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Actio est reactio

von Nerdherzen und den physikalischen Gesetzen ihrer Eroberung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wenn man dann nach 200 Jahren mal im Fluss ist, soll man sich ja nicht bremen. Also hier gleich noch ein frisches Kapitel ;) Komplett anzeigen

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Am Ende der Eifersucht

Leider scheitere ich dreimal daran, all diese Themen mit Cem anzusprechen, während ich nüchtern bin. Ich versuche es nach dem Training auf dem Weg zum Döner-Essen, einmal in der großen Pause, als wir zum Bücherschleppen verdonnert worden sind und einmal, als er zum Filmschauen bei mir vorbei kommt und wir uns mit Chips bewerfen, bis ich beschließe, einfach mein Bett neu zu beziehen.
 

Ich finde einfach nicht den richtigen Ansatz.
 

»Ja, witzig wie Basti sich da gemault hat. Oh, übrigens. Was ich dir noch sagen wollte. Ich bin übrigens in Tamino verliebt und es wäre total super, wenn er dir nicht noch mal einen auf meinem Sessel blasen würde.«
 

Allein die Erinnerung an diese Szene treibt mir regelmäßig die Röte ins Gesicht. Die Selbstverständlichkeit, mit der Tamino es vorgeschlagen hat. Und wie er einfach auf die Knie gegangen ist, als hätte er das schon hundert Mal gemacht. Wenn ich behaupten würde, dass ich mir in Gedanken an dieses Bild nicht ein einziges Mal einen runtergeholt hätte, dann wäre das sehr gelogen. Und ich bin normalerweise überhaupt nicht scharf darauf, mir sonderlich oft einen runterzuholen.
 

Irgendwo in mir drin scheint ein Damm aufgebrochen zu sein und ich kann nicht behaupten, dass ich diese Entwicklung als positiv empfinde. Außerdem habe ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen, dass ich meine beiden engsten Freunde—und ja, mittlerweile bin ich an diesem Punkt angekommen, Tamino so zu bezeichnen—in meine schmutzigen Fantasien mit einbinde.
 

Wahrscheinlich würden die beiden angewidert die Nase rümpfen, wenn sie wüssten, was Sache ist.
 

Ugh, Juls.
 

Warum bist du so ein Disaster?
 

Es kommt mir recht erbärmlich vor, dass ich mich erst wieder voll laufen lassen muss, damit endlich was passiert, aber besser so als überhaupt nicht. Zumindest rede ich mir das ein. So lande ich ziemlich betrunken mit Cem im Park. Irgendwo weiter entfernt spielen Leute auf der Gitarre und singen Lieder und es riecht, als würden Menschen in der Nähe grillen.
 

Wir liegen auf dem Rücken im Gras, Cem raucht sich mal wieder die Lunge aus dem Leib und wir haben mehrere leere Bierflaschen um uns herum verteilt. Wenn ich mich umsehe, kann ich niemanden sonst hier in der Nähe sehen. Die letzte Person war ein Jogger mit Hund, der in zehn Metern Entfernung an uns vorbeigelaufen ist.
 

»Bist du schon voll genug?«, will Cem wissen und bufft mich mit dem Ellbogen an.
 

»Hä?«
 

Falls ich es noch nicht oft genug erwähnt habe: Alkohol schaltet meine ohnehin schon nicht wirklich vorhandene Eloquenz aus und macht mich wahnsinnig begriffsstutzig. Sogar noch mehr als ich es im nüchternen Zustand bin.
 

»Du bist seit Tagen super komisch drauf und ich warte, dass dein Pegel hoch genug ist, damit du dich drüber auskotzen kannst warum das so ist«, meint Cem gelassen und ich drehe den Kopf, um ihn anzuschauen.
 

Manchmal weiß ich nicht genau, wann das passiert ist. Dass ich es verpasst habe, was für ein einfühlsamer Kerl mein bester Kumpel ist, der mich so gut kennt, dass er sofort wittert, wenn irgendwas nicht in Ordnung ist. Ich glaube, ich weiß gar nicht mehr, wann genau ich angefangen habe, Cem als meinen besten Freund zu bezeichnen. Mit ihm abzuhängen hat schon immer am meisten Spaß gemacht, seit ich ihn in der siebten Klasse kennengelernt habe.
 

