollte es erst ablehnen, wir waren dann am Ende sicher: So ist es am besten. Wenn ich mir überlege, dass der Kerl das Ganze nur gespielt haben könnte, wird mir schlecht, richtig schlecht.“

Remus spürte, wie seine Beine schwach wurden und wie etwas seinen Hals heraufzuwandern begann. Mit größter Mühe schluckte er es wieder herunter.

„Als ich von meinem letzten Job zurückgekommen und du mir davon erzählst hattest, ich hatte ja zuerst gehofft, dass du nur einen ganz, ganz schlechten Scherz machst. Oder dass du dich irrst. Dass es jemand anderen getroffen hat, eine ganz andere Familie, oder dass sie alle drei noch am Leben sind. Ich hatte es so, so sehr gehofft…“

Schwindel begann sich in seinem Kopf auszubreiten, unsicher steuerte er seinen alten Sitzplatz an und ließ sich unbeholfen darauf fallen. Kalter Schweiß brach über seiner Stirn aus. Remus kannte dieses Gefühl, und obwohl er sich schon lange mit diesem Zustand arrangiert hatte, so pochte sein Herz dennoch so laut es konnte. Sirius blickte aufmerksam auf, ein wenig Leben, aber auch viel Sorge waren in seinen Blick zurückgekehrt.

„Remus! Ist alles in Ordnung?“

Er schien für einen kurzen Moment nachzudenken, bevor sein Blick sorgenvoller wurde.

„Ich verstehe, deine Verwandlung steht kurz bevor. Wir werden also bald wieder Vollmond haben, nicht wahr? Hast du deshalb keinen Job mehr angenommen? Du meintest zwar, dass dein letzter Auftrag sehr lukrativ war, aber … entschuldige, ich hätte daran denken müssen. Stattdessen bin ich nur vor Gedanken an Peter und wie ich mich an der Ratte rächen könnte!“

Remus hob seinen Blick, es fiel ihm schwerer als zuvor. Müde schüttelte er langsam seinen Kopf, er brauchte ein paar Sekunden, um zu bemerken, dass Sirius aufgestanden, die Wasserflasche aufgefüllt und ihm gereicht hatte. Ein paar Schlucke wanderten seine Kehle hinunter.

„Nein, nein, schon gut, immerhin hast du den Mondzyklus nicht so sehr im Auge wie ich. Und ich hätte dir auch was sagen können… ich habe noch zwei, vielleicht drei Tage Zeit, nur mein Körper fühlt sich davor immer so übel an. Es wird schlimmer, je älter ich werde.“

Sofort wollte Sirius seinen Platz verlassen, doch Remus hob nur seine Hand.

„Sag mal, hattest du das früher schon?“

Remus schüttelte seinen Kopf.

„Ja, aber als Teenager war es sehr erträglich, es fühlte sich eher an, als hätte ich einen ordentlichen Kater. Das wurde erst schlimmer, als ich – lass mich überlegen – so Anfang/Mitte 20 rum war?“

Einen tiefen Atemzug später sprach Remus weiter.

„Aber mal was anderes. Mir ist bei deiner Geschichte etwas aufgefallen und auch generell“, sagte Remus und sprach damit seine Überlegungen aus. Sirius, der nun einen sehr wachsamen Blick auf ihn zu haben schien, setzte sich mit langsamen Bewegungen wieder aufs Sofa zurück.

„Was ist dir aufgefallen?“

„Nun, du nennst ihn ständig Mistkerl und Ratte.“

„Das ist er auch, Remus, das ist er auch! Das und noch viel schlimmeres!“

Remus schüttelte wieder seinen Kopf. Nun waren auch die altbekannten Kopfschmerzen dabei, zurückzukehren, doch noch ließen sie sich ignorieren.

„Das kann sein, aber das meine ich. Nein, was, wenn er wirklich eine Ratte ist? Immerhin ist das seine Animagusform! Er könnte sich an dem Tag, an dem ihr aufeinandergetroffen seid, in eine Ratte verwandelt und so verschwunden sein. Zumindest hast du mir das damals erzählt.

Ich glaube, er hat sich vor meinen Augen verwandelt, aber ich bin mir nicht ganz sicher, weil es so schnell ging.

Kannst du dich noch daran erinnern?“

Sirius schien über diese Worte nachzudenken, dann nickte er für einen kurzen Moment.

„Gut. Was, wenn er diese Gestalt nie wieder aufgegeben hat? Oder zumindest für den größten Zeitraum, hier draußen in der Einöde kann er ja aussehen, wie er will, hier sieht ihn ja keiner. Und als Ratte bekommt man keine Konservendose auf.“

Sein Blick fiel auf die leeren Dosen, dann auf Sirius zurück.

„Das würde auch erklären, warum sein Geruch hier und da ist, obwohl ihn gleichzeitig niemand mehr zu sehen bekommen hat. Weil niemand Ratten sieht oder ihnen große Aufmerksamkeit schenkt.“

Sirius riss seine Augen auf, bevor sich ein tiefer Schatten auf sein Gesicht legte. Wieder schlug er mit der Faust auf sein Bein, dieses Mal kraftvoller. Ein kurzer Schmerzenslaut entwich seinen Lippen.

„Du meintest auch, dass er nur kurz unterwegs wäre, dass er wieder zurückkommen würde. Was sollten wir also am besten tun? Uns hier irgendwo verstecken? Ihm hier auflauern?“

Sofort begannen seine Augen nach einem geeigneten Versteck zu suchen, doch Remus hob beschwichtigend seine Hand.

„Dass wir auf ihn warten und ihn einkesseln müssen, steht außer Frage. Aber nicht hier drin. Zum einen können wir es nicht riskieren, dass er uns vorher bemerkt und dann verschwindet. Zum anderen ist es für uns beide nicht sicher, wenn ich mich hier drin verwandle. Das hier ist nicht die heulende Hütte, in der wir uns als Teenies oft verzogen haben. Hier steht zu viel Zeug rum, mit dem ich dich verletzen könnte. Denk daran, nicht nur du hast die beiden verloren. Auch ich habe nur noch einen besten Freund, den ich beschützen möchte.“

Remus spürte neben einer leichten Übelkeit einen starken, unbeweglichen Kloß im Hals und wie zum erneuten Male seine Augen feucht wurden. Sirius schien es nicht anders zu gehen. Sofort drehte Remus sich zum Fenster und sah aus diesem hinaus.

„Lass uns in der Nähe eine kleine Höhle suchen, von der wir die Hütte hier im Auge behalten können. Zur Not zaubere ich uns eine“, sagte Remus und konnte spüren, wie Sirius dagegen Proteste einlegen wollte. „Zusammen können wir dann sehen, ob und wann Peter zu diesem Haus zurückkehrt. Ob nun als Mensch oder als Ratte, er wird uns nicht entkommen können. Danach können wir uns die nächsten Schritte überlegen. Ich habe genug Vorräte für uns dabei und Wasser haben wir ja in Massen.“

 

Sirius’ besorgter Blick bohrte sich in seinen Rücken, Remus konnte es regelrecht spüren, dazu musste er sich nicht zu seinem Freund umdrehen. Eine weitere Übelkeitswelle rollte seinen Gaumen hinauf, er bekämpfte sie mit tiefen Atemzügen. Das würde ihm nicht ewig weiterhelfen, doch für den Moment verschaffte es ihm eine kleine Linderung.

Dann, mit einem Mal, war alles vorbei. Die Übelkeit, die Schmerzen, das Unwohlsein, alles war verschwunden. Doch Remus wusste es besser. Dies war nicht die Zeit zum Freuen. Er wusste, die Beschwerden würden ihm nur eine kurze Pause gönnen, bevor sie zurückkehren würden, schlimmer mit jedem weiteren Mal.

Beschwerden, mit welchen er den Rest seins Lebens zurechtkommen musste. Nichts, an dem er etwas ändern könnte. Remus schluckte einen letzten Rest an Galle herunter. Dies war nun nicht die Zeit, um über sein eigenes Schicksal zu lamentieren. Das Leben seines Freundes lag auch in seiner Hand und wenn sie es nicht schafften, Peter zu schnappen, würde die Luft für Sirius immer dünner werden.

Eines Tages würden sie Dementoren für die Suche benutzen und spätestens dann wäre es für ihn vorbei.

Remus zwang sich zu einem Lächeln. Wenn er sich nicht optimistisch gab und wenn auch nur zum Schein, war ihr Vorhaben bereits zum Scheitern verurteilt. Ob Sirius es ihm abkaufte, konnte Remus nicht sagen. Sehr überzeugt sah sein Blick nicht aus. Doch sie beide wussten, es ging nicht anders, nicht für den Moment.

Manchmal hat das Leben ein seltsames Timing und noch einen sehr viel seltsameren Sinn für Humor. Sie konnten nichts anderes machen, als das Beste aus dem machen, was ihnen gegeben war.

„In Ordnung, wir sollten zusehen, dass wir die Hütte verlassen und keine Spuren hinterlassen. Auch sollten wir unseren Geruch überdecken, nicht nur Hunde haben einen guten Geruchssinn, Ratten leider auch.“

Remus nickte und folgte seinem Freund aus der Hütte heraus, bevor er sich im Türrahmen umdrehte. Dabei hielt er die Spitze seines Zauberstabs in den Raum hinein und murmelte einen Zauberspruch vor sich hin. Ein feiner Luftzug kam hervor. Remus schwenkte den Stab mehrere Male durch den Raum, um jegliche Geruchsspur von ihnen zu vernichten. Mit einem letzten Schwenken seines Stabs ließ er auch die Vorhänge wieder ins Nichts verschwinden. Dann schloss er vorsichtig die Tür hinter sich zu.

Sirius kam mit eiligen Schritten zurückgerannt. Mit der rechten Hand hielt er den Zügel des Pferdes fest im Griff.

