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Sengoku-Jidai I [Remake]

Tōunamento
von

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Liza Higurashi

»Brrrr«, dringt der Laut einer jungen Frau von frischen siebzehn Jahren aus dem Mund. Sanft drückt sie ihre blubbernden Lippen gegen den Bauch eines Babys, welches sie auf den Armen hält und verursacht auf diese Weise ein Kitzeln. Babygelächter erklingt vom Säugling, während sie wild mit den Armen und Beinen wedelt. »Also nein Mama. Kagome ist so unfassbar süß! Ich könnte sie glatt auffressen«, spaßt die Teenagerin herum, ehe sie ihre Prozedur noch einmal wiederholt.

Midori, oder auch von allen Mama Higurashi genannt, kommt mit einem sanften Lächeln aus dem Bad des Krankenhauses, wo sie ihre letzten Sachen holt. Mit einem warmen Blick beobachtet sie das Bildnis vor sich, wie ihre älteste Tochter mit ihrer Jüngsten umgeht. Kagome ist gerade mal ein paar Tage alt und wird von ihrer Schwester schon so geliebt. Heute ist der Tag, an dem Mutter und Tochter endlich nach Hause dürfen. »Pass aber auf, dass du sie nicht so sehr verhätschelst, sonst glaubt sie noch, du bist ihre Mutter«, witzelt die frisch gewordene Mutter herum. Natürlich ist ihr bewusst, dass Schwestern – gerade ältere – ihre jüngeren Geschwister gerne verwöhnen und das würde sie auch nicht unterbinden. Nicht nachdem Midori während der gesamten Schwangerschaft Angst gehabt hat, dass Liza ihre Schwester nicht akzeptieren würde, sowie sie ihren Stiefvater nicht an ihrer Seite duldet.

»Ach was. Babys sind schlauer, als wir alle denken. Kagome wird schon verstehen, dass ich nur ihre Halbschwester bin«, gibt sich Liza durch die vielen gelesenen Ratgeber schlauer und grinst das Baby in ihren Armen an, was ihr in der Babysprache etwas vorbrabbelt.

Midori nimmt die Aussage lediglich mit einem Lächeln hin und packt den Rest ein. Es erfreut sie wirklich zu sehen, dass all ihre Ängste und Sorgen unbegründet gewesen sind. »Freust du dich schon aufs Wochenende?«, fragt die Ältere lächelnd.

»Ja, natürlich. Du bist endlich zu Hause«, antwortet die Jugendliche, während sie sich weiter um ihre Schwester kümmert.

»Nein, ich meine, weil wir da deinen Geburtstag von heute nachfeiern. Vormittags werden du und ich uns schön im Spa verwöhnen lassen, ein bisschen shoppen und dann ein schönes Mutter-Tochter-Fotoshooting veranstalten«, erzählt sie den Plan für Samstagvormittag.

»Oh, das klingt echt mega super!«, freut sich der Teenager.

»Danach möchte Haru gerne mit dir Zeit im Freizeitbad oder in einem Klettergarten verbringen, bevor wir dann am Abend grillen.« Der wenig erfreute Blick von Liza lässt Midori zunächst stoppen, aber sie führt dann doch fort. »Ich weiß, du magst ihn nicht sonderlich, aber du weißt er ist nicht übel. Und im Gegensatz zu mir ist er sportlicher.«

»Als ehemaliger Trainer, der zu einem Personal Coach aufgestiegen ist, wäre das sonst sehr blamabel«, lächelt das Geburtstagskind des Tages, während sie ihre Nase an der ihrer Schwester reibt.

»Liza«, seufzt Midori resigniert. »Es wäre auch für mich eine Entlastung. Gerade jetzt nach der Geburt deiner Schwester ist für mich solch ein Tag noch sehr anstrengend und so ein Baby braucht ja auch sehr viel …«

Der Teenager unterbricht einfach seine Mutter. »Ja, ich weiß. Babys brauchen viel Aufmerksamkeit.« Laut ausatmend setzt sich die junge Frau auf einen der Stühle. Das Baby setzt sie behutsam auf den rot karierten Faltenrock ihrer Schuluniform. Entspannt lehnt das Baby an der weißen lockeren Bluse mit der gleich gemusterten Krawatte, wie der Rock. Die schwarze Jacke mit dem Wappen der Schule hängt über den Stuhl auf den sie sich hingesetzt hat. »Aber okay Mama. Ich verspreche, ich werde mich benehmen.« Beruhigend für das Baby wippt sie mit ihren Beinen auf und ab. »Immerhin würde mir es Spaß machen gegen ihn zu klettern oder zu schwimmen.«

Die zweifache Mutter lächelt unweigerlich. »Du willst mir doch nicht sagen, dass du beginnst ihn zu mögen?«

Sofort schießt das Blut in die Wangen der Jugendlichen und sie schaut verlegen zur Seite. »Ach was. Bild dir bloß nichts dabei ein. Für mich ist er immer noch nichts mehr, als ein Sportpartner.«

Über diese offensichtliche Lüge lächelt Midori ein weiteres Mal, ehe sie sich nach dem Zuhause erkundigt. »Und ist zuhause wirklich alles in Ordnung, oder soll ich nicht doch noch was machen, Schätzchen?«, erkundigt sich die zweifache Mutter.

»Nein, Mama«, antwortet ihre Tochter. »Ich habe mich zu Hause um alles gekümmert, während Großvater sich auf die Priesterversammlung vorbereitet hat und sich dein Göttergatte lieber um den neuen Job kümmert, anstatt auch mal was zu tun«, dringt es nun wieder verbittert aus dem Mund der jungen Frau in Schuluniform.

Sorgenvoll schaut Midori ihre älteste Tochter an. »Liza …«

»Er ist mir einfach zuwider. Wie alle Männer. Er glaubt, nur weil er jemanden schöne Augen macht und ein bisschen nett ist, muss man sich ihm als Frau unterwerfen! Ich hasse das! Außerdem wird er niemals meinen Vater ersetzen«, erklärt sie ihrer Mutter ohne Umschweife die Gründe. »Ich mag ihn wirklich nicht. Ich akzeptiere ihn nur an deiner Seite.«

Noch immer erschöpft von den Strapazen der Geburt setzt sich Mama Higurashi nun aufs Krankenhausbett. »Er hat auch nicht vor deinen verstorbenen Vater zu ersetzen, aber gib ihm doch die Möglichkeit sich mit dir anfreunden zu können.«

»Zum Glück kann ich mir meine Freunde selbst aussuchen«, bleibt Liza stolz.

»Freunde, die du nicht hast?«, ist es die junge Mutter, die einen zaghaften Konter wagt.

