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Das letzte Gefecht

Shinjitsu Wa Itsumo Hitotsu
von

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Akamizu - Yuukai-Teil oder: In der Falle

Kapitel 6 – Akamizu - Yuukai*-Teil oder: In der Falle
 

London, England, -28 Jahre vor Shinichis Verjüngung-
 

Interessiert sah sich die junge, schlanke Frau mit den langen, hellbraunen Haaren in dem gut gefüllten Tagungssaal um. Hier trafen wirklich Menschen aus aller Herren Länder aus ihrem persönlich bevorzugten Spezialgebiet aufeinander. Schwatzend standen sie in kleineren Grüppchen zusammen, knüpften Kontakte und fachsimpelten. Wie die meisten hoffte auch sie neben dem Erwerb von wertwollem Zusatzwissen, hier auf diesem Kongress einen potenziellen Arbeitgeber finden zu können. Seitdem sie vor gut 3 Jahren ihren Abschluss im Fach Biochemie gemacht hatte, war sie trotz ihrer hervorragenden Referenzen nur sehr schwer untergekommen. Natürlich lag dies auch zum Teil an ihrer Persönlichkeit. Die Frau strebte nach Perfektion und wollte die Geheimnisse des menschlichen Lebens bis zu ihren Anfängen hin erforschen. Die meisten Firmen konnten mit ihren Angeboten ihren Forscherdurst nicht stillen, boten ihr nicht das an, was sie brauchte. Sie hatte von einem befreundeten Studienkollegen gehört, dass in Japan aktuell nach Fachkräften im Bereich der Biochemie gesucht wurde, also hatte sie einige Sprachkurse besucht. Auf Anraten eben dieses Freundes hatte sie sich in ihre elegantesten Kleidungsstücke geworfen und hatte schließlich nach einiger Zeit, die sie auf eine Warteliste gesetzt worden war, einen Platz für diesen Kongress ergattern können.

Unschlüssig sah sie sich um, betrachtete die sich munter unterhaltenden Forscherkollegen. Sie war noch niemals ein Kommunikationstalent gewesen, schon in ihrer Jugend und zu Studienzeiten war sie von ihren Kommilitonen zwar als freundlich und hilfsbereit aber doch auch als verschlossen und ruhig bezeichnet worden. Sogar ihre eigene Familie behauptete manchmal von ihr, einfach nicht zu wissen, was in ihrem Kopf vorging.

In diesem Moment entdeckte sie ihn. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt in einer Gruppe mit etwa fünf weiteren Frauen und Männern und tat seine Meinung zum Thema Zellteilung kund. Einer der Zuhörer, ein älterer Herr mit einem etwa dreißig Zentimeter langen Rauschebart, schien ein Dozent an einer Universität zu sein, er trug eins dieser schon von Weitem erkennbaren Namensschildchen mit dem Emblem der Uni darauf, auch wenn ihr der Name der Uni auf Anhieb nichts sagte. Der Sprecher, der sogar den wesentlich erfahreneren Uni-Dozenten mit seinen Worten in seinen Bann zu ziehen schien, trug einen relativ teuer scheinenden schwarzen Anzug und eine dunkelblaue Krawatte. Sein pechschwarzes Haar fiel ihm in einigen Strähnen lose auf die Stirn, immer wieder strich er diese aus seinem Gesicht, während er in fließendem Englisch weiter refererierte. Zögernd ging sie einen Schritt auf die Gruppe zu und hörte erst einmal eine Weile zu. Unglaublich. Genau diese Gedanken, die der Mann aussprach, hatte sie sich selbst schon einmal gemacht. Kurzentschlossen gesellte sie sich zu der Gruppe. Der Mann unterbrach seine Fachsimpeleien nicht, lächelte sie aber freundlich an und nickte ihr zu. Schüchtern lächelte sie zurück.
 

Samstag, 04. Juli, 19:05 Uhr, Parkplatz des Vergnügungsparks Tropical-Land
 

So elegant es die ungünstigen Umstände zuließen, parkte der braunhaarige Mittzwanziger seinen Oldtimer gekonnt in eine ausreichend große Parklücke. Er stieß die Türe des weißen Subaru 360 auf, stieg aus und vergewisserte sich, dass die Waffe noch immer an Ort und Stelle steckte. Wäre sie verrutscht und die Ausbuchtung möglicherweise zu sehen und er würde so einen Vergnügungspark betreten, würde er sich erst einmal erklären müssen. Dafür hatte er eindeutig keine Zeit. Eilig und ohne sein Auto abzusperren, machte er sich auf den Weg zu den Kassen. Aufgrund des fortgeschrittenen Abends kam er tatsächlich nach nur wenigen Minuten Schlangestehen an die Reihe und kaufte sich eine Eintrittskarte für Studenten zum ermäßigten Preis.
 

Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, linker Zuschauerbereich
 

“Sehr geehrte Damen und Herren, wir bitten die lange Wartezeit zu entschuldigen. Sie dürfen den Saal nun verlassen. Wir möchten Sie bitten, den Zuschauerbereich geordnet zu verlassen. Bitte wenden Sie sich an unseren Informationsschalter im Eingangsbereich, als kleine Wiedergutmachung erhält dort jede Person eine Freikarte für das Tropical-Land an einem Tag Ihrer Wahl… für die Unannehmlichkeiten entschuldigen wir uns noch einmal aufrichtig...” eine freundlich-monotone Frauenstimme erklang aus einem der Lautsprecher und ließ Ai Haibara aufhorchen.

Nur Sekunden nach dem Erklingen der Durchsage begannen die Leute um sie herum aufzustehen und ihre Habseligkeiten einzusammeln. Den meisten war die Erleichterung, endlich den Saal verlassen zu dürfen, deutlich anzumerken. Ein Großteil der Leute, sowie auch sie selbst, wusste noch immer nicht, was eigentlich passiert war hinter der Bühne. Nach und nach waren bis vor etwa 15 Minuten immer wieder Menschen von Polizisten mitgenommen worden und dann nach ein paar Minuten wieder aufgetaucht. Haibara, die sich seit dem Einschalten des Lichtes hinter einer Säule im oberen Teil des Zuschauersaales versteckt gehalten hatte, hatte von den Menschen in der obersten Reihe nur vereinzelte Wortfetzen aufschnappen können. Darunter waren unter anderem: “unglaublich…” “Polizei...” “...ich und verdächtig...” Einmal war ihr, als wäre auch das Wörtchen “Leibesvisitation” gefallen.
 

Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, rechter Zuschauerbereich
 

Die im Gegensatz zu sonst stark minimierte Grundschulkindergruppe, die sich seit Ayumis Telefonat mit Professor Agasa nicht mehr von ihren Plätzen wegbewegt hatte, sah sich nach dem Ertönen der Durchsage unsicher im Raum um. Während die Menschenmassen an ihnen vorbeizogen, fasste Mitsuhiko einen Entschluss:

“Ich weiß, dass der Professor sagte, wir sollen hier auf Subaru-san warten...” fing er an “aber ich finde, wir sollten nach Haibara-san suchen, jetzt wo endlich die Türen geöffnet wurden...” Ein Funkeln trat in ihre Augen und Ayumi und Genta nickten ihm entschlossen zu. Die drei Sechsjährigen standen von ihren Plätzen auf und mischten sich unter die Vorbeiziehenden.
 

Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, in einem unbekannten Hotelzimmer
 

Seufzend legte die schwarzhaarige Oberschülerin Masumi Sera das Smartphone aus ihrer Hand. Sie hatte nun schon zum vierten Mal vergeblich versucht, Conan zu erreichen. Es ließ ihr einfach keine Ruhe.

„Was machst Du denn da, Masumi?“ Ihre Mitbewohnerin taxierte sie mit einem Blick aus ihren großen grünen Augen, die Masumis so ähnlich sahen und die jede Lüge sofort zu durchschauen schienen.

„Nichts… ich habe nur meine Nachrichten gecheckt. Ich warte auf eine wichtige Mitteilung einer Klassenkameradin...“ versuchte das Mädchen von ihren wahren Gedanken abzulenken.

Das blondhaarige Kind sah sie nur kurz prüfend an und ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich wieder auf die Couch. Noch immer liefen die Nachrichten.

