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Sengoku-Jidai I [Remake]

Tōunamento
von

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Leon

Es vergehen zwei weitere Wochen nach diesem Gespräch. Wie jeden Tag trainieren der Hundedämon und die Menschenfrau. Die Wandlung dieser Frau, innerhalb der letzten dreieinhalb Monate, spürt er stark an seinem eigenen Körper. Er muss zunehmend immer mehr seine eigene Erdmagie gegen sie einsetzen, je mehr er ihr erlaubt, ihr eigenes Element, das Feuer, benutzen zu dürfen. Sesshomaru hat von Anfang gespürt, dass Liza für einen normalen Menschen stärker ist und jetzt, nach seinem Training, stellt sie eine größere Bedrohung dar, als jemals zuvor. Sie kann es wirklich schaffen und stärker, als jeder Dämon werden. Nie zuvor hätte er geglaubt, dass er mal einen Menschen trainiert. Schon gar nicht eine Frau. Noch weniger eine Frau aus der Zukunft. Egal wie deutlich ihr fremder Zeitstrang sich für seine Augen zeigt, da ist noch etwas anderes und das behagt ihm nicht.

Das Tempo, in dem sich ihre Muskeln aufgebaut haben.

Die Art, wie sie ohne schlechtes Gewissen fremde Dämonen oder die Sternenbilder besiegt hat.

Ihr Denken sich keinen normalen gesellschaftlichen Verpflichtungen unterzuordnen.

Keine Angst zu kennen.

Ja, selbst ihr Wunsch nie zu heiraten.

Ihm ist ein Volk vertraut, das längst für derartige Besonderheiten bekannt ist. Die Sippschaft der Assassinen. Sie sind schon immer für überragende Schnelligkeit und Stärke bekannt gewesen. Ein Volk dessen einziges Verlangen es ist die Erde von Dämonen zu befreien, um so die Herrschaft der Menschen zu sichern. Selbst er als Daiyokai hat mehrere Male die Stärke zu spüren bekommen, die ihnen nach gesagt wird.

Sie sind geprägt mit einem ähnlich scharfen Instinkt, wie der von Dämonen.

Sie trainieren sich Schnelligkeit und Stärke an, die normaler Weise nur in Dämonen inne wohnt.

Sie sind skrupellos und furchtlos.

Sie gleichen die normalen menschlichen Schwächen durch das Aufspüren von Auren aus.

Sesshomaru hält nicht viel von ihnen. Sie halten sich selbst für Götter, was für ihre absolute Arroganz spricht. Das bedeutet nicht, dass er sie als starke Gegner nicht zu schätzen gewusst hat, wenn er einem von ihnen über den Weg gelaufen ist. Er hasst sie jedoch als Daiyokai, weil sie sich trotz normaler menschlicher Abstammung über ihn, einen Daiyokai, stellen. Assassinen sind anmaßend, respektlos und vor allem überheblich. Frauen und Männer des Assassinen Volkes heiraten nicht, weil eine Bindung sie ihrer Meinung nach schwächt. Liebe ist dort kein Thema. Assassinen sind ein reines Kämpfervolk. Geboren um zu Töten oder selbst zu sterben.

So präzise aus seiner Schülerin diese Eigenschaften hervorstechen, gibt es etwas, was sie deutlich von ihnen abhebt. Die weniger prägnante Arroganz. Sie stellt sich nicht über ihn. Sie bleibt ihm trotz neugewonnener Stärke untergeordnet. Die Sorge, dass sich das irgendwann ändern wird, wenn sie im Rang aufsteigen sollte und dadurch noch stärker wird, macht er sich nicht. Von Anfang an ist sie bereits stärker als Jaken gewesen und stellt sich noch nicht einmal über ihn. Faszinierend ist für ihn jedoch der Hass ihrer eigenen Spezies gegenüber. Assassinen hassen alle Dämonen und sie scheint alle Menschen zu hassen.

Sie bricht alte Regeln.

Sie schert sich nicht um die Meinung anderer.

Sie ist voller Rätsel, die er nur zu gerne erkunden würde.

