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Milchstraßenwünsche

von
Koautor: Arcturus

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Von Prinzessinnen und Wünschen

Zwei Dutzend Stände weiter waren Tracey und Daphne nicht nur um ein paar tausend Yen ärmer, sondern auch um zwei Yakitori-Spieße, ein paar Taiyaki-Waffeln und einen goldfischgroßen Kappa im Glas reicher. Wie Daphne es geschafft hatte, unter lauter Goldfischen ausgerechnet einen Mini-Kappa zu angeln? Sie hatte nicht die geringste Idee.

Yasuka-san hatte sich zwischenzeitlich von ihnen getrennt, um ihre Schwester zu finden – was vielleicht nicht die beste Idee gewesen war, die sie an diesem Abend hatten. Immerhin war sie die Einzige, die den Wechselkurs Yen-Galleone ernsthaft im Blick hatte. Außerdem hatte das Anstehen vor den Ständen nur dafür gesorgt, dass die Hitze, trotz der fortschreitenden Dämmerung, wieder zuschlug. Nach ein paar Minuten neben dem Yakitori-Stand kochte Daphne förmlich in ihrem eigenen Sud.

Fächernd blickte sie in den Himmel, auch wenn das keine wirkliche Abkühlung brachte. Mittlerweile war es dunkel genug, um all die Sterne zu sehen, die Kouichi Ochikami in mühevoller Kleinarbeit in den Himmel gehext hatte. Tatsächlich war es nicht bei dem Sternenband und dem einen Gewand geblieben. Längst zeichneten die Sterne diverse Figuren in die Luft – noch mehr Gewänder auf der einen Seite des Flusses, Kühe auf der anderen. Direkt über ihr leuchtete das Bild eines Mädchens, das sehnsüchtig auf die andere Seite des Bandes blickte.

„Orihime.“

Daphne drehte den Kopf, gerade genug, um in ihrem Augenwinkel zu Tracey sehen zu können.

„Huh?“

„Orihime“, sagte Tracey erneut. „Die Weberprinzessin.“

Daphne musterte das Mädchen im Himmel mit neuem Interesse. Erst jetzt, auf den zweiten Blick, bemerkte sie, dass Orihimes Gewand kein Kimono war, wie sie ursprünglich angenommen hatte. Der Schnitt war deutlich weiter, prunkvoller, und in ihrem Haar leuchteten goldene Sterne wie Haarschmuck. Sie mochte dem Standard einer Prinzessin, nach dem Daphne aufgewachsen war – namentlich Beetle, der Barde – nicht entsprechen, doch das machte sie nicht weniger zu einer Prinzessin.

„Das klingt“, sagte Daphne leise, den Blick immer noch auf die rosa und golden glitzernden Sterne gerichtet, „als gäