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Ein Schritt nach dem anderen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,

tut mir leid, dass es letzte Woche kein Update gab, aber irgendwie hat das echte Leben mich wieder mal eingeholt^^'
Vielen lieben Dank für eure Kommis und viel Spaß mit dem nächsten Kapitel.

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 2

Kapitel 2

 

-Sanji-

„Vorsichtig. Vorsichtig! Ruffy, fass ihn nicht an!“

Choppers ernste, bestimmte aber dennoch ruhige Stimme war das einzige, was ihn davor bewahrte seinen Verstand zu verlieren.

Er hatte Ewigkeiten gebraucht, bis er es vom Berg runter geschafft hatte. Zumindest hatte es sich so angefühlt, aber wahrscheinlich waren es nur wenige Minuten gewesen.

Ruffy war direkt mit Chopper den Abhang hinunter gesprungen, hatte sich jedoch mit einer Hand oben festgehalten um nicht ähnlich zu enden wie ihr Schwertkämpfer.

Brook hatte ebenfalls den direkten Weg nach unten gewählt. Bei seinem leichten Gewicht hatte es fast so ausgesehen, als ob er schweben würde.

Dem Rest von ihnen fehlte eine besondere Fähigkeit und Sanji hatte erst Robins gebrochenen Arm provisorisch geschient, ehe er den Berg hinunter gerannt war.

Hier bot sich ihm ein Bild des Grauens.

Zorro lag auf dem Boden, blass wie eine Leiche, umrahmt von seinem eigenen Blut, welches langsam im Boden versickerte. Arme und Beine waren in alle Himmelsrichtungen ausgestreckt. Doch obwohl Steine und Gras in Blut getränkt waren, sah der Schwertkämpfer friedlich aus, nicht ein Kratzer zierte sein Gesicht. Sein Hemd, welches an den Seiten bereits begonnen hatte sich rosa zu verfärben, war noch komplett intakt, bis auf einen kleinen Knopf der fehlte, aber vielleicht hatte er das bereits auch schon vorher. Das moosgrüne Haar hatte sich farblich mit dem umliegenden Gras abgestimmt, nur wenige Zentimeter oberhalb lag ein großer, flacher Stein.

Die Schwerter mussten sich aus ihrer Halterung befreit haben oder aber einer der anderen hatte sie ihm weggenommen, auf jeden Fall hielt Ruffy sie nun ganz fest und hatte seinen Schwertkämpfer das ein oder andere Mal mit einer Schwertspitze gestupst.  Doch Zorro reagierte nicht, Sanji war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt noch atmete.

„Was können wir tun?“, fragte er. Er war ganz überrascht wie gefasst er sich anhörte, wo doch seine Hände so stark zitterten. War ihm kalt?

 „Lebt er noch?“ Nami’s Stimme auf der anderen Seite brach bereits.

„Ja“, antwortete Chopper kurz angebunden und ohne aufzusehen, „ Er hat einen Puls. Aber wir dürfen ihn nicht mehr bewegen als nötig. Bei einem solchen Sturz ist die Wahrscheinlichkeit eines Genickbruchs ziemlich hoch.“

„Aber wir reden doch von Zorro, so schlimm kann so ein kleiner Sturz doch kaum sein. Ich bin mir sicher der hat nur ein paar…“

„Nicht anfassen habe ich gesagt!“

Chopper knurrte Ruffy regelrecht an. Seine sonst so süßen Knopfaugen eisig kalt.

„Ich sage es dir jetzt noch einmal mit aller Deutlichkeit, Ruffy! Ich kann kaum sagen wie schlimm es ist. Dass Zorro noch lebt ist ein verdammt gutes Zeichen, aber dass er ohnmächtig ist ein ebenso schlechtes. Er sollte nicht bewusstlos sein, nicht von sowas, es sei denn irgendwas ist nicht in Ordnung. Ich hoffe Brook beeilt sich mit der Trage, aber es kann eh sein, dass jede Hilfe bereits zu spät kommt.“

Der Kapitän machte einen Schritt zurück. Erst jetzt schien er zu verstehen, wie schlimm es um den Schwertkämpfer stand.

„Was soll das heißen?“, fragte er geschockt.

„Das soll heißen, dass er höchstwahrscheinlich schlimme Frakturen hat, gegebenenfalls instabile Wirbel- oder Rippenbrüche, die durch Bewegung etwas verletzen könnten. Seine Lunge oder sein Herz könnte punktiert werden, sein Rückenmark könnte beschädigt werden. Er könnte bereits Hirnschäden haben. Jede kleinste Bewegung könnte ihn töten. Und selbst wenn wir alles richtig machen kann es sein, dass er durch bereits bestehende Verletzungen dauerhaft geschädigt ist oder sogar sterben könnte.“

„Aber… aber wir reden von Zorro“, flüsterte Ruffy ungläubig, als wäre das alles nicht möglich.