Angefangen bei ihrem Vater. Erneut ruft er sich ins Gedächtnis, dass die Assassinen selbst in seiner Zeit wie von der Erde verschluckt sind. Sie sind seit gut zwei Jahrhunderten nicht mehr gesehen worden. Stattdessen hört man immer mehr von Dämonenjägern. Menschen, welche die Überreste von getöteten Dämonen für Rüstung und Waffen benutzen, um weitere Dämonen zu töten. Sesshomaru ist selbst einen von ihnen begegnet. Sie sind nicht einmal im Ansatz für ihn so gefährlich, wie die Assassinen es einmal gewesen sind. Dafür sind Dämonenjäger auch viel zu menschlich. Das lässt in ihm allerdings nur wieder wachrufen, dass die Erde selbst ihm ein überdeutliches "Ja" gegeben hat, als er gefragt hat, ob dieses Volk noch Existent ist. Bei seiner Frage, ob Liza selbst dieser Sippschaft angehört, ihr vielleicht sogar entsprungen ist, hat die Erde allerdings geschwiegen. Für ihn bedeutet es letztlich, dass selbst sein Element nichts über sie weiß. So fragt er sich ein weiteres Mal: Wer ist dein Vater gewesen und wer bist du?

Seine linke Hand leuchtet kurz gelbgrün auf, bevor er mit einer gezielten Armbewegung dafür sorgt, dass die Erde sich vor ihm aufbaut. Entgegen all seiner Vorausrechnungen und Erwartungen, bemerkt er keinen Schlag oder Tritt gegen seine Mauer. Stattdessen spürt er ihre Aura hinter sich und dreht sich schnell um. Ihren Tritt kontert er kühl mit seinem Arm.

Eine gewaltige Druckwelle durchfährt dabei den gesamten Ort und wirft Jaken in den Fluss, an dem er sitzt, um Fische zu angeln, damit er für Liza etwa zu essen machen kann. Wütend kommt er wieder aus dem Wasser und schimpft. »Hey, was soll das?! Passt doch auf, sonst …« In seiner Schimpfparade wird er unterbrochen, als er von der rauen Zunge des roten Minilöwen abgeleckt wird, der sich danach vor ihm hinstellt. Seinen Hintern in die Höhe gestreckt und wild mit dem Schwanz wedelnd, zeigt er, dass er spielen will. »Nein, lass das! Jetzt nicht«, weist er ihn zurecht.

Die blauen Augen von Liza blicken Sesshomaru fest entschlossen an. Sie will ihn besiegen können, denn dann würde es bedeuten genau diese Stärke zu haben, nach der sie sich sehnt. Nach diesem harten aufeinander Prall springen beide voneinander weg. Die Schwarzhaarige geht dabei wieder in Angriffsstellung, während Sesshomaru ihr ganz normal gegenüber steht. Verwirrt darüber gibt auch sie ihre Position auf und stellt sich vor ihm hin. »Dein körperliches Training ist beendet«, spricht er kühl.

Die Überraschung über diese Aussage ist ihr deutlich im Gesicht anzusehen. »Ä-Ä-Ähm … Was?«

»Ich kann dir nichts mehr beibringen. Du bist stark genug geworden, um dich gegen sämtliche Teilnehmer behaupten zu können. Sternzeichen und andere Elementskrieger sollten für dich kein Problem darstellen. Auch ohne dein Feuer«, antwortet er ihr und dreht sich schließlich um. »Alles weitere liegt nun in deiner Hand.«

Die Freude der Menschenfrau ist riesig. »Juhu!« Als wüsste ihr kleiner Freund, worum es geht, springt Leon zu ihr in die Arme und leckt sie ab. »Hahaha!«, muss sie dabei lachen und hält den kleinen Löwen vor sich. »Ja, ich hab es geschafft!« Ihre Freude darüber nimmt auch dann nicht ab, wenn sie sich ins Gedächtnis ruft, dass sie auch von alleine weiter trainieren möchte. Stärke kann nur stärker werden, wenn man es nicht schleifen lässt, aber als Belohnung möchte sie heute schön baden und sich einfach mal um ihre Pflege kümmern. Entsprechend macht sie sich auch auf den Weg in den Wald.

