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Milchstraßenwünsche

von
Koautor: Arcturus

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Von Getas und Sternen

Kleidung war nicht immer bequem. Kaum eine Slytherin ihres Jahrgangs wusste das so gut wie Daphne selbst. Oh, wie oft hatte sie schon gelitten, nur weil dieses Kleid besonders eng sitzen musste oder jene Schuhe ihre Beine optisch so viel länger machten! Aber nur selten hatte sie ihren inneren Modehund so sehr verflucht, wie in diesem Augenblick.

Die Geta rutschten zwischen ihren Zehen. Der eng gewickelte Yukata erlaubte nur winzige Schritte ohne zu verrutschen. Die Ärmel klebten an ihren Schultern, wie eine schweißgetränkte Haut.

Der steile Weg, der vom Harase-Anwesen zwischen Wohnhäusern und Ahornbäumen hinab zur Hauptstraße führte, machte es nicht besser.

Wenn man Professor Flitwick glauben schenken mochte, hatten bereits die alten Ägypter die ersten Innenraumklimatisierungszauber entwickelt.

Fakt war: In Japan hatte man sie perfektioniert.

Fakt war aber auch: Daphne vermisste sie schmerzlich, kaum, dass sie das Harase-Anwesen verlassen hatten. Selbst in den frühen Abendstunden traf einen die schwüle Sommerhitze, die mit der Regenzeit über Nara hereingebrochen war, wie ein Schlag. Fast, als nehme das Wetter Rücksicht auf das Matsuri – und auf Daphnes Outfit – regnete es nicht, aber das war der einzige Pluspunkt. Bereits im Innenhof stand die Luft. Selbst im Schatten der Ahornbäume war es nur unmerklich kühler. Daphne spürte ihr Make-Up, auf dessen Deckkraft sie so stolz war, förmlich schwimmen.

Das Einzige, das ihr neben dem hübschen Muster ihres Yukata zur Zeit zusagte, war der Blattfächer, der ihre Accessoires komplettierte.

Daphne fächerte.

„Mir ist waaarm …“

Sie erwartete Mitleid, doch dafür hätten sie vermutlich einen der Jungs mitnehmen müssen. Tracey, die auf ihren Geta vorantippelte, als habe sie heimlich geübt, konnte Mitleid vermutlich nicht einmal buchstabieren. Und Yasuka-san? Die nutzt die Gelegenheit, ihr mit dem Zeigefinger zwischen die Schulterblätter zu pieken.

„Au!“

„Halt dich gerade.“

Immer noch fächernd – denn wirklich weh getan hatte es eigentlich nicht – und möglichst empört blickte sie zu Yasuka-san. Zu Daphnes Überraschung wirkte ihre Gastgeberin auch in ihrem dunklen Yukata nicht viel femininer, als in den amerikanischen Shirts und den Muggeljeans, die sie normalerweise trug. Vielleicht lag es an ihrer Größe – Yasuka-san war mit Leichtigkeit eine der größten Japanerinnen, denen sie bislang begegnet war – oder an dem etwas schmaleren Obi oder daran, dass sie darauf verzichtet hatte, sich Blüten in den Zopf zu binden. Vielleicht war es auch einfach ihre Ausstrahlung. Oder das Wetter.

„Aber mir ist waaarm …“

Neben ihr schüttelte Yasuka-san den Kopf.

„So siehst du aus wie ein Europäer, der zum ersten Mal einen Yukata trägt.“

„Aber“, Daphne unterbrach das Wedeln für einen Moment, um mit dem Fächer auf sich zu zeigen, „ich bin ein Europäer, der zum ersten Mal einen Yukata trägt! Das Üben gestern Abend zählt nicht.“

Yasuka-san antwortete ihr, indem sie ihre Augenbrauen hochzog. Tracey, ein paar Geta-Tippler vor ihnen, war weniger subtil.

„Was sie sagen will“, flötete ihre Freundin, „so siehst du aus, wie ein besonders bunter Sack.“

„Was?!“, empörte Daphne sich, lauter, als vielleicht nötig gewesen wäre.

Yasuka-san verzog keine Miene.

