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DEAN CORVIN: 01. Das Ende des Imperiums

von

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FREUNDE UND FEINDE

 Heute, am Samstag den 18. März 3217, hatte Kimi Korkonnen mehr denn je den Eindruck zwischen sämtlichen Stühlen zu sitzen, was nicht zuletzt daran lag, dass Andrea, Jayden und Dean zwar mit ihm über ihre Gefühle sprachen, nicht aber miteinander.

Nach dem denkwürdigen Gespräch zwischen Dean und Andrea in Wellington-City hatte sich Dean zunächst spürbar von Andrea, und auch ein wenig von Jayden zurückgezogen, und Kimi fragte sich immer öfter, ob Dean etwas von Jaydens Gefühlen für Andrea ahnte, oder nicht.

Jayden seinerseits hatte, mit Rücksicht auf Dean, bis nach den Semester-Prüfungen, Mitte Februar, gewartet bevor er Andrea langsam aber sicher die ersten eindeutigen Signale gesendet hatte.

Vorgestern wiederum hatte Andrea mit ihm ein langes Gespräch geführt, weil sie sich dazu entschlossen hatte, eine feste Beziehung mit Jayden zu beginnen und seine Meinung in Bezug auf Dean dazu hatte hören wollen.

Und schließlich war da noch sein bester Freund, der allmählich herausfand, dass sich zwischen Jayden und Andrea etwas entwickelte, das über ihre bisherige, platonische Freundschaft hinaus ging. Das veranlasste Dean dazu, den beiden noch mehr aus dem Weg zu gehen, was bereits jetzt zu einem spürbaren Knacks zwischen Dean und ihm einerseits, und Andrea und Jayden andererseits geführt hatte.

In den letzten Tagen hatte sich Kimi Korkonnen dabei immer öfter gefragt, wie lange er zwischen den Freunden noch als Bindeglied dienen, oder besser, wie lange dieser Zustand noch gut gehen, konnte. Momentan kam ihm die Situation vor, wie ein Stepptanz mit brennenden Schuhen auf einem Pulverfass.

Nicht zuletzt deshalb war er froh darüber, dass Andrea vorgestern vorgeschlagen hatte, sich an diesem Samstag-Nachmittag im GREEN HILLS, einem der etwas abgelegenen Lokale, etwas außerhalb von Wellington-City, zu treffen. Dabei hatte er deutlich gespürt, dass die Kameradin an sich halten musste, weil sie offensichtlich ziemlich zornig war, wegen der aktuellen Situation und wegen des Verhaltens seines besten Freundes.

Sie waren in den letzten Monaten bereits einige Male hier gewesen. Von der Gartenterrasse des Lokals aus, das an einen der umliegenden Hügel geschmiegt lag, hatte man einen tollen Ausblick, über die Stadt und den Naturhafen hinweg, zur Cook Strait durch welche die Nordinsel von der Südinsel getrennt war. An klaren Tagen, so wie heute, konnte man von hier aus die oft schneebedeckten Kaikoura Ranges, auf der Südinsel, erkennen.

Die vier Kadetten waren froh, dass das Material ihrer Ausgehuniformen wärmende Eigenschaften besaß und windundurchlässig war, den an diesem Tag war es, trotz der momentan guten Wetterlage nicht nur sehr windig, sondern mit gerade mal zehn Grad Celsius auch nicht besonders warm. Nicht zuletzt deswegen waren sie an diesem Nachmittag beinahe unter sich, an diesem Ort.

Das GREEN HILLS gehörte zu den wenigen Lokalen auf der Erde, an dem es noch Bedienstete gab, welche die Bestellungen der Gäste aufnahmen und die Speisen und Getränke dann anschließend zu den Gästen brachten. Anders als bei den meisten anderen Lokalen, in denen es ausschließlich Servoautomatiken an den Plätzen gab.

Nachdem die vier Kadetten ihren heißen Tee bekommen und ihn bezahlt hatten, nahmen sie zunächst einen Schluck von ihren Getränken.

