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Die Erben

Buch Eins: ANBU
von

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Führen

Führen

 

Ein dezenter grauer Streifen am Horizont kündigte bereits den nahenden Tag an, doch die zum Teil gepflasterten oder nur mit plattgetrampelter Erde befestigten Straßen von Konohagakure schienen davon nichts zu ahnen. Sie würden ihren nächtlichen Frieden noch für einige Zeit bewahren, bis das übliche morgendliche Treiben begann. Auf den recht chaotisch durch das Dorf gespannten und nur hier und da von einem schiefen Mast gehaltenen Stromleitungen schliefen selbst die Vögel noch. Offiziell zählte die Ninja-Siedlung etwa zehntausend Einwohner und diese blieben in der Nacht für gewöhnlich in ihren Betten, vermutlich weil es um diese Zeit schlicht nichts Besseres zu tun gab. Die einzigen zwei Izakaya im Ort machten um ein Uhr nachts dicht, alle anderen gastronomischen Einrichtungen und Läden schon viel früher. Angeblich hatte es einmal im nördlichen Zentrum, ein vergleichsweise heruntergekommenes Viertel, ein Bordell gegeben. Doch es war schon lange kultureller und politischer Konsens, dass sich ein Dorf, welches sein ganzes Kapital aus der körperlichen und geistigen Fitness seiner sorgfältig zu erstklassigen Ninja ausgebildeten Bewohner schöpfte, kein allzu ausschweifendes Nachtleben erlauben durfte.

Und so war das einzige Lebewesen, das den drei durch das Dorf streifenden Gestalten begegnete, lediglich eine pummlige Katze. Sie wurde von den unverhofft vorüberschleichenden Schritten aufgeschreckt, fuhr aus ihrem Versteck und sauste um die nächste Hausecke. Die kleinste Person der Gruppe, deren Gesicht wie das der anderen von einer weißen Tiermaske verborgen wurde, war ein Stück vorausgegangen und zuckte nun bei der plötzlichen Bewegung deutlich zusammen. Sie blieb auf der Stelle stehen und spähte wachsam die Straße hinunter. Doch nach ein paar Sekunden Stille schien sie überzeugt, dass keine Gefahr drohte, und sie setzte sich wieder in Bewegung. Ihre Begleiter folgten ihr. Sie liefen eine der wenigen breiteren Straßen entlang, welche strahlenförmig vom Hokageturm im Norden ausgehend die ganze kreisförmig angeordnete Siedlung durchzogen. Auf diesem Weg gelangten sie in einen hübschen Randbezirk mit penibel gepflegten Gärten, die jeweils um zwei- bis dreistöckige, pagodenartige Wohnhäuser angelegt waren. Auch hier verharrte fast alles in nächtlichem Schweigen – bis auf das Gebäude, vor dem die drei heimlichen Besucher schließlich anhielten. In einem Zimmer im Erdgeschoss brannte hier das einzige Licht weit und breit und gedämpftes Lachen drang durch das geschlossene Fenster auf die Straße.

 

Makani duckte sich hinter einen Busch und sah stirnrunzelnd zum Haus ihres alten Sensei hinüber. Sie spürte, wie Itachi und Shisui es ihr gleichtaten und ganz dicht hinter ihr in die Hocke gingen.

„Verflucht!“, murmelte sie mehr zu sich selbst. „Er ist wach und irgendjemand scheint bei ihm zu sein. Ob er etwas weiß?“

„Es wäre riskant, ihn zu warnen. Man kann nicht wissen, wie er reagiert“, flüsterte Itachi. „Ich würde erwarten, dass ihn das gegnerische Team heimlich überwacht.“

Am liebsten hätte die Kunoichi ihn daran erinnert, dass ihre Kontrahenten schon einmal bewiesen hatten, dass sie nicht immer unbedingt so handelten, wie Itachi es erwartete, doch sie verkniff sich sie Spitze.

