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Seelenschatten

von

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Opfer und Marionette

Gerade als Aerith den Kampf gegen sich selbst gewonnen und sich dazu entschlossen hatte, den Anderen von der zweiten Möglichkeit, Sephiroth aufzuhalten, zu erzählen, ertönte hinter ihr eine etwas zaghafte Stimme: „Ich könnte helfen.“

Aus den Augenwinkeln sah die Cetra, dass der Rest der Gruppe ebenso heftig zusammenzuckte wie sie selbst – dabei war ihnen der Stimmenbesitzer wohlbekannt. Doch da Cait Sith seit seiner Enttarnung nicht mehr von sich aus das Wort ergriffen hatte, war die Truppe nun mehr als überrascht, etwas von der Katzenpuppe zu hören.

Cloud verschränkte die Arme und sah Cait Sith eindringlich an: „Und wie willst du das machen?“ Die Marionette blickte auf den Boden und Aerith hätte schwören können, dass in ihren Glasaugen ein trauriger Ausdruck gestanden hatte. Physikalisch war dies natürlich unmöglich, doch alles an der Puppe wirkte durch die Art und Weise wie sie sprach plötzlich resigniert und melancholisch.

„Denk doch mal nach“, hob Cait Sith nach einem kurzen Moment an, Clouds Frage zu beantworten, „ich bin nichts anderes als eine Puppe. Mein richtiger Körper befindet sich wohlbehalten in Midgar. Es macht mir also nichts aus, wenn diese Marionette vom Tempel zerquetscht wird. Geht ihr alle ruhig nach draußen, wo es sicher ist, und lasst mich meine Schuld euch gegenüber gutmachen, indem ich für euch das Rätsel der schwarzen Materia löse.“

Entsetzen und Fassungslosigkeit machte sich in Aerith breit, während sie ihrem plüschigen Begleiter lauschte, und sie stieß entschlossen aus: „Nein! Das lasse ich nicht zu!“ Trotz seines Verrats hatte sie Cait Sith im Verlauf der Reise lieb gewonnen und glaubte fest an sein gutes Herz. Dass er sich für die Gruppe opfern und sie für immer verlassen sollte, war für sie vollkommen undenkbar.

Doch die Katzenpuppe hielt ebenso entschlossen dagegen: „Ich möchte es aber tun. Bitte, lasst mir diese Chance, euch meine Aufrichtigkeit zu beweisen.“ Als er Aeriths erschütterte und zutiefst betroffene Miene sah, fügte er jedoch mit warmer Stimme noch hinzu: „Ich weiß, dass ich dir nichts beweisen muss und du auch so immer an mich geglaubt hast. Dafür bin ich dir auch unendlich dankbar, meine liebe Aerith, aber ich möchte euch dieses eine Mal eine Hilfe sein. Vertrau mir, mir wird nichts geschehen. Diese alte Puppe hier“, er klopfte sich selbst mit der Faust gegen die Brust, „habe ich schneller ersetzt als du dir vorstellen kannst und dann bin ich wieder bei dir.“

Aerith nickte dumpf, obwohl sie noch immer nicht überzeugt war, und wandte ihre Aufmerksamkeit Cloud zu, der grübelnd mit den Kiefern mahlte und Cait Sith mit einem erschreckend leeren Blick fixierte. Als er endlich sein Urteil fällte, hielt die junge Cetra vor Spannung den Atem an.

„Also gut“, begann der der Anführer mit unbewegter Stimme, „wenn es dein Wunsch ist, überlassen wir die Rätsel dir. Ich persönlich traue dir noch immer nicht über den Weg, aber Aerith glaubt an dich und sie hat intuitive Fähigkeiten, die ich nicht mal ansatzweise verstehe. Deswegen richte ich mich in diesem Fall nach ihrer Beurteilung.“
 

Nachdem das weitere Vorgehen nun beschlossen worden war, machte sich die Gruppe bereit, den Tempel wieder zu verlassen. Mit Tränen der Rührung in den Augen bemerkte Aerith, dass Red und Tifa offenbar ebenfalls Schwierigkeiten damit hatten, Cait Sith zurückzulassen. Der rote Tiger stupste die Katzenpuppe sachte mit der Schnauze an und machte ein zerknirschtes, trauriges Gesicht, bevor er langsam, ja direkt widerwillig aus dem Raum trottete. Tifa ihrerseits umarmte die Marionette lange und schniefte leise, als sie sich schließlich wieder aufrichtete.

Der Abschied der männlichen Gruppenmitglieder hingegen fiel ungleich kälter aus. Cid knuffte Cait Sith mit der Faust leicht gegen die Schulter, Barrett reichte der Puppe kurz die Hand und Vincent bedachte sie mit einem intensiven Blick, bevor er ihr als Zeichen der Anerkennung zunickte. Nur Cloud schien gar nicht Lebewohl sagen zu wollen und stellte sich stattdessen wie unbeteiligt neben Tifa, die an der Tür auf Aerith wartete.

