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Mord-Semester

Magister Magicae 3
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Trigger-Warnung: Mord, Fluch Komplett anzeigen

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Rotkappe

Victor fand die Rotkappe bewusstlos in der Wiese liegend. Sie atmete, also lebte sie noch. Der Stein, den Iwan ihr angeblich über die Birne gehauen haben wollte, lag gleich daneben. Die Rotkappe hatte nichtmal eine Platzwunde am Kopf. Zähes Biest, dachte Victor und ging neben ihr in die Hocke. Er hatte heute keine vorgefertigten Bannzettel bei sich. Er wollte live entscheiden, wie mit einer Rotkappe am besten zu verfahren war, wenn er eine vor sich hatte. Iwan hatte gesagt, sie wären gegen die meisten Elemente immun, also fielen Bann-Marken auf dieser Basis schonmal aus. Kurzentschlossen entschied er sich für den stärksten Runen-Bann, den er kannte. Bann-Magie auf der Grundlage von Schriftzeichen war nie verkehrt. Je mehr Zeichen er mit einband, desto stärker wurde die Bann-Marke. Aber natürlich war das nicht unbegrenzt möglich, denn nicht jede Rune passte zu dem Bann, den man beabsichtigte und manche widersprachen sich auch, oder glichen sich gegenseitig aus.

Victor ging in Gedanken das ganze alte Futhark durch, denn diese Zeichen waren mächtiger als das neue Futhark. Fehu stand für Besitz, das war die unumgänglichste Rune von allen, wenn man jemanden versklaven wollte. Thurisaz stand für Macht und Schutzschild. Das war die Meisterrune, die stand für den, der den Sklaven unter Kontrolle halten wollte, für die ausgeübte Macht und den Schutz davor, daß der Untergebene sich gegen seinen Herrn wandte. Ansuz war sicher auch von Nutzen. Die stand für Worte und Kommunikation und würde folglich für Gehorsam sorgen. Wunjo bedeutete Freude und Verlässlichkeit. Auch nicht schlecht, wenn der Träger der Bann-Marke einem treu Gefolgschaft leisten sollte. Hagalaz war Verderben, Gefahr und Neubeginn. Damit wurde unterbunden, daß das Opfer sich in sein altes Leben zurücksehnte. Nauthiz, die für Zwang und Schicksal stand, erfüllte den gleichen Zweck. Eiwaz symbolisierte Magie. Damit konnte man unerlaubte Anwendung von Magie, die dem Willen des Meisters widersprach, nachhaltig versiegeln. Tiwaz stand für Recht und Gesetze. Die ultimative Rune für Gehorsamszwänge. Ehwaz, die Zusammenarbeit. Die Erklärung des Nutzens im Sklaverei-Gebrauch erübrigte sich von selbst. Othala stand ebenfalls für Besitz. Und ganz wichtig, Gebo, der Austausch. Diese Rune war unumgänglich, wenn man verhindern wollte, daß sich der Betreffende unerlaubt zwischen seiner menschlichen und seiner Fabelwesen-Form hin und her verwandelte. Victor zählte im Kopf zusammen. 11 Runen, die ins Bild passten. Das sollte genügen, um auch eine Rotkappe in den Griff zu kriegen. Er versuchte vor seinem geistigen Auge den Runen-Zirkel zu visualisieren. Standen sich irgendwelche dieser Zeichen im Kreis gegenüber, so daß sie sich gegenseitig aufhoben? Er glaubte nicht. Das würde ein ziemlich aufwändiges Ding werden. Er sollte sich besser beeilen, bevor die Rotkappe wieder zu sich kam. Er zückte einen Kugelschreiber und zeichnete direkt auf die Haut des Wesens. Das würde auch gehen. Einen Notizblock zum Vorzeichnen, um es dann mit Magie auf den Körper zu übertragen, hatte er gerade nicht zur Hand.

Als die Rotkappe nach einer Weile wieder zu sich kam und zu toben begann, musste Iwan ihm helfen, sie festzuhalten, bis er die Bann-Marke vollendet hatte. Aber dann war Ruhe. Das gnomenhafte Ding stellte seine Gegenwehr endlich ein. Victor zog sie in eine sitzende Haltung hoch und zu sich herum, und packte sie links und rechts an den dürren Oberärmchen, als wolle er sie schütteln. „Hey, look at me!“, verlangte er auf Englisch.