Stattdessen erwiderte sie: „Na, er scheint jedenfalls nicht allein zu sein, aber das Licht brennt im Wohnzimmer. Ich vermute, das Manuskript liegt irgendwo im Arbeitszimmer im ersten Stock.“

Shisui, der in der Zwischenzeit versucht hatte, aus ihrem Versteck heraus jeden Winkel des Grundstücks auszuspähen, sagte: „Ich kann nichts Verdächtiges im Garten erkennen. Also, was ist? Gehen wir rein?“

Makani zögerte und maß die Entfernung vom Zaun bis zum Wohnhaus. Sie mussten etwa dreißig Meter überwinden und auf dieser Seite gab es so gut wie keine Deckung. Sie versuchte sich den Grundriss des Hauses in Erinnerung zu rufen und ging in Gedanken fieberhaft die zwei bis drei Gelegenheiten durch, bei denen sie Jiraiyas Wohnung von innen gesehen hatte. Schließlich fasste sie einen Entschluss und formulierte ihre Instruktionen: „Ich werde erst versuchen, durch das Fenster zu erkennen, wer da drinnen ist. Ihr wartet so lange hier und behaltet die Lage im Auge. Wenn es Schwierigkeiten gibt, warnt ihr mich oder kommt mir zu Hilfe.“

Itachi und Shisui schienen einen Moment über diesen Plan nachzudenken, dann nickten beide knapp. Die Kunoichi hielt noch einen Augenblick inne, holte tief Luft und synchronisierte ihr Chakra mit der Umgebung. Danach trat sie hinter dem Busch hervor und schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung über den Zaun. In gebückter Haltung eilte sie über den Rasen sorgsam darauf achtend, nicht auf die ordentlich gehakten Kieswege zu treten. Dabei war von ihr kaum mehr als ein diffuser Schatten wahrzunehmen, der flink durch den Garten huschte. Am Haus angelangt, presste sie sich dicht neben dem erleuchteten Fenster an die Wand und versuchte, sich auf die aus dem Inneren dringenden Stimmen zu konzentrieren, doch sie meinte lediglich das dröhnende Gelächter Jiraiyas zu erkennen, was gesprochen wurde oder wer sonst noch dabei war, konnte sie nicht ausmachen. Na, immerhin war es der Hobbyschriftsteller selbst und er schien ziemlich entspannt zu sein. Vorsichtig hob Makani ihren Kopf soweit über das Fensterbrett, dass sie geradeso in das Wohnzimmer dahinter lugen konnte. Sie unterdrückte ein Fluchen. Die Personen, wie viele es auch sein mochten, hielten sich anscheinend in einer Ecke des Zimmers auf, die vom Fenster aus nicht einsehbar war, nur die sich an der gegenüberliegenden Wand bewegenden Schatten deuteten auf ihre Anwesenheit hin. Die Kunoichi testete noch einmal, ob sie in einer anderen Positionen nicht vielleicht doch etwas mehr erkennen konnte, musste dann aber einsehen, dass sie auf diese Weise nicht weiterkommen würde. Also schob sie sich ein Stück weiter an der Wand entlang weg von dem verräterischen Lichtschein, der durch das Fenster fiel, hin zu einem mehr Deckung bietenden Winkel. 

Von dort aus suchte sie den Blickkontakt mit ihren Kameraden und versuchte, ihnen durch Gesten zu verstehen zu geben, dass sie zu ihr kommen sollten, ohne zu wissen, ob ihre Zeichen ankamen, denn in der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen. Doch schon im nächsten Moment sausten zwei Gestalten derartig schnell durch den Garten auf sie zu, dass sie den unwillkürlichen Reflex unterdrücken musste, einfach die Flucht zu ergreifen. Dann jedoch knieten die Gestalten nun eindeutig als Itachi und Shisui erkennbar vor ihr und blickten sie nur schweigend durch ihre Masken hindurch an – mit erwartungsvollen Mienen, wie Makani vermutete.