Daraufhin schweigt die Jüngere und blickt stur ins Nichts. Ja, sie hat keinen einzigen Freund. Doch sie weiß genau, dass sie lieber einsam und allein ist, als sich mit falschen Leuten zu umgeben, die über Themen reden, die sie nicht mal im Ansatz interessieren. »Musst du nicht in die Schule?«, hört sie dann schließlich die Worte ihrer Mutter an ihre Ohren dröhnen und bekommt den Schreck ihres Lebens. »Oh ja, stimmt! Dann bis heute Nachmittag zu Hause, Mama«, kommt es hastig von ihr, ehe sie ihre Schwester vorsichtig in die Obhut ihrer geliebten Mutter gibt – zusammen mit einem Kuss auf die Wange. Anschließend schnappt sie sich Jacke und Tasche und hastet aus dem Krankenhaus, wo ihre Mutter nur noch darauf wartet von ihrem Mann abgeholt zu werden.
 

~~~*~~~
 

Lizas Leben ist komplizierter, als es die meisten denken. Von Geburt an trägt sie die besondere Fähigkeit in sich das Feuer kontrollieren zu können. Diese Fähigkeit hat sie von ihrem Vater bekommen, der sie auch schon in jungen Jahren trainiert hat. Sie ist das, was die meisten Menschen, mit unterschiedlichen Beleidigungen bezeichnen.

Feuerhexe.

Drache.

Feuerdämon.

Höllenkreatur.

Feuerteufel.

Alles hat sie schon gehört, doch verletzen kann sie nur noch das Wort "Monster". Sie hat dem Feuer nie übel genommen, dass es sie auserwählt hat. Auch ihrem Vater, der vor zehn Jahren bei einem Unfall starb, hat sie nie einem Vorwurf daraus gemacht, weil sie durch ihn diese Gabe erhalten hat. Das Feuer ist ein Teil ihres Lebens – in jeder Hinsicht. Geboren im Jahr des Feuerdrachen trägt sie dieses Element mit Stolz in sich. Ihrer Meinung nach sollen die anderen Menschen in ihrer kleinen oberflächlichen Welt leben.

Dann kam aber dieser neue Mann ins Leben ihrer Mutter. Ein augenscheinlich netter Mann, der gut zu ihrer Mutter passt. Trotzdem hat er einfach etwas an sich, was Liza nicht mag. Er ekelt sie an, wie alle Männer. Alle sind gleich. Keiner sondert sich in irgendeiner Weise ab. Was ihre Mutter an dem Mann gefunden hat, den sie schließlich auch geheiratet hat und nun sogar die kleine Kagome bekommen hat, weiß sie bis heute nicht. Haru, ihr Stiefvater, ist kein schlechter Mensch, aber bei ihm sträuben sich ihr sämtliche Nackenhaare auf. Auch wenn Liza es nicht gerne zugibt, aber er hat etwas an sich, was ihn von anderen Männern unterscheidet. Er ist nicht ganz so oberflächlich, wie die meisten anderen. In solchen Momenten, wie diesen, nimmt sie sich immer wieder vor, sich ihm doch anzunähern und ihm eine Chance zu geben. Kommt es dann dazu, ist es ihr stolz, der sie daran hindert.

Nach einigen Minuten kommt sie dann vor dem Eingang ihrer neuen Schule an. Das ist jetzt die dritte Schule innerhalb eines Monats. Sie hat es immer wieder versucht sich nicht gehen zu lassen, doch das Feuer in ihr kommt immer wieder hoch. Es ist, als hätte sie nicht die Kontrolle über ihr Element, wie sie sich es wünscht. Es ist beinahe so, als tue das Element, was es will. Überhaupt ist es in letzter Zeit ziemlich ungehalten in ihr. Liza spürt, wie die Flammen in ihr schneller hochkochen, als sie es sonst getan haben. Sie begreift nur nicht warum. In der ersten Schule ging eine ganze Turnhalle in Brand auf und bei der Zweiten der Chemieraum. Von der dritten und letzten Schule ist sie haushoch rausgeflogen, weil nicht nur einige Räume explodiert sind, sondern auch ein paar Schüler, mit denen sie sich zuvor immer angelegt hat, spurlos verschwanden. Später sind sie Tod und verbrannt aufgefunden worden. Das sie in Verbindung mit dem Feuer gebracht wird, spricht sich rum. Sogar einige Schulen nehmen sie aufgrund dieser Gerüchte nicht mehr auf. Selbst ihre Mutter hat ihr schon vorgeschlagen in Zukunft von einem Privatlehrer unterrichtet zu werden. Schämt sie sich mittlerweile etwa für mich?, fragt sie sich unweigerlich. Von den Feuereskapaden abgesehen ist Liza nie eine junge Frau gewesen, wie es wohl ihre Familie erwartet hat.

Sie prügelt sich.

Gibt Konter.

Lässt sich von nichts und niemanden etwas sagen.

Will immer die Führung haben.

Nie hat sie sich für das normale Hausfrauenleben interessiert oder sich einem Mann unterwerfen wollen. Stattdessen will sie immer über allem stehen – auch über einem Mann. Er muss sich ihr unterordnen. Mal sehen, was der Tag heute so bringt, schießt es ihr letztlich durch den Kopf, während sie das Eingangstor betrachtet. Der erste Tag ist immer furchtbar – zumindest für sie. Angespannt schließt ihre Hand sich enger um den Griff der braunen Schultasche, während sie tief ein- und ausatmet. Konzentriert sammelt sie sich gerade noch, als sie einen Hilferuf hört. Sofort erhebt sie ihren Kopf, blickt nach links und rechts, doch sie sieht niemanden. Also beschließt sie dem Ruf zu folgen und rennt in die Richtung, wo sie es hört. Schon von weitem erkennt sie eine ganze Schülerschar, die etwas zu begaffen scheinen. »Tze!«, zischt es nur sauer aus ihrem Mund. Typisch. Glotzen können sie alle, aber helfen will auch niemand!, raunt sie gedanklich über diese Meute. Die Hilferufe werden lauter. »Nein bitte! Lasst mich in Ruhe!«, dringt es immer deutlicher an ihre Ohren, bis auch sie sich bei der gaffenden Gruppe befindet. Zwischen all den Köpfen sieht sie, wie eine Gruppe einen einzelnen Schüler verprügelt. Ihren Uniformen zur Folge gehören die auch zur Schule.

Ihre blauen Augen verengen sich zu schlitzen, als sie durch die gesamte Schülerschaft laut ruft. »Hey!« Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ist ihr somit sicher. »Habt ihr es so nötig, andere kleiner zu machen, als ihr es selbst seid?«, fragt sie sogar ungeniert.

»Hast du was gesagt, Schneckchen?«, fragt einer der Jungs sie überheblich, der seine Jacke über das weiße Hemd trägt, wie einen Superheldenumhang.

»Ja, ich rate euch den Jungen in Ruhe zu lassen.« Komplett furchtlos drängt sie sich zwischen die Schülerschar, deren Augen respektvoll auf sie gerichtet sind. Ruhig, die Tasche über ihrer Schulter haltend, nähert sie sich der Jungengruppe, bis sie vor ihnen steht.

»Sonst was? Bist du seine Freundin?«, fragt der Typ sie wieder, was die vier anderen jungen Männer seiner Gruppe in ein schallendes Gelächter wirft.

Davon lässt sie sich nicht beeindrucken. Stattdessen antwortet sie selbstsicher. »Sonst werde ich eure missratene Erziehung in die Hand nehmen.« Ihr gebieterisches Lächeln sagt dem vermeintlichen Anführer, dass sie sich nicht, wie die anderen Schüler so einfach unterbuttern lässt.