„Ich weiß.“ Nun zitterte Choppers Stimme zum ersten Mal. „Glaub mir ich weiß das. Ausgerechnet Zorro. Wie konnte das nur passieren?“

Für einen Moment dachte Sanji, dass Chopper ihn das fragen würde.

Brook und Franky tauchten in der Ferne aus, die Notfalltrage zwischen ihnen.

Hilflos, fassungslos stand der Blondschopf zwischen seinen Freunden, die alle mehr oder weniger gehetzt miteinander sprachen.

Ja, wie konnte das nur passieren?

Zorro, Lorenor Zorro, gefürchteter Pirat und hervorragender Schwertkämpfer konnte von so etwas  doch nicht aufgehalten werden, oder? Wie sollte ein lächerlicher Abhang schaffen, was hunderte Krieger nicht konnten? Das ergab keinen Sinn, das ergab überhaupt keinen Sinn.

„Wir müssen ihn ganz vorsichtig auf die Trage heben. Sanji, Brook, helft mir.“

Der Arzt mutierte in seine Riesengestalt und sah ihn auffordernd an, während das Skelett sich bereits hinhockte.

Im Hintergrund konnte er Nami scharf atmen hören, als würde sie Tränen unterdrücken. Robin hatte ihren gesunden Arm um sie gelegt, selbst aschfahl. Es war einfach unmöglich. Es musste ein Traum sein, so etwas konnte nicht passieren, nicht Zorro. Nicht der Kerl, der ein ganzes Haus hochheben konnte, nicht der Kerl der gegen die CP9 bestanden hatte, nicht der Kerl, den sogar Bartholomäus Bär nicht hatte umbringen können. Das konnte nicht sein, das musste ein Traum sein.

Ruffy stand ungläubig neben ihm, als könnte er nicht begreifen, was Chopper gerade gesagt hatte, als wäre er genauso davon überzeugt wie Sanji, dass dies nur ein Traum sein könnte.

„Sanji!“

Überrascht hörte er seinen Namen, realisierte erst jetzt um was der andere ihn gebeten hatte.

„Oh ja, natürlich.“

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie Zorro auf die Trage gelegt hatten, jede Bewegung sorgfältig abgesprochen. Blut glitt zwischen Sanjis Händen hindurch, doch es war weit weniger als er erwartet hatte, aber ob das gut war, wusste er nicht. Sie brauchten fast noch länger um ihn zurück zum Schiff zu transportieren. Auch hier musste jeder Schritt ruhig und fließend sein, kein Ruckeln, keine plötzliche Bewegung. Wie bei einem Trauermarsch folgte der Rest der Crew. Einzig und allein Choppers ungewöhnlich harte und befehlende Stimme war zu hören.

Schließlich hatten sie es an Bord geschafft.

Chopper bat ihn um Hilfe da Robin verletzt war, doch er konnte nicht. Seine Hände zitterten, sie hatten die ganze Zeit gezittert. Er brauchte Nikotin.

Was wenn Zorro sterben würde?

Zu aller Überraschung hatte Lysop sich angeboten und war eilig mit Chopper im Krankenzimmer verschwunden.

Nami kümmerte sich derweil um Robins gebrochenen Arm. Franky saß den beiden Frauen gegenüber am Tisch, Brook gesellte sich mit einem Tablett voll Tee und Kaffee dazu.

Ruffy saß draußen auf der Gallionsfigur, er hatte nicht mit reinkommen wollen. Keiner konnte wissen, wie es in ihrem Käpt’n gerade aussah.

Mit immer noch zittrigen Fingern bereitete Sanji eilig einige belegte Brote zu, nachdem er seine blutigen Hände minutenlang geschrubbt hatte. Mehr konnte er in diesem Moment nicht machen.

Doch als er die Brote auf den Tisch stellte überraschte es ihn wenig, dass keiner von ihnen aß.

Bis spät in die Nacht saßen sie am Tisch, irgendwann ging Robin hinaus. Einige Zeit später kehrte sie mit Ruffy zurück, der ungewöhnlich wortkarg war.

Es war nicht das erste Mal, dass ihr Schwertkämpfer in einer solchen Situation war. Es war nicht das erste Mal, dass er verletzt war und nicht das erste Mal, dass er bewusstlos war.