„Es ist nichts durch das Fenster zu erkennen“, berichtete sie. „Als nächsten Schritt schlage ich trotzdem vor, dass wir uns einen Zugang verschaffen. Die Haustür würde ich allerdings lieber vermeiden.“

Sie sah es zwar nicht, aber sie meinte zu spüren, dass Shisui angesichts ihrer gestelzten Ausdrucksweise schmunzelte.

„Ich weiß nicht, ob es so etwas wie einen Hintereingang gibt“, fuhr Makani relativ unbeirrt fort und wies ihre Kollegen an, mit ihr gemeinsam das Haus zu umrunden, um nachzusehen.

Es gab keinen. Ratlos ließ sie die Augen über die Fassade der Gebäuderückseite wandern. Alle Fenster waren fest verschlossen. Sie war schon dabei, eines von ihnen auszuwählen, um daran das Glasschneidewerkzeug, welches in ihrer Gürteltasche steckte, zur Anwendung zu bringen. Diese Lösung war zwar riskant, weil sie zeitaufwändig war und schnell auffliegen konnte, aber die Kunoichi sah momentan keine andere. Da spürte sie, wie jemand an ihrer Weste zupfte. Shisui machte sich am Sockel des Hauses zu schaffen und schob eine Holzlatte der Verkleidung beiseite. Dahinter kam ein knapp meterhoher Hohlraum zum Vorschein. Aufgeregt späte Makani in die Dunkelheit. Sie konnte ein paar massive, senkrecht in die Erde eingelassene Balken erkennen, die den Fußboden trugen, aber nicht wie weit der Raum reichte, ob er sich gar unter der gesamten Grundfläche des Hauses erstreckte. Nichtsdestotrotz erschien ihr dies momentan als die vielversprechendste Möglichkeit, unbemerkt ins Innere des Hauses zu gelangen. Sie nickte ihren Kollegen zu und zwängte sich kurzentschlossen durch die Öffnung.

Auf Händen und Knien krochen sie durch Jahre alten Dreck und Vorhänge aus Spinnweben, während Makani mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete. Verflucht! Wo war bloß die Treppe in den ersten Stock gewesen? Warum konnte sie sich ausgerechnet daran nicht mehr erinnern? Sie registrierte einige wunderbar locker sitzende Dielen über ihrem Kopf, aber was nützte das, wenn sie nicht sicher war, wo sie herauskommen würden. Irgendwo unterhalb des Eingangsbereichs, wie sie vermutete, hielt sie schließlich an, drehte sich ungelenk zu Itachi und Shisui um und flüsterte: „Ich weiß nicht, wo es nach oben geht. Aber… aber ich glaube, es ist nicht gut, wenn wir alle an der gleichen Stelle durch den Fußboden brechen. Sollen wir uns trennen?“ Die Unsicherheit schwang deutlich in ihrer Stimme mit. Doch keiner der beiden Uchihas schien ihr in diesem Moment die Entscheidung abnehmen oder auch nur zu etwas raten zu wollen, obwohl sie sich insgeheim genau das wünschte. Makani schluckte. Verdammt noch mal! Es war doch nur eine Übung!

„Shisui, du platzierst dich unter dem Wohnzimmer und behältst die Lage da oben im Auge. Notfalls greifst du ein. Du, Itachi, steigst hier durch.“ Die Kunoichi deutete auf eine nur von einer einzigen rostigen Schraube gehaltene Diele direkt über ihnen. Du müsstest irgendwo hinter der Garderobe rauskommen, da sollte es genug Deckung geben. Ich werde es im Flur, der vom Wohnzimmer abgeht, versuchen.“

Ohne einen Einwand zu äußern, machten sich ihre beiden Kameraden auf, die Anweisungen zu befolgen, und auch sie selbst befand sich nur wenige Momente später an jener Stelle, über der sie den besagten Flur vermutete. Sie tastete die Decke ab und fand schließlich direkt neben der Hauswand ein Brett, das sich bewegen ließ. Mit leicht zitternden Fingern schob sie es beiseite. Dahinter war es beinah ebenso finster wie in der Nische darunter. Vorsichtig kletterte sie durch den Spalt.