Überrascht über eine derartige Selbstsicherheit scheinen die Jungs sich zunächst in einer Art Scheinstarre zu befinden. Dies nutzen einige Schüler aus, um sich den verwundeten jungen Mann zu nehmen und ihn zum Krankenflügel zu begleiten. Liza blickt nach wie vor ernst zum Ansprechpartner, der sich ihr nun entschlossen nähert.

Direkt vor ihr spuckt er achtlos auf den Boden. »Du hast Glück, dass ich heute ‘nen guten Tag habe. Also verzieh dich, Süße.«

»Chill mal deine Base, Junge«, kontert sie gewohnt schlagfertig. Beide blicken sich unablässig in die Augen. Keiner gibt in der Entschlossenheit nach. Tatsächlich erkennt Liza jedoch, wie die ersten Zweifel und der erste Funke Angst im Blick des Jungen hoch kommt. Hochmütig bildet sich das Lächeln auf ihren Lippen. Sie liebt es, wenn ihre dominante Art siegt. »Warmduscher«, beleidigt sie ihn noch, ehe sie sich umdreht, um endlich in die Schule zu gehen.

»Hey Boss. Du lässt das rotzfreche Mädel einfach gehen?«, fragt einer seiner Kumpels ihn.

»Die wird später ihr Fett wegkriegen«, antwortet der Anführer nur. Dabei kann er es sich nicht mal erklären, aber der Blick in ihre blauen Augen hat ihm die bloße Angst durch Mark und Bein gehen lassen. Sie hat etwas an sich, das ihn instinktiv spüren lässt, das es eigentlich besser ist, sich nicht mit ihr anzulegen. Dennoch muss er seinen Ruf bei seinen Kumpels aufrecht erhalten. »Nach der Schule.« Das lässt die vier Jungs seiner Gruppe selbstverständlich breit grinsen.

Liza ist froh, dass es dieses Mal ausgereicht hat ihre Aura zu erheben. Das ist einer der vielen Dinge, die ihr Vater ihr früh beigebracht hat. Sie hat oft die Erfahrung gemacht, dass Gegner sich manchmal schon von der Energie einschüchtern lassen. An ihrem ersten Tag will sie nicht unbedingt auffallen. Schon gar nicht negativ. Erst Recht nicht, wo sie die Uniform tatsächlich an sich mag.
 

Der Rest des Tages vergeht schnell. Der Unterricht ist hier auch nicht spannender, als er auf den anderen Schulen, auf denen sie bisher gewesen ist. Die meisten Schüler haben ihr gegenüber die Bewunderung ausgesprochen, dass sie den Mut gehabt hat sich Kayne und seinen Freunden zu stellen. Zumindest kennt sie also den Namen des Unruhestifters. Hier wehrt sich kaum jemand gegen ihn, weil sie ihn alle fürchten. Ihn und seine Clique. Die Schwarzhaarige hat versucht sich zu integrieren. Leider hat sie aber auch schnell merken müssen, dass ihre antrainierte Energie bei vielen für Verwunderung und Angst sorgt, obwohl sie ihnen gegenüber nicht bösartig gesinnt ist. Viele haben sie gefragt, warum sie geholfen hat, obwohl sie den jungen Mann nicht mal kennt. Diese Frage erschüttert sie immer wieder und ruft gleichzeitig all ihre Abneigung über ihre eigene Spezies wach. Weil ich Ungerechtigkeit einfach hasse und Schwächere gerne beschütze, hatte sie geantwortet.

Auf dem Weg nach Hause denkt sie noch einmal über alles nach, was heute passiert ist. Die überraschende Kenntnis einen halbwegs friedlichen Tag gehabt zu haben, erfreut sie. Vielleicht ist sie ruhiger geworden. »Hey, du!«, ruft die inzwischen bekannte Stimme Kaynes sie aus ihren Gedanken. Inmitten einer Wohngegend sieht sie sich ein zweites Mal an diesem Tag mit ihm konfrontiert. »Was ist?«, fragt sie ihn skeptisch mit hochgezogener Augenbraue.

»Das heute war nur Glück. Das nächste Mal habe ich dann nicht so gute Laune. Für gewöhnlich mach ich nämlich keine Ausnahmen bei Mädels«, schießt die vermeintliche Warnung von ihm an ihre Ohren.

Stumm und fast schon emotionslos registriert sie seine Warnung, ehe sie ein weiteres Mal mutig in seine Richtung geht. Eiskalt geht sie an ihm und seinen Jungs vorbei, bis er sie grob an ihrem Handgelenk packt.

»Du könntest uns natürlich auch etwas Geld abdrücken, damit wir dich künftig gar nicht erst belästigen.« Kayne nähert sich mit seinem Gesicht dem ihrigen, bis auf wenige Zentimeter. Noch immer sinkt ihr stolzes, erhobenes Haupt nicht und sie blickt ihm entschlossen in die Augen. »Egal in welcher Hinsicht.«

Ihre blauen Augen beobachten, wie er sich über seine Lippen leckt. Um sie herum stellen sich breit grinsend seine "Freunde". »Schutzgeld, hmm? Sorry, aber ich steh nicht so auf Rudelbumsen«, belächelt sie das primitive Verhalten der jungen Männer und durchschaut damit deren Absichten. »Und schon gar nicht mit Kindern.« Schneller als Kayne selbst schauen kann, tritt sie ihn mit ihrem Knie brutal an seine empfindlichste Stelle. Er sackt augenblicklich in die Knie und hält sich seinen schmerzenden Schritt.

Die Jungs der Clique rennen auf sie zu, was Liza nur dazu verleitet in die Hocke zu gehen. Mit einer gekonnten Drehung tritt sie allen Jungs förmlich die Beine vom Boden weg. Haltlos, wie Bowling-Pins, fallen sie einfach auf den steinernen Boden, was sie selbst erst jetzt dazu bringt ihre braune Schultasche für den Kampf beiseite zu schmeißen.

Zwei der Typen richten sich wieder auf und rennen auf sie zu. Mit einer Umdrehung ihres Körpers schlägt sie ihr Bein nach oben und schleudert ihnen ihr kraftvolles Bein um die Ohren; richtet sich gleichzeitig mithilfe des Schwunges wieder auf. Für einen Moment wirken die Jungs auf sie überrascht und desorientiert, doch als sie sich wieder gesammelt haben, versuchen sie einen neuen Angriffsversuch. Beim Versuch bleibt es. Zunächst stößt sie einem ihren Ellenbogen in den Magen. Danach schlägt sie mit ihrem Handballen gegen den Kiefer des Zweiten. Die Wucht ist so kraftvoll das die Gegner umkippen.

Die anderen beiden kommen nun angerannt. Einer hält ihre Arme hinter den Rücken verschränkt, während der andere von vorn auf sie zugelaufen kommt. Sofort reagiert sie und nutzt den starken Halt des Jungen hinter sich aus. Sie springt hoch und donnert dem kommenden Typen beide Beine in die Magengrube, was ihn nicht nur zusammen sacken lässt, sondern auch gegen die steinerne Wand der Siedlung feuert. Danach tritt sie auf den Fuß von demjenigen, der ihre Arme auf dem Rücken hält. Unweigerlich lässt er sie los und humpelt schmerzhaft. Liza geht etwas in die Knie, dreht leicht ihren Oberkörper nach hinten, nur um ihm dann einen rücksichtlosen Schlag mit ihrem Ellenbogen in die Seite zu geben. Jammernd hält er sich seine schmerzende Stelle.