„Komm, wir sollten uns beeilen, dass wir von hier wegkommen“, sagte Sirius und reichte Remus den Zügel. Dieser ließ sich nicht zweimal bitten und seufzte erleichtert auf, als er es endlich in den Sattel des Pferdes geschafft hatte.

Als er zu Sirius hinunterblickte, sah er in zwei dunkle, lebendige Hundeaugen. Snuffles wedelte aufgeregt mit seinem Schwanz und deutete mit der Schnauze immer wieder in eine bestimmte Richtung.

„Ich schätze mal, in der kurzen Zeit bist du bereits fündig geworden. Dann sollte ich dir wohl lieber folgen – komm, zeig mir den Weg, alter Freund!“, sagte Remus mit schwacher Stimme und regte seine Stute zum Losgehen an. Ein lautes Schnauben war zu hören, und Hope ging langsamer, vorsichtiger, als es ihr üblicher Gang war.

Auch die aufmerksame Stute schien es zu spüren, dass es ihrem Besitzer ein weiteres Mal nicht gut zu gehen schien. Schwach lächelnd klopfte Remus mit der flachen Hand auf ihren Hals.

„Ich bin dir wirklich dankbar, aber wir dürfen Snuffles nicht aus den Augen verlieren“, sagte er und hoffte, die schwarzen Punkte, die vor seinen Augen auf- und abtanzten, würden in wenigen Sekunden wieder verschwinden.

Krone

~ Remus ~

 

Die Sonne wanderte immer weiter Richtung Horizont, mit ihr ging die Hitze des Tages und die Luft in ihrer Höhle wurde bereits etwas angenehmer. Dennoch lief Remus noch immer der Schweiß von der Stirn. Kalter, unangenehmer Schweiß, der sich seinen Weg über seinen Rücken bahnte. Remus schluckte den Geschmack von Galle und Frust herunter. Seit Tagen hatte er den Mond studiert, und seit er Sirius an sein „Problem“ erinnert hatte, ließ auch dieser den kleinen, reflektierenden Trabanten nicht mehr aus den Augen.

Sie beide wussten, dass es diese Nacht so weit war. Der Anblick des Mondes hatte sich fast vollständig gefüllt; nur noch ein dünner Strich fehlte, damit er komplett war. Und dieser Strich würde in der heutigen Nacht ergänzt werden.

Die erste Sicherheitsmaßnahme bestand darin, Lupins Pferd außerhalb der Höhle festzubinden. Versteckt durch magisch aufgezogene Hecken, war es vor sämtlichen Blicken geschützt. Zusätzlich war es weit genug entfernt, dass Lupin es als Werwolf nicht bemerken würde.

„Wenn ich mich heute Nacht verwandle, möchte ich nicht, dass du in der Nähe bist. Ich kann mir schon lange keinen Wolfsbanntrank mehr leisten, dazu sind die Preise in letzter Zeit zu sehr gestiegen. Und selbst brauen kommt nicht in Frage – ich würde es nur schaffen, mich selbst zu vergiften. Auch, wenn mein Leben nicht das Beste ist, so hänge ich doch noch sehr daran“, sagte Remus und sah seinen Freund mit feuchten Augen an. Sirius legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Das kannst du mal ganz schnell vergessen. Seit zwei Tagen, seit wir diese Höhle gefunden haben, liegst du mir damit in den Ohren. Und ich werde mich weiterhin taub stellen. Ich habe dich damals nicht allein gelassen, und den Teufel werde ich das tun, gerade, wenn du mich am meisten brauchen wirst.“

Sirius bemühte sich um ein Lächeln, doch das verdächtige Glänzen in seinen Augen verriet ihn mehr als deutlich.

„Wir stehen das durch, in Ordnung? Wir. Werden. Das. Schaffen. Und jetzt setz dich hin und ruh dich aus. Nachher… nachher wirst du mehr als genug auf deinen Beinen sein.“

Remus ging der Bitten nach, seine schwachen Beine waren mehr als dankbar dafür. Schnell nahm er einen Schluck nach dem anderen, bis seine Flasche kein Wasser mehr herausgeben konnte. Erschöpft rieb er sich über die müden Augen.

„Hast du mich nicht verstanden? Ich sagte doch, dass ich keinen Wolfsbanntrank mehr zu mir genommen habe. Genauer gesagt seit mehreren Monaten nicht mehr.“

Sirius rieb sich mit dem Handrücken über den Mund, bevor er Remus die leere Flasche aus der Hand nahm.

„Und offenbar hast DU mich auch nicht verstanden. Ich bleibe an deiner Seite und zur Not werde ich dort auch sterben. Doch glaub mir, so schnell wirst du mich nicht los. Was das angeht, bin ich hartnäckiger als Unkraut.“

Den Tränen nun näher starrte Remus in Sirius‘ Augen.

„Das war zu früh.“

„Ich weiß.“

Kaum hatte Sirius die Rolle des Wasserauffüllers übernommen, und sein Werk getan, verließ er die Höhle. Remus konnte sich denken, was sein Freund draußen tat: Zum gefühlt tausendsten Mal würde er von ihrer kleinen Klippe herab das Haus beobachten. Er würde versuchen, alles in der näheren Umgebung im Blick zu haben; nicht die kleinste Maus sollte das Haus betreten, ohne dass er es mitbekam. In den letzten zwei Tagen hatten sie sich dabei abgewechselt, die meiste Zeit übernahm jedoch Sirius ihren Beobachtungsposten. Nur, wenn er sich zur Jagd entfernte oder um sich zu erleichtern, ließ er Remus seine Arbeit übernehmen.

Bis der letzte Tag vor dem totalen Vollmond angebrochen war, seitdem schob Sirius ihn bei jeder Gelegenheit in die Höhle zurück. Jeglichen Protest hatte der junge Mann ignoriert, egal, wie sehr sich Remus gegen diese Behandlung gewehrt hatte.

„Komm schon, ich habe diese Zustände schon mein ganzes Leben lang, und es ist immer noch Tag“, hatte Remus zu argumentieren versucht, aber davon wollte Sirius nichts wissen.

„Das mag sein, aber was soll ich bitte machen, wenn dir genau an der Kante schwindelig wird und du dir dann da unten den Kopf aufschlägst? Sehe ich für dich aus wie ein Heiler?“

Auf diese Fragen hatte Remus keine Antwort finden können, woraufhin das Gespräch offiziell für beendet erklärt war.

 

Nach einer längeren Weile kam Sirius wieder zu ihm in die Höhle zurück. Die Sonne, die zuvor die Welt erhellt hatte, setzte zu einem langsamen, aber wunderschönen Untergang an. Zumindest konnte Remus das sehen, als er seinen Kopf aus der Höhle herausstreckte. So sehr er den Anblick des Vollmonds fürchtete, es gelang ihm noch immer sich an den wunderschönen Farben des Abendhimmels zu erfreuen.

„Ich denke, ich werde mich dort unten ein wenig umsehen. Zwar war es nicht Peter, den ich hatte sehen können, aber bei dieser gerissenen Ratte weiß man doch nie. Keine Sorge, ich werde an meine Tarnung denken“, sagte Sirius, noch bevor Remus überhaupt den Mund öffnen konnte.

Dieser brach seinen Versuch zu sprechen ab, sah seinen Freund verwundert an und öffnete seinen Mund erneut.

„Moment, was meinst du damit, du hast nicht Peter gesehen. Wen hast du denn sonst gesehen?“

Sirius sah ihn mit einem gemischten Blick an.

„Nichts wirklich ernstes, nur eine junge Frau, die wieder auf ihrem Pferd herumspaziert ist. Komplett in Pink angezogen, aber ich glaube nicht, dass sie mich gesehen oder erkannt hat. Sie schien sich viel mehr für die Landschaft zu interessieren. Und ich glaube, sie reitet noch langsamer als du, kaum zu glauben, dass das überhaupt möglich ist.“

Remus musterte seinen Freund nachdenklich, doch da sie nach wie vor allein waren, blieb ihm nichts anderes übrig, als Sirius’ Worten Glauben zu schenken. Kurz überlegte er, was seinem Freund noch mit auf den Weg geben könnte, ihn aufzuhalten würde Remus gar nicht erst versuchen. Jedes Wort in diese Richtung wäre ohne Wirkung, Sirius hatte sich noch nie aufhalten lassen, wenn eine Idee sich erst einmal in seinen Kopf festgesetzt hatte.

„Pass auf dich auf“, sagte er und beobachtete, wie sich Sirius wieder in den dunklen, zotteligen Hund verwandelte. Snuffles hob den Kopf schief, eine Handlung, wie Remus sie von echten Hunden kannte, bevor dieser auf der Stelle umdrehte und den Hang hinunterrannte. Kaum war er aus Remus’ Sicht verschwunden, ging dieser langsam in die Höhle hinein und setzte sich auf das provisorische Bett aus Stroh und Steppengras.

Zum Nachdenken war er viel zu erschöpft und auch viel zu gestresst. Er wollte sich nur kurz hinsetzen, nur kurz seine Augen ausruhen und versuchen, seine Gedanken zu ordnen. Er wollte sich entspannen, bevor es ihm nicht mehr möglich war.

Wenige Minuten später sank sein Kinn hinab und seine Atmung wurde beständiger, aber auch ruhiger und langsamer.

 

 

~ Sirius~

 

Der Staub der Prärie kratzte und juckte in seiner Nase. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, er könnte nur sein linkes Vorderbein zurückverwandeln und sich mit seinen Fingern ausgiebig kratzen. So blieb ihm nur das halbwegs befriedigende Wischen mit der Vorderpfote.

Doch es half alles nichts. Sirius hatte sich wieder und wieder auf dem trockenen Boden wälzen müssen, um seinen eigenen Körpergeruch überdecken zu können. Für einen kurzen Moment hatte er mit dem Stinktier geliebäugelt, dass er in der Ferne gesehen hatte. Allerdings sah sein Plan es nicht vor, Peter mit dem übermäßigen Gestank in die Flucht zu schlagen. Zumal er selbst darunter leiden würde, als Mensch und erst recht als Hund. Und vor sich selbst würde er nicht flüchten können.

Nein, der Geruch des wilden Westens musste vollkommen ausreichen.

Als er in die Nähe der Hütte gelangt war, war die Sonne bereits tiefer gesunken, der Himmel färbte sich in seine schönsten Farben, mit Rot als der dominantesten von ihnen. Für einen kurzen Moment linste Sirius den Hügel hinauf, an die Stelle, an welcher sich ihre Höhle befand. In diesem Augenblick saß Remus tief in der Höhle, auf sein unvermeidliches Schicksal wartend.

Das hier musste nun schnell gehen, beschloss Sirius. Er wollte nur einen kurzen Blick auf die Hütte werfen, kurz seine Schnauze in den Wind halten und herausfinden, ob es eine neue Duftspur von Peter zu erschnüffeln gab. Sirius rechnete nicht damit, fündig zu werden, dennoch musste er dem Gefühl nachgehen. Wie er es die letzten zwei Nächte getan hatte. Er würde wieder zur Hütte trotten, keinerlei Veränderung bemerken und sich dann wieder auf den Rückweg machen. Zurück zu seinem letzten verbliebenen Freund, der seine Hilfe mehr als deutlich benötigen würde.

 

Kaum hatte Sirius die Hütte erreicht, rechnete er mit den Gerüchen, die ihm in der kurzen Zeit vertraut geworden waren: Noch mehr Prärie, die Mäusefamilie hinter den Brettern und der Duft von leergefutterten Bohnendosen. Ohne jegliche Erwartung hob er seinen Kopf in den Wind, suchte den richtigen Winkel heraus und nahm einen tiefen Atemzug. Dabei schloss er die Augen und war gedanklich bereits längst dabei, wieder den Rückweg anzutreten.

Der Geruch, dieser ihm leider mehr als vertraute Gestank, der ihm in die Nase trat, machte all seine Pläne auf der Stelle zunichte.

Überrascht riss Sirius die Augen auf, er musste sich mehr als zusammenreißen, um nicht sofort in die Hütte zu stürmen. Am liebsten hätte er sich mit einem lauten Knurren oder Heulen angekündigt, doch das würde Peter nur unnötig warnen. Nein, dieses Mal durfte er ihm nicht noch einmal entkommen. Und hier gab es weit und breit keine Zugschienen oder No-Majs, die ihm bei einer erneuten Flucht helfen würden.

Besorgt blickte Sirius erst in die Richtung der Höhle, dann zur Sonne, die immer weiter unterging. Heute war es so weit, heute würde sich der Vollmond in seiner ganzen Pracht zeigen. Sirius konnte verstehen, dass es für viele andere Leute ein wundervoller Anblick war. Er selbst verachtete ihn zutiefst. Diese helle, reflektierende Kugel am Himmel bedeutete für Remus stets Schmerzen, Scham und ein Leben im Abseits, für alle Zeiten und unumkehrbar. Sirius verachtete den Werwolf dafür, was dieser seinem Freund damals angetan hatte.

Innerlich mit sich kämpfend begann Sirius zu horchen, erst in die Richtung der Höhle, bereit, bei dem kleinsten Geräusch sofort seine Beine in die Pfoten zu nehmen und Remus zur Seite zu eilen. Sein Ohr erreichte jedoch kein Geräusch, lediglich eine einsame Grille spielte ihr abendliches Konzert.

Langsam, in der Hoffnung, dass sein Staubkleid ihn nach wie vor geruchstechnisch tarnte, schlich er sich an das Haus heran, bis er durch eines der Fenster hineinsehen konnte.

Der Anblick im Inneren brachte sein Blut zum Kochen.

Genau an der Stelle, an welcher er es sich vor zwei Tagen selbst auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte, saß nun Peter und war dabei, eine weitere Dose auszulöffeln. Dass er sich das Essen dabei mehr ins Gesicht schob, als es normal zu essen, schien ihm dabei zu entgehen.

Sirius unterdrückte erneut das Bedürfnis, seiner Wut durch Knurren Luft zu machen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, unruhig wanderten seine Pfoten über dem Boden. Es war ein Wunder, dass Peters Hunger ihn von dem ablenkte, was sich vor der Hütte abspielte. Aufmerksameren Zauberern wäre der zottelige Hund längst aufgefallen, dessen war sich Sirius sicher.

Beruhige dich, Sirius, beruhige dich!

Seinen Hass unterdrückend, zwang er sich ein weiteres Mal dazu, in die Hütte hineinzusehen. Peter musste sich eine zweite Dose geöffnet haben, denn er war nach wie vor dabei, sein spätes Abendessen zu sich zu nehmen. Er würde also nicht so schnell verschwinden. Möglicherweise sogar über Nacht bleiben … das würde Sirius in die Hände spielen.

Wenn er sich um seinen Freund Remus gekümmert, dafür gesorgt hat, dass ihm als Werwolf nichts Gefährliches passieren konnte, würde er zurückkommen. Und dann, dann hatte Peter die längste Zeit die schöne Luft der Freiheit atmen können.

Langsam, mit vorsichtigen Bewegungen, drehte Sirius sich um und ließ sich von seinen vier Pfoten immer weiter zurück zu Remus tragen. Die Sonne war mittlerweile komplett hinter dem Horizont verschwunden, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Mond sichtbar ihren Platz einnehmen würde. Sirius wusste, er durfte keine Zeit mehr verlieren. Nicht mehr lange und sein Freund würde für ein paar Stunden nicht mehr er selbst sein …

Den dünnen, unauffälligen Faden bemerkte er erst, als er sich leicht in sein Vorderbein schnitt. Irritiert ging er von dem Strauch weg, den er hatte passieren wollen und blickte sich um. Bildete er sich das ein oder wurde die Luft um ihn herum immer dicker und dichter?

Sirius blickte sich immer weiter um, und seine Annahme wurde sofort bestätigt: Aus einem lauen Lüftchen, welches einen Hauch von Staub mit sich trug, wurde eine wilde Böe. Sand und Dreck flog ihm in die Augen, mit den Tränen kämpfend versuchte er sich seine Sicht freizublinzeln.

Ein Sandsturm! Dieser Gedanke kam ihm noch in den Sinn, bevor sich das Wetter um ihn herum immer weiter verschlechterte. Dass dies kein natürlicher Sturm sein konnte, war ihm sofort bewusst. Er musste fliehen, einen Ausweg finden – nur wie?

Egal, in welche Richtung er blickte, der Sturm wurde immer dichter, dunkler und dreckiger. Nur zu gerne hätte er sich die Hand vors Gesicht halten, die kleine Pfote konnte dagegen nicht so viel ausrichten. Hunde waren anatomisch nicht dazu in der Lage.

Gerade, als es ihm gelungen war, ein besonders großes Staubkorn aus seinem Auge zu entfernen, bemerkte Sirius, dass ihm nicht nur die Zeit ausging. Sondern auch die Luft. Allzu tief konnte er nicht einatmen oder seine Lunge würde sich mit Dreck, Staub und sonstigen Dingen füllen, die ihn erst recht am Atmen hindern würden.

Vorsichtig, als wollte er sich vor einem Brand retten, legte er sich hin und versuchte, seine Schnauze so nah wie möglich am Boden zu behalten. Seine Kräfte schwanden. Ihm wurde schmerzlich bewusst, dass er diesem Sturm nicht mehr entkommen konnte. Seine Augenlider wurden schwer, und eine Müdigkeit, die ihm lange aufgelauert haben musste, sah nun ihre Sternstunde gekommen.

Remus … halte durch!

Ein letztes Mal blickte Sirius nach oben, nicht sicher, ob die Hütte oder ihre Höhle in der Richtung lag. Sirius war es egal, der Gedanke dahinter zählte. Kurz konnte er noch sehen, wie sich seine rechte Pfote in eine Hand verwandelte. Danach verschlang ihn tiefste Dunkelheit und ließ ihn in einen traumlosen Schlaf versinken.

Das Vermächtnis der Rumtreiber - Teil 1

~ Sirius ~

 

Ein harter Schlag holte Sirius in die Realität zurück, und er beschloss sofort, dass dies der drittschlechteste Wecker seines gesamten Lebens sein würde. Nur die große Knallbombe, die sie einst in der Schultoilette mit Zeitverzögerung hochgejagt hatten, lag noch weiter vorne. Das und die Nachricht, dass ein wahnsinniger Zauberer zwei seiner besten Freunde ermordet hatte.

Schmerzvoll riss Sirius seine Augen auf, reflexartig wollte er seine Hand heben, stieß jedoch sofort an seine Grenzen. Ein sehr enges Seil schnürte ihm das Handgelenk ab. Wer auch immer ihn gefangen hatte, verstand etwas von seinem Handwerk. Dies und auch einen sehr guten Fesselungszauber.

Sirius’ Blick verfinsterte sich, als zwei Gestalten in seine Sichtweite traten.

„Wie schön, dass wie wieder unter uns sind, Mr. Black. Es wäre doch eine Schande, wenn mein kleiner Sandsturm sie umgebracht hätte. Nein, so jemand wie Sie kann nicht einfach die Erlösung eines schnellen Ablebens einfordern und sich somit vor seinen irdischen Vergehen verstecken.“

Sirius unterdrückte das Bedürfnis, seinem Fänger ins Gesicht zu spucken.

„Sie haben übrigens nachgelassen. Unserer Informantin zufolge haben sie sich wohl eine längere Zeit in dieser abgelegen Jagdhütte aufgehalten, und sich immer wieder von Ihrem Diebesgut ernähren können. Wir hatten den Verdacht, dass Sie die Hütte ein weiteres Mal aufsuchen würden, es war schließlich nur noch eine Frage der Zeit, bis Sie dort wieder auftauchen würden.“

Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Mannes. Sirius hätte es ihm am liebsten aus dem Gesicht gekratzt.

