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Sengoku-Jidai I [Remake]

Tōunamento
von

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Sengoku-Jidai

Eine riesige Schere taucht plötzlich aus dem Holzkasten auf und greift sich die davor stehende Liza. »Aaahhh!«, schreit sie erschrocken auf, ehe sie eingezogen wird. Das unheilvolle Licht aus dem Kasten verschwindet und somit auch die Schwarzhaarige. Nur ihr gelber Rucksack ist alles, was noch übrig bleibt. Als wäre sie unter Wasser nimmt ihr die neue strahlende Umgebung förmlich die Luft zum Atmen. Schock zeichnet sich auf ihr Gesicht, als sie erkennen kann, wem diese gewaltige Schere gehört - ein gigantischer Krebs! »Lass es mich tun, Menschenweib!«, hört sie ihn sprechen und ist verwirrt. »Lass mich dich töten!« Wie um seiner Forderung einen deutlicheren Nachdruck zu verleihen, drückt er sie mit seiner gewaltigen Schere stärker, was ihr eine Fuhr Schmerzen verleiht.

Einen Scheiß werde ich!, schießt es wütend durch ihren Kopf. Ihr Körper beginnt in einem vollständigen Rot zu leuchten. Das Wasser um sie herum brodelt unheilvoll auf. Schon bald sieht sich der gewaltige Krebs gezwungen sie loszulassen, da er selbst in seiner steinharten Schere die abnormale Hitze spürt. Vielleicht wird Liza unter Wasser keine Feuermagie einsetzen können, doch im gewaltigen Mund des Krebses schon. Zielstrebig schwimmt sie daher dort hin. »Du Närrin! Du wirst sehen, was du davon hast!«, sagt er noch zu ihr und nimmt sie tatsächlich in einem Stück in sich auf. Zunächst holt die Jugendliche wild hustend Luft, bevor sie auf ihren Handflächen binnen weniger Sekunden Flammenbälle erscheinen lässt. »Jetzt mach ich dich fertig, du halbe Portion!«, kommt es zuversichtlich von ihr. Sie verbindet ihre Hände miteinander um größere Flammen zu erzeugen, die sie umschließen. Liza holt aus und anschließend schlägt sie mit ihren verbundenen Fäusten genau unter sich. Die Wucht und Stärke ist dabei so hart, dass sie es schafft den kompletten Unterkiefer abzutrennen. Damit hat sie den Kampf auch schon gewonnen. Sie sieht nur noch, wie der Körper des Krebses plötzlich hell erstrahlt, nur um schließlich in einem Haufen voller Sterne zu verpuffen und nach oben entweicht.

Ziellos nun im Wasser treibend, weiß sie nicht, wo sie hin soll. Es gibt nirgendwo einen Hinweis, an den sie sich wenden kann. Liza glaubt bereits hier und jetzt zu sterben, aber dann bildet sich wie aus dem Nichts ein Strudel, der sie, zusammen mit dem Wasser einzusaugen scheint. Inmitten dieses heftigen Strudels und des unvermeidlichen Luftmangels verliert sie das Bewusstsein.
 

~~~*~~~
 

Als Liza wieder in einem schwarzen Nichts zu sich kommt, vernimmt sie wirre Stimmen um sich herum. »Wie sieht es aus, Priesterin Kaede?«, hört sie eine Frauenstimme besorgt fragen.

»Hmm«, vernimmt die zu sich kommende Menschenfrau wenig später einen zustimmenden Laut, nur kurz darauf gefolgt von einer älteren Frauenstimme. »Sie müsste bald wieder zu sich kommen.«

Noch immer geschwächt vom Wasserstrudel schlägt die junge Frau nur müde ihre Augen wieder auf und erkennt das Gesicht einer alten und jungen Frau. »Wo«, beginnt sie, »bin ich?«

Sofort scheint sich das Gesicht der alten Frau zu erhellen. »Du bist aufgewacht. Wie schön«, sagt sie anstatt zu antworten. »Du bist hier in unserem bescheidenen Dorf im Lande von Musashi«, erklärt sie freundlich lächelnd.

Liza kommt sich zunächst vor wie im falschen Film. Ist sie vielleicht wirklich in der Zeit zurück gereist, wenn ja wie lange? Oder ist sie vielleicht auf einer Larp-Convention? Ihre Frage beantwortet sich schon bald von selbst, als ein Mann mit Haarknoten ins Haus gestürmt kommt. »Priesterin Kaede! Ist sie wach? Wenn ja, sollten wir sie verhören!«, brüllt er aufgebracht.

Die Schwarzhaarige erhebt sich nur schwermütig und blickt den Mann an der Eingangstür trotzdem mit einem bösen Blick an. »Wie bitte?«, fragt sie nur gereizt.

»Keine Sorge, mein Kind. Ich werde mich schon um dich kümmern«, wendet sich die alte Priesterin an sie, bevor sie sich dann an den jungen Mann wendet. »Makabaro. Ich habe sie bereits sorgfältig untersucht. Diese Frau stellt für unser Dorf keinerlei Bedrohung dar.«

»Ja aber das Zeichen …«, will er widersprechen.

»Was für ein Zeichen?«, fragt Liza dann doch verwirrt die Alte.

»Weißt du es etwa nicht. Du trägst das Zeichen der Sterne auf deinem linken Handrücken«, erklärt die Priesterin ihr.

Verwundert schaut sie sich ihren linken Handrücken an. Tatsächlich sieht sie dort das Abbild vom Anfang ihres Sternzeichens in roter Farbe. »Waaa~!!!«, schreit sie völlig entsetzt. »Aber wie? Warum? Weshalb? Wieso? Ich versteh gar nichts mehr!«, ist Liza nun völlig außer sich vor Entrüstung und Verwirrung.

»Keine Sorge, mein Kind«, vernimmt sie die beruhigende Stimme der Priesterin neben sich. »Es ist lediglich das Tōunamento.« Die alte Frau sieht das immer noch verwirrte Gesicht der deutlich jüngeren und schickt die anderen beiden aus dem Haus. »Komm erst mal wieder zu dir. Dann erkläre ich dir alles in Ruhe.«
 