Nun bleibt nur noch der vermeintliche Anführer. »Deine Gang ist wohl nicht in Schwung«, belächelt Liza den von angsterfüllten Typen vor sich. »Ich hab mich noch nicht mal richtig aufgewärmt.« Gerade noch überheblich gesprochen, sehen ihre aufmerksamen blauen Augen, wie alle vier Typen zu ihr gerannt kommen. Langsam hat sie wirklich die Schnauze voll ihre Zeit mit diesen Angebern zu verschwenden. Jetzt heißt es schnell sein! Sie greift sich den jungen Mann, der ihr momentan am nahsten ist und greift sich seinen Arm. Ein weiterer Tritt an seine Füße verhilft ihr dabei, ihn aus seiner festen Bodenfassung zu holen. So kann sie ihn mit Leichtigkeit über sich zu einem weiteren Kerl werfen. Beide knallen gegen eine der steinernen Wände und bleiben dort liegen. Als einer der anderen beiden Kerle sie am Kragen ihrer Bluse packt, schlägt sie auf dessen Armbeuge, was ihn sie wieder ungewollt loslässt. Brutal schlägt sie in seine Weichteile, nur um ihn später als Schutzschild gegen den letzten Angreifer zu benutzen. Der Bewusstlose bekommt für sie den Schlag in den Rücken ab. Nun schmeißt sie ihn einfach wie Dreck von sich. Kompromisslos schubst sie den jungen Mann brutal gegen das Gestein der Umzäunung ehe sie in schneller Reihenfolge ihre Hände immer wieder auf seinen Oberkörper schlagen lässt, bis er bewusstlos zu Boden sinkt. Gnade ist das letzte, was sie solchen Jungs gewährt.

»Ich lass mich doch von dir nicht fertig machen, Püppchen«, vernimmt sie endlich die letzten, provozierenden Worte des Anführers. Damit rennt der Rebell auf sie zu, sowie sie auf ihn. Als er mit seinen Armen zum Schlag ausholt, greift sie sich diese und zieht sich daran, wie beim Reck hoch, bis ihre Schenkel auf seinen Schultern liegen. Mit ihren Unterschenkeln klammert sie sich unter seine Achseln, während sie sich vornüber beugt und ihn so mit sich zieht. Ihre Arme richtet sie nach vorn, um sich beim Fall, wie bei einem Rad, abfangen zu können. Erst da lässt sie ihn los und schmeißt ihn förmlich von sich, bis zur steinernen Umzäunung eines Hauses, wo er dagegen knallt, während sie sich nur belanglos wieder aufrichtet. Danach geht sie zu Kayne, zieht grob an seinen Haaren, sodass er sie mit seinem geschockten Gesicht ansehen muss. »Wenn du jemanden anderen jemals wieder ein Leid zufügst oder mir auflauert, dann werde ich dich und deine Jungs das nächste Mal einfach vor die Gleise schmeißen. Kapiert!?«, droht sie ihm leise.

Sein wildes Nicken und der angsterfüllte Blick sagen ihr alles. Also lässt sie ihn los und bewegt sich zu ihrer Tasche. Andächtig klopft sie den Dreck des Bodens von der Schultasche ab, ehe sie noch ein letztes Mal das Wort an Kayne richtet. »Fühle dich geehrt. Näher als es dein Gesicht vorhin bei meinem Schoß war, wird es sonst auch kein Mann jemals erleben«, zieht sie ihn mit der offensichtlichen Erkenntnis auf, dass sein vermeintlicher Vergewaltigungsversuch in die Hose gegangen ist. Ja, sie hasst Männer. Entweder versuchen sie eine Frau ständig zu unterwerfen oder sie zwingen ihr den Willen auf. Wie so oft wird ihr beim Gehen bewusst, dass sie nie heiraten will.
 

Die Stufen ihres heimischen Tempels erscheinen ihr an diesem Nachmittag so endlos lang, wie nie zuvor, bis sie vor dem gewaltigen Baum des Vorhofes steht. Seine Wurzeln fest verankert unter der alles umfassenden Erde. Liza kniet sich zu Boden, wo sie die Erde andächtig streichelt. Sie liebt die Erde und alles, was sie schenkt. Ihre Schönheit ist sondergleichen.

Ein Hund bellt sie von der Seite an. Ihr Kopf gleitet nach links, wo sie ihn gehört hat. Er hat keine Hundemarke und wirkt auch sonst sehr verwahrlost. »Ein Streuner?«, fragt sie sich selbst und versucht sich dem Hund anzunähern, doch der knurrt sie nur bedrohlich an. Das bringt ihr ein Lächeln auf die Lippen. »Erd-Hund, hmm?« fragt sie sich laut. Hunde, geboren im Jahr der Erde sind misstrauischer als ihre Artgenossen. Also geht sie noch behutsamer vor und streckt vorsichtig und sehr langsam ihre Hand aus. »Ich tu dir nichts, kleiner Shiba. Versprochen.« Zärtlich lächelt sie ihn an und wartet geduldig, bis er von selbst auf sie zukommt. Zunächst noch vorsichtig schnüffelt er lange ihre Hand, bevor er sie friedvoll ableckt. »Ich hab was für dich, mein Kleiner«, spricht sie ihn dann lieb an und holt aus ihrer Tasche den Rest ihres Essens. Liza öffnet die Bento-Box und stellt sie dem Hund hin. Hungrig wie das arme Tier ist, stürzt es sich sofort darauf. Aufmerksam, aber ruhig und mit einem sanften Lächeln beobachtet sie ihn, während sie vor ihm knien bleibt.

»Liza!«, hört sie schließlich eine ihr bekannte Männerstimme.

Sofort schreckt der Hund hoch und rennt davon. »Nein! Kleiner bleib hier«, ruft sie ihm nach, doch da ist er schon weg. »Hättest du nicht ein wenig vorsichtiger sein können, Haru?«, fragt Liza schließlich genervt, packt sich die Box und steht wieder auf.

Haru, der jetzige Mann ihrer Mutter, nähert sich ihr. »Streunende Hunde können Krankheiten übertragen.« Seine Stimme klingt nicht eingebildet, sauer oder gar belehrend. Es ist ein freundlicher Hinweis vom jungen Vater gewesen.

Genervt rollt die Schwarzhaarige mit den Augen und will sich auf den Weg zum Haus machen.

»Warte«, hält Haru sie auf.

»Was denn jetzt noch?«, fragt sie nur genervt.

»Dein Großvater hat mich gebeten dir das zu geben, bevor er zur Priesterversammlung aufgebrochen ist. Er fand es im alten Schuppen, als er ihn aufgeräumt hat.« Verwirrt schaut sie auf das alte, völlig verstaubte Buch und das nicht mal einen besonderen Einband hat. »Okay«, spricht sie daher wie in Trance und nimmt sich das Buch. Es ist eins der wenige Male, wo sie ihn nicht mit Abscheu, sondern mit Zurückhaltung anschaut. Fast so, wie ein kleines Kind, das schüchtern eine Frage stellen will. »Das ist … nett von dir.« Danach geht sie und Haru kann endlich etwas lächeln. Vielleicht können sie sich doch noch annähern. Das gibt ihm Hoffnung, während er an ihrer Seite ins Haus geht. »Wie geht es Mama und Kagome?«, richtet sie dann wirklich als erste das Wort an ihn.

»Beide haben geschlafen, als ich gegangen bin, um Besorgungen fürs Essen zu machen.« Wie zum Beweis hält er ihr die Tüte mit Zutaten hin. »Willst du heute mal für uns kochen?«, fragt er sie neckisch.

Liza beschließt es dieses Mal nicht ganz so ernst angehen zu lassen und kontert locker dagegen. »Du weißt, ich kann nicht kochen, Haru.«

»Dann kochen wir zusammen.«

Plötzlich hält die Menschenfrau in ihren Schritten inne. »Hör mal, ich muss noch Hausaufgaben machen und einiges im Haushalt erledigen. Ich habe dafür keine Zeit«, dringt es nun doch ernster aus ihrem Mund als ihr lieb ist.