»Hey, wo gehst du hin?«, fragt Jaken sie.

»Als Belohnung für meinen Erfolg möchte ich mich heute einmal wieder meiner Pflege widmen. Ich habe das Gefühl zu stinken, wie ein Schwein«, antwortet sie, bevor sie geht. Dabei folgt ihr der kleine Leon. Sie bleibt nur noch einmal stehen und dreht sich zu ihrem Lehrer um. »Das heißt, wenn es in Ordnung ist.«

Der lehnt sich üblich kühl an einen Baum und antwortet lediglich: »Geh.«

Liza freut sich schon so sehr ihren Körper in eine heiße Quelle zu verfrachten, dass sie die ganze Zeit nur noch am Grinsen ist. Als sie, wie jeden Tag, auf Wanderschaft gegangen sind, ist ihr das kleine, wärmende Gewässer sofort ins Auge gefallen. Gerade jetzt, wo es bereits herbstlich ist, sogar schon zum Winter übergeht, spürt sie die Kühle des Windes auf ihrem Körper immer öfters. Kalt wird ihr dennoch nie, denn durch das Feuer in ihrem Körper lodert es die ganze Zeit in ihrem Innern. Manchmal fühlt es sich für Liza so an, als ob sie statt Blut, Lava in sich hat.

Der Weg zur heißen Quelle ist schnell gefunden und so zieht sie sich aus. Es ist so schön einfach mal allein und unbeobachtet zu sein. Noch während sie dabei ist, sich ihren BH auszuziehen, vernimmt sie das süße Quiecken ihres Löwen im Miniaturformat. Sie blickt ihren Freund lächelnd an. »Na? Möchtest du etwa mit mir baden?«, fragt sie ihn und kniet sich sogar vor ihm hin. Sanft streichelt die Menschenfrau über den Kopf des Tieres, das daraufhin vergnügt schnurrt. Jedes Mal stellt die Schwarzhaarige fest, dass das Fell so weich ist, wie ihr Kissen in ihrer Zeit. Besonders die volle Halskrause, erinnert sie an die Biberbettwäsche ihrer Mutter, die immer so schön nach dem Waschmittel roch. Endlich ausgezogen, setzt sich die Siebzehnjährige in die heiße Quelle und denkt wehmütig an ihr zuhause. Solange ist sie jetzt schon fort. Sie ist wirklich stärker geworden, wie sie es gewollt hat und sie könnte ihre Mutter und ihre Halbschwester vor jeder Gefahr beschützen, aber wäre das angebracht? In ihrer Zeit gibt es etliche Gefahren, als hier. Hier gibt es sichtbare Feinde, wie Dämonen, Krieg, Leid, Hunger und Elend, aber in der Neuzeit gibt es vieles, was man nicht sehen kann. Betrug, Verrat, Lügen, Hinterlist und einfach nur böse Menschen. Im Nachhinein findet sie heute ihre Reaktion sehr kindisch. Sie hätte bleiben sollen. Wehmütig zieht sie mit ihrem Finger Kreise über die Wasseroberfläche, während sie sieht, wie ihr kleiner Freund fröhlich im Wasser planscht.

Das ruft in ihr wach, dass sie aber auch sonst nie Sesshomaru und Jaken kennen gelernt hätte. Oder auch die lebhaften Zwillinge und ihren tierischen Verbündeten. Trotzdem fehlt Liza ihre Mutter, genauso wie ihr Großvater und ihre kleine Schwester. Wie es ihnen wohl geht? Was machen sie wohl gerade jetzt in diesem Moment? Selbst jetzt noch steht sie treu hinter ihrer Mutter, die sie eigentlich wegschicken wollte. Sie versteht sie heute besser, als zuvor, als ihr bewusst geworden ist, wie anstrengend es für ihre junge Mutter gewesen ist, sich mit ihr rumschlagen zu müssen. Liza ist so in ihrer eigenen Welt gefangen gewesen, dass sie völlig ausgeblendet hat, dass ihre besonderen Kräfte für normale Menschen durchaus furchterregend sein können. Selbst für eine Mutter.