Sie fand sich in einem engen Wandschrank wieder, vollgestopft mit Besen, Lappen und anderen Haushaltsgegenständen. Die Tür bestand aus dünnen Holzlamellen und durch die Zwischenräume fiel ein Hauch von Licht.

„Hahaha, was du nicht sagst! Das erzähle ich ihr seit Jahren! Komm mein Freund, einen genehmigen wir uns noch.“

Jiraiyas Stimme drang deutlich vernehmbar durch die Schranktür. Eine ebenfalls männliche, aber weniger tiefe und leisere Stimme, die Makani sehr vage bekannt vorkam, antwortete: „Für mich nichts mehr, danke! Das Bankett bei Hiruzen letztes Wochenende war feuchtfröhlich genug.“

Ein gedämpftes Klirren war zu vernehmen. Verbrachte der alte Sannin vielleicht einfach nur einen langen geselligen Abend bei ein paar Gläsern Sake? Die Kunoichi im Schrank presste ihr Gesicht gegen die Lamellen und versuchte, zu erkennen, was dahinter lag. Sie befand sich, wie es schien, tatsächlich in dem Flur, der auch ihr Ziel gewesen war. Die Stimmen drangen durch eine geöffnete Tür an einem Ende, durch die ein Lichtschein den ansonsten dunklen Raum erhellte. Sie konnte einen kleinen Teil des Wohnzimmers sehen, ein massiver Hausaltar aus reich verziertem Holz stand dort an der Wand. Die Personen, die sich drinnen unterhielten, blieben aber weiterhin verborgen. Doch, was Makani in diesem Augenblick viel mehr interessierte, befand sich am anderen Ende des Flures: die Treppe in den ersten Stock. Sofort fing ihr Herz an, noch heftiger zu schlagen als zuvor. Das Ziel schien in greifbarer Nähe!

„Du warst doch höchstens die letzten zwei Stunden anwesend“, sagte Jiraiya gespielt beleidigt, „irgendwann musst du mir dein Geheimnis verraten, wie du dich immer vor diesem offiziellen Chichi drücken kannst, ohne dass dir das hinterher jemand übelnimmt.“

„Dahinter steckt jahrelanges Training“, erwiderte sein Gesprächspartner, woraufhin der Sannin in schallendes Gelächter ausbrach.

Makani fasste sich ein Herz und begann sehr vorsichtig damit, die Schranktür zu öffnen, quälend langsam, Millimeter für Millimeter. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass ein plötzliches Quietschen oder Knarren, die gelöste Atmosphäre nebenan störte. Es war wunderbar, dass die Trinkgesellschaft dort so sorglos und beschäftigt schien. Endlich war es soweit geschafft, dass sie hinausschlüpfen konnte. Es waren nur wenige Meter, die sie von der Treppe trennten, und es bestand momentan überhaupt keine Gefahr, dass man sie auf dem Weg dorthin entdecken würde. Mit ein paar schnellen, lautlosen Schritten würde sie oben sein und, wenn sie gefunden hatte, was sie suchte, konnte sie mühelos durch eines der Fenster im ersten Stock entkommen. Sie schob ihren Oberkörper durch den Spalt, setze einen Fuß hinaus auf den Flur und warf noch einen letzen, kurzen Blick zurück zur Wohnzimmertür – Und genau in diesem Moment zuckte sie so heftig zusammen, dass sie all ihre Selbstbeherrschung aufbringen musste, um nicht ausversehen irgendein verräterisches Geräusch zu erzeugen. In der Nische zwischen Hausaltar und Wand kauerte jemand und starrte Makani direkt an. Nach dem ersten Schrecken erkannte sie das lange schwarze Haar und die Maske. Es war Itachi.

„Oh hoho, du verpasst etwas. Der Sake aus Konoha ist drittklassiger Fusel gegen den hier aus dem Norden.“

Jiraiya schlürfte laut und genüsslich.