Aber wann genau kam der Moment, an dem ich dachte »Hey, der Typ ist nicht nur super witzig, sondern auch wirklich cool«? Vielleicht sollte ich ihm das häufiger sagen. Was, wenn alles so passiert, wie Mari gesagt hat und wir Abi machen und ich dann nie wieder von ihm höre? Mir wird ganz elend bei dem Gedanken.
 

»Hey Cem«, sage ich und ich höre, dass meine Stimme schon ziemlich wobbelt.
 

»Hm.«
 

»Ist dir klar, dass du mein bester Freund bist und ich dich super cool finde?«
 

Mir antwortet eine Stille. Ich betrachte weiterhin den Himmel über uns an dem man heute Nacht erstaunlich viele Sterne sehen kann. Ich verstehe, wie Tamino zu seinem Alkoholproblem gekommen ist. All die tausend Probleme, die sich im Moment vor mir auftürmen, fühlen sich so viel weiter weg an, wenn ich hier betrunken liege und einfach nur den Himmel anstarre und meinem besten Kumpel beim Rauchen zuhöre.
 

»Alter«, sagt Cem schließlich und ich drehe den Kopf. Cem hat sich auf die Seite gedreht und starrt mich an. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er mit meinen Worten nicht so gut umgehen kann, aber sein Gesichtsausdruck sieht... gerührt aus? Erstaunt auf jeden Fall. Ich grinse ihn verschwommen an.
 

»Was? Ist wahr«, meine ich.
 

Wir starren uns mehrere Sekunden lang schweigend an und ich sehe Cem schlucken, als würde er mit sich ringen. Ich kenne ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er sich selbst davon abhalten muss, nicht einen blöden Spruch oder Scherz zu reißen, um damit die Ernsthaftigkeit der Situation zu entschärfen.
 

»Wenn ich jetzt ‚Dito‘ sage, ist es voll arschig«, meint er. Ich schnaube amüsiert.
 

»Wär schon ok, Alter. Wir können nicht alle so schwul über unsere Gefühle reden wie ich«, meine ich und er lacht tatsächlich und boxt mich gegen den Arm.
 

»Halt die Fresse, du Pfosten«, sagt er immer noch unter Lachen und ich muss mitlachen und das tonnenschwere Gewicht auf meiner Brust fühlt sich plötzlich nicht mehr ganz so schlimm an.
 

»Aber ohne Scheiß jetzt«, sagt Cem, nachdem er sich beruhigt hat. »Dito, man.«
 

»Cool«, sage ich und grinse den Himmel an.
 

»Ich will trotzdem wissen, was eigentlich los ist«, sagt er dann und bufft mich noch mal. Ich seufze und setze mich schließlich auf.
 

»Ich hab mich verknallt«, sage ich, was Cem offenbar skandalös genug findet, um sich ebenfalls aufzusetzen. Mein Herz überschlägt sich jetzt ein bisschen, weil ich unweigerlich wieder an meinen Geburtstag denken muss und daran, in was für einer Situation ich Cem beobachtet habe. Jetzt sitzt er hier vor mir, lässig wie immer, sein Cap auf dem Kopf und sein Ellbogen auf dem aufgestellten Knie abgestützt.
 

Im Dunkeln meines Zimmers hatte er die Hände auf den Mund gepresst, um sich nicht durch Geräusche zu verraten. Gewissermaßen war es der verletzlichste Moment, in dem ich ihn je gesehen habe.
 

»In... eh. In einen Typen«, fahre ich fort. Cem legt den Kopf schief und dann seufzt er schmunzelnd und schüttelt den Kopf.
 

»Ich weiß schon, ich bin einfach zu unwiderstehlich—«, fängt er grinsend an und ich muss wieder lachen und haue ihm auf den Arm.
 

»Halt die Schnauze, man! Ich bin in Tamino verknallt!«
 

Cem schaut mich an und nimmt sein Cap ab, um sich durch die Haare zu fahren.
 

