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Wüstenstaub und Dosenbohnen

von

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Krone

~ Remus ~

 

Die Sonne wanderte immer weiter Richtung Horizont, mit ihr ging die Hitze des Tages und die Luft in ihrer Höhle wurde bereits etwas angenehmer. Dennoch lief Remus noch immer der Schweiß von der Stirn. Kalter, unangenehmer Schweiß, der sich seinen Weg über seinen Rücken bahnte. Remus schluckte den Geschmack von Galle und Frust herunter. Seit Tagen hatte er den Mond studiert, und seit er Sirius an sein „Problem“ erinnert hatte, ließ auch dieser den kleinen, reflektierenden Trabanten nicht mehr aus den Augen.

Sie beide wussten, dass es diese Nacht so weit war. Der Anblick des Mondes hatte sich fast vollständig gefüllt; nur noch ein dünner Strich fehlte, damit er komplett war. Und dieser Strich würde in der heutigen Nacht ergänzt werden.

Die erste Sicherheitsmaßnahme bestand darin, Lupins Pferd außerhalb der Höhle festzubinden. Versteckt durch magisch aufgezogene Hecken, war es vor sämtlichen Blicken geschützt. Zusätzlich war es weit genug entfernt, dass Lupin es als Werwolf nicht bemerken würde.

„Wenn ich mich heute Nacht verwandle, möchte ich nicht, dass du in der Nähe bist. Ich kann mir schon lange keinen Wolfsbanntrank mehr leisten, dazu sind die Preise in letzter Zeit zu sehr gestiegen. Und selbst brauen kommt nicht in Frage – ich würde es nur schaffen, mich selbst zu vergiften. Auch, wenn mein Leben nicht das Beste ist, so hänge ich doch noch sehr daran“, sagte Remus und sah seinen Freund mit feuchten Augen an. Sirius legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Das kannst du mal ganz schnell vergessen. Seit zwei Tagen, seit wir diese Höhle gefunden haben, liegst du mir damit in den Ohren. Und ich werde mich weiterhin taub stellen. Ich habe dich damals nicht allein gelassen, und den Teufel werde ich das tun, gerade, wenn du mich am meisten brauchen wirst.“

Sirius bemühte sich um ein Lächeln, doch das verdächtige Glänzen in seinen Augen verriet ihn mehr als deutlich.

„Wir stehen das durch, in Ordnung? Wir. Werden. Das. Schaffen. Und jetzt setz dich hin und ruh dich aus. Nachher… nachher wirst du mehr als genug auf deinen Beinen sein.“

Remus ging der Bitten nach, seine schwachen Beine waren mehr als dankbar dafür. Schnell nahm er einen Schluck nach dem anderen, bis seine Flasche kein Wasser mehr herausgeben konnte. Erschöpft rieb er sich über die müden Augen.

„Hast du mich nicht verstanden? Ich sagte doch, dass ich keinen Wolfsbanntrank mehr zu mir genommen habe. Genauer gesagt seit mehreren Monaten nicht mehr.“

Sirius rieb sich mit dem Handrücken über den Mund, bevor er Remus die leere Flasche aus der Hand nahm.

„Und offenbar hast DU mich auch nicht verstanden. Ich bleibe an deiner Seite und zur Not werde ich dort auch sterben. Doch glaub mir, so schnell wirst du mich nicht los. Was das angeht, bin ich hartnäckiger als Unkraut.“

Den Tränen nun näher starrte Remus in Sirius‘ Augen.

„Das war zu früh.“

„Ich weiß.“

Kaum hatte Sirius die Rolle des Wasserauffüllers übernommen, und sein Werk getan, verließ er die Höhle. Remus konnte sich denken, was sein Freund draußen tat: Zum gefühlt tausendsten Mal würde er von ihrer kleinen Klippe herab das Haus beobachten. Er würde versuchen, alles in der näheren Umgebung im Blick zu haben; nicht die kleinste Maus sollte das Haus betreten, ohne dass er es mitbekam. In den letzten zwei Tagen hatten sie sich dabei abgewechselt, die meiste Zeit übernahm jedoch Sirius ihren Beobachtungsposten. Nur, wenn er sich zur Jagd entfernte oder um sich zu erleichtern, ließ er Remus seine Arbeit übernehmen.