Die Kunoichi war in ihrer Bewegung erstarrt, sie schaute perplex und zugleich beindruckt zu ihrem Team-Leader hinüber. Er musste irgendwie an dem Sannin und seinem Gast vorbeigekommen sein, ohne dass die beiden auch nur das Geringste bemerkt hatten. Itachi nahm die Maske ab und Makani blickte zum zweiten Mal in das leuchtende Rot des Sharingans. Jenseits der stets ehrfurchtgebietenden Wirkung seiner Kekkei Genkai gab der Uchiha sonst jedoch einen ungewohnt würdelosen Anblick ab. Sein Haar war arg zerzaust und mit Staubfäden und Spinnenweben durchzogen, das Gesicht war schmutzverschmiert. Makani fragte sich kurz, ob sie wohl ebenso mitgenommen aussah, da fing er unvermittelt an, ziemlich eindringlich zu gestikulieren: Zuerst deutete er in das Wohnzimmer, dann hielt er sich beide Hände vor Mund und Nase. Die Kunoichi starrte ihn nur ratlos an. Was zur Hölle machte er da? Itachi wiederholte die Gesten und fügte eine weitere hinzu, indem er beide Hände mit gekrümmten Fingern mehrmals hintereinander zuschnappen ließ. Dazu schien er, mit dem Mund irgendwelche Worte zu formen. Fasziniert und etwas selbstvergessen verfolgte Makani das Schauspiel. Dies war mit Abstand die lebhafteste Mimik, die sie je bei Itachi beobachtet hatte – auch wenn sie tatsächlich nicht die geringste Ahnung hatte, was er ihr damit sagen wollte.

Doch plötzlich geschah etwas, das sie völlig abrupt aus ihren Betrachtungen riss und ihr einen noch viel größeren Schrecken einjagte, als es Itachis unerwartetes Auftauchen soeben getan hatte. Als eine Hand aus den finsteren Tiefen des Wandschrankes hervorschnellte und sich um ihren Knöchel krallte, konnte sie einen entsetzten Aufschrei gerade noch soweit unterdrücken, dass er sich in ein gequetschtes Quieken verwandelte. Und bevor sie begriffen hatte, was geschah, packte sie jemand von hinten und zerrte sie zurück in den Schrank. Eine Hand hielt ihr den Mund zu, ein kräftiger Arm schlang sich schmerzhaft um ihren Oberkörper und die Tür wurde vor ihren Augen wieder zugezogen. Makanis Herz raste und schlug panisch gegen den Druck der brutalen Umarmung an. Die Kraft des Angreifers war überwältigend, sie konnte sich nicht mehr rühren.

„Zu welchem Bōshu-Team gehörst du? Hast du mir aufgelauert?“, zischte es direkt neben ihrem Ohr, sie konnte den Atem auf der Haut spüren. Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Die Hand, die sich gegen ihren Mund gepresst hatte, gab gerade so viel nach, dass sie eine Antwort nuscheln konnte: „Ich gehöre zur Shinpan-Mannschaft! Ich bin in Itachis Team!“

Die Person hinter ihr stutzte und schien, kurz zu überlegen.

„Du bist das neue ANBU-Mitglied?“, fragte der Unbekannte skeptisch.

Makani nickte daraufhin so heftig, wie sie konnte, und schließlich lockerte sich der eiserne Griff, sodass sie wieder freier atmen konnte. Sie keuchte, drehte sich um und blickte in die grinsende Fratze einer ANBU-Maske. Verzweifelt versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Was ging hier vor?

„Du gehörst auch zu einem Shinpan-Team?“, stieß sie immer noch atemlos hervor.

„…Ja“, gab ihr Gegenüber zögerlich zu. Er schien tatsächlich, nicht minder verwirrt zu sein als sie.

„Mein Team und ich sind dabei, den Auftrag auf unserer Schriftrolle auszuführen.“

„Wie lautet der?“, verlangte sie sofort zu wissen.

