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Sengoku-Jidai I [Remake]

Tōunamento
von

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Kämpfe

Liza spürt instinktiv, dass Sesshomaru sie wirklich erwürgen will. Sein eiskalter Blick und der immer fester werdende Griff an ihrem Hals lassen alle Zweifel ausschließen. Selbst seine Aura dringt so hart in ihren Geist ein, als ob er sie allein damit von innen heraus zerreißen kann. Auch sein herrischer, aber immer noch eiskalter Ton lässt jedes Quäntchen seines Hasses an ihre Ohren dröhnen, als er ihr sagt: »Dein Ungehorsam kommt dich jetzt teuer zu stehen.«

Sie wehrt sich nicht, lässt noch nicht einmal ihre Körpertemperatur ansteigen. Sie lässt die Strafe einfach über sich ergehen. »Warum?«, will sie dennoch eine Antwort auf eine Frage. »Warum sollte ich all das machen, wenn du ohnehin vorhattest alles im Alleingang zu erledigen?« Er schweigt. Damit gibt sie sich nicht zufrieden. Selbst jetzt noch, wo Sesshomarus Griff sich fester um ihren Hals legt, blickt sie ihn entschlossen mit ihren blauen Augen an. Auch wenn ihre Luft immer knapper wird und damit auch ihre Erwartungen länger zu leben. »Was ist?«, kommt es gequält, aber dennoch frech von ihr. »Gibst du mir keine Antwort, weil du keine hast?« Erneut stärkt ihr Lehrer den Griff um ihren Hals, um ihr die Luft abzuschnüren. Davon lässt sie sich allerdings nicht beeindrucken. Wenn sie schon hier und jetzt sterben soll, dann wenigstens so, wie sie ohnehin ist. Ohne Furcht im Herzen. Bei ihm verhält sie sich kaum anders, als bei anderen Menschen.

Er ist ihr Lehrer, aber das heißt noch lange nicht, dass sie sich von ihm einschüchtern lässt.

Er ist ein Mann und das heißt für sie, dass sie sich von ihm nicht unterwerfen lassen würde.

Er ist ein Dämon, doch das hält sie nicht davon ab, wie immer, ihre Meinung zu äußern.

Seine Krallen vergraben sich tief in ihrem Fleisch, was augenblicklich beginnt zu bluten. »Wenn du mich wirklich töten wolltest, hättest du es schon längst getan«, spricht sie weiter. »Auch wenn wir nicht viel Zeit mit Reden verbracht haben, so konnte ich dich kennen lernen.«

Diese Aussage weckt die Neugier des Hundedämons und er lockert tatsächlich minimal den Griff. »So? Was glaubst hindert mich daran meine ungehorsame Schülerin zu töten?«

Dieses überlegene Lächeln, als würde er sich über sie lustig machen, provoziert Liza. Dennoch muss sie ruhig bleiben und ausnahmsweise einen kühlen Kopf bewahren. »Du bist voller Widersprüche. Auf der einen Seite empfindest du nichts, aber du willst unnötigen Kämpfen aus dem Weg gehen. Angeblich ist dir alles um dich herum egal, aber dennoch überlässt du mich nicht einfach meinem Schicksal und trainierst mich«, beginnt sie mit ihren Argumenten. »Als du mich aufgenommen hast und begannst mich zu trainieren, hättest du es auch lassen können.« Der Blick ihrer blauen Augen bleibt entschlossen auf ihn gerichtet, auch wenn sich sein Griff wieder verhärtet. »Du vertraust mir nicht. Deswegen hast du mich nicht allein gelassen.« Ihre Augen bewegen sich zu dem Fächer, der frei auf der kahlen Wiese liegt. »Du befürchtest, ich würde dich beklauen und mich dann vom Acker machen. Du zweifelst weniger an meiner Stärke, als an meiner Moral.«

Sesshomaru beeindruckt ihr Wille und ihr Mut ihm all das ins Gesicht zu sagen. Das sind Attribute, die ihn schließlich dazu veranlassen den Griff ein weiteres Mal zu lockern. »Zweifel ist ein Gefühl«, kontert er kühl und erinnert sie daran, dass er über keinerlei Gefühle empfinden kann, weil er sie einst für die Erde hergab. »Du bist keine gewöhnliche Feuerkönigin«, führt er dann schließlich fort. »In dir schlummert bereits jetzt schon die Kraft des vollkommenen Feuers.« Nun löst er endgültig seinen Griff von ihrem Hals und lässt sie fallen. Augenblicklich hustet sie kraftvoll und hält sich den geröteten und leicht blutenden Hals. »Du hast Mut und scheinst treu zu sein.«