„Wir mussten nur noch diese nette, kleine Falle aufbauen und darauf warten, dass sie möglicherweise hineintappen würden. Vielen Dank an dieser Stelle, dass Sie uns diesen Gefallen getan haben.“

Der Mann begann laut zu lachen, Sirius wandte den Kopf angewidert hab. Dabei fiel sein Blick auf die dritte Person, die sich mit ihm im Raum befand. Eine Frau, in der gleichen Art von Uniform wie ihr männlicher Kollege. Wie Sirius hatte auch sie nicht zu lachen begonnen. Sirius begann einen Hauch von Verbundenheit zu spüren, welcher sich in Luft auflöste, als sich ihr Blick verfinsterte.

Hier in diesem Raum würde er wohl keine Freunde haben.

„Sie können sich sicher denken, wo Sie sich hier befinden, nicht wahr?“, fragte sie ihn in einem Ton, der unmissverständlich zeigen sollte, wer in diesem Augenblick die Oberhand hatte. Nun kamen ihm die beiden wie das ideale Paar vor.

„Ihr seid von der MACUSA, nicht wahr? Und ich befinde mich an einem kleinen Zwischenstandort, oder in einem improvisierten Versteck.“

Die Frau schürzte verächtlich ihre Lippen und verschränkte ihre Arme. Dabei wippten ihre lockigen Haare. Unter anderen Umständen, zu anderen Zeiten hätte Sirius sie vielleicht, möglicherweise, ein klein wenig als anziehend empfinden können.

„Sie sind ja auf einmal ein ganz Schlauer. Und trotzdem rennen sie blindlings in unsere Falle. Aber gut, was darf man von einem minderwertigen Zauberer wie Ihnen auch erwarten. Ihnen den Zauberstab zu entreißen wird ein Segen für unsere Gesellschaft sein. Wenn es nach mir ginge, sollte man Feuerholz daraus machen.“

Sie räusperte sich, als wäre dieser kleine Ausdruck bereits zu viel an Emotionen gewesen, die sie für heute an den Tag legen wollte.

„Das ist das Karma, dass ihm die verdienten Steine in den Weg gelegt hat. Geschieht ihm auch vollkommen zu Recht“, sagte der Mann und schritt mehrere Male auf und ab. Dann drehte er sich auf der Stelle um und stierte Sirius in die noch halbwegs müden Augen hinein.

„Auch wenn es mir persönlich lieber gewesen wäre, wenn wir sie eher zu fassen bekommen hätten. Aber dieses Opfer haben Sie nicht töten können! Er hatte offenbar nochmal Glück. Oder Sie hatten wegen der guten alten Zeiten Mitleid.“

Der Mann beugte sich mit seinem Kopf vor, sodass sich ihre Körper fast berührten. Sirius konnte den stechenden Geruch eines Aftershaves wahrnehmen.

„Sie sind wohl auf den Geschmack von Folter und Blut gekommen, nicht wahr? Wiederholungstäter fangen einmal an und zack, beim nächsten Mal fällt es ihnen leichter. Erst haben Sie die armen Potters an Ihren finsteren Meister verkauft und das alles nur, damit Sie in seiner Gunst aufsteigen können. Hat Ihnen bestimmt so einiges versprochen, nicht wahr? Tja, jetzt wo er endlich weg ist, ist das ohnehin hinfällig.“

Er räusperte sich und Sirius hätte es ihm nur zu gerne gleichgetan. Doch sein Mund war trocken, es war lange her, dass er einen Schluck Wasser zu sich hatte nehmen können. Alles, was seine Zunge belegte, war ein kleiner Rest Staub.

„Und dann, dann treffen Sie einen weiteren Freund aus der alten Schulzeit und denken sich: Warum meinem Meister den ganzen Spaß lassen, wenn ich das auch selbst machen kann? Er lebt noch, was wohl einem glücklichen Zufall zu verdanken ist. Dass Sie Ihn extra in diese Höhle geschleift und so zugerichtet haben – was für ein kranker Verstand muss hinter diesem hübschen Gesicht wohl stecken?“

Irritiert blickte Sirius sein Gegenüber an, doch er wurde aus dessen Miene nicht schlau. Also versuchte er es bei der Frau, doch sie schien sich nicht mehr verbal am Gespräch beteiligen zu wollen. Schließlich ging ihm doch ein Licht auf. Ihm wurde schmerzlich bewusst, dass sie nicht Peter, sondern Remus meinten.

Kraftlos ließ er sich auf seinem Stuhl sinken. Ein verächtliches Schnalzen füllte den Raum.

„Jetzt kommt bei Ihnen die Reue? Da kommt Sie aber verdammt spät. Und wenn Sie glauben, hier irgendein Drama aufführen zu können, dann kann ich Ihnen gleich sagen, dass das absolut nichts bringen wird.“

Kopfschüttelnd entfernte sich der Mann von Sirius und begann, den Tisch vor ihnen zu umrunden. Aus dem Nichts schlug er mehrmals mit der Faust auf das alte, harte Holz.

„Dass Sie sich nicht schämen, einen unverzeihlichen Fluch auf einen Ihrer besten Freunde zu richten! Aber was erwartet man auch von einem Mann, der zwei seiner besten Freunde an Du-Weißt-Schon-Wen verkauft und den dritten vom Zug hat überrollen lassen. Remus Lupin kann von Glück reden, dass er noch am Leben ist.“

Mit einem verächtlichen Schnauben brachte sich die Frau zurück in das Gespräch, als sich ihre Blicke kreuzten, war jegliche Wärme aus ihren Augen gewichen.

„Diese Wunden, seine zerfetzte Kleidung – das kann nur das Werk des Cruciatus-Fluches sein!“, spie sie voller Abscheu in den Raum. Sirius dagegen brachte dieser Verdacht vollkommen durcheinander.

Remus war seit einer Ewigkeit im Werwolf-Register zwangseintragen, sie mussten wissen, woher seine Wunden eigentlich stammen sollten. Oder war dies ein abgekartetes Spiel, um ihn noch mehr in die Mangel bekommen zu können? Wollte man ihm so viel wie möglich anhängen, egal, ob es nun stimmte oder nicht?

Verzweifelt ließ Sirius wieder den Kopf hängen. Es spielte keine Rolle, welche Verbrechen man ihm noch in die Schuhe schieben würde, die Last war bereits jetzt zu hoch, zu schwer. Das Strafmaß hatte schon nach dem Tod seiner Freunde und dem Aufkommen der ersten Gerüchte unmenschliche Züge angenommen.

„Nun denn, ich denke, wir können mit dem Verhör beginnen“, sagte der Mann, seine Stimme hatte den typischen Ton eines durchschnittlichen Beamten angenommen. Die Frau nickte nur stumm. Mit einem Wischen des Zauberstabs und einem unausgesprochenen Zauber erhob sich der Stuhl, an welchen Sirius sehr grob gefesselt worden war. Nun schwebte er mehrere Zentimeter über dem Boden. Kraftlos sah Sirius seine beiden Fänger an.

„Machen Sie sich auf das Schlimmste bereit, dass Sie sich vorstellen können. Denn ich hoffe, bei der Verhandlung später wird Sie noch etwas viel schlimmeres erwarten.“

 

 

~ Remus ~

 

Helles Licht bohrte sich rücksichtslos in seine Pupillen, als Remus langsam seine Augen öffnete. Gleichzeitig versuchte er, seine Augen mit der rechten Hand abzuschirmen. Es dauerte ein paar Minuten, bis er erkannte, dass es sich um das Tageslicht handelte, welches durch das Fenster neben seinem Bett schien.

Verwirrt richtete Remus sich auf und starrte auf die schneeweiße Decke, die jemand über ihn gelegt haben musste. Dabei bemerkte er den Verband an seinem linken Arm und seiner rechten Hand.

Das hier ist ein Krankenhaus – jemand hat mich in ein Krankenhaus gebracht? Warum?

„Hallo? Ist jemand hier? Kann mich jemand hören?“, rief er so laut er konnte in den Raum hinein, in der Hoffnung, dass ihn jemand hören würde.

„Oh, Sie sind wieder wach? Ach, das ist ja schön. Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, dass sie dieses Monster möglicherweise zu Tode gefoltert haben könnte.“

Der Kopf einer jungen Frau schob sich durch eine hölzerne Tür, bevor der Rest ihres Körpers folgte. Remus erkannte sofort, dass es sich um eine Heilerin handelte. Neugierig musterte er sie, was ihr nicht entging. Ihre Wangen färbten sich rot, als sie neben seinem Bett stehen blieb.

„Seien Sie versichert, ich mag noch recht jung aussehen, aber ich habe alle Heiler-Prüfungen mit Bestnoten bestanden. Sie sind hier also in besten Händen.“

Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln und Remus konnte keine finsteren Hintergedanken daran erkennen. Er versuchte die Geste zu erwidern, doch so richtig konnte er sich nicht freuen. Wenn er hier war, wo war dann Sirius? Warum war er nicht mehr zurückgekehrt? Hatte er sich mit Peter angelegt und verloren? War die Ratte geflohen und er ihr Hals über Kopf nachgelaufen?

Remus schüttelte den Kopf, soweit es seine pochenden Schmerzen zuließen. Nein, er musste sich erst mehr Informationen über seine eigene Situation verschaffen. Wie sollte er seinem Freund helfen können, wenn er nicht einmal weiß, was mit ihm passiert war, nachdem er sich in einen Werwolf verwandelt hatte?

 

„Ist alles in Ordnung? Haben Sie Schmerzen?“, wollte die junge Heilerin von ihm wissen und ihr Tonfall verriet, dass sie diese Fragen nicht zum ersten Mal stellte. Verlegen begann Remus sich zu räuspern.

„Mein Kopf pocht und klopft, als hätte ich dort einen kleinen Irrwicht eingesperrt, der sich unbedingt befreien möchte“, sagte er und versuchte ein wenig lockerer zu klingen.

