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Die Erben

Buch Eins: ANBU
von

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Es tut mir Leid

Für ein paar Momente verharrte Makani unter der Wasseroberfläche und schimpfte in Gedanken mit sich selbst. Es war dumm und gefährlich gewesen, sich einfach so ins Getümmel zu stürzen. Auch wenn sie ihr Ziel erreicht hatte – sie hielt den Griff fest um die Schriftrolle geschlossen –, war dies keine besonders professionelle Vorgehensweise gewesen. Und wahrscheinlich war die ganze Aktion noch dazu völlig unnötig gewesen. Itachi und Shisui hatten den Kampf die ganze Zeit über dominiert. Es hätte sicherlich nicht mehr lange gedauert und die beiden hätten die Schriftrolle selbst an sich gebracht.

Schließlich tauchte die Kunoichi vorsichtig auf, um ja nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mit einiger Überraschung musste sie jedoch feststellen, dass sich die Szenerie auf der Lichtung in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt hatte: Von dem hier noch vor wenigen Sekunden tobenden Feuergefecht war nichts mehr zu spüren. Shisui stand zwar immer noch an derselben Stelle, aber er hatte das Kunai sinken lassen und den Griff um den anderen Shinobi gelöst, welcher nun einfach regungslos neben ihm stand. Von den anderen beiden Gegnern fehlte jede Spur. Dann realisierte Makani plötzlich, dass Itachi, welcher eben noch mit den mittlerweile Verschwundenen gekämpft hatte, keine drei Meter von ihr entfernt am Ufer des Tümpels stand und sie mit alarmiertem Gesichtsausdruck musterte.

„Bist du verletzt?“, fragte er. Makani fühlte sich auf einmal hundeelend. Hatte Itachi etwa wegen ihr die beiden anderen ANBUs entkommen lassen? Sie schüttelte den Kopf und murmelte dann kaum vernehmbar: „Es tut mir Leid.“

Doch ihr Team-Leader hatte sich bereits umgedreht und ging zu Shisui hinüber. Makani war es ganz recht, musste sie doch gerade ein reichlich klägliches Bild abgeben. Sie stieg aus dem modrig riechenden Wasser und versuchte dann, so gut es ging, die Entengrütze von ihrer Kleidung zu entfernen.

„Das war ein beeindruckender Sprung!“, rief das besiegte Bōshu-Team-Mietglied herüber und zwinkerte der Kunoichi zu. Es war jener großgewachsene Ninja aus Toras Team.

„Schon gut, Baku“, sagte Shisui. „Du schuldest mir noch was, oder?“ Der Mann namens Baku gab darauf ein gekünstelt theatralisches Seufzten von sich und langte vorne in seine Weste. Er holte die Überreste der offensichtlich soeben von dem kurzhaarigen Uchiha zerbrochenen Porzellanscheibe hervor und händigte sie seinem Bezwinger aus, dann hob er grüßend die Hand und sagte: „Es war mir eine Ehre, gegen euch zu verlieren.“

Im nächsten Moment war auch er zwischen den umstehenden Bäumen verschwunden.

 

„Wir suchen uns einen Platz zum Rasten.“, verkündete Itachi und lief, ohne sich noch einmal umzudrehen, in gemäßigtem Laufschritt los. Kaum zehn Minuten später hielt er neben einem großen Felsen, dessen leicht überstehende obere Teil etwas Schutz vor dem immer noch anhaltenden Regen bot. Wortlos ließen sich die beiden Uchihas an der moosbewachsenen Felswand nieder. Erst da bemerkte Makani, dass ihre mittlerweile vor Kälte starren Hände noch immer die Schriftrolle umklammerten.

„Äh… Itachi?“

Zaghaft tat sie einen Schritt auf den langhaarigen Uchiha zu und hielt  ihm die Rolle hin. Dieser nahm sie immer noch schweigend entgegen, sah die Kunoichi dabei noch nicht einmal an. Niedergeschlagen entfernte sie sich wieder ein paar Schritte und setzte ihren Rucksack ab, um darin nach trockener Kleidung zum Wechseln zu suchen, natürlich ohne Erfolg. Der ganze Inhalt ihrer Tasche triefte und roch nach abgestandenem Wasser. Unbeabsichtigt entfuhr ihr daraufhin ein resigniertes Seufzen.

„Du kannst etwas von mir haben“, bot Shisui an, stand wieder auf und öffnete seinen eigenen Rucksack.