~~~*~~~
 

Stunden später ist bereits die Nacht eingezogen. Mittlerweile hat sich die Jugendliche auch wieder aufgerafft. Nach einem freundlichen Angebot der Priesterin hat sie sich in einer Holzschale ihr Gesicht und Hände waschen können. Noch immer ist ihr diese rote Linie mit dem Anfang ihres Sternzeichens ein Rätsel.

Woher taucht es so plötzlich auf?

Was bedeutet es?

Hat es vielleicht was mit diesem Tōunamento zu tun?

Mit einer Holzkelle rührt die Priesterin durch den Eintopf, während sie sagt: »Verzeih uns bitte, mein Kind. Doch in unseren kriegerischen Zeiten ist es nun mal nicht so leicht Fremden Vertrauen entgegen zu bringen. Alle hier sind furchtbar ängstlich und fürchten stetig Angriffe.«

Die Schwarzhaarige schüttelt nur sanft lächelnd ihren Kopf. »Es ist alles in Ordnung, Kaede. Man kann es ja auch irgendwie verstehen. Ich bin selbst auch nicht gerade offen Fremden gegenüber.« Noch immer ist ihr all das ein absolutes Rätsel. Wurde sie wirklich ins mittelalterliche Japan gezogen? Fragen über Fragen, die sie sich selbst beantworten muss. Zumindest scheint sie hier in keiner schlechten Gesellschaft gelandet zu sein.

»Eintopf?«, fragt die Priesterin sie freundlich.

»Oh ja, sehr gern. Ich hab nämlich schon einen großen Hunger«, antwortet Liza höflich, was der alten Frau ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, bevor sie ein Schälchen mit dem Essen rüber reicht. »Der unstillbare Hunger des Feuers«, flüstert die Priesterin leise.

»Wie bitte?«, fragt Liza sie.

»Ich habe mich gefragt, von wo du eigentlich herkommst? Deine Kleidung ist sehr ungewöhnlich«, stellt die Priesterin schließlich die Frage, statt ihre vorherigen Worte zu wiederholen.

Sofort wird Lizas Miene traurig. »Von sehr weit weg und ich gehe davon aus, auch nie mehr dorthin gehen zu können.«

Diese Antwort tut der Erfahreneren so leid. Dann ist diese junge Frau also heimatlos - ganz egal, was je passiert ist. »Du könntest hier bleiben, wenn du magst«, bietet Kaede schließlich an. »Wir sind zwar ein armes, aber sehr liebevolles Dorf. Du könntest hier sicher gut leben, arbeiten und vielleicht einen geeigneten Mann finden. Bei solch einer Schönheit wie deiner, sollte es sicherlich nicht schwer sein.« Das Angebot schmeichelt der Schwarzhaarigen wirklich sehr, doch beim nachfolgenden Teil schießt ihr das Entsetzen direkt ins Gesicht. »Und wir können dich hier vor Dämonen beschützen.«

»D-Dä-Dämo-Dämonen?«, ist Liza deutlich schockiert.