»Ich weiß, dass ich mich hier in sehr kriegerischen Zeiten befinde in der es nicht selbstverständlich ist jemanden sein Vertrauen zu geben, aber manchmal muss man es wagen jemanden entgegen zu kommen«, sagt Liza, als sie endlich wieder zu Luft gekommen ist. Wortlos blickt er zu ihr hinab und sieht ihr dabei zu, wie sie sich aufrichtet. »Ich weiß, dass deine Bedingungen sehr einfach sind. Dir ohne Widerspruch gehorchen und dir sagen, wenn ich etwas nicht kann«, wiederholt sie seine ausgesprochenen Regelungen. »Doch wie soll ich dir sagen, dass ich etwas nicht kann, wenn du es mich nicht versuchen lässt? Ich kann nicht nur durch Training stärker werden.« Die Menschenfrau geht zum Feuerfächer, sammelt ihn auf und bringt ihn zu Sesshomaru. Aus ihrem Haar nimmt sie die Phönixfeder und hält sie mitsamt dem Fächer ihrem Meister hin. »Als Schülerin bin ich verpflichtet dir zu vertrauen, aber du musst als Lehrer mir genauso vertrauen entgegen bringen.« Die Schwarzhaarige hält ihm die Gegenstände hin. »Und vor allem will ich nicht, dass du mich noch einmal unterschätzt. Es war nicht der Tiger, der den Gegenstand trug, sondern die Zwillinge. Sie übergaben mir Feder und Fächer freiwillig und ich«, nur zögernd sagt sie ihm den letzten Teil des Satzes, »wusste es.«

Schweigen herrscht zwischen den beiden, während Sesshomaru die junge Frau vor sich anschaut. Aus ihren Worten spricht die reine Wahrheit. »Woher?«, möchte er schließlich wissen, wie sie die Zwillinge enttarnt hat.

»Als ich heute Morgen aufgewacht bin, spürte ich keine Anwesenheit, keine Aura, nicht mal einen Duft konnte ich riechen. Die Zwillinge haben mich mit ihrer bloßen Anwesenheit total erschrocken und auch während der ganzen, gemeinsamen Zeit habe ich kein Leben von ihnen gespürt, obwohl sie sehr lebendig waren«, erklärt sie. »Es war das Selbe, wie beim Skorpion und Krebs.«

Stumm nimmt er die Gegenstände von ihr entgegen, die sie ihm bereitwillig hinhält. Ihr Spürsinn ist um ein vielfaches stärker, als er es bisher angenommen hat. »Es gibt nun eine Sache mehr, um die ich dich bitten möchte«, hört er ihre Worte sagen, während ihr Blick zu Boden gerichtet ist. »Spiel nie wieder so mit meinen Gefühlen, wie vorhin auf dem Marktplatz. Denn auch wenn du keine mehr haben solltest, habe ich sehr wohl noch welche.« Ihre Stimme bebt, was dem Hundedämon sofort verrät, dass sie kurz davor steht zu weinen, doch sie kämpft dagegen an. Ebenso der Hauch vom Geruch des Salzes. Er wendet sich einfach um. »Du willst also trotzdem weiter bei mir bleiben?«, fragt er sie nur, während er vorgeht.

»Du brauchst mich und ich brauche dich«, ist es ihre einzige Antwort. Er braucht sie als Schülerin, um die Gegenstände des Schwertes als Preis aus dem Tōunamento zu bekommen. Sie braucht ihn als Lehrer, um stärker zu werden.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren geht Sesshomaru einfach eleganten Schrittes weiter. »Dann sollst du in der nächsten Zeit deine Chance bekommen dich mir zu beweisen.« Diese Worte lassen Liza überrascht aufschauen. »Ich werde dich weiter trainieren und in Zukunft gegen die Sternenbilder kämpfen lassen.«