Aber irgendwie war es dieses Mal anders. Es war kein Kampf gewesen, kein Moment wo man sein Leben aufs Spiel setzen musste.

Sie hatten den gemeinsamen Frieden genossen, eine gemeinsame Auszeit, fröhliche Stunden zusammen erleben wollen, fernab von der Marine und anderen Piraten. Doch von einer Sekunde auf die andere hatte diese seltene Glückseligkeit sie verlassen.

Konnte es wirklich so schlimm um ihren Schwertkämpfer stehen?

Warum brauchten Chopper und Lysop nur so lange?

Sanji zündete sich eine weitere Zigarette an, während seine Finger langsam ruhiger wurden. Er wusste gar nicht, warum er so aufgewühlt war. Er hatte den Schwertkämpfer schon in schlimmeren Situationen gesehen, oder nicht?

Wenn er nur an Thriller Bark dachte, schlimmer konnte es doch gar nicht sein, oder?

Und es war nicht seine Schuld, das wusste Sanji. Es war ein Unfall gewesen. Niemand von ihnen hätte damit gerechnet, dass der Boden unter Zorros Füßen einfach nachgeben würde.

Es war nichts weiter als ein ganz fürchterlicher Unfall.

Aber er erinnerte sich an diese kleine Stimme.

Was war, wenn es kein Unfall gewesen war?

Konnte es sein, dass er es absichtlich getan hatte?

Konnte er wirklich etwas so schreckliches tun?

Konnte er wirklich etwas so schreckliches einem Freund antun?

 

Erst in den frühen Morgenstunden kam Chopper schließlich hinaus.

Sie alle starrten ihn erwartungsvoll an.

Erschöpft ließ er sich auf das Sofa fallen. Doch dann nickte er.

„Es ist nicht so schlimm, wie befürchtet. Sein kompletter Rücken ist aufgeschürft und verletzt, aber es sind keine tiefen Wunden. Er hat Glück gehabt.“

Ein erleichtertes Aufatmen ging durch den Raum.

„Das heißt, er wird durchkommen?“, fragte Nami zaghaft.

Chopper nickte. „Wenn nichts unerwartetes schief geht auf jeden Fall. Die Verletzungen sind relativ oberflächlich und seine Organe wurden nicht besorgniserregend beeinträchtigt. Leider Gottes hat die Desinfizierung unendlich viel Zeit gekostet, wodurch er relativ viel Blut verloren hat, aber das kennen wir ja von ihm.“

„Warum warst du dann so aufgewühlt, hört sich doch eigentlich alles ganz gut an oder nicht?“ Frankys Einwand war berechtigt.

„Er ist immer noch bewusstlos. Deswegen hatte ich damit gerechnet, dass er eine Schädelfraktur haben würde oder dass einer der Nackenwirbel gebrochen ist, was zum Glück nicht der Fall ist. Aber es ist für ihn sehr ungewöhnlich, dass er ohnmächtig ist obwohl die Verletzungen nicht so gravierend erscheinen,  das beunruhigt mich. Aber ob da was hinter steckt oder nicht werden wir erst sehen wenn er aufwacht. Nach so einem Sturz wäre es wirklich ein Wunder, wenn er so glimpflich davon kommen würde.“

„Naja, auf der anderen Seite geht’s um Zorro. Mich überrascht eher, dass er überhaupt verletzt ist.“

„Und wo ist Lysop?“

„Er wollte bei ihm bleiben für den Fall, dass er aufwacht. Aber auch er ist ziemlich fertig.“

Für einen Moment saßen sie alle da, schweigend. Dann stand Ruffy auf und ging ins Krankenzimmer.

Wenige Sekunden später kam Lysop zurück. Er wirkte müde und erschöpft.

Sie sollten alle schlafen gehen, sie sollten alle glücklich sein, dass alles gut gegangen war. Aber keiner von ihnen ging.

Chopper bestand darauf, sich noch Robins Arm anzugucken und Franky verabschiedete sich um Wache zu schieben.

Auch Sanji ging hinaus in die noch andauernde Dunkelheit und zündete sich noch eine Zigarette an. Seine Packung war fast leer.

Was für ein scheiß Tag!

 

-Zorro-

Er hatte Kopfschmerzen.

Er hatte Kopfschmerzen und war unglaublich müde.

Sein ganzer Körper tat weh, insbesondere seine Finger brannten wie Hölle.

Ein Muskelkater war das jedenfalls nicht.

Langsam erinnerte er sich.