»Ach ja? Was zum Beispiel?«, fragt er sie herausfordernd, aber immer noch neckisch.

Das nimmt die Schwarzhaarige an. Es gibt keine Herausforderung, die sie nicht annehmen würde. Ihr Stolz gebietet es ihr. »Die Wäsche muss zum Beispiel gewaschen und gebügelt werden. Das Bad muss geputzt werden und wenn du mit Kochen fertig bist, kümmere ich mich um die Küche. Ich will Mama so viel abnehmen, wie ich es kann.«

»Das ist ja auch wirklich lieb von dir, aber glaubst du nicht, dass ich auch etwas davon tun kann?«, zeigt er sich weiter nett und einsichtig.

»Warum denn jetzt so plötzlich?«, fragt sie dieses Mal aggressiver, als zuvor. »Die ganzen Tage, als Mama weg war, war es dir lieber dich in deinem neuen Job bei deinem neuen Chef einzuschleimen, anstatt mir zu helfen. Und jetzt, wo Mama wieder da ist, willst du mir von Nutzen sein?«

»Du bist wirklich noch ein Kind. Du verstehst nicht, wie es ist, wenn man da draußen ist. Du hast wieder einmal die Schule gewechselt, weil du dich geprügelt hast. Glaubst du, das geht im Berufsleben so einfach? Ich habe diesen Job angenommen, um unserer Familie einen besseren finanziellen Halt geben zu können«, legt er einen offenen Konflikt mit ihr an.

»Geld ist aber nicht alles Haru!«, kommt schneller als erwartet ihr Temperament in ihr hoch.

»Mag sein, aber Manieren sind auch stets gefragt. Was war das neulich zum Beispiel. Der Schuldirekter hat hier angerufen und gefragt, ob es Sitte ist bei uns ist Probleme mit Schlägereien zu lösen. Dein Handeln wirft ein schlechtes Licht auf uns alle!«

»Sollte ich etwa zusehen, wie ein Kind von Oberschülern gehänselt wird?«, verteidigt sie wutentbrannt ihr Verhalten. Ihre eigene Aussage lässt sie ihren Kopf senken, ehe sie traurig weiter spricht. »Ich will einfach nicht das jemand leiden muss – egal in welcher Form.« Sie ballt eine Hand zur Faust. »Ich will nur die Schwächeren beschützen.«

Dieses Zerbrechliche an seiner Adoptivtochter ist Haru bisher nie so unter gekommen. Nie hat sie so vor ihm gestanden und ehrlich mit ihm gesprochen – jedenfalls nicht auf diese Art und Weise. Es fällt ihm immer wieder auf, dass sie viele Eigenschaften ihres Sternenzeichens in sich trägt. Sie ist wahrlich eine Frau geboren im Jahr des Feuer-Drachen.

Impulsiv.

Dominant.

Spontan.

Vor allem sehr rechthaberisch. Trotzdem besitzt sie auch sehr viele gute Eigenschaften, die ihn mehr an einen Hund, als an einen Drachen erinnern.

Beschützerisch.

Treu.

Aber auch Sanftmütig denjenigen gegenüber, die ihr etwas bedeuten.

Liza erschreckt sich, als sie plötzlich den sanften Griff von ihm, um ihr Handgelenk spürt. »Was soll das!? Lass mich los!«, fordert sie zugleich energisch.

»Deinen Mut in allen Ehren Liza. Aber versuche es bitte das nächste Mal friedlich zu lösen«, spricht er beruhigend und vor allem sanft zu ihr.

Liza gefällt das alles nicht. Was will dieser Mann nur? Er ist ihr wirklich nicht geheuer. Haru ist nicht wie die anderen Männer, die draußen in der Welt umherwandeln. Viele hätten sie schon längst abgeschrieben, doch er tut es einfach nicht. Er kämpft um sie und ihre Sympathie. Skeptisch schaut sie ihn an. »Ach ja? Und du meinst, ich werde deine Worte berücksichtigen, wenn es ein nächstes Mal geben sollte?«, fragt sie ihn frech.

»Es ist ein gut gemeinter Ratschlag.«

Die Antwort kommt für sie unerwartet, was deutlich auf ihrem Gesicht als Schock zu erkennen ist. Sie erholt sich davon aber wieder schnell. »Dennoch bin ich nicht gezwungen deinen Ratschlag anzunehmen.« Es verblüfft sie selbst, wie sie sich selbst dabei ertappt, dass sie offensichtlichen Spaß daran hat mit ihm rumzualbern und ihn zu necken – zumindest was sie als Foppen versteht.

Voller Selbstsicherheit in der Stimme und die feste Entschlossenheit in ihren blauen Augen erkennend, weiß Haru schon längst nicht mehr, was er mit diesem Mädchen machen soll. Er ist nett zu ihr gewesen, aber auch streng. Nichts half sich ihr in irgendeiner Weise anzunähern. »Lass mich jetzt bitte los«, spricht sie ihn zunächst noch ruhig an.

»Versteh mich doch Liza. Ich will nur das wir …«, hält er jedoch dagegen.

»Lass mich los, verdammt!«, unterbricht sie ihn dieses Mal energisch, wohlwissend, was sich in ihr anbahnt.

Auf einmal spürt er eine abnorme Hitze in seiner Hand mit der er Lizas Handgelenk hält. Der Schmerz wird dabei so unerträglich, dass er sich sofort von ihr löst. Ein Schmerzenslaut dringt aus seinem Mund, während er sich seine leicht verbrannte Hand anschaut. »Was hast du …?«, will er sie fragen, doch er erkennt bereits im entsetzten Gesicht der Jugendlichen, dass sie selbst das gar nicht gewollt hat. »Wie hast du …?«, will er erneut seine Frage versuchen zu stellen, wird aber darin unterbrochen, als Liza einfach wegrennt. Für Haru ist seine Stieftochter immer noch ein Rätsel. Er weiß einfach nicht, wie er an sie heran kommen soll und ob er das auch jemals schaffen wird, wird ihm wohl für immer unklar sein.
 

Kaum in ihrem Zimmer angekommen, muss Liza sich erst einmal wieder beruhigen. Schon wieder ist da dieses Gefühl der aufkeimenden Hitze gewesen. Das Feuer in ihrem Innern das ihr manchmal das Gefühl gibt, als wäre in ihrem Körper Lava, statt Blut. Hektisch atmet sie ein und aus, während sie panisch an ihrer geschlossenen Zimmertür lehnt. Sie hält ihr Handgelenkt vor sich und betrachtet es sich eingehend. »Was soll das? Warum? Ich hatte es doch unter Verschluss gehalten«, fragt sie sich selbst verzweifelt. Mit jedem Tag mehr wird das Feuer in ihrem Innern von selbst aktiv. Ob es daran liegt, weil sie es lange nicht mehr eingesetzt hat? Wann soll sie es auch tun? All diese Kräfte in ihr drängen von Tag zu Tag mehr danach befreit zu werden, doch sie kann nicht. Sie muss ihr Element unter Verschluss halten, auch wenn sich all das Feuer weiter in ihrem Körper anstaut und unkontrolliert herausdrängen will, wie vorhin. »Es tut mir leid«, dringt es reuevoll von ihr, während sie auf das Handgelenk blickt.

Nachdem sich Liza dann endlich beruhigt hat, geht sie zum Tisch in ihrem Zimmer, legt dort das Buch hin, in dem sie gleich lesen möchte. Sie setzt sich auch auf ihren Stuhl hin und nimmt es sich. Die junge Frau schlägt das Buch auf und liest voller Interesse den Text.

»Rangspiele von Meishu Higurashi.« Augenblicklich stoppt sie. Das ist der Name ihres Vaters. Schrieb er etwa dieses Buch? Ein Lächeln bildet sich um ihre Lippen, als ihr der Gedanke durch den Kopf schießt, dass das wie ein Geburtstagsgeschenk von ihrem Vater ist. Bevor sie weiter in die Tiefen der Gedankengänge versinkt, beschließt sie einfach weiter zu lesen.

