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Das letzte Gefecht

Shinjitsu Wa Itsumo Hitotsu
von

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Akamizu – Suiri-Teil oder: Enttarnt

Kapitel 5 – Akamizu – Suiri-Teil* oder: Enttarnt
 

*Suiri: Schlussfolgerungen
 

Samstag, 04. Juli, 18:40 Uhr, Professor Agasas Labor
 

Noch immer angespannt und wachsam durchschritt Subaru Okiya die sonnendurchfluteten Räumlichkeiten des Professors, er war auf das Schlimmste gefasst. Die Gegenstände im Raum warfen nun deutlich längere Schatten, die Sonne hatte ihren Zenit schon lange überschritten, in nur wenigen Stunden würde es dunkel werden. Überrascht spitzte er die Ohren. “Was ist das?”

Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Von irgendwoher drang eine leise Melodie. Der Mann ging noch ein Stückchen weiter, vorbei an zwei fein säuberlich gemachten Betten. Nun konnte er es eindeutig hören. “...Aa kono sekai wa anata no iro ni naru yo**”

**...ah… diese Welt erstrahlt in Deinen Farben

Die Musik war zwar nur sehr leise zu vernehmen, doch sie schien merkwürdig missgestimmt und blechern.

Mittlerweile konnte er auch einen sehr intensiven Geruch nach Schießpulver warnehmen.

“Toki ni yasashiku toki ni zankoku made ni...***“

***Mal freundlich, mal grausam...

Die Worte “...made ni...” waren nur noch ein letztes blechernes Aufkrächzen, danach war nichts mehr zu

hören. Was auch immer die Töne abgesondert hatte, schien nun das Zeitliche gesegnet zu haben.

Er ging noch ein paar Schritte weiter und erkannte ein Stückchen vor sich den Professor, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Zuerst befürchtete er, dass für ihn jede Hilfe zu spät gekommen war, doch dann regte der Mann sich. Um ihn nicht unnötig zu verschrecken, sicherte Subaru seine Waffe und steckte sie griffbereit in seinen Hosenbund und ließ sein weinrotes Jacket genau so darüberfallen, dass sie nicht mehr zu erkennen war. Er hatte nun verstanden, was passiert war.

“Professor Agasa! Sind Sie in Ordnung?” Er eilte zu dem Mann hin und griff seinen Arm, um ihm beim Aufstehen zu helfen.

Schnaufend, hustend und mit einem peinlich berührten Ausdruck in den für sein Alter noch sehr wachen Augen richtete sich der Mann mit der hellgrauen Haarpracht langsam mit Subarus Unterstützung vom Boden auf. Er blickte auf und besah sich den etwa Dreißigjährigen, der wie aus dem Nichts im Zimmer vor ihm aufgetaucht war.

“Tut mir leid, dass ich solch einen Lärm verursacht und Ihnen solch einen Schrecken eingejagt habe, Subaru-san...” noch immer hustend, klopfte sich der in die Jahre gekommene Professor die Asche von seinem ausgeblichenen Laborkittel, den nun neben Ölflecken und undefinierbaren Flecken anderer chemischer Verbindungen auch einige Brandlöcher in verschiedenen Formen und Größen zierten. Subaru stieg augenblicklich der Gestank verbrannter Haare in die Nase. An Professor Agasas Augenbrauen, die nun teilweise schwarz statt grau waren und sich kräuselten, konnte er sehr gut erkennen, woher dieser angesengte Geruch kam. Wie üblich ließ sich der Braunhaarige keine Gefühlsregung anmerken.

Mit trauriger Miene beugte der Professor sich hinunter und hob etwas auf, das entfernt an ein Brillengestell erinnerte. Es war ziemlich deformiert und komplett rußgeschwärzt. Geknickt betrachtete er seine nun nutzlose Rundglasbrille, die er zuvor auf dem Tisch abgelegt hatte und die durch die Explosion auf den Boden geschleudert worden war. Von ihr war nur noch die Fassung ganz geblieben. Die in hunderte kleine Teilchen zersplitterten Brillengläser lagen überall verstreut auf dem mit Brandflecken übersäten Boden herum.

“Da wird wohl mal wieder eine neue Brille fällig… gut, dass ich für solche Fälle immer eine Ersatzbrille da habe...” dachte Agasa und legte die kläglichen Überreste des Metallgestells auf der geschwärzten und ebenfalls mit Glassplittern übersäten Platte seiner Erfinderwerkbank ab.

Mit einem bereits gewohnten Handgriff öffnete er die Schublade unter der Werkbank und zog eine Ersatzbrille daraus hervor. Sie glich seiner üblichen Brille aufs Haar, wenn man von der Tatsache absah, das der Steg wohl in der Mitte gebrochen und von Agasa mit einer ganzen Menge Tesafilm geflickt worden war.

“Was ist denn geschehen?” Subaru sah den Mann mit einem freundlichen und vor allem ruhigen Lächeln an, auch wenn er drängende Fragen an den Mann hatte. Wie immer spielte er seine Rolle perfekt.

“Ich, ähm…” stotterte Agasa und besah sich das Chaos, welches er angerichtet hatte, genauer. “Lassen Sie mich bitte einen Moment sammeln. Es scheint, mein Kopf ist eben explodiert...”

In ebenjenem Moment ertönte wieder ein leises, kaum mehr melodisches Krächzen “made ni...”. Der Professor und Subaru drehten sich zur Ursache des blechernen Tons um. Es kam von einer Art winzig kleinem, vollkommen demolierten MP3-Player mit kleinen Lautsprechern, der wohl durch die Explosion mehrere Meter weit durch den Raum geflogen und dabei einen dunklen, rußigen Flecken beim Aufprall an der Wand hinterlassen hatte. Mit einem letzten verzweifelten Aufstöhnen und einer kleinen Rauchwolke, ging das Gerät vor ihrer beider Augen in Flammen auf, welche nach nur wenigen Sekunden verpufften und nur noch einen kleinen geschwärzten Schrotthaufen zurückließen. Agasa besah sich verlegen das Chaos, welches er angerichtet hatte und stellte fest dass er neben der Neuanfertigung einer Brille nun zum wiederholten Male in diesem Monat neue Fensterscheiben würde einsetzen lassen müssen. Das würde ihn wieder eine ganze Stange Geld kosten… “Das gibt gewaltigen Ärger mit Ai-kun...” dachte er deprimiert, dann wandte er sich dem jungen Studenten zu, der seit einiger Zeit sein Nachbar war.

“Ein Prototyp einer Neuauflage einer meiner älteren Erfindungen, eine Verbesserung von “Tropical Rainbow”… sie wird noch viel farbenfroher und soll nun auch Musik bei der Explosion machen… ich habe mich wohl bei der Menge für das Schießpulver für das Testobjekt dafür ein wenig verschätzt...” meinte er schließlich und fügte dann noch hinzu “Ich bitte um Entschuldigung...”

“Das macht doch nichts, ich bin nur froh, dass Ihnen nichts passiert ist...”

“Ja, nicht wahr… man glaubt gar nicht, was so ein kleines bisschen Schießpulver auszurichten vermag…” Subaru sah ihn nur mit seinem unergründlichen leisen Lächeln auf den Lippen an.

“Nun… weswegen ich eigentlich zu Ihnen gekommen bin… ich habe vor, Curry zum Abendessen zu machen und wollte Sie und die Kinder dazu einladen...” Subarus Miene war nun wieder undurchschaubar “...allerdings kann ich die Kinder heute nirgends entdecken. Sind sie nicht bei Ihnen?”

“Herr Mori hat die fünf heute Morgen ins Tropical Land gefahren. Sie wollten eine Show von Kamen Yaiba besuchen. Ich konnte leider nicht mit, ich habe morgen meinen Vorstellungstermin für meine verbesserte Variante der Tropical-Rainbow, auch wenn das so wohl eher nichts werden wird, bei diesen, sagen wir mal bombenmäßigen Fortschritten, nicht wahr?” Agasa begann dröhend zu lachen, wohl eher aus Verlegenheit als dass er es tatsächlich lustig fand. Als er Subarus unveränderten Gesichtsausdruck sah, stoppte er sofort wieder.

“Wann kommen sie denn von dort wieder?” Als Subaru diese Worte sagte, wurde der Professor schreckensbleich.

“Du liebe Güte, ich wollte die Kinder schon um 17:30 Uhr vor dem Eingang treffen und dann nach Hause fahren. Ich muss mich ziemlich in der Zeit verschätzt haben...” Hastig sah er sich um, sein Blick glitt über den geschwärzten Boden.