Das macht die Menschenfrau glücklich. So glücklich, dass sie sich eine aufkommende Träne wegwischt und ihm nun folgt. »Aber solltest du noch ein einziges Mal meinen Befehl missachten, werde ich dich ohne Umschweife töten.«
 

~~~*~~~
 

In den nächsten zwei Wochen hat Liza wirklich oft die Gelegenheit gehabt sich Sesshomaru gegenüber zu beweisen. Sie hat gegen viele Sternenbilder gekämpft, die allesamt wirklich viel von ihr und ihrem Können verlangt haben. Kein Kampf ist wie der andere gewesen. Gegen den Hasen musste sie Schnelligkeit und Taktgefühl beweisen. Sie hat rasch gemerkt, dass der Hase zwar schnell ist, doch seine Stärke war nicht sonderlich groß. Allgemein erinnerte sie der Kampf eher an "Fangen"-Spiel.

Der Steinbock war da schon ein anderes Kaliber. Er ist furchtbar stark und wendig gewesen. Dafür ließ seine Verteidigung sehr zu wünschen übrig. Ein Angriff von ihm hat fast ihr Leben gekostet.

Der Stier ist bisher ihr stärkster Gegner gewesen. Seine Verteidigung war fast so hart, wie das Metall selbst, was ihn aber auch sehr langsam gemacht hat. Hätte sie nur einen Angriff selbst abbekommen, wäre sie wahrscheinlich daran gestorben.

Die Maus ist dabei ihr einfachster Gegner gewesen, denn sie war zwar klein, aber äußerst friedfertig. Da hat es gereicht, wenn Liza sie mit ihrem Finger am Bauch angetippt hat und die Knie des Mini-Sternzeichens schlotterten.

All diese Gegner hat sie fast komplett ohne ihr Element ausschalten können und es wundert sie, dass sie es auch wirklich geschafft hat. Einen neuen Gegenstand haben sie nicht weiter erhalten. Es ist eine wirklich sehr aufregende Zeit gewesen gegen die Tiere zu kämpfen und gleichzeitig von Sesshomaru trainiert zu werden. Die Menschenfrau hat das Gefühl, dass sich die Atmosphäre der beiden um ein vielfaches erkaltet hat, nachdem sie ihren Streit hinter sich gehabt haben. Er redet jetzt überhaupt nicht mehr mit ihr. Es scheint, als ob er sie außerhalb des Trainings gänzlich zu ignorieren scheint. Irgendwie tut es ihr weh so von ihm behandelt zu werden, aber was will sie denn auch erwarten? Er ist ein Dämon und hasst Menschen. Er duldet sie nur bei sich, weil sie für das Turnier relevant ist. Sie selbst ist ja auch nicht hier um Freundschaften zu schließen. Dennoch schießt ihr erneut die Abmachung in den Kopf. Vielleicht ist es wirklich besser für sie, wenn sie nach Abschluss des Turniers in seiner Heimat bleibt, um sie zu beschützen. Solch eine Behandlung kann sie auf Dauer einfach nicht ertragen.

Das lässt ihr einmal mehr durch den Kopf schießen, wie anders Sesshomaru ist. Durch seine kalte, ja manchmal schon herzlose, Art hält er sie auf Distanz. Gleichzeitig fasziniert er sie mit seiner präsenten Art und zieht sie magisch an, was nie zuvor ein anderer Mann geschafft hat. Er weckt Gefühle in ihr, die nie zuvor ans Tageslicht gekommen sind.

Er läuft ihr nicht hinterher oder umwirbt sie – weder mit Worten, noch mit Geschenken.

Er fasst sie nicht mit Samthandschuhen an – weder beim Training noch im Gespräch.

Er akzeptiert sie an seiner Seite – mit all ihren Macken und Schwächen.

Er ist ehrlich zu ihr – lässt sie in jeder Sekunde ihres Beisammenseins spüren wie sehr er Menschen hasst. Sie kann ihn auch noch verstehen. Sie verachtet ihre eigene Spezies und damit auch sich selbst. Wie schnell ihr menschlicher Körper oft nachgibt, wenn sie mehr will. Dennoch muss sie sich innerlich eingestehen, dass er sie mit jedem Tag mehr in seinen Bann zieht. Allein, wenn er sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen anschaut, egal wie hasserfüllt sie gefüllt sind, lässt es ihr Herz augenblicklich schneller schlagen. Die junge Menschenfrau muss sich eingestehen, dass sich sein Gesicht immer mehr in ihren Träumen einnistet. Er weckt so viele Träume in ihr.