Die Rotkappe hob langsam den verklärten Blick. Sie war gar nicht richtig wach.

„Do you understand me?“

Die Rotkappe nickte wie in Zeitlupe.

„Do you understand russian language?“

Nun schüttelte sie leicht den Kopf.

Mist. Naja, nicht zu ändern. Nicht sein Problem. „Tell me your name!“

„Rose Guilderoy ...“, nuschelte sie leise.

„Good. Rose, transform into your human ... äh, Iwan, was heißt 'Aussehen' auf Englisch?“

„look“, warf Iwan von der Seite ein.

„Danke. ... transform into your human look now!“

Die Rotkappe kam der Aufforderung nach und nahm ihre menschliche Erscheinung an. Eine eher schlichte, braunhaarige Frau im mittleren Alter, die nichts Besonderes an sich hatte. Ihr Blick blieb weiterhin wie hypnotisiert.

„Schön, die Bann-Marke scheint soweit zu funktionieren“, stellte Victor zufrieden fest und erhob sich wieder vom Boden. Trotzdem würde er das noch eine Weile im Auge behalten. Er hatte durchaus auch schon Genii gefangen, die nur so getan hatten, als wären sie erfolgreich unter Kontrolle, um dann bei geeigneter Gelegenheit die Flucht zu ergreifen. Einer hatte es sogar geschafft, einen wirksamen Bann wieder abzuschütteln. Er war da im Laufe der Zeit vorsichtig geworden. Und Rotkappen waren echte Entfesselungskünstler, was das anging.

Iwan musterte die Frau skeptisch. Sie war splitterfasernackt. Als Rotkappe hatte sie natürlich keine Kleidung getragen und jetzt nach ihrer Rückverwandlung hatte sie auch keine. Als er sie fragte, ob sie hier irgendwo Sachen zum Anziehen hinterlegt hätte, nickte sie wie in Trance und zeigte auf die Kirchenruine.

„Na schön. Lass sie uns holen“, legte Victor fest, mehr an Iwan als an die Rotkappen-Frau gewandt, weshalb er sich auch nicht die Mühe machte, Englisch zu sprechen, und schob sie einfach vor sich her.
 

Solange sie in den Gemäuern des St. Dunstan-in-the-East unterwegs waren, damit Rose Guilderoy sich etwas zum Anziehen holen konnte, hatten sie keinerlei Schwierigkeiten. Auf Probleme stießen sie erst, als sie die Ruine wieder verlassen wollten. Victor ging forschen Schrittes auf den Ausgang zu, doch kurz bevor er ihn erreichte, wuchs ein blau durchscheinendes Kraftfeld um ihn herum aus dem Boden. Es versperrte die Tür, versiegelte die Wände des Kirchenschiffs inclusive Boden und bildete sogar ein Dach über ihnen, so daß auch Flugkünste einem nichts mehr nützten. Die Kirche war binnen Sekunden zu einem riesigen Käfig aus Bannkreis-Barrieren geworden. Victor stöhnte leise. „dermo. [Scheiße] Das fehlt mir jetzt gerade noch.“

„Wir sind gefangen!“, berichtete Iwan überflüssigerweise.

„Wäre mir nicht aufgefallen.“ Der Vize-Boss legte eine Hand auf die Bann-Mauer und versuchte deren Ursprung zu finden.

„Das ist ein Bannkreis, oder? Wer hat den hier her gebaut?“

„Mich interessiert eher, was ihn ausgelöst hat“, murmelte Victor abgelenkt. Wenn er entschlüsseln konnte, worauf dieser Bannkreis beruhte oder worauf er reagierte, konnte er ihn vielleicht auch wieder brechen und sich befreien. Er ließ suchend den Blick schweifen. Da es hier drin trotz der Taschenlampe, die Iwan mitgebracht hatte, nicht gerade hell war, konnte man nur schwer etwas erkennen. Aber als einer, der selbst Bann-Magier war, fiel es ihm leicht, entsprechende Energien wahrzunehmen. Er deutete auf ein steinernes Symbol, das als Relief an die Wand gemauert war. Das war eine Quelle der Bann-Magie. Aber so wie dieser Kraftfeld-Käfig konstruiert war, musste es irgendwo noch einen Gegenpol dazu geben. Wenn der Entwickler clever war, dann lag dieser Gegenpol außerhalb des Käfigs, damit man nicht an ihn heran kam, um ihn abzustellen. Victor hatte den Eindruck, daß das Ganze auf topographischer Magie beruhte. Es hatte schon immer 'heilige Orte' gegeben, an denen ganz besondere Mächte am Werk waren, und immer talentierte Menschen, die es verstanden hatten, sich diese magischen Orte zu Nutze zu machen. „Meine Fresse“, staunte Victor. „Das ist uralte Magie. Sowas findet man heute gar nicht mehr.“