“Machen Sie sich keine Umstände, was halten Sie davon, wenn ich die Kinder abhole?” Bot Subaru ihm an.

Der Professor nickte ihm dankbar zu. “Ich rufe die Kinder nur schnell an, um Ihnen Bescheid zu sagen, dass schon jemand unterwegs ist...”

Sofort ging Agasa zu seinem Haustelefon. Der Professor, der eher ein Technikfanatiker der alten Schule war, besaß noch immer ein relativ klobiges Telefonmodell und hatte sich auch noch kein eigenes Handy zugelegt. Froh darüber, dass Ai die Telefonnummern aller Kinder ins Telefonbuch eingespeichert hatte, wählte er Mitsuhikos Mobilfunknummer an, nachdem seine Anrufversuche bei Shinichi und Ai erfolglos geblieben waren.

“Ja?” Eine gelangweilte Stimme, vermutlich einem jugendlichen Mädchen zugehörig, meldete sich.

“Mitsuhiko-kun?” Fragte der Professor verwirrt.

“Ah, Sie wollen mit meinem Bruder sprechen. Tut mir leid, Hiko-kun hat mir sein Handy geliehen. Hier ist seine ältere Schwester...”

“Oh, vielen Dank. Bitte entschuldige die Störung...” verabschiedete er höflich und über den Spitznamen Mitsuhikos, den ihm seine Schwester gegeben hatte schmunzelnd, und wählte nun Ayumis Nummer an.

Er hatte Glück. Bereits nach dem zweiten Klingeln meldete die sich ihm bekannte Stimme.

“Hallo?”

“Ayumi-kun, bist Du es?” Fragte der Professor und die Stimme des Mädchens erklang nur wenige Augenblicke später abermals: “Ja..” Agasa wusste nicht wieso, doch irgendetwas sagte ihm, dass etwas nicht stimmte.

“Es tut mir schrecklich leid, Kinder! Ich habe vollkommen die Zeit vergessen! Wo seid ihr jetzt?” Im Hintergrund konnte er die Stimmen von verschiedenen Menschen hören, die sich angeregt miteinander unterhielten, was diese genau sagten, konnte er allerdings nicht heraushören.

“Wir sind noch im Tropical Land, Professor. Hier ist etwas passiert, vielleicht ein Mordfall…” Das Mädchen klang aufgewühlt. Im Hintergrund konnte der alte Mann nun eindeutig die Stimme von Mitsuhiko hören. “Haibara-san… wo bist Du?”

Alarmiert horchte der Professor auf.

“Ayumi-kun… kannst Du mir Conan-kun kurz geben?” Für einen Moment herrschte Stille, dann meinte Ayumi:

“Conan-kun ist noch bei der Polizei. Er ist Zeuge. Die Polizei wollte uns nicht zu ihm lassen...” meinte sie bedrückt.

“Könnte ich dann wohl kurz mit Ai-kun sprechen...”

“Ai-chan ist nicht bei uns. Wir wissen nicht, wo sie ist… sie ist schon seit fast zwei Stunden verschwunden, Herr Professor…” ihre Stimme klang nun verzweifelt.

“Ai-kun ist verschwunden?” Meinte der Professor erschrocken.

“Ja… wir, also Genta-kun, Mitsuhiko-kun und ich haben sie überall gesucht, aber wir können sie einfach nirgends finden. Sie sah nicht gut aus, sie wirkte krank und so, als ob sie schreckliche Angst vor etwas hätte… wir wollen sie noch woanders suchen, aber wir dürfen den Saal nicht verlassen und hier drinnen sind so viele Menschen… die Polizei hat alles abgeriegelt...” Vor seinem inneren Auge sah der Professor, wie der kleinen Ayumi die Tränen in die Augen stiegen.

“Conan-kun ist ja auch nicht da. Wir wissen nicht, was wir noch machen sollen...” meinte das Mädchen nun mit tränenerstickter Stimme.

“Nicht weinen, Ayumi-kun. Wo seid ihr genau, Kinder? Ich schicke euch Subaru-san vorbei. Er wird euch abholen...” redete der Professor beruhigend auf das kleine braunhaarige Mädchen ein, dass nun eindeutig schluchzte.

Ein Geräusch, als ob sich jemand mit dem Ärmel über die Augen wischte und dabei versehentlich ebenfalls das Mikrofon mit erwischte, erklang. Agasa hielt sich für einen Moment den Hörer weiter vom Ohr weg, bis das unangenehm laute Kratzen im Hörer nachließ und das Mädchen wieder zu sprechen begann.

“Wir sind bei der Akamizu-Show… im Zuschauersaal...” meinte Ayumi. Der Professor versicherte ihr abermals, dass Subaru sie abholen kommen würde und dass sie bis dahin ruhig bleiben sollte. Es würde sich alles aufklären. Dann legte er auf.

Fragend sah er Subaru an.

“Ich habe alles gehört...” meinte dieser nur “ich mache mich sofort auf den Weg...” Agasa nickte ihm nur bestätigend zu.

“Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich mitkäme… Ayumi klang sehr aufgebracht… und Ai-kun ist verschwunden...”

“Keine Sorge, ich kümmere mich um die Kinder. Bleiben Sie ruhig hier und räumen ein wenig auf...”

“Vielen Dank, Subaru-san...”

Dankbar sah er dem jungen Studenten mit den hellbraunen Haaren noch einige Sekunden lang nach und beobachtete, wie dieser eilig in seinen weißen Subaru 360 einstieg und davonfuhr. Er ignorierte das merkwürdige Gefühl, welches ihn für einen Moment beschlichen hatte und machte sich anschließend daran, sich ein Kehrblech zu holen um seufzend das von ihm verursachte Chaos wieder in Ordnung zu bringen.
 

Samstag, 04. Juli, 18:40 Uhr, Wohnung der Familie Mori
 

“Vielen Dank, Amuro-san, dass Sie mir zuhören… und dass, obwohl Ihre Schicht doch noch überhaupt nicht zu Ende ist...” Ran blickte den jungen Mann, der noch immer die Schürze des Café Poirot trug, dankbar an.

“Aber natürlich, Ran-san. Einer jungen Frau in Not kann ich doch keine Bitte abschlagen. Bitte greifen Sie doch bei den Sandwiches zu, frisch sind sie am schmackhaftesten...” er deutete auf die noch unberührten belegten Weißbrotscheiben.

“Ich… ich habe keinen so rechten Hunger… ich mache mache mir Sorgen… um...” sie stoppte. Obwohl Tooru hier war, war ihre Nervosität doch nicht komplett verflogen. Ihr siebter Sinn sagte ihr, dass sie ihm besser nicht alles verraten sollte, was sie wusste.

“Nun greifen Sie schon zu, Sorgen verschlimmern sich mit einem leeren Magen nur unnötig...” Zögernd griff das Mädchen nach einem der Sandwiches, hielt es aber schließlich doch nur in ihren Fingerspitzen und drehte es unschlüssig von einer Seite auf die andere ohne es zu essen. Tooru seufzte “Nun sagen Sie schon, was ist los? Wie kann ich Ihnen helfen?”

“Ich fürchte, wir werden beobachtet… ich habe eine Frau gesehen, mit langen blonden Haaren. Genau diesselbe Frau hat schon einmal ein Verbrechen begangen… ich habe Angst, dass so etwas noch einmal passiert, verstehen Sie?” Tooru sah die Angst in ihren großen, blauen Augen. Sie schien mehr zu wissen, als sie bereit war, ihm preiszugeben.

“Sie brauchen sich keine Sorgen machen, ich bin ja jetzt hier. Ihnen wird nichts passieren… erzählen Sie mir erst einmal alles...” Er lächelte sie abermals an. Langsam entspannte sie sich ein wenig, wenn auch nicht völlig.

Ran begann zu erzählen und Tooru bedachte sie die ganze Zeit über mit aufmerksamen Blicken.

Als Ran geendet hatte, sah Tooru sie mit einem unergründlichen Blick an.

“Und jetzt machst Du Dir Sorgen, dass es sich bei dieser Frau auf dem Dach gegenüber um genau diese Frau gehandelt hat, die schon einmal die Kinder entführt hat?”

“Ja… ich weiß selbst, wie merkwürdig sich das anhört… aber ich habe einfach ein schlechtes Gefühl… es ist wohl besser, wenn ich die Polizei anrufe...”

“Nein...” meinte Tooru bestimmt. Mit einem entwaffnenden Lächeln sah er sie an.

“Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Du hast Dich bestimmt getäuscht… Du hast sie verwechselt, weiter nichts. Zufällig weiß ich, dass seit etwa zwei Wochen gegenüber eine Dame mit langen blonden Haaren wohnt. Sie war bereits dreimal bei uns im Café Poirot zu Besuch.”

“Wirklich?” Meinte Ran zweifelnd.

“Wirklich...” bestätigte Tooru ihr, er klang sehr überzeugend.

In diesem Moment wusste Ran, was sie störte. Aus irgendeinem Grund kam ihr Tooru unaufrichtig vor. Warum bestand er darauf, dass sie nicht die Polizei anrief? Hatte er etwas mit der blonden Frau zu tun?

Ran ließ sich ihre Zweifel nicht anmerken.

“In Ordnung. Sie haben vermutlich Recht… ich neige aber auch immer zu Übertreibungen… keine Polizei...” bestätigte sie ihm schließlich. Wenn sie die Polizei nicht anrufen durfte, dann musste sie einen anderen Weg finden, jemanden über ihre Lage zu informieren. “Shinichi… was würdest Du an meiner Stelle tun?” dachte sie kurz, dann wandte sie sich mit einem breiten Lächeln auf den Lippen Tooru zu.

“Jetzt geht es mir schon viel besser. Vielen Dank...”
 

Samstag, 04. Juli, 18:45 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort
 

“Herr Inspektor, schön dass Sie da sind. Was halten Sie davon, wenn ich mit meinen Schlussfolgerungen

beginne?” Ertönte die sonore Stimme von Kogoro Mouri. Inspektor Megure war begeistert, hatte Mori doch die Pose eingenommen, in welcher er immer seine vollkommen zutreffenden Schlussfolgerungen zum Besten gab. Wie so oft hatte sich der Mann mit den drei Stirnlocken mit seinem Rücken gegen etwas gelehnt und für Außenstehende machte dies den trügerischen Anschein, als befände er sich im Land der Träume. Megure wusste, dass die Art und Weise, wie er seine Fallauflösungen präsentierte zwar gewöhnungsbedürftig aber doch phänomenal beeindruckend war, zumal der Mann es meisterhaft verstand, bis zur Auflösung einen absolut unwissenden Eindruck bei seinen Mitmenschen zu hinterlassen und sie so über seine tatsächliche Intelligenz hinwegzutäuschen.

“Aber natürlich, Herr Mori! Ich hoffe doch, dass dies bedeutet, dass Sie den wahren Täter entlarven konnten?” Megure trat ein paar Schritte näher an ihn heran.

“So ist es...” bestätigte Conan, der sich direkt hinter dem steinernen Sockel verbarg, an den sich Kogoro gelehnt hatte. Ein freudiges Funkeln war nun in seinen Augen zu erkennen.

“Ich würde sagen… ich fasse die Fakten noch einmal zusammen...” die Anwesenden hörten dem zuvor eher unscheinbar aufgetretenen Mann nun gebannt zu.

“Wir haben einen Toten...” stellte Conan klar und die Anwesenden murmelten zustimmend, Megure aber sah ihn eher ungläubig an.

“Ja, so ist es Mori. Aber das wissen wir doch bereits...”

“Und wir wissen, dass Herr Ken Tsugimura ein ehemaliger Turmspringer war, der außerdem einen tadellosen Ruf in diesem Sport genossen hat, ich nehme an, das war auch der Grund, weshalb Herr Hiroki Yamada, der alle Mitglieder dieses Ensembles angestellt hat, sich für ihn entschieden hat.” Conan konnte es nicht sehen, doch Yamada nickte unmerklich, als er diese Worte hörte. “Sein Sprung war fehlerfrei, die Spuren rund um den etwa 4x4 Meter breiten Teilbereich des Schwimmbeckens beweisen dies. An der Kante sind keinerlei Spuren zu erkennen, dass es einen Aufprall gegeben hat. Herr Tsuigmura hat sich zwar aus noch unbekannten Gründen eine Wunde am Kopf zugezogen, diese hätte aber laut der Gerichtsmedizin nicht zum Tode geführt...”

“Auch das ist zweifellos erwiesen...” stimmte Megure ihm zu.

“Es war quasi ein unmögliches Verbrechen...” mischte sich nun Takagi ein. “Die Schauspielerin Frau Amemiya hatte den rechten Teil der Bühne jederzeit nach dem Absprung des Opfers im Blick und hat ausgesagt, dass sich ihm bis zum Eintreffen Fräulein Ninomiyas beim Auffinden der Leiche, niemand genähert hatte.”

“Soweit korrekt.” Bestätigte Conan.

“Nun spannen Sie uns doch nicht so auf die Folter, Mori! Wie soll der Täter es denn gemacht haben, ohne sich dem Opfer zu nähern?”

“Können Sie sich noch daran erinnern, wie die Leiche aussah, als wir sie fanden, Herr Inspektor? Ich meine damit vor allem die Kleidung des Opfers...” Warf Kogoro Moris Stimme diese Frage in den Raum.

“Nun, mal sehen… ungewöhnlich war auf den ersten Blick, dass er keine Schlittschuhe trug, obwohl es sich doch um eine Eisshow handelte...” meinte Megure grübelnd.

“Allerdings nur auf den ersten Blick, Herr Inspektor. Frau Amemiya hat schließlich später ausgesagt, dass alle Schauspieler ihre Schlittschuhe gegen Stiefel mit speziell gummierten Sohlen austauschen, bevor sie auf die Plattform steigen. Es war also nichts Ungewöhnliches daran...” meinte Takagi nun.

“Ansonsten war er ganz normal angezogen, er hatte ein Kostüm an, wie alle anderen auch...” Megure sah nun zu Frau Amemiya hinüber, die noch immer die wärmende Decke um die Schultern gelegt hatte.

“Wenn vielleicht auch mit ein wenig mehr Stoff als die junge Dame dort drüben...” Takagi nickte zu Frau Amemiya hinüber.

“Zu diesem Punkt kommen wir später noch einmal zurück, aber wir behalten ihn im Hinterkopf, Herr Inspektor… vielmehr sollten wir jetzt die Frage klären, wieso Herr Tsugimura eine Verletzung am Kopf hatte, wenn er doch nicht am Beckenrand aufgeschlagen ist...”

“Ja, das ist tatsächlich merkwürdig. Wir konnten den Gegenstand, mit dem diese Verletzung herbeigeführt wurde, noch nicht finden… es steht allerdings außer Frage, dass die Verletzung nicht tödlich gewesen ist…” meinte Megure und sah kurz zu Takagi hinüber, der noch hinzufügte:

“So ist es. Laut dem Gerichtsmediziner ist der Mann ertrunken… vermutlich wurde er durch den Schlag auf den Kopf nur ohnmächtig. Ganz sicher sind sich die Kollegen hierbei nicht, da so ein Treffer zur Ohnmacht führen kann oder auch nicht. Eine leichte Benommenheit kann da schon ausreichen...”

“Nun ja. Im Grunde genommen spielt es keine Rolle, ob die Verletzung ihn hat ohnmächtig werden lassen oder nicht, denn bei diesem Sprung wäre Herr Tsugimura mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% ertrunken, dafür hat der Täter hochstpersönlich gesorgt…”

“Wie meinen Sie das, Herr Mori?” Fragte der dickbäuchige Inspektor nun ungläubig.

“Wieso wäre er zu 100% gestorben? Soll das bedeuten, dass diese Verletzung nur nebensächlich war?”

“Ganz recht...” stimmte Conan ihm zu, “die Verletzung war nur ein Nebeneffekt des eigentlichen Tricks, den der Täter angewandt hat...”

“Nun sagen Sie schon endlich, was passiert ist!” Meldete sich nun Frau Takata zu Wort, die sich direkt neben Miyu Ninomiya gestellt hatte.

“Genau. Welchen Trick hat der Täter benutzt?” Risa Amemiya schlang sich die Decke ein wenig fester um die Schultern.

“Wie Sie wünschen. Zuerst aber noch eine Frage an Sie, Herr Tsugumi Maeda. Sie sind für das Schwimmbecken verantwortlich, habe ich Recht?”

“So ist es…” antwortete der Mann mit dem Vollbart wahrheitsgemäß.

“Können Sie mir sagen, ob Herr Tsugumi besondere Anforderungen an Sie bezüglich dieser Show gestellt hat? Oder auch an Sie, die Sie ja für die Kostüme zuständig waren, Frau Takata?”