Was denkt wohl ihr verstorbener Vater im Himmel über sie? Das fragt sie sich jeden Tag und kommt dabei zu dem Entschluss, dass sie eigentlich nie stark gewesen ist. Liza kauert sich in dem flachen Gewässer zusammen, wie ein Embryo im Mutterleib. So viel hat sie hier gelernt, aber je stärker ihr Körper geworden ist, desto mehr ist die Schwäche in ihrem Geist aufgeblüht. Sie fühlt sich allein und von der Welt abgestoßen. Das Gespräch mit ihrem Lehrer schießt ihr durch den Kopf, als er ihr gesagt hat das sie nicht mehr allein ist und das fast jeder Elementskrieger etwas in der Art durchgemacht hat. Ob er also auch alleine war? Sie hat ihm mittlerweile einiges von sich erzählt, aber über ihn weiß sie gar nichts. Ihr wird der Egoismus klar den sie trägt.

»Aber das ist doch nichts Schlimmes«, unterbricht eine Frauenstimme plötzlich ihre Gedankengänge. Erschrocken erhebt sie ihren Blick und sieht vor sich einen Schlangenkopf aus der Quelle. Ihr kleiner Begleiter springt sofort aus dem Wasser und stellt sich hinter Liza auf die Erde, von wo er den Gegner anknurrt.

»Du bist das Sternzeichen Schlange«, kommt es ruhig von der Menschenfrau.

»Ja, das bin ich.« Imposant erhebt sich das offensichtlich weibliche Getier aus dem Wasser und zeigt stolz seinen schlanken Körper.

»In dieser Zeit hat man echt ein Timing mich zu erwischen, wenn ich nackt bin«, antwortet die Menschenfrau mit den meeresblauen Augen. »Aber du hast Glück. Mir ist nicht nach Kämpfen.«

»Ich will auch nicht gegen dich kämpfen«, antwortet das Schlangentier und schlängelt sich über das Wasser zur Feuerkönigin. »Ich will nur mit dir reden.«

»Reden? Das wollte schon lange keiner mehr.« Zumindest nicht so, wie es sich Liza gewünscht hat. Traurig legt sie ihren Kopf zwischen ihre angewinkelten Beine. Dem kleinen Löwen gefällt es gar nicht das die Schlange sich seinem Frauchen nähert und versucht bedrohlich zu brüllen, doch das reicht lediglich für ein niedliches Kreischen.

»Du bist so ein armes, einsames Ding. Ich verstehe dich nur zu gut«, zischt die Schlange einfühlsam und mitfühlend, während sie sich äußerst langsam und zärtlich um Liza wickelt. »Auch ich war immer einsam. Immerhin bin ich eine Schlange. Ich werde von so vielen Missverstanden. Manche bezeichnen mich sogar als "Monster".«

Dieses Wort trifft Liza so sehr in ihrem Herzen, dass es in ihr alte Wunden weckt. Verzweifelt legt sie ihre Hände an ihren Kopf, als will sie all das vergessen. »Ein Dämon ohne Gefühle wird dich nicht verstehen. Das kann er gar nicht. Schließlich sagte er doch selbst, dass Gefühle für ihn lästig sind.«

Überrascht über dieses Wissen blickt sie die Schlange an. »Woher …?«, will sie schon ihre Frage stellen, doch die Schlange selbst unterbricht die Elementskriegerin.

»Woher ich das weiß? Ich kann in der Zeit reisen, sowie alle Sternzeichen. Sternenbilder existieren in jeder Zeitepoche. Wenn du willst, bringe ich dich auch wieder zurück nach Hause. Nach Hause zu deiner Mutter und deinem Großvater.«

Für einen kurzen Moment hätte Liza dem Angebot sofort zugestimmt, aber dann spürt sie, wie der kleine Löwe, den sie Leon getauft hat, einen Teil ihrer Haare im Maul hat und daran zieht. »Aber Leon …«, haucht sie seinen Namen und blickt ihn sogar an. Traurig blickt das kleine Tier sie an, als will er damit sagen, dass er sie doch braucht und sie vermissen würde. Sein Schwanz wedelt langsam hin und her, als hätte er Hoffnung. Sie erinnert sich an die goldenen Augen von Sesshomaru. Auch wenn er selbst vielleicht keine Gefühle hat, aber er hat Gefühle in ihr geweckt.

Er hat sie trainiert.

Ihr seine Zeit geschenkt.

Sogar seine Aufmerksamkeit.

Wie undankbar wäre es dann von ihr, einfach spurlos zu verschwinden? Die Feuerkönigin spürt noch heute die Wärme seiner Hand an ihrer Wange und seinen Daumen, der über ihre Lippen streicht. Sie kann es nicht. Sie kann nicht einfach gehen. Er braucht doch immerhin eine Schülerin für das Turnier, damit er die Gegenstände für Seinaru bekommen kann. Lächelnd blickt sie auf ihren tierischen Freund und will ihn gerade aus Dankbarkeit streicheln.

Ein gewaltiger Druck um ihren Körper hält Liza davon allerdings ab. Er ist so stark, dass sie bemerkt, wie sie förmlich eingequetscht wird. »Was zum …!«, beginnt sie und dreht ihren Kopf nach vorn, wo ihre Stirn direkt mit dem Kopf der Schlange aufeinander prallt. Ihre giftgrünen Augen weit aufgerissen, starrt die Schlange nun in die überraschten blauen Augen ihres Opfers. »Du würdest also viel lieber zu einem gefühlslosen Dämon zurückkehren, als zu deiner liebevollen Familie?«, fragt das weibliche Sternenbild sie nun deutlich aggressiver.

Davon lässt sich Liza jedoch nicht beeindrucken und sie blickt der Schlange traurig, aber auch entschlossen in die Augen. »Mag sein, dass ich bei meiner Mutter und meinem Großvater ein herzliches Zuhause habe, aber ich passe dort nicht hin. Meine Kräfte und Fähigkeiten gehören dort nicht hin. Sesshomaru ist vielleicht kalt und ignorant, manchmal auch widersprüchlich in seiner kompletten Art, aber er akzeptiert mich. Mit all meinen Kräften. Ich weiß ganz genau, hier gehöre ich her. In diese Zeit.«

Diese Antwort passt der gewaltigen Schlange überhaupt nicht und sie taucht mit der Menschenfrau unter Wasser, das ihren Aufschrei erstickt, bevor er hoch kommen kann. Der kleine Löwe Leon gibt quietschende Laute von sich, als ruft er Liza zu sich. Er springt jedoch auch nicht ins Wasser, da das kleine Tier ja nicht mal richtig schwimmen kann, geschweige denn tauchen. Verzweifelt rennt er daher am Ufer stetig hin und her und ruft nach seiner Herrin.
 

Sie selbst versucht sich aus dem schier steinharten Griff der Schlange zu befreien, doch es erweist sich als schwierig. Wo eben das Wasser kaum mehr einen Meter tief gewesen ist, wirkt es jetzt, als wäre sie mitten im Ozean selbst. Selbst die Wärme der heißen Quelle ist nicht mehr präsent. »Warum gibst du dich nicht einfach auf?«, spricht die Schlange mit ihr, wohlwissend, dass Liza ihr unter Wasser nicht antworten kann.

Die Feuerkönigin kann nicht einmal ihre Feuermagie unter Wasser einsetzen. Natürlich kann sie ihre eigene Körpertemperatur so stark erhitzen, dass die Schlange sie loslassen muss, wie beim Krebs. Das eisigkalte Wasser selbst entzieht ihr fast schon automatisch alle Wärme, sodass dieser Versuch beim Kaltblütler untergeht. Sie muss auf ihre eigenen körperlichen Fähigkeiten vertrauen, die sie sich hart antrainiert hat und das am besten so schnell, wie es geht, denn sie wird die Luft nicht ewig anhalten können. Im Allgemeinen fragt sie sich wozu sie überhaupt noch kämpfen soll. Sie will stärker werden, ja. Um diejenigen zu beschützen, die ihr etwas bedeuten. Aber wen hat sie denn schon in dieser Zeit, den sie beschützen soll? Ihre Mutter, ihr Großvater und auch ihre kleine Halbschwester sind in der Neuzeit, doch dort gibt es keinen Gegner, vor dem sie ihre Familie mit dem Feuer beschützen kann. Hier gibt es Dämonen gegen die Liza kämpfen kann und wo ihre Fähigkeiten gebraucht werden, doch sie hat hier niemanden, den sie beschützen kann. Vielleicht ist es wirklich besser einfach aufzugeben.

Das Grinsen der Schlange kommt wieder und sie nähert sich der Menschenfrau. »Ja, das solltest du. Eine Seele, die nicht weiß, wo sie hingehört, gehört definitiv nicht hierher. Weder in diese Zeit, noch in irgendeine andere. Gib einfach auf.« So nähert sich das gewaltige Sternenbild und öffnet seinen Mund, um ihre Gegnerin in einem Stück zu verspeisen, wie sie es zuvor schon mit einigen anderen Teilnehmern vollzogen hat. Das Tier ist vielleicht kein stärker Gegner, aber umso trickreicher und hinterlistiger. Jeder Teilnehmer ist bisher ihrer negativen Aura und damit seinen eigenen schlechten Gedanken erlegen.

Für die Schwarzhaarige scheint die Zeit in jenem Moment still zu stehen. Ist sie denn wirklich so allein, wie sie glaubt? Vergiss nie. Du bist jetzt nicht mehr allein, schießen ihr überraschend die Worte von Sesshomaru in den Kopf. Er hat Recht. Sie ist nicht mehr allein. Auch wenn sie nachdem Turnier von Sesshomaru und Jaken getrennt sein wird, wird es wohl Leon sein, der an ihrer Seite sein wird. Sie kann hier ein neues Leben anfangen - vielleicht sogar in dem Dorf, wo sie am Anfang gelandet ist. Bei Kaede. Auch die Abmachung mit Sesshomaru hat sie nicht vergessen. Sie kann ebenso seine Heimat beschützen – egal wo immer sie auch ist. Unschuldige kann sie vor dem Tod bewahren. Wenn alle Bewohner seiner Heimat halbwegs so sind wie er, würde sie auch dort Anschluss finden. Egal, was aus ihr werden wird sobald dieses Turnier vorbei ist, aber sie möchte wenigstens den kleinen Leon beschützen, den sie nun als neuen Freund an ihrer Seite hat.

Der Kampfeswille kehrt zurück und lässt die Körpertemperatur Lizas ansteigen. Entschlossen blickt sie in den immer näher kommenden Schlund und sammelt Feuer in ihrem Mund. Ihre Wangen blasen sich immer mehr auf, bis sie ihr Maximum erreicht haben. Die Schwarzhaarige muss alles auf eine Karte setzen! Nur einmal muss sie es schaffen können ihre Feuermagie auch unter Wasser benutzen zu können. Der Körper der jungen Frau leuchtet im heißen Rot des Feuers auf, was dafür sorgt, dass selbst das eiskalte Wasser um sie herum anfängt zu kochen. Damit noch nicht genug. Nun speit sie die gesammelten Flammen aus ihrem Mund in den gierigen Abgrund der Schlange. Der Kaltblütler lässt sogleich von der Feuerfrau los und schreit vor Schmerzen. Das nutzt Liza aus und macht sich daran sofort an die Oberfläche zu schwimmen. Sie muss es schaffen. Immerhin hat sie sich selbst geschworen Sesshomaru zu helfen die Klinge Seinaru zu vervollständigen. Nicht nur das. Sie will in ihm wieder Gefühle wecken und ihm damit helfen seine Opfergabe wieder zu erlangen. Selbst dann noch, wenn ihre eigenen Gefühle sie verschlucken.

