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Die Erben

Buch Eins: ANBU
von

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Einheit

Am nächsten Morgen wurde Makani von dem Geräusch heftig prasselnden Regens geweckt. Verschlafen trat sie ans Fenster, blinzelte in die trübe Nässe hinaus und fröstelte. Der Himmel war mit einer dicken, tief grau marmorierten Wolkendecke verhangen und die Bäume wiegten sich in scharfen Windböen. Ein noch dunkler gefärbter Horizont ließ befürchten, dass sich die schwüle Luft der letzten Tage heute noch zusätzlich in dem einen oder anderen Blitz zu entladen gedachte. Genau das richtige Wetter, um einen ausgedehnten Ausflug in die Natur zu unternehmen, dachte die Kunoichi unwillig.

Nach einer schnellen Wäsche im Badezimmer – wozu sich großartig zurechtmachen, sie würde ohnehin spätestens nach zehn Minuten draußen völlig durchnässt sein – legte sie ihre neue, etwas zu großeUniform an und zog dann noch einen weiten Pullover und einen recht abgetragenen Umhang darüber, beides ebenfallsvorübergehende Leihgaben der ANBU. Fertig angezogen besah sie sich in einem Wandspiegel in einer Ecke des kleinen Zimmers. Die Augen ihres Spiegelbildes, die eine ähnliche Farbe und eine ähnlich unruhige Musterung aufwiesen wie der Himmel draußen, drückten Skepsis aus. Sie fand, dass sie einen ziemlich unförmigen und abgerissenen Eindruck machte, aber vielleicht war das für diese Inkognito-Aufmachung ja so beabsichtigt. Schließlich warf sie sich noch einen Rucksack, der neben der Tür gestanden hatte, über die Schulter und verließ das Zimmer.

 

„Guten Morgen, Makani!“, ertönte eine tiefe Stimme hinter ihr, als sie gerade im Begriff war, die Haustür zu öffnen. Die rechte Hand bereits am Türgriff hielt sie inne und drehte den Kopf. Im Flur vor der Küche stand ihr Adoptivcousin Tekka, ein großer untersetzter Mann Mitte vierzig mit breitem Kinn und schmalen Augen.

„Guten Morgen“, erwiderte Makani schließlich nach kurzem Zögern und lächelte zurückhaltend. Daraufhin trat der Uchiha noch ein paar Schritte auf sie zu.

„Na, wo willst du denn hin bei dem Wetter?“, fragte er in ungewohntem Plauderton.

„Äh… auf Mission.“

Tekka hob die Augenbrauen.

„Schon wieder? Du bist doch gerade erst zurückgekommen. Sollten sie dir nicht ein paar Tage Ruhe gönnen? Du warst die letzten Monate kaum zwei Wochen zuhause.“

Verwundet zuckte Makani mit den Schultern und fuhr fort, zu lächeln. Der erfahrene Shinobi war selbst dafür bekannt, überausarbeitswütig zu sein. Er war bei der vom Uchiha-Clan geleiteten Polizei von Konoha tätig und Makani konnte sich tatsächlich nicht erinnern, dass er sich,seitdem sie bei ihm und seiner Frau lebte,auch nur einen Tag Urlaub genommen hatte.

Als sie nichts weiter antwortete, gab Tekka schließlich ein Brummen von sich und sagte dann: „Ja, ja, versteh‘ schon. Ihr Jungen wollt euch beweisen und Karriere machen. Aber mal was anderes…“

Er kratzte sich am Kopf und wirkte nun beinah etwas verlegen. „Ich nehme an, du weißt nicht genau, wann du zurückbist, aber… naja, ich dachte, es wäre an der Zeit, dass du mal bei einer Familienratssitzung dabei bist. Was meinst du? Nächste Woche ist eine.“

Perplex starrte Makani ihren Cousin an. Noch nie zuvor hatte man sie auf diese Art in die Angelegenheiten des Clans einbezogen. Nun gut, man hatte sie auch nicht aktiv ausgeschlossen, aber dass Tekka auf sie zukam und sie direkt fragte, ob sie sich einbringen wollte, war etwas absolut Neues. Ein merkwürdig warmes Gefühl breitete sich in Makanis Brust aus. Wenn man sie gefragt hätte, hätte sie es geleugnet, aber tief in ihrem Innern freute sie sich über diese Worte.

„Äh… sicher“, brachte sie schließlich hervor und Tekkas Mundwinkel zuckten kurz. Er nickte Makani zu und sagte: „Gut. Die Anderen werden sich freuen, dich zu sehen. Du lässt dich ja so selten blicken. Tja, und…“. Wieder kratze er sich am Kopf. „Ach, nicht so wichtig. Pass auf dich auf, ja?“ Mit diesen Worten drehte er sich um, ging zurück in die Küche und ließ eine immer noch etwas verwirrt dreinblickende Makani im Flur zurück.