Träume, die in einer Welt Existent sein werden, die so nie sein wird.

In diesem Moment wünsch sie sich jemanden zu haben, mit dem sie reden kann. Dieser innere Zwiespalt einerseits bei ihm bleiben zu wollen, andererseits von ihm so schnell wie möglich wieder weg zu kommen, zerreißt sie. Erst Recht, da ihr bewusst wird, dass sie mittlerweile ganze dreieinhalb Monate im mittelalterlichen Japan ist. Wie immer folgt die kleine Gruppe dem stolzen Hundedämon. Es scheint, als ob er immer wüsste, wo die Gegner sind und führt sie direkten Weges dorthin.

Plötzlich bleibt Liza stehen. »K-Könnt«, beginnt sie zögerlich, »ihr das auch spüren.«

Jaken und Sesshomaru stoppen ebenfalls und schauen sie an. »Was sollen wir denn spüren?«, fragt Jaken leicht genervt.

Bevor Liza darauf antworten kann, springt aus heiterem Himmel ein kleines Tier in ihre Arme und zittert voller Angst. Das kleine Tier erinnert sie an einen Babylöwen. Um sein Hals ist eine flauschige, gelbe Krause, die sie an eine Miniversion der Löwenmähne erinnert. Den langen Schwanz hat das kleine Tier ängstlich eingezogen. »Nanu? Wer bist du denn?«, fragt sie ihn überrascht. Das ansonsten komplett rote Tier sieht sie mit treuen orangefarbenen Augen an, in denen sie nur Angst sieht. »Keine Angst. Ich tu dir nichts«, lächelt sie das Tier sanft an und streichelt über seinen Kopf. »Ich beschütze dich«, spricht Liza weiter beruhigend auf den Minilöwen ein und streichelt über seinen Kopf, wodurch er wohlig zu schnurren anfängt.

»Nein! Der gehört mir!«, können die drei auf einmal eine weitere Frauenstimme hören. Sesshomaru und Liza weichen gleichzeitig einem Angriff aus. »Wolle?«, schießt er verwundert aus dem Mund der Menschenfrau heraus, als sie die Form des Angriffs erkennt. Sie sieht wie Jaken in der Wolle förmlich verschwindet.

Eine mollige Frau kommt aus dem Gebüsch gesprungen, mit nichts weiter als reinem weißen Pelz um ihren Körper. »Das kleine Tier ist meins!«, kommt es fordernd von ihr. »Also los! Gib es mir!«

Voller Angst klammert sich das hilflose Etwas an Liza, in der natürlich sofort der Beschützerinstinkt geweckt wird. Sie nickt ihm lächelnd entgegen, ehe sie entschlossen sagt: »Nur über meine Leiche, Schaf!«

Wie bei einem eingespielten Team springt das Tier auf Lizas Kopf, sodass sie frei agieren kann. Die Menschenfrau rennt in Richtung des Schafes, um ihr einen Schlag zu verpassen. Ihre mollige Gegnerin macht sich noch nicht einmal die Mühe auszuweichen. Schon bald begreift Liza auch warum. Alle physischen Angriffe prallen einfach von ihrem Gegner ab. Ihre Faust versinkt einfach in dem Fell, während ihre Gegnerin selbst sich einfach hochnäsig ihre Fingernägel anschaut, nur um Liza anschließend einen kraftvollen Schlag im Gesicht zu verpassen. Sie kracht gegen einen Baum, der in sich zusammen bricht.

Sesshomaru ist gespannt, wie lange seine Schülerin dieses Mal braucht, um die Schwäche ihres Gegners zu erkennen und vor allem ohne ihre Magie auszukommen. Aus der Staubwolke kommt die junge Frau heraus gestürmt und will ihrem Gegner einen festen Tritt ins Gesicht verpassen, doch da weicht das Sternenbild Schaf aus. Der Blick von Lizas blauen Augen wird entschlossen. »Aus dir mache ich jetzt gleich ein gebratenes Lamm!«, droht die Feuerfrau.