Das ANBU-Mitglied zögerte. Ob er sich unsicher war, in wie weit er ihr vertrauen konnte oder ob er sich einfach über ihren Befehlston ärgerte, konnte sie nicht genau sagen. Plötzlich schien er sich außerdem der Kuriosität der Situation bewusst zu werden, dass er hier in einem Schrank kauerte mit einer Fremden auf dem Schoß, um die er weiterhin einen Arm geschlungen hielt, während die zahlreichen Besen und Schrubber, die hier gelagert wurden, als Folge ihrer Rangelei nun kreuz und quer über ihnen verteilt lagen. Er stieß die Kunoichi hastig von sich und rückte ein Stück weg.

Dann beantwortete er aber doch ihre Frage: „Wir sollen ein Manuskript stehlen.“

Kaum eine Antwort hätte Makani mehr irritieren können als diese. Sie hatten den gleichen Auftrag erhalten?! Sollten etwa auch die Teams innerhalb einer Mannschaft gegeneinander arbeiten? Doch ganz plötzlich hatte sie eine der Gesten Itachis von eben wieder vor Augen. Seine Hände, die ruckartig zuschnappten wie eine – wie eine Falle Einer Eingebung folgend zog sie die Schriftrolle aus ihrer Tasche, entrollte sie hastig und versuchte in dem mehr als spärlichen Licht nochmals den Text darauf zu lesen. Und – Makani traute ihren Augen kaum. Dort stand auf einmal etwas ganz anderes! Dies war ein völlig anderer Auftrag! Und in diesem Moment durchfuhr sie die Erkenntnis: Nicht die Schriftrollen waren gefälscht worden, sondern die Aufträge darauf. Sie und anscheinend noch weitere Shinpan-Teams waren einer Illusion aufgesessen!

Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen, der den gesamten Inhalt des Schrankes erzittern ließ. Und nun war es um jede Selbstbeherrschung geschehen; Makani entfuhr ein lauter, schriller Schrei. Reflexartig riss sie ein Kunai aus der dafür vorgesehenen Halterung an ihrem Oberschenkel, wirbelte herum und sah sich einem großen Mann in ANBU-Uniform gegenüber, der sich verstörend lässig mit einer Hand am Türrahmen abstützte und auf sie hinuntersah.

„Nana, wer wird denn gleich aus der Haut fahren?“, gluckste er.

Um Fassung ringend erkannte sie die Stimme von Jiraiyas bisher verborgen gebliebenen Gesprächspartner. Und noch mehr erkannte sie. Der Shinobi war hochgewachsen und sehr athletisch gebaut, seine Augen blitzten voller Schalk, doch der Rest seines Gesichts wurde von einer schwarzen, enganliegenden Stoffmaske verdeckt. Makani kannte Hatake Kakashi nicht persönlich, aber sie hatte viel von ihm gehört. In jedem Fall war er unbestritten ein weiterer großer Ninja Konohas. Nun meinte sie, sich auch daran zu erinnern, schon einmal davon gehört zu haben, dass er Mitglied in der ANBU war, obwohl sie ihn selbst noch nicht bei der Spezialeinheit gesehen hatte. Aber in diesem Moment sagte ihr Gefühl ihr, dass er bei dieser Übung zu einem Bōshu-Team gehörte und dass vieles an der verwirrenden Situation, in der sie sich gerade befand, auf sein Wirken zurückzuführen war.

„Nun, ich würde sagen, das mit dem Einbrechen muss dringend nochmal zurück auf den Trainingsplan.“

Die Kunoichi konnte es zwar nicht direkt sehen, aber sie war sich sicher, dass er unter seiner Maske provozierend freundlich grinste. Doch er hatte wohl Recht; sie und der Shinobi hinter ihr, der vor Schreck nicht minder erstarrt zu sein schien, saßen in der Falle.

Am Rand ihres Sichtfeldes nahm sie eine Bewegung wahr. Sie blickte hinüber und sah Jiraiya schwerfällig aus dem Wohnzimmer stapfen. Irritiert und mit leicht verschleiertem Blick schaute er zu dem Kopier-Ninja hinüber und kam langsam näher.