„Aber sonst geht es mir gut. Den Umständen entsprechend, natürlich.“

Die Heilerin nickte, und begann damit, eine durchsichtige Masse auf ihren Händen zu verteilen. Selbst ohne Snuffles‘ feine Hundenase war der Geruch nicht sonderlich erträglich.

„Fragen Sie mich lieber nicht, was das ist. Die meisten Patienten wollen das lieber nicht wissen.“

Sie musste seinen angewiderten Gesichtsausdruck bemerkt haben, stellte Remus fest. So blickte er nach oben, direkt in ihr Gesicht. Sie dagegen schien sich auf seine Wange zu konzentrieren.

„Ich müsste mir nur einmal ihre Wunden ansehen, um sicher zu gehen, dass die Heilungen gut vorangehen. Mit Verletzungen durch Flüche muss man behutsam umgehen und sie stets im Auge behalten. Keine Angst, das wird auch nicht wehtun“, sagte sie, als sie im vorsichtig etwas von der Wange entfernte. Ein kurzes Aufatmen ihrerseits deutete Remus als gutes Zeichen.

„Sagen Sie, warum bin ich hier?  Hat mich jemand gefunden? Ich kann mich nicht erinnern, von selbst hierhergekommen zu sein.“

Sie war gerade dabei, eine Tinktur auf einem weißen Stofftuch zu verteilen, als sie ihn mit großen Augen ansah.

„An was können Sie sich noch erinnern? Wissen… Wissen sie Ihren Namen noch?“

Dann begann sie, die Tinktur auf seiner Wange zu verteilen. Der Länge nach, die sie dabei abging, musste es sich um einen langen Kratzer handeln, schlussfolgerte Remus. Anschließend klebte sie ihm ein neues Pflaster auf. Remus testete, inwieweit er seine Kiefermuskeln noch bewegen konnte, bevor er ihr eine Antwort gab.

„Um ehrlich zu sein, das letzte, an das ich mich erinnern kann, war, dass ich in diesem Saloon war, um eine Kleinigkeit zu trinken. Danach habe ich erst einmal die nähere Landschaft genossen und überlegt, ein paar Tage zu bleiben, meinen verdienten Urlaub zu genießen. Aber ich habe keine guten Schlafplätze gefunden, also wollte ich weiterziehen.“

Remus‘ Augen wanderten nach links oben, er versuchte so nachdenklich wie möglich zu wirken. Eine weitere, pochende Welle ließ ihn kurz zusammenzucken. Seine Schmerzen spielten ihm mehr in die Karten, als er vermutet hätte.

„An alles danach kann ich mich kaum noch erinnern, eigentlich gar nicht. Als hätte jemand einen Vergessenszauber angewandt.“

Ihre Blicke fingen sich wieder, die Stimmung im Raum war viel kälter, düsterer geworden.

„Verzeihen Sie mir einen Moment“, sagte sie mit stockender Stimme, drehte sich und versuchte sich unauffällig im Gesicht etwas wegzuwischen. Remus konnte sich denken, dass es sich nur um Tränen handeln konnte. Sie weinen zu sehen, war ihm unangenehm, weshalb er versuchte, das Thema zu wechseln.

„Ansonsten ist alles für mich so klar wie die Sonne. Mein Name ist Remus John Lupin, und ich bin freiberuflicher Cowboy, der auf Auftragsbasis arbeitet. Mein letzter Job war in den Bergen, auf eine größere Herde Re’em aufzupassen, damit sie in Ruhe grasen können. Danach hatte ich mir vor, mir ein paar Tage Auszeit zu nehmen, nach einer solch anstrengenden Tätigkeit geht es auch gar nicht anders.“

Soweit es ihm seine schmerzenden Glieder erlaubten, legte er eine Hand auf die ihre. Überrascht sah sie ihm wieder in die Augen.

„Es ist alles in Ordnung, da bin ich mir sicher.“

Die Heilerin schien eine andere Meinung zu haben, wild schüttelte sie mit dem Kopf und öffnete mehrmals den Mund. Doch die Worte, welche ihr auf dem Herzen lagen, wollten offensichtlich nicht über ihre Lippen kommen.

„Sagen Sie, Frau …“

„Poppy“, kam die junge Heilerin ihm zuvor. „Sagen Sie ruhig einfach Poppy zu mir.“

Dieses Mal konnte Lupin nicht anders, als ein wenig zu lächeln.

„Dann dürfen Sie mich gerne Remus nennen. Es scheint mir nur fair zu sein, dass wenn ich Ihren Vornamen kenne, dass sie auch über den meinen Bescheid wissen. Oder sollten wir nicht gleich zum Du übergehen?“

„Ich denke, das lässt sich einrichten … Remus.“

Mit sachten, aber auch festen Griff nahm sie sich seinen Arm und begann, den Verband vorsichtig abzurollen. Auch hier konnte Remus mehrere Kratzwunden erkennen, als sie die Kompressen entfernte. Ein weiteres Mal kam das Tuch mit der Tinktur zum Einsatz, doch da die Schnitte tiefer zu sein schienen, brannte es in den offenen Wunden. Ohne es zu wollen zuckte Remus zusammen, das Gesicht leicht verzerrt.

„Es tut mir leid, Remus, aber ich verspreche, es dient deiner Wundheilung. Bald schon werden deine Wunden nicht mehr so schlimm sein und dann ist die Heiltinktur viel erträglicher.“

Remus nickte, auch wenn sie es nicht sehen konnte.

„Vielen Dank, das klingt zuversichtlich. Aber sagen Sie mir doch bitte, wie ich hierhergekommen bin. Wer hat mich gefunden und hierhergebracht?“

Als wäre es ein Stichwort gewesen, begann es an der Tür zu klopfen. Ohne den Blick von seinem Arm zu nehmen, rief sie dem Besucher zu: „Kommen Sie herein, Herr Lupin ist bereits wach“.

Remus bekam eine leichte Vorahnung, welcher Besucher dort auf der anderen Seite der Tür stand, und dabei war diese zu öffnen. Dennoch wollte er sich nichts anmerken lassen. Solange er sich nicht verdächtig verhielt, würde am Ende alles gut werden. Zumindest hoffte er das.

Das Vermächtnis der Rumtreiber - Teil 2

~ Remus ~

 

 

Wenige Sekunden später standen zwei Zauberer in Remus’ Zimmer, er erkannte sie als Mitarbeiter der MACUSA. Das Wappen der Organisation prangte deutlich sichtbar auf ihren Umhängen. Die Zauberer selbst erkannte Remus nicht. Sie konnten nicht von der Werwolfs-Abteilung sein, sonst hätte man ihm eine komplett andere Behandlung gegeben.

Doch wer waren sie?

„Schön zu sehen, dass Sie wach sind, Herr Lupin. Angesichts der Schnittwunden an ihrem Körper und dem Blutverlust hatten wir schon befürchtet, uns von Ihnen verabschieden zu müssen. Glücklicherweise war eine unserer treuesten Mitarbeiterinnen vor Ort und so konnten sie noch schnell genug gefunden werden. Dass es selbst nach dem Tod von Du-Weißt-Schon-Wer noch immer Anhänger gibt, die andere Menschen mit dem Cruciatus-Fluch foltern … ich hoffe doch, man sperrt dieses Monster für immer ein!“

Die Worte des Mannes klangen so aufrichtig, wie es nach Remus‘ Meinung von einem MACUSA-Mitglied hätte kommen können. Der Inhalt dagegen, der bereitete ihm Magenschmerzen. Remus versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Stattdessen blickte er auf den grünen Spitzhut, den der Mann auf seinem Kopf trug.

„Danke schön, ich nehme mal an, Sie haben mich in dieses Krankenhaus liefern lassen? Damit haben Sie mein Leben gerettet.“

Dankbar schlug Remus die Augen zu, seine Arme, seine Schultern, beinahe sein gesamter Körper bereitete ihm Schmerzen und je weniger er sich bewegen musste, desto besser fühlte er sich.

„Ist doch selbstverständlich, besonders in einem Fall wie dem Ihren. Sagen Sie, können Sie sich noch daran erinnern, wie Black Sie aufgesucht hat? Oder was an diesem Abend genau passiert ist? Keine Sorge, der Kerl wird seine gerechte Strafe auf jeden Fall bekommen. Sie kannten sich doch von früher, nicht wahr?“

Der Mann mit dem Spitzhut holte ein Pergament hervor, doch von seiner Position aus konnte Remus nicht sehen, was darauf geschrieben stand. Er konnte es sich jedoch bereits denken. Das Grinsen des Mannes, als er sein Pergament durchlas, jagte Remus einen kalten Schauer über den Rücken.

Nun war er froh, dass er die Idee mit der spontanen Amnesie hatte. Doch ob es Sirius wirklich helfen konnte? Er konnte es nicht sagen.

„Nun, was den betreffenden Abend angeht, meine Herren“, begann Remus und erzählte den Männern alles, was er auch die Heilerin Poppy hatte wissen lassen. Nach wenigen Minuten holte der Spitzhut eine selbstschreibende Feder, wie auch ein kleines Fass hinterher hervor und schrieb sich mehrere Notizen auf.

„Verstehe, verstehe. Der Schock des Fluches hat ihnen also die Erinnerungen an den Tatabend und/oder die Tatnacht geraubt. Ist auch selbstverständlich. Aber ich denke, mit ihren Wunden und dem Bericht des Arztes haben wir mehr als genug Beweise. Ist ja nicht so, als hätte Black nicht ohnehin mehr als genug Dreck am Stecken. Das hier ist nur das Sahnehäubchen. Sein Leben wäre auch ohne diese Tat bereits vorbei. Auf die eine oder andere Art und Weise.“

Remus ertrug den Anblick des Spitzhutes nicht mehr, stattdessen wanderte sein Blick zu dessen Kollegen. Dieser schien nicht allzu recht zu wissen, ob und was er zur Situation beitragen sollte, die Szenerie vor dem Fenster schien anregender zu sein, als das Geschehen im Krankenzimmer.