Diese umarmte Cait Sith ebenfalls und flüsterte: „Du wirst mir fehlen.“ „Ich bin doch bald wieder da, glaub mir“, versicherte dieser. Doch die Cetra insistierte: „Ich weiß. Ich werde dich trotzdem vermissen – auch wenn’s nur für kurze Zeit ist.“

Durch Aeriths offen gezeigten Gefühle in Verlegenheit gebracht versuchte die Katzenpuppe die Stimmung ein wenig aufzulockern, indem sie anbot: „Hey, wie wär’s, wenn ich dir ein letztes Mal die Zukunft voraussage?“ Die junge Frau nickte sogleich begeistert und der Schalk blitzte in ihren Augen auf, als sie mit einem verschmitzten Seitenblick auf Tifa antwortete: „Au ja! Sag mir, wie die Sterne für Cloud und mich stehen!“ Der unterkühlte Exsoldat blinzelte bei diesen Worten irritiert, während seine Freundin tief einatmete und sichtlich Mühe hatte, sich nicht provozieren zu lassen.

Cait Sith betätigte unterdessen seine ulkig aussehende Maschine und zog einen langen, beschriebenen Papierstreifen aus ihrem Maul. Gespannt beugte Aerith sich vor und versuchte, der Katzenpuppe über die Schulter zu schauen. Doch diese zerknüllte das Papier geradezu panisch und wirkte auf einmal fahrig und nervös.

Als Cait Sith sich wieder zu der jungen Frau hinter ihm umdrehte, bemühte er sich merklich um einen heiter klingenden Ton und verkündete: „Ganz wunderbar! Es sieht aus als wärt ihr das perfekte Traumpaar. Ihr werdet lange, glückliche Jahre miteinander verbringen!“

Tifa rauschte bei diesen Worten wütend aus dem Raum, doch Aerith spürte deutlich, dass Cait Sith log. Was auch immer in Wahrheit auf dem Zettel gestanden haben mochte, es hatte die Katzenpuppe geschockt und verängstigt. Dennoch klatschte die Cetra begeistert in die Hände und warf Cloud einen koketten Blick zu, den dieser jedoch gar nicht beachtete.

Dann hauchte Aerith der Marionette einen Kuss auf die Nase und beeilte sich, mit Cloud schrittzuhalten, der eilig Tifa hinterher hastete.
 

Den ganzen Weg nach draußen bemühte Cloud sich, seine aufgebrachte Freundin zu beruhigen, doch sie ließ ihn jedes Mal wieder auflaufen, indem sie verkündete, sie interessiere sich nicht für irgendwelche Weissagungen, da das alles ehr nur ein billiger Taschenspielertrick sei, bei dem der Kunde nur das zu hören bekomme, was er hören wolle.

Doch trotz all ihrer Beteuerungen wirkte Tifa auch dann noch verärgert, als die Gruppe auf einem kleinen Hügel in der Nähe des Tempels Stellung bezog. Cloud, der sichtlich genervt und frustriert war, gab Cait Sith per Mobiltelefon das vereinbarte Zeichen und nur kurze Zeit später begann die Erde erneut zu beben und der Tempel zog sich immer mehr in sich zusammen.

Aerith, die an den armen Cait Sith im Inneren denken musste, biss sich auf die Unterlippe und wandte sich ab. Das laute Knirschen und Knacken zu hören war schlimm genug, sie musste nicht auch noch sehen wie das riesige Gebäude sich zu einer etwa faustgroßen, schwarzen Kugel komprimierte und dabei die Katzenpuppe in seinem Keller langsam aber sicher zerquetschte.

„Du kannst wieder hinsehen. Er hat es geschafft.“ Es war Vincents ruhige, wohlklingende Stimme, die sich in Aeriths Bewusstsein stahl, obwohl die junge Frau sich die Hände auf die Ohren gepresst hatte, um möglichst wenig von den schauerlichen Geräuschen des zusammenschrumpfenden Tempels zu hören. Als die aufgelöste Cetra in das leichenblasse Gesicht des sonderbaren Mannes blickte, huschte ein kleines Lächeln über seine Lippen und sie nickte ihm dankbar zu. Obwohl Vincent oftmals so wirkte als empfände er selbst absolut gar nichts, schien er dennoch Verständnis für die Emotionen anderer zu haben.

Sich langsam um die eigene Achse drehend wandte Aerith sich wieder um und staunte nicht schlecht. Dort, wo noch vor wenigen Minuten der Tempel des alten Volks gestanden hatte, klaffte nun ein riesiges, perfekt viereckiges Loch im Boden. Der Rest der Gruppe hatte sich bereits an dessen Rand versammelt und blickte in die Tiefe.

Als Aerith zu ihnen aufschloss, begann Cloud gerade seinen Abstieg zum Grund des Kraters. Mit einem stechenden Schmerz im Herzen betrachtete die junge Frau die kleine, matt schimmernde Kugel, die in der Mitte des Lochs lag und Cait Sith in sich erdrückt hatte. Obwohl Aertih wusste, dass Reeve Tuesti, der ja in Wirklichkeit hinter der Katzenpuppe steckte, wohlauf war, fühlte sich das Wissen über das Innere der Materia seltsam an.