„Mensch, Kakashi, was suchst du denn in meinem – Makani? Was zum…was machst du in meinem Schrank?!“, sagte er mit vom Alkohol träger Zunge und offenkundig völlig verwirrt.

War ja klar, dass diese Masken absolut sinnlos waren, dachte Makani. Solange sie ihr Haar nicht ebenfalls versteckte, würde man sie immer erkennen.

„Tja… äh.“

Langsam erholte sich ihr Gehirn von dem Schock und begann, fast sofort wieder auf Hochtouren zu arbeiten. Was für Möglichkeiten blieben ihr noch? Was hatte Kakashi vor? Sie ausschalten mit Sicherheit! Das gehörte schließlich zu seinem Auftrag. Die Chancen, zu entkommen, standen denkbar schlecht.

Doch plötzlich versteifte sich Kakashi, das Lächeln verschwand augenblicklich aus seinem Gesicht und die Kunoichi zu seinen Füßen riss im gleichen Moment voller Überraschung die Augen auf. Eine Hand war hinter dem Shinobi hervorgeschnellt und hielt ihm ein blitzendes Kunai an die Kehle.

„Nicht bewegen, Kakashi. Lass sie laufen“, ertönte die Stimme von Makanis Team-Leader, leise, aber bestimmt. Der Schwarzmaskierte lächelte erneut.

„Oh, Itachi, ich konnte es kaum erwarten, dich heute Nacht zu sehen.“

Makani schielte den Flur hinunter, vorbei an einem Jiraiya, dem es anscheinend die Sprache verschlagen hatte, zu einem Fenster schräg gegenüber der Wohnzimmertür. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie gegen Kakashi keine Chance hatte, aber Itachi konnte ihn vielleicht lang genug aufhalten. Sie hingegen kannte als einzige ihren richtigen Auftrag. Entscheidungen! – Führen hieß Entscheidungen treffen, oder?

Und dann brach die Hölle los: Aus dem Wohnzimmer war ein fürchterliches Krachen zu hören, das verdächtig danach klang, als wäre jemand geradewegs durch den Fußboden gebrochen, und zwar ohne darauf zu achten, ob Dielen locker saßen oder nicht. Im nächsten Moment stürmte Shisui in den Flur gefolgt von Tora und noch einem weiteren ANBU, die den Uchiha offensichtlich davon abhalten wollten, Itachi und ihr zu Hilfe zu kommen. Als die Gruppe an Jiraiya vorbeistürmte, klappte diesem der Mund auf und er rief entgeistert: „Was zur Hölle soll das hier werden?!“

Während das geschah, war Makani aufgesprungen. An ihren Team-Leader gerichtet schrie sie: „Itachi! Wasserfall!“ Sie ließ sich nicht die Zeit, um sich zu vergewissern, ob er es gehört oder gar verstanden hatte, was sie ihm sagen wollte. Stattdessen spurtete sie alles, was sie an Energie übrighatte, in ihre Beine pumpend den Flur entlang und schaffte es irgendwie, sich trotz der Geschwindigkeit an den ihr entgegen stürmenden Shinobi vorbeizuwinden. Am Rande hörte Makani noch wie jemand etwas schrie und für den Bruchteil einer Sekunde war sie erschrocken über das Ausmaß an Wut in den Worten: „Nein! Wir dürfen keine Uchiha entkommen lassen!“

Dann hielt sie sich schützend die Arme vor das Gesicht und sprang. Das Fensterglas zerbarst in unzählige Stücke und diese sprengten zusammen mit der Kunoichi in den morgendämmrigen Garten hinaus.