„...bei dem Flüchtigen handelt es sich um Masamune Ishada. Der Mann ist etwa 1,80 m groß, sehr stämmig und gut trainiert. Er wird als gewaltbereit und gefährlich eingestuft und ist für mehrere Serienmorde verantwortlich. Eine Bewaffnung ist nicht auszuschließen. Er war vor seiner Verhaftung als Psychologe in einer medizinischen Einrichtung tätig... vor etwa einer Woche wurde der Mann nach einer ärztlichen Untersuchung ins Krankenhaus eingeliefert von wo aus ihm schließlich die Flucht gelang. Sachdienliche Hinweise erbitten wir unter der Rufnummer...“

Gelangweilt schaltete das zierliche Mädchen den Fernseher aus. Sera blickte verstohlen auf ihr Handydisplay und warf dann einen vorsichtigen Blick hinüber zu der Mittelschülerin, die begann, einen nicht vorhandenen Punkt an der Wand intensiv zu betrachten.

„Konntest Du ihn schon erreichen?“

Sera, die sich ertappt fühlte, lief dunkelrot an.

„Nein...“ gab sie schließlich zu.

Wie immer war sie durchschaut worden von ihrer Mitbewohnerin. Aber das war ja auch kein Wunder. Immerhin kannte sie Masumi schon ein Leben lang.
 

Samstag, 04. Juli, 19:16 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Flursystem zur Akamizu-Showhalle
 

“Seid ihr euch sicher, dass wir hier nach ihr suchen sollten? Es sieht nicht so, als ob Zuschauer hier rein dürften...” meinte die kleine Ayumi unsicher, als Genta ohne Scheu eine Türe öffnete und schnurstracks den dahinterliegenden Raum betrat.

“Aber klar doch… wir wissen ja nicht, wohin sie gegangen ist, hier gibt es so viele Abzweigungen und Räume...” meinte nun Mitsuhiko, schloss sich Genta an und sah sich genau um, während sie ein ganzes Stück in das Zimmer hineingingen. Das braunhaarige Mädchen mit dem roten Schal folgte den beiden Jungs zögernd.

Es handelte sich um einen Abstellraum in dem Requisiten und verstaubte Bühnenbildnisse längst nicht mehr aufgeführter Shows eingelagert wurden.

“Hey, seht mal, hier hinten sind jede Menge Masken in dieser Kiste!” Genta winkte die anderen fröhlich zu sich her, direkt vor ihm stand ein großer Karton, in welchem unzählige Masken in verschiedensten Formen und Varianten zu finden waren.

“Das ist ja Wahnsinn!” Meinte Ayumi und betrachtete strahlend das Sammelsurium an Gesichtsbekleidungen.
 

Samstag, 04. Juli, 19:16 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Eingang zur rechten Bühnenhälfte
 

Eilig trat Conan aus dem Bühneneingang. Als er die Stufen hinunter hastete, spürte er plötzlich, wie ihn etwas hart von hinten auf dem oberen Rücken traf und ihn der Stoß zum Stolpern brachte. Er landete unsanft auf dem Hintern und konnte mit Mühe und Not sein Mobiltelefon festhalten, beinahe wäre es in einem hohen Bogen auf den Boden geschleudert worden.

„Aua...“ überrascht sah er auf, das vibrierende Handy noch immer in seiner Hand.

„Tut mir leid, Junge, ich habe nicht aufgepasst und Dich wohl mit meinem Ellenbogen erwischt. Hast Du Dich verletzt?“ Ein in jeder Hinsicht seltsamer Mann, der trotz der draußen herrschenden Wärme merkwürdigerweise in einen langen, schwarzen Mantel gekleidet war, sprach diese Worte aus.

„Nein, es ist alles in Ordnung...“ meinte Conan, während er sich wieder aufrichtete.

„Was für ein komischer Typ...“ dachte er bei sich, während er dessen markantes Gesicht, die für dunkle Innenräume vollkommen ungeeignete Sonnenbrille und die pechschwarzen Haare des Mannes betrachtete.

Der Mann, welcher merkte, dass der Junge ihn eingehend musterte, verabschiedete sich eilig von ihm.

In diesem Moment erinnerte sich Conan wieder daran, dass er den ganzen Tag das Gefühl gehabt hatte, beobachtet zu werden. Komischerweise war dieses Gefühl verschwunden, seitdem der Mordfall passiert war. Wer konnte nur dieser Typ gewesen sein, der nach ihm die rechte Bühnenhälfte betreten hatte?

Außerdem musste er dringend zu den vier anderen zurück. Sie warteten vermutlich sehnsüchtig auf ihn. Es wunderte ihn, dass sie ihn noch nicht gesucht hatten. Er sah auf seine Uhr. 19:16 Uhr.

„So ein Mist, ich habe ja Conans Handy ausgeschaltet und Ran hatte ich versprochen, dass ich spätestens um 18:00 Uhr Zuhause sein werde… Das heißt, weder die Kinder noch Ran konnten mich erreichen...“ murmelte er leise.

Das lautstarke Vibrieren des Mobiltelefons riss ihn schlagartig aus seinen Überlegungen. Er war für einen Moment so in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er das nervtötende Geräusch einfach ausgeblendet hatte.

Wenn er sich nicht beeilte, würde das Mädchen auflegen. Wenn er es nicht schaffte, ranzugehen, würde Ran heute Abend wieder mit bitterer, enttäuschter Miene am Abendbrottisch sitzen und ihre schlechte Laune an Kogoro und ihm auslassen.
 

Samstag, 04. Juli, 19:17 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Sitzplätze direkt am Bühnenaufgang
 

Der Mann mit dem braunen Mantel, den braun gefärbten Haaren und einem gespenstisch weißen Mundschutz lächelte, auch wenn dies für einen Außenstehenden natürlich dank der weißen Gesichtsbedeckung nicht zu erkennen war. Er hatte persönlich dafür gesorgt, dass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Endlich war seine Zeit gekommen. Diese Chance durfte er nicht ungenutzt verstreichen lassen. Darauf hatte er den ganzen Tag gewartet, hatte bereits seit mehreren Tagen Vorbereitungen getroffen. Er stand von seinem Sitzplatz, welcher in der Nähe des Bühnenaufgangs lag, auf und ging gemächlich ein paar Schritte in Richtung Ausgang, immer sein kleines Ziel im Blick.
 

Samstag, 04. Juli, 19:17 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Mittelgang
 

Das kleine Mädchen mit dem Seidentuch wartete ein paar Minuten ab, bis ein so reges Treiben zwischen den Sitzreihen und den Zwischengängen, die zu den beiden großen Ausgangstüren führten, herrschte, dass es im Schutze der vielen Menschenleiber möglichst unerkannt den Raum verlassen konnte.
 

Samstag, 04. Juli, 19:18 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Eingang zur rechten Bühnenhälfte
 

Der Mann mit den dunklen Haaren und dem markanten Gesicht, welches die meisten der Zuschauer im Saal, die auf ihrem Weg nach draußen an ihm vorbeigingen, wohl an einen Fisch erinnern ließ, zog sein Handy aus seiner Tasche und schrieb eine Nachricht. Ein stolzes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, ließ es noch schmaler wirken. Perfekt. Er hatte seinen Auftrag ausgeführt. Möglicherweise gab es für ihn doch noch Aufstiegschancen in der Organisation.

Eigentlich war er hier gewesen, weil er den sogenannten schlafenden Kogoro hatte beschatten müssen, doch dieser war hier im Showsaal verschwunden, zusammen mit dem breitschultrigen Inspektor, dessen Mantel ihn an die Mode eines vergangenen Jahrhunderts zurückerinnern ließ. Er selbst hatte den Raum nicht betreten dürfen und wohl oder übel draußen warten müssen. Als sich die Türen schließlich öffneten, war er, gegen den Strom der hinausströmenden Menschenmassen ankämpfend, eingetreten. Zuerst war er davon ausgegangen, dass er diesen Job gründlich in den Satz gesetzt hatte, immerhin würde nun eine riesige Lücke in seinem Beobachtungsbericht klaffen. Doch als er schließlich eine Bildnachricht mit dem Foto eines kleinen Jungen von Wodka erhalten hatte, die dieser direkt von ganz oben an ihn weitergeleitet hatte, hatte er seine Chance gewittert, sich zu beweisen. Ja. Auch wenn er nicht wusste, was an einem kleinen Kind mit einer Nerdbrille so interessant sein sollte, dass man ihm eine Wanze und einen Tracker unter den Hemdkragen kleben sollte...
 