»Ah, scheiße«, mein er dann, greift sich ein neues Bier und setzt sich sein Cap wieder auf. Wie immer macht er die Flasche mit den Zähnen auf und nimmt einen großen Schluck. Mein Herz hämmert wie verrückt. Jetzt kommt womöglich der Moment, in dem er mir steckt, dass er auch in Tamino verliebt ist.
 

»Wenn ich das vorher gewusst hätte, dann—«
 

Ich ziehe die Schultern hoch.
 

»Sorry, Alter. Ich wollte da nicht reinfunken«, sagt er und sieht... Er sieht sehr schuldbewusst aus.
 

Oh.
 

»Kannst du ja nicht wissen, wenn ich’s dir nicht sage«, murmele ich peinlich berührt und fordere ihn mit stummen Gesten auf, mir ebenfalls noch ein Bier aufzumachen. Wir trinken eine Weile schweigend, dann räuspere ich mich.
 

»Und du—äh. Du bist aber nicht. Also...«
 

»Nah. Nicht jetzt, jedenfalls. Nicht, dass ich nicht glaub, dass das nicht passieren könnte. Aber grad bin ich einfach bloß ziemlich scharf auf ihn«, sagt er freiweg. Ich merke, wie mir unweigerlich die Hitze ins Gesicht steigt. Ja, das hab ich gesehen. Soll ich ihm das sagen? Wahrscheinlich ist das eine schlechte Idee.
 

»Ich hab euch gesehen«, sagt meine betrunkene Verräterzunge und Cem blinzelt ein paar Mal sehr schnell, sein Mund leicht geöffnet, die Augen plötzlich groß wie Teller.
 

»Oh«, sagt er.
 

»Ja. Äh... Sorry.«
 

Wir starren uns an und ich bereue sehr, es zugegeben zu haben. Es ist mir überhaupt nicht möglich, Cems Gesichtsausdruck einzuordnen und ich bin nicht mal sicher, ob er selber weiß, was er davon halten soll. Dann muss er aber lachen und vergräbt sein Gesicht kurz in den Händen.
 

»Krass absurd«, sagt er.
 

»Schon, ja.«
 

Ich schaffe ein Grinsen.
 

»Alter. Wahrscheinlich willst du das nicht hören, ne. Aber. Fuck, das war ziemlich geil«, meint Cem und ich pruste fast meinen Schluck Bier über den Rasen, weil ich lachen muss. Es ist gut, darüber Späße zu machen. Und irgendwie hat sich meine Eifersucht sich ein bisschen in Luft aufgelöst, jetzt, wo die Katze aus dem Sack ist.
 

Juls, du Trottel. Du hättest schon viel eher darüber reden sollen.
 

»Ja. Ähm. Das... kann ich mir. Ach, was sag ich. Ich kanns mir nicht wirklich vorstellen«, sage ich und muss lachen, weil ich mir super dämlich vorkomme. Ich leere mein Bier und Cem reicht mir sofort ein Neues.
 

»Ist ok, wenn du darüber redest«, sage ich dann. Cem nickt und friemelt sich eine Zigarette aus der Hosentasche.
 

»Das war definitiv der beste Blowjob meines Lebens. Wahrscheinlich hat’s deswegen auch nur ungefähr zwanzig Sekunden gedauert.«
 

Ich muss schmunzeln. Normalerweise bin ich immer genervt bis angeekelt, wenn Leute über Sex reden. Diesmal ist es anders. Ich bin beinahe ein bisschen aufgeregt. Sexualität ist so verdammt verwirrend. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es um Sex mit einem Mann geht. Und dass Cem nicht so darüber redet, wie es andere Kerle aus unserer Mannschaft meistens machen.
 

»War das... äh... war das generell das erste Mal von irgendwas mit irgendeinem Typen?«
 

Cem nickt und zieht an seiner Zigarette. Er pustet den Rauch gen Himmel und sieht beinahe ein bisschen verträumt aus.
 