Remus konnte seinen Gedankengang nachvollziehen. Er würde auch viel lieber rausgehen und versuchen, Sirius’ Namen reinzuwaschen. Oder zumindest zuzugeben, dass die Wunden nicht von seinem Freund, sondern von seiner Nacht als Werwolf hervorrührte.

„Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Krankenhauskosten, Mr. Lupin. Die MACUSA wird dafür vollkommen aufkommen, immerhin war es unsere Schuld, dass uns ein Schwerverbrecher entkommen ist. Sie werden her vollumfänglich versorgt werden.“

Der Spitzhut steckte das Pergament, die Feder wie auch das Tintenfass wieder ein und begann, Remus anzulächeln. Eine unheimliche Gänsehaut breitete sich auf seinem Rücken aus.

„Sie müssen nur mit uns zusammenarbeiten, dann bin ich mir sicher, wird diese ganze Angelegenheit für uns alle ohne Probleme ausgehen. Wir von der MACUSA haben natürlich kein Interesse daran, wenn Einzelheiten diesen Raum verlassen und an Menschen getragen werden, die damit nichts zu tun haben. Ich denke, das dürfte auch in Ihrem Interesse liegen, Herr Lupin. Besonders, was ihre nähere Zukunft angeht. Es sollen doch keine wilden Gerüchte in Umlauf kommen“

Die stahlkalten Augen des Mannes trafen auf die von Remus und er hatte das Gefühl, jegliche Farbe im Gesicht zu verlieren. Ein kalter Schauer lief seinem Rücken hinunter.

„Wenn Sie sich einfach an das halten, was wir heute besprochen haben, wird das auch den neugierigsten Geist beruhigen. Unsere Meldung dürfte dafür vollkommen ausreichen, die magische Bevölkerung über den Vorfall ausreichend zu informieren. Sollte es aufgrund der Verletzungen zu einem längeren Arbeitsausfall kommen, lassen Sie es uns wissen.“

Remus brauchte ein paar Sekunden, dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Dazu war das Lächeln des Mannes, passend zu seinem Blick und seinen Worten, so kalt wie Eis.

Der Mann wusste ganz genau Bescheid. Er wusste, dass Remus‘ Wunden von seiner eigenen Verwandlung in einen wildgewordenen Werwolf stammten. Doch sie nutzten die Gelegenheit, einem Mann, dem bereits schwere Verbrechen angelastet wurden, noch mehr anhängen zu können. Wenn dabei auch noch ein unbeteiligter Mann, dessen Name wegen Sicherheitsbedenken geheim gehalten wird, eine solch unmenschliche Tat überlebt … nun, die Bevölkerung hätte nichts dagegen, ein derartiges Monster ins tiefste Loch des Gefängnisses werfen zu lassen.

Am liebsten hätte sich Remus übergeben.

 

„Remus, du siehst aber gar nicht gut aus“, sagte Poppy und ließ ihn sanft zurück aufs Bett fallen. Dann wandte sie sich an die beiden Besucher.

„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ich möchte Sie nun bitten, zum Wohl des Patienten den Raum zu verlassen. Wenn Sie noch weiteres mit ihm besprechen möchten, dann kommen Sie doch bitte am nächsten Tag vorbei.“

Die beiden Männer sahen sich an, dann blickten sie Poppy freundlich an und nickten.

„Vielen Dank dafür, dass Sie uns trotz der Umstände ein wenig Ihrer Zeit haben schenken können. Ich denke, wir werden in ein paar Tagen nochmal bei Ihnen vorbeisehen. Gute Besserung noch!“

Gerade, als sich die beiden Herren aus dem Raum entfernen wollten, öffnete sich Remus‘ Mund. Er konnte später nicht mehr sagen, was ihn zu dieser Frage bewegt hatte. Vermutlich wollte er, dass es später nicht zu Ungereimtheiten kam. Doch genau konnte er es nicht sagen.

„Beantworten Sie mir nur bitte eine Frage, bevor Sie gehen“, sagte Remus und drehte seinen Kopf zu den beiden Besuchern hinüber. Diese drehten sich ebenfalls um und blickten ihm überrascht ins Gesicht.

„Haben Sie zufällig einen schwarzen Hund mit leicht verzotteltem Fell gesehen? Sein Name ist Snuffles und ich habe ihn von einer verstorbenen Lady vererbt. Er… hat mir immer bei der Arbeit geholfen und war ein wirklich schlaues Tier.“

Wieder tauschten die beiden Mitarbeiter vielsagende Blicke aus, und Remus versuchte so bestürzt wie möglich auszusehen. Ob sie wussten, dass Snuffles und Sirius ein und dasselbe Lebewesen waren? Da sich ihre Miene nicht um einen Zentimeter bewegte, ging Remus nicht davon aus.

„Nein, tut mir leid, wir haben bei Ihnen keinen Hund gesehen. Und ich bin ganz ehrlich, ich würde mir keine Hoffnungen machen, den noch zu finden.“

Der Mann drehte sich und zog sich seinen Spitzhut tiefer ins Gesicht.

„Wir werden selbstverständlich für einen Ersatzhund aufkommen. Einen für die Arbeit mit den magischen Wesen, nicht wahr? Ich bin mir sicher, dass wir einen ausreichenden Ersatz bekommen können. Mein Beileid für Ihren Verlust.“

Dann verließen die beiden wieder den Raum. Poppy kontrollierte den Verband, dann legte sie ihre Hand auf ihr vollendetes Werk.

„Auch ich wünsche mir, dass du bald wieder gesund wirst. Diese Schnitte sehen furchtbar aus…“

Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Wie kann man das einem Freund nur antun? Jemanden so derartig mit einem Fluch zu foltern, das geht noch nicht. Verzeih mir, ich muss für einen Moment gehen. Wenn du etwas benötigst, läute einfach mit der Glocke auf deinem Nachtkästchen und ich werde sofort hier sein.“

Die Hand auf den Mund gelegt, stand Poppy ruckartig von ihrem Stuhl auf und verließ mit eiligen Schritten das Krankzimmer.

 

Nun war Remus vollkommen allein im Zimmer, es gab nur noch ihn, seine Wunden und seine Gedanken. Die Worte des Spitzhut-Besitzers waren deutlich gewesen, auch wenn er sie nicht direkt ausgesprochen hatte.

Weiche nicht von unserer Version ab und du wirst als Werwolf keine Schwierigkeiten bekommen.

Remus seufzte, richtete sich wieder so gut es ging auf und blickte aus dem Fenster. Die Sonne war im Begriff unterzugehen.

Was für einen Unterscheid simple 24 Stunden machen konnten. Vor 24 Stunden hatte er auf die Rückkehr seines Freundes gewartet, heute wusste er, er würde Sirius für eine sehr lange Zeit nicht mehr sehen können.

Ob sie Sirius bereits verhörten? Wie hatten Sie ihn überhaupt gefunden? Hatte es mit der Lady in Pink zu tun, die Sirius in einer seiner Beobachtungen beiläufig erwähnt hatte? Waren sie doch nicht so vorsichtig gewesen, wie sie es vermutet hatten?

Der Gedanke, endlich Peter gefunden zu haben, hatte sie offensichtlich unvorsichtig handeln lassen. Doch nun war es zu spät, er konnte nichts mehr daran ändern, so sehr es Remus auch wollte.

Und nach all dem, für das man Sirius vor Gericht anklagen würde, sah es für seinen Freund alles andere als gut aus. Wenn es doch nur einen Weg gäbe…

Remus ließ sich ein weiteres Mal auf die Kissen fallen und starrte die Decke an. Während er hier gemütlich in seinem Bett lag, seine Wunden verarztet und für sein allgemeines Wohlergehen gesorgt wurde, musste Sirius wortwörtlich durch die Hölle gehen. Er konnte sich nicht ausmalen, was mit Sirius alles passieren würde. Er hatte den Gerüchten, die es über die MACUSA und dem Gefängnis im Umlauf gab, nie besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt bereitet es ihm mehr als große Angst.

Mit der unverletzten Hand wischte er sich mehrere Tränen aus den Augen.

Wohin war die unbeschwerte Zeit weg, die sie damals zusammen an der Schule hatten? Als sie noch einfache Schüler waren, die ein paar Streiche spielten? Wo war die Zeit hin, als sie noch ihre albernen Spitznamen getragen hatten?

Die Erinnerungen an die vergangene Zeit schmerzte sehr, und gleichzeitig erwärmten sie sein Herz. Entschlossen ballte er die gesunde Hand zu einer Faust zusammen.

Im Augenblick war er ans Bett gefesselt, seine Wunden waren versorgt worden und die Schmerzen waren etwas, mit dem er leben konnte. Er hatte bereits in seinem Leben genug einstecken müssen, um sich von derartigen Dingen nicht aufhalten zu lassen.

Und doch musste ein Plan her. Sie hatten ihm nicht gesagt, wo sie Sirius gefangen hielten, oder ob er bereits auf dem Weg ins Hauptquartier war. Würde ihm der Prozess gemacht werden? Wer würde sein Pflichtverteidiger sein? Oder würden sie diesen Schritt überspringen und das Urteil auf der Stelle vollstrecken?

Frustriert ballte Remus die nicht bandagierte Hand zur Faust zusammen, einzelne Frusttränen rannten ihm über das Gesicht.

Verdammt! Dabei hatte er sich doch geschworen, nicht auch noch seinen letzten Freund verlieren zu wollen. Nein, es musste jetzt sein. Er würde ihn schon aufspüren können, mit seinem Zauberstab würde das ganz sicher, ganz leicht funktionieren. Remus müsste dafür nur das Bett verlassen, seinen Zauberstab nehmen und den Raum hinter sich lassen. Sein Geist war mehr als willig – doch der Körper war nicht bereit.