Samstag, 04. Juli, 19:18 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Flurbereich vor der Akamizu-Showhalle
 

Als Ai den Flur erreichte, verließ sie den Strom der Menschen und bog in einen kleinen Seitengang ein. Sie musste unbedingt einen Weg finden, das Gebäude zu verlassen, ohne dass das Organisationsmitglied sie fand. Aufmerksam sah sie sich um. Gut, es schien ihr Niemand gefolgt zu sein, dieser Teil des Ganges war außerdem von den aus dem Saal strömenden Menschenmassen nicht einsehbar, da sie bereits mehrere Abzweigungen nach rechts genommen hatte. Sie war also vollkommen allein. Ein weiteres Mal bog sie in einen abermals kleineren Gang ein, diesmal entschied sie sich für einen Gang zu ihrer Linken. Am Ende des Flures war ein grün leuchtendes Notausgangsschild zu erkennen. Eilig lief sie an einigen geschlossenen Türen vorbei, die den schmalen Gang säumten. Am Ende des Flures angekommen, griff sie nach der Türklinke,

Sie spürte, wie eine Gänsehaut sie überlief, noch bevor sie die hohe Stimme der Frau hörte, die wie aus dem Nichts zu kommen schien.

“Hier ist Endstation für Dich, Sherry-chan.” Haibara drehte sich resigniert um und sah eine Frau aus dem Schatten eines Eingangs zu ihrer Rechten treten. Sie schien um die fünzig Jahre alt zu sein und hatte ein paar braune, von schmal gezupften schwarzen Augenbrauen gesäumte Augen. Ihr Mund war zu einem beinahe höhnischen Grinsen verzogen und ihre ebenholzschwarzen, glatten Haare fielen ihr schwungvoll auf die Schultern. Sie trug ein dunkles Kleid, um ihre rechte Schulter baumelte der breite Gurt einer großen Damenhandtasche, aus der sie in ebenjenem Moment eine lange schwarze, mit einem Schalldämpfer bestückte Waffe zog. Der Blick, mit dem die Frau sie aus kalten, an dunkle Tunnel erinnernden Augen musterte, ließ die kleingeschrumpfte Ai Haibara, welcher die schwarze Organisation den Namen Sherry gegeben hatte, erahnen, welches Schicksal sie erwarten würde.
 

Samstag, 04. Juli, 19:18 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle
 

So hastig, dass er fast über seine eigenen rot-weißen Powerkickboots stolperte, öffnete Conan Edogawa die schwergängige Türe, die in die weißgeflieste, spärlich ausgestattete Herrentoilette führte.

Er prüfte kurz, ob sonst noch jemand anwesend war und als er sah, dass alle Kabinentüren sperrangelweit offen standen und sich keiner darin befand, huschte er in die mittlere der fünf Kabinen und schob eilig von Innen den Riegel vor.

Der Junge klappte den in Serie hergestellten Toilettensitz hinunter und ließ sich darauf nieder, stellte die Stimme des Oberschülerdetektivs Shinichi Kudo über den als Fliege getarnten Stimmentransposer ein und nahm schließlich das Gespräch an. Er wunderte sich, dass das Mädchen nicht schon lange die Geduld verloren und aufgelegt hatte.

„Ran! Was gibt es denn?“

„Shinichi! Bin ich froh, dass ich Dich erreiche...“ Conan konnte die Erleichterung aus ihrer Stimme heraushören. Sie schien sehr froh, dass er doch noch ans Telefon gegangen war. Irritiert stellte er fest, dass sie ihn nicht mit mit kurzen, sachten Vorwürfen überhäufte und ihn fragte, wieso er denn erst so spät ans Telefon gegangen war. So benahm sie sich normalerweise nur, wenn irgendetwas passiert war und ihr etwas auf dem Herzen lag.

„Was ist denn los, Ran?“

„Nichts… ich wollte nur einfach mal wieder mit Dir reden, das ist alles.“

„Ran.“ Dachte der Junge und seine Augen nahmen einen weichen Ausdruck an.

Jetzt wusste er mit 100%-Sicherheit, dass etwas im Argen lag. Am besten würde er ihr erst einmal zuhören, vermutlich würde sie ihm schon bald von selbst erzählen, was sie bedrückte. Zumindest hoffte er das. Er kannte Ran viel zu gut und wusste, dass sie vieles von dem, was sie belastete, einfach für sich behielt um Niemandem Sorgen zu machen. Sie tat das auch auf die Gefahr hin, selbst von dieser Last erdrückt zu werden.

„Na dann, reden wir...“ meinte Shinichi betont fröhlich, sich aber keinesfalls verstellend. Wenn er mit Ran telefonierte, wurde seine Laune immer schlagartig besser.

„Wo bist Du im Moment? Hast Du immer noch mit Deinem schwierigen Fall zu tun?“ Rans Stimme klang noch immer kein bisschen vorwurfsvoll. Sie interessierte sich einfach nur ehrlich dafür.

„Iiiich...“ setzte Shinichi an und sah sich in der Toilettenkabine um, während ihm der unangenehme Geruch von Putzmitteln und Urin in die Nase stieg. Der kleine Detektiv rümpfte aufgrund des strengen Toilettengeruchs die Nase. Wie hatte er es doch satt! Ständig musste er sich irgendwo verstecken. Vermutlich kannte er jegliche auf dem Markt erhältliche Ausführung von öffentlichen Toiletten. Nicht nur gut, sondern so gut, dass er in den Sanitärfachhandel einsteigen könnte.

„...ich stecke immer noch mittendrin, ja.“ beendete er seinen Satz. Er spürte einen Stich in seiner Brust ob dieser Lüge. Und doch war es nur eine von vielen, die er dem Mädchen, dass er um jeden Preis beschützen wollte, erzählte. Ein Schatten legte sich für einen Moment über seine Augen, dann begann er abermals zu sprechen.

„Sag mal Ran… irgendetwas ist doch mit Dir, habe ich Recht? Ich kann es an Deiner Stimme hören, dass etwas passiert sein muss...“ startete Shinichi nun einen vorsichtigen Versuch, den wahren Grund für ihren Anruf herauszufinden.
 

Samstag, 04. Juli, 19:19 Uhr, Wohnung der Familie Mori, Wohnzimmer
 

Seitdem sie mit Shinichi telefonierte, fühlte sie sich wie so oft ein wenig besser. Die Nervosität, die sie den ganzen Tag beherrscht hatte, schien plötzlich ganz weit weg, als sie den weichen Klang seiner Stimme hörte. Ihr Blick fiel auf den Esstisch mit dem noch übervollen Sandwichteller. Sie hatte sich noch immer nicht dazu durchringen können, eines anzurühren, egal wie sehr Tooru Amuro versucht hatte, ihr diese nahezubringen.

Nach dem Telefonat mit dem Polizeioberrat war der junge Mann schließlich aufgestanden und hatte einen Blick aus dem Fenster geworfen. Danach hatte er angekündigt, dass er wohl langsam wieder hinunter ins Café musste. Da ja nun keine Gefahr mehr drohte, hatte Ran natürlich nichts dagegen gehabt. Ran hatte schließlich den Fernseher eingeschaltet, als der Mann gegangen war. Doch auch das laufende Gerät hatte sie nicht von der Tatsache ablenken können, dass Conan noch nicht Zuhause war und sie ihn auch nicht auf dem Handy erreichen konnte. Im Gegenteil, die laufenden Nachrichten hatten ihre Furcht nur noch geschürt.

„Es ist…“ begann Ran zögernd „Conan ist noch noch nicht Zuhause…“

„Aber darüber musst Du Dir doch keine Sorgen machen, Ran… Du weißt doch, dass dieser Junge schwerer zu hüten ist als ein Sack Flöhe… er kommt sicher bald nach Hause...“ versuchte Shinichi mit beinahe verlegener Stimme das Mädchen zu beschwichtigten. Ran fiel dieser Unterton nicht auf. Allerdings schien Shinichi wie so oft zu merken, dass es noch etwas anderes war, dass sie belastete, deutete ihr Zögern richtig und schwieg genau lange genug, bis sie weitersprach:

„Heute… ist so ein beunruhigender Vorfall geschehen… ich habe eine Person gesehen, die einer Verbrecherin aus einem früheren Fall sehr ähnlich sah, es war eine Verwechslung. Ich habe mich an den Fall damals zurückerinnert und hatte plötzlich wieder Angst, dass so etwas noch einmal passieren könnte… wahrscheinlich mache ich mir deswegen auch so viele Gedanken um Conan. Ich habe das schreckliche Gefühl, dass etwas Furchtbares passieren wird… es… es war wie eine böse Vorahnung...“ brach es aus dem Mädchen hervor.