„Es ist auch alles ein bisschen feucht, aber besser, als das, was du da anhast, ist es allemal.“

Er überreichte ihr ein zusammengefaltetes Bündel aus schwarzem Stoff. „Danke“, sagte Makani Shisuis Blick jedoch vermeidend und entfaltete ein relativ trockenes Hemd und eine Hose.

„Ich… äh… ich geh mich kurz umziehen“, murmelte sie und, ohne eine Antwort abzuwarten, flüchtete sie einige Meter in den Wald.

 Sie hatte auf einmal ein so furchtbar drängendes Bedürfnis verspürt, allein zu sein, dass sie glaubte, es keine weitere Minute mit diesen beiden wortkargen Professionalitätsinkarnationen aushalten zu können; als würden ihre von Stärke strotzenden und dennoch perfekt kontrollierten Präsenzen ihr keinen Platz zum existieren einräumen.

Als endlich nichts mehr von den beiden Shinobis wahrzunehmen war, ließ sie sich ächzend gegen einen Baum sinken, rutschte langsam an seiner Rinde herunter und atmete tief durch. Es war mittlerweile später Nachmittag. Beinah unbewusst, so wie sie es häufig tat, wenn sie emotional aufgewühlt war, hüllte sie sich in die langen Schatten der Bäume und wurde schließlich unsichtbar. Sie schloss die Augen und versuchte die Anspannung in ihrem Innern etwas zu lösen.

 

Eigentlich, dachte Makani, entsprachen Itachi und Shisui genau dem, was man allen Ninja von Konoha stets als Ideal vor Augen hielt. In jeder Sekunde ihres Daseins schienen sie voll und ganz Shinobi zu sein und sonst nichts weiter. Itachi war ein hervorragender Anführer. Seine Anweisungen waren kurz und präzise, er handelte taktisch einwandfrei und weit vorausschauend und mit Shisui bildete er ein aufs kleinste Detail abgestimmtes Team, wie man es erst nach jahrerlanger Zusammenarbeit und nur mit entsprechend harmonierenden Fähigkeiten erreichen konnte – soweit die gängige Überzeugung. Aber die beiden Uchihas schienen der Theorie und ebenso den Gerüchten über sich tatsächlich voll und ganz gerecht zu werden. Eigentlich hatte Makani so etwas nicht für möglich gehalten, hatte stets einiges an Übertreibung in den zur Heroisierung neigenden Erzählungen vermutet. Doch waren Itachi und Shisui nicht immer schon in jeder Hinsicht idealtypische Ninja gewesen? Unwillkürlich tauchten die beiden schwarzhaarigen Jungen, die damals manchmal mit ihr gespielt hatten, vor Makanis innerem Auge auf. Die Erinnerungen waren dunkel, war sie doch kaum älter als fünf Jahre alt gewesen. Aber schon damals war es, obwohl es sich wohl noch um Spiele und Kinderträumereien gehandelt hatte, um nichts anderes als Ninja-Künste und den Clan gegangen. Daraus hatte das ganze Universum der Jungen bestanden. Makani war dies immer etwas seltsam erschienen. Dennoch hatte sie über ihre beeindruckenden Tricks gestaunt und war ihnen hinterhergelaufen. Ein- oder zweimal hatte Shisui sie auf dem Rücken getragen – oder war es Itachi gewesen? Wenn auch mit der Zeit etwas verblasst, gehörten diese Momente definitiv zu ihren glücklichsten Kindheitserinnerungen. Doch dann waren die beiden Spielkameraden eines Tages fort und Makani hatte sie von da an nur noch aus der Ferne zu Gesicht bekommen, hatte davon gehört, wie prächtig sie sich entwickelten und zum ganzen Stolz des Uchiha-Clans avancierten. Sie selbst hatte sich seit diesen Tagen dem Clan und seinen Ansprüchen, die, um ehrlich zu sein, eigentlich nie direkt an sie gestellt worden waren, immer mehr entzogen, natürlich ohne dass dies irgendjemandem großartig aufgefallen wäre. Aber jetzt war sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund hier bei der ANBU, bei Itachi und Shisui, und fühlte sich so fehl am Platz wie noch nie in ihrem Leben. Es war nicht nur deshalb, weil sie fürchtete, den Erwartungen an sie nicht gerecht zu werden. Fast noch schlimmer war das Gefühl, ein im Grunde unwillkommener Fremdkörper in einer selbstverständlich von höchster Professionalität, aber gleichzeitig von einer eigentümlichen Intimität und Vertrautheit geprägten Beziehung zu sein, dessen Sprache sie nicht verstand und nie verstehen würde.

