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Seelenschatten

von

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Im Tempel des alten Volks

Im Inneren des Tempels waren die flüsternden Stimmen um einiges lauter als noch in der Vorhalle. Aerith war jedoch von dem sich ihr bietenden Anblick viel zu fasziniert, um auf die gewisperten Worte zu achten.

Mehrere Treppen führten von dem Podest, auf dem die Gruppe stand, herab und hinauf, wobei die Perspektive völlig verzehrt und verdreht wirkte. Der unebene Boden des Raums bestand aus unterschiedlich hohen Würfeln, die teilweise ineinander geschoben und miteinander verschachtelt waren.

Während die Truppe ein wenig desorientiert durch die verwinkelten Gänge irrte, sah Aerith sich mit glänzenden Augen um. Alles hier wirkte auf sie merkwürdig vertraut so als hätte sie diesen Ort vor langer Zeit bereits einmal besucht. Vielleicht, überlegte sie, erinnerte die Umgebung sie aber auch nur an einen Traum, den sie mal gehabt hatte.

„Jetzt rennen wir schon seit Stunden im Kreis!“ Barrett stampfte wütend auf und stieß ein genervtes Knurren aus. Cloud presste ebenfalls missbilligend die Lippen aufeinander und machte ein schlecht gelauntes Gesicht. Generell wirkten die einzelnen Gruppenmitglieder nach dem langen, fruchtlosen Marsch ausgelaugt und ermattet. Yuffie ließ sich an der Wand entlang auf den Boden rutschen und jammerte: „Meine Füße tun weh! Wo müssen wir denn überhaupt hin?!“

Aerith hingegen war völlig verzückt und hätte am liebsten jeden einzelnen der sich ihr bietenden Eindrücke aufgesaugt. Doch aus Mitleid mit ihren Freunden verzichtete sie darauf, sich an weiteren Kleinigkeiten zu erfreuen, und nickte in Richtung eines abzweigenden Gangs, wobei sie verkündete: „Ich glaube, es geht hier lang.“ Für einen Moment blickten die Anderen verwirrt drein, folgten der Cetra jedoch ohne zu zögern. Ihnen war längst klar, dass ihre Begleiterin Fähigkeiten hatte, die nur schwer verständlich waren.

Nach mehreren Minuten schaffte Aerith es tatsächlich die Gruppe aus der großen, unübersichtlichen Halle in einen angrenzenden Raum zu führen, der sich wie ein schmaler Schlauch in die Länge zog. Auf den ersten Blick ließ sich nichts Besonderes erkennen, was die Überraschung der neun Abenteurer nur noch größer machte, als sie die sonderbare Quelle entdeckten, die in einer kleinen Nische versteckt sprudelte.

Das plätschernde Wasser hatte eine mintgrüne Färbung und glitzerte wie ein Sternenmeer im Schein der Fackeln. Tifa kniete sich an den Rand und hauchte: „Wow, was immer das ist, es ist wunderschön.“ Mit großen Augen und einem ungläubigen Gesichtsausdruck hockte Aerith sich neben ihre Freundin und flüsterte verblüfft: „Der Lebensstrom!“

Überraschtes Schweigen machte sich innerhalb der Gruppe breit, während die Cetra wie hypnotisiert die Hand nach der niedrigen Fontäne ausstreckte. Kaum dass ihre Haut das erstaunlich warme Wasser berührt hatte, durchzuckte eine Vision ihr Bewusstsein. Wäre sie nicht vor Schreck wie paralysiert gewesen, wäre sie vermutlich mit einem spitzen Aufschrei zurückgeschreckt und auf den Hintern gefallen.

So hielt sie jedoch still und nahm mit wild schlagendem Herzen die vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehenden Bilder in sich auf. Sie sah Sephiroth wie er durch einen gewölbeartigen, länglichen Raum mit bedrohlich wirkender Wandmalerei schritt und vor sich hin murmelte. Aerith hörte keines seiner Worte, doch die flüsternden Stimmen der einstigen Tempelwächter sprachen direkt zu ihrem Herzen.

Panisch nach Luft schnappend griff Aerith nach Tifas Hand und schluckte hart. Die andere Frau legte ihr den Arm die Schultern und fragte besorgt: „Was hast du?!“ Auch der Rest der Gruppe lehnte sich vor und blickte die aufgelöst wirkende Cetra abwartend an. Als diese schließlich antwortete, klang ihre Stimme bedrohlich dünn: „Ich weiß, was Sephiroth vorhat!“
 

Die Augen sämtlicher Gruppenmitglieder wirkten in den gespenstisch blassen Gesichtern unnatürlich groß und dunkel. Mühsam beherrscht atmete Cloud tief durch und stellte dann die Frage, die auch allen anderen auf der Seele brannte: „Was?“

Aerith war sich einen Moment lang nicht sicher, ob der Blonde nach Sephiroths Plänen gefragt oder um eine Wiederholung ihrer Worte gebeten hatte, doch dann antwortete sie schnell, wobei sich ihre Stimme gleich mehrfach überschlug: „Sephiroth sucht nach einem Weg zu absoluter Macht und will sich den Lebensstrom dienstbar machen, um Zugriff auf das dort gespeicherte Wissen zu haben.“

Red kräuselte ungläubig die Schnauze und wunderte sich: „Wie soll das denn möglich sein?“ „Wenn der Planet verletzt wird“, erklärte Aerith, wobei sie auf die Worte zurückgriff, die ihr zugeflüstert wurden, „schützt er sich, indem er an dieser Stelle den Lebensstrom an die Oberfläche treten lässt und die Verletzung so einschließt. Sephiroth hat vor, sich die schwarze Materia, die hier im Keller gelagert wird, anzueignen und mit diesem mächtigen Zauber einen Meteor zu beschwören, der den Planeten an einer Stelle so stark beschädigen soll, dass sich dort der gesamte Lebensstrom konzentriert.“

„Aber das könnte das Ende des Planeten sein!“ Tifa schluckte hart und krallte die Finger um den Saum ihres kurzen Rocks. Traurig nickend sah Aerith in ihre haselnussbraunen Augen und ließ die Schultern hängen. Die Furcht, die sie in der Iris ihrer Freundin las, hatte sich auch in ihrem eigenen Herzen eingenistet und drückte auf ihre Lungen.

„Was machen wir jetzt?“ Nachdem für einige Augenblicke betretenes Schweigen geherrscht hatte, war es Vincent, der die Stille wieder durchbrach. „Am besten versuchen wir, die schwarze Materia in unseren Besitz zu bringen, bevor Sephiroth sie an sich reißen kann.“ Cloud machte einen überraschend entschlossenen Eindruck, versicherte sich jedoch noch einmal bei Aerith: „Oder ist sie ihm bereits in die Hände gefallen?“

Die junge Cetra, die noch immer einen Finger in den Lebensstrom hielt und über den auf sie einstürzenden, scheinbar wahllosen Wissenswirbelsturm staunte, schüttelte den Kopf und schickte sich an, zusammen mit den Anderen einen Weg hinab in den Keller zu suchen. Warum sie ihren Freunden verschwieg, dass die Stimmen der Tempelwächter ihr einen weiteren Weg, Sephiroth aufzuhalten, genannt hatten, wusste sie selbst nicht.
 

Der Keller war von unzähligen Fackeln in ein goldenes Licht getaucht, das der allgegenwärtigen Wandmalerei ein leicht vergilbtes Aussehen verlieh. Die vermutlich von Cetra-Hand gestalteten Bilder erzählten die Geschichte eines über zweitausend Jahre zurückliegenden Meteorabsturzes. Damals war ein riesiger Gesteinsbrocken im heutigen Nebelkrater aufgeschlagen und hatte den Planeten schwer getroffen.