„Aber Ran...“ drang Shinichis Stimme aus dem Hörer, sie hatte einen unglaublich tröstenden Klang „…mach Dir keine Gedanken. Manchmal verschleiern unsere Empfindungen wie ein Nebel die Sicht auf die Realität… Angst lässt uns nicht mehr klar denken, lähmt uns und kann uns innerlich zerstören. Menschen neigen dazu, sich Dinge, vor denen sie Angst haben, in den dunkelsten Farben auszumalen und sich dann vorzustellen, dass diese Gedanken zur Realität werden… Manchmal geht das soweit, dass die Menschen dann nicht mehr zwischen den selbst erfundenen Ängsten und der Wirklichkeit unterscheiden können. Sie lassen sich von ihren Ängsten beherrschen. Du projizierst Deine Ängst von damals auf heute. Conan geht es sicher gut. Du weißt doch, dass der Junge auf sich aufpassen kann...“ Ran schloss für einen Moment ihre Augen, ließ Shinichis Worte auf sich wirken. Ja, das wusste sie. Sie wusste, das Conan auf sich aufpassen konnte. Trotzdem ließ sie das schlechte Gefühl, welches sie hatte, einfach nicht los. Dann, nach wenigen Sekunden dämmerte ihr, dass sie nicht nur Angst um Conan hatte.

„Ach Shinichi. Wenn Du hier wärst, wäre alles so viel einfacher… es geht mir hierbei nicht nur um Conan...“ dachte sie. „Als ich das letzte Mal eine böse Vorahnung hatte, damals, als wir uns im Vergnügungspark ohne uns richtig voneinander zu verabschieden getrennt haben, ist sie zur Realität geworden. Meine Angst wurde zur Realität, deswegen lähmt sie mich…“ dachte sie und riesige Tränen bildeten sich in ihren Augen, sie konnte im Augenblick selbst nicht verstehen, warum sie gerade jetzt eine riesige Traurigkeit übermannte. Vermutlich lag es an all den Sorgen, die sie sich den Tag über gemacht hatte.

„Und was…“ dachte sie weiter, ihre Gedanken wirbelten nun erschreckend schnell in ihrem Kopf „was, wenn meine größte Angst tatsächlich zur Wirklichkeit wird. So wie damals? Was soll ich dann nur tun, ganz allein? Denn meine größte Angst ist es, Dich tatsächlich zu verlieren...“ Große, heiße Tränen bahnten sich nun ihren Weg ihre Wangen hinunter.
 

Samstag, 04. Juli, 19:20 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle
 

Ran blieb für einen Moment stumm. Alarmiert achtete Shinichi auf die Geräusche vom anderen Ende der Leitung. War da ein leises Schluchzen? Weinte Ran etwa?

„Weißt Du, Shinichi...“ fing Ran nun wieder an, ihre Stimme zitterte leicht, doch ansonsten hatte sie sich sehr gut im Griff, auch wenn der geschrumpfte Oberschülerdetektiv ahnte, dass ihr bestimmt stumme Tränen die Wangen hinunterliefen.

„Es ist nicht nur Conan.“ Shinichi horchte auf, ihre Stimme klang plötzlich sehr ernst. Die nächsten Worte die sie aussprach, wogen schwer:

„Ich mache mir auch Sorgen um Dich, Shinichi.“ Für einen Moment fühlte der Junge sich, als umklammerte jemand mit einem eisigen Griff sein Herz.

„Ran...“ dachte er deprimiert. „Wie gerne würde ich Dir die Wahrheit erzählen… aber es geht nicht. Ich brächte Dich damit in eine unglaubliche Gefahr. Das kann ich nicht riskieren… diese Verbrecherorganisation darf auf keinen Fall unterschätzt werden… wüsstest Du die Wahrheit, wären diese Leute auch hinter Dir her. Sie würden uns alle töten...“ Er schluckte schwer, überlegte seine nächsten Worte genau.

„Ran...“ begann er, doch sie unterbrach ihn, sie schien wirklich aufgewühlt.

„Ich meine nur… wenn Du Deine Nase immer in Dinge steckst, die dich nichts angehen, könnte das einmal nicht so glimpflich ausgehen wie es das bis jetzt immer getan hat...“ Als Shinichi diese Worte hörte, musste er beinahe ein wenig lächeln, als er die folgenden Worte dachte: „Du weißt überhaupt nicht, wie Recht Du damit hast. Leider ist es dafür schon zu spät. Meine Strafe folgte auf dem Fuße. Und jetzt brauche ich wieder einen Schemel, damit ich mir überhaupt am Waschbecken die Zähne putzen kann...“

„Wie kommst Du denn darauf? Du weißt doch, ich bin immer vorsichtig.“ Schwindelte Shinichi mit sanfter Stimme um Ran zu beruhigen.

„Ich habe einen Bericht über einen aus dem Gefängnis entflohenen Serienmörder gesehen… Er hat mehrere Menschen getötet, darunter auch Polizisten. Einer dieser Polizisten ist bei dem Versuch, ihn zu verhaften, gestorben. Ich habe allerdings zu spät eingeschaltet, ich habe den Namen nicht mitbekommen. Hast Du ihn auch gesehen?“ Fragte Ran, sie schien nun noch aufgeregter.

„Nein, ich war bis über beide Ohren in meinen Fall vertieft...“

„Das ist ja interessant. Den muss ich mir sofort heute Abend online ansehen.“ Dachte Shinichi.

Er merkte, dass sie nun endlich an dem Punkt angekommen waren, über den sie wirklich dringend reden wollte.

„Weißt Du Shinichi… als ich den Bericht gesehen habe, musste ich daran denken, dass Du so oft mit solchen Menschen zu tun hast. Vielleicht hattest Du bis jetzt immer nur Glück… Mörder sind unberechenbar… außerdem habe ich das Gefühl, dass Du wirklich in Schwierigkeiten steckst. Immerhin bist Du zu einem ziemlichen Geheimniskrämer geworden und trittst kaum mehr in der Öffenltichkeit auf… ist etwa einer Derjenigen, die Du überführt hast, hinter Dir her?“ Meinte Ran nun und Shinichi entgegnete sofort: „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, Ran. Ich stecke nicht in Schwierigkeiten, versprochen. Mein Fall ist nur so komplex und ich habe meinem Klienten versprochen, keine anderen Fälle anzunehmen, während ich diesen löse. Er möchte, dass ich mich ganz darauf konzentriere, ich bin daran gebunden. Wenn ich mich also anderen Fällen zuwende, muss ich das im Geheimen machen. Du weißt doch, ich kann einfach nicht nein sagen, wenn mir ein Fall über den Weg läuft. Und ich passe schon auf mich auf. Auf meine meisterhaften detektivischen Fähigkeiten ist Verlass. Ich verspreche Dir, dass ich wieder nach Hause kommen werde...“ Meinte er nur schnell und klang selbstsicherer, als er sich tatsächlich fühlte. Das war Lüge Nummer Drei an diesem Abend. Sein Herz fühlte sich nun an, als hätte ihm jemand einen riesigen, kantigen Felsbrocken daraufgelegt.

Allerdings schien sein Beruhigungsmanöver geklappt zu haben, zumindest hörte sich Rans Stimme nun schon entspannter an, ja, sie klang sogar fast schon wieder normal.

„Du bist ein ganz schöner Angeber, weißt Du das?“

„Weiß ich. Angeber Shinichi Kudo, stets zu Ihren Diensten.“ Er konnte Ran förmlich auf der anderen Seite des Telefons lächeln sehen, sah das nun wieder vorhandene Strahlen in ihren Augen, als er diese Worte selbstbewusst aussprach.

„Nun gut, Herr Angeber. Dann verabschiede ich mich jetzt besser. Ich muss das Abendessen für Paps und Conan machen, sofern sie sich denn bald einmal bequemen, wieder aufzutauchen...“

„Machs gut und bis bald, Ran.“

„Bis bald, Shinichi.“
 

Samstag, 04. Juli, 19:21 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort
 

Innerlich triumphierend saß der Mann in seinem Versteck. Jetzt konnte er sich also ganz sicher sein, dass es sich bei dem Jungen um einen Erwachsenen handelte. Immerhin hatte er zuvor noch beobachten können, dass das Handy des Kindes geklingelt hatte und nichts ließ darauf schließen, dass die erwachsene Stimme, die die Wanze an seinen Laptop übertragen hatte, nicht zu ihm gehörte. Sein Handlanger hatte gute Arbeit geleistet. Das Abhörgerät war perfekt platziert worden, die ihm unbekannte Erwachsenenstimme war glasklar zu hören gewesen. Als sie ertönt war, hatte er sofort an die rote Fliege gedacht, die sich der Junge vor den Munde gehalten hatte, als er mit Kogoro Moris Stimme den Mordfall gelöst hatte. “Ein verdammt pfiffiges Kerlchen...” murmelte er leise. Er sah nun noch einmal auf seinen Laptop.