“Nun...” zögernd fing der alte Mann an zu sprechen “...es war ihm seit ein paar Wochen wichtig, dass die Wassertemperatur während der gesamten Show konstant gehalten wurde. Das galt sowohl für dieses kleine Becken als auch für die Wassertemperatur im dritten Akt der Show. Sie durfte niemals unter 37 Grad fallen. Da er der Star dieser Show war, ging ich davon aus, dass es sich um einen Tick von ihm handelte...”

“Diesen Tick von ihm kann ich nur bestätigen. Scheinbar war ihm immer kalt. Er trug sogar ein spezielles Kostüm mit einem eingebauten Thermo-Effekt. Sein Kostüm war eine Sonderanfertigung, genau wie die Stiefel. Ich habe sie erst vor wenigen Wochen fertiggestellt, da er sich weigerte, ansonsten zu arbeiten… wir hatten einen riesigen Streit deswegen, da wir alle seine Starallüren unerträglich fanden...” Fügte Frau Takata noch hinzu.

“Ja, das mag schon alles sein, aber was hat das mit diesem Fall zu tun, Mori? Raus mit der Sprache...”

“Eine ganze Menge, Herr Inspektor...” während Conan diese Wort aussprach, stahl sich ein selbstsicheres Grinsen auf sein Gesicht.

“...denn wie schon gesagt, der Täter ging zu 100% sicher, dass das Opfer ohnmächtig werden und ertrinken würde… indem er die Wassertemperatur senkte…”

“Wieso? Wie sollte das funktionieren? Ein Mensch kann natürlich einen Schock bekommen, wenn er in kaltes Wasser springt, aber ein Absenken der Temperatur bis zu diesem Maße wäre doch überhaupt nicht möglich, oder Herr Maeda?” Megure wandte sich nun an den Beckentechniker.

Maeda nickte bestätigend. “Das ist tatsächlich richtig. Es ist möglich, die Wassertemperatur zu regulieren und sogar soweit abzusenken, bis das Wasser gefriert. Aber ich habe die Einstellung des Temperaturreglers während der Show immer im Blick...”

“Tatsächlich? Und was ist mit der wirklichen Temperaturanzeige… haben Sie diese ebenfalls immer im Blickfeld?” Der alte Mann stutzte. “Nein...” gab er schließlich zu “da ich automatisch davon ausgegangen bin, dass bei einer Einstellung von 37 Grad auch im Becken eine Temperatur von 37 Grad herrscht...”

“Aber nun hören Sie doch mal zu, Herr Mori! Wie soll denn jemand die Wassertemperatur soweit abgesenkt haben, dass derjenige einen Schock bekommt!”

“Das ist sehr einfach, Herr Inspektor. Mit Eis… und zwar mit dem Eis der Bühnenskulptur, die Frau Takata merkwürdigerweise nicht mehr auffinden konnte...”

“Aber natürlich… die Säge… das bedeutet, der Täter hat das Bühnenbild zersägt und anschließend in das Becken geworfen...”

“Genau so war es… und das ist auch der Grund, wieso das Opfer eine Verletzung am Kopf hatte. Der Täter hat sich vermutlich verkaluliert und eines der viereckigen und scheinbar scharfkantigen Eisstückchen hat länger zum Schmelzen benötigt als er sich ausgerechnet hatte. Da das Wasser komplett rot gefärbt war, konnte man von oben auch nicht erkennen, dass sich dort etwas im Wasser befand. Das Opfer sprang und verletzte seinen Kopf an dem schwarfkantigen Eissblock. Es war vermutlich sogar nur ein winzig kleiner Rest, aber doch ausreichend, ihm diese Schnittwunde zuzufügen. Später wäre dann nichts mehr aufzufinden, da das Eis natürlich schmilzt und die Wassertemperatur bereits wieder beginnt zu steigen...”

“Nun… das ist ja eine sehr nette Theorie, Herr Mori, aber in der Realität funktioniert so etwas doch nicht… der Mann war ein Turmspringer. Er war es sicher gewohnt, wenn das Wasser einmal etwas kälter war… in der Regel ist man in diesem Fall abgehärtet… und ich kann es mir auch trotzdem nicht vorstellen, dass das Wasser so kalt wurde, dass er sofort einen Schock bekommen hat… das ist höchst weit hergeholt...”

“Es reichte ja auch aus, dass das Wasser nur etwa 10 Grad kühler war als sonst. Die Tatsachen deuten eindeutig darauf hin... bitte sehen Sie sich den Leichenbefund noch einmal genau an, Herr Inspektor...” es dauerte ein paar Sekunden, bis Takagi dem Mann die Dokumente ausgehändigt hatte.

“Mal sehen… eine Platzwunde am Kopf… und, was haben wir denn da… Sie… Sie meinen doch nicht etwa…?”

“Doch, das meine ich… laut diesem Bericht hatte Herr Tsugimura über den ganzen Körper verteilt immer wieder extrem gerötete Stellen, bis hin zu einer Ansammlung von Quaddeln im Halsbereich… als ich das zuerst sah, bin ich davon ausgegangen, dass er einen der Stoffe, der im Wasser war, nicht vertragen hat. Möglicherweise die Farbe. Allerdings handelt es sich um eine spezielle hautverträgliche Farbe und er ist schon lange Mitglied im Ensemble. Hätte er sie wirklich nicht vertragen, hätte er sich schon längst gemeldet…”

“Hat die Gerichtsmedizin herausgefunden, woher diese Rötungen kommen?”

“Nein, nicht direkt… der Mann hatte vermutlich eine...” begann Takagi, doch Conan unterbrach ihn “...eine Kälteurtikaria… diese lässt sich bei einem Toten nur sehr schwer nachweisen, da dies schon bei einem Lebenden sehr schwierig ist… denn nur ein lebender Organismus, der noch nicht abgekühlt ist, kann auch tatsächlich auf die nötigen Impulse von Außen reagieren...” beendete Conan den Satz.

“Was… was ist das denn?” Fragte nun Frau Amemiya.

“Das ist eine Pseudo-Allergie. Bei dieser löst ein Kältereiz an der Stelle, an der die Kälte auf die Haut einwirkt, die Freisetzung von Histamin aus. Innerhalb kürzester Zeit reagiert die Haut an diesen Stellen mit stark juckenden Quaddeln… Normalerweise sind diese extrem unangenehm, führen aber nicht zum Tod. Bei einem Sprung ins kalte Wasser aber werden extrem große Mengen an Histamin freigesetzt, die sich rasend schnell über das Blutsystem im kompletten Körper verteilen. Als Folge hiervon kann der Betroffene unter anderem folgende Symptome entwickeln: Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Atemnot oder einen Kreislaufschock. Derjenige kann sogar einen analphylaktischen Schock entwickeln, wie ihn auch Menschen erleiden, die beispielsweise gegen Bienenstiche allergisch sind...”

“Was für ein Unsinn...” wetterte nun Hiroki Yamada “wenn er tatsächlich eine solche Allergie hätte, würde er doch nicht in einer Eishalle arbeiten...”

“Doch, das ist durchaus möglich. Bei vielen Erwachsenen entwickelt sich diese Allergie im Laufe des Lebens und klingt oft auch wieder ab. Vielleicht hatte er sie erst seit Kurzem. Den Aussagen von Herrn Maeda und Frau Takata zufolge, erst wenige Wochen. Wie vorhin schon einmal angesprochen, trug er außerdem spezielle Kleidung und spezielle Schuhe. Die Kälte konnte überhaupt nicht bis an seine Haut vordringen. Zudem darf man die Wärme nicht unterschätzen, die von den Scheinwerfern produziert wird. Ihm wird während der Vorstellung wohl eher zu warm als zu kalt gewesen sein. Außerdem kann man gegen die Symptome auch Tabletten nehmen... Inspektor Takagi, würden Sie bitte...”

“Jawohl, Herr Mori...” Takagi reichte dem Inspektor eine Packung mit kleinen, runden Tabletten. “Antihistaminikum...” murmelte der Inspektor und drehte die Schachtel um, um die Beschreibung zu lesen.