„Naja, das ist ja auch ein uraltes Gewölbe. Und ein religiöses noch dazu. Das hier war mal eine Kirche. Wundert´s dich da?“

Victor nagte unschlüssig auf seiner Unterlippe herum, während er nachdachte. Hätte Iwan ihm das nicht eher sagen können? Aber wohlmöglich hatte der Idiot das selber nicht gewusst. Er bedauerte gerade, an der Universität nicht mehr Seminare für Bann-Magie besucht zu haben. Die hätten ihm hier sicher weitergeholfen.

„Was machen wir jetzt, Boss?“, wollte der Rotkappenjäger wissen, als ob er keinen eigenen Kopf zum Denken hätte oder Victor unterstellte, daß der nicht längst an einer Lösung tüfftelte.

„Rose!“, wandte sich Victor an die Rotkappen-Frau. „You lived here. Do you know, what that is? ... Rose?“ Er schaute sich suchend um, als keine Antwort kam. Die Frau ging gerade türmen. Sie hatte bereits das halbe Kirchenschiff durchquert. Fluchend rannte Victor ihr nach. Er packte sie an dem Pullover, den sie inzwischen trug, und rang sie grob zu Boden. Sie begann schreiend um sich zu schlagen und sich zu wehren.

Iwan kam hinzu und half ihm, sie festzuhalten. Dafür brauchte er beide Hände und klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne.

„Idiot! Kannst du nicht aufpassen?“, fluchte Victor gereizt. „Wozu hab ich dich denn, wenn du nichtmal mitkriegst, wie sie abhaut!?“

„Tut mir leid, Boss“, nuschelte er mit dem Metall im Mund.

„Und hör auf, mich mit deiner scheiß Lampe zu blenden!“

Iwan richtete die Taschenlampe auf ihre Gefangene.

Der Gestaltwandler wendete die Rotkappen-Frau auf den Bauch, zog ihr den Pullover ins Genick und besserte die Bann-Marke auf ihrem Rücken nach, die sich langsam aufzulösen begann. Unglaublich, diese Rotkappe hatte es geschafft, so einen Bann wieder abzuschütteln? Gut, dann mussten stärkere Kaliber her. Er sortierte ein paar der Runen so um, daß sie sich gegenseitig anders beeinflussten.

Nachdem das erledigt war und Rose wieder den gebrochenen, teilnahmslosen Blick hatte, den alle Sklaven hatten, zerrte Victor sie an den Haaren zum Ausgang, wo er sie auch selber im Blick behalten konnte. Seine Geduld mit dieser ganzen Situation hier ging echt zu Ende. „Pass auf sie auf!“, pflaumte er Iwan an. Sauer legte er wieder eine Hand auf die blau durchscheinenden Kraftfelder, die sie hier drin gefangen hielten, atmete tief durch, schloss die Augen und konzentrierte sich.

Da diese Kirchenruine von einer Magie geschützt wurde, mit der er vorher noch nie zu tun gehabt hatte, dauerte es eine ganze Weile, bis er sie ausreichend analysiert hatte. Aber irgendwann fand er endlich die Verbindung zu Rose Guilderoy. „Also wenn ich das richtig sehe, reagieren die Schutz-Zauber hier auf die Runen, die ich für die Bann-Marke verwendet habe. Die Runen sind heidnischen Ursprungs. Und die Christen hatten nicht viel mit den Heiden am Hut. Ich schätze, diese Kraftfelder sollten die Kirche vor Heiden schützen.“

„Indem es sie in der Kirche einsperrt?“, wollte Iwan skeptisch wissen.

„Ich würde schätzen, daß diese Magie aus Zeiten der Inquisition stammt. So haben sie ihre Opfer gleich ganz bequem gefangen.“ Victor schüttelte den Kopf. Irrsinnig, auf was für Ideen die Menschen kamen.