Die Feuerkönigin sieht, dass sie es fast an die Oberfläche geschafft hat, doch da packt sie erneut die Schwanzspitze des Gegners um ihren Körper und zieht sie wieder runter. »Feuer, hm? Du entkommst mir nicht. Ich werde jeden Elementskrieger verschlingen!«, brüllt das weibliche Tier ihr entgegen und nähert sich der Menschenfrau mit einer rasanten Geschwindigkeit. Verzweifelt schließt Liza ihre Augen. Sie bekommt keine Luft mehr und kann sich einfach nicht mehr bewegen. Ihre Gedanken kreisen sich nur noch darum zu überleben, aber die Schlange hält sie so fest, dass sie sich kaum mehr richtig konzentrieren kann. Die sonst so klare Sicht aus ihren blauen Augen verschwimmt immer mehr. Siegessicher reißt das zu Fleisch gewordene Sternenbild ein weiteres Mal sein Maul auf, um endlich als Siegerin hervor zu gehen.
 

Am Ufer der Quelle läuft immer noch der hilflose Löwe hin und her. Er ahnt in welch prekären Lage seine Herrin ist und will ihr helfen, doch er weiß nicht wie. Als Baby ist er machtlos. Verzweifelt setzt er sich hin und kratzt sich bewusst wie wild an seinem flauschigen Kragen; fast so, als will er etwas hervorholen. Knurrend hält er in seinen Bewegungen inne, als er die eleganten Schritte des Hundedämons neben sich vernimmt. »Es ist nicht der Flammenschlüssel allein, der dir deine Kräfte wieder gibt – Sternenbild Löwe«, spricht er zum Tier, ehe sich der Lehrer hinabbeugt und aus der Mähne einen brennenden Schlüssel hervorholt. »Willst du wirklich deine Freiheit für dieses Menschenfrau aufgeben?«, fragt Sesshomaru den Babylöwen monoton. Nach einem entschlossenen Blick des Tieres steckt der Hundedämon ohne weiteres Zögern den Schlüssel brutal in den Rücken und schließt dessen uralte, versiegelten Kräfte wieder auf.
 

Ein gleißend rotes Licht von der Wasseroberfläche regt die Aufmerksamkeit der übergroßen Schlange auf sich und sie hält in ihrer Bewegung inne. Wie ein Meteorit schießt ein gewaltiger Feuerball ins Wasser und trennt die Schlange von der jungen Frau. Das Wasser um den vermeintlichen Kometen verdampft innerhalb von Sekunden und bildet sich schließlich zu einer riesigen Luftblase. Sofort hustet Liza wild und versucht zu Luft zu kommen. Erst als sie wieder zu sich gekommen ist, sieht sie nach vorn. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen und Überraschung, als sie dann den gewaltigen Löwen sieht, der aus Feuer zu bestehen scheint. Sein Körper hat keine feste Form. »Finger weg von meiner Herrin!«, knurrt der Feuerlöwe auch sofort die Schlange an.

»Verzieh dich, Löwe!«, kontert sofort die Schlange gereizt.

»Ich bin der Schutzgeist meiner Feuergebieterin. Deinem Befehl bin ich nicht verpflichtet zu folgen«, fällt seine Antwort klar und deutlich aus.

Da staunt Liza aber: Sie kann es gar nicht fassen. Das Sternzeichen Löwe ist also der Schutzgeist der Klinge Seinaru. Der Kopf des Löwen dreht sich zu ihr um und er blickt die Menschenfrau an. »Dein Kampfeswille hat mich wieder erweckt. Dafür bin ich dir sehr dankbar.«

»Aber …?«, will sie ihm eine Frage stellen, doch seine Antwort kommt schon vorher. »Nenn mich trotzdem weiter Leon, wenn du magst.« Erst da begreift sie, dass es der kleine Löwe ist, den sie vor dem Schaf gerettet hat. Er nickt ihr stumm, aber lächelnd entgegen, während er sich ein weiteres Mal an die Schlange wendet. »Ich bin das Sternzeichen Löwe, Anführer der zwölf Tierkreiszeichen vom Festland hinter dem Meer und ich bin vom Feuer auserkoren worden, das heilige Schwert mit der unreinen Klinge zu beschützen, sowie den einzigen Feuerableger.« Nach seinen Worten geht er in Angriffsstellung und knurrt das weibliche Tier an.