 

Für diese Jahreszeit war der Wind entsetzlich kalt. Die Regentropfen klatschten Makani ins Gesicht, während sie durch den Wald sprintete, über knöcheltiefe Pfützen und umgestürzte Bäume sprang und, obwohl sich nach nur wenigen Minuten eine Gänsehaut auf ihrer nassen Haut bildete, ließ sie ihren Umhang offen hinter sich her flattern. Das in ihren Adern aufsteigende Adrenalin wärmte sie. Während sie sich zügig dem vereinbarten Treffpunkt näherte, füllte sich ihr Bauch immer mehr mit beinahe freudiger Erwartung und sie fühlte sich so voller Energie wie schon lange nicht mehr.Auf einmal kam ihr der Weg, den man für sie vorgesehen hatte, nicht mehr so bedrohlich vor, wie noch am Tag zuvor, sondern vielmehrwie die Tür zu einer womöglich verheißungsvollen und aufregenden Zukunft, in der sie es mit ihren Fähigkeiten vielleicht zu mehr bringen konnte, als sie es je für möglich gehalten hätte. Man gab ihr eine Chance und sie wollte diese nutzen. Einen kurzen Moment fragte sich Makani, was ihre Ziehmutter zu alldem wohl sagen würde, wenn sie davon wüsste.Was ihre ANBU-Mitgliedschaft betraf, musste die Kunoichi feststellen, dass sie es schlicht nicht wusste, aber von den Organisationen innerhalb des Clans hatte Akane alles in allem nicht viel gehalten. Einiges davon hatte sie sogar wörtlich als bloße Wichtigtuerei abgetan.

Doch Makani blieb keine Zeit, um sich weiter darüber Gedanken zu machen, denn auf einmal spürte sie, wie sich zwei menschliche Chakren sehr schnell von hinten auf sie zu bewegten. In jäher Alarmbereitschaftspannten sich alle ihre Muskeln an und sie blickte sich hektisch um. Gerade wollte sie stehen bleiben und sich im Unterholz verbergen, da erkannte sie plötzlich mit unwillkürlicher Erleichterung die beiden Präsenzen. Nur einen Augenblick später brachen zwei vertraute Gestalten durch das dichte Laub der Bäume, sie spurteten spritzend über das regengetränkte Moos des Waldbodens und warendann auch schon direkt neben ihr, eskortierten sie rechts und links in haargenau gleichem Abstand und passten ihre Bewegungen ihrer Geschwindigkeit an.Makani spürte, wie Itachi und Shisui ihr abwechselnd Blicke von der Seite zuwarfen, doch sie sah nur stur geradeaus und legte an Geschwindigkeit zu. Sie hatte auf einmal das unangenehme Gefühl, ein weiteres Mal ohne ihr Wissen beobachtet worden zu sein, und sie beschloss, sich ab sofort immer im Verborgenen zu bewegen, solange sie mit der ANBU zu tun hatte. Wenn das so weiterging, verhieß es nichts Gutes für ihre zukünftige Teamarbeit, war doch Vertrauen dabei eine unbedingt notwendige Voraussetzung. Oder hatte man sie etwa auf die Probe stellen wollen? Wenn dem so war, dann hatte sie eben keine sehr gute Leistung gezeigt. Die beiden hatten sie tatsächlichvollkommen kalt erwischt.

Makani riskierte einen kurzen verstohlenen Blick auf ihre Begleiter. In den Gesichtern der beiden Shinobi war keine Regung auszumachen. Ihre beinah perfekt synchronen Bewegungen waren außergewöhnlich geschmeidig und leichtfüßig, obwohl das Tempo mittlerweile erheblich war.Es hatte immer zu Makanis Stärken gehört, in jeglicher Hinsicht ziemlich ausdauernd zu sein, aber sie ahnte, dass die beiden Uchiha-Sprösslinge sie darinsogar noch übertrafen – die Wahrheit lautete wahrscheinlich, dass ihre neuen Teamkollegen sie in allem um einiges übertrafen.