 

„Du solltest dich wirklich umziehen. Deine Zähne klappern.“

Makani schnellte vor Schreck in die Höhe und starrte im nächsten Moment in ein Paar rot schimmernde Augen. Itachi stand reglos keine zwei Meter von ihr entfernt und schaute sie direkt an. Obwohl sie aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit einiges über dieses Erbe der Uchihas wusste, hatte sie es tatsächlich noch nie im Einsatz gesehen. Zurzeit gab es, soviel ihr bekannt war, ohnehin nur drei Menschen in Konohagakure, die das Sharingan beherrschten. Offensichtlich konnte Itachi sie Dank seiner Kekkei Genkai sehen. Es ist wirklich eine verflucht starke Waffe, dachte Makani und verlor sich für eine Sekunde in dem unnatürlich durchdringenden Blick, der sie scheinbar völlig problemlos in den sie so oft begleitenden Schatten entdeckt hatte. Doch viel länger hielt sie es nicht aus und auf einmal fühlte sie sich unangenehm nackt und ausgeliefert. Sie hatte einen Moment für sich sein wollen und nun stand sie hier von der Allmacht des Uchihas aus ihrem Versteck gezerrt.

Als hätte Itachi ihr aufkeimendes Unbehagen gespürt, deaktivierte er gleich darauf sein Sharingan, sodass Makani wieder in das vertraute, deutlich distanzierter wirkende Schwarz blickte.

„Entschuldige … Ich dachte, es sei besser, nach dir zu sehen. Du hast eben sehr erschöpft gewirkt.“

Von diesen Worten war Makani dann doch etwas überrascht. Eigentlich hatte sie mit erneuten Vorwürfen gerechnet. Oder war es vielleicht doch ein Ausdruck der Enttäuschung gewesen? Die Kunoichi seufzte resigniert angesichts dieser zermürbenden Gedankengänge, die sie schon den ganzen Tag unterschwellig verfolgt hatten, und ließ sich erneut mit dem Rücken gegen den Baumstamm gedrückt zu Boden sinken.

„Ich bin sehr erschöpft!“, erwiderte sie mit geschlossenen Augen. Sie wollte schon sagen, dass Itachi ruhig zurück zum Lager gehen könne und dass sie sofort nachkommen würde, da hörte sie, wie der Uchiha ein paar Schritte auf sie zutrat und sich dann neben sie ins nasse Moos setzte. Und dort blieb er einfach und sagte nichts, während sein ernster Blick sich irgendwo zwischen den umstehenden Bäumen verlor. Makani betrachtete ihn stirnrunzelnd von der Seite und wartete darauf, dass ihr Anführer sein Verhalten erklären würde, doch vergeblich. Sollte dies etwa ein Versuch werden, sich ihr anzunähern, sie in die Team-Gemeinschaft zu integrieren? Wenn dem so war, hätte man die Situation fast schon als unfreiwillig komisch beschreiben können, denn noch niemals war ihr jemand, der direkt neben ihr saß, so weit entfernt erschienen. Dieses verfluchte Schweigen, dachte sie. Es machte sie langsam wahnsinnig. Es war ihr noch nie leicht gefallen, sich mitzuteilen. Aber in den guten Zeiten mit ihrem alten Team hatte sie eigentlich gelernt, dass man meistens nur auf diese Weise weiterkam. Und  außerdem hatte sie doch bereits einen Entschluss gefasst, oder?

„Itachi, ich … Es tut mit Leid, aber ich glaube, dass es keine gute Idee war, mich in deinem Team aufzunehmen.“

Bei diesen Worten nickte der Shinobi neben ihr kaum merklich. Er nickte!

„Ihr seid auf einer Stufe in eurer Zusammenarbeit angelangt, auf der ich als neues, mit der Arbeit in der ANBU völlig unerfahrenes Mitglied kaum etwas beitragen kann. Auf diese Weise werde ich vermutlich auch nicht viel lernen und, wenn ich Koguma richtig verstanden habe, sollte das doch der Sinn der Sache sein.“

Itachi fuhr fort, zu schweigen und vor sich hin zu starren. Nun gut, sie musste es wohl noch deutlicher machen.