»Ich sollte viel öfter mit Männern rummachen, Alter.«
 

»Ist das. Ähm. Ist das sehr anders? Als mit Frauen?«
 

Cem legt den Kopf schief und ich sehe zu, wie er sich über die Lippen leckt. Seit ich diese Erkenntnis darüber hatte, dass ich definitiv auf Männer stehe, fällt mir immer häufiger auf, dass Cem wirklich gut aussieht. Ich weiß, dass viele Mädchen aus dem Jahrgang auf ihn fliegen und ich kann es absolut nachvollziehen.
 

Cem betrachtet mich nachdenklich.
 

»Willst du’s ausprobieren?«
 

Ich verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke und nehme einen hastigen Schluck Bier.
 

»Was?«
 

Cem zuckt mit den Schultern und zieht erneut an seiner Kippe. Wie genau er immer so lässig beim Rauchen aussehen kann, ist mir schleierhaft.
 

»Rummachen. Knutschen. Mit nem Kerl.«
 

»Ohne Scheiß jetzt?«, frage ich, um ganz sicher zu gehen, dass ich das nicht falsch verstehe. Vielleicht meint er ja so ganz generell, ob ich es mal ausprobieren will. Mit irgendwem. Aber Cems Gesichtsausdruck ist sorgfälig ausdruckslos, als er erneut mit den Schultern zuckt und seine Zigarette im Gras ausdrückt, bevor er den Filter in eine der leeren Bierflaschen steckt.
 

»Ohne Scheiß«, sagt er dann.
 

»Oh«, sage ich und meine Stimme klingt eindeutig heiser, während mein Herz sich in meinem Brustkorb überschlägt. Ich denke daran, wie Tamino und Cem in meinem Sessel ausgesehen haben und wie sehr ich Tamino auch so küssen wollte. Ich hab nie darüber nachgedacht, dass ich auch Cem küssen könnte. Es scheint eine abstruse Idee zu sein, aber ich kann auch nicht erklären, wieso eigentlich.
 

Mari hat mir mal erzählt, dass sie ihren ersten Kuss mit ihrer damals besten Freundin hatte. Einfach zum Ausprobieren.
 

Vielleicht machen Leute das.
 

»Keine Sorge, ich fress dich schon nicht auf«, sagt Cem mit einem schiefen Grinsen, aber ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass das Unsicherheit ist, die er dahinter versteckt. Er würde es mir garantiert nicht übel nehmen, wenn ich nein sage. Aber eine übermütige Neugier hat mich gepackt und bei den Gedanken an die Bilder, die ich von meiner Geburtstagsfeier noch im Kopf habe, wird mir schon wieder sehr heiß.
 

»Ok«, sage ich.
 

Cem macht sich nicht mal die Mühe zu gucken, ob irgendwer in der Nähe ist und uns sehen könnte. Wir hocken voreinander und Cems Augen huschen hinunter zu meinem Mund, als würde er noch mal prüfen wollen, worauf er sich eigentlich einlässt. Aber der Anblick scheint ihn nicht abzuschrecken.
 

Mein Hals fühlt sich plötzlich sehr trocken an, obwohl ich diesen Abend gefühlte hundert Liter Bier getrunken habe.
 

Dumpf erinnere ich mich an eine Unterhaltung, in der Cem und ich darüber sprachen, dass er nicht möchte, dass ich »ihm an den Arsch gehe«. Der Gedanke scheint ausgesprochen absurd zu sein, als mein bester Freund sich vorbeugt und seinen Mund auf meinen drückt.
 

Oh.
 

Ich vergesse vor lauter Aufregung einen Moment lang, meine Augen zu schließen und ich glaube, ich hab Cem noch nie so aus der Nähe gesehen. Dann klappe ich meine Lider hastig zu und unterdrücke ein sehr peinliches Geräusch, als Finger sich in meinen Nacken schieben und Cems Zunge meine Lippen berührt.
 

Wahrscheinlich ist es realistisch zu sagen, dass es einfach immer anders ist, jemand Neues zu küssen. Es muss ja nicht unbedingt ein Unterschied darin liegen, ob man nun einen Jungen oder ein Mädchen küsst.
 