„Heißt das, wir müssen die Rotkappe wieder laufen lassen? Die Bann-Marke auf ihrem Rücken aufheben und so?“

„Ich lasse meine Rotkappe nicht wieder laufen“, entschied der Vize vehement. „Ich finde einen anderen Weg. Und vermutlich würde es auch nichts bringen. Der Schutz-Zauber ist so angelegt, daß er bestehen bleibt, wenn er einmal aktiviert wurde. Er wird nicht wieder zusammenbrechen, nur weil wir die Runen wieder entfernen. Aber zum Glück ist der Bann recht simpel. Im Mittelalter waren die mit ihrer Magie noch nicht so weit, auch wenn das hier für damalige Verhältnisse ganz schön monumental ist. Ich sollte also schnell und problemlos einen passenden Gegen-Bann entwickeln können.“

„Schön. Lass dir Zeit. Uns drängt ja nichts“, meinte Iwan zynisch.

„Halt die Klappe, wenn du nichts Nützliches beisteuern kannst“, maulte er. „Halt die Taschenlampe auf das Symbol da oben an der Wand! ... Und pass auf, daß die Rotkappe nicht wieder abhaut.“ Victor machte sich schlecht gelaunt an die Arbeit.
 

Am nächsten Vormittag stand Victor hundemüde vor Rupperts Haustür und klingelte. Er hatte fast 2,5 Stunden gebraucht, um den blöden Bann im St. Dunstan-in-the-East lahm zu legen und sich zu befreien, was wohl zum Teil auch seiner Unerfahrenheit geschuldet war. Danach war er endfertig gewesen. Trotzdem hatte Iwan ihn nachts im Hotel noch zweimal geweckt, weil Rose Guilderoy wieder am Verduften war. Dieses Biest war echt schwer unter Kontrolle zu halten. Aber dafür war sie eben eine Rotkappe. Die waren nicht leicht im Zaum zu halten. Victor freute sich schon darauf, sie endlich nach Moskau zu schaffen, ihrem neuen Besitzer zu übergeben und dann los zu sein. Dann war das nicht mehr sein Problem.

Aber vorher musste er Ruppert noch die geliehene Pistole zurückbringen.

Auf das Klingeln hin öffnete Ruppert Edelig selbst die Tür und bat ihn herein. Wie immer war sein Genius Intimus weit und breit nirgends zu sehen. Langsam fragte sich Victor, ob Ruppert überhaupt einen hatte.

„Du siehst müde aus. Hattest du ne lange Nacht?“, brachte Ruppert seine Beobachtung ganz unverblümt auf den Punkt.

„Ich hasse Rotkappen. Ich hasse das St. Dunstan-in-the-East. Ich hasse London“, warf der Vize ihm wehleidig an den Kopf.

Ruppert lachte leise, nahm die Pistole und zog sofort das Magazin heraus, um den Füllstand zu prüfen. „Da fehlt eine.“

„Ja“, gab Victor bedauernd zu.

„Muss ich mit Ärger rechnen?“

„Ich hab einen Zeugen erschossen. Aber das Opfer ist vom Angesicht der Erde verschwunden. Das wird keiner mehr finden, weder tot noch lebendig. ... Also, nein, kein Ärger zu erwarten.“

Ruppert schob das Magazin wieder in den Schacht. „slawa bogu“ [Gott sei Dank], meinte er dabei.

Victor kicherte vergnügt auf. Er hatte ein hohes, leicht quietschiges Kichern, das ihn unglaublich jung klingen ließ. Wie ein fröhliches Kind.

„War daran irgendwas falsch?“, wollte Ruppert verunsichert wissen. Er war von dem Vize noch nie zuvor für seine Russisch-Kenntnisse ausgelacht worden.

„Nein, nein, alles gut. Ich liebe nur deinen Akzent. Das klingt so niedlich, wenn du das sagst.“

„Ist meine Aussprache so albern?“, hakte Ruppert nach.