Es war schließlich Kimi Korkonnen, der das Wort ergriff, als er den vielsagenden Blick von der Deutschen auffing. Nachdem er ernst in die Runde gesehen hatte eröffnete er seinen Kameraden: „Freunde, so wie in den letzten Wochen geht es nicht mehr weiter. Ich komme mir nämlich vor wie ein Jongleur auf einem Drahtseil, bei Windstärke zehn. Darum werden wir heute ganz offen darüber sprechen, was sich in den letzten Wochen zwischen uns aufgestaut hat – oder besser ihr werdet darüber miteinander sprechen, denn bei mir habt ihr ja alle euren Kummer bereits abgeladen.“

Etwas erstaunt über die bestimmte Art des sonst so ruhigen Finnen sahen Dean Corvin und Jayden Kerr ihn an und schwiegen eine Weile, während Andrea von Garding den Ball dankbar aufnahm, den Korkonnen ihr mit seinen Worten zu gespielt hatte und meinte: „Du hast Recht, Kimi. Wir müssen darüber reden, und zwar dringend.“

Sie blickte entschuldigend zu Corvin und legte, für alle gut sichtbar, ihre Hand auf die von Jayden Kerr, der zu ihrer Rechten saß. Dabei erklärte sie, hauptsächlich zu Dean Corvin gewandt: „In den letzten Wochen habe ich gemerkt, was Jayden für mich empfindet, und ich empfinde dasselbe auch für ihn. Nach unserem Gespräch, Dean, da haben sowohl Jayden, als auch ich, mit Rücksicht auf deine Gefühle, gezögert zu unseren Gefühlen zu stehen, oder sie offen, Dir gegenüber, zu zeigen, weshalb es auch zu der momentanen Zweiteilung unserer kleinen Gruppe kam. Aber ich will diese Zweiteilung nicht, und Jayden auch nicht – und ich hoffe, bei Dir und Kimi sieht es ebenso aus.“

Kimi Korkonnen nickte zustimmend und schubste Dean Corvin, unter dem Tisch, etwas an, weil dieser keine Anstalten machte etwas zu erwidern.

Erst auf den zarten Wink des Freundes hin räusperte er sich und sagte rau: „Natürlich will ich diese Kluft nicht.“

„Dann hör gefälligst auf zu spinnen und Dich wie ein Idiot zu verhalten!“, fuhr Andrea von Garding den Freund plötzlich aufgebracht an, wobei sich all die Gefühle, die sie in der letzten Zeit zurückgehalten hatte, einen Weg bahnten.

„Du bist es, der sich von uns zurückgezogen hat, nicht wir von Dir, seit du mitbekommen hast, was im Busch ist! Also hör auch du gefälligst als Erster wieder auf mit diesem Blödsinn! Jayden und ich haben uns eben in einander verliebt, und das geschah nicht um Dich zu ärgern, sondern es passierte einfach! So, wie es Dir auch passiert ist. Was sollen wir denn machen, Dean?“

Bei ihren letzten Worten standen Tränen in ihren Augen und Dean Corvin schluckte schwer, denn er musste zugeben, dass jedes ihrer Worte den Kern des momentanen Problems traf. Betreten blickte er von Ihr zu Jayden Kerr und schließlich zu Kimi Korkonnen, der unmerklich nickte. Nervös nahm er einen Schluck von seinem Tee, bevor er mit belegter Stimme erwiderte: „Du hast Recht, Andrea. Ich war ein Esel, in der letzten Zeit. Es ist nur so, dass es weh tut, Dich zusammen mit Jayden zu sehen. Ich weiß, dass keiner von euch beiden etwas dafür kann, aber es hat mir immer wieder einen Stich versetzt. Vielleicht wird das auch noch eine Weile so bleiben, aber ich möchte euch heute eins ganz klar sagen. Ich werde damit fertig werden, und ich wünsche mir, dass ihr zwei glücklich seid.“

Dean Corvin unterbrach sich und er musste mehrere Male tief durchatmen, bevor er weiter reden konnte, wobei seine Augen feucht schimmerten. „Und ich wünsche mir, dass wir schon bald wieder die Freunde sein werden, die wir in den letzten drei Jahren waren.“

Wieder schluckte er schwer und sah Jayden und Andrea nacheinander offen an.

Sie schwiegen eine Weile, und Andrea von Garding wischte sich über die Augen, wobei sie sich sacht an Jayden anlehnte.

Zum ersten Mal, während sie am Tisch saßen, äußerte sich der Jamaikaner dazu.