»Für mich sind die Drachengeschwister meine Herrscher und nur auf sie werde ich hören. Solltest du dich mir also in den Weg stellen, werde ich dich töten!«, antwortet der Kaltblüter und rast auf den Gegner zu, doch schon allein sein Umkreis tut ihr weh, denn die Hitze, die der Löwe ausstrahlt, schadet ihr. Wutentbrannt blickt sie dem Löwen entgegen. Hinter ihm kommt Liza hervor. »Nicht Leon. Das hier ist mein Kampf und ich will ihn gewinnen.« Sanft legt sie ihre Hand auf den Kopf des Löwen. »Das Ganze ist jetzt schon ein unfairer Kampf geworden. Ich hätte hier und jetzt sterben sollen. Nur mein eigener Wille muss das entscheiden.« Das Schutztier versteht die Beweggründe seiner Herrin, schüttelt dennoch den Kopf. »Nein. Du wirst deine Kräfte bald anderweitig gebrauchen.«

Somit springt der Löwe ins Wasser auf die Schlange zu. Die Bewegung der Schlange ist für den Löwen so durchschaubar, wie Glas und er erwischt sie mit einem gezielten Biss. Ihr Kopf wird in seinem kraftvollen Kiefer einfach von ihrem Körper abgebissen.

Es erschreckt Liza, wie stark und machtvoll der Löwe ist. Auch, wie schnell und vorausschauend er agiert hat. Das ist also ihr Schutzgeist? Jener Schutzgeist von dessen Stärke sie bereits durch ihren Vater gehört hat? Er blickt sie an, während die Luftblase um sie herum immer kleiner wird. »Ich gab freiwillig meine Freiheit für dich auf, Liza. Nehme weiter an diesem Turnier teil und wachse an den Herausforderungen des Lebens«, spricht er direkt zu ihr, bis schließlich die Luftblase vollends verschwunden ist und Liza im Wasser schwimmt. »Aber vor allem … enttäusche mich nicht«, lächelt er sie an, bevor er als rotes Licht wieder nach oben an die Wasseroberfläche verschwindet.

Ebenfalls mit einem glücklichen Lächeln will auch Liza wieder nach oben schwimmen. Dabei schwimmt sie auch an dem abgebissenen Kopf des Sternenbildes vorbei. Die Schlange tut ihr leid, denn auch sie weiß, dass die Schlange keinen guten Ruf genießt und oft als Bestie mit gespaltener Zunge dargestellt. Schockierend für die Menschenfrau, bewegt sich plötzlich der Kopf und starrt sie voller Hass an. »Naives Kind! Auch der abgetrennte Kopf einer Schlange hat noch Gift in seinen Zähnen«, kommt es aggressiv vom kaltblütigem Wesen, das auch sofort angreift. Durch den schmerzhaften Biss an ihrer Hüfte ist Liza gezwungen ihre Luft, in einem Schrei unter Wasser, auszurufen. Erst jetzt verschwinden Körper und Kopf in einem Meer aus Sternen. Sofort spürt Liza das Gift sich in ihrem Körper ausbreiten und sieht das Blut im Wasser aus der Wunde herauslaufen. Zumindest hat sie nun die Gewissheit, dass sie wirklich Blut und keine Lava in ihrem Körper hat.

Nun muss sie sich beeilen und schwimmt weiter an die Oberfläche. Durch das Gift wird jede Bewegung zur endlosen Qual. Die Schmerzen werden mit jeder Bewegung größer und das Blut bedeckt schon bald den kompletten See. Schon jetzt spürt sie, wie das Gift ihren Körper lähmt. Sie wird langsamer. Ihre Sicht verschwimmt immer mehr. Liza kann ihre Luft nicht mehr anhalten. Ihre Lungen füllen sich mit Wasser und durch das Gift der Schlange kann sie sich kaum mehr bewegen. Der Schmerz und der Blutverlust verursachen Schwindel in ihrem Kopf. Nur einen letzten Versuch unternimmt sie und versucht ihren Schutzgeist zu rufen, damit er sie retten kann, doch dazu fehlt ihr die Kraft und das Bewusstsein. Der Blick verschwimmt und auch die Schwärze nimmt überhand. Neben dem Licht an der Oberfläche sieht sie nur noch eine großgewachsene Erscheinung, bevor sie ohnmächtig wird.



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