Über eine kleine Anzeige auf seinem Bildschirm konnte er den winzigen, leuchtenden Punkt ausmachen. Die Zielperson befand sich auf der Herrentoilette und bewegte sich schon seit einigen Minuten nicht mehr vom Fleck.

Innerlich fügte er seiner Informationsliste einen weiteren Namen zu: Ran Mori. Das Mädchen, dass in der Detektei Mori wohnte. Eindeutig eine potenzielle Gefahrenquelle, sie schienen sich nahezustehen. Um sie würde er sich später kümmern.

Es galt nun, herauszufinden, wer der Junge in Wirklichkeit war. Und wie hatte er es geschafft, an seine E-Mail-Adresse zu kommen? Gab es tatsächlich einen Verräter in der Organisation oder war der Junge auf andere Art und Weise an die Adresse gekommen? Nach dem, was er heute gesehen hatte, wäre ihm das auf jeden Fall zuzutrauen.

Er musste sich eingestehen, dass der Junge ihn mit jeder neuen Information, die er über ihn erhielt, neugieriger machte. Es hatten schon ganz andere schlaue Füchse versucht, ihn zu täuschen, keinem war es gelungen. Nicht einmal Shuichi Akai, obwohl dieser wohl einer der wenigen war, denen er wirklich zugetraut hatte, seiner Organisation etwas anzuhaben. Doch Shuichi Akai war tot, Kir hatte ihn beseitigt. Die Videoaufnahmen, die Gin ihm zugespielt hatte, bewiesen das eindeutig. Er war eine ernstzunehmende Gefahr gewesen. Hatte er in dem Jungen einen neuen Shuichi Akai gefunden?

Das Geräusch einer eintreffenden Nachricht riss ihn aus seinen Gedanken. Sie stammte von Madeira.

“Endlich...” dachte er nur ungeduldig und öffnete sie: “Habe Sherry lokalisiert. Weiteres Vorgehen?”

Hastig tippte er eine Antwort ein: “Bring sie an einen ruhigen Ort und entledige Dich ihrer. Keine Fehler diesmal.”

Er überlegte kurz. Das Mädchen war gerissen. Sie hatte es schon seit Monaten geschafft, sich zu verstecken, war einmal Gin entkommen und hatte sogar einmal ihren eigenen Tod vorgetäuscht. Für ihn war sie eine der gefährlichsten Personen, die aktuell existierten. Die Verbindung, die sich mit ihrer bloßen Existenz zur Organisation und damit zu ihm herstellen ließ, musste augenblicklich gekappt werden.
 

Samstag, 04. Juli, 19:21 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle
 

Conan beendete das Gespräch, schaltete Shinichis Handy zur Sicherheit aus und seufzte tief. Wie gerne würde er Ran alles erzählen. Doch damit würde er sie den Schergen der schwarzen Organisation auf Gedeih und Verderb ausliefern. Ein absurder, aber doch nicht ganz abwegiger Gedanke kam ihm: „Die Frage ist… falls Ran die Wahrheit erfährt… bräuchte es dann noch Männer in Schwarz um mir den Garaus zu machen? Möglicherweise würde die gute Ran mit Freude diesen Part übernehmen...“

„Die Kinder! Ich muss den Kindern Bescheid sagen! Und der Professor wollte uns doch abholen! Kogoro will sicher auch wissen, wo ich stecke… und Ran muss ich auch informieren, sie macht sich sowieso schon Sorgen…“ Er klappte Conans Handy auf und schaltete es an. Auf dem Display erschien die Aufforderung, seinen PIN-Code einzugeben. Der Junge hörte, wie die Türe zur Toilette aufschwang und sich wieder schloss, dann konnte er laute Schritte von den Wänden des Raumes widerhallen hören.

Für einen Moment wunderte er sich, dass sich in diesem Teil des Gebäudes noch jemand befand. Mit voller Absicht hatte er die Toiletten im hinteren Teil des Gebäudes aufgesucht, da er hier im Gegensatz zu den vorderen Toiletten, die in der Nähe des Haupteingangs lagen, ungestört sein konnte. Er begann zu tippen… 486… Ein lautes Klopfen unterbrach ihn in seinem Tun, noch bevor er die letzte Zahl eingeben konnte. Tatsächlich schien jemand von Außen an die verschlossene Kabinentüre zu klopfen. Was sollte das? Er war in der einzigen besetzten Kabine, die vier anderen waren unbesetzt.

Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. War es etwa sein Verfolger, dessen Blick er den ganzen Tag auf sich gespürt hatte?

Er betrachtete die Uhr an seinem Handgelenk. „Mist. Ich habe meine einzige Betäubungsnadel bei der Lösung des Falles vorhin benutzt… und gerade heute habe ich meinen Fußballgürtel nicht um...“ Hektisch sah er sich um. Der Spalt unter den Kabinen war selbst für ihn als Kind zu eng, um darunter hindurchzukriechen, er betrug höchstens 10 Zentimeter. Der Fluchtweg nach oben schied aus aus. Sogar wenn er auf den heruntergeklappten Deckel der Toilettenschüssel stieg, würde er nicht hinaufkommen, um die Kabinenwand zu überklettern. Außerdem würde ihn der Klopfer (er vermutete zumindest, dass es ein er war, immerhin war das hier die Herrentoilette) dabei entdecken.

Ein leises, klickendes Geräusch erklang und Conan beobachtete mit starrem Blick, wie sich der Riegel, der eigentlich vorgeschoben sein sollte, langsam zurückschob. Ja, ihm war bereits beim „Einchecken“ in seine Kabine aufgefallen, dass es sich um ein übliches Serientürschloss handelte, welches man von Außen ganz einfach durch geschicktes Drehen mit den Fingern öffnen konnte. Es besaß einen Zugang von Außen, das war eine reine Sicherheitsmaßnahme, damit Angestellte in Notsituationen mit einem speziellen Schraubenschlüssel ganz einfach die Türe öffnen konnten. In diesem Fall und oft auch bei Kabinenschlössern die in Schultoiletten verwendet wurden, konnte das Jeder, der nur etwas Kraft in seinen Händen besaß.

„Verflixte Billigproduktion...“ dachte er nur und wartete bang, was nun passieren würde.

Conan wich ein Stückchen weiter zurück, als sich die Türe langsam und mit quietschenden Angeln öffnete. Er erstarrte, als er plötzlich einen ihm unbekannten riesigen Mann mit einem braunen Mantel und braunen Haaren in der Türe stehen sah. Der Kerl trug einen großen, weißen Mundschutz, der sein halbes Gesicht verdeckte. Völlig ungerührt und bewegungslos stand der Mann da. Er war so ausladend gebaut, dass er die komplette Breite der Türe einnahm. Conan registrierte voller Panik, dass sein einzig möglicher Fluchtweg versperrt war. Es gab keinen Ausweg. Er saß in der Falle.
 


 

Samstag, 04. Juli, 19:20 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Eingangsbereich
 

Sich immer wieder höflich entschuldigend hatte Subaru Okiya sich durch die Menschenmassen gedrängt, die sich in der Nähe des Informationsschalters tummelten. “Gibt es hier etwas umsonst…?” murmelte er irritiert und machte sich dann auf den Weg durch den Flur in Richtung Showhalle, immer der mit Eiskristallen geschmückten Beschilderung folgend. Als er im Zuschauersaal ankam, war dieser verwaist. Nur einige wenige Nachzügler schlenderten an ihm vorbei in Richtung Ausgang.

Unschlüssig sah er sich um. Er konnte die Kinder nirgends entdecken. Subaru lief den kompletten Mittelgang hinunter bis er schließlich ganz im unteren Bereich des Saals, fast direkt an der Bühne angekommen war. Er ließ seinen Blick über die Zuschauerreihen gleiten, aber tatsächlich war im Raum kein einziges bekanntes Gesicht zu sehen. Eilig ging er ein Stückchen weiter, bis er plötzlich stoppte, als ein knirschendes Geräuch wie von splitterndem Glas erklang. Er sah nach unten und entdeckte, dass er auf etwas flaches, rechteckiges getreten war.