„Das ist eine positive Einstellung über die wir uns beide sehr freuen, Dean. Du solltest vielleicht noch wissen, dass meine Gefühle für Andrea bereits auf der Venus entstanden, etwa zu demselben Zeitpunkt, an dem ich merkte, dass da auch von Deiner Seite etwas entstand. Darum habe ich damals erst einmal abgewartet was daraus wird, um unsere Freundschaft nicht zu gefährden. So, wie auch bei Dir, wurden diese Gefühle aber schließlich so stark, dass ich sie nicht mehr länger verbergen konnte, und es auch nicht länger verbergen wollte. Ich kann verstehen was in Dir vorgeht, Dean, und hätte sich Andrea anders entschieden, dann wäre wohl ich es, der mit dem Schicksal hadern würde. Was keiner von uns Dreien wollte war, den Anderen damit zu verletzen. Darum lass uns die Freunde sein, die wir sein sollten.“

Bei seinen letzten Worten streckte Jayden Kerr die geöffnete Hand über den Tisch und blickte Dean Corvin inständig an.

Dankbar für diese Geste ergriff Corvin die angebotene Hand. Er bemerkte den auffordernden Blick des Freundes in Richtung der Freundin, die zwischendurch ein Taschentuch hervorgeholt hatte um sich vernehmlich zu schnäuzen.

Die junge Frau lächelte zaghaft und legte ihre Hand auf die der beiden Kadetten, bevor Kimi Korkonnen aufatmend seinerseits seine Rechte auf ihre legte und meinte: „Nie wieder so einen Stress, Freunde, sonst werde ich zum Amokläufer, damit ihr klar seht.“

Alle Vier lachten befreit und Korkonnen wechselte, erleichtert über diese Entwicklung, und um seinen Kameraden die Gelegenheit zu geben ihre aufgewühlten Emotionen wieder in den Griff zu bekommen, das Thema, indem er berichtete: „Mir ist aufgefallen, dass Kim Tae Yeon sich, in den letzten Wochen, immer wieder auffällig oft mit zwei Kadetten, die, so wie sie selbst, von der Sektion-Mars hierher kamen, nach den Vorlesungen sehen lässt, und ganz ungeniert mit ihnen herummacht. Ich weiß nicht so recht was ich davon halten soll.“

„Na ja, wenn sie glaubt, dass mir das etwas ausmacht, so hat sie sich geschnitten“, bemerkte Dean Corvin und erklärte nun auch Andrea von Garding und Jayden Kerr, was genau sich zu Silvester, und in der Woche darauf, zwischen ihnen abgespielt hatte.“

Die Deutsche, die von alldem zum ersten Mal hörte, erklärte konsterniert: „Das ist doch krank! Wie ist denn die Frau drauf?“

Corvin trank seinen Tee aus. „Sie hat mich an Neujahr völlig überfahren, so als hätte ich sie betrogen. Dabei wäre es doch viel schlimmer gewesen, wenn ich ihre Gefühle für mich ausgenutzt hätte, statt offen mit ihr zu reden, oder etwa nicht?“

Jayden Kerr, der bislang auch nur einen Teil dieser Ereignisse gekannt hatte, schüttelte seinen Kopf. „Die Frau hat sich da anscheinend in etwas hinein gesteigert, und zwar deutlich schlimmer, als wir hier am Tisch. Was mir etwas Sorgen macht ist diese Drohung, die sie ausgestoßen hat. Vielleicht ist es besser, auf der Hut zu sein. Auf jeden Fall solltest du ihr weiterhin aus dem Weg gehen, vielleicht glätten sich die Wogen ja dann.“

„Dasselbe hat Kimi mir bereits gesagt. Ich denke, ihr Zwei habt Recht.“

Für eine Weile entspannten sich die vier Kadetten und blickten sich nur abwechselnd immer wieder stumm an, bevor Kimi Korkonnen schließlich, mit verändertem Tonfall, fragte: „Was haltet ihr übrigens von dem erneuten Säbelrasseln der Konföderation Deneb in Hinsicht auf das Delta-Cephei-System. Bereits während des Interstellaren Krieges von 2950 war das System heiß umkämpft, wegen seiner reichen Bodenschätze. Letztlich konnten sie es nicht erobern, aber ihre Ansprüche auf Outpost haben sie nie wirklich aufgegeben, wie es scheint. Jetzt reden deren Machthaber wieder davon, dass es über die Zugehörigkeit des Systems Verhandlungen geben muss. Vor einer Woche fand, ganz in der Nähe, ein großes Flottenmanöver der Konföderation statt.“