“Diese Tabletten hatte er wohl immer für den Notfall mit dabei… die Untersuchung hat ergeben, dass es sich bei dem Inhalt um Placebos handelt. Jemand hat diese Tabletten also im Vorfeld durch vollkommen wirkungslose Traubenzuckertabletten ersetzt...” Megure klappte der Mund auf und wollte etwas entgegnen, doch Conan fuhr bereits fort: “Und noch etwas spricht für meine Theorie… wenn Sie sich den Obduktionsbericht genau ansehen, werden Sie feststellen, dass die Thermokleidung des Mannes gespickt war mit unzähligen mikroskopisch kleinen Löchern, durch die später auch das Wasser eingedrungen ist… was letztendlich zu einem Kreislaufschock und dem damit verbunden Tod durch Ertrinken geführt hat...” schloss Conan seine Ausführungen ab.

Stille hatte sich unter den Anwesenden ausgebreitet. Eine Person war instinktiv in den letzten Minuten ein ganzes Stückchen zurückgewichen. Aufgrund ihrer Aufmachung hätte sie eigentlich auffallen müssen, doch niemand schien sie wirklich wahrgenommen zu haben. Das würde sich bald ändern...
 

Samstag, 04. Juli, 18:55 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort
 

Das anfänglich amüsierte Grinsen des schwarzen Schattens war schon nach den ersten gesprochenen Worten des Jungen zuerst einem erstaunten, dann einem begreifenden und danach letztendlich einem ernsten Gesichtsaudruck gewichen. Mit jeder Minute, die verstrich, war die Mine seines rabenschwarzen Verfolgers noch ernster geworden. Der Mann hörte noch immer gebannt den Ausführungen des Jungen zu, doch in seinem Kopf hatte es bereits begonnen, zu arbeiten. Es stand für ihn außer Frage, dass diese Gefahr eliminiert werden musste und das, so schnell wie nur möglich. Am meisten Kopfzerbrechen bereitete ihm die Tatsache, dass dieser intelligente Junge, wer auch immer er in Wirklichkeit sein mochte - auf jeden Fall war er kein Kind - zusammen mit Sherry unterwegs gewesen war. Was, wenn das Mädchen vor ihm sämtliches Wissen über die Organisation auf einem Silbertablett ausgebreitet hatte? Und was, wenn er dieses weitergegeben hatte?
 

Samstag, 04. Juli, 18:56 Uhr, Wohnung der Familie Mori
 

“Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie sich angeboten haben, noch hier zu bleiben, bis mein Vater zurückkommt...” meinte Ran höflich. Gleichzeitig überlegte sie fieberhaft, wie sie kurz ungestört telefonieren könnte. Tooru schien einen Moment lang unaufmerksam, schaute auf das Display seines Handys. Das Mädchen konnte nicht erkennen, was der junge Mann dort sah, doch es schien ihn zu beruhigen.

“Ran-san...” meinte er dann plötzlich “vielleicht sollten wir doch die Polizei verständigen… ich sehe doch an Ihren Augen, dass Sie mir nicht glauben...” er sah sie mit einem offenherzigen Blick an.

“Äh… ja… wenn Sie meinen...” meinte Ran, vollkommen überrumpelt. Hatte sie sich etwa in ihm getäuscht?

“Ich habe zufällig einen Bekannten bei der Polizei, ich könnte ihn sofort anrufen, wenn Sie möchten…? Er hat sogar eine höhere Position inne, Sie können ihm also auf jeden Fall vertrauen...” Vor ihren Augen rief er die Internetseite des Polizeipräsidiums Tokio auf. “Polizeioberrat der ersten Division...” las Ran laut vor “Kuroda Hyoue...”.

“Ganz recht. Sehen Sie, ich würde ihn direkt anrufen.” Er deutete auf die Telefonnummer, die genau unter dem Eintrag des Mannes im Organigagramm stand.

“Ja, sehr gern...” meinte Ran nun. Sie musste sich tatsächlich in ihm getäuscht haben.

“Polizeioberrat Kuroda...” meldete sich die befehlsgewohnte Stimme eines Mannes in seinen Fünfzigern.

“Polizeioberrat, ich bin es, Tooru Amuro...”

“Ahh, Amuro-san… lange nicht mehr gehört. Wie kann ich Ihnen helfen?” Ran wusste nicht wieso, doch die Stimme allein flößte ihr bereits Respekt ein.

“Ich sitze hier neben einem Mädchen, sie würde gerne mit Ihnen sprechen...” Der Mann am anderen Ende der Leitung klang ein wenig ungehalten.

“Hören Sie, Amuro-san, ich bin ein vielbeschäftigter Mann...”

“Es geht um einen Fall...”

“In Ordnung. Geben Sie mir die junge Dame...”

Tooru reichte Ran den Telefonhörer, die sich schon allein aufgrund der vorrangehenden Unterhaltung zwischen den beiden Männern ein wenig eingeschüchtert fühlte. Amuro sah ihren verunsicherten Gesichtsausdruck, als sie das Telefon von ihm engegen nahm und ein leises Grinsen schlich sich auf seine Lippen.

“Guten Tag, Herr Kuroda. Hier spricht Ran Mouri...”

“Mouri? Aber doch nicht etwa die Tochter von Kogoro Mouri, dem schlafenden Meisterdetektiv?” fragte der Mann mit unverholener Neugier.

“Doch, so ist es…”

“Wie kann ich Ihnen helfen, junge Frau?”

“Ich habe die Befürchtung, beobachtet zu werden…” in diesem Moment, als sie diese Worte aussprach, kamen sie ihr irgendwie unwirklich war.

“Das ist ein ernster Verdacht. Was verleitet Sie zu dieser Annahme?”

“Nun… es gab schon einmal eine Entführung… diese Frau mit den blonden Haaren hat damals Kinder entführt...”

“Ah! Ich erinnere mich! Diese Frau ist damals entkommen, nicht wahr? Entführt wurden zwei Kinder, wenn ich mich recht erinnere… Inspektor Megure hat mir von diesem Vorfall erzählt. Eine schreckliche Sache, ist aber ja noch einmal glimpflich ausgegangen, nicht wahr?”

“Ja, aber ich befürchte, dass diese Frau noch immer vorhat, den Kindern etwas anzutun...”

“Das ist schon möglich...” räumte der Mann am anderen Ende der Leitung ein “allerdings wird ihr das kaum gelingen. Sie ist schon seit ein paar Wochen gefasst und mittlerweile zurück in die Staaten abgeschoben worden...” Als Ran diese Worte hörte, machte sich eine unglaubliche Erleichterung in ihr breit. Sie hatte sich also tatsächlich getäuscht. Amuro-san hatte scheinbar Recht gehabt. Bei der Frau, die sie gesehen hatte, musste es sich um eine neue Nachbarin handeln, die dieser anderen Frau ähnlich sah.

“Dann… habe ich mich wohl getäuscht, fürchte ich...” erklärte sie nun stotternd, ihr Gesicht war feuerrot geworden… “vielen Dank für Ihre Zeit...”

“Keine Ursache, es war schön, Sie gesprochen zu haben, Fräulein Mouri...”

“Sehen Sie, es ist alles nur halb so schlimm. Wie ich es Ihnen sagte...” meinte Tooru. Ran nickte ihm zu.

“Tatsächlich...”

“Und jetzt...” Amuro deutete fröhlich auf die Sandwiches, die noch immer unangetastet auf dem Teller lagen “greifen Sie zu...”

Ran schenkte ihm nun ein aufrichtiges Lächeln.
 

Samstag, 04. Juli, 18:58 Uhr, Polizeipräsidium Tokio, Büro des Polizeioberrats der 1. Division
 

Ein Lächeln hatte sich auf dem breiten, von Narben gekennzeichneten Gesicht des weißhaarigen Mannes ausgebreitet. Dieses galt der jungen Frau, die in dem Sessel direkt dem seinen gegenüber saß und sich dort räkelte.

“Sieht so aus, als hätte ich Dir wieder einmal einen Gefallen getan, Wermut… sei Dir dessen bewusst, dass ich das nur so oft mache, weil Du von “ihm” bevorzugt wirst...”

Die Frau, die einen schicken Mantel und ihre langen blonden Haare in einem Flechtzopf trug, lächelte kalt zurück.

“Das weiß ich natürlich. Vielen Dank. Ich melde mich, sollte ich Deine Dienste noch einmal in Anspruch nehmen müssen… Rum...”
 