„Also, was ich sagen will, ist, ich möchte nicht in der ANBU bleiben. Ich glaube, in meinem alten Team würde ich ein besserer Ninja werden – für Konoha.“

Die letzten Worte fühlten sich ausgesprochen seltsam an in ihrem Mund. Es dauerte weitere zwanzig Sekunden, bis sich Itachi endlich erbarmte und zu einer Antwort ansetzte: „Der letzte große Krieg ist Jahre her, die Praktiken haben sich geändert. Die meisten haben vergessen, wie es eigentlich funktioniert.“

Zutiefst irritiert schaute die Kunoichi ihren Anführer an. Was in aller Götter Namen redete er da? Dann erwiderte er plötzlich ihren Blick. Sein Ausdruck wirkte streng, aber Makani meinte erneut einen Anflug von jenem Bedauern darin wahrzunehmen, welches sie schon ein paarmal an ihm gesehen zu haben glaubte.  Er fuhr fort: „Der Hokage ist gemeinsam mit den Goikenban über alle Posten im Dorf uneingeschränkt weisungsbefugt. Seit Frieden herrscht, wird davon aber kaum noch Gebrauch gemacht.“

Jetzt glaubte sie, zu verstehen, was er hatte sagen wollen.

„Es ist ein … Befehl? Ich muss bleiben?“

Itachi nickte erneut.

„Aber ich verstehe das nicht. Wieso ich? Wieso jetzt?“, platzte es aus der Kunoichi heraus. Er schien sich  daraufhin einen weiteren Moment, über seine nächste Antwort Gedanken zu machen, die Worte wirkten sehr genau bemessen: „Die Situation ist so angespannt wie seit langem nicht mehr. Die ANBU ist einmal als mit Abstand schlagkräftigste Kriegseinheit eingerichtet worden. Dass wir mittlerweile fast nur noch Spionage- und Entsorgungsaufträge ausführen, kam erst mit der Zeit. Die Einheit ist auch geschrumpft und schon lange nicht mehr so gut organisiert wie früher. Das muss sich ändern.“

Wieder sah Itachi Makani kurz in die Augen.

„Was du auf deiner letzten Mission getan hast, könnte auf große verborgene Macht hindeuten. Vielleicht eine sehr gefährliche Macht, gerade weil du sie offensichtlich nicht kotrollieren kannst. Wir müssen –„ Er schien kurz, zu zögern. „ – Das Dorf muss seine Kräfte richtig einsetzen und kontrollieren.“

Makani versuchte, diese Informationen zu verarbeiten. Sie musste zugeben, dass sie nicht viel von Politik verstand. Sie hatte keine wirkliche Vorstellung davon, was genau Itachi mit ‚die Situation ist angespannt‘ meinen konnte und eigentlich interessierte sie sich dafür in diesem Moment auch eher weniger. Viel mehr drang von neuem in ihr Bewusstsein, dass sie aus ihrem kleinen, wenig beachteten Chunin-Alltag in etwas anderes, größeres und irgendwie beängstigenderes geraten war und vor allem dass dies alles andere als ihre eigene Entscheidung gewesen war.

„Ich hätte viel dafür gegeben, um zu euch zu gehören – früher, aber jetzt …“

Die Worte waren über ihre Lippen geglitten, ohne dass Makani es verhindern konnte, und sie waren so leise gewesen, dass sie hoffte, Itachi hätte sie vielleicht nicht gehört. Doch nach einer kurzen Pause sagte er mit ebenso kaum vernehmbarer, aber unerwartet sanfter Stimme: „Es tut mir Leid.“

Auf einmal begannen Makanis Augen, zu brennen. Sie schluckte schwer und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte.

 

Nach ein paar Minuten erhob sich die Kunoichi schließlich und sagte: „Wir sollten zurückgehen, oder?“

Als sie sich dem Lagerplatz näherten, sahen sie schon aus einiger Entfernung ein flackerndes Licht zwischen den dicken Baumstämmen hindurch scheinen. Am Felsen erwartete sie Shisui vor einem kleinen, fröhlich knisternden Feuer. Er grinste. Itachi dagegen beäugte mit für seine Verhältnisse ziemlich unverhohlenem Missfallen die glühenden Holzstücke zu seinen Füßen. Er wollte gerade etwas sagen, doch da quittierte Shisui den unausgesprochenen Tadel auch schon mit einer wegwerfenden Geste und sagte: „Ach, komm runter, Itachi! Ihr ist kalt. Es wird uns schon niemand entdecken und wenn doch, habe ich noch reichlich Platz in meiner Tasche für ein paar weitere Scherben.“