 

Nachdem sie auf diese Weise ein paar Minuten schweigend durch den Wald gejagt waren, begann sich der Abstand zwischen den Bäumen langsam zu vergrößern bis sie schließlich auf eine von einer niedrigen, alten Steinmauer umgebenen Lichtung gelangten, auf der vereinzelt verwitterte Grabmäler krumm und schief in den aufgewühltenHimmel ragten. Auf dem Waldfriedhof hatten sich bereits einige ANBU-Mitglieder eingefunden. Makani erkannte Tora unter ihnen und ebenso jenen Shinobi, der ihn am vergangenen Tag nach seiner gemeinen Begrüßung in der Überwachungszentrale zurückgepfiffen hatte.Zusammen mit einem dritten unbekannten Mann standen sie bei dem größten Grabstein in der Mitte der Lichtung und schienen damit beschäftigt zu sein, ihre Ausrüstung zu überprüfen.

„Werden wir die ganze Übung in Dreierteams durchführen?“, fragte Makani leise. Ihre Stimme klang eingeschüchtert und das ärgerte sie ein wenig. Sie rechnete schon gar nicht mehr mit einer Antwort, da ertönte plötzlich Shisuis Stimme ganz dicht neben ihr: „Ja, wir schon. Wir arbeiten in unseren Stammteams. Es gibt aber auch einige Zweierteams in der ANBU und sogar ein paar Mitglieder, die bevorzugt allein auf Mission gehen. Es kommt ganz auf die Spezialisierung an. Im Grunde ist es nicht anders als in anderen Teams auch.“

Makani drehte sich um und sah, dass Shisui ihr milde zulächelte. Schüchtern erwiderte sie es. Dann stand auf einmal Itachi neben ihm, sein Gesichtsausdruck war ernst wie immer.

„Hier. Steck dir das vorne in deine Schutzweste“, sagte ihr Anführer und hielt der Kunoichi einen merkwürdigen runden Gegenstand hin.

Etwas irritiert griff Makani danach. Es war eine dünne, etwa handtellergroße Porzellanplatte mit dem ANBU-Zeichen und ihrem Namen darauf.

„Äh… ok. Und was ist das?“.

„Das ist dein Herz“, antwortete ihr Shisui und grinste nun breit angesichts Makanis verständnisloser Miene.

„Das Ziel deiner Gegner ist es, diese Platte zu zerbrechen. Dann giltst du als tot und das bedeutet in der Regel, dass die Übung für dich zu Ende ist“, erklärte er.

Die Kunoichi zog verwundert die Stirn kraus, nickte dann aber, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte, und ließ die Platte in einen anscheinend genau für diesen Zweck vorgesehenen Spalt zwischen Panzerung und Innenfutter ihrer Weste gleiten.

Als Makani wieder aufblickte, bemerkte sie, dass Itachi sie mit scharfen Blicken taxierte.

„Weiß jemand zuhause, dass du weg bist?“, fragte er für Makanis Geschmack eine Nuance zu vorwurfsvoll. Entsprechend patzig antwortete sie: „Das war wohl kaum zu vermeiden. Ich wohne nicht allein. Nach zwei, drei Tagen würde es sogar denen auffallen, dass ich nicht da bin. Ich habe ihnen gesagt, dass ich auf Mission bin.“

Oje, das hatte wohl etwas verbitterter geklungen als beabsichtigt. Makani blickte verlegen zur Seite, doch Itachi schien, davon keine Notiz zu nehmen. Stattdessen fuhr er unbeirrt fort: „Du bist vorhin ohne jedwede Tarnung aus dem Dorf aufgebrochen und warst so unaufmerksam, dass du uns bis zum Schluss nicht bemerkt hast. Es ist heute zwar nur eine Übung, aber die Arbeit in der ANBU ist gefährlich. Unter anderen Umständen hätte das deinen oder unser aller Tod bedeuten können.“

Makani biss die Zähne zusammen und fixierte irgendeinen Punkt ein paar Zentimeter neben Itachis Gesicht.

„Ich bitte um Verzeihung“, sagte sie schließlich tonlos. „Ich werde in Zukunft mehr achtgeben.“

Schließlich schielte sie nach ein paar Sekunden doch zu ihrem Anführer hinüber, als er nichts auf ihre Entschuldigung erwiderte, und erschrak ein wenig über dessen Gesichtsausdrück, weil dieser so gar nicht zu seinen strengen Worten eben zu passen schien. Der Blick seiner Augen war fast weich und er sah – irgendwie bekümmert aus, fand Makani. Doch der Eindruck währte nur einen Augenblick, denn schon im nächsten wurden sie von Shisui unterbrochen: „Hey, Koguma ist da. Es geht los.“.