Sie konnte nicht sagen, ob ihr jemand folgte. Viel zu laut dröhnte der eigne Herzschlag in ihren Ohren. So schnell war sie noch nicht einmal gerannt, als sie am vergangenen Tag verzweifelt versucht hatte, mit ihren Team-Kollegen mitzuhalten. Keine zehn Minuten später fand sie sich im Wald wieder, schlug Haken und versuchte, so viel Abstand zwischen sich und ihre mutmaßlichen Verfolger zu bringen wie nur irgendwie möglich. Doch insgesamt bewegte sie sich in eine ganz bestimmte Richtung. Ihr Ziel war eine Felswand nordöstlich des Dorfes, an der ein kleiner Fluss an die zwanzig Meter in die Tiefe stürzte. Hinter dem Wasserfall befand sich eine schmale Nische, in der manchmal Opfergaben für eine Waldgottheit abgelegt wurden. Genau dort sollte eine alte ANBU-Maske – die erste, die angeblich je hergestellt worden war – versteckt sein. Der richtige Auftrag für ihr Team lautete, diese Maske zum Waldfriedhof zu bringen. Tatsächlich erschien diese Aufgabe um einiges angemessener als der unwahrscheinliche Blödsinn mit dem Flirtparadis-Manuskript. Trotzdem waren sie in diese bescheuerte Falle getappt – nicht nur sie, sondern auch Itachi und Shisui. Obwohl Makani mittlerweile vor Anstrengung keuchte, umspielte der Anflug eines Lächelns ihre Lippen. Doch es erstarb, als ihr plötzlich der unbehagliche Gedanke kam, dass genau genommen niemand anderes als sie die Verantwortung dafür trug, denn sie hatte das Team angeführt. Und auch der darauffolgende Gedanke war nicht angenehmer, nämlich dass sie durch ihre Entscheidung ihre beiden Kameraden mehr oder weniger geopfert hatte. Es war ihr in diesem Moment einfach als die vielversprechendste Chance erschienen, das vorgegebene Ziel zu erreichen. Über die implizierten Konsequenzen hatte sie während des Geschehens keine Sekunde nachgedacht, sie hatte es einfach getan, weil sie erfolgreich aus dieser Übung hervorgehen wollte und vermutlich auch weil sie meinte, dass beinah jeder Ninja Konohas, aber besonders Itachi und Shisui, ein solches Handeln als notwendig und richtig erachten würde. Trotzdem hatte sie keine Ahnung, ob es wirklich eine gute Entscheidung gewesen war und auch nicht ob sie auf einer realen Mission ebenso handeln könnte. Doch dann würgte Makani jeden weiteren Gedanken in diese Richtung entschieden ab. Egal was zu der momentanen Situation geführt hatte, jetzt musste sie, so gut sie konnte, weitermachen. Sicher hatten ihre Gegner die Maske nicht einfach ungeschützt gelassen, sie würden sie ihr nicht einfach so überlassen.

Und dann war sie da. Das schon eine Weile vernehmbare Rauschen schwoll immer weiter an und schließlich sah sie Wasser durch die Bäume hindurch glitzern. Die Kunoichi hielt an und musste sich im nächsten Moment an einem Stamm festhalten, denn ihre Beine zitterten so stark, dass sie drohten, einfach unter ihr wegzubrechen. Ein paar Sekunden erlaubte sie sich, wieder zu Atem zu kommen, dann schlich sie weiter auf das Brausen zu. Sie stockte und runzelte die Stirn, als sie die Szene am Wasser zu erfassen versuchte. Drei ANBU-Mitglieder waren dort zu erkennen. Zwei von ihnen lagen auf dem Boden, der dritte war über einen der Liegenden gebeugt und hantierte hektisch an ihm herum. Ein ungutes Gefühl zog Makanis Magen zusammen. Die weiße Schutzweste des einen reglos daliegenden Shinobis war nur noch an einzelnen Stellen weiß. Der Rest schimmerte in dunklem, feuchtem Rot. Oh, Nein! Hier stimmte etwas ganz und gar nicht!

 

 

 

*  *  *


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oha... und ab geht die Post.
Diese Idee mit der Übung kam mir erst relativ spät und es sollte ursprünglich nur ein relativ kurzer Schlenker werden. Und jetzt geht das schon drei Kapitel so... oje. Aber es macht Spaß und die Einfälle sprudeln. Also, bis zum nächsten Kapitel :D Komplett anzeigen

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