Er war gestürzt. Ausgerechnet er, Lorenor Zorro, talentierter Schwertkämpfer und gefürchteter Pirat war einen verdammten Abhang runtergefallen wie ein betrunkener Vollidiot!

Lächerlich!

Wunden, die nicht von einem Kampf her rührten sondern von seiner eigenen Blödheit. Von einem Sturz!

Erbärmlich!

Er seufzte und öffnete die Augen. Immerhin war er noch am Leben, hätte auch schlimmer kommen können. Zumindest redete er sich das ein, obwohl er es besser wusste.

Über sich konnte er die hell getafelte Holzdecke des Krankenzimmers erkennen, so anders zu dem klaren blauen Himmel, den er nach dem Sturz angestarrt hatte. Er erinnerte sich, wie er den Himmel angesehen hatte und über sein Leben philosophiert hatte. Es hatte sich angefühlt, als ob er da Stunden gelegen hätte, vermutlich war er jedoch innerhalb weniger Sekunden ohnmächtig geworden.

„Oh hey!“ Er drehte den Kopf zur Seite und bemerkte erst jetzt, dass er nicht alleine war.

Lysop saß am kleinen Arbeitspult, in seinen Händen ein undefinierbares etwas, vermutlich seine neuste Erfindung.

„Du bist wach?“

„Offensichtlich“, murrte er und fuhr sich durch die Haare. Überrascht sah er seine einbandagierten Hände an. Ach ja, er hatte beinahe vergessen, wie er versucht hatte sich an der Felswand festzuhalten. Auch das nicht eine seiner Glanzleistungen.

„Bist du soweit in Ordnung?“ Lysop schien ganz nervös und rollte seinen Stuhl immer näher an ihn ran.

„Natürlich“, seufzte er, „Mach dir keinen Kopf. Alles okay. Mir brummt nur der Schädel.“

„Gut, dann geh ich gerade Chopper holen.“

„Mach das.“

Er wartete bis Lysop das Krankenzimmer verlassen hatte, dann stützte er sich auf seinen Ellenbogen ab und hievte sich hoch. Sein Körper war ungewohnt schwer und wirklich jede Bewegung schmerzte.

Mit der rechten Hand tastete er seinen Nacken und Rücken ab, überall Bandagen.

Er seufzte. Hoffentlich würden keine Narben zurückbleiben.

Aber keine der Verletzungen schien so schlimm zu sein, dass er sich Sorgen machen sollte, nicht dass er das je tun würde.

Doch dann bemerkte er etwas anderes. Mit vorsichtigen Bewegungen brachte er sich in eine sitzende Position. Die dünne Decke rutschte in seinen Schoß, offenbarte seinen nackten, unbeschadeten Oberkörper. Es war also keine Einbildung gewesen.

Nach einem solchen Sturz musste sein Rücken mit Platzwunden übersät sein.

Er fasste sich an den Hinterkopf, doch dieser schien unverletzt, Glück im Unglück sozusagen. Aber wirklich glücklich war er nicht, während er ruhig auf Chopper wartete. Nein, Glück war so das Gefühl, was er am allerwenigsten wahrnahm.

Nur wenige Sekunden später tauchte das jüngste Crewmitglied auch endlich auf. Im Schlepptau die restliche Crew, die sich mehr oder weniger ins kleine Zimmer quetschte.

„Zorro!“, wurde er mehrstimmig begrüßt. „Endlich!“

Er blickte in fröhliche und erleichterte Gesichter. Seine Freunde waren glücklich, da es ihm gut ging. Er wollte, dass seine Freunde glücklich waren.

„Endlich?“, wiederholte er fragend und hob eine Augenbraue. „Was soll das heißen? Wie lange war ich weg?“

„Fast drei ganze Tage“, antwortete Nami mit verschränkten Armen. „Jag uns doch nicht immer so einen Schreck ein.“

Er konnte ein schiefes Grinsen nicht verhindern.

„Wie geht’s dir denn?“, fragte Robin auf der anderen Seite recht besorgt. Für einen Moment blieb sein Blick auf ihrem eingegipsten Arm liegen. Dann zuckte er mit den Schultern.

„Alles okay soweit. Was sagt denn unser Doktor?“

Sein Blick traf Chopper und in diesem Moment wusste er, dass Chopper es wohl wusste.

Die fröhlichen Gesichter seiner Freunde schienen auf einmal weit entfernt. Keiner von ihnen wusste es, nicht wenn sie ihn so anstrahlten. Vermutlich hatte Chopper nichts gesagt, hatte sie nicht unnötig beunruhigen wollen.