 

Der ANBU-Anführer hatte sich in der Mitte des Friedhofs platziert und zum Zeichen, dass er etwas ankündigen wollte, eine Hand erhoben. Die anwesenden Ninja begannen, sich daraufhin um ihn zu scharen. Als das dabei entstandene Gemurmel langsam abebbte, begann Koguma zu sprechen: „Guten Morgen allerseits. Ich will euch nicht mit allzu viel Gerede aufhalten. Also hier nur das Wichtigste in Kürze: Ihr werdet in dieser Übung in zwei Mannschaften gegeneinander antreten. Die Teams der Mannschaft Shinpan werden einen Auftrag zu erfüllen haben, während die Teams der Mannschaft Bōshu versuchen, sie genau davon abzuhalten. Die Aufträge für die Mannschaft Shinpan stehen auf diesen Schriftrollen.“

Er deutete auf eine Kiste zu seinen Füßen.

„Ich werde sie gleich an die Bōshu-Teams verteilen. Dann bekommen diese einen Vorsprung von einer halben Stunde, bevor die Shinpan-Teams sich aufmachen, die Schriftrollen an sich zu bringen. Dafür haben sie Zeit bis morgen Mittag. Auf den Schriftrollen stehen verschiedene Aufträge, die jeweils nur von einem Team vollständig ausgeführt werden können. Den Teams der Mannschaft Bōshu ist es nicht erlaubt, in dieser ersten Runde mit der Schriftrolle den Wald zu verlassen. Für ein Shinpan-Team ist die Übung erfolgreich abgeschlossen, wenn der Auftrag ausgeführt ist und sie wieder hierher zurückgekehrt sind. Für ein Bōshu-Team dagegen ist sie erst zu Ende, wenn es das Team, das versucht den zugehörigen Auftrag auszuführen, vollständig eliminiert hat oder es morgen nach Mittagmit der Schriftrolle hierher zurückkehrt. Die Dauer der gesamten Operation ist nicht begrenzt. So, ich glaube, das wär’s erstmal. Ich wünsche euch viel Erfolg!“

Während Kogumas Ansprache hatte sich Makani trotz ihrer steigenden Anspannung ein leichtes Grinsen nicht verkneifen können. Sie fühlte sich auf einmal lebhaft in die Zeit ihrer Chunin-Prüfung zurückversetzt, nur dass sie es diesmal wohl nicht mit einem Haufen halbwüchsiger Genin zu tun haben würde, sondern mit einigen der besten Ninja Konohagakures. Das ANBU-Oberhaupt war mittlerweile dazu übergegangen, die Anführer der Bōshu-Teams aufzurufen und ihnen jeweils eine Schriftrolle zu überreichen. Als die Kiste zu seinen Füßen schließlich leer war, hatte sich Itachi, der die ganze Zeit direkt neben Makani gestanden hatte, allerdings immer noch nicht bewegt. Das musste wohl bedeuten, dass sie zur Mannschaft Shinpan gehörten.

Die nächste halbe Stunde ging ähnlich schweigsam vorüber wie ihr gemeinsamer Weg zum Waldfriedhof. Mittlerweile befanden sich außer ihnen nur noch die drei anderen Teams ihrer Mannschaft auf der Lichtung. Sie standen verstreut um die Grabmäler herum und warteten. Einige unterhielten sich gedämpft und schienen, bereits über ihr Vorgehen zu beraten. Itachi und Shisui jedoch sagten die ganze Zeit über kein Wort und bewegten sich auch kaum. Makani wollte keine Fragen mehr stellen, sie würde warten bis man ihr Anweisungen gab und bis dahin würde sie die beiden Shinobi ebenso gut es ging unterstützen – oder zumindest würde sie versuchen, ihnen nicht im Weg zu stehen. Schließlich hob Koguma seinen Arm, wie er es bereits zuvor für die Bōshu-Teams getan hatte, und kaum zehn Sekunden später war der alte Friedhof bis auf das ANBU-Oberhaupt menschenleer.

 

In rasendem Tempo preschten sie durch den Wald, Itachi und Shisui auf gleicher Höhe vorne weg und Makani mit ein paar Metern Abstand hinterher. Sie schlugen einige Haken und brachten schnell gut einen Kilometer zwischen sich und ihrem Startpunkt. Von nun an achtete Makani peinlichst darauf, ihr Chakra sorgfältig zu verbergen, und mit dezenter Befriedigung registrierte die Konichi, dass sie dies tatsächlich noch etwas besser zu beherrschen schien, als die beiden Uchihas vor ihr. Auf der anderen Seite befürchtete sie allerdings, dass sie diese Höchstgeschwindigkeit nicht all zu lange würde durchhalten können. War es klug, sich bereits zu Beginn dieser langwierigen Unternehmung derart zu verausgaben? Oder verfügten ihre beiden Kollegen etwa über unerschöpfliche Energiereserven?