Der Langhaarige gab darauf ein Seufzen von sich und ließ sich tatsächlich ohne einen weiteren Kommentar neben dem Feuer nieder. Nachdem sich Makani endlich ihrer nassen Kleidung entledigt und sie gegen die trockeneren von Shisui eingetauscht hatte, nahm auch sie Platz. Insgeheim war sie dankbar dafür, dass Shisui anscheinend die Macht besaß, das strenge Gebaren seines Verwandten hin und wieder etwas aufzuweichen. Langsam kroch die Wärme in ihre Knochen und verscheuchte die Kälte. Sie merkte schon, wie ihre Augenlider begannen, schwer zu werden, da stellte Itachi unvermittelt fest: „Du hast Recht, Makani.“

Mit einem Mal war sie wieder wach.

„Womit?“

„Wenn wir das Vorgehen im Team nicht anpassen, wirst du kaum etwas lernen und auch keinen wirklichen Beitrag leisten können.“

Daraufhin schaltete sich Shisui unerwartet ein: „Es ist das erste Team, das Itachi von Grund auf formen muss. Wir beide haben ja eigentlich schon immer zusammen trainiert. Da war es leicht.“

Die Erklärung klang beinah entschuldigend.

„Das ist wahr“, stimmte Itachi ihm zu. „Ich weiß nur wenig über deine Arbeitsweise und wenn es nicht nötig ist, scheinst du auch kaum etwas davon zu zeigen. Du bleibst lieber im Hintergrund.“

Angesichts dieser nüchternen Analyse, wurde der Kunoichi etwas heiß. Sie war es als ausgebildeter Ninja zwar gewohnt, beurteilt zu werden, aber bei Itachi reagierte sie unangebracht empfindlich darauf.

„Ja, so bin ich trainiert“, erwiderte sie schließlich, „aber das weißt du ja, oder?“ Er musste es wissen, er kannte ihr Profil. Ihr Team-Leader blickte mit düsterer Miene ins Feuer. Konnte es etwa sein, dass er mit seiner eigenen Leistung als Anführer unzufrieden war?

„Es wird viel Zeit und Mühe kosten“, sagte er schließlich. „Wir müssen herausfinden, was deine Stärken sind. Wie du deine speziellen Fähigkeiten richtig einsetzen kannst. Aber wenn du dich dieser Aufgabe nicht voll und ganz widmest, wird es nicht gelingen. Dann wird es immer so sein wie heute. Und dass du eigentlich nicht bei der ANBU oder nicht in meinem Team sein willst, macht es nur umso schwerer.“

Obwohl seine Worte nicht wie ein Vorwurf geklungen hatten, sondern erneut wie eine sachliche Feststellung, stieg Ärger in Makani auf und ein Hauch von Trotz. Hatte er sich nicht eben noch bei ihr für die ganze Situation entschuldigt?

„Wie wäre es denn, wenn du uns für den Rest der Mission anführen würdest?“, meldete sich Shisui wieder zu Wort, woraufhin ihn seine Team-Kollegen nur entgeistert anstarrten.

„Naja, Makani könnte so ihre Fähigkeiten einsetzen, wie es ihr am sinnvollsten erscheint, und wir würden mehr darüber erfahren, wie man sie dabei unterstützen kann. Genau für solche Experimente eignet sich doch eine Übung wie diese gut, oder?“

„Äh…?“, war das einzige, das Makani sichtlich überrumpelt von diesem Vorschlag von sich geben konnte. Dies war definitiv eine sehr merkwürdige Idee und sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Itachi hatte die Stirn kraus gezogen und musterte seinen Freund. Die Kunoichi war sich ziemlich sicher, dass der jüngere Uchiha das Ganze als Scherz abtun würde. Umso mehr erschrak sie über seine Antwort: „Das könnte uns tatsächlich weiterbringen.“ Sein Blick suchte den Makanis und es lag fast so etwas wie eine Herausforderung darin.