Dean Corvin nickte. „Ich habe läuten gehört, dass unsere Flotte einen Einsatz-Verband in den Delta-Cephei-Sektor verlegen will, um den Konföderierten zu zeigen, dass wir uns von ihnen weder einschüchtern noch bedrohen lassen. Ich hoffe nur, dass es wegen Outpost nicht zu einem erneuten Krieg kommen wird.“

Jayden Kerr schüttelte bestimmt den Kopf. „Das glaube ich nicht. Momentan ist wohl keines der Sternenreiche wirklich für einen Krieg gerüstet. Außerdem sind unsere Außensysteme sehr gut befestigt, das dürfte selbst die große Kriegsflotte von Deneb davon abhalten sich kopflos in ein so riskantes Abenteuer zu stürzen.“

„Das denke ich auch“, pflichtete Andrea von Garding ihrem Freund bei. „Allerdings, und das habe ich bereits vor zwei Jahren in einem Referat gesagt, mache ich mir darüber Gedanken, wie die Lage in fünf Jahren aussehen könnte. Vielleicht ist die Konföderation heute noch nicht bereit zu einem Krieg, aber wenn sie für das Vorhaben, einen Krieg gegen das Terranische Imperium zu führen Verbündete gewinnen können, und einige Jahre Zeit haben sich im Geheimen darauf vorzubereiten, dann könnte sich das vielleicht ändern. Nach meiner Ansicht hat unsere Regierung zu sehr auf Entspannung gesetzt, in den letzten fünfzig Jahren. Eine Doppelstrategie, um auf solche Bedrohungen besser reagieren zu können, hätte ich als sinnvoller erachtet.“

„Du wirst doch nicht etwa radikal?“, erkundigte sich Kimi Korkonnen, halb spöttisch, halb ernsthaft. „Das steht Dir nicht.“

„Unsinn“, verteidigte die junge Frau ihre Ansichten. „Ich sage nur, dass das Imperium nicht blindlings in seinen Untergang marschieren sollte. Und ein guter Weg das nicht zu tun wäre, eine stärkere Flotte aufzubauen, und nicht immer wieder auf die wirtschaftliche Macht zu setzen, denn damit wird es irgendwann vorbei sein. Die übrigen Sternenreiche holen in dieser Beziehung bereits stark auf.“

Dean Corvin blickte etwas verwundert zu der Kameradin und fragte: „Bist du sicher, dass du nicht besser in die Politik gegangen wärst? Zumindest hättest du da schon einmal ein Konzept, was man von unseren aktuellen Politikern leider sehr oft nicht sagen kann.“

„Nein danke, dazu fahre ich viel zu schnell aus der Haut“, gab die junge Frau grinsend zurück. „Versuch es vielleicht mal bei Kimi oder Jayden, die haben die Ruhe weg.“

Beide Kadetten machten eine gleichermaßen ablehnende Geste. „Bloß das nicht.“

Sie lachten befreit und Kimi Korkonnen stellte dabei erleichtert fest, dass Deans seelischer Druck wirklich etwas nachgelassen zu haben schien, denn seine momentane Fröhlichkeit wirkte nicht aufgesetzt auf ihn, was er als gutes Zeichen wertete. Sicherlich würde er noch eine Weile brauchen, um über Andrea hinweg zu kommen, doch der erste Schritt war gemacht, dessen war der Finne sich sicher. Zufrieden blickte er in die Runde. Ihre Freundschaft hatte die erste ernsthafte Zerreißprobe gut überstanden.

 
 

* * *

 

Als Dean Corvin und Kimi Korkonnen zum Campus zurückkehrten war es bereits finster. Andrea von Garding und Jayden Kerr hatten sich bereits etwas früher am Abend von ihnen verabschiedet um noch etwas für sich sein zu können. Dabei hatten die beiden es die gesamte Zeit über tunlichst vermieden, sich vor den Augen der beiden Freunde zu küssen, wofür ihnen sowohl Dean, als auch sein Freund, insgeheim sehr dankbar waren. Kimi Korkonnen sah sich jedoch genötigt das Thema bei Dean Corvin anzusprechen, und so meinte er, als sie durch das breite Tor der Akademie schritten: „Hör zu, wenn du schon akzeptierst, dass Jayden und Andrea zusammen sind, so gehört es dazu, dass du auch damit leben musst, dass sie sich vielleicht auch mal in Deinem Beisein umarmen oder sich küssen. Versprich mir, dann nicht auszuflippen, okay?“