»Ja, Dämonen. Du tust ja so, als wäre es für dich ein Fremdwort«, ist die Priesterin dann doch etwas fassungslos über das Unwissen.

»Na ja, also … Sagen wir mal so …«, stammelt Liza etwas herum. »Von dort, wo ich herkomme, gibt es keine Dämonen. Ich habe noch nie welche gesehen.«

Der Schock über diese Aussage steht der Priesterin ins Gesicht geschrieben. »Keine … Dämonen?«

Die Schwarzhaarige nickt. »Für mich ist es also nicht so alltäglich darüber zu sprechen.« In der Tat fühlt sich das Gespräch sehr seltsam für die Moderne an.

Nachdem Kaede dann wieder ihre Fassung gefunden hat, räuspert sie sich einmal kurz. »Wenn du aber willst, kannst du hier bleiben. Wir haben gute und ehrliche Menschen hier und sind füreinander da.«

Als die Menschenfrau ihren Bissen ordentlich gekaut und runter geschluckt hat, antwortet sie. »Fürs Erste kann ich hier bleiben. Vielleicht finde ich hier einen Weg wieder zurück zu kommen.« In vollkommener Manier trinkt sie einen Schluck vom Eintopf aus der Schale. »Und ich beschütze euch im Gegenzug vor den sogenannten Dämonen.« Das ruft auf dem Gesicht der Priesterin einen fragenden Blick wach. »Ich beherrsche das Feuer und kann kämpfen. Das ist mein Anteil, den ich für euch tun kann, solange ich hier bleibe. Ich selbst brauche keinen Schutz.«

Die Priesterin selbst setzt sich ihr gegenüber. »Du bist eine starke Frau. Nicht umsonst hättest du dieses Zeichen auf deinem Handrücken.«

Nach ihren Worten blickt Liza auf das Abbild des angefangenen Sternzeichens auf ihrem Handrücken. »Apropos … Dieser Mann vorhin … Er hatte wohl offenbar Angst vor dem hier.« Sie erhebt ihre Hand und deutet damit auf das Zeichen. »Was hat das zu bedeuten?«

»Du musst wirklich von sehr weit herkommen, wenn du noch nichts vom Tōunamento gehört hast«, antwortet die Priesterin zunächst, bevor auch sie sich einen Bissen vom Eintopf gönnt. »Das Tōunamento ist eine Art Turnier bei dem die Dämonen teilnehmen, um ihre Rangmachtspiele neu zu formieren.« Liza denkt an das Buch ihres Vaters, dass sie erst noch vor wenigen Stunden in den Händen hielt. Das Ganze klingt so ähnlich, wie in seinen Schriften. »Beim Tōunamento nehmen all jene Elementsableger teil, die sich derzeit auf der Erde befinden. Es gibt dabei nur eine Regel - gewinne oder sterbe.«

»Elementsableger?«, unterbricht die Jüngere die Erzählung.

»Solche wie du. Dämonen oder Menschen, die einem Element angehörig sind. Meistens natürlich Dämonen. Das Turnier dient für solche wie dich im Rang aufzusteigen.«

Das klingt für Liza perfekt. Sie will doch schließlich im Rang aufsteigen und ein Fire Splinter werden. Vielleicht kann sie sogar den höchstmöglichen Rang erreichen. »Dann kann ich doch da mitmachen«, zeigt sich gleich entschlossen.

»Oh nein, mein Kind. Das halte ich für keine gute Idee. Meinem Wissen nach nehmen nur Dämonen daran teil. Ein Mensch wie du, hätte dabei keine Chance, auch wenn du eine Feuerkönigin bist.« Der fragende Gesichtsausdruck verrät der Priesterin, dass Liza keine Ahnung hat, woher sie das weiß. »Dein Symbol verrät es. Es zeigt nicht nur das du ein Elementsableger bist, sondern auch deinen Rang. Je mehr von deinem Sternzeichen vervollständigt ist, desto höher ist dein Rang. Mal davon abgesehen könntest du sowie so nicht teilnehmen.«

»Warum?«

»Du brauchst einen Lehrer. Einen anderen Elementsableger, der im Rang höher ist als du. Vielleicht sogar schon den höchsten Rang erhalten hat. Er muss dich unterrichten und beschützen.«

»Und wozu?«, fragt Liza weiter neugierig.