Kaum hatte Remus beide Beine über die Bettkante geschwungen, stieg eine mächtige Übelkeitswelle in seinem Hals auf. Mit der freien Hand fasste er sich an die Stirn, sein Kopf drehte sich schneller, als ihm lieb war. Frustriert biss er sich auf die Lippe.

Wie sollte er seinem Freund helfen, wenn er noch nicht einmal aufstehen konnte, ohne dabei eine Ohnmacht oder schlimmeres zu riskieren?

Wieder bahnten sich mehrere Tränen den Weg über sein Gesicht, und langsam spürte er einen leicht metallischen Geschmack auf seiner Zunge.

Es durfte nicht wahr sein, einfach nicht wahr. Sirius wartete bestimmt irgendwo, an einem finsteren Ort auf ihn, wartete darauf, dass Remus kam und ihn befreite. Doch niemand würde kommen.

Verzweifelt ließ sich Remus wieder auf sein Bett fallen, deckte sich zu und schluckte die Übelkeit wie auch sein schlechtes Gewissen so gut es ging hinunter. Gleichzeitig wurden seine Augenlider immer schwerer und schwerer. Die Erschöpfung, die nach einer Verwandlung auf ihm lag, machte ihm schwerer zu schaffen als gedacht. Remus drehte den Kopf zum Fenster. Das Tageslicht brannte längst nicht mehr in seinen Pupillen, und die harmlose Welt, die sich dort abzeichnete, hatte nichts mit der Realität zu tun, mit welcher er sich konfrontiert sah.

„Sirius, warte… auf mich!“

Kraftlos verließ ein kleiner Wunsch seine Lippen, bevor die Müdigkeit Herrin seiner Sinne wurde und ihn ein weiteres Mal in einen tiefen, traumlosen Schlaf versinken ließ.

 

Als er seine Augen öffnete, war der Tag längst der Nacht gewichen. Remus konnte den Mond in der Ferne erkennen, dem bereits wieder ein gutes Stück fehlte. Diese Version des Mondes war seiner Meinung nach die schönste. Denn es bedeutete, dass der letzte Vollmond direkt hinter ihm lag und er die nächste Zeit erst einmal nichts mehr zu befürchten hatte. Und je nachdem, wie es seine Wunden erlaubten, würde er auch das Krankenhaus verlassen dürfen. Zumal er auch nicht damit rechnete, dass die MACUSA es ihm erlauben würden, bis zum nächsten Vollmond das Krankenbett zu hüten. Zu groß war die Gefahr, dass er nicht nur sich, sondern auch Poppy, ihre Kollegen oder andere Patienten verletzten könnte.

Schließlich versuchte er zu lauschen. Sein Zimmer war dunkel und er konnte kaum etwas sehen, doch auch seine Ohren nahmen kaum ein Geräusch wahr. Hatte er denn so lange geschlafen, dass es so spät in der Nacht war? War das jetzt seine Chance?

Ein weiteres Mal setzte sich Remus auf, schob ein Bein nach dem anderen über die Bettkante, bereit, sich sofort wieder zurückfallen zu lassen. Doch der Schlaf hatte ihm offenbar gutgetan, er fühlte sich bereit, das Bett zu verlassen. Mit den Händen stützte er sich so gut es ging auf der Matratze ab, als sich eine Hand auf die seine legte. Nur mit größter Mühe konnte Remus sich einen Schrei verkneifen.

„Du bist ein ziemlicher Sturkopf, weißt du das? Jetzt leg dich endlich hin und erhol dich, sonst… sonst zwinge ich dich dazu, alter Freund“, sagte Sirius auf seine übliche, neckische Art.

Sofort ergriff Remus seine Hand, betastete sie immer wieder und wieder.

„Sirius? Aber wie, ich meine, sie haben dich doch gefangen genommen?“, flüsterte er aufgeregt, als sich seine Augen langsam, ganz langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Der Mond kehrte hinter einer Wolkengruppe hervor und sein schwacher Schein umrahmte Sirius‘ wilden Kopf.

„Glaub mir, das willst du gar nicht wissen“, versuchte Sirius die Sache runterzuspielen, doch Remus ließ nicht locker. Soweit es seine körperliche Kraft zuließ, packte er die Hand noch fester an.

„Doch, das möchte ich wissen. Wie bist du entkommen?“

Mittlerweile konnte Remus erkennen, dass Sirius den Kopf abgewandt hatte. Offenbar versuchte er herauszufinden, ob sich jemand dem Zimmer näherte. Doch auch er selbst konnte nichts und niemanden kommen hören.

„Also gut, ich habe eigentlich nicht so viel Zeit, aber ich denke, die Kurzfassung kann nicht schaden. Die MACUSA haben mich in so eine Art Geheimversteck gesteckt und die ganze Zeit über befragt. Irgendwann aber, nach einer Ewigkeit sind sie zu einem Einsatz gerufen worden. Offenbar wollten ein paar Teenager den Untergang des dunklen Lords mit besonders viel Magie feiern … nun, dumme Teenager und irgendwelche Zaubersprüche waren noch nie eine gute Idee.“

Sirius schüttelte grinsend den Kopf, und auch Remus schoss die eine oder andere peinliche Erinnerung durch den Kopf.

„Nun, jedenfalls haben sie es geschafft, dass irgendein Saloon in Flammen stand, aber nicht in normalen, sondern so besonderen, die sich nur ganz schwer zu löschen ließen. Also musste schließlich die MACUSA anrücken. Sie dachten, sie hätten mich sicher gefangen, also sind sie alle gegangen. Haben mich einfach allein gelassen, kannst du das glauben?“

„Glauben sollte ich es eigentlich nicht“, gab Remus leise zu. „Doch du sitzt vor mir, in Fleisch und Blut, also bleibt mir wohl nichts anderes übrig, schätze ich.“

Noch immer grinsend, setzte Sirius seine Erzählung im Flüsterton fort.

„Jedenfalls, die Dummköpfe hatten mich gefesselt und gehofft, das würde mich aufhalten. Tja, was soll ich sagen, kaum war ich ein Hund, konnte ich einfach aus den Fesseln heraussteigen und durch die Gitter hindurchschlüpfen. Stellte sich heraus, die haben das örtliche Sheriffsgebäude für ihr Verhör benutzt. Durch das ganze Chaos hat niemand auf einen Hund geachtet und so konnte ich mir meinen Zauberstab nehmen und entkommen. Irgendwann habe ich dann auch deine Spur gefunden und hab mich dann hinter einschleichen können. Bis ich unter deinem Bett war, darauf wartend, dass du aufwachen würdest.“

Das Lächeln fiel aus Sirius‘ Gesicht und Remus Brust schnürte sich zusammen. Sein Griff lockerte sich und nun war es sein Freund, der Remus‘ Hand fest in seine eigene nahm.

„Es tut mir leid, dass ich in dem Moment, in dem du am meisten gebraucht hättest, allein gelassen hatte. Hätte ich doch nur besser aufgepasst, dann wäre mir diese Falle niemals entgangen und…“

Sachte gab Remus leise Töne von sich, versuchte seinen besten Freund zu beruhigen, was ihm nur mäßig gelang.

 

Dann schien Sirius etwas einzufallen und seine Miene hellte sich wieder auf.

„Achja, ich habe die MACUSA auf eine falsche Fährte gelockt, zumindest denke ich, dass ich das habe. Ich hoffe es.“

Nun wurde Remus hellhörig und sah Sirius neugierig in die Augen.

„Auf eine falsche Fährte? Was meinst du damit?“

„Nun, ich habe die Gelegenheit genutzt, und aus einem sicheren Versteck einen Teil des Sheriffgebäudes mit meinem Zauberstab zerstört. Außerdem habe ich an einen der Wände das Symbol der Todesser hinterlassen, damit es so aussieht, als hätte mich jemand von ihnen befreit. Wenn die MACUSA wirklich so dumm ist zu glauben, ich wäre ein Todesser, dann sollen sie doch unter deren Reihen nach mir suchen.“

Nun war es Remus, der lächelnd mit dem Kopf schüttelte. Er kannte Sirius lange und gut genug, um zu wissen, wie nachtragend dieser war, aber auch gerissen und voller Ideen.

„Kann… kann ich dir irgendwie helfen? Ich habe schon behauptet, ich hätte eine kongrade Amnesie, damit sie dir nichts anhängen können, aber das haben sie bereits getan. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen …“

Sirius‘ schnaubte leise und verachtend vor sich hin.

„Keine Angst, die haben sich ihr Urteil längst gebildet. Die meinten ja auch, ich hätte dich gefoltert. Was für ein hausgemachter Unsinn. Aber hey, ich bin für die ja schon ein Monster, wenn man dann noch ein weiteres Verbrechen anhängen kann…“

Remus ließ noch einmal das Gespräch mit den MACUSA-Mitarbeitern Revue passieren und nickte zustimmend.

„Sie haben auch ignoriert, dass ich ein Werwolf bin und es dementsprechend auch dem Krankenhauspersonal nicht erzählt. Vermutlich wird dieses Detail auch in keinen Akten oder Notizen erscheinen. Die wollen dich fertig machen, und zwar so richtig.“

Sirius lächelte wieder, doch Remus fühlte nicht die emotionale Kraft, es zu erwidern.

„Dafür müssten sie mich erstmal kriegen und auch halten können. Doch das werde ich nicht zulassen.“

Sofort nahm Sirius seine Hand zurück, und mit ihr ging sämtliche Wärme, die Remus an der Stelle gespürt hatte. Er zog seine Beine unter die Decke zurück und machte es sich so gut es ging darauf wieder bequem.

„Wenn ich dir dabei irgendwie helfen kann, dann lass es mich wissen. Zwar bin ich im Moment ans Bett gefesselt, aber …“

Er spürte eine warme und raue Hand auf seiner Stirn, sämtliche Emotionen überschütteten sein Herz und Remus wurde das Gefühl nicht los, dass es sich um einen Abschied handelte.