Für einen Augenblick gab es nur ihn und seinen jungen Freund, während ihm so langsam das Ausmaß seines Sturzes bewusst wurde.  Es war nur ein Sturz gewesen, ein lächerlicher Sturz.

Die Umstehenden wurden ruhiger als sie bemerkten, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist denn los?“ Lysop hörte sich überrumpelt an.

Zorro ignorierte ihn und sah weiterhin nur den jungen Arzt an.

„Wie schlimm ist es?“ Seine Stimme klang ruhig, beinahe entspannt. Niemand würde auch nur erahnen können, was für ein Sturm in ihm herrschte, doch er zeigte nichts, während sie ihn alle anstarrten.

 „Sag du es mir“, antwortete Chopper und biss sich auf die Lippe, „Sag du mir, wie schlimm es ist.“

„Was soll das heißen? Was ist hier los?“ Die Stimme des Kochs war aufgeregt. „Ich dachte, es wäre alles gut gegangen? Marimo hör auf uns zu verarschen.“

Zorro ignorierte ihn, er hatte gerade wahrlich andere Probleme, während er versuchte zu verstehen.

Er sah Ruffy an, der nur den Kopf leicht schräg gelegt hatte, ansonsten bisher still gewesen war.

„Nein“, widersprach Chopper, „ Das hier ist kein Witz. Ich habe nur gesagt, dass es nicht so schlimm ist, wie befürchtet. Ich konnte einen Bruch der Halswirbel sowie eine Kopfverletzung ausschließen. Aber…“ Er sprach nicht weiter und sah Zorro nur an.

 „Aber was?“, hakte Brook nun nach, offensichtlich verunsichert.

Zorro seufzte als er sah, dass der junge Doktor kaum in der Lage war sich zusammenzureißen, geschweige denn seinen Freunden Rede und Antwort zu stehen.

Mit einem Ruck zog er die Decke herunter und offenbarte seine beinahe unverletzten Beine. Bis auf ein paar Schrammen und Blutergüsse wirkten sie absolut in Ordnung.

Es versuchte die Ironie in diesem Bild zu finden. Er war gestürzt. Er, unbesiegbarer Krieger, hatte sich bei einem lächerlichen Sturz verletzt. Er hatte diesen unsinnigen Sturz, der tödlich hätte ausgehen können, beinahe unbeschadet überlebt. Ein paar Prellungen, ein paar Schürf- und Platzwunden, nichts dramatisches, bis auf…

„Ich spüre meine Beine nicht.“

Stille.

„Ich kann sie nicht bewegen.“

Er biss sich auf die Unterlippe als es ihm bewusst wurde. Jetzt, da er es laut aussprach, war es plötzlich eine Tatsache.

„Und so wie Chopper guckt glaube ich, dass es dauerhaft ist.“

Der junge Arzt ließ den Kopf hängen, einzelne Tränen schienen ihren Weg zu finden, während er schwerfällig nickte, ein Aufschluchzen unterdrückend.

„Es tut mir so leid!“, flüsterte er und versteckte sein Gesicht hinter seinen kleinen Hufen.

Und auf einmal fühlte Zorro sich erdrückt unter den geschockten Blicken seiner Freunde. Er spürte wie die Erkenntnis ihn einholte, während kein anderer etwas sagte. Bis gerade war alles in Ordnung gewesen, bis gerade war es nicht mehr als ein Gedanke, eine Angst. Nun war es bittere Realität und er konnte bereits fühlen, wie die Emotionen der anderen seine eigenen aufwühlten.  

Das Atmen fiel ihm schwer. Er würde alles verlieren, alles aufgeben…

Choppers Tränen tropften zu Boden. Nein, er musste sich jetzt zusammenreißen, er durfte die Kontrolle nicht verlieren. Er musste Chopper trösten, musste ruhig sein, er musste ihnen Stütze geben, das war seine Aufgabe. Er musste sie beschützen.

Aber er konnte nicht, nicht jetzt, noch nicht. Sein Herz schlug schneller.

„Könnt ihr mich bitte für einen Augenblick alleine lassen?“, bat er so höflich er konnte, ohne aufzusehen, der Herzschlag in seiner Brust hart und beinahe schmerzlich. Er würde…

„Aber Zorro, wir…“

„Geht einfach!“ Er konnte ihre traurigen Blicke, ihre verzweifelten Worte kaum ertragen. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Sie sollten ihn nicht so sehen. Sie sollten nicht sehen, was jetzt kommen würde.