Samstag, 04. Juli, 18:59 Uhr, in einem unbekannten Hotelzimmer
 

Gelangweilt schaltete die Mittelschülerin mit den mittellangen, blonden Haaren zwischen verschiedenen Fernsehsendern hin- und her. Das japanische Fernsehprogramm heutzutage war wirklich nicht sehr interessant. Sie hatte die Wahl zwischen Nachrichten, merkwürdigen Spieleshows, bei denen sich alle Beteiligten bis auf die Knochen demütigten, Shows bei denen irgendwelche bekannten oder auch unbekannten Persönlichkeiten Essen in sich hineinschoben und dann mit aufgesetzt begeistertem Gesichtsausdruck laut “Lecker” und “Toll” riefen und natürlich mal besseren und mal schlechteren Fernsehserien. Wirklich tiefgründig war nichts davon. Sie seufzte laut auf. Bei einem Bericht über einen Vorfall im Vergnügungspark Tropical-Land legte sie die Fernbedienung zur Seite.

Das Geräusch einer sich öffnenden Türe erklang und ein etwa siebzehnjähriges Mädchen mit einer relativ jungenhaften Gestalt und feuchten schwarzen Haaren betrat den Raum. Sie hatte sich ein Handtuch um die Schultern gelegt.

“Was schaust Du da?” Fragte Masumi Sera das Mädchen und setzte sich zu ihr auf die Couch.

“Nachrichten. Es scheint einen Vorfall im Tropical-Land gegeben zu haben. Allerdings halten sie sich bedeckt. Die Polizei gibt keine Informationen über die Geschehnisse heraus.” Meinte das Mädchen und stellte fest, dass Masumis Miene einen besorgten Ausdruck angenommen hatte.

“Was ist los?”

“Conan-kun und seine Freunde wollten heute dorthin...” erklärte Sera ihr zögernd.

Ein dunkler Schatten legte sich über die Augen des Mädchens.

“Ich sagte Dir doch bereits, dass Du vorsichtig sein sollst, wegen dieses Jungens… wir können nicht sicher sein, dass wir ihm trauen können...”

“Ja, ja...mach Dir keine Sorgen” Sera zwinkerte der Blondhaarigen beschwichtigend zu, die sie noch immer mit nicht deutbarem Blick betrachtete.

Sera verwarf den Gedanken, dass der Fall etwas mit dem Jungen zu tun hatte, wieder. Und selbst wenn. Immerhin war er ein Zauberer. Er vollbrachte Dinge, zu denen andere nicht im Stande waren.
 

Samstag, 04. Juli, 18:55 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort
 

Unruhe hatte sich unter den Anwesenden ausgebreitet, die Angestellten der einst sehr erfolgreichen Bühnenshow Akamizu tauschten besorgte und vor allem verunsicherte Blicke miteinander. Wer hier hatte ihren Hauptdarsteller ermordet? War der Täter etwa wirklich unter ihnen?

“Dann sagen Sie schon, Mori… wer hat das alles getan? Wer hat das Kostüm von Herrn Tsugimura durchlöchert und das Eis in das Becken gekippt? Und die Tabletten ausgetauscht?” Fragte Megure nun, doch er begann nun schon zu stutzen, als er die Anwesenden betrachtete.

Conan fuhr fort: “Die Tat kann nur Jemand begangen haben, der den Ablauf dieser Show kennt und sich die Tatsache zu Nutze machen konnte, dass Herr Tsugimura in das Becken mit dem Wasser springt. Jemand, der ihn kennt. Jemand der weiß, wo sich der Kühlraum und der Spind des Opfers befinden… und der weiß, dass die Mitglieder der Truppe ihre Spinde niemals abschließen.”

“Also sind die Hauptverdächtigen eindeutig die Mitglieder des Ensembles beziehungsweise diejenigen, die sich um die Organisation der Show selbst gekümmert haben und heute hier anwesend sind...” meinte Megure.

“Ja, das ist natürlich am Wahrscheinlichsten...” begann Conan und wurde sofort darauf von Megure unterbrochen: “Dann waren es vermutlich Sie, Herr Maeda!” Er deutete auf den Mann mit dem grau-weiß melierten Bart, der erschrocken zurückzuckte. “Geben Sie schon zu, dass Sie genau gesehen haben, dass die Wassertemperatur unter den vom Opfer gewünschten 37 Grad lag...”

“Aber nicht doch...” murmelte der Mann entsetzt und sah hilfesuchend hinüber zu dem “Schlafenden Kogoro”.

“Nein, Herr Maeda war es nicht. Ich glaube ihm, dass er die Temperaturanzeige tatsächlich nicht im Auge hatte.”

“Wieso denn das? Normalerweise müsste er so eine wichtige Sache immer im Blickfeld haben, nicht wahr?” Brummte Megure, doch abermals ertönte Kogoros Stimme.

“Ja, normalerweise schon. Allerdings habe ich von einem der anderen Bühnenangestellten gehört, dass Herr Maeda seinen Job sehr liebt. Da er allerdings schon etwas älter ist, begannen die Leute hinter seinem Rücken zu tuscheln, da ihm immer wieder etwas passiert, dass eigentlich nicht passieren sollte… Sie haben auch bereits davon gehört, habe ich nicht Recht, Herr Yamada…?”

“Ja. Tatsächlich stand bereits im Raum, Herrn Maeda in seinen wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Er scheint doch manchmal sehr müde und laut den Angestellten soll er bereits öfter während der Arbeitszeit eingeschlafen sein...” Maeda zuckte zusammen, als er diese Worte hörte. Erschrocken und mit einer großen Angst in seinen Augen blickte er den Ensembleleiter an.

“Aber...” machte Yamada weiter… “ich teile Herrn Tsugumi Maedas Liebe zu dieser Show. Und niemand aus der Truppe ist mit soviel Herz mit dabei… aus diesem Grund habe ich entschieden, es ihm durchgehen zu lassen… bis er sich selbst dazu entscheidet, fortwährend ein bloßer Zuschauer dieser Show zu werden...”

Dankbar und mit feuchten Augen starrte der alte Herr hinüber zu dem Menschen, der seine große Leidenschaft teilte.

“Vielen Dank, Herr Yamada...” meinte er nur und zog sich ein mit altmodischen Rauten gemustertes Taschentuch aus seiner Hosentasche, mit dem er sich nun die Augen abwischte.

“Da es nun geklärt ist, dass Ihnen keine Konsequenzen drohen… erzählen Sie doch bitte noch einmal, was genau im Kontrollraum passiert ist, bevor die Leiche aufgefunden wurde.” Meinte Conan nun mit bestimmter, aber doch sanfter Stimme.

“Ich… tatsächlich wird meine Sicht immer schlechter. Die Zahlen 1 und 2 kann ich nur sehr schwer voneinander unterscheiden. Ich fürchte, zwischendurch bin ich auch einmal weggenickt… ich hätte doch nicht ahnen können, dass dies zu solch einer Tragödie führen würde...” abermals tupfte er sich die Tränen von den Wangen.

“Es steht also fest, dass Sie es nicht gewesen sind...” seufzend drehte Megure sich zu den Anwesenden um und besah sich die Leute noch einmal genauer. Frau Takata, die sich um die Maske, die Kostüme und die Bühnenbildnisse kümmerte; Miyu Ninomiya, die für die Lichttechnik zuständig war gleichzeitig zeitweise als Souffleuse arbeitete; der in die Jahre gekommene, für die Bühnen- und Beckentechnik zuständige Herr Tsugumi Maeda, der noch immer sehr aufgewühlt schien. Da standen außerdem noch Hiroki Yamada, der Organisator der Show, der noch immer blass um die Nase war und seine Krawatte mittlerweile ein wenig gelockert hatte, um besser Luft zu bekommen, seine Krawattennadel in Form eines Schlittschuhs musste hierbei verrutscht sein. Und natürlich Risa Amemiya, die noch immer vor Kälte und aufgrund des Schocks, ihren Bühnenpartner verloren zu haben, zu zittern schien.

“Moment mal… wer sind Sie denn?” Megure entdeckte eine junge Frau mit blond gefärbten Haaren, die unsicher lächelnd hinter den Tatverdächtigen stand. Neben ihr stand ein junger Mann, von dem nur sein Gesicht eindeutig zu erkennen war, der Rest wurde von einem Superheldenkostüm überdeckt.

“Ich bin Aya Kamiki… ich arbeite zeitweise hier im Tropical Land, solange die Kamen-Yaiba-Show hier aufgeführt wird…”

“Und ich bin Rentaro Hashimoto… genau wie Aya arbeite ich während der Aufführung der Show hier im Park...”

“Warum sind Sie genau hier?” Fragte Megure verwundert. In diesem Augenblick mischte sich Takagi ein: “Herr Mori bat mich, die beiden als Zeugen hierher zu bringen...”