Dean Corvin seufzte schwach. „Versprochen, aber leicht wird das zu Beginn nicht werden fürchte ich.“

„Das sagt auch niemand.“ Der Finne legte seine Hand auf die Schulter des Freundes. „Aber damit wirst du irgendwann klarkommen. Ganz bestimmt.“

„Danke, Kimi, du bist ein guter Freund.“

Er blickte wieder nach vorne und erkannte Kim Tae Yeon, die sich mit einem ihrer neuen Freunde aus einer anderen Richtung dem Haupteingang der Akademie näherte. Der Kanadier erkannte, wie sie etwas zu den beiden jungen Männern sagte und dann zielstrebig auf ihn und Kimi zu hielt.

„Oh, nein“, flüsterte Corvin gereizt. „Was will die denn schon wieder?“

Korkonnen raunte zurück: „Soll ich bei Dir bleiben, oder willst du alleine da durch?“

Dean Corvin entschied spontan: „Ich schaffe das alleine, keine Sorge. Und falls nicht schreie ich laut um Hilfe.“

Der Finne lachte unterdrückt. „Wenn du in einer halben Stunde nicht im Quartier bist gebe ich Großalarm, Alter.“

Damit ließ Kimi Korkonnen den Freund allein, bevor Kim Tae Yeon sie erreicht hatte.

Die Koreanerin warf dem Blonden einen langen Blick hinterher, bevor sie sich an Dean Corvin wandte und mit bittendem Tonfall fragte: „Kann ich Dich einen Moment sprechen, Dean?“

Sie bemerkte seinen abweisenden Blick und fügte schnell hinzu: „Ich weiß, dass du sauer auf mich sein musst. Ich habe im Zorn einige schlimme Dinge gesagt, aber das tut mir aufrichtig leid. Ich habe das gar nicht so gemeint aber ich war so enttäuscht und verletzt, dass ich gar nicht mehr wusste, was ich tat. Bitte, Dean...“

Corvin war verwundert stehen geblieben. Er konnte kaum glauben, was Tae Yeon ihm eben eröffnet hatte und darum sah er sie nur völlig verwirrt an.

Kim Tae Yeon kam einen halben Schritt näher und der Kadett konnte ihr blumiges Parfum riechen das sie aufgelegt hatte. Ihn mit ihren dunklen Mandelaugen beinahe flehend ansehend fuhr sie fort: „Bitte vergiss, was ich Dir alles an den Kopf geworfen habe, Dean. Ich habe gehört, dass du selbst eine Enttäuschung erlebt hast, und da möchte ich Dir nicht auch noch Kummer machen. Vielleicht kannst du aber nun verstehen, wie ich mich am Neujahrsmorgen gefühlt habe. Die Ohrfeige tut mir schrecklich leid.“

Erst jetzt fand Dean Corvin seine Sprache wieder und noch ein wenig misstrauisch meinte er: „Immerhin hast du Dich schnell getröstet, wie mir scheint.“

„Das ist nichts Ernstes“, wiegelte Kim Tae Yeon schnell ab. „Aber ich hatte mich so verlassen gefühlt, dass ich eine starke Schulter zum Anlehnen brauchte.“

„Oder auch zwei, nicht wahr?“

„Ja, verdammt!“

Die Asiatin wurde schnell wieder ruhig und legte sacht eine Hand auf seinen rechten Unterarm. „Bitte, Dean, ich will doch nur, dass du nicht mehr böse auf mich bist, oder mich für eine Furie hältst. Ich weiß ja, dass ich selbst Schuld an diesem Eindruck bin, den du von mir gewonnen haben musst. Dabei habe ich nur Deine Freundschaft vermisst und deine Nähe, nachdem wir nicht mehr gemeinsam miteinander gelernt haben. Vermutlich war ich deswegen so gemein zu dir, aus Frust über meine eigene Dummheit.“