„Vielleicht wäre es besser…“

„Verschwindet! Ich sagte ich will allein sein!“

„Das ist noch lange kein Grund eine Dame…“

„Haut ab!“

Er packte das nächstbeste was er greifen konnte, ein kleiner Schemel neben seinem Bett, und warf ihn nach dem Koch.

„Ich will keinen von euch sehen!“

Der Blondschopf duckte sich, sodass der Schemel an der geöffneten Türe abprallte.

Er hatte nicht wirklich gezielt und viel Kraft enthielt der Wurf auch nicht, doch er bereute bereits was er getan hatte, dass er die Kontrolle verloren hatte und starrte stur die Wand an seiner Seite an.

 „Wir sollten gehen“, entschied Robin mit ihrer ruhigen Stimme, „Nimm dir Zeit.“

Mit diesen Worten dirigierte sie die anderen ins anliegende Esszimmer, doch er sah sie nicht an, er sah keinen von ihnen an.

Als die Tür ins Schloss fiel konnte er ihre Stimmen von nebenan hören, doch es interessierte ihn nicht.

Er starrte auf seine Beine, sie bewegten sich keinen Millimeter. Er griff nach ihnen, nichts. Er packte fester zu, nichts. Mit aller Kraft die er hatte, bohrte er seine Finger ins eigene Fleisch, konnte sehen, wie die weißen Bandagen sich rot färbten, konnte fühlen wie seine wunden Fingerkuppen schmerzten, doch nichts.

Er versuchte einzelne Muskeln anzuspannen, nichts. Er hob das linke Bein mit seinen Händen an und versuchte es oben zu halten, es fiel plump zurück. Er winkelte es an und versuchte es einfach nur gerade zu halten, wie ein Puppenbein kippte es zur Seite, fiel gegen die Wand.

Es fiel ihm noch schwerer zu atmen, während einzelne Blutstropfen sein Bein hinunterglitten und die unweigerliche Erkenntnis ihn einholte.

Seine Beine, die an sich noch gesund waren, seine Beine, die an sich noch voller Kraft und Stärke waren, hingen an ihm dran wie lebloser Ballast.

Er war gelähmt.

Etwas zerbrach in ihm.

 

Plötzlich öffnete sich die Tür wieder und Chopper kam herein.

Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er ihn erneut hinauszuwerfen. Alles in ihm war erschüttert, er konnte niemanden sonst gerade aushalten und niemand sollte seine Gefühle aushalten müssen.

Aber genau deswegen er war nun mal wer er war. Ein erneuter Kontrollverlust vor seinen Freunden würde er sich nicht zugestehen, es wäre sinnlos und peinlich. Niemand brauchte ihn aushalten.

Es wäre klüger mit Chopper, seinem Arzt zu sprechen, die Wahrheit unwiderruflich zu hören.

Er sollte erfahren was auf ihn zukam obwohl er das bereits ahnte, bereits fürchtete.

Der junge Doktor hatte sich glücklicherweise beruhigt und aufgehört zu weinen.

In dem Moment wo er die Türe schloss, wurde das wirre Gemurmel von der anderen Seite der Türe wieder gedämpft.

„Also?“, fragte er das Rentier, „Was machen wir jetzt?“

Er bemühte sich ruhig zu bleiben, gelassen.

Es war nicht Choppers Schuld. Es war nur ein ganz blöder, lächerlicher Unfall und er wusste, dass ihr jüngstes Crewmitglied nur schwer damit umgehen konnte, wenn Zorro emotional wurde.

Der kleine Doktor sagte nichts, sondern schaute immer noch betreten zu Boden.

Zorro seufzte und rang sich ein Lächeln ab.

„Sieh mich an, Chopper“, befahl er sanft, „Es ist wie es ist, wir können es nicht ändern. Aber was machen wir jetzt?“

„Ich müsste dich untersuchen“, murmelte Chopper, immer noch auf den Boden starrend.

„Dann leg los, ist ja nicht so, als ob ich weglaufen könnte.“

Geschockt starrte das Rentier auf.

„Zu früh?“

„Zu früh…“

Es überraschte ihn wie viel einfacher es war als erwartet. Er fühlte sich fast normal, fast so als ob nicht er der Patient wäre. Er fühlte sich so wie immer, wenn er für Chopper da war. Wenn Chopper da war riss er sich zusammen, er grübelte nicht ins Endlose hinein, sondern tat was er tun konnte und das war zurzeit einfach nur dafür zu sorgen, dass sein kleiner Freund sich nicht die Schuld gab, denn er kannte Chopper gut genug um zu wissen, dass er das tat.

Langsam trat das Rentier näher.

„Du musst dich auf die Seite legen, damit ich an deinen Rücken dran komme“, murmelte er immer noch ohne ihn anzusehen.