„Willst du es versuchen? Es liegt an dir, ob du ein Teil unseres Teams werden willst. Wir können es auch einfach so belassen, wie es ist, bis alle erkennen, dass es ein Fehler war, dich in die Einheit aufzunehmen und man dich wieder zu deinen alten Aufgaben zurückkehren lässt.“

Die Angesprochene schluckte erneut einen Anflug von Ärger hinunter, denn obwohl sie Itachi zutraute, dass er eine gewisse Verachtung dafür empfand, wenn man sich seiner Berufung – und das hieß seinen vom Dorf zugewiesenen Pflichten – verweigerte, musste sie zugeben, dass er ihr so immerhin eine Wahl ließ.

„In Ordnung“, hörte sie sich sagen und ihre Stimme klang fester, als sie es sich zugetraut hätte. Daraufhin hielt Itachi ihr ohne einen weiteren Kommentar die immer noch ungeöffnete Schriftrolle hin. Also gut, was hatte sie schon zu verlieren?

Die nassen Papierschichten ließen sich nur schwer aus der gerollten Form befreien. Als Makani es schließlich geschafft hatte, kamen eine Handvoll leicht verschmierte Schriftzeichen zum Vorschein. Sie überflog die wenigen kurzen Anweisungen und ihre Gesichtszüge entgleisten. Ungläubig starrte sie auf die Missionsbeschreibung und fragte sich ernsthaft, ob die Führung diese sogenannte ‚Eliteeinheit‘ noch alle Tassen im Schrank hatte.

„Das ist doch wohl ein Scherz, oder?!“, entrüstete sich die Kunoichi und hielt ihren Kollegen das Schreiben vor die Nase. Shisui brach daraufhin in ein leidlich unterdrücktes Kichern aus, während Itachi kurz die Augen schloss und einmal tief durchatmete, als müsse er sich in diesem Moment besonders zusammenreißen, um den allgegenwärtigen Dilettantismus in seiner Umgebung zu ertragen. Makani drehte das Papier wieder um und überflog noch einmal die Zeilen: „Der Kommandant eurer Division ist ein begeisterter Leser der Icha Icha Flirtparadies-Reihe, dessen Autor unglücklicherweise dem feindlichen Dorf Konohagakure angehört.  Es ist ihm zu Ohren gekommen, dass in Kürze der nächste Band veröffentlicht werden soll, doch noch länger warten kommt für ihn nicht infrage. Bringt das Manuskript für das neue Flirtparadies in euren Besitz und überreicht es so schnell wie möglich eurem sehnsüchtig wartenden Kommandanten auf dem Waldfriedhof.

Oh, Mann!“

Die Kunoichi schüttelte verständnislos den Kopf, doch dann konnte auch sie sich ein belustigtes Schnauben nicht verkneifen.

„Zu Befehl! Ich werde mich nun also mit Leib und Seele der mir anvertrauten Aufgabe widmen und eine Runde Schundliteratur klauen gehen“, spottete sie und für einen kurzen Moment hätte sie schwören können, dass Itachis Mundwinkel bei ihrer Bemerkung gezuckt hatten.

„Nun ja, Jiraiya dürfte ein mehr als würdiger Gegner sein. Ich vermute mal, dass er mit deinem Vorhaben nicht einverstanden sein wird“, merkte er trocken an und damit durfte er tatsächlich verdammt recht haben, dachte Makani.

Da fragteShisui: „War er nicht mal dein Sensei?“

Und wieder einmal war sie überrascht darüber, wie viel die beiden Uchihas über sie wussten.

„Ja, das stimmt“, antwortete sie, „aber nicht lange.“

Jiraiya, ein mittlerweile etwas in die Jahre gekommener, ziemlich exzentrischer Vertreter des Ninja-Berufstandes, war nicht nur ein begeisterter Hobbyschriftsteller mit einer Vorliebe für Schmuddelgeschichten, sondern erstaunlicherweise auch einer der erfahrensten und auf seinem Gebiet kunstfertigsten Shinobi Konohas. Zu seinen ausgemachten Spezialitäten gehörte beispielsweise auch der Einsatz von Natur-Chakra und, als  sich bei Makani vor ein paar Jahren ein ungewöhnliches Talent für genau diese Kampfform angedeutet hatte, wurde sie kurzerhand zu ihm geschickt. Allerdings musste der auf seine eigenwillige Art durchaus engagierte Lehrer bald feststellen, dass die neue Schülerin mit seinen Praktiken nur wenig anfangen konnte.  Sie hatte anscheinend eine ganz eigene Art entwickelt, sich Zugang zu äußeren Energieströmen zu verschaffen, auch wenn sie zu Beginn mit dieser Fähigkeit alles andere als gut umgehen konnte. Zunächst hatten ihre neu entdeckten Kräfte sie schlicht überfordert und geängstigt und das Beschwören von riesigen Kröten und das Herumhantieren mit stinkenden Ölen vermochten ihr dabei nicht wirklich zu helfen.