„Ruh dich erst einmal aus. Einen besseren Gefallen kannst du mir nicht tun, Remus. Erhol dich gut und dann sehen wir weiter. Keine Angst, die werden mich nicht nochmal bekommen, jetzt werde ich erst recht auf der Hut sein.“

Sirius nahm seine Hand wieder zurück und zu gerne wäre Remus aufgestanden, hätte sich angezogen und wäre mit seinem besten Freund über alle Berge geflohen. Doch er konnte es nicht und das wussten sie beide. Remus schluckte den Kloß im Hals herunter, der sich dort gebildet hatte.

„Ja, das werde ich tun. Ich werde meine Verletzungen verheilen lassen und dann nach dir suchen. Ich möchte dir unbedingt helfen, denn ich weiß, du bist unschuldig. Und das werden wir der Welt beweisen.“

Ein schwaches Lächeln zeichnete sich auf Sirius’ Lippen ab, Remus konnte es gerade noch erkennen, bevor der Mond sich wieder hinter einer dicken Wolkenwand versteckte.

„Genau das werden wir, mein Freund. Genau das werden wir. Und wir werden uns wiedersehen, versprochen.“

„Versprochen.“

In der Dunkelheit viel es ihren Händen schwer, sich ein letztes Mal zu finden. Erst, als sich ihre Fingerspitzen wie zufällig berührten, schüttelten sie sich die Hände.

„Mach’s gut, mein Freund, bis zum nächsten Mal“, sagte Sirius, dann wurde es schlagartig still im Zimmer. Der Mond kehrte mit seinem hellen Schein zurück und dort, wo bis eben sein Freund gestanden war, konnte er nichts weitersehen als zwei helle, gelbe Augen. Snuffles sah ihn ein letztes Mal an, bis er sich zum Fenster wandte und aus diesem hinaussprang. Rasch folgte das leise Geräusch eines Gebüsches, in welches etwas hineingefallen war, sodass Remus vermutete, dass der Fall nicht von langer Dauer gewesen sein konnte.

Er konnte nicht anders, als zu lächeln. Er wollte es nicht anders. Er musste stark sein, für sich und für seinen Freund.

„Bis bald, mein Freund“, flüsterte Remus in die Dunkelheit hinein und betrachtete den Sternenhimmel, als könnte er dort die Antwort auf all ihre Probleme ausfindig machen. Ihre Zukunft lag irgendwo dort draußen, genauso wie ihr Zielobjekt und es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn wieder finden würden. Sie hatten ihn bereits einmal aufspüren können und Remus war davon überzeugt, dass es ihnen noch ein weiteres Mal gelingen würde. Das nächste Mal war Wurmschwanz dran.

Mit dieser Zuversicht legte sich Remus zurück auf sein Kopfkissen, schloss zufrieden die Augen und gab sich ein weiteres Mal dem Schlaf hin. Einem Schlaf, in welchem er mit einem wunderschönen Traum gesegnet war. Und der Wunsch, diesen Traum eines Tages Wirklichkeit werden zu lassen, schenkte ihm für den Rest der Nacht ein Lächeln auf seinem Gesicht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:47:03+00:00 09.10.2023 19:47
Ein Glück, dass Sirius sich da wieder rauswinden konnte. 
Auch wenn das wohl leider heißt, dass die zwei sich jetzt erstmal eine Zeit lang nicht mehr sehen werden, bis es wieder auf die Jagd nach Peter geht. 

Trotzdem, es ist ein schönes Ende. Und ein schöner Einblick in die Freundschaft der beiden Chaoten. 
Insgesamt finde ich die Story sehr gelungen. Ein wirklich außergewöhnliches AU.

Vielen Dank dafür.^^
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:36
Auch wenn die ganze Situation für beide nicht so leicht ist (Sirius nun mehr denn je auf der Flucht, Remus im Krankenhaus), denke ich, dass die beiden nochmal mit einem blauen Auge davongekommen sind. Es ist wirklich sehr schade, aber ich bin mir sicher, dass sie sich eines Tages wiedersehen werden >_<

Sehr gerne doch <3
Es freut mich sehr, dass dir die AU so gut gefallen hat, da bin ich echt auch ziemlich erleichtert. Eben weil es so außergewöhnlich ist, war ich mir auch ein bisschen unsicher, wie es ankommen könnte. Und ich hatte auch beim Schreiben sehr viel Spaß :3

Auf einer anderen Seite hatte mich bereits jemand nach einer Fortsetzung gefragt, aber dazu habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Mal sehen, sowas entscheide ich lieber nicht spontan.

Außerdem noch vielen lieben Dank für deine Kommentare, vor allem, dass du zu jedem Kapitel etwas gesagt hast, das hat mich sehr überrascht und erfreut :3
Antwort von:  _Delacroix_
09.10.2023 23:32
Sei vorsichtig mit Fortsetzungsgedanken. AUs neigen dazu, bei sowas zu explodieren und ehe man sich versieht schreibt man und schreibt und schreibt. Das ist toll für den Leser, aber als Autor kann das ganz schön anstrengend werden. XD
Antwort von:  KiraNear
10.10.2023 12:01
Haha, ja, das ist auch wieder wahr, und das ist auch einer der Gründe, warum ich es mir erst noch gut überlegen muss^^°
Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:41:32+00:00 09.10.2023 19:41
Das haben sich die Auroren ja mal schön zurecht gesponnen. Armer Sirius. Als hätte er nicht schon genug Ärger gibt es jetzt auch noch schlampige Ermittlungen. Dabei könnten sie bei der Suche nach Peter mehr als nützlich sein, wenn sie ihm nur einfach mal glauben und in der Sache ermitteln würden. 
Aber das kennen wir ja schon aus dem Original, auch wenn es da etwas versteckter war.^^
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:33
Die Auroren machen es sich hier definitiv viel zu einfach - leider gibt solche schlechten Ermittlungsarbeiten ja auch im echten Leben :/
Klar, die beiden würden bei der Suche nach dem echten Täter richtig gut helfen können, immerhin haben sie ihn ja schon fast aufspüren können. Aber es ist wohl vermutlich einfacher, eine Person zu nehmen, die in der Öffentlichkeit ohnehin schon zum Mörder benannt und verurteilt wurde.
Stimmt, im Original war es etwas subtiler^^°
Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:37:40+00:00 09.10.2023 19:37
Tja, und das ist leider der Moment, ab dem dann alles schief läuft. 
Amer Sirius. Und noch ärmerer Remus, der jetzt doch alleine durch die scheußliche Verwandlung muss. 
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:31
Jup, erst läuft alles gut und dann geht es den Berg runter :/
Wusste auch gar nicht, wer mir da mehr Leid tun sollte. Remus, der das Ganze nun allein durchstehen muss, oder Sirius, der sich hinterher sowas von ärgert, dass er nicht dabei sein konnte.
Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:34:15+00:00 09.10.2023 19:34
Dumme Sache, dass das mit dem Mond natürlich immer noch ein Problem für Remus ist. Aber der scheint leider auch in der Prärie und ... Wird er damit dann eigentlich zum Prärie-Wolf? XD
Wie auch immer, ich fand, man merkt in dem Kapitel schon sehr gut, wie sehr ihn das eigentlich mitnimmt. 
Kein Wunder, dass sich Sirius (Und sogar das Pferd) Sorgen um ihn machen.
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:30
Ein Prärie-Wolf wäre natürlich auch eine gute Idee gewesen! Oder wäre er dann eher ein Prärie-Werwolf? Und ja, selbst hier kann er seinem lebenslangen Fluch leider nicht entkommen :/
Da hatte ich selbst beim Schreiben richtig Mitleid mit ihm bekommen >_<
Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:28:22+00:00 09.10.2023 19:28
Schon faszinierend, wie so ein Streifen Beef Jerky einen zum Held des Tages machen kann. Andererseits klingt das Beef sehr viel verlockender als Peters Bohnendosen. Und von Kautabak kann ja keiner leben. Den kann man höchstens kauen, wenn man denn unbedingt meint, man muss.
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:29
Als ich mich über Kautabak näher informiert habe, also wie man es genau benutzt, entsorgt etc, habe ich gelesen, dass man sogar davon Krebs bekommen kann. Da hab ich mir auch erstmal gedacht: Sirius, kau doch nicht so viel davon O_O
Und ich bin ganz ehrlich, ich würde bei der Auswahl auch Beef Jerky bevorzugen ;-)
Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:16:41+00:00 09.10.2023 19:16
Ah, da isse ja. Die Story.^^
Also, ich finde man merkt richtig gut, wie viel Mühe und Überlegungen du in das AU gesteckt hast. Die ganze Nummer mit Peter geht auch in der Wild West Version verdammt gut auf. Tatsächlich kann ich mir Remus auch gut als "einsamen" Cowboy vorstellen. Und Sirius macht sich sehr gut als sein treuer Hund. Das ist wirklich eine clevere Tarnung, wenn man vor dem MACUSA auf der Flucht ist. (Und vermutlich auch vor jedem Sheriff im Umkreis^^)
 
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:27
Hallo :-)
Ja, hat ein bisschen gedauert, aber hier ist sie :-)
Freut mich, dass dir die FF gefallen hat und auch die Idee, anfangs wars nur eine ganz kleine Idee und dann ist sie am Ende so groß geworden! Es hat auch Spaß gemacht, sich über die amerikanische Zaubereigesellschaft bzw Aspekte davon zu informieren.
So wusste ich z.B. nicht, dass sie eine eigene Währung hatten!
Auf jeden Fall! Da habe ich mich auch ans Original gehalten, da Sirius ja dort kein registrierter Animagi ist und so wollte ich es in dem Universium auch halten, dass außer Remus niemand darüber Bescheid weiß. Und wer würde schon einen Hund verdächtigen? ;-)


Zurück