Cloud hielt mit langen Schritten auf das wertvolle Relikt zu und reckte dann die Faust mit der aufgehobenen Kugel triumphierend in die Höhe, was seine Begleiter in begeisterten Beifall verfallen ließ. Doch nur Sekunden später blieben die Jubelrufe allen im Halse stecken, als Sephiroth sich wie aus dem Nichts hinter Cloud materialisierte.
 

Tifa schnappte erschrocken nach Luft und Cid fluchte so bildgewaltig wie nie zuvor, während Aerith mit wachsender Sorge beobachtete wie die Aura des Blonden erneut heftig zu zucken begann und wieder das entstellte Frauengesicht zeigte. Red rannte knurrend am Rand des Lochs auf und ab und suchte eine Stelle, an der er unverletzt in die Tiefe springen konnte, während der Rest der Gruppe paralysiert zu sein schien.

Unterdessen winkte Sephiroth Cloud zu sich heran und befahl: „Gib mir die schwarze Materia.“ Obwohl der silberhaarige Mann nicht laut gesprochen hatte, hallte seine ruhige Stimme bis zu den Anderen hinauf.

Cloud schüttelte vehement den Kopf und schien nach seinem Schwert greifen zu wollen, doch dann leuchtete plötzlich seine Aura auf, wobei das Frauengesicht seine Lippen zu einem hinterlistigen Grinsen verzog, und er machte einen Schritt auf den überlegen lächelnden Sephiroth zu. Aerith hielt gespannt den Atem an und dachte, dass die Bewegungen des Blonden steif und ungelenk waren so wie bei einer schlecht bedienten Marionette.

Zum Entsetzen aller stolperte Cloud weiter auf Sephiroth zu, der bereits mit einem triumphierenden Leuchten in den Augen eine Hand ausstreckte. „Cloud, nein!“ Vincent erwachte endlich aus seiner Schockstarre und sprang ohne weiter zu zögern in die Tiefe, wobei er aussah als könne er fliegen.

Obwohl der ehemalige Turk sich mit einer beeindruckenden, schier übermenschlichen Schnelligkeit bewegte, kam er zu spät. Cloud, der noch immer vollkommen weggetreten zu sein schien und sich wie an Fäden bewegte, hatte Sephiroth bereits erreicht und dem vollkommen wahnsinnigen Mann die schwarze Materia überreicht.

Dieser lachte laut auf und bedankte sich höhnisch: „Das hast du gut gemacht. Du bist eine brave Marionette.“ Dann schnipste er einmal mit den Fingern der linken Hand und Cloud brach besinnungslos in sich zusammen als wäre er tatsächlich nur eine Holzpuppe, deren Fäden durchtrennt worden waren.

Sephiroth, der den herbeieilenden Vincent mit einem amüsierten Blick bedachte, machte plötzlich einen Satz nach hinten und sprang aus dem Stand aus dem tiefen Loch heraus, was Aerith überrascht blinzeln und ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Der Silberhaarige war um einiges mächtiger und seine Fähigkeiten beeindruckender als sie es sich vorgestellt hatte. In der Luft schwebend wandte der bedrohliche Mann sich zu der Gruppe um und ließ die schwarze Materia von einer Hand in die andere rollen so als wolle er seine Gegner provozieren und demütigen. Dann lachte er erneut auf und verschwand genauso plötzlich wie er erschienen war.

Vincent, der inzwischen neben dem bewusstlosen Cloud stand, stampfte wütend mit dem Fuß auf und bedachte den am Boden Liegenden mit einem zornigen Blick, bevor er ihn sich mit einer erstaunlich mühelos wirkenden Bewegung über die Schulter warf und sich anschickte wieder aus dem Loch zu klettern. Da in diesem Moment jedoch eine neue Cait-Sith-Puppe mit einem Hubschrauber eingeflogen wurde, blieb Vincent diese Kraftprobe glücklicherweise erspart, da die beiden Männer per Helikopter geborgen werden konnten.

Während Cloud, Tifa, Vincent und Cait Sith mit dem Hubschrauber nach Gongaga, das als Treffpunkt und Lager ausgemacht worden war, flogen, machte sich der Rest der Gruppe mit „Tiny Bronco“ auf den Rückweg. Die ganze Rückreise lang sprach niemand ein einziges Wort – der Schock über das Geschehene saß einfach zu tief.

Ausgerechnet durch Cloud war Sephiroth in Besitz der schwarzen Materia gelangt! Dabei hatte die Gruppe doch so hart darum gekämpft, dass genau das niemals passierte! War jetzt alles aus?

Während die Anderen missmutige und hoffnungslose Gesichter machten, arbeitete Aerith stumm und allein für sich an einem Plan, Sephiroth doch noch aufzuhalten. Sie wusste, dass sie die Einzige war, die jetzt noch etwas tun konnte…



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