„Er kämpft hartnäckig und ist immer für eine Überraschung gut – und seine Romane sind ihm heilig. Das wird nicht leicht“, sagte die Kunoichi und war in Gedanken schon dabei, sich einen Schlachtplan zu überlegen. Ihre Team-Kollegen nickten und sahen sie abwartend an. Doch es fiel ihr immer schwerer, sich zu konzentrieren. Zu viele verschiedene Gedanken und Eindrücke wirbelten durch ihren Kopf und die Müdigkeit legte sich immer schwerer auf Schultern und Augenlider. Sie bekam einfach keine Ordnung in das Chaos. Doch unwillkürlich  erinnerte sie sich an ein Detail, das seit dem Kampf auf der Lichtung irgendwie untergegangen war.

„Wir haben die Schriftrolle von Baku, aber das war nur er vorhin, oder? Sein restliches Team fehlte.“

Sie sah, wie beide Uchihas nachdenklich nickten.

„Jeder von den dreien hatte eine echte Schriftrolle bei sich und jeder gehörte zu einem anderen Team?“

Makani war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag und tatsächlich nickten ihre beiden Kollegen erneut. Auf Shisuis Gesicht breitete sich das für ihn typische breite Lächeln aus und er sagte: „Es sieht so aus, als hätten sich die drei Teams zusammengetan. Jeweils einer von ihnen blieb mit der Schriftrolle im Wald. Damit die drei einzelnen Kämpfer besser geschützt sind, sind sie gemeinsam unterwegs gewesen. Tut mir Leid, da habe ich unsere Einheit wohl ziemlich falsch eingeschätzt.“

Der warme Blick des Shinobis mit den kurzen schwarzen Locken rührte Makani auf eigentümliche Weise, doch eine beunruhigende Ahnung verhinderte, dass sich ihre Laune hob.

„Oh nein, das bedeutet, die Reste der Teams schützen bereits die Missionsziele!“, rief sie und wollte schon aufspringen, doch Itachi hielt sie am Arm fest. Die plötzliche Berührung ließ sie erstarren. Kleinlaut murmelte sie: „Sie können in der Zeit sonstwas für Maßnahmen vorbereiten, um uns von dem Manuskript fernzuhalten.“

„Dafür hatten sie bereits mehr als genug Zeit“, erwiderte er ruhig. Makani entzog sich seinem Griff, blieb aber sitzen. Itachi hatte Recht. Außerdem waren sie so müde, dass es schlicht fahrlässig gewesen wäre, ihr Team in einen Kampf zu führen, bei dem im Moment alle Vorteile beim Gegner lagen.

„Gut“, sagte sie nach einem kurzen Schweigen langsam und blinzelte in die rote Abendsonne, „ich schlage vor, dass wir ein paar Stunden ruhen. Aber wir brechen noch vor Sonnenaufgang auf.“ Sie versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. Sie hatte plötzlich das Bild eines Kindes vor Augen, das duldsamen Erwachsenen erklärte, wie man richtig Ninja spielt.

„Wer möchte die erste Wache übernehmen?“

„Das mache ich“, sagte Shisui, stand kurzerhand auf und ging zu einem etwas weiter entfernt stehenden Baum hinüber, von dem aus man die kleine Lichtung besser einsehen konnte. Itachi ließ daraufhin wie auf Kommando den Kopf gegen die Felswand sinken, schloss die Augen und verfiel in völlige Bewegungslosigkeit. Makani betrachtete ihn etwas irritiert und versuchte die quälende Unruhe in ihrem Innern mit Gewalt niederzustrecken, was aber wie zu erwarten nur von wenig Erfolg gekrönt war. Sie hatte keine Ahnung, wie sie dieses Team morgen zum Erfolg führen sollte.

Erst nach einer ganzen Weile, in der sie dem Rauschen der Bäume, dem Knistern des Feuers und den kaum wahrnehmbaren Atemzügen ihres Team-Leaders gelauscht hatte, siegte schließlich die Müdigkeit und sie fiel in einen unruhigen Schlaf. 


Nachwort zu diesem Kapitel:
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