“Was machst Du denn hier, Rentaro-kun?” Verwundert sah Frau Amemiya den Mann in seinem Kamen-Yaiba-Kostüm an. Er schien sich sichtlich für seine Aufmachung zu schämen.

“Sie kennen sich?” Fragte Takagi nun überrascht und besah sich den jungen Mann eingehend. Er fühlte sich sehr unwohl, dass war an seinem verlegenen Gesichtsausdruck zu erkennen.

“Natürlich! Er war einmal der Hauptdarsteller dieser Show...” stellte Miyu Ninomiya klar.

“Und damit schließt sich der Kreis...” Conans Augen hinter seiner Brille funkelten nun “denn Sie sind mit den Gegebenenheiten hier sehr gut vertraut und dies haben Sie schamlos ausgenutzt um Ken Tsugimura zu ermorden… habe ich nicht Recht, Herr Rentaro Hashimoto?” Bei diesen Worten wich die Farbe aus dem Gesicht des Mannes.

“Was sagen Sie denn da, Herr Mori… ich habe mit dieser Sache hier nichts zu tun… ich stand den kompletten Nachmittag bei meinen Shows auf der Bühne… und überhaupt, ich war seit Monaten nicht mehr hier in dieser Showhalle...” verteidigte der Mann sich.

“Das kann ich bezeugen...” meinte Aya und nahm ihren Schauspielkollegen in Schutz “er war fast die komplette Zeit anwesend… bis auf ein paar Toilettenpausen...”

“Bei dem Insiderwissen, dass Herr Hashimoto hat, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, sich während der paar Minuten in den Toilettenpausen hierherzuschleichen, immerhin ist die Bühne der Yaiba-Show kaum eine Minute von hier entfernt. Mit ein wenig Vorbereitung ist das durchaus zu schaffen. Das einzige was Sie getan haben müssten, wäre die Säule aus Eis bereits vor Ihrer Show zu zerkleinern.”

“Aber… mal davon abgesehen, dass ich doch schon sagte, dass ich hier niemals gewesen bin… das wäre doch sicherlich schon bei der Vorbereitung dieser Show aufgefallen, wenn plötzich das Bühnenbild gefehlt hätte...” ein überlegenes Grinsen breitete sich nun auf dem Gesicht des Mannes aus.

“Natürlich hätte ich es bemerkt… ich bin mehrmals im Kühlraum gewesen, um nach dem Rechten zu sehen...” meinte nun Frau Takata. Rentaros Lächeln wurde noch breiter.

“Sehen Sie. Ich hätte so etwas in der Kürze der Zeit überhaupt nicht bewerkstelligen können...”

“Es wäre möglich gewesen...” drang nun wieder Kogoros Stimme zu den Anwesenden “denn es handelt sich immerhin um eine Eissäule. Sie haben diese bereits gestern Abend, als niemand von den Angestellten mehr anwesend war, zersägt, damit niemand es mitbekommt. Danach haben Sie die Eisblöcke einfach wieder aufeinandergestapelt. Damit sie auch wirklich zusammenhielten, haben Sie die Oberflächen mit ein wenig warmen Wasser besprüht, welches sofort wieder gefror. Heute mussten Sie schließlich nur noch mit einem Hammer voneinander trennen… niemandem fällt unter so vielen Eisskulpturen diese eine auf, immerhin standen sicherlich noch mehr davor… die Tabletten haben Sie dann heute erst ausgetauscht. Fräulein Kamiki, können Sie mir sagen, ob Herr Hashimoto gegen etwa 15:20 Uhr eine Pause eingelegt hat?”

“Ja… tatsächlich… er sagte, er müsste kurz auf die Toilette. Eigentlich war er erst kurz zuvor in der Pause der Show einmal gewesen… ich habe mich gefragt, warum er schon wieder geht. Immerhin haben ziemlich viele Kinder darauf gewartet, ein Foto mit ihm zu machen...” erinnerte sich Aya Kamiki.

“Um 15:20 Uhr?” Merkte Frau Ninomiya nun überrascht auf “Zwischen 15:00 Uhr und 15:30 Uhr besprechen wir immer noch einmal den genauen Ablauf der Show in unserem Aufenthaltsraum, die Vorbereitungen auf der Bühne sind zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.”

“Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich alle im besagten Aufenhaltsraum befanden und der Täter somit freie Bahn hatte, korrekt? Genau dann haben Sie die Gelegenheit genutzt, das Eis in das Wasser zu kippen. Zuvor haben Sie natürlich noch die Tabletten ausgetauscht, die das Opfer regelmäßig genommen hat.”

“Was für ein Unsinn… Sie behaupten das alles, aber können Sie auch beweisen, dass ich hier war und das getan habe? Immerhin gibt es doch keine Zeugen, die mich gesehen haben könnten, nicht wahr?”

“Da liegen Sie falsch, Herr Hashimoto… Conan… würdest Du bitte den Herren von der Polizei erklären, was Du gesehen hast, als ihr das Foto habt machen lassen…?”

“Ja!” Mit einem scheinbar unbekümmerten Lächeln auf den Lippen sprang der Junge hinter der Säule hervor, Hashimotos Gesicht versteinerte.

“Als wir mit dem Onkel Fotos machen ließen, haben wir ihn gebeten, das Foto zu unterschreiben. Dabei ist mir aufgefallen, dass unter seinen Fingernägeln rote Spuren zu sehen sind… außerdem waren sie ganz runzlig, so, als ob sie zu lange im Wasser gewesen waren...”

“Blödsinn...” blaffte ihn Rentaro Hashimoto an “das beweist überhaupt nichts. Du bildest Dir das nur ein. Ich habe mir zuvor die Hände gewaschen und ich vertrage das nicht so besonders, meine Finger werden immer sofort schrumpelig… außerdem, sehen Sie doch selbst, da sind keine roten Spuren unter meinen Nägen… ich sagte doch bereits, dass ich schon seit Monaten nicht mehr hier in dieser Halle war...” trimphierend riss er sich die Handschuhe von den Händen und hielt sie dem Inspektor direkt unter die Nase.

“Natürlich sind da keine Spuren mehr unter Ihren Nägeln. Sie hatten genügend Gelegenheit, diese zu entfernen...” Halb verdeckt durch die Scheinwerfervorrichtung versteckt, begann Conan wieder mit Kogoros Stimme zu sprechen.

“Aber es gibt doch etwas, einen unumstößlichen Beweis...”

“Und was sollte das sein?” Meinte der Mann nun ungeduldig.

“Herr Takagi, haben Sie das Foto, um das ich sie gebeten hatte…?” Wieder Kogoros Stimme.

Conan trat abermals aus dem Schatten hervor, als Takagi das Foto mit den lächelnden Kindern und dem maskierten Yaiba darauf dem Inspektor reichte.

“Was soll das? Was soll das für ein Beweis sein?” Unsicherheit spiegelte sich nun auf dem Gesicht des Mannes im Kostüm wieder. Er schien sich nun doch sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen.

“Was.. was genau soll mir dieses Foto sagen? Die Kinder scheinen sich köstlich amüsiert zu haben...” der Inspektor warf Conan einen freundlichen Blick zu.

“Aber sehen Sie doch mal, Herr Inspektor… fällt Ihnen denn überhaupt nichts Merkwürdiges auf?” Meinte Conan und deutete nochmals auf das Foto.

“Nun…” Megure besah sich das Bild noch einmal eingehend “Ah, jetzt verstehe ich… der Schal… er ist komplett identisch, habe ich Recht?”

“Genau, Ayumi hat sich einen identischen Schal gekauft, sie war so glücklich...” plapperte Conan darauf los.

“Moment mal, ganz identisch ist er aber nicht… er ist viel dunkler… ach so, jetzt verstehe ich...” Takagi klatschte vor Aufregung in die Hände, weil er endlich verstanden hatte, worauf der Junge hinauswollte. Er sah sich nach Conan um, doch dieser war plötzlich wieder nirgends mehr zu sehen.

Rentaro Hashimoto war blass geworden.