Aber.
 

Aber das Wissen, einen Jungen zu küssen, macht definitiv Dinge mit mir. Vor allem, als meine Hände Cems Schultern finden und. Jup. Definitiv ein Junge. Mit beeindruckend breiten Schultern und kurzem, stoppeligem Haar im Nacken.
 

Vor lauter Aufregung habe ich eine Sekunde lang vergessen, dass ich auch zurückküssen muss und ich nehme Cems Gesicht in beide Hände, lege den Kopf ein bisschen zur Seite, damit ich einen günstigeren Winkel erwische und schaffe es endlich, den Kuss zu erwidern.
 

Huh.
 

Cem summt zufrieden gegen meine Lippen und ich spüre, wie er ein wenig in den Kuss grinst, dann löst er sich von mir und ich. Bin. Beinahe ein wenig enttäuscht, dass es schon vorbei ist. Vielleicht mehr als ein bisschen.
 

Sei nicht komisch, Juls.
 

Ich lecke mir über die Lippen und sehe, wie Cem der Bewegung meiner Zunge mit den Augen folgt.
 

»Ok«, krächze ich und angele fahrig nach meiner Bierflasche. »Definitiv. Äh... anders.«
 

Cem schnaubt und lacht und dann.
 

»Ach, fuck it«, meint er und ich habe keine Zeit zu fragen, was er damit meint, weil ich im nächsten Moment mein Bier aufs Gras fallen lasse. Mein Schoß ist voller Cem, ein solides, muskulöses Gewicht gegen meine Brust und auf meinen Oberschenkeln, als ich wieder ein paar fester Lippen auf meinen habe und beschließe, einfach nicht weiter darüber nachzudenken.
 

»Solo und notgeil«, murmelt Cem gegen meinen Mund und ich muss lachen. Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich das wirklich nachvollziehen.
 

»Arschloch«, murmele ich zurück und dann knutschen wir. So richtig. Ich schiebe Cems Cap von seinem Kopf und vergrabe eine Hand in seinen Haaren, was er sehr zu begrüßen scheint, denn er summt schon wieder gegen meinen Mund.
 

Die Vorstellung, dass Tamino uns so sehen könnte, jagt mir einen heißen Schauer durch den Körper und als Cem eine Hand in meine langen Haare schiebt und zieht entkommt mir ein ziemlich peinliches Geräusch. Sein Grinsen gegen meine Lippen ist fast ein bisschen raubtierhaft.
 

»Ich glaube wir haben ein neues Level von Männerfreundschaft erreicht«, nuschelt Cem zwischen zwei Küssen. Ich muss lachen.
 

»Full Homo«, sage ich in Gedanken an den Spruch »No Homo«, den ich bei Konsti und Lennard schon ab und an gehört habe, und Cem lacht so doll, dass er halb aus meinem Schoß kippt. Ich lasse mich mit ihm zur Seite fallen und wir bleiben halb verknotet nebeneinander liegen, als wäre es das Normalste auf der Welt.
 

»Full Homo«, wiederholt er und gluckst heiter vor sich hin. Eine Hand hat er immer noch locker in meinem Haar, die andere liegt jetzt auf seiner eigenen Brust.
 

»Was glaubst du, wie komisch ist das, wenn wir morgen wieder nüchtern sind?«, will er wissen.
 

»Keine Ahnung. Nicht komisch? Hoffentlich.«
 

»Jetzt musst du nur noch Tamino knutschen«, meint Cem amüsiert. Ich schnaube.
 

»An mir solls nicht liegen«, sage ich und Cem lacht leise. Er dreht den Kopf zur Seite und schaut mich an.
 

Ich denke darüber nach, wie erstaunlich wenig seltsam die ganze Situation ist. Es schiebt sich mir ein Bild vors innere Auge, wie Tamino, Cem, Feli und ich einen Kuschelhaufen bilden wie auf den Fotos, die überall in Taminos Zimmer verteilt stehen.
 

»Ich bin übrigens asexuell«, sage ich dann aus dem Nichts heraus.
 