»Davon bist du noch Lichtjahre entfernt, Mädchen!«, kontert der Feind direkt und geht selbst in den Angriff über. Ihre Hände werden zu Hufen auf denen sie sich abstützt, während sie der Feuerfrau den Rücken zuwendet. Gleichzeitig formen sich auch ihre Beine zu Hufen um und treten in Richtung ihrer Gegnerin.

Denen weicht Liza noch im letzten Moment aus und packt sich sogar eines der Beine. Dieses Mal schleudert die Menschenfrau ihren Feind gegen einen Baum. »Niederes Menschenpack!«, schimpft das fleischgewordene Sternenbild, schaut aber geschockt drein, als sie sieht, wie genau jene bereits wieder auf sie zu sprintet und es dieses Mal sogar schafft ihr einen kraftvollen Schlag ins Gesicht zu verpassen. An den Stellen, wo die Wolle ist, ist das Schaf unverwundbar, aber ohne seine Wolle, ist das Sternzeichen angreifbar.

Dumm ist das Sternenbild allerdings nicht. Schnell realisiert das Schaf wieder seine Umgebung, packt sich Lizas Arm und wirft sie von sich weg. Die junge Frau selbst wendet sich noch im Flug und stemmt ihre Beine gegen einen Baumstamm. Durch den Absprung vom Baum saust sie zur Gegnerin und legt ihre Hände an dessen Schulter – ihr Körper kerzengerade nach oben ausgestreckt. Wie auf einer Turnstange in der Schule dreht sie sich auf den Schultern ihrer Gegnerin, sodass es ihr ein leichtes ist ihre Beine gegen den Rücken des Schafes zu drücken. Liza lässt los und stößt so das Sternenbild gewaltsam von sich weg und lächelt es siegessicher an. Mit einem lauten Knall landet das Schaf in der Erde. Allerdings nicht für lange. Recht bald schon kommt die mollige Frau aus dem Loch hervor geschossen und greift Liza immer wieder mit ihren, zu Hufe gewordenen, Händen an, denen die Menschenfrau stetig lächelnd ausweicht.

Sesshomaru sieht bereits jetzt schon den Sieg seiner Schülerin und wendet sich um, um zu gehen. »Hör auf zu spielen«, sagt er noch und geht die ersten Schritte weiter.

»Okay«, fällt die Antwort von Liza kurz aus, ehe sie ihre Arme nach vorn ausstreckt. »Und übrigens nur zur Info für dich, du dummes Schaf. Lichtjahre messen die Entfernung und nicht die Zeit«, kommt es grinsend von der Feuerkönigin, bevor sie einen direkten Feuerstrahl auf ihre Gegnerin richtet, die sich in einem Sternenmeer auflöst. »Dummes Gör! Ich schwöre dir meine Rache bis in alle Ewigkeit!«, kreischt das mollige Tier, wie bei einem Echo zum Schluss. Dies ist wirklich ein sehr schneller Sieg gewesen, selbst für Liza. Ganz überrascht und auch etwas verwundert schaut sie auf ihre Hände. »Bin ich«, beginnt sie zögerlich zu sprechen, »wirklich so stark geworden?« Mit einem süßen quietschenden Geräusch von ihrem Kopf aus rutscht der Minilöwe von vorhin in ihre Hände. Seine großen Augen schauen sie fröhlich an, als will er sich bei ihr bedanken. »Och, du bist so süß«, sagt sie und geht mit dem Löwe auf ihren Armen zu Sesshomaru und Jaken.

»Hey du!«, spricht Letzterer sie auch gleich an. »Was soll das? Lass das Vieh hier!«

»Auf keinen Fall. Ich finde den kleinen so niedlich. Ich möchte ihn behalten«, sträubt sich die Menschenfrau auch gleich. Sie hält den kleinen Löwen sogar noch vor sich und sagt: »Ich werde dich Leon nennen.« Vor Freude über seinen Namen faucht er munter auf und peitscht mit seinem flauschigen Schwanz hin und her.

»Das geht aber nicht! Du kannst doch nicht einfach …«, will Jaken schon weiter mit ihr diskutieren, doch Sesshomaru spricht einfach nur scharf seinen Namen aus. »Jaken!«

»J-J-Ja, Meister Sesshomaru«, antwortet er nur demütig.

Der Schwarzhaarigen kommt es so vor, als hat Sesshomaru Partei für sie ergriffen. Auch wenn es nur ein Gedanke ist, bringt es sie zum Lächeln. »Danke, Meister Sesshomaru«, sagt sie sogar, erhält aber wie üblich keine Antwort.