„Jetzt fällst du auch auf wie ein Europäer, der das erste Mal einen Yukata trägt.“

Daphne öffnete den Mund, doch kein Ton kam heraus. Vage wurde sie sich der alten Hexe, die neben ihrem Haus letzte Dekorationen an einen Bambusstrauch hing, bewusst. Langsam schloss ihren Mund wieder. Sie spürte, wie sie rot wurde. Vor ihr kicherte Tracey in ihren Fächer.

„Ihr seid gemein“, murrte sie leise.

„Nur ein bisschen.“

Gern hätte Daphne sie darauf hingewiesen, dass sie sich an die eigene Nase fassen konnte, doch tatsächlich fand sie nichts zu meckern. Traceys Haltung war aufrecht, die Schleife ihres Obis nach wie vor perfekt gebunden. Sie wirkte nicht einmal, als würde sie vor Hitze eingehen. Ganz sicher hatte sie heimlich geübt.

Daphne schürzte die Lippen.

Das war doch unfair.

„Es ist in Ordnung“, warf Yasuka-san ein. Ihre Miene war unbewegt, doch ihr Tonfall verriet sie. „Das Tragen von Kimono ist etwas, das auch Japaner jahrelang üben. Niemand erwartet von dir Perfektion.“

Ob intendiert oder nicht – es waren die richtigen Worte. Daphne schmollte noch immer, natürlich, aber sie straffte die Schultern und zog den Bauch ein. Den Fächer ließ sie sinken. Die Bewohner von Tengukitouge mochten keine Perfektion erwarten – und für so sicher, wie Yasuka-san es ihr Glauben machen wollte, hielt sie das auch nicht – sie schon. Wenn sie schon in ihrem eigenen Schweiß kochen musste, konnte sie es auch in Würd-

Noch bevor sie den Gedanken beenden konnte, kreuzte ihre Gasse die Hauptstraße der Magiersiedlung. Jeder Gedanke – nicht nur an ihre Würde – löste sich zwischen leuchtenden Bändern, einem Schwarm echter Elstern und farbenfrohen Papierkimonos in Wohlgefallen auf.

„Woah!“

Yasuka-san hatte untertrieben.

In den letzten Tagen mochten sie noch so viele fantastischen Dekorationen in der Muggelwelt gesehen haben – das Fest, mit dem die Magier von Tengukitouge aufwarteten, stellte alles in den Schatten und ließ den prachtvollsten Bambus aussehen wie einen nur halb geschmückten, entnadelten Weihnachtsbaum im Hochsommer. Zu beiden Seiten der Hauptstraße streckte sich ein frisch gehexter Bambushain in die Höhe. Aus dem Hain ragten dreißig Fuß lange Halme quer über die Straße, an die man kürbisgroße Kugeln gehängt hatte. Jede Kugel zeigte in leuchtender Feinarbeit Szenen aus Kunst, Literatur und japanischer Mythologie und zog einen Schweif von bunten Bändern hinter sich her. Ganze Schwärme von Origamikranichen flatterten zwischen den Blättern der Bambusbäume und ließen sie leuchten wie einen Regenbogen. Der Duft von Zucker und Frittiertem lag in der Luft und ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Doch das, was Daphne den Atem nahm, war der Himmel.

Jemand hatte tausende von kleinen Sternen in die Luft, über die Straße, über Bambushain, Häuser und Festbuden, gehext. Aus der Ferne hatte Daphne sie nicht gesehen, doch jetzt glitzerten sie in der einsetzenden Dämmerung wie ein kleines Himmelszelt. Ein breites Sternenband schlängelte sich wie ein Fluss über ihren Köpfen hinweg und leuchtete mit jedem Moment, den die Sonne weiter Richtung Horizont zog, mehr.

„Jede Familie übernimmt einen Teil der Dekorationen. Am Abend werden die Besten gekürt. Der Gewinner darf dann im nächsten Jahr den Himmel gestalten“, hörte sie Yasuka-san neben sich sagen. „Das heißt, die Ochikamis dürfen den Himmel gestalten. Sie gewinnen jedes Jahr, seit Kouichi-san die Entwürfe übernommen hat.“

Daphne hörte den bissigen Unterton, doch sie war zu abgelenkt, um zu ihrer Begleiterin zu sehen. Direkt über ihr hatten plötzlich weitere Sterne zu leuchten begonnen. Erst einer, dann zwei, dann immer mehr, bis sie plötzlich Linien ausmachen konnte und in diesen Linien ein Gewand.