Die Priesterin seufzt. »Genau kenne ich die Regeln leider nicht mein Kind. Ich weiß nur, dass du ihn brauchst, sowie er oder sie dich. Um nämlich auch daran teilnehmen zu können, brauchen die starken Krieger die Rangniedrigeren. Mehr ist mir leider nicht vertraut, aber glaube mir Liza … Kein Dämon wird einen Menschen, noch weniger eine Frau, an seiner Seite akzeptieren wollen. Eher würden sie dich töten und deine Fähigkeiten aufsaugen.«

Bei dem Gedanken läuft Lizas Gesicht ganz blau vor Ekel an. »Also das hört sich wirklich … nun ja … Iiiiihhhh an«, lächelt sie gestellt und isst den Eintopf auf. Ihre blauen Augen schauen traurig auf die leere Schale. »Dennoch«, beginnt sie mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme, »ich habe mir selbst ein Versprechen gegeben. Das Versprechen so stark zu werden, das ich alles und jeden beschützen kann, der mir etwas bedeutet. Ich will nie wieder jemanden verlieren, den ich liebe.« Nachdenklich dringt ein grummelnder Laut aus dem Hals der Alten, während sie weiter lauscht. »Ich muss daran teilnehmen, um zu einem Fire Splinter aufzusteigen. Was mein eventuell künftiger "Lehrer" für Ziele hat, ist mir völlig egal. Ich vertraue auf meine Stärke und mein Wissen, das einst mein Vater an mich weiter gegeben hat.« Auch wenn sie lächelt, verdeckt ihr Pony ihre traurigen Augen.

Nach einem längeren Moment des Schweigens, nimmt Kaede wieder das Gespräch auf. »Ich kann dir dennoch nicht sagen, wo das Tōunamento stattfindet oder wie man daran teilnimmt. Die Kämpfe finden willkürlich überall und zu jeder Zeit statt. In der Zeit, wo wir hier reden, können zum Beispiel zwei Dämonen gerade gegeneinander kämpfen und versuchen sich zu töten.«