Bis der letzte Tag vor dem totalen Vollmond angebrochen war, seitdem schob Sirius ihn bei jeder Gelegenheit in die Höhle zurück. Jeglichen Protest hatte der junge Mann ignoriert, egal, wie sehr sich Remus gegen diese Behandlung gewehrt hatte.

„Komm schon, ich habe diese Zustände schon mein ganzes Leben lang, und es ist immer noch Tag“, hatte Remus zu argumentieren versucht, aber davon wollte Sirius nichts wissen.

„Das mag sein, aber was soll ich bitte machen, wenn dir genau an der Kante schwindelig wird und du dir dann da unten den Kopf aufschlägst? Sehe ich für dich aus wie ein Heiler?“

Auf diese Fragen hatte Remus keine Antwort finden können, woraufhin das Gespräch offiziell für beendet erklärt war.

 

Nach einer längeren Weile kam Sirius wieder zu ihm in die Höhle zurück. Die Sonne, die zuvor die Welt erhellt hatte, setzte zu einem langsamen, aber wunderschönen Untergang an. Zumindest konnte Remus das sehen, als er seinen Kopf aus der Höhle herausstreckte. So sehr er den Anblick des Vollmonds fürchtete, es gelang ihm noch immer sich an den wunderschönen Farben des Abendhimmels zu erfreuen.

„Ich denke, ich werde mich dort unten ein wenig umsehen. Zwar war es nicht Peter, den ich hatte sehen können, aber bei dieser gerissenen Ratte weiß man doch nie. Keine Sorge, ich werde an meine Tarnung denken“, sagte Sirius, noch bevor Remus überhaupt den Mund öffnen konnte.

Dieser brach seinen Versuch zu sprechen ab, sah seinen Freund verwundert an und öffnete seinen Mund erneut.

„Moment, was meinst du damit, du hast nicht Peter gesehen. Wen hast du denn sonst gesehen?“

Sirius sah ihn mit einem gemischten Blick an.

„Nichts wirklich ernstes, nur eine junge Frau, die wieder auf ihrem Pferd herumspaziert ist. Komplett in Pink angezogen, aber ich glaube nicht, dass sie mich gesehen oder erkannt hat. Sie schien sich viel mehr für die Landschaft zu interessieren. Und ich glaube, sie reitet noch langsamer als du, kaum zu glauben, dass das überhaupt möglich ist.“

Remus musterte seinen Freund nachdenklich, doch da sie nach wie vor allein waren, blieb ihm nichts anderes übrig, als Sirius’ Worten Glauben zu schenken. Kurz überlegte er, was seinem Freund noch mit auf den Weg geben könnte, ihn aufzuhalten würde Remus gar nicht erst versuchen. Jedes Wort in diese Richtung wäre ohne Wirkung, Sirius hatte sich noch nie aufhalten lassen, wenn eine Idee sich erst einmal in seinen Kopf festgesetzt hatte.

„Pass auf dich auf“, sagte er und beobachtete, wie sich Sirius wieder in den dunklen, zotteligen Hund verwandelte. Snuffles hob den Kopf schief, eine Handlung, wie Remus sie von echten Hunden kannte, bevor dieser auf der Stelle umdrehte und den Hang hinunterrannte. Kaum war er aus Remus’ Sicht verschwunden, ging dieser langsam in die Höhle hinein und setzte sich auf das provisorische Bett aus Stroh und Steppengras.

Zum Nachdenken war er viel zu erschöpft und auch viel zu gestresst. Er wollte sich nur kurz hinsetzen, nur kurz seine Augen ausruhen und versuchen, seine Gedanken zu ordnen. Er wollte sich entspannen, bevor es ihm nicht mehr möglich war.

Wenige Minuten später sank sein Kinn hinab und seine Atmung wurde beständiger, aber auch ruhiger und langsamer.

 

 

~ Sirius~

 

Der Staub der Prärie kratzte und juckte in seiner Nase. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, er könnte nur sein linkes Vorderbein zurückverwandeln und sich mit seinen Fingern ausgiebig kratzen. So blieb ihm nur das halbwegs befriedigende Wischen mit der Vorderpfote.

Doch es half alles nichts. Sirius hatte sich wieder und wieder auf dem trockenen Boden wälzen müssen, um seinen eigenen Körpergeruch überdecken zu können. Für einen kurzen Moment hatte er mit dem Stinktier geliebäugelt, dass er in der Ferne gesehen hatte. Allerdings sah sein Plan es nicht vor, Peter mit dem übermäßigen Gestank in die Flucht zu schlagen. Zumal er selbst darunter leiden würde, als Mensch und erst recht als Hund. Und vor sich selbst würde er nicht flüchten können.