“Ein Handy?” Murmelte er und besah sich das Gerät. Es war auf der Unterseite vollkommen verkratzt, als wäre es ein ganzes Stück den Boden entlanggeschrammt. Das Display war gesplittert, was aber wohl seinem unsanften Tritt mit seinem Fuß zu verdanken war. Subaru benötigte nur wenige Sekunden, um zu erkennen, wem es gehörte. Erst vor einigen Tagen hatte er das Mädchen mit den rotbraunen Haaren mit genau diesem Gerät in der Hand auf dem Sofa des Professors sitzen sehen. Rasch zählte er eins und eins zusammen. Das Mädchen war angeblich von den Kindern getrennt worden, an ihr Telefon ging sie nicht… war ihr tatsächlich etwas passiert? Wie lange war das jetzt her? Welche Möglichkeit hatte er, sie zu finden? Das Handy war hier. Eine Ortung war unmöglich. Vielleicht versteckte sie sich irgendwo? Den Menschenmassen nach zu urteilen, die sich noch in der Eingangshalle befanden, waren die Türen zum Saal erst seit einigen Minuten geöffnet. Das Mädchen musste noch hier in der Nähe sein, zumindest noch im Tropical Land…

“Verdammt...” fluchte er leise, steckte das Gerät in seine Jackettasche und rannte hastig in Richtung des Informationsschalters.
 

Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Flurbereich vor der Akamizu-Showhalle
 

“Los, rein da! Ladies first...” Madeira richtete ihre mit einem Schalldämpfer bestückte Waffe nun direkt auf das kleine Mädchen mit dem Seidenkopftuch. Haibara besah sich die Waffe. Es war eindeutig kein Spielzeug.

“Nun mach schon!” Die Frau nickte hinüber zu einer im Moment geschlossenen Türe zu ihrer Rechten. Ai öffnete diese und trat zögernd ein.

Ein kurzer Blick zeigte Haibara, dass es sich um einen nicht mehr genutzten Abstellraum handeln musste. Überall standen verstaubte, große Kisten mit Bühneninventar und Kostümen herum.

Aufgrund der Notsituation in der sie sich nun befand, waren ihre Sinne bis zum Äußersten geschärft. Sie hatte plötzlich das Gefühl, ein Geräusch wie von leisen Schritten und eine hohe, ihr sehr bekannte Stimme gehört zu haben. Überrascht sah sie sich noch einmal im Raum um. Hier war niemand. Die Angst vor dem, was nun kommen würde, ließ sie wohl schon komplett den Verstand verlieren...

“Was war das? Jetzt bin ich schon paranoid...” dachte sie.

“Wirds bald? Beeilung!”

Das Mädchen war dem Organisationsmitglied scheinbar nicht schnell genug. Sie gab ihr von hinten einen Schubs, sodass sie erst einmal unfreiwillig ein Stückchen in den Raum hineinstolperte.

“Und zieh dieses komische Kopftuch aus! Du willst doch in Würde sterben, nicht wahr, Sherry?” Die Frau trat an das Mädchen heran und riss ihr brutal das Tuch vom Kopf. Das Mädchen funkelte sie nur mit starren Augen an.
 

Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Gebäude, Requisitenkammer
 

“Die hier ist toll, findest Du nicht?” Vergnügt deutete Genta auf eine reich mit Perlen verzierte Maske, die er in seiner linken Hand hielt und streckte sie Ayumi entgegen.

“Genta, wir müssen weiter! Wir müssen Ai-chan suchen!” Rief Ayumi und nahm Genta die Maske aus der Hand und ließ sie auf den ungeordneten Stapel von Gesichtsbedeckungen fallen, mit denen die Kinder in den letzten Minuten herumgeblödelt hatten. Enttäuscht wandte der kräftige Junge sich Mitsuhiko zu, der seit ein paar Sekunden ungewöhnlich still gewesen war.

“Was ist denn los, Mitsuhiko...” meinte Genta, erstaunt über Mitsuhikos angespannten Gesichtsausdruck.

“Psst… da sind Stimmen… hört ihr nicht…” der junge Mann mit den Sommersprossen merkte instinktiv, dass etwas an der Frauenstimme, die er vernehmen konnte, ungewohnt agressiv klang.

“Los, versteckt euch!”

“Was, aber wieso denn…?” Fragte Ayumi überrascht, doch Mitsuhiko zog sie und Genta einfach mit sich hinter einen großen Stapel Kartons.

Das Mädchen verstummte, als mit einem leisen Geräusch langsam die Türe aufging und eine kleine Gestalt mit einem Kopftuch zögerlich den Raum betrat.

“Ist das etwa eine Großmutter?” Flüsterte Genta.

“Unsinn, dafür ist sie viel zu klein… das ist bestimmt ein Kind...” meinte Mitsuhiko leise.

Das Entsetzen breitete sich auf den Gesichtern der drei Kinder aus, als hinter der kleinen Gestalt eine Frau in einem schwarzen Kleid auftauchte, in ihrer Hand hielt sie etwas, dass an eine Waffe erinnerte, allerdings war der Lauf viel zu lang für eine gewöhnliche Pistole.

Ängstlich beobachteten sie nun, wie die Lady in Schwarz dem Kind einen Stoß in den Rücken versetzte, so dass dieses ein gutes Stückchen in den Raum hinein stolperte. Die beiden Gestalten waren zu weit weg und hinten im Raum gab es nur ein relativ kleines Fenster, sodass der vordere Teil mehr oder weniger im Halbdunkel lag. Aus diesem Grund waren die Gesichter der beiden aus der Perspektive der Kinder auch kaum zu erkennen.

“Wirds bald? Beeilung!” Rief die Frau nun aus.

“Und zieh dieses komische Kopftuch aus! Du willst doch in Würde sterben, nicht wahr, Sherry?” Die Frau trat an das Mädchen heran und riss ihr brutal das Tuch vom Kopf, sodass nun etwa schulterlanges, helles Haar zum Vorschein kam. Es musste ein Mädchen in etwa ihrem Alter sein.

“Wie hast Du mich gefunden?” Fragte das Mädchen nur tonlos.

“Ai-chan...” rief Ayumi überrascht, geistesgegenwärtig legte Mitsuhiko seinen Finger an seine Lippen und bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, still zu sein.

Ai horchte auf. Da, da war es schon wieder gewesen. Sie hatte sich das nicht eingebildet. Sie waren tatsächlich hier! Eiseskälte breitete sich in ihr aus, kroch ihr in Mark und Bein. Das konnte nicht sein. Sollte alles umsonst gewesen sein? Würde diese Frau die Kinder, die ihr so sehr ans Herz gewachsen waren, die wie eine Ersatzfamilie für sie waren, einfach gnadenlos auslöschen?

Angespannt beobachtete die Grundschülerin mit den rotbraunen Haaren das Organisationsmitglied, welches sie nur mit einem kalten Blick ansah. Sie schien noch nichts von der Anwesenheit der Kinder gemerkt zu haben. Sie musste es schaffen, die Frau von der Anwesenheit der Kinder abzulenken. Was hatte sie schon noch zu verlieren? Die Leben der Kinder hatten oberste Priorität für sie.

“Spielt das eine Rolle?” Madeira hatte ihren erstarrten Gesichtsausdruck bemerkt, schloss aber daraus, dass das Mädchen einfach Angst hatte und lächelte über diesen Gedanken süffisant.

Eine Welle von Adrenalin durchströmte Haibara, als sie einen Schritt auf die Frau zutrat und dabei ein ganz kleines Stückchen nach rechts auswich. Wenn sie die Stimme richtig eingeordnet hatte, war sie aus dem hinteren Bereich gekommen. Sie musste die Kinder warnen.

“Nein, das tut es nicht, denn Du wirst sowieso mich und alle töten, die mit mir in Verbindung stehen, habe ich Recht?” Meinte sie nun laut und deutlich, ihre Stimme zitterte kein bisschen. Es durfte nicht alles umsonst gewesen sein. Wenn diese Frau es jetzt und gleich zu Ende brachte und die Kinder in ihrem Versteck blieben, würde ihnen nichts geschehen.

“Ganz recht… doch Du bist zuerst dran. Du solltest Dich geehrt fühlen, Sherry-chan. Ich habe den Befehl direkt von “ano kata” erhalten. Nicht um jeden kümmert sich der Boss persönlich...”

Die Erkenntnis traf das kleingeschrumpfte Mädchen wie ein Schlag ins Gesicht. Von “ano kata” persönlich? Das bedeutete, dass sie sowohl Kudo-kun, den Professor und auch die Kinder töten würden. War wirklich alles umsonst gewesen? Verdammt, und es war ihre Schuld. Hätte sie nicht beim Professor Unterschlupf gesucht, wäre das alles niemals passiert. Einen Moment lang stand sie da, die Verzweiflung überrannte sie ein riesigen Wellen, drohte sie hinfortzuspülen. Zu spät, es war zu spät. Mit großen Augen starrte sie auf die Mündung der Waffe, die die Frau nun unbarmherzig auf sie richtete.
 