»Rangspiele gehörten schon immer zu den festen Ritualen all jener, welche unsere bekannte Welt formten – die großen Grundelemente höchst selbst.

Wasser.

Wind.

Erde.

Feuer.

Die Rangspiele dienen dazu, die Welt immer wieder zu formen, altes Leben auszulöschen und neues zu erschaffen, wenn es sein muss. Da dies nicht allein in den Händen der Elemente obliegt, beschließen sie dies über Ableger zu Händeln.«

Verwirrt blickt sie zunächst vom Buch ab, bevor sie beschließt weiter zu lesen. »Als Ableger werden jene bezeichnet, die es schaffen sich in den Rängen der Elemente hochzuarbeiten. Lebewesen mit besonderen Fähigkeiten ein ausgewähltes Element zu kontrollieren.« Dieses Wort "Lebewesen" verwirrt Liza. Warum hat er nicht einfach "Menschen" geschrieben? Schließlich gibt es nur Menschen. Es gab nie etwas anderes. Schulterzuckend liest sie einfach den Text weiter. »Es gibt insgesamt sechs Ränge. Anwärter, König, Splinter, Legende und Drache. Der sechste und höchste Rang ist dabei das Element selbst. So wären die Ränge beim Feuer demnach: Feueranwärter, Feuerkönig, Fire Splinter, Feuerdrache, Feuerlegende und das Feuer selbst.«

Wehmütig denkt Liza bei diesen Worten an ihren Vater, der sie einst trainiert hat. Sie erinnert sich noch ganz genau daran, wie er mit ihr und ihrer Mutter früher in den Wald fuhr, um sie dort in der Kunst des Feuers zu unterrichten. Ja, Liza ist im Besitz des Feuers und beherrscht es. Er hatte ihr auch bereits von all diesen Rängen und ihren Besonderheiten erzählt.

Der prägnanteste und auffälligste aller Ränge ist dabei der Splinter. Er ist der einzige Rang, der nicht nur anderssprachig benannt wird. Ein Elementssplitter zu werden bedeutet, dem Element das zu herzugeben, was man am meisten liebt, um sich dessen absolute Treue zu garantieren und seine eigene Stärke und Fähigkeiten mit dem Element zu verbessern. Ab hier kann man als Ableger erst so richtig mit seinem Element loslegen. Alles davor ist nur wie eine Art Kostprobe.

Als Feuerkönigin hat sie vieles ihrem Vater zu verdanken. Hätte er sie nicht trainiert und ihr den Umgang mit dem Feuer beigebracht, wäre sie wahrscheinlich auch heute noch eine normale Feueranwärterin. Ihre Gedanken kreisen sich darum, ob es noch andere Menschen, wie sie gibt. Menschen, welche die Elemente beherrschen und genauso allein sind. Seufzend blickt sie vom Buch auf und schaut aus ihrem Fenster. Der blutrote Sonnenuntergang gibt ihr ein Gefühl der Entspannung und inneren Ruhe. Trotz allem gibt es eine Frage für sie, auf die Liza bis heute keine Antwort hat. Woher wusste ihr Vater überhaupt von ihren Feuerkräften? Ein ruhiges Klopfen an ihrer Tür lenkt ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Komm rein, Mama.« Dabei ahnt die Siebzehnjährige schon, warum ihre Mutter zu ihr will und auf dieses Thema hat sie echt keine Lust.

Die Dame des Hauses sieht, wie Liza das Buch ohne weiteres beiseite packt, damit sich die Frauen unterhalten können. Mama Higurashi setzt sich auf das Bett ihrer Tochter, das genau gegenüber dem Tisch ist, an dem ihre Tochter sitzt. »Liza«, beginnt die junge Mutter, wird jedoch schnell von ihrer Tochter unterbrochen.

»Woher wusste Papa von meinen Kräften?«, fragt die Schwarzhaarige ihre Mutter aus heiteren Himmel.

Überrascht von dieser Frage sieht Midori auf die Hände ihrer ältesten Tochter, in denen sich nach und nach ruhige Flammen, wie bei einer Kerze bilden. Freundlich deutet sie mit ihrer rechten Hand, dass sich die Jüngere neben sie auf das Bett hinsetzen soll. Ohne weiter zu zögern setzt sich Liza neben ihre Mutter und wird sofort sanft von ihr in die Arme genommen.

»Dein Vater wusste es so genau, weil er selbst ein Magier war.« Die Antwort erscheint so einfach und simpel, dass Liza nie darauf gekommen wäre, was deutlich in ihrem überraschten Gesicht zu lesen ist. »All seine Vorfahren waren es. Du bist jedoch der erste weibliche Nachkomme der über diese Fähigkeit verfügt. Bisher hat es aber niemand höher geschafft, als bis in den Rang des Splitters. Ein Feuersplitter zu werden bedeutet, etwas dir sehr wichtiges aufzugeben« Voller Einfühlvermögen und Sänfte in der Stimme erklärt es die Dame des Hauses.

»Und wer hat es geschafft ein Splitterstück des Feuers zu werden?«, fragt Liza ihrerseits nun neugierig und blickt zu ihrer Mutter auf.

Mit einem traurigen Blick antwortet sie. »Dein Vater selbst.« Erneut blickt die Jüngere schockiert drein. »Dein Vater hat es geschafft ein Feuersplitter zu werden und ist dabei gestorben. Für seinen Wunsch im Rang aufzusteigen, um uns eines Tages retten zu können, hat er sein Leben hergegeben. Er wird immer über uns wachen. Dein Feuer wird immer ein Teil von ihm sein. Solange du an ihn denkst und an ihn glaubst, wird er immer bei dir sein.« Mama Higurashi deutet mit einem Finger auf die Brust ihrer Tochter, wo sich das Herz befindet. »Genau dort.«

Die deutlich Jüngere denkt intensiv darüber nach. In all den Jahren hat ihr ihre Mutter immer erzählt, es ist ein Unfall gewesen, der ihren Vater getötet hat. Sie schiebt es darauf, weil Liza noch zu klein gewesen ist, um das bis heute zu verstehen und sie es jetzt erst erfährt, weil sie alt genug dafür ist. Eine Weile schweigen sich die beiden Frauen an, bis es Liza ist, die wieder das Wort ergreift. »Weißt du was Papa immer gesagt hat, was Higurashi bedeutet?« Wortlos, aber lächelnd schüttelt die Mutter ihren Kopf. »Papa sagte immer es steht für die zirpenden Zikaden am Abend. Er hat immer fest daran geglaubt, dass ich wieder das Zeitalter des Feuers mit einem lauten Knall anbrechen lassen würde.«

Verträumt lächelt die Ältere. »Das wirst du auch ganz bestimmt. Das Leben hat einen Weg für dich vorgesehen Liza. Du musst nur fest genug daran glauben.« Nach einem sanften Kuss auf die Stirn ihrer Tochter erhebt sich die junge Mutter und geht in Richtung Tür. »Ich weiß, du hängst sehr an deinem Vater, mein Schatz. Aber versuche trotzdem auch Haru gegenüber netter zu sein. Er ist auf deiner Seite und er mag dich, sowie er unsere Kagome lieb hat.« Trotzig geht Lizas Kopf zum Fenster. Nach kurzem Zögern geht dann auch die Ältere und lässt die Siebzehnjährige mit ihren Gedanken allein zurück. Traurig blickt Liza danach zu Boden. »Und trotzdem«, flüstert sie nach einer Weile zu sich selbst, »bin ich allein.«
 