Nein, der Geruch des wilden Westens musste vollkommen ausreichen.

Als er in die Nähe der Hütte gelangt war, war die Sonne bereits tiefer gesunken, der Himmel färbte sich in seine schönsten Farben, mit Rot als der dominantesten von ihnen. Für einen kurzen Moment linste Sirius den Hügel hinauf, an die Stelle, an welcher sich ihre Höhle befand. In diesem Augenblick saß Remus tief in der Höhle, auf sein unvermeidliches Schicksal wartend.

Das hier musste nun schnell gehen, beschloss Sirius. Er wollte nur einen kurzen Blick auf die Hütte werfen, kurz seine Schnauze in den Wind halten und herausfinden, ob es eine neue Duftspur von Peter zu erschnüffeln gab. Sirius rechnete nicht damit, fündig zu werden, dennoch musste er dem Gefühl nachgehen. Wie er es die letzten zwei Nächte getan hatte. Er würde wieder zur Hütte trotten, keinerlei Veränderung bemerken und sich dann wieder auf den Rückweg machen. Zurück zu seinem letzten verbliebenen Freund, der seine Hilfe mehr als deutlich benötigen würde.

 

Kaum hatte Sirius die Hütte erreicht, rechnete er mit den Gerüchen, die ihm in der kurzen Zeit vertraut geworden waren: Noch mehr Prärie, die Mäusefamilie hinter den Brettern und der Duft von leergefutterten Bohnendosen. Ohne jegliche Erwartung hob er seinen Kopf in den Wind, suchte den richtigen Winkel heraus und nahm einen tiefen Atemzug. Dabei schloss er die Augen und war gedanklich bereits längst dabei, wieder den Rückweg anzutreten.

Der Geruch, dieser ihm leider mehr als vertraute Gestank, der ihm in die Nase trat, machte all seine Pläne auf der Stelle zunichte.

Überrascht riss Sirius die Augen auf, er musste sich mehr als zusammenreißen, um nicht sofort in die Hütte zu stürmen. Am liebsten hätte er sich mit einem lauten Knurren oder Heulen angekündigt, doch das würde Peter nur unnötig warnen. Nein, dieses Mal durfte er ihm nicht noch einmal entkommen. Und hier gab es weit und breit keine Zugschienen oder No-Majs, die ihm bei einer erneuten Flucht helfen würden.

Besorgt blickte Sirius erst in die Richtung der Höhle, dann zur Sonne, die immer weiter unterging. Heute war es so weit, heute würde sich der Vollmond in seiner ganzen Pracht zeigen. Sirius konnte verstehen, dass es für viele andere Leute ein wundervoller Anblick war. Er selbst verachtete ihn zutiefst. Diese helle, reflektierende Kugel am Himmel bedeutete für Remus stets Schmerzen, Scham und ein Leben im Abseits, für alle Zeiten und unumkehrbar. Sirius verachtete den Werwolf dafür, was dieser seinem Freund damals angetan hatte.

Innerlich mit sich kämpfend begann Sirius zu horchen, erst in die Richtung der Höhle, bereit, bei dem kleinsten Geräusch sofort seine Beine in die Pfoten zu nehmen und Remus zur Seite zu eilen. Sein Ohr erreichte jedoch kein Geräusch, lediglich eine einsame Grille spielte ihr abendliches Konzert.

Langsam, in der Hoffnung, dass sein Staubkleid ihn nach wie vor geruchstechnisch tarnte, schlich er sich an das Haus heran, bis er durch eines der Fenster hineinsehen konnte.

Der Anblick im Inneren brachte sein Blut zum Kochen.

Genau an der Stelle, an welcher er es sich vor zwei Tagen selbst auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte, saß nun Peter und war dabei, eine weitere Dose auszulöffeln. Dass er sich das Essen dabei mehr ins Gesicht schob, als es normal zu essen, schien ihm dabei zu entgehen.

Sirius unterdrückte erneut das Bedürfnis, seiner Wut durch Knurren Luft zu machen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, unruhig wanderten seine Pfoten über dem Boden. Es war ein Wunder, dass Peters Hunger ihn von dem ablenkte, was sich vor der Hütte abspielte. Aufmerksameren Zauberern wäre der zottelige Hund längst aufgefallen, dessen war sich Sirius sicher.