Doch schon wenige Momente darauf hielt Itachi derart abrupt auf dem dicken Ast einer alten Buche, dass Makani es erst ein paar Augenblicke später bemerkte und zunächst einfach einige Meter weiterrannte. Mit einer leichten Röte im Gesicht landete sie schließlich neben ihm und versuchte Shisuis erneutes Grinsen möglichst würdevoll zu ignorieren.

„Was habt ihr beobachtet?“, fragte Itachi ohne Umschweife in die Runde und auf einmal wusste Makani, wieso ihre beiden Kollegen die ganze Wartezeit über nichts gesagt hatten. Sie hatten versucht, die Chakraspuren der gegnerischen Teams zu verfolgen, und abermals ärgerte sich die Kunoichi über sich selbst, denn sie hatte natürlich nichts Besseres zu tun gehabt, als lediglich die restlichen Shinpan-Teams und ihre eigenen Kollegen zu beobachten. Schließlich antwortete Shisui auf Itachis Frage: „Die Mannschaft hat sich nach wenigen Metern getrennt und ist in alle möglichen Richtungen verschwunden, danach verloren sich die meisten Spuren bald.“

Ihr Anführer nickte und suchte Makanis Blick. Diese beschloss, statt eine Antwort zu geben mit einer Gegenfrage zu kontern. Etwas war ihr nämlich, während sie auf das Startsignal gewartet hatten, merkwürdig erschienen: „Wieso haben wir uns nicht mit den anderen aus unserer Mannschaft abgesprochen? Ich weiß, es geht nur darum, mit dem eigenen Team zu gewinnen, aber wir haben nur bis morgenfrüh Zeit, ein paar Personen in einem riesigen Waldgebiet zu finden. Wäre es da nicht besser, systematisch mit einer größeren Gruppe zu suchen?“

Auf diese Worte hin hob Itachi die Augenbrauen und schien tatsächlich einen Moment darüber nachzudenken.

„Der Gedanke ist gar nicht so schlecht“, bemerkte schließlich Shisui.

„Allerdings ist die ANBU schon lange nicht mehr dafür bekannt, große kooperative Operationen durchzuführen. Wir sind eine Organisation voller Eigenbrötler“, fügte der kurzhaarige Uchiha hinzu und schmunzelte.

„Außerdem suchen wir keine Personen“, warf Itachi plötzlich ein und sah Makani scharf an.

„In diesem Dschungel eine Hand voll Ninja aufzuspüren, die ihr Chakra unterdrücken und wer weiß was noch für Verbergungskünste anwenden, grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit. Wir haben nicht versucht, ihre Spuren zu verfolgen.“

Makanis Augen weiteten sich, denn sie verstand plötzlich.

„Die Schriftrollen haben Chakrasignaturen“, murmelte sie und Itachi nickte. Er fuhr fort: „Die Signaturen können sie nicht verbergen. Sie waren noch lange, nachdem sie den Friedhof verlassen hatten, gut wahrnehmbar. Ich schätze etwa einen halben Kilometer.“

Daraufhin holte Itachi etwas aus seinem Rucksack und reichte es Makani. Es war ein kleines Funkgerät.

„Wir werden nun in entsprechendem Abstand den Wald durchkämmen, bis wir eine von den Schriftrollen lokalisiert haben.“

 

Nachdem Itachi ein paar weitere kurze Anweisungen gegeben hatte, trennten sich die drei und begannen mit der Suche. Makani achtete darauf, immer etwa die gleiche Entfernung zu ihren Kameraden beizubehalten. Dies war nur mithilfe kleiner Peilsender in den Funkgeräten, die jedem von ihnen die aktuelle Position der anderen beiden anzeigte, möglich, denn sie unterdrückten alle weiterhin ihr verräterisches Chakra. Auf diese Weise bewegten sie sich mit konstant mittlerer Geschwindigkeit in die gleiche von Itachi vorgegeben Richtung durch den Wald und versuchten, die Spur der Schriftrollen aufzuspüren.

So vergingen die Stunden. Es war eine anstrengende, zermürbende Tätigkeit, die Makani langsam, aber sicher an die Grenzen ihrer Kraft und Konzentrationsfähigkeit zu treiben drohte. Unablässig scannte sie ihre Umgebung, versuchte jede Anomalie im Chakrafluss des Waldes zu registrieren. Gleichzeitig musste sie permanent eine gewisse Energie aufwenden, um ihre eigene Präsenz verborgen zu halten. Währenddessen war der Regen, der im Laufe des Vormittags fast ganz aufgehört hatte, wieder stärker geworden und die Kunoichi war sich mittlerweile sicher, dass selbst ihre Unterhose vollkommen durchnässt war. Nach fünf Stunden begannen allmählich, die Farben vor ihren Augen zu verschwimmen und ihre Gedanken immer mehr abzuschweifen. Das beschwingte Gefühl, das sie noch am Morgen verspürt hatte, war Ernüchterung gewichen. Die Mitgliedschaft in der ANBU schien noch einmal deutlich höhere Maßstäbe zu setzen, als sie es gewohnt war. Es würde sehr viel harte Arbeit für sie bedeuten, wollte sie tatsächlich nützlich für die Einheit sein. Dennoch, dachte sie grimmig, würde diese kraftaufwändige Suchaktion in einer größeren Gruppe sicherlich schneller zum Erfolg führen. Zu dritt konnten sie immer nur ein verhältnismäßig kleines Gebiet überwachen und sie bewegten sich dabei recht langsam. Im Grunde war es reine Glücksache, ob sie fündig wurden oder nicht.