Alles nur für die Macht. Die Menschenfrau stimmt das nachdenklich. »Trotzdem«, erhebt sie dann ihren Kopf und blickt Kaede lächelnd an. »Ich bleibe fürs Erste hier, bis ich einen Lehrer gefunden habe oder ich wieder nach Hause komme.«
 

~~~*~~~
 

Gesagt, getan. Liza ist geblieben. Zunächst eine Woche. Dann wurde daraus eine zweite Woche, bis schon recht schnell ein Monat geworden ist. Liza ist alle Möglichkeiten durchgegangen, die sie hätte durchgehen können. Angefangen mit dem Gerücht über den alles verschlingenden Knochenfresser-Brunnen, in dem die Gebeine von Dämonen spurlos irgendwo hin verschwinden. Ohne zu zögern sprang sie rein und … nichts. Liza ist immer noch im mittelalterlichen Japan.

Dann stürzte sie sich in ein Gewässer, doch außer das sie fast ertrunken wäre, brachte auch das nichts. Sie hat vieles ausprobiert, doch nichts hat geholfen. In der Zwischenzeit hat sie, wie es die Priesterin geahnt hat, viele Bewunderer und Verehrer, die an ihr zu hängen scheinen, wie jeder gute Sekundenkleber. Sie wird mit Geschenken und aufrichtigen Worten umworben, doch all das interessiert sie nicht. Auch wenn die Männer in dieser Zeit netter und ehrlicher zu sein scheinen, als in ihrer modernen Epoche. Diese Männer sind außerhalb ihrer Interessen und der Neid der Frauen ist ihr so Gewiss, wie der Gestank des Sumpfes. Trotzdem beschützt sie die Dorfbewohner, wenngleich sie von Dämonen bisher nichts gemerkt hat. Es sind Räuber und Banditen, die eine offensichtliche Bedrohung für die Dorfbewohner darstellen. Für sie und ihr Element jedoch kein Problem. Vielleicht bilden sie sich das aber auch alles ein. Ich meine, gerade die altertümlichen Leute glauben schnell an so etwas, wie Dämonen, Geister oder sonstiges in der Art, versucht sie sich den Irrglauben zu erklären.

»Hier bist du«, ist es schließlich die Stimme der alten Priesterin, die sie vernimmt.

»Kaede«, begrüßt Liza sie freudig und sieht, wie sie sich neben sie auf die Wiese setzt. Auf einem Hügel, etwas weiter weg vom Geschehen hat die Schwarzhaarige hier den besten Ausblick auf Dorf und Bewohner. »Bisher gibt es keine Dämonenangriffe.«

»Hmhm«, stimmt die Priesterin ihr zu. »Noch ist es friedlich, weil sich alle Lehrer ihre Schüler suchen und die Schüler sich ihren Lehrern beweisen.«

»Wenn es nach mir geht, befinde ich mich schon in einem Dämonennest«, offenbart Liza ihre Gedanken der Priesterin gegenüber.

»Wie bitte?«, fragt diese nur entsetzt nach.

Fast so, als wäre sie in tiefen Gedanken gefangen, erzählt sie: »Von da, wo ich herkomme habe ich nur das schlechte Gesicht der Menschen gesehen. Wenn jemand schikaniert wird, wird nur zugeschaut. Ist jemand in den Flammen eines Gebäudes gefangen, wartet man lieber auf Hilfe, anstatt selbst schon etwas zu tun. Menschen jagen zum Spaß und vernichten alle Schönheit der Natur, nur um selbst mehr Lebensraum zu haben oder seine Besitztümer zu erweitern. Frauen erblassen schneller vor Neid als ein Chamäleon seine Farbe wechseln kann und Männer greifen sich oft das, was sie wollen – egal ob es ihnen gehört oder nicht.« Ihre Miene verfinstert sich zunehmend. »Für mich ist der Mensch das schlechteste aller Wesen und das obwohl ich noch nie einen Dämon getroffen habe.«

Kaede schweigt zunächst und blickt auf das friedvolle Dorf unter ihnen. »Das klingt alles sehr verbittert für so einen jungen Menschen, wie dich«, teilt sie ihre Meinung mit. Sie erkennt, wie Liza bei dem Wort "Menschen" förmlich zusammenzuckt. Sie muss ihre eigene Abstammung wirklich hassen. »Ich bin eine Priesterin, Liza. Ich besitze heilige Kräfte, die alle auf der Magie des Lichtes basieren. Auch das Feuer, das du in dir trägst basiert auf dieser Kraft. Das habe ich durch deinen starken Beschützerinstinkt erkennen können.« Kurz pausiert die Priesterin, um die frische Brise des Sommerwindes einzuatmen. »Feuer kann aber auch - im Vergleich zu meinen Kräften - durch Finsternis Existent sein. Deine Kräfte bewegen sich momentan in einem sehr guten Gleichgewicht dazwischen. Dein Feuer ist in einem sehr guten Zwielicht. Pass auf, dass es nicht zu sehr der Finsternis ausgesetzt ist.«

Die junge Frau schweigt und blickt ernst zum Dorf. »Ich denke, es ist besser wenn ich gehe. Einen Monat bin ich schon hier und ich habe weder eine Möglichkeit gefunden von hier nach Hause zu kommen, noch war ein Lehrer des Turniers hier. Ich vergeude meine Zeit in diesem Menschendorf.«