Beruhige dich, Sirius, beruhige dich!

Seinen Hass unterdrückend, zwang er sich ein weiteres Mal dazu, in die Hütte hineinzusehen. Peter musste sich eine zweite Dose geöffnet haben, denn er war nach wie vor dabei, sein spätes Abendessen zu sich zu nehmen. Er würde also nicht so schnell verschwinden. Möglicherweise sogar über Nacht bleiben … das würde Sirius in die Hände spielen.

Wenn er sich um seinen Freund Remus gekümmert, dafür gesorgt hat, dass ihm als Werwolf nichts Gefährliches passieren konnte, würde er zurückkommen. Und dann, dann hatte Peter die längste Zeit die schöne Luft der Freiheit atmen können.

Langsam, mit vorsichtigen Bewegungen, drehte Sirius sich um und ließ sich von seinen vier Pfoten immer weiter zurück zu Remus tragen. Die Sonne war mittlerweile komplett hinter dem Horizont verschwunden, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Mond sichtbar ihren Platz einnehmen würde. Sirius wusste, er durfte keine Zeit mehr verlieren. Nicht mehr lange und sein Freund würde für ein paar Stunden nicht mehr er selbst sein …

Den dünnen, unauffälligen Faden bemerkte er erst, als er sich leicht in sein Vorderbein schnitt. Irritiert ging er von dem Strauch weg, den er hatte passieren wollen und blickte sich um. Bildete er sich das ein oder wurde die Luft um ihn herum immer dicker und dichter?

Sirius blickte sich immer weiter um, und seine Annahme wurde sofort bestätigt: Aus einem lauen Lüftchen, welches einen Hauch von Staub mit sich trug, wurde eine wilde Böe. Sand und Dreck flog ihm in die Augen, mit den Tränen kämpfend versuchte er sich seine Sicht freizublinzeln.

Ein Sandsturm! Dieser Gedanke kam ihm noch in den Sinn, bevor sich das Wetter um ihn herum immer weiter verschlechterte. Dass dies kein natürlicher Sturm sein konnte, war ihm sofort bewusst. Er musste fliehen, einen Ausweg finden – nur wie?

Egal, in welche Richtung er blickte, der Sturm wurde immer dichter, dunkler und dreckiger. Nur zu gerne hätte er sich die Hand vors Gesicht halten, die kleine Pfote konnte dagegen nicht so viel ausrichten. Hunde waren anatomisch nicht dazu in der Lage.

Gerade, als es ihm gelungen war, ein besonders großes Staubkorn aus seinem Auge zu entfernen, bemerkte Sirius, dass ihm nicht nur die Zeit ausging. Sondern auch die Luft. Allzu tief konnte er nicht einatmen oder seine Lunge würde sich mit Dreck, Staub und sonstigen Dingen füllen, die ihn erst recht am Atmen hindern würden.

Vorsichtig, als wollte er sich vor einem Brand retten, legte er sich hin und versuchte, seine Schnauze so nah wie möglich am Boden zu behalten. Seine Kräfte schwanden. Ihm wurde schmerzlich bewusst, dass er diesem Sturm nicht mehr entkommen konnte. Seine Augenlider wurden schwer, und eine Müdigkeit, die ihm lange aufgelauert haben musste, sah nun ihre Sternstunde gekommen.

Remus … halte durch!

Ein letztes Mal blickte Sirius nach oben, nicht sicher, ob die Hütte oder ihre Höhle in der Richtung lag. Sirius war es egal, der Gedanke dahinter zählte. Kurz konnte er noch sehen, wie sich seine rechte Pfote in eine Hand verwandelte. Danach verschlang ihn tiefste Dunkelheit und ließ ihn in einen traumlosen Schlaf versinken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Delacroix_
2023-10-09T17:37:40+00:00 09.10.2023 19:37
Tja, und das ist leider der Moment, ab dem dann alles schief läuft. 
Amer Sirius. Und noch ärmerer Remus, der jetzt doch alleine durch die scheußliche Verwandlung muss. 
Antwort von:  KiraNear
09.10.2023 22:31
Jup, erst läuft alles gut und dann geht es den Berg runter :/
Wusste auch gar nicht, wer mir da mehr Leid tun sollte. Remus, der das Ganze nun allein durchstehen muss, oder Sirius, der sich hinterher sowas von ärgert, dass er nicht dabei sein konnte.


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