Der Lehrer der Kriegerin hat etwas bemerken können. Der kleine Löwe entzieht Liza Wärme. Ein Teil ihres Feuers geht stetig auf ihn über, als würde er es absorbieren. Nur deshalb duldet der Hundedämon den neuen kleinen Begleiter an der Seite seines Schützlings denn er weiß schon, dass der Babylöwe eine wichtige Rolle für sie spielen wird.
 

Noch am selben Abend macht die kleine Gruppe bei einem See unter dem klaren Sternenhimmel rast. Immer mehr zeigt sich der ankommende Winter und bedeckt bereits solche kleine Seen, wie diesen, mit einer sehr dünnen Eisschicht. Der abnehmende Mond spiegelt sich kalt auf der Oberfläche. Liza sitzt vor dem Ufer des stillen Gewässers und spielt mit ihrem neuen Freund. Breit grinsend wedelt sie immer wieder mit einem Grashalm vor seinem Gesicht, während er versucht es mit seinen Tatzen zu fassen. »Du bist so süß, mein Kleiner«, lobt sie den Löwen vor sich, der bei einem erneuten Versuch auf den Rücken gefallen ist. Lachend kitzelt Liza das Tier mit dem Halm am Bauch, was ihm quiekende Laute entlockt und wie wild mit allen Beinen um sich schlagen lässt.

»Zwischenbericht«, ist es die kühle Stimme von Sesshomaru, die sie dann kurzzeitig erschrecken lässt.

»Meine Güte. Jetzt habe ich mich wirklich erschrocken«, gesteht sie, erhebt sich dennoch, um sich ihm gegenüber zu stellen.

»Für einen Menschen haben sich deine körperlichen Leistungen überdurchschnittlich schnell und überragend gut weiter entwickelt. Der Kampf gegen das Schaf hat mir gezeigt, wie gut du mittlerweile deinen Körper einsetzen kannst ohne dein Feuer benutzen zu müssen.«

Diese Worte lassen in Liza persönlich gerade einen tiefen Schock durchleben. Sind das etwa lobende Worte? Hat er ihr wirklich gerade ein Kompliment gemacht? Oder ist das wieder ein Teil seiner Analyse? »Ä-Ähm D-Danke, Meister Sesshomaru«, bedankt sie sich etwas hilflos.

»Steh gerade«, kommt es nur kurz danach weiter streng von ihm. Ohne weiter zu hinterfragen tut sie, was er ihr sagt. Er nähert sich ihr, nur um sie anschließend zu umkreisen. »Deine Körperhaltung ist besser geworden.« Der Schauer ihres Lebens durchfährt ihren Körper, als sie fühlt, wie er ihre Haare beiseite tut und mit einer Kralle den Pfad der Furche ihres Rückens entlang fährt. »Dein Muskelaufbau hat sich verbessert, so dass es deinem Gleichgewicht mittlerweile kaum merklich schadet. Angriff und Verteidigung sind enorm gestiegen.« Zum Glück ist ihr rotes Lieblingsoberteil mit den Fledermausärmeln lang genug, dass es ihre Gänsehaut verbirgt. »Außerdem ist dein Gefahrensinn besser geworden.« Während der Dämon um sie herum läuft, fühlt sich die junge Frau völlig unter Beobachtung seiner aufmerksamen goldenen Augen. In genau jene schaut sie, als er wieder vor ihr steht und ihr Kinn sanft mit seinen Fingern umschließt. Sesshomaru erhebt ihr Gesicht langsam. Ihr rasender Herzschlag pumpt das Blut plötzlich stark in ihr Gesicht, was es erröten lässt, als sie ihm so nahe ist und er sich ihr sogar bis auf wenige Millimeter nähert. Das Blut rauscht nur so durch ihren Körper, als sie seinen heißen Atem an ihrem Hals fühlt.

Der kleine selbsternannte Beschützer stellt sich neben Liza und faucht Sesshomaru bedrohlich an, wenngleich es mehr niedlich ist, als wirklich bedrohlich. »Dein Geruch hat sich verändert. Du riechst weniger nach Mensch, als mehr nach dem Feuer.«

»Ist das«, beginnt sie zögerlich, »gut?«