 

Plötzlich rutschte Makanis Fuß an einem vom Regen besonders glitschig gewordenen Ast ab. Zu überrascht, um sich noch irgendwie abzufangen, fiel sie etwa vier Meter in die Tiefe und landete in einem Busch, dessen stachelige Äste ihre Haut an zahlreichen Stellen aufrissen. Leise fluchend befreite sie sich aus der schmerzhaften Umarmung und begutachtete den Schaden. Da ertönte auf einmal Itachis Stimme aus dem Funkgerät um ihren Hals: „Was ist passiert, Makani? Warum hältst du an?“.

Die Angesprochene seufzte und zog sich einen großen Splitter aus dem Oberschenkel. „Entschuldige, Itachi. Ich bin ausgerutscht.“, und nach kurzem Zögern fügte sie resigniert hinzu: „Ich fürchte, ich brauche eine kurze Pause.“.

Daraufhin blieb es kurz still am anderen Ende der Leitung, dann kündigte schließlich ein Knacken im Lautsprecher die Antwort ihres Team-Leaders an: „Du hast Recht. Wir sollten uns etwas ausruhen.“ Doch bevor er weitere Anweisungen geben konnte, ertönte plötzlich Shisuis angespannt klingendes Flüstern aus dem Gerät: „Hey, hört ihr mich? Ich habe etwas geortet. Es bewegt sich nördlich von mir nach Nord-Osten. Die Spur ist ziemlich stark – ich glaube fast, es ist nicht nur eine Schriftrolle.“

Makani spürte jäh, wie erneut das Adrenalin in ihre Adern schoss und aus irgendwelchen vergessenen Winkeln ihres Körpers bisher verborgene Kraftreserven in ihre Gliedmaßen pumpte.

„Gut, Shisui!“, sagte Itachi. „Nimm sofort die Verfolgung auf, aber halte Abstand und lass dich nicht entdecken. Wir schließen zu dir auf. Makani, bist du in der Lage, zu kämpfen?“.

„Ja!“, antwortete die Kunoichi sofort, es klang beinah ungehalten, während sie bereits Shisuis Position überprüfte. Dieser hatte soeben, wie befohlen, seine Richtung geändert und entfernte sich nun in deutlich erhöhtem Tempo. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, sprang Makani auf jenen Baum zurück, von dem sie gerade heruntergefallen war, und hastete weiter den kleinen leuchtenden Punkt auf ihrem Radar nicht aus den Augen lassend. Währenddessen gab Shisui mit gesenkter Stimme weitere Beobachtungen durch: „Es sind drei Personen. Ich kann noch nicht genau erkennen, wer es ist, der eine Große könnte Baku sein. Und - “, der Uchiha zögerte „ – wenn  ich mich nicht irre, haben sie drei Schriftrollen bei sich. Makani stutzte bei dieser Information. Was konnte das bedeuten?

Doch auf einmal hörte sie ein Geräusch hinter sich und spürte ein schmerzhaftes ziehen im Nacken, als sie etwas zu ruckartig den Kopf danach drehte. Bei der ganzen plötzlichen Aufregung, hatte sie erneut weniger auf ihre Umgebung geachtet, als sie sollte. Doch glücklicherweise sah sie lediglich in das hochkonzentrierte Gesicht ihres Anführers, der in einer mörderischen Geschwindigkeit auf sie zu geschossen kam. Er nickte ihr kurz zu, flog ohne ein Wort an ihr vorbei und Makani hängte sich ebenso kommentarlos an seine Fersen. Dabei musste sie erneut feststellen, dass ihre eigentlich im Allgemeinen als gut eingeschätzte Ausdauer im Vergleich mit der Elite wohl höchstens als Mittelmaß gelten konnte. Als sie nur kurze Zeit später neben ihrem dritten Team-Mitglied in einer Baumkrone landeten, konnte die Kunoichi ihren schwer gehenden Atem nicht mehr länger verbergen. Dem leicht besorgten Blick, welchen Shisui ihr zuwarf, als sie sich haltsuchend in den dünnen Ästen festkrallte, wich sie aus und fragte stattdessen an Itachi gewendet: „Also, wie gehen wir vor?“

Sie folgte seinem Blick und entdeckte etwa hundert Meter entfernt drei Gestalten auf einer Lichtung.