~~~*~~~
 

Nachdem Abendbrot und den häuslichen Pflichten beschließt Liza noch etwas duschen zu gehen. Bei einem heißen Bad kann sie ihre Gedanken am besten sortieren und alles ordnen, wie sie es möchte - mal von der Körperhygiene abgesehen. Von draußen hört sie die typischen Geräusche, wie ihr Stiefvater mit seiner Tochter, ihrer Halbschwester, herum albert die daraufhin herzlich lacht. Ein trauriges, aber zugleich gütiges Lächeln stiehlt sich dabei auf Lizas Lippen. Ihr fehlt ihr eigener Vater. Auch er hat immer mit ihr gespielt und mit ihr rumgealbert, als er noch gelebt hat. Er war ein strenger, aber gerechter Vater. Nur zu gerne erinnert sie sich daran, wie er abends noch bei ihr gesessen hat und ihr geduldig die Geschichten über das Feuer vorgelesen hat. Wie er ihr Märchen erzählte und sie manchmal sogar mit ihrer Mutter nachspielte. Ein verträumtes Lächeln kommt auf ihre Lippen, als sie sich daran erinnert, doch den erlösenden Kuss aus den Märchen schenkte er immer ihr - seinem kleinen Feuerdrachen. Gleichzeitig weiß die Menschenfrau auch noch, wie streng er als Lehrer war. Ging es ans Training für ihre Feuerkräfte zeigte er selten erbarmen. Wenn sie am Boden lag, half er ihr nicht aufzustehen, aber er ermutigte sie und baute sie jedes Mal wieder auf. Wenn sie Fehler machte, zeigte er sie ihr, korrigierte sie und verlangte, dass sie es gleich noch mal versuchte. Wenn sie nicht mehr konnte, zeigte er ihr, wie gnadenlos Gegner das ausnutzen können.

Vielleicht soll sie Haru doch eine Chance geben. Immerhin war er ja bisher nie schlecht zu ihr und irgendwann wird es schließlich auch Zeit für sie mal über ihren Schatten zu springen. Sie kann ja auch nicht ewig böse auf ihn sein, nur weil ihr Vater für sie und ihre Mutter gestorben ist. Ein Feuersplitter zu werden bedeutet, etwas dir sehr wichtiges aufzugeben. Die Worte ihrer Mutter schießen ihr durch den Kopf. Vielleicht würde es ja auch schon reichen, wenn sie ihren eigenen Stolz über den Haufen wirft. Die Schwarzhaarige steigt aus der Wanne, trocknet sich ab und zieht sich an. Erst ihre Unterwäsche und anschließend ihre schwarze Sporthose, die sich wie eine zweite Haut, eng an ihre Schenkel schmiegt. Zum Schluss zieht sie sich ihr rotes, lockeres Oberteil mit den Fledermausärmeln an. Im Spiegel betrachtet sie sich mit ihren meeresblauen Augen den Goldrand am oberen Rand des schulterfreien Shirts. Sie mag diese Farbe und streichelt andächtig darüber.

Noch einmal tief ein- und ausatmend geht sie dann aus dem Bad. Zumindest würde sie es versuchen das Gespräch mit diesem Mann zu suchen. Gerade so liebevoll und herzlich wie er mit ihrer Schwester umgeht. In diesem Vorhaben wird sie schneller gehindert, als sie vor der Schlafzimmertür ihrer Mutter steht, die sich in ihrem Innern mit ihrem Stiefvater unterhält. Gerade als Liza anklopfen will, um auf sich aufmerksam zu machen, hört sie seine Stimme, die zur Dame des Hauses spricht.

»Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Liza verweigert sich mir einfach immer noch.«

»Du wirst sehen. Wenn sie sich an dich gewöhnt hat, dann wird sie dich auch akzeptieren«, hört sie liebevoll ihre Mutter sprechen und damit Partei für sie ergreifen.

»Es sind jetzt schon fünf Jahre Liebling. Fünf Jahre, die wir uns kennen und sie mich auch. Wie lange soll ich noch warten? Midori, ich«, scheint Haru dann doch etwas hilflos zu beginnen, »ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber«, er unterbricht sich selbst, als würde er zögern, »als ich sie vor fünf Jahren kennen gelernt habe, dachte ich, sie sei ein Monster.«

Das hat Liza einen kompletten Schock in die Magengrube gegeben. Sie und ein Monster? Warum? Wie kann er nur so von ihr denken?

»Aber Liebling. Das ist doch völlig übertrieben. Wie kannst du nur so von ihr denken?«, spricht ihre Mutter genau das aus, was Liza gern wüsste.

»Ich bitte dich. Allein die Art, wie sie einen ansieht. Als könnte sie mich mit ihren Blicken durchbohren. Ihre ganze Art, als wäre sie etwas Besseres als ich. Selbst als Kind hat sie nicht auf mich hören wollen, weil ich ihr nicht autoritär genug bin. Und es ist nicht nur damals so gewesen, sondern auch noch heute so. Ich fürchte mich vor ihr. Liza hat etwas an sich, das mir den Schrecken in die Glieder fahren lässt. Ihr bezeichnet es beide als ihre antrainierte "Aura", aber … Es ist … Ich meine …«, hadert er offensichtlich weiter zu sprechen, bis er sich doch durchringen kann. »Welche junge Frau kann im tiefsten Winter die gleichen Klamotten tragen, wie im Sommer? Oder welcher Teenager ist schon in der Lage seinen Körper so heiß werden zu lassen, das man sich die Hand verbrennt?« Auch wenn Liza selbst es nicht sehen kann, aber er zeigt seiner Frau seine leicht verbrannte Hand, um die ein Verband gelegt ist. »Oder wer kann seine Hände spontan entflammen lassen? Keiner! Oder was ich neulich sah und selbst du bis heute versuchst mir auszureden. Du weißt schon. Als sie die Fackeln des Tempels ausmachen sollte. Ich bin mir sicher, dass ich gesehen habe, wie sie ihre Hand in die Fackel gesteckt hat und das Feuer von dort einfach auf ihrer Handfläche getragen hat, als wäre es ein Dekorationsgegenstand. Das sind Kräfte des Teufels.«

Lizas Kopf geht immer weiter nach unten, so dass ihr Pony ihre Augen verdeckt hält. Ihre Hände zu Fäusten geformt, entwickeln sich nach und nach immer deutlicher die Flammen um ihre Hände. Erst Monster, jetzt Teufel? Und ich wollte dir eine ehrliche Chance geben, schießt es ihr durch den Kopf.

»Vielleicht hast du ja Recht«, kann sie zum ersten Mal hören, wie ihre Mutter auf der Seite des Mannes ist. »Ich denke, es wird Zeit für sie sich langsam mehr wie eine junge Frau zu verhalten. Ich meine, sie muss doch nicht kämpfen. Ich habe ohnehin nie begriffen, warum ihr Vater ihr all das beigebracht hat. Wir befinden uns schließlich in einer so harmonischen und friedvollen Zeit.« Die Schwarzhaarige kann nicht glauben, was sie zu hören kriegt. Nicht nur, dass ihre Mutter plötzlich die Methoden ihres geliebten Vaters in Frage stellt, sondern auch allgemein an seinen Vorhaben zweifelt. Die Schwarzhaarige steht treu hinter ihrem Vater und glaubt fest daran das alles, was er getan hat, einen Sinn ergibt und nicht ohne Grund geschehen ist. Wut steigt in ihr auf, als sie glaubt, dass ihre Mutter nun völlig unter der Fuchtel Harus steht. Das schlimmste daran wird auch noch, als sie vernimmt, wie ihre eigene Mutter anfängt zu weinen.

»Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Diese Brandanschuldigungen in den letzten Jahren rauben mir noch den Verstand. Diese Prügeleien, diese ständigen Schulwechsel, selbst das sie dich nicht akzeptieren kann …« Liza sieht es zwar nicht, aber ihre Mutter wird von Haru tröstend in den Arm genommen. »Nachdem ich ihren Vater kennen gelernt habe, wusste ich, dass es nicht einfach mit ihr wird, doch er hatte sie immer unter Kontrolle. Sie liebt ihn heute noch, wie früher. Als ihr Vater starb habe ich von Jahr zu Jahr immer mehr das Gefühl bekommen, dass sie sich mir entfremdet. Sie ist einfach viel zu sehr eine Kriegerin geworden, als wirklich eine junge Frau.« Midori weiß, dass das normal ist. Immerhin ist ihre Tochter ein Teenager. »Und jetzt wo ich unsere Kagome habe, habe ich Angst, dass sie vielleicht genauso wird. Ich will einfach nicht, das sich keine meiner Töchter von mir entfremdet. Ich liebe sie doch schließlich beide«, schluchzt sie in den Armen des Mannes.

»Ich denke, wir sollten Liza auf eins von diesen Internaten schicken. Dann gewinnen wir alle Abstand zu einander und können uns neu formieren«, schlägt der junge Vater sogar vor.

Die Zähne aufeinander pressend, geht sie einfach von der Tür weg auf ihr Zimmer. Wie kann sie nur so dumm sein und glauben, jemand wie er würde verstehen wollen, wer oder was sie ist. Das aber auch ihre Mutter nicht mehr hinter ihr zu stehen scheint und beide sie loswerden wollen, versetzt ihr einen so tiefen Stich ins Herz, dass es sich anfühlt, als wäre sie aufgespießt worden. Sie ist eben doch ganz allein. Egal wie sie es dreht und wendet. Liza gehört einfach nicht hierher - in keinster Weise. Noch immer den Kopf gesenkt, setzt sie sich niedergeschlagen auf ihr Bett. »Ich habe wohl doch keine andere Wahl«, haucht sie wehmütig. »Wenn ich schon gehen soll, dann wenigstens dorthin, wo ich hin will.« Damit hat sie sich einen Entschluss gefasst und wird es noch heute Nacht in die Tat umsetzen.
 

~~~*~~~
 

Bei tiefster Dunkelheit, weit nach Mitternacht, schleicht sich Liza in das Schlafzimmer ihrer Mutter, die Seite an Seite mit Haru liegt. Auf deren Nachttisch stellt sie ganz vorsichtig einen Brief hin. Noch immer in ihren Sachen, trägt sie zusätzlich einen gelben Rucksack auf den Schultern mit etwas Wäsche, Pflegeutensilien, Proviant und Geld. Vorsichtig kniet sie sich vor ihre schlafende Mutter und betrachtet sich eingehend ihr Gesicht, bevor sie ihr einen Kuss auf die Stirn gibt. »Es tut mir leid, Mama«, flüstert sie. »Ich wollte immer so sein wie du, aber ich kann es nicht. Ich muss meinen eigenen Weg finden. Ich liebe dich, Mama.« Nach den leisen Worten erhebt sich die Schwarzhaarige und geht in Richtung Kinderwiege von wo sie leise Laute vernimmt. »Wirst du langsam wach, Kagome?«, flüstert sie dem Baby zu, das verschlafen ihre ältere Halbschwester anschaut. Vorsichtig nimmt sich Liza ihre jüngere Halbschwester auf ihre Arme und schenkt ihr einen gütigen und vor allem sanften Blick mit ihren blauen Augen. »Versprich mir, dass du Mama keine Sorgen bereiten wirst, ja?« Müde reibt sich die jüngere Halbschwester ihre Augen. »Ab jetzt musst du der ganze Stolz der Higurashis werden, Kagome. Lass dich nicht unterkriegen - egal von wem oder was. Auch wenn wir uns vielleicht nie wieder treffen oder sehen werden, aber denk daran, ich hab dich lieb, kleine Schwester. Das Feuer wird dich beschützen, wenn ich es nicht kann. Daran glaube ich ganz fest.« Noch bevor Liza das Ende ihrer Worte erreicht hat, wenngleich es so leise wie möglich ist, um die Eltern nicht zu wecken, ist Kagome schon eingeschlafen. Dennoch mit einem sanften Lächeln gibt Liza auch der jüngeren Schwester einen Kuss auf die Wange, bevor sie das Baby wieder vorsichtig in die Wiege legt. Mit einem letzten traurigen Blick auf ihre Mutter verschließt die Schwarzhaarige leise die Tür der frischen Eltern und geht schleichend durch das Haus.

Dabei kommt sie auch am Zimmer ihres Großvaters vorbei. Liza tut es leid, ihn nicht auch noch einmal gesehen zu haben, doch aufgrund dieser Priesterversammlung ist er nicht im Haus. So hinterlässt auch sie ihm einen Brief. Noch weiß sie nicht genau wann und wo sie überhaupt anfangen soll, aber die Schwarzhaarige hofft, dass sie willkommen sein wird, wenn sie wieder da ist. Nach einem Rundumblick im Zimmer ihres Großvaters hat sie hier nichts weiter verloren.

Vor dem Haus blickt sie noch einmal zurück. Wie lange würde sie dieses Anwesen wohl nicht mehr sehen? Noch einmal überlegt sie, wo und wie sie überhaupt anfangen soll, während ihre blauen Augen den Schrein ihrer Familie sehen. Der einzige Ort, vom dem sie weiß, dass sie dort ungestört trainieren kann, ist genau jenes Fleckchen Erde zu dem ihr Vater früher immer mit ihr hingefahren ist. Dort würde sie auch hinreisen.

Eigentlich hat sie nie zu den Göttern gebetet, aber heute am ersten Tag ihres neuen Lebens, will sie zumindest ein Zeichen von sich geben lassen. Also beschließt sie in die Zeremonienhalle zu gehen. Nachdem sie ihren gelben Rucksack dafür am Eingang absetzt, wirft die Siebzehnjährige fünf Yen in den Holzkasten hinein, läutet einmal die Glocke und klatscht zum Schluss zweimal in ihre Hände. Liza bittet um nicht sehr viel, nur dafür, dass ihre Familie Schutz, Halt und Geborgenheit haben wird. Selbstverständlich hofft sie auch, dass sie schon sehr bald den Weg erkennen wird, der ihr gegeben worden ist. Mehr wünscht sie sich nicht. Noch während sie ihr Gebet gedanklich spricht, dringt auf einmal ein starkes Leuchten aus dem Holzkasten. »W-Was …!«, beginnt sie, wird jedoch noch im gleichen Atemzug Zeuge davon, wie eine gewaltige Schere, wie von einem Krebs, aus dem leuchtenden Kasten heraus kommt und sich Liza ohne weiteres schnappt. Ohne ein weiteres Lebenzeichen wird die Feuerkönigin einfach in den Gabenkasten hineingezogen, dessen unheilvolles Licht so plötzlich verschwunden ist, wie es gekommen ist.



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