»Deine Stärke hat zugenommen. Es kann durchaus sein, dass du bald den nächsten Rang erreichen kannst«, spricht er in ihr Ohr, ehe er sich von ihr löst. »Deine Opfergabe sollte mit Bedacht gewählt sein.« Damit will er von ihr wieder weggehen, hält aber Inne, als sie ihn wieder anspricht.

»Meister Sesshomaru? Warum … habt Ihr Euch entschieden Eure Gefühle zu opfern?«, schießt ihr plötzlich die Frage aus dem Mund.

Stille herrscht, bis sich der Hundedämon zu ihr umdreht. »Gefühle sind lästig«, eröffnet er ihr. »Sie können dich in deinen Entscheidungen beeinflussen und deine Sinne trüben.«

»War es denn nicht ungewohnt? So ganz plötzlich nichts zu fühlen?«

»Vielleicht am Anfang, aber ich habe mich daran schnell gewöhnt«, antwortet er. »Dennoch ist dies keine Opfergabe für dich.« Ihren überraschten Gesichtsausdruck verstehend, spricht er weiter: »Du besitzt die Kraft des Feuers. Feuer lebt von Emotionen wie Wut, Trauer, Hass oder ähnlichem. Ich bin die Erde. Erde kann auch ohne Gefühle durchaus agieren, solange Stärke und rationales Denken vorhanden sind. Man kann sagen unsere Elemente bestimmen unsere Opfer.«

Liza nickt. »Wisst Ihr, was für mich in Frage kommen kann?«

Zunächst schweigt er sich aus. Es ist, als ob er ihr nicht antworten möchte, tut es aber dann doch. »Es gibt nur eine Möglichkeit für einen Feuerableger wie dich.«

Fast schon deprimiert setzt sie sich wieder seufzend ans Ufer. »Wisst Ihr«, beginnt sie dann nach einiger Zeit, »mein Vater hat sein Leben hergegeben, um meine Mutter und mich zu beschützen. Um den Rang eines Fire Splinters zu erreichen, wollte er es so.« In ihrer Handfläche lässt sie ein kleines Flämmchen aufflackern. »Immer wenn ich das Feuer sehe, ist es, als würde ich seine Wärme spüren. Er ist da. Sein Feuer ist mein Feuer.« Völlig unerwartet bemerkt sie wie Sesshomaru sich tatsächlich an ihre Seite setzt, doch sie erzählt weiter. »Ich weiß daher nicht, wie ich meine Opfergabe bestimmen soll und selbst wenn ich es tue, woher soll ich wissen, dass es die Richtige ist?«

Ihr Lehrer legt seine Hand auf ihre, mit der sie eben noch die Flamme erzeugt hat. Durch seine Fähigkeiten der Erde kann er durchaus so kleine Feuer löschen ohne sich selbst zu verletzten. Dafür weicht er seine Hand zu einer lehmigen Masse auf und bedeckt ihre Hand. So schafft er es ihr Feuer zu ersticken, ehe sich seine Hand wieder zurück formt und auf ihrer liegen bleibt. »Elementskrieger sind oft sehr einsam. Fragen dieser Art sind Normalität.« Zum ersten Mal hört sie einen Hauch von Wehmut in seiner Stimme und sieht ein seltsam ungewohntes, sanftes Funkeln in seinen sonst so eisigen Augen, die in die Ferne blicken. »Etwas Opfern, um stärker zu werden. Manche von uns wissen genau, was sie opfern müssen, manche dagegen müssen sehr lange überlegen, bis sie sich entschieden haben.« Erst jetzt dreht er sein Gesicht zu ihr und schaut ihr in die Augen.

Augenblicklich bleibt der Menschenfrau für einen Moment die Luft weg, als sie etwas in seinen Augen sieht das in ihr ein wohlig warmes Gefühl auslöst und somit ein Kribbeln in ihrem Bauch, wie damals, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hat. »S-Sess-homaru?«, kommt zum ersten Mal sein Name zittrig aus ihrem Mund. Nicht weil sie Angst vor ihm hat, sondern weil sein Verhalten sie nervös macht. Unbewusst verschließt sie seine und ihre Hand enger miteinander und schluckt aufgeregt.

»Du warst auch einsam«, hört sie seine Worte erneut an sie gerichtet, die sich wie ein Pfeil in ihr Herz bohren.

Traurig schaut sie vor sich ins Wasser das vom leisen Windhauch kurz in sanfte Wellen versetzt wird. »Wie gesagt … In meiner Zeit ist kein Platz für solche wie mich.«