»Es ist deine Entscheidung. Ich halte dich davon nicht ab. Ich möchte aber, dass du weißt, du bist immer hier willkommen«, zeigt sich die Priesterin verständnisvoll.

Lächelnd dreht die Jüngere das Gesicht zur Priesterin. »Das ist nett von dir. Du, meine Mutter und meine frisch geborene Halbschwester Kagome seid die einzigen Menschen, die mir etwas bedeuten. Und genau für solche Menschen wie dich will ich stärker werden. Deswegen muss ich meinen Lehrer suchen und finden gehen.«

»Das ist ein kluger Gedanke. So jemanden wie dich können wir hier wirklich gut …« Die Priesterin wird unterbrochen, als die Erde beginnt zu beben.

»Was ist das?!«, fragt Liza total überrascht. Die Frage beantwortet sich von selbst, als sie schon in weiter Ferne einen gewaltigen Wurm sieht. So groß, wie sämtliche Hochhäuser aus ihrer Zeit. Alle Farbe entweicht ihr aus dem Gesicht, als sie das rote Ungetüm dabei beobachtet, wie es durchs Dorf rauscht.

»Das ist ein Dämon.«

Diese kurze Antwort von Kaede schockiert Liza auf so viele verschiedene Arten und Weisen. »DAS«, ruft sie fassungslos aus, »ist ein DÄMON!?«

»Ein Ōmukade! Sie sind sehr gefährlich und aggressiv«, erklärt Kaede der Jüngeren.

»Und offensichtlich sehr dumm«, fügt Liza hinten dran, als sie sieht, wie der Wurm sich ihnen nähert. »Kaede Achtung!«, warnt sie noch die Priesterin, packt sie sich und springt mit ihr zur Seite, um sie zu retten. Schmerzhaft stöhnt die alte Frau auf, da der Aufprall für sie ziemlich unsanft gewesen ist. »Ich danke dir. Du hast mich gerettet«, zeigt sie sich zunächst noch dankbar, doch bei einem Blick ins Gesicht der Schwarzhaarigen sieht die Priesterin sofort den entschlossenen Blick. »Und jetzt werde ich dich rächen.« Gleich löst sie sich von ihr und stellt sich mutig dem gewaltigen Dämon.

Sofort springt sie zum gewaltigen Wurm, der ihr jedoch rechtzeitig ausweicht, indem er sich unter die Erde buddelt. Gute Reflexe und wahnsinnig schnell, macht sie sich ihr erstes Bild von einem Dämon. Das nächste folgt zugleich, als er direkt unter ihr wieder rauskommt und sie sich zwischen den kraftvollen Kieferklauen befindet. Er versucht sie auf diesem Wege in sein Maul zu drücken. Mit großer Anstrengung und mächtigen Kraftaufwand kann sie sich gerade noch so halten. Und unwahrscheinlich stark. Alle Wehr von ihr bewahrt Liza nicht davor, doch im Maul vom Wurmdämon zu landen, der sie anschließend sofort runter schluckt.

»Liza, nein!«, ruft die alte Priesterin nach ihr. Damit weckt sie wieder das Interesse vom Wurm, der sie prompt angreifen will. Die Frau sieht sich schon Tod, doch es ist der Dämon selbst, der Innehält. Ein lautes Grummeln dringt aus der Mitte seines Körpers. Dann viele immer wieder kehrende Beulen die im Verhältnis zu seiner gewaltigen Körpergröße eher wie Pickel wirken. Das Grummeln wird lauter, bis der Ōmukade selbst in Flammen aufgeht und schließlich ein gewaltiger roter Strahl, ähnlich wie eine Peitsche, aus seinem Körper schießt und ihn an der Stelle teilt. Die Schwarzhaarige, gehüllt in Flammen, springt heraus, triefend von den Körpersäften des Wurms. Und offensichtlich eine viel stärkere Verteidigung als jeder normale Mensch. Sich vor Schmerz auf dem Boden windend und seine quälenden schrillen Töne hinausschreiend, tut es Liza zum ersten Mal richtig leid, jemanden Leid zu zufügen. Traurig erhebt sie ihre Hand. Die Fingernägel leuchten in einem strahlenden Rot auf, während ihre kraftvollen blauen Augen auf den Dämon gerichtet sind. »Ich lasse dich nicht mehr leiden«, flüstert sie, bevor sie ihre Hand schwingt und viele rote Sicheln aus purem Feuer sich im Körper des Wurmdämons festhaken; nur um zu explodieren. Sein Körper sprengt sich auf und zersplittert in viele Fleischbrocken. Elegant landet Liza vor den Überresten ihres Gegners. Ihre Haare verhüllen ihren traurigen Blick, während sie im Stillen die Götter um Segen für diese arme Kreatur bittet.

»Oh Gott, Liza. Ist alles in Ordnung?«, fragt die Priesterin sie sogleich besorgt und nähert sich ihr.

»Ich muss mich waschen«, ist es die einzige Antwort, welche die Jüngere geben kann und verschwindet sofort in den ihr bekannten See. Dieses Verhalten macht Kaede Sorgen. Die junge Frau ist abweisender, als jemals zuvor gewesen.
 