„Sie haben eben dort angehalten. Ich weiß nicht, warum“, berichtete Shisui und warf seinem jüngeren Cousin einen erwartungsvollen Blick zu, doch dieser wandte sich zunächst an Makani: „Wir umstellen sie in so geringem Abstand wie möglich, ohne dass sie uns entdecken. Dann werden Shisui und ich sie angreifen. Du achtest darauf, dass niemand entkommt und unterstützt uns aus der Deckung heraus. Wenn möglich, versuch‘ eine Schriftrolle an dich zu bringen. Wir konzentrieren uns darauf, die Gegner unschädlich zu machen, in Ordnung?“

Die Kunoichi nickte. Itachi schaute noch ein letztes Mal in die Runde und hielt dabei drei Finger in die Höhe, dann zwei, dann einen. Auf das Startsignal hin synchronisierte Makani ihr Chakra mit der Umgebung und verschmolz dann beinahe perfekt mit dem grünbraunen Tupfenmuster des Waldes. Die beiden Uchihas vor ihr formten ein Fingerzeichen und daraufhin schienen ihre Gestalten auf einmal durchscheinend und waren dadurch nur noch schwer erkennbar, doch im Gegensatz zu Makanis ganzheitlicheren Verbergungskunst handelte es sich bei dieser Technik, wie sie wusste, lediglich um eine Lichtillusion, die einen geübten Shinobi nur auf den ersten Blick täuschen konnte.

 

Wie abgesprochen, begab sich Makani auf Position und wartete darauf, dass ihre beiden Kameraden ihren Angriff starten würden. Die drei ahnungslos wirkenden Ninja schienen eine Rast eingelegt zu haben. Einer von ihnen trank gerade etwas aus einer Metallflasche, ein anderer kramte in seinem Rucksack. Der dritte stand neben einem kleinen mit modrigem, braunem Wasser gefüllten Tümpel am Rande der Lichtung und blickte sich wachsam um. Nun konnte auch Makani die Chakrasignaturen der Schriftrollen deutlich wahrnehmen und tatsächlich schien jeder von ihnen, eine bei sich zu tragen. Sollte dieses Team etwa zwei Kopien erstellt haben, um mögliche Angreifer zu verwirren? Wäre es so einfach möglich, die Signaturen zu fälschen? Doch dann sah sie sich die Männer etwas genauer an und stutzte. Makani erkannte den einen großen Shinobi aus der Überwachungszentrale, welcher vom Waldfriedhof aus mit Tora in einem Bōshu-Team gestartet war, doch Tora selbst konnte sie nirgendwo entdecken. Konnte es etwa sein, dass diese drei Ninja dort gar nicht zum selben Team gehörten?

Die Kunoichi überlegte gerade, ob sie ihren Verdacht über das Funkgerät, das immer noch eingeschaltet um ihren Hals hing, weitergeben sollte, doch bevor sie sich dazu entschließen konnte, sah sie auch schon, wie Itachi und Shisui plötzlich blitzschnell aus entgegengesetzten Richtungen auf die Lichtung stürmten. Durch das Meisai Gakureno Jutsu waren sie selbst dabei immer noch kaum zu sehen, jedoch hielten beide dafür umso besser sichtbare brennende Shuriken in den Händen, die sie, als sie über die Lichtung hinwegflogen, in kurzen Abständen auf die drei ANBU-Mitglieder unter ihnen abfeuerten. Dabei legten sie immer wieder nach, so dass die drei völlig überrumpelt wirkenden Männer nichts weiter tun konnte, als sich vor dem nicht enden wollenden Wurfsternregen, dessen Quelle sie zunächst nicht ausmachen konnten, irgendwie in Sicherheit zu bringen. Doch als sie einigermaßen kopflos versuchten, in verschiedene Richtungen aus dem Schussfeld zu fliehen, sahen sie sich plötzlich von jeweils etwa zwanzig sich aufs Haar gleichenden Ausgaben der beiden Uchihas umkreist. Die Schattendoppelgänger ließen den Aufgescheuchten keine Sekunde Zeit, um sich von ihrem Schreck zu erholen, sondern griffen sofort mit einer schwindelerregend schnellen Abfolge von Taijutsus an. Makani konnte währenddessen nicht anders, als über diesen perfekt choreografierten Überraschungsangriff ihrer beiden Kollegen zu staunen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zwei Ninja so gut zusammenarbeiten gesehen zu haben. Sie schienen sich blind zu verstehen und so sehr die Kunoichi auch versuchte, eine Lücke in den Attacken der beiden auszumachen, in die sie aus ihrem Versteck heraus unterstützend eingreifen konnte, sie fand einfach keine – weil es keine gab: Itachi und Shisui bildeten im Kampf eine vollkommene Einheit. Makanis Hilfe schien dabei absolut überflüssig.