»Heißt?«
 

»Heißt, dass... äh. Dass ich Leute nicht wirklich scharf finde oder Sex mit ihnen haben will. Außer wenn ich ihnen. Emotional nahe stehe. Oder wie auch immer«, sage ich. Sehr elegant ausgedrückt.
 

»Mir war nicht klar, dass es sowas gibt«, sagt Cem frei heraus.
 

»Mir auch nicht. Bis vor ‘n paar Wochen.«
 

»Kein Sex?«
 

»Naja. Sagen wir mal. Nach meiner Geburtstagsfeier hatte ich zum ersten Mal richtig Bock auf Sex.«
 

»Ha. Weil ich so ein scharfes Schnittchen bin, Alter«, meint Cem belustigt und ich bin sehr dankbar für den Scherz, auch wenn ich ihn trotzdem in die Seite buffe.
 

»Jap. Weil du und Tamino beide so scharfe Schnittchen seid. Und ich euch gut leiden kann«, gebe ich zurück und grinse gen Himmel. Cem summt leise irgendeinen türkischen Popsong vor sich hin, dann dreht er sich auf die Seite und guckt mich spitzbübisch an.
 

»Wenn ich mit zwanzig immer noch keinen Sex mit nem Kerl hatte, werd ich mich vertrauensvoll an dich wenden«, sagt er mit einem breiten Feixen und ich strecke ihm die Zunge raus.
 

»Halt die Schnauze, Wichser«, sage ich lachend.
 

»Ich glaub, es wird nicht komisch, wenn wir nüchtern sind«, meint Cem nachdenklich.
 

»Ich auch nicht.«
 

In der Tat ist jetzt alles viel weniger komisch und schrecklich, als es vorher war. Ich denke darüber nach, wie es wäre, jetzt Tamino und Cem beim Rummachen zu sehen, und irgendwie ist die Eifersucht zwischen Bier, Scherzen, Gesprächen und Knutschen verpufft. 



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  EmilieJasminR
2019-04-03T15:31:11+00:00 03.04.2019 17:31
Schon wieder ein neues Kapitel! Ich bin so glücklich! Aber bevor ich das neue lese, hier noch Feedback zu diesem:
Ich liebe Cem-Gespräche. Die haben immer genau die richtige Mischung aus gefühlvoll & albern, klarsichtig und überrumpelt, ehrlich & zurückhaltend. Ich frag mich jetzt schon länger was Cem Jules gegenüber empfindet... (vielleicht ja, wie mit Tamino: Mehr wäre möglich, aber noch nicht...?) Die Knutschszene war super gut! Hat einfach alles gestimmt.

Cool auch, dass du die Scham seine Freunde in die Wichsfantasieren miteinzubeziehen thematisierst. Du hast einfach diese Art, Tabus aus dem Leben zu greifen und ihnen eine Plattform zu geben. <3

»Ja, witzig wie Basti sich da gemault hat. Oh, übrigens. Was ich dir noch sagen wollte. Ich bin übrigens in Tamino verliebt und es wäre total super, wenn er dir nicht noch mal einen auf meinem Sessel blasen würde.«
Ich lach mich über diesen Satz jedes Mal scheckig!

Alles Liebe Dir! Emi
Von:  Yamasha
2019-03-31T13:21:14+00:00 31.03.2019 15:21
Wie schön, gleich zwei neue Kapitel auf einmal :D und beide so unheimlich knuffig. Juls wird mir immer sympathischer. Langsam öffnet er sich immer mehr und Tamino nach nem knappen halben Jahr schon als einen seiner engsten Freunde zu bezeichnen ist einfach nur so unheimlich süß!!! <3
Und es freut mich richtig, dass er endlich mit Cem drüber geredet hat und es jetzt ein bisschen einfacher für ihn ist. Jetzt muss er nur noch mit Tamino reden und alles ist gut :D wobei ich mir vorstellen kann, dass das noch ein bisschen dauert. Denn wenn er immer so einen Alkoholpegel braucht um über seine Gefühle zu reden... Na ja, muss Tamino es erst mal mit machen. Aber ich hoffe, dass er es nicht braucht, denn so viel Alkohol kann auf Dauer nicht gesund sein... ^^'
Von: abgemeldet
2019-03-31T13:12:15+00:00 31.03.2019 15:12
Ich habe jetzt beide neuen Kapitel auf einen Schlag gelesen, mehrfach, und hab's sehr genossen. Zwar hat Juls ganz schön zu kämpfen, und er tut mir da schon arg leid, aber es ist auch gerade wegen dieser Kämpfe eine arg spannende Zeit, in der man so viel erleben und lernen kann. Diese neue Entwicklung mit Cem ist einfach goldig. Allerdings bin ich nun umso mehr gespannt, ob und wie Juls auf Tamino zugeht .. das wird bestimmt noch mal richtig hart. :O