“Hören Sie sofort auf!” Ohne lange über möglich Konsequenzen nachzudenken, sprang eine breite Gestalt mit einem fleckigen, giftgrünen Pullover hinter einem der Kartons hervor, sie trug eine prunkvolle, mit goldenen Pailetten besetzte Maske, die ihr komplettes Gesicht verdeckte. Haibara erkannte diese Art von Maske. Sie wurde in dieser Art gerne beim venezianischen Karneval verwendet.

Für einen Moment über die merkwürdige Aufmachung ihres Angreifers irritiert, sah Madeira ihn nur unschlüssig an. Noch bevor sie reagieren konnte, kam aus dem hinteren Bereich des Raumes eine Maske in Form eines Vogels auf sie zugeflogen. Mit blitzschnellen Reflexen wich sie aus. Haibara, die noch immer erstarrt war vor Angst, beobachtete Genta dabei, wie er eine weitere Gesichtsbekleidung nach der Frau warf, die er zuvor noch in seinen Händen gehalten hatte. Genau in diesem Moment sprangen noch zwei weitere Gestalten mit ähnlichen Masken auf ihren Gesichtern hinter demselben Karton hervor, beide bewarfen Madeira nun ebenfalls, sodass sie damit beschäftigt war, ihren Angriffen auszuweichen.

“Ai-chan, wir müssen weg hier!” Haibara spürte, wie sich kleine, warme Finger direkt um ihre sich taub anfühlende, eiskalte Hand schlossen. Sie sah auf und blickte direkt in Ayumis zwar ein wenig ängstliches aber doch entschlossenes Gesichtchen.

Für einen Moment sah Haibara sie mit einem dankbaren und warmen Blick an, dann wurde er plötzlich kalt und sie stieß die kleine Ayumi unsanft ein Stückchen in Richtung der Tür.

“Los, verschwinde sofort von hier!”

“Nein, ohne Dich gehe ich nicht!”

Ein leises Zischen einer aus einer Waffe mit einem aufgeschraubten Schalldämpfer abgefeuerten Kugel unterbrach die Diskussion der beiden. Haibara wirbelte herum, sodass Ayumi sich nun hinter ihrem schützenden Rücken befand.

“Mitsuhiko! Was ist mit Dir?” ertönte nun Gentas entsetzte Stimme. Der Junge rannte hinüber zu seinem Freund, der mit dem Rücken an die nun mit frischem Blut beschmierte Wand gelehnt dasaß und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Schulter hielt. Unter seinen Fingern quoll blutrote Flüssigkeit hervor, sein Pullover war an dieser Stelle innerhalb von Sekunden blutgetränkt.

“Ihr verdammten Gören! Euch wollte ich mir eigentlich für den Schluss aufheben. Aber in diesem Fall können wir das natürlich auf euren eigenen Wunsch noch ein wenig beschleunigen...” mit hasserfülltem Gesicht sah sie zu Genta hinüber, der nun mit ängstlichem Gesichtsausdruck Mitsuhiko musterte, dem die Tränen in die Augen getreten waren vor Schmerzen. Die Frau hob ihre Waffe.

Haibaras Gedanken kreisten.

“Wie soll man denn gewinnen, wenn man immer nur davonläuft!” Die Stimme der kleinen Ayumi hallte in ihrem Kopf wieder.

“Du darfst nicht davonlaufen, hörst Du, nicht vor Deinem eigenen Schicksal!” Nun tauchte auch noch Shinichis Gesicht vor ihr auf.

Eilig trat sie vor, stellte sich schützend vor Genta und Mitsuhiko.

Plötzlich spürte sie keine Angst mehr. Jetzt, in diesem Moment, dem Tode so nahe wie niemals zuvor, spürte sie keine Furcht mehr.

“Halt. Die Kinder wissen von nichts, sie sind vollkommen unbeteiligt. Wenn Du sie am Leben lässt, werde ich alles tun, was ihr verlangt...” begann sie in einem letzten Versuch, die Kinder zu schützen.

“Wie süß. Wahre Freundschaft, wie?” Ein höhnisches Lächeln breitete sich nun auf dem Gesicht der Frau aus.

“Ihr werdet alle sterben. Aber da Du es ja scheinbar nicht ertragen kannst, die Kinder gehen zu sehen, tue ich Dir gerne den Gefallen Dich als Erste zu Deinen Eltern und Deiner Schwester zu schicken...” Abermals hob die Frau ihre Waffe.
 

Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Akamizu-Showhalle, Tatort
 

Mit hängenden Schultern saß der Mann noch immer an dem Platz, an dem er sich vor etwa einer Dreiviertelstunde aufgrund seines Schwindels und Brummschädels niedergelassen hatte. Tatsächlich war ihm für einen Moment so übel gewesen, dass er sich am liebsten übergeben hätte. Kogoro Mori hatte doch nur für einen Moment die Augen schließen wollen, war dann aber schließlich eingeschlafen.

Aufgewacht war er dann vom Klang einer ihm wohlbekannten Stimme. Zuerst hatte er vermutet, dass er träumte. Immerhin war es unmöglich, dass man von seiner eigenen Stimme geweckt wurde, richtig?

Er hatte seine Augen noch einen Moment geschlossen gehalten. Als seine eigene Stimme einfach nicht verstummte und sogar plötzlich begann, Conan Anweisungen zu geben, hatte er seine Augen einen winzigen Spalt breit geöffnet. Er hatte den Jungen dabei beobachtet, wie er angebliche von ihm gegebene Anweisungen befolgte.

Was genau war passiert? War es tatsächlich der Junge gewesen, der diese brillianten Schlussfolgerungen hinter seinem Rücken und mit seiner Stimme zum Besten gegeben hatte? Er selbst hatte die Augen schnell wieder geschlossen, damit niemand merkte, dass er wach war. Er hatte die Person nicht gesehen, die hinter dem Scheinwerferpodest gestanden haben musste. Doch er hatte ihn gesehen, wie er von hinten hervorgekommen war. Den kleinen Jungen, der schon seit geraumer Weile bei ihnen lebte. Der immer dann intelligente Fragen einwarf oder Hinweise zur Lösung eines Falles einstreute, wenn er oder die Polizei im Dunkeln tappten. Erschöpft fasste sich Kogoro Mori an den Kopf. Was sollte das alles bedeuten? Wer zur Hölle war dieses Kind? Er hatte eine ganze Menge Fragen an den Bengel. Er hatte ein gewaltiges Hühnchen mit ihm zu rupfen. Wo steckte er?
 

Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle
 

Der Mann sah ihn mit freudlosen, kalten Augen an, taxierte ihn von Kopf bis Fuß. Der Blick des Mannes verhieß nichts Gutes.

Verdammt. Er saß wie eine Maus in der Falle.

„Wer sind Sie?“ Fragte Conan Edogawa mit leichter Verunsicherung in der Stimme.

„Waren Sie das? Haben Sie mich den ganzen Tag über schon verfolgt?“ Nun regte sich etwas in seinen Augen, doch der Mann blieb stumm.

„Verdammt, was ist das für ein unheimlicher Kerl?“ Fragte sich der Junge fieberhaft, rückte noch ein Stückchen näher an die kühle Wand. Weiter zurück konnte er nun nicht mehr.

Der Mann begann nun, in seiner Manteltasche zu wühlen.

„W… was tun Sie da?“ Wieder erhielt er keine Antwort.

Der Grundschüler trat nun einen Schritt vor. Gab es nicht doch eine Möglichkeit, an ihm vorbeizukommen?

Der Hühne unterbrach, was er bis eben getan hatte, zog langsam und bedächtig seine Hand wieder aus der Manteltasche.

Der Mann trat nun näher an ihn heran, bis er schließlich genau vor ihm stand. Er war wirklich ein Riese.
 

Conan blieb nichts anderes übrig, er setzte zum Angriff an. Wenn der Mann nicht damit rechnete, konnte er ihn möglicherweise überrumpeln. Flink sprang er nach oben und zog den Mundschutz des Mannes nach unten, sodass ihm dieser mit einem schnalzenden Geräusch direkt ins Gesicht schlug.