 

Doch immerhin handelte es sich auch bei den Angegriffenen um kampferprobte Elitekämpfer und außerdem konnten die Uchiha-Sprösslinge ihre effektivsten – und tödlichsten – Techniken aus offensichtlichen Gründen in diesem Gefecht gar nicht einsetzen. Wahrscheinlich war es sogar um einiges schwerer den Gegnern, ihre Schriftrollen abzujagen oder die Porzellanplatten in ihren Westen zu zerschlagen, ohne sie dabei ernsthaft zu verletzen, als sie einfach mit einem kurzen konzentrierten Angriff schnell und endgültig zu eliminieren. Nach und nach verpufften denn auch alle Doppelgänger, denn im Einzelkampf waren sie einem Original, dem seine gesamte Kraft in einem einzigen Körper zur Verfügung stand, nicht gewachsen. Makani witterte bereits ihre Chance, da gingen Itachi und Shisui jedoch schon dazu über, die drei gegnerischen ANBUs mit ihrer Goukakyuu no Jutsu zu traktieren. Große gelb-rote Feuerkugeln formten sich aus ihrem ausgestoßenen Atem und flogen im nächsten Moment mit einem bedrohlichen Brausen auf die anderen zu. Selbst in ihrem Versteck fühlte Makani die dadurch verursachten heißen Windstöße auf dem Gesicht. EinShinobi, der genau in der Schusslinie einer soeben von Itachi ausgespienen Flammenkugel stand, tauschte sich scheinbar gerade noch rechtzeitig aus der Situation und ließ stattdessen seinen Rucksack in dem Inferno zurück. Doch als er etwa zwanzig Meter daneben wieder auftauchte, musste er feststellen, dass sein Umhang Feuer gefangen hatte. Er klopfte darauf herum und im nächsten Moment war auch schon Shisui, der die kleine Unaufmerksamkeit direkt ausgenutzt hatte, direkt hinter ihm und setzte ihm ein Kunai an seine Brust. Der Überwältigte begriff offenbar sofort, dass er keine Chance mehr hatte, denn er langte in seine Beintasche, holte das Objekt der Begierde heraus und warf es kurzentschlossen in hohem Bogen einem seiner Kollegen zu, der allerdings einige Meter von ihm entfernt kämpfte. Und genau in dieser Sekunde setzten Makanis Instinkte ein und ihr Verstand aus. Sie hechtete aus den schützenden Sträuchern und rannte so schnell sie konnte auf die über die Lichtung fliegende Schriftrolle zu – und, ohne es zu merken, direkt in die Flugbahn von Itachis nächster Goukakyuu no Justu. Als Makani die Schriftrolle zu fassen bekam, fegte der sengend heiße Luftzug über sie hinweg, verkohlte die kleinen Härchen auf ihrer Haut und, ehe sie sich‘s versah, stand auch ihr Umhang lichterloh in Flammen. Kurz fragte sie sich noch, wie das möglich war, wo ihre Kleidung doch schon seit dem Morgen völlig durchnässt war, dann realisierte sie, dass sie schnellstens etwas gegen diesen Zustand unternehmen musste. Ohne lange zu überlegen, sprang die Kunoichi kopfüber in den schlammigen, mit Entengrütze überwucherten Tümpel.

 

 

*  *  *

 

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und da wären wir bei Kapitel vier angelangt, in dem Makani ihren Dienst bei der ANBU antritt.
Das wird auf jeden Fall kein einfaches Unterfangen...
Ich hoffe die komisch verworrene Aufgabe, die den ANBU-Teams gestellt wird, hat nicht allzu verwirrt. Im Manga hätte es wahrscheinlich ein Schaubild oder sowas gegeben, damit es auch noch der Letzte (oder Naruto) versteht.
Also wenn ihr Fragen oder Kritik habt, gerne :)
Eine besondere Herausforderung für mich war dieses Mal auf jeden Fall die Action darzustellen... ich hoffe, es ist einigermaßen unterhaltsam geworden.
Im nächsten Kapitel wird es ein paar Differenzen in unserem Team und eine weitere merkwürdige Aufgabe geben. Komplett anzeigen

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