„Das W ist im Russischen kein Verschlusslaut. Das wird mehr wie ein gepresstes U ausgesprochen. So als ob dir gerade das Mittagessen wieder hochkommt. Sag doch mal 'uuuodga'!“

„Vodka!“, versuchte der Finanz-Chef es ihm nachzusprechen, wegen seiner Verunsicherung noch schwerfälliger als sonst, und brachte ihn damit abermals zu einem erheiterten Glucksen. „Könnten wir dann jetzt mal zum Thema zurückkommen?“, maulte Ruppert beleidigt. „Ich werde die Knarre trotzdem vernichten. Nur zur Sicherheit. Wenn es keine Tatwaffe gibt, kann sie auch keiner finden.“

„Wie vernichtest du sie?“

„Die ist aus Metall. Sie wird eingeschmolzen und gut.“

„Guter Plan“, fand der Vize-Boss anerkennend.

„Du fliegst jetzt nach Russland zurück?“

„Ja. Iwan wartet mit der Rotkappe im Hotel. Ich muss nur noch ein Foto von ihr machen, für den Reisepass, dann nehme ich mit ihr den nächsten Flieger, den ich kriege. Das ist ne ziemlich clevere Sache. Laut Reisepass heißt die Rotkappe jetzt Dominique. Das ist ein geschlechtsneutraler Name. Der Pass funktioniert also immer, egal ob ich eine männliche oder weibliche Rotkappe gefangen hätte. Artjom denkt mit.“

Ruppert nickte verstehend. „Ich finde es trotzdem mies von Vladislav, dir so gefährliche Aufträge aufs Auge zu drücken. Alles nur wegen ein bisschen Geld. Er ist echt ein skrupelloses Arschloch. ... Naja, wie dem auch sei. Komm gut nach Hause. Und komm mich bald mal wieder besuchen, towarisch.“

„Werde ich“, lächelte Victor. „Oder du mich. Moskau ist auch schön.“

„Ich fliege nicht gern.“
 

Noch am selben Abend zurück in Moskau landete Victor als schwarzer Vogel in einem Baum vor Gontscharows Haus. Er fand, er hatte sich nach diesem miesen Auftrag in London jetzt eine Selbstbelohnung verdient. Und verdammt, er hatte einen armen, kleinen Jungen erschossen, wegen dieser ganzen Grütze. Irgendwer sollte dafür bezahlen, daß Victor überhaupt in so eine Lebenslage gekommen war.

Die Adresse hatte er schon vor langer Zeit in Erfahrung gebracht und die Umgebung schon lange gründlichst erkundet. Er duldete nicht, daß hier irgendwas schief ging. Im Baum sitzend nahm er wieder seine menschliche Form an, denn damit hatte er bessere Augen als in der Vogelgestalt. Draußen war es dunkel und er konnte wundervoll durch eines der Fenster in Gontscharows hell erleuchtete Wohnung hinein schauen. Der Dickwanst von Geheimdienst-Chef stand gerade im Bad und hatte die Tür offen gelassen. Victor hatte freie Sicht. Hämisch grinsend machte er sich ans Werk und sprach seinen vorbereiteten Fluch aus. Dieser Fluch zog die Blutgefäße zu und beeinträchtigte damit die Durchblutung. Victor hatte lange und hingebungsvoll an diesem Zauber getüfftelt. Er war seine eigene Kreation. Schon diese Tatsache, daß ihn keiner kannte, weil es so einen Fluch vorher noch nie gegeben hatte, sprach dafür, daß ihn auch keiner entlarven würde. Die Komponenten waren so fein aufeinander und auf das Opfer abgestimmt, daß alles, aber auch wirklich alles, auf schlichtes, organisches Versagen hindeutete. Und die eingesetzte Magie war derart subtil, so schwach und vor allem kurzlebig, daß sie nicht nachzuweisen sein würde, wenn man nicht schon vorher ganz genau wusste, worauf man zu achten hatte. Victor brauchte eine Weile, bis er alles heruntergebetet hatte. Der Fluch war sehr komplex und entsprechend lang. Gontscharow störte das nicht. Der hantierte fröhlich weiter im Bad herum.

„Dieser Fluch wurde eigens für dich erdacht und angefertigt. Und ich schwöre, ich werde ihn auch nie wieder bei irgendeinem anderen anwenden, außer bei dir. Fühl dich geehrt und genieß ihn, du Dreckschwein“, zischelte Victor böse, nachdem er endlich geendet hatte, und sah mit Genugtuung zu, wie Gontscharow nach einer Weile plötzlich nach Luft schnappend in die Knie brach.



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