Was langfristig gesehen jedoch wesentlich schlimmer war, war die Tatsache, dass zusammen mit dem Meteor auch Jenova aufgetaucht war. Nur so hatten Shinras Wissenschaftler den versteinerten Alienfrauenkörper, dessen Bewusstsein noch immer am Leben war, finden, ihn fälschlicherweise für die Überreste einer Cetra halten und Sephiroth erschaffen können. Dieser war, seit ihm seine Abstammung offenbart worden war, vollkommen übergeschnappt und sah sich dazu berufen, über den Planeten zu herrschen.

Während die Gruppe langsam durch die Katakomben des Tempels schritt, beobachtete Aerith angespannt wie Cloud wieder einmal von der merkwürdigen Anomalie seiner Aura heimgesucht wurde. Dieses Mal erschien ihr das Zucken um einiges stärker zu sein als üblich und die Energieströme formten immer wieder das hämisch grinsende Frauengesicht, das Aerith bereits in der Shinra-Villa gesehen hatte. Cloud selbst wirkte vollkommen weggetreten und folgte dem Rest der Truppe wie an Fäden geführt.

Die Cetra war von diesem Schauspiel so sehr abgelenkt, dass sie das seltsame, aus glänzendem, schwarzem Stein bestehende Gebilde erst entdeckte, als Barrett sich lautstark darüber wunderte. Das merkwürdige Ding schien zu schweben und seine Oberfläche schimmerte sanft im Fackelschein. Unter dem Sockel war eine Plakette angebracht, doch die Schriftzeichen darauf sahen fremd und unbekannt aus. Entsprechend groß war die Überraschung, als Aerith mit ehrfürchtiger Stimme vorlas: „Schlüssel zur schwarzen Materia.“

Etwa einen Herzschlag lang sahen alle voller Erstaunen zu Aerith herüber, die mal wieder mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten verblüfft hatte. Doch dann streckte Cloud mit einem schmalen Siegerlächeln auf den Lippen eine Hand nach dem Schlüssel aus, was er augenblicklich bereute.

Sobald er die Oberfläche das pyramidenförmigen Dings, das aussah wie eine Miniatur des Tempels, berührt hatte, schüttelte ein heftiges Beben die Gruppe durch. Zunächst glaubten alle an einen sonderbaren Zufall, doch als dieses Phänomen auch bei den nächsten Versuchen auftrat, sahen sich die neun Abenteurer irritiert um.

Es war Yuffie, die eine weitere Schriftplatte entdeckte, die Aerith sogleich durchlas und für die Gruppe zusammenfasste: „Die schwarze Materia ist erstaunlich gut gesichert. Um an sie heran zu kommen, muss man die kleinen Rätsel in den Räumen dieser Miniatur lösen. Dadurch schrumpft der Tempel jedoch immer weiter zusammen, da er in Wirklichkeit die schwarze Materia ist.“

Verwirrt schüttelte Red den Kopf und fragte: „Also muss man hier drinnen die Rätsel des Modells lösen, wird dann aber von dem sich komprimierenden Tempel zerquetscht?“ Aerith nickte und biss sich auf die Unterlippe. Warum nur weigerte sich etwas in ihr von der Alternativlösung zu erzählen?

„Aber das ist doch prima!“, rief Barrett. „Wenn das so ist, kommt Sephiroth doch auch niemals an die schwarze Materia.“ Cloud jedoch machte ein knurrendes Geräusch und murmelte pessimistisch: „Du kennst Sephiroth nicht. Er ist unglaublich listig und wenn er etwas will, dann bekommt er es auch. Glaub mir.“

Erneut senkte sich Schweigen über die Gruppe, während die einzelnen Mitglieder betreten auf die Tempelminiatur blickten. Sie steckten in einem echten Dilemma. Niemand kam an die schwarze Materia heran, ohne von dem Tempel erdrückt zu werden. Das mächtige Relikt auf gut Glück zurückzulassen und zu hoffen, dass Sephiroth ebenfalls keine Lösung einfiel, war jedoch viel zu riskant.

Was sollten sie nur tun?!



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