~~~*~~~
 

Bis zum Sonnenuntergang verweilt sie in dem stillen Gewässer und badet darin. Ihre Sachen hat sie zuvor gewaschen, bevor sie baden ging, sodass diese in der Zeit der Sonne trocknen können. In aller Form ihrer Nacktheit schwimmt sie durch den See und versucht dieses furchtbare Bildnis des sterbenden Dämons aus ihrem Kopf zu kriegen. Warum nur macht es ihr so zu schaffen? Nie zuvor hat ihr ein Mensch leidgetan. Auch dann nicht, wenn sie welche in den heißen Flammen ihres Feuers elendig sterben ließ. Vielleicht weil sie wusste, dass diese Menschen es nicht anders verdient hatten. Schließlich waren das Leute der übelsten Sorte.

Mobber.

Vergewaltiger.

Kinderschänder.

Tierquäler.

Und noch einige mehr, die abgrundtief böse waren. Liza ist schon immer sehr konsequent und hart gewesen, doch im Grunde ihres Herzens ist sie weicher, als jede Blume. Mit dem Kopf voran taucht sie wieder auf und bedeckt sich ihr Gesicht mit den Händen. Nicht um das Wasser zu reiben, sondern um ungesehen zu weinen. Zuletzt hat sie bei der Beerdigung ihres Vaters geweint.

»War es dein erster Mord?«, erschrecken sie die sanften, aber auch zögerlichen Worte der alten Frau. Sofort taucht sie wieder tiefer ins Gewässer, um vor den Blicken der alten Frau gesichert zu sein. »Hast du mich erschreckt!«, fährt die junge Frau in sich zusammen, schwimmt sogar noch einmal komplett unter Wasser, um sich das Gesicht von ihren Tränen zu reinigen. Danach taucht sie auf und geht zu ihrer einzigen Freundin, die sie jemals kennen gelernt hat. »Nein. Aus meiner Heimat habe ich schon einige bösartigen Menschen getötet, aber …« Mit Hilfe ihres inneres Feuers kann sie sich innerhalb weniger Sekunden Haare und Körper trocknen. »… dieses kreischen und winden dieser Kreatur hat mir so ein stechen in meiner Brust gegeben. Zum ersten Mal tat es mir leid, dass ich jemanden töten musste.« Mit ihren Händen überprüft sie, ob ihre modernen Sachen trocken sind. Ihre Unterwäsche ja, aber das rote Oberteil und die schwarze Hose noch nicht. Ein weiteres Mal benutzt sie das Feuer und konzentriert es in ihren Händen, die sie über ihre Sachen gleiten lässt. Es macht sie glücklich ihr Element endlich frei nutzen zu können, wenn es auch erst einmal nur für solche Dinge ist.

Nachdem alles getrocknet ist, zieht sie sich an und lauscht den Worten der Priesterin. »Nun, das erste Mal einen Dämon zu töten, macht jedem zu schaffen. Auch ich hatte damals damit zu kämpfen.«

Das Liza lässt über ihre Schultern blicken. »Wirklich? Warum?«, fragt sie.

»Nun ja, ich habe mich immer um Tiere und Menschen gekümmert. Ihnen zu helfen ist genau das, was mir am meisten Freude bereitet hat. Dämonen haben oft animalische Gestalten und einen von ihnen zu töten war so, als hätte ich ein Tier getötet.«

Angezogen nähert sie sich der erfahrenen Priesterin. »Und wie hast du das überwunden?«

»Die Zeit. Ich habe mit der Zeit lernen müssen, dass Dämonen keine Tiere sind, sondern Monster.«

Dieses Wort lässt die Menschenfrau aufzucken. Monster. Auch zu ihr hat man oft genug gesagt, dass sie ein Monster ist, obwohl sie wirklich kein Dämon ist. »Ich bin«, zögert sie zu sprechen, »mir da nicht so sicher.«

»Liza, du …«, will Kaede dagegen kontern, doch sie verschluckt den Rest des Satzes, als sie sieht, wie die Schwarzhaarige urplötzlich in die Ferne starrt. Zunächst wendet sich die Priesterin um und schaut hinter sich, doch sie sieht niemand. »Was ist?«, fragt sie deshalb direkt die Jüngere.

Ihre Augen weit aufgerissen, starrt diese weiter nach vorn. »Ich kann etwas fühlen. Da ist eine«, kurz unterbricht sie sich, um zu überlegen, wie sie es benennen kann, was sie fühlt, »Aura. Sie ist von gewaltiger Stärke.« In der Hoffnung, es könnte sich vielleicht um einen "Lehrer" handeln, will sie sofort losrennen. Kaede hält sie jedoch auf, in dem sie den Ärmel von Liza greift. »Bitte mein Kind. Gehe da nicht hin. Die Dämonen sind viel zu stark für einen Menschen wie dich.«

Liza lächelt die alte Frau freundlich an. »Das mag sein, aber trotz allem sollte man mich auch nicht unterschätzen. Wenn es so sein soll, dann werde ich dort sterben. Ich gehöre momentan nirgendwohin, Priesterin Kaede. Vielleicht zeigt mir dieses Turnier den Ort, wo ich sein will und zu wem ich gehöre.« Mit diesen gut gemeinten Worten verlässt die Schwarzhaarige anschließend die Priesterin.