Ganz viel Liebe für dich :3
Von:  chaos-kao
2019-03-31T09:38:37+00:00 31.03.2019 11:38
Das kam jetzt überraschend :D Aber passt perfekt! Und das Faszinierende: ich erkenne mich in Teilen wieder was die Sache mit demisexuell betrifft. Ein tolles Kapitel auf alle Fälle. Schön so viel Neues innerhalb so kurzer Zeit lesen zu können :)
Von: abgemeldet
2019-03-31T09:04:27+00:00 31.03.2019 11:04
Aaah, was für ein gutes Kapitel. Mein Mann sagt oft „wahre Liebe gibt’s nur unter Männern“ und bezieht sich damit natürlich nur auf seine Kumpelfreundschaften und nicht auf Kumpelfreundschaften plus Homosexualität, aber im Grunde passt der Satz, find ich, einfach perfekt auf dieses Kapitel. Die zwei sind so dicke, dass da nix zwischen sie passt - nicht mal ein Blatt Papier, höhö - und dass sie sich das auch nicht einfach kaputt machen lassen von so nem dahergelaufenen Kerl der gut Fußball spielen kann ;)
Nun, da sich dieses Problem so fix in Luft aufgelöst hat, bin ich wahnsinnig gespannt drauf wann Tamino seinen nächsten Auftritt hat. Mr. Selbstzweifel wird garantiert gerochen haben, dass mit Juls seit seinem Geburtstag was ordentlich schief läuft, und mit Sicherheit auch auf sich bezogen haben, aus welchen Gründen auch immer. Ich hoffe also, dass dein Schwung noch eine Weile anhält und dich uns noch ein, zwei, sieben Kapitelchen schenken lässt ^.~
Vielen Dank derweil und alles Gute!

Antwort von: abgemeldet
31.03.2019 11:05
Ups, das sollte eigentlich nicht alles kursiv O.ô
Von:  Yunaxxx
2019-03-30T19:00:40+00:00 30.03.2019 20:00
Juhuuuu ein neues Kapitel! Das ging schnell. Damit habe ich heute nicht gerechnet. Juls hat es geschafft mit Cem zu sprechen. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nie damit gerechnet, dass es so eine Wendung nimmt. Bin natürlich sehr gespannt, was du dir bei Tamino und Juls Gespräch einfallen lässt. Du schaffst es wirklich einen mit deinen Geschichten zu fesseln. Würde es deine Geschichten als Buch geben, würde ich gleich an dem Tag ins Geschäft rennen wo es erscheint. Bin ein großer Fan! Hoffe dein Schreibfluss hält weiter an. Möchte unbedingt wissen wie es weiter geht :) Liebe Grüße :)
Von:  Schnullerkai
2019-03-30T16:33:27+00:00 30.03.2019 17:33
Das kam... unerwartet. Aber eine wirklich schöne Szene und großartig geschrieben, ich liebe deine Formulierungen. "Schoß voller Cem", "halb ineinander verknotet", wunderschön.
Ich wollt mal 'n Kompliment dafür da lassen, wie du es schaffst, Konflikte entstehen zu lassen, ohne dass die Figuren irgendwie kacke zueinander sind. Alle sind irgendwie weitestgehend verständnisvoll miteinander und trotzdem läuft nicht alles rund. Das finde ich sehr glaubwürdig.


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