»Warum wolltest du dann damals losziehen, um stärker zu werden?«, fragt er sie das erste Mal.

»Weil das Feuer sich durch meinen eigenen Verschluss immer stärker aus den Körper drängen wollte. Meine Mutter hat nach meinem Vater einen neuen Mann gefunden und geheiratet. Ich habe mich mit ihm aber nie wirklich gut verstanden. Für beide wurde ich durch mein ausbrechendes Feuer immer mehr zur Last. In jener Nacht wollte ich mit ihnen reden und mich vielleicht mal mit meinem Stiefvater aussprechen und versöhnen. Ich war gewillt über meinen Schatten zu springen, doch als ich vor der Tür meiner Mutter stand, hörte ich, wie sie miteinander sprachen und …«

»Dich als Monster betitelten«, beendet Sesshomaru ihrer Meinung nach fast schon zu schnell ihren Satz. Ihre verletzten, traurigen, blauen Augen schauen zu ihm hinauf. »Das ist ein Schicksal, das viele Elementsableger teilen.« Er löst seine Hand von ihrer und streichelt andächtig über ihre Wange. »Einsamkeit gehört für uns dazu und doch sehnen wir uns danach irgendwo und zu jemanden hinzugehören.«

Liza genießt diese zarte Geste von ihm und schmiegt ihr Gesicht sogar näher an seine Hand, die sich bald darauf an ihre Wange legt. Trotzdem schaut sie ihn weiter an. »Wir sind für andere Monster?«

Er nickt. »Nur Elementskrieger wie du und ich können einander verstehen.« Sesshomaru versteht nicht, was in seinem Innern vor sich geht. Etwas tobt in ihm und schreit förmlich nach ihr. Ist es vielleicht sein Herz? Fängt es wieder an zu schlagen und Gefühle dieser besitzergreifenden Art zu produzieren? Weckt sie in ihm etwa das, was er schon lange verloren geglaubt zu haben scheint? Hat sie wirklich die Kraft seine Opfergabe vollständig wieder zurückbringen zu können? Er will es heraus finden. Wie schon neulich beim Fest, streichelt er über ihre weichen Lippen und öffnet sie mit leichten Druck ein wenig. Der Hundedämon nähert sich ihr, während auch Liza ihrerseits mit ihrem Gesicht sich dem Seinen nähert. Beide können bereits den heißen Atem des Anderen auf ihren Lippen spüren.

»Hey Menschenweib! Dein Essen ist fertig!«, können sie schließlich wie in weiter Ferne die krächzende Stimme des Krötendämons hören.

Für Sesshomaru ist das wie eine Alarmglocke, die getrötet hat und er entfernt sich von ihr. Üblich elegant und anmutig löst er sich von Liza und geht. »Vergiss nie. Du bist jetzt nicht mehr allein. Als Dämon verstehe ich dein menschliches Herz vielleicht nicht, aber als Elementskrieger kenne ich die Gefühle in dir«, spricht er trotzdem zu ihr.

Nach einem kurzen aber traurigen Nicken ihrerseits, geht er. Die Schwarzhaarige beißt sich wütend auf die Unterlippe, bis sie blutet. Wie hat sie nur glauben können, dass das wirklich was werden könnte? Was hat sie sich dabei nur gedacht? Ein Dämon, der außerstande ist, Gefühle zu empfinden, kann sich doch nie und nimmer verlieben. Ein bitteres Lächeln umspielt ihre Lippen und eine einzelne Träne läuft über ihre Wange. Diese Ironie des Lebens. In ihrer Zeit hat sie sich nie verlieben können. Und jetzt zieht mich ein Dämon magisch an, der selbst nie lieben wird.

Die warme und feuchte Zunge des Minilöwen, der bis eben brav vor ihr gesessen und gewartet hat, erschreckt sie. Er leckt ihr das Blut weg, während seine kleinen Tatzen sich auf ihrer Brust abgestützt haben. »Na komm Kleiner. Jetzt gibt es Essen«, sagt sie zu ihm und nimmt ihn auf den Arm. Zumindest hat sich Liza aber den Entschluss gesetzt in Sesshomaru einen kleinen Teil seiner Gefühle wieder zurück zu holen. Ganz egal, wie lange es dauern mag.



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