Zorro grummelte zustimmend und drehte sich Richtung Wand. Allerdings musste er feststellen, dass seine Beine natürlich nicht von sich aus mitkommen wollten. Mit einem Seufzen hob er sein rechtes Bein hoch und rückte sich mehr oder weniger zurecht.

„Lass mich dir...“ „Ich schaff das schon, Chopper!“

Es dauerte etwas länger, aber schließlich lag er in einer halbwegs stabilen Position.

Er seufzte während der Doktor seine Verbände abnahm.

Von nun an würde sein Leben also so aussehen?

„Okay, dann fange ich jetzt an.“

Erneut murrte er nur zustimmend.

Choppers Hufe auf seinem Rücken waren sanft und vorsichtig, aber bestimmt und zielgenau. Manches ziepte manches schmerzte, aber es war nichts, das er nicht aushalten konnte.

„Deine Wunden verheilen gut, wie immer“, murmelte das kleine Rentier, „Die Schwellungen sind schon fast vollständig zurückgegangen.“

Zorro sagte nichts dazu, sondern ließ den anderen machen.

Zwischendurch konnte er die kleinen Hufe nicht spüren, doch er wusste, dass der junge Doktor unablässig arbeitete. Irgendwann begann Chopper wieder damit neue Verbände anzulegen, aber er wehrte sich nicht. Er war müde. Unendlich müde.

Auf Geheiß des anderen rollte er sich wieder auf den Rücken und richtete sich langsam auf.  Erneut musste er seine Beine von Hand in eine halbwegs angenehme Position legen.

„Also?“, fragte er und sah seinen Freund an, „Was ist deine professionelle Einschätzung?“

Halb liegend, halb sitzend sah er Chopper an, der ihm ein Kissen in den Rücken stopfte um es ihm leichter zu machen. Er ließ es geschehen, gab Chopper somit die Zeit, seine Gedanken zu sortieren.

Dann setzte der andere sich auf seinen Drehstuhl und sah ihn ernst an.

„Also es handelt sich eindeutig um eine Paraplegie“, antwortete er schließlich.

„Und jetzt noch einmal so, dass ich dich verstehen kann“, murrte er reichlich unbeeindruckt.

Chopper seufzte. „Eine vollständige Lähmung beider Beine.“

„Na, soweit war ich auch schon.“

„Das ist nicht lustig, Zorro. Am wahrscheinlichsten ist es, dass dein Rückenmark durch einen Wirbelbruch beim Sturz verletzt wurde. Da mir die nötigen Gerätschaften fehlen kann ich das natürlich nicht hundertprozentig sagen, aber nachdem ich deine Wunden genauestens untersucht habe, bleiben wenig Zweifel. Rein theoretisch wäre auch eine Stauchung oder Prellung möglich, aber die hätte innerhalb der letzten drei Tage bereits abheilen müssen. Und im bewusstlosen Zustand konnte ich sowas nur bedingt überprüfen. “

„Aber du hattest es bereits vermutet?“

„Ich wollte nicht blauäugig genug sein um es nicht zu vermuten.“

Zorro nickte. „Was heißt das für mich, Chopper?“

Lange sah der andere ihn an, während die Knopfaugen ganz langsam wieder erfüllt wurden von Tränen.

„Es tut mir leid, Zorro“, flüsterte er.

Der Schwertkämpfer seufzte. „Das ist aber keine Antwort auf meine Frage.“

„Aber… aber… Es ist meine Schuld, ich muss unachtsam gewesen sein, irgendwas muss ich…“

„Chopper.“ Er hatte eine Hand ausgestreckt und dem anderen auf den Kopf gelegt.

Ernst sah er ihn an. „Es ist nicht deine Schuld, es ist niemandes Schuld. Es war ein Unfall.“

„Aber der Bruch…“ „Ist beim Sturz passiert.“

„Was?“

„Glaub mir, ich erinnere mich gut genug, um das Gefühl wieder zu erkennen. Du warst es nicht, Chopper. Du hast alles richtig gemacht, hast dich gut um mich gekümmert.“

Tränen sickerten ins weiche Fell des Rentiers als er sich an Zorro schmiegte und leise weinte.

„Du musst jetzt stark sein, Chopper“, flüsterte er und streichelte ihn sanft, „Du musst dich jetzt zusammenreißen und mir ganz genau erklären, was auf mich zukommt.“

„Mhm“, stimmte der junge Arzt unter Tränen zu.