Dean Corvin schluckte bei diesem Vortrag. „Wow, zu so einer Entschuldigung gehört etwas, Tae Yeon. Dein Verhalten, nach Neujahr, hat mich sehr schockiert. Ich freue mich, über Deinen Sinneswandel und hoffe nur, das du das eben wirklich ernst gemeint hast.“

Die Asiatin nickte lebhaft. „Ganz bestimmt, Dean. Verzeih mir bitte.“

Sie sah ihn so flehend an, dass Dean Corvins Herz förmlich schmolz und aufgewühlt antwortete er rau: „Also gut, wir vergessen was da nach diesem Kuss passiert ist und fangen am Besten direkt da wieder an, einverstanden?“

„Ja, aber denk daran, dass es Dein Vorschlag war.“

Während Corvin noch überlegte wie die asiatische Kadettin ihre Worte gemeint haben könnte, hatte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt, ihre Hände auf seine Schultern gelegt, und ihm einen schnellen, flüchtigen Kuss auf die linke Wange gehaucht. Im nächsten Moment blickte sie ihn verschmitzt an und fragte unschuldig: „Gehen wir noch etwas im Park spazieren, Freund?“

Dean Corvin lächelte schwach. „In Ordnung, Freundin, aber nicht länger als zwanzig Minuten, sonst löst Kimi am Ende wirklich noch Großalarm aus.“

Kim Tae Yeon blickte den jungen Mann an ihrer Seite etwas befremdet an bei seinen Worten, und schmunzelnd meinte er: „Ich erkläre es Dir beim Spaziergang.“

Dabei entging ihm das eigentümliche Glitzern in ihren dunklen Augen, während sie tiefer in den Park hinein schritten und sich leise unterhielten.

 
 

* * *

 

Als Dean Corvin, im Wohnraum ihres Quartiers auf der Couch sitzend, seinem besten Freund später von dem Gespräch zwischen Tae Yeon und ihm berichtete, da war der Finne, der ihm in einem der beiden Sessel gegenüber saß, kaum weniger überrascht, als er selbst und etwas ungläubig fragte der Blonde: „Denkst du denn, dass sie es wirklich ernst gemeint hat?“

Dean Corvin nickte. „Ich denke schon. Offen gestanden, ich konnte mir auch nicht wirklich vorstellen, dass Tae Yeon tatsächlich so eine Furie sein soll. Irgendwie scheint das doch nicht zu ihr zu passen.“

Kimi Korkonnen nickte nachdenklich. „Ich eigentlich auch nicht. Vielleicht war es wirklich nur die Enttäuschung. Ich habe ja miterlebt, was beinahe aus der Freundschaft zwischen Andrea und Dir geworden wäre, nachdem sie dir einen Korb gegeben hatte. Und sie hat es Dir vermutlich sehr viel schonender beigebracht, als du Tae Yeon.“

„Das vermute ich auch mal.“

„Möglicherweise kam bei Tae Yeon auch noch Eifersucht dazu“, sinnierte der Finne. „Jetzt, da sie mitbekommen hat, dass aus Deiner großen Liebe nichts geworden ist, da hat sie vermutlich Mitleid mit Dir, und vielleicht macht sie sich auch wieder etwas Hoffnung, denn das war ja der Grund, warum du nicht mit ihr zusammen sein wolltest.“

„Hm...“, machte der Kanadier. „Das könnte es sein.“

„Wie steht es denn mit dir? Vielleicht passt ihr zwei ja doch ganz gut zusammen.“

Dean Corvin griff nach seinem Fruchtsaftglas, das auf dem niedrigen Tisch stand, nahm einen Schluck und stellte das Glas wieder ab. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht so recht. Zumindest werde ich nichts übereilen und erst einmal abwarten, ob es Tae Yeon wirklich ernst gemeint hat. Alles Weitere wird sich dann schon finden.“

„Ich wünsche dir Glück.“

Der Blonde erhob sich und gähnte herzhaft. „Ich, für meinen Teil, werde mich jetzt hinlegen. Du, Andrea und Jayden - ihr habt mich ziemlich viel Kraft gekostet, in den letzten Tagen und Wochen.“

„Faule Ausrede, aber egal“, lachte Corvin und trank sein Glas aus. Nachdem er Kimi Korkonnen eine Gute Nacht gewünscht hatte begab er sich in seinen eigenen Schlafraum, denn auch er hatte in den letzten Tagen wenig geschlafen. Doch er lag zunächst noch eine Weile wach auf dem Rücken, wobei die Ereignisse des vergangenen Tages nochmal wie ein Film vor seinem inneren Auge abliefen. Sein letzter Gedanke galt dabei Kim Tae Yeon und mit einem leisen Lächeln auf den Lippen schlief er endlich ein.