“Ja… Sie wissen, was dies bedeutet, nicht wahr?” Begann nun wieder Kogoro “Sie haben in ihrem perfekten Plan etwas übersehen… als Sie das Eis in das Becken kippten, mussten Sie sich ziemlich weit nach unten beugen, damit das rote Wasser nicht über den Beckenrand schwappte und so möglicherweise noch jemand darauf aufmerksam machen würde, dass etwas anders ist als sonst… dabei rutschte versehentlich Ihr roter Schal mit ins Wasser. Aufgrund des dicken Kostüms und der Tatsache geschuldet, dass Sie sowieso heute aufgrund der Hitze bereits sehr schwitzen, ist es Ihnen vermutlich gar nicht aufgefallen, dass er nass war. Oder Sie hatten einfach keine Zeit, ihn auszutauschen, da es viel zu auffällig gewesen wäre, wenn der Maskierte Yaiba seinen obligatorischen Schal nicht tragen würde bei seinen Auftritten…”

“Sagen Sie mir, Herr Hashimoto… wie können Sie mir erklären, dass auf dem Schal, den Sie tragen, Spuren des roten Färbemittels aus dieser Show zu finden sind… und das, obwohl Sie laut eigener Aussage seit Monaten nicht mehr hier gewesen sind?” Kogoros Stimme wurde nun sehr schneidend.

Der Mann stand einfach nur sprachlos da, wusste nicht, was er daraufhin noch entgegnen sollte, dann knickte er plötzlich ein.

“Tja… da habe ich wohl nicht richtig aufgepasst… als ich das Eis in das Becken geschoben habe...”

“Rentarou-kun… warum? Ich dachte, ihr seid Freunde?” Risa Amemiya sah ihren ehemaligen Showkollegen entsetzt an.

“Wir haben uns damals beim Turmspringen kennengelernt. Sie wissen es nicht, aber ich war mit ihm bei derselben Sportagentur beschäftigt. Zusammen trainierten wir für die großen Auftritte… allerdings ließ meine Leistung nach, meine Haltung war einfach nicht perfekt und ich begann auf Anraten eines Bekannten mit der Einnahme von Betablockern...”

“Doping...” meinte Inspektor Takagi und sah den Mann an, der nun wie ein Häufchen Elend vor ihnen stand.

“Ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte und meinen geliebten Beruf aufgegeben. Ich wollte einfach nur in Frieden leben. Das Zeug habe ich danach nie wieder genommen. Aber er hatte Fotos gemacht und ist einfach immer wieder aufgetaucht. Zuerst war es nur Geld, monatelang habe ich ihm Geld gegeben… danach wollte er meine Rolle, weil er selbst aufgrund seiner ständigen Pöbeleien in unseren früheren Turmspringerteam seinen Job verlor. Ich war so froh, hier untergekommen zu sein, aber ich habe gekündigt, weil ich dachte, das Ganze hätte dadurch endlich ein Ende… und habe die Arbeit als maskierte Comicfigur angenommen. Aber er… er hat mir nicht einmal jetzt meine Ruhe gelassen. Vor ein paar Tagen tauchte er plötzlich bei einer meiner Shows auf und drohte mir, meinen Kollegen von meinen Verfehlungen zu erzählen… ich konnte es einfach nicht mehr ertragen… diese Bazille, die mir systematisch alles nahm, was mir wichtig war… ich musste seinem Treiben ein Ende bereiten…” ein eiskalter Ausdruck trat nun in seine Augen.

“Sie mögen mich für verrückt halten, aber ich bereue absolut nichts...”

Megure nickte Takagi zu. “Nehmen Sie ihn mit. Und sorgen Sie dafür, dass das Publikum den Saal verlassen kann...”

“Natürlich, Herr Inspektor...” Behände legte der junge Kommissar dem Mann, der nun begonnen hatte, laut zu lachen, Handschellen an.

Langsam und mit ernstem Gesichtsaudruck trat Conan Edogawa aus seinem Versteck hervor.

Der kleingeschrumpfte Oberschülerdetektiv des Ostens beobachtete mit ernster Mine, wie Rentaro Hashimoto Handschellen angelegt wurden und er von Takagi abgeführt wurde. Hashimotos Gesichtsausdruck deutete nicht darauf hin, dass er seine Tat in irgendeiner Weise bereute. Ob sich das während seines nun drohenden lebenslangen Gefängnisaufenthalts ändern würde, war mehr als fraglich. Ein trauriger Ausdruck legte sich in die Augen des Kindes. Conan konnte einfach nicht nachvollziehen, weshalb Menschen zu Mördern wurden. In seinen Augen gab es nichts, was es auch nur ansatzweise rechtfertigen würde, einen anderen Menschen zu töten.
 

Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort
 

Nervös mit den Fingerspitzen auf seinen Laptop trippelnd, beobachtete der Mann weiterhin den Jungen, der nun mit einem ernsten Gesicht den Mörder dabei beobachtete, wie er von der Bühne geführt wurde. “Unglaublich...” murmelte er, sichtlich beeindruckt von der Leistung des Jungen und der Präzision seiner Schlussfolgerungen. Er musste sofort alles weitere in die Wege leiten, möglicherweise war doch noch ein wenig Beobachtungsarbeit nötig. Bevor er ihn aus dem Weg schaffte, musste er einfach wissen, wer er wirklich war. Da das Mädchen ebenfalls eigentlich eine Erwachsene war, konnte er getrost davon ausgehen, dass mit ihm dasselbe passiert war wie mit ihr. Möglicherweise hatte sie ihm sogar selbst das entsprechende Mittel verabreicht, das Wissen dazu hätte sie auf jeden Fall gehabt.

Er überlegte einen Moment, ob es Sinn machen würde, den Jungen nach seinem Wissen zu befragen, entschied sich dann aber – seltsamerweise zögernd - dagegen. Jede Minute, die dieser Bengel weiter existierte, bedrohte den Fortbestand seiner Gruppierung.

Ja, er hatte sich entschieden. Zuerst würde er sich um die Identität des Jungen kümmern, ihn danach beseitigen und schließlich die Menschen, mit denen er sich umgeben hatte. Ihm war klar, dass es unauffällig geschehen musste und dass wie immer keine Spuren zurückbleiben durften, die zur Organisation zurückverfolgt werden konnten. Mit Sherry würde er ebenso verfahren, eine Verräterin durfte nicht auf Gnade hoffen. Niemals.

Der Mann besah sich noch immer das Bild des Jungen auf dem Bildschirm seines Laptops, mit dem er sich bisher in einer der unzähligen Herrentoiletten des Nebengebäudes verschanzt hatte, zu. Sobald der Junge die Bühne verließ, würde er nicht mehr mitbekommen, was weiter geschah. Da er wusste, wo der Junge lebte, wäre es nicht so schlimm, verlöre er die Spur zu ihm, doch er wollte keinen einzigen seiner Schritte verpassen. Bei der Show waren eindeutig zu viele Polizisten anwesend, dort wollte er auf keinen Fall wieder hinein. Madeira war scheinbar noch mit der Suche nach Sherry beschäftigt, auch wenn er nicht nachvollziehen konnte, was da so lange dauerte... und… da kam ihm plötzlich ein Gedanke. Natürlich. Kogoro Mori war ebenfalls hier… dieser Dummkopf, vor dem er nichts zu befürchten hatte. Der sich von einem Kind an der Nase herumführen ließ.

Schnell zog er sein Handy hervor und tippte eine Nachricht ein.
 

Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort
 

Als der Junge nun gedankenversunken dort am Rande der Bühne stand, bemerkte er, dass sein Handy vibrierte. „Nanu… ich dachte, ich hätte es ausgeschaltet...“

Just als er den Hörer abheben wollte, erkannte er, dass es Shinichis Handy war. „Ran! Ich habe vergessen, Shinichis Handy auszuschalten. Verflixt, hier vor all den Leuten kann ich das Gespräch nicht annehmen!“ Hastig ging er in Richtung Bühnenausgang.
 

Verschlafen öffnete Kogoro Mori seine Augen einen Spalt breit. Er hatte höllische Kopfschmerzen, sein Schädel dröhnte, er hätte einfach nicht so viel bechern dürfen heute Nachmittag.

„Mori! Das war wie immer eine Glanzleistung...“ Megure gratulierte ihm wie so oft begeistert und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.

„Ja...“ sagte Kogoro mit gerunzelter Stirn, den Blick auf den Jungen gerichtet, der eilig den Raum verließ „wirklich eine Glanzleistung...“
 

So ihr Lieben. Das war es wieder mit diesem Kapitel. Habt ihr das Lied erkannt, dass Professor Agasas Erfindung von sich gegeben hat? Ich fand, der Text passte sehr gut zu einer Feuerwerksexplosion... Bitte schreibt mir wie immer eure Meinung. Vor allem interessiert mich wirklich, ob euch der Kriminalfall gefallen hat. Bis jetzt habe ich noch einen in meine Geschichten eingebaut. War er stimmig? Ist euch etwas unlogisch vorgekommen?
 

Liebe Grüße, eure Himawari-chan.



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