Noch in weiter Ferne kann Liza die alte Priesterin rufen hören, doch sie kann nicht stehen bleiben und warten. Sie muss dem Ganzen auf die Spur gehen. Die Schwarzhaarige weiß nicht, wohin der Weg sie führt und wie lange sie ihm folgen wird, aber sie würde ihm unbeirrt Folge leisten. Ihre Schritte haben sie zu einer gewaltigen Waldlichtung geführt. Von einem Fluss durchzogen, zeigt sich ihr eine Wiese, inmitten des Waldes. »Bin ich hier noch«, beginnt sie sich selbst zu fragen, »in Musashi?« Noch während sie sich mit ihren Augen umschaut, hört sie eine Stimme. Eine männliche Stimme, die eindeutig am Schimpfen ist.

»Wie konnte er nur? Meister Sesshomaru ist wirklich manchmal grausam. Ich mein, wie soll sich hier - im absoluten Nichts - so plötzlich ein Ableger einfinden? Die Wahrscheinlichkeit liegt doch garantiert bei …« Der kleine Krötendämon, mit einem Holzstab in seinen Händen, unterbricht sich selbst, als er diese junge Menschenfrau vor sich knien sieht, die ihn seltsam mustert. »Hey! Aus dem Weg niederes Menschenweib!«, fordert er sofort schroff.

»Bist du auch ein Dämon?«, fragt sie ihn nur.

Der blanke Schock zeigt sich auf seinem Gesicht. »Ja, natürlich bin ich ein Dämon! Das sieht man doch!«, schreit er sie an.

»Entschuldige bitte, aber ich habe zuvor nur einen Dämon gesehen. Ich habe sie mir nie«, sie beendet ihren Satz frühzeitig, um zu überlegen, was sie sagt, »so klein vorgestellt.«

Diese junge Frau vor ihm ist Jaken ein absolutes Rätsel. Solch ein Verhalten hat er tatsächlich noch nie erlebt. Erst Recht nicht von einem Menschen. Dennoch macht es ihn irgendwie stolz der erste Dämon seiner Klasse zu sein, den dieser niedere Mensch sieht und er bäumt sich auf. »Nun, dann hast du einmal Glück, Menschweib. Mein Name ist Jaken und ich war einst der König der Kappa-Dämonen, doch dann, als ich mich gerade in einem Krieg gegen die …« Der Krötendämon unterbricht sich selbst, als er die Hand der Menschenfrau auf seinem Kopf bemerkt, die ihn streichelt.

Lächelnd sagt Liza ihm: »Ich finde dich irgendwie süß.«

Jaken steht wie versteinert da und blickt sie ganz schockiert an. Süß? Sie findet mich … süß?

»Ist was? Hätte ich das nicht sagen sollen?«, fragt sie nur voller Unschuld.

Plötzlich mischt sich eine weitere Männerstimme ein. »Jaken? Was machst du solange?« Diese Stimme ertönt so voller Kälte und Gleichgültigkeit, dass Liza sich sofort erhebt und erwartungsvoll in die Richtung blickt, aus der sie diese Kälte gehört hat. Ihre blaue Augen weiten sich, als sie dann diesen Mann sieht. Während sein edler weißer Kimono mit dem roten Blumenmuster sie an einen Mann vom hohen Stand erinnert, zeigt ihr seine Rüstung eindeutig, dass er ein Krieger sein muss. Die silbernen Haare schimmern im fahlen Mondlicht richtig kalt. Ein seltsames Kribbeln macht sich im Bauch der Menschenfrau zum ersten Mal breit. Erst Recht, als sie in diese sehr markanten goldenen Augen blickt, die ohne jegliche Gefühlsregung in ihre Richtung schauen. Dieser Mann übt eine unwahrscheinliche Faszination aus, wie sie es nie zuvor erlebt hat.

Diese elegante Haltung, wie die eines Königs.

Dieser herrische Ton in seiner kalten Stimme, wie ein Herrscher.

Selbst seine Aura reicht aus, um sie spüren zu lassen, dass er um ein vielfaches höher im Rang ist, wie sie. Sein Blick zeigt ihr alle Abscheu, die er für sie nur empfinden kann. All das hält die Menschenfrau jedoch nicht davon ab ihn selbst voller Faszination anzuschauen. Die violette Mondsichel auf seiner Stirn erinnert sie an genau jenem Mond, der gerade am Himmelszelt thront. Einzig die Streifen an den Wangen und der prachtvolle Pelz über seiner Schulter geben ihr Rätsel über seine Abstammung auf. Ist er … ein Mensch?



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