 
 

* * *

 

Eine Stunde zuvor hatte sich Kim Tae Yeon, kaum dass Dean Corvin sich von ihr verabschiedet hatte, mit ihren beiden momentanen Gefährten, in einem abseits gelegenen Trakt der Akademie getroffen, wo sie ungestört waren. Beide Kadetten blickten wenig erfreut, nachdem die Asiatin ihnen eröffnet hatte, dass sie ihre Beziehung in den nächsten Monaten erst einmal auf Eis legen mussten.

Etwas ungehalten deswegen erklärte die junge Frau deshalb eindringlich: „Wir haben doch bereits darüber gesprochen, oder etwa nicht? Wenn ich mit Dean Corvin anbandeln will, dann kann ich nicht gleichzeitig mit euch beiden ins Bett steigen oder öffentlich mit euch herummachen, oder euch ständig um mich haben. Dann würde er doch sofort etwas merken, und gerade das soll er ja nicht. Ich will meine Rache dafür, dass er zunächst eine Andere mir vorziehen wollte, und ich nur eine Art Ersatz für ihn gewesen bin.“

Der kleinere der beiden Kadetten, Jonas Zandvoort, blickte sie aus braunen Augen schief an und erkundigte sich lauernd: „Was passiert, falls du bemerkst, dass er nun doch ein Auge auf Dich werfen sollte. Dann wirst du Dich ihm an den Hals werfen und uns beide sausen lassen, nicht wahr?“

Die Ohrfeige kam für Zandvoort unerwartet. Während er sie noch wütend musterte, fauchte Kim ihn heftig an: „Du Idiot! Ich werde mich ihm niemals wirklich an den Hals werfen. Alles was zwischen uns passieren wird, dient am Ende nur einem einzigen Zweck: Ich werde dafür sorgen, dass seine Karriere bei der Flotte ein unrühmliches Ende nimmt, noch bevor sie richtig anfangen kann. Doch dazu muss er mir voll und ganz vertrauen, und das wird er nun einmal nicht von heute auf morgen, oder nur deshalb, weil ich ihn lieb anschaue, klar? Ich hasse diesen Kerl!“

Während Zandvoort sich seine brennende Wange hielt und vor sich hin brummte, hob sein Kamerad, der Australier Jeremy James, seine Augenbrauen und fragte finster feststellend: „Du wirst also mit ihm ins Bett steigen.“

„Na und?“

Die Asiatin runzelte ihre hübsche Stirn. „Ich habe euch beiden bereits mehrmals erklärt, dass ihr zwei kein alleiniges Anrecht auf mich haben werdet. Solange das kein Problem ist, werden wir drei unseren Spaß miteinander haben. Falls nicht – nun ja, dann finde ich andere Verbündete, die weniger moralische Bedenken haben.“

„Ist ja schon gut“, knurrte Jeremy James, wobei seine grünen Augen etwas Anderes auszudrücken schienen. „Kein Grund gleich die Krallen auszufahren. Du weißt, dass wir zu Dir stehen, und dass wir alles für Dich tun werden.“

Er blickte Zandvoort nach Zustimmung heischend an und meinte: „Stimmt doch?“

„Ja“, beeilte sich Zandvoort zu versichern.“

Kim Tae Yeon lächelte lieblich, schenkte den beiden jungen Kadetten einen verheißungsvollen Blick und gurrte verführerisch: „Ihr zwei werdet es am Ende nicht bereuen, dass ihr euch für eine Weile von mir zurückziehen müsst. Wenn ich Corvins Karriere vernichtet habe, dann werden wir drei wieder zusammen sein, das ist ein Versprechen.“

Die beiden Kadetten, die vollkommen in ihrem Bann standen, nickten gleichzeitig. Dann verabschiedeten sie sich von der Asiatin, die ein boshaftes Lächeln aufsetzte und dabei leise flüsterte: „Du wirst den Tag noch verfluchen, an dem du mir die kalte Schulter gezeigt hast, Dean Everett Corvin.“



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