Erst, als sie Finger unter ihrem Kinn spürte, riss Daphne den Blick von immer weiteren Sternen los. Sich plötzlich ihres offenstehenden Mundes bewusst, schloss sie ihn eilig wieder, doch da war der Schaden bereits angerichtet.

Tracey, die Besitzerin eben jener Finger, verschwand gerade grinsend hinter ihrem Fächer. Ihr Blick war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie keine magische Kamera brauchte, um ihren Freunden später eine sehr detailgenaue Beschreibung einer Daphne zu liefern, die Leute wie Theo und Pansy nicht kennenlernen sollten. Sprachlos? Gaffend? Mit Pech wie ein Wiesel in der Großen Halle? Um Merlins Willen …

„Sie“, murrte Daphne, „werden dir eh nicht glauben.“

„Oh doch.“

„Vergiss es.“

„Zusammen mit dem pinken Sack.“

Daphne spürte, wie sie blass wurde.

„Das werden sie dir nicht glauben, Tracey“, behauptete sie, doch Zweifel nagte an ihren Worten.

„Und das Geschlinger auf den Geta.“

Vermutlich wurde das Grinsen hinter Traceys Fächer nur noch breiter. Sie konnte es nicht sehen. Sie wollte es auch gar nicht sehen. Daphne presste, gut sichtbar, die Lippen aufeinander.

„Ich dachte, wir teilen uns seit sieben Jahren ein Haus.“

„Dachte ich auch“, antwortete Tracey spitz. „Also? Wetten?“

Über ihrem Fächer funkelte es in Traceys Augen.

Eigentlich war ihnen beiden klar, wie kindisch das ganze war. Sie beide kannten Pansy und ihre angeborene Skepsis. Und Theo … Theo hatte schon immer eine viel zu gute Menschenkenntnis besessen.

Leider kannte Daphne auch Tracey. Und Tracey würde – da war Daphne sich so sicher wie beim Verhexen von Puderquasten – nicht locker lassen, bis sie hatte, was sie wollte. Wenn Daphne nicht hier nachgab, würde sie es bei einer der Buden wieder versuchen. Oder beim Schrein. Oder am nächsten Tag, wenn sie Kyoto besuchten. Oder-

„Um was wetten wir?“, fragte sie, geschlagen.

„Die Verliererin wird Blaise einen Yukata schenken.“

Daphne zog die Augenbrauen zusammen. Traceys Tonfall machte mehr als deutlich, dass sie keinen dunkelgrauen Männer-Yukata meinte. Für einen Moment versuchte sie sich Blaise in einem Yukata vorzustellen. Sie konnte förmlich sehen, wie sich der Stoff mit ihm biss. Vor allem mit seinem Ego.

„Mit Kirschblüten drauf?“, fragte sie, das mentale Bild immer klarer vor Augen.

„In rosa, wenn's sein muss.“

Tracey hielt ihr die Hand hin. Hinter dem Fächer konnte Daphne nur ihre Augen sehen, doch sie spürte das Slytherinlächeln förmlich. Es schickte einen eisigen Schauer über ihren Rücken, so wie es das immer tat, wenn Daphne sich ganz tief in den Hippogreifhaufen manövrierte. Zu recht. Der Einsatz war hoch. Yukatas, gerade die hochwertigen, waren nicht billig und Blaise? Blaise würde es ihnen, wenn sie es richtig anstellten, ewig nachtragen.

Sie schlug ein.

Allein die Vorstellung von Blaises Entsetzen war es wert.

„Ich bin dabei“, antwortete sie mit siegessichersten Grinsen, dass sie angesichts der Situation aufbringen konnte. Und hey, sie konnte sich immer noch etwas wünschen.

Neben ihnen schüttelte Yasuka-san den Kopf.



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