Leider hatte das Manöver nicht den von Conan beabsichtigten Erfolg. Nur einen Moment von dem Schmerz beeindruckt, langte der Kerl nach dem Jungen und verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige. Der Grundschüler taumelte durch den Stoß nach hinten, so dass er erst mit seinem Rücken schmerzhaft gegen die Toilettenschüssel stieß und schließlich bei seinem Sturz auf den Boden hart mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Mit einem leisen Knirschen zersplitterte sein linkes Brillenglas, feine Risse schlängelten sich nun darüber. Conans Handy, welches er noch immer in der Hand gehalten hatte, fiel zu Boden.

Mit einem kaum hörbaren Stöhnen fasste er sich an den Rücken, sein Kopf dröhnte vor Schmerzen, alles um ihn herum drehte sich für einen Moment. Von den Schmerzen benommen, bekam er nur am Rande mit, dass der Mann nun wieder in seiner Manteltasche kramte. Verdammt. War hier denn niemand, der ihm helfen konnte? Allein hatte er keine Chance gegen den Mann. Mühsam öffnete der Junge seinen Mund und presste ein leises „Hilfe...“ heraus. Der Mann warf nun abermals einen kalten Blick auf die am Boden liegende Gestalt und meinte nun mit einer tiefen, kräftigen Stimme: „Das bringt nichts. In diesem Teil des Gebäudes ist keiner. Alle Zuschauer sind bei der Information und die Angestellten sind noch bei der Polizei um ihre Aussagen zu machen. Und sollte sich doch einer verirren: im Gang zur Toilette steht ein Schild auf dem geschrieben steht, dass dieser Teil des Gebäudes wegen Reinigungsarbeiten nicht zugänglich ist.“ Da der Mundschutz des Mannes nun ein Stückchen verrutscht war, konnte Conan ein sadistisches Grinsen auf dessen Gesicht erkennen.

„Was… was haben sie mit mir vor?“ Angsterfüllt und mit schmerzhaft nach oben gedrehtem Kopf starrte der Grundschüler auf den Mann, der nun eine steril verpackte Einwegspritze und ein kleines Fläschchen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit aus seiner Manteltasche gezogen hatte.

„Das wirst Du noch früh genug erfahren...“ Er packte das medizinische Instrument aus und zog die Spritze auf sodass sich die wasserklare Flüssigkeit nun darin befand. Auf dem Fläschchen stand etwas geschrieben. Conans Kopf drehte sich, er konnte erst nach dem dritten Anlauf erkennen, was es war.

“Midazolam… Ein verschreibungspflichtiges Beruhigungsmittel… in höheren Dosen auch ein Betäubungsmittel…” dachte er träge.

“Keine Sorge…” Der Hühne lächelte ihn überlegen an “...jetzt wird es Dir gleich viel besser gehen… Conan-kun.” Als der Mann seinen Namen aussprach, lief es dem Jungen eiskalt den Rücken hinunter.

“Woher weiß er, wie ich heiße? Hat er mich also tatsächlich beobachtet? Kenne ich ihn? Wer ist das?” Dachte der Grundschüler panisch. Er versuchte, sich aufzurichten, doch der Mann gab ihm noch einmal eine Ohrfeige, dass es ihm noch mehr schwindelte und packte einfach seinen Arm. Er kam nicht im geringsten dagegen an. Selbst wenn er sich nicht vor Schmerzen und Schwindel kaum würde rühren können, dieser Hühne war ihm kräftemäßig einfach viel zu überlegen. Unsanft verdrehte ihm der Kerl seinen Arm und und besah ihn sich kurz, um die Vene zu finden.

“Ist er etwa… ein Arzt?” Hilflos lag er da und musste dabei zusehen, wie der Mann ihm die Nadel in den Körper stieß.
 

Sobald der Mann die Spritzennadel herausgezogen und ihn losgelassen hatte, stemmte sich Conan mit letzter Kraft hoch, keuchend stützte er sich auf dem geschlossenen Toilettendeckel ab. Der Mann jedoch kümmerte sich überhaupt nicht um ihn. Seelenruhig entfernte er sachgemäß die Spritzennadel, steckte sie in einen extra für diesen Zweck mitgenommenen Behälter und ließ dann alles in seiner Tasche verschwinden.

Mit einem hässlichen Grinsen auf dem Gesicht ging der Mann rückwärts aus der Kabine und schließlich zu einem der Waschbecken und begann, sich die Hände zu waschen. Das Rauschen des Wassers hallte unangenehm laut in Conans Ohren wieder.

Alles um ihn herum drehte sich, er versuchte, seine Hand vom Toilettendeckel zu nehmen und einen Schritt zu gehen, doch es funktionierte nicht, seine Beine wollten sich einfach nicht bewegen. Mit müden Augen sah er zu dem Braunmantel hinüber, der sich nun noch ein zweites Mal die Hände mit einer selbst mitgebrachten Seife wusch.

Plötzlich begann die Hand, mit der er sich abstützte zu zittern. Die Kraft verließ ihn und er sank, mit dem Gesicht nach unten, zu Boden. Alles in ihm wehrte sich dagegen, jetzt aufzugeben, doch gegen die Droge, die ihm verabreicht worden war, hatte sein junger Körper keine Chance. Mehrere Sekunden, nachdem er zu Boden gesunken war, breitete sich ein Gefühl von einschläfernder Zufriedenheit in ihm aus, seine letzten Versuche, sich dagegen zu wehren, blieben erfolglos. War das wirklich so wichtig? Alles was er jetzt wollte, war ruhig dazuliegen und vielleicht sogar ein wenig zu schlafen...
 

Unendlich sorgsam wischte der Kerl seine Fingerabdrücke vom Wasserhahn, dann wandte er sich um und blickte in die Kabine hinein, die er eben verlassen hatte.

Zufrieden bemerkte der Hüne, dass das verabreichte Mittel wie gewohnt schon nach wenigen Minuten seine Wirkung tat. Sehr gut. Der Junge würde ihm nun keinerlei Probleme mehr bereiten.

Er hob das Handy des Knaben von den weißen Fliesen auf. Auf dem Display war ein halb eingegebener PIN-Code zu sehen. Sehr gut. Er würde das Gerät später noch brauchen. Er steckte das Handy in seine Manteltasche und beugte sich schließlich zu dem Jungen auf den Fußboden hinunter. Er drehte ihn auf den Rücken. Seine großen blauen Augen waren geöffnet und schienen ihn anzustarren, aber der Mann wusste, dass er nichts mehr mitbekam. Die Dosierung des Mittels war genau stark genug, um ihn außer Gefecht zu setzen, ihn aber auch nicht einschlafen zu lassen. Der große Mann durchsuchte die Hosentaschen des Jungen um potenzielle Gefahrenquelle unschädlich zu machen. Erstaunt zog er ein zweites Handy aus Conans Hosentasche. Es war komplett identisch mit dem ersten, welches er auf dem Boden gefunden hatte, sogar der Anhänger hatte diesselbe Form. Es war ausgeschaltet.

“Was zum… so ein verzogener Bengel, hat zwei von den Dingern! Die Jugend heutzutage…Tja, mehr als eins brauche ich nicht...”

Fein säuberlich wischte er von dem zweiten gefundenen Gerät seine Fingerabdrücke ab und entsorgte es dann im Toilettenmülleimer. Je eher es jemand fand, umso besser. Aber so schnell würde das bei seinen getroffenen Vorsichtsmaßnahmen sowieso nicht passieren.

Er bemerkte, dass die Brille des Jungen wohl von seinem Aufprall auf dem Boden einen Sprung hatte. Sogleich nahm er sie ihm ab und beförderte sie zu dem Handy in den Toilettenmülleimer. Es war besser, wenn der Bengel nicht so viel sah. Sorgsam richtete er seinen Mundschutz.

Er packte den Jungen, der zwar seine Augen offen hatte aber sich doch nicht mehr physich wehren konnte und trug ihn, auf dem Rücken huckepack nehmend, nach draußen.

Jeder, der die beiden beim Durchqueren des Gebäudes sehen würde, würde in dem betäubten Jungen einfach nur ein erschöpftes Kind sehen, welches von seinem Vater zum Auto getragen wurde.

Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Mannes, während er mit dem Jungen auf dem Rücken den Vernügungspark durchquerte. Perfekt. Alles lief perfekt. Er würde seinen Plan schon bald in die Tat umsetzen können.
 

*Yuukai = Entführung
 

Soo. Kapitel an dieser Stelle schon wieder zu Ende. Falls sich übrigens irgendwer fragt, wo denn der Typ mit dem braunen Mantel plötzlich herkommt: Er war von Anfang an (Tropical Land) da. Guckt nach, wenn ihr mir nicht glaubt :-).

Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? War es spannend? Wie fandet ihr den ShinRan-Moment?



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