Nachdem sich Chopper etwas beruhigt hatte, begann er Zorro in eine für ihn bis dato unbekannte Welt von medizinischen Fachbegriffen einzuführen.

Er redete von Plegie und Parese. Erläuterte ihm die unterschiedlichen Möglichkeiten, wodurch sein Rückenmark verletzt worden sein konnte und die damit im Zusammenhang stehenden Genesungsmöglichkeiten, die relativ mau waren.

Er sprach von den verschiedenen Ausmaßen, die seine Verletzung haben könnte, von kaum merklicher Beeinträchtigung bis hin zu vollständiger Paralyse.

Nach einigen weiteren, für ihn nicht besonders angenehmen, Tests kam Chopper schließlich zu dem Schluss, dass es er unter einer sogenannten sensiblen inkompletten Lähmung litt, oder so etwas in der Art. Der junge Arzt schmiss nur zu gerne mit Fachbegriffen um sich.

Soweit Zorro das richtig verstanden hatte bedeutete dies, dass er zwar weder Kontrolle über noch Gefühl in seinen Beine hatte, was er ja bereits wusste, aber zumindest waren seine vegetativen Funktionen nur leicht betroffen. Was auch immer vegetative Funktionen waren. Erst nach weiteren Erklärungen verstand er und merkte plötzlich wie dankbar er war, dass seine vegetativen Funktionen noch funktionierten.

Er ließ sich zurück gegen sein  Kissen fallen und ignorierte den dumpf pochenden Schmerz als Chopper anfing es zu erklären.

„Könnten wir bitte über etwas anderes reden. Vielleicht etwas weniger Deprimierendes“, unterbrach er den jungen Doktor, da er über so etwas ganz gewiss nicht nachdenken wollte.

Chopper seufzte ebenfalls, doch folgte seiner Bitte und wechselte das Thema zu Therapie und Behandlung. Schon nach wenigen Sekunden musste Zorro feststellen, dass er diesen Teil ihrer Unterhaltung auch nicht deutlich aufbauender fand.

Zum Ende hin überredete er Chopper eine Prognose abzuliefern, doch  das was er hörte, hatte er bereits vorher gewusst. Mit einem erneuten Seufzen schloss er die Auge und beendete so das Gespräch.

„Ich lass dich jetzt etwas schlafen. Sieh erst einmal, dass du dich erholst und dann sehen wir weiter.“

„Ja, mach ich. Danke dir Chopper.“

Die Tür fiel ins Schloss.

Worte des anderen waberten in seinen Gedanken

Vollständige Lähmung

Nicht behandelbar

Lebenslang

Rückenmarksverletzung

Rollstuhl

Er verdeckte seine Augen mit einer Hand und grub die andere in die dünne Decke.

„Verdammte Scheiße!“

Er konnte die Tränen nicht aufhalten.

Er war am Leben, aber er hatte alles verloren, für das es sich zu leben lohnte.

Er war nun ein Krüppel. Er würde seinen Traum aufgeben müssen, alle Träume aufgeben müssen, alles aufgeben müssen.

Er war schwach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  pbxa_539
2017-06-23T13:52:08+00:00 23.06.2017 15:52
Gibt es von "fies" eigentlich eine Steigerung?
Falls ja, trägt sie wohl deinen Namen.
Was tust du dem armen Zoro nur an?
Wobei ich eigentlich nicht wirklich daran glaube, dass die Lähmung zeitlebens sein soll.
Wenn man sich das allerdings mal vorstellt, wäre er ja nicht wirklich mehr eine Hilfe für die Crew.
Gerade er, als einer der stärksten Kämpfer.
Ich wiederhole es: der arme Zoro.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich gespannt sein soll auf das nächste Kapitel, aber meine Neugier treibt mich doch immer wieder hier her. Also warte ich geduldig und klammere mich an den Strohhalm, auf dem geschrieben steht, dass Zoro wieder laufen und kämpfen wird. Und nicht nur makabere Sprüche von sich gibt.
Antwort von:  Sharry
30.06.2017 11:26
Hai^^
vielen Dank für deinen Kommi, ich nehme das mal als Kompliment an ;-P
Ach, ich hab noch so viele Ideen um Zorro leiden zu lassen, ich könnte ganze Bücher darüber schreiben o.o
Also ich verrate mal nicht was passiert, das wäre ja witzlos, allerdings kann ich versprechen, dass es noch ein paar dramatische, aber auch lustige Auseinandersetungen geben wird, auch wenn alles jetzt erst einmal sehr düster scheint (Meine Geschichten haben einen Hang zum theatralischen ;-P)

Danke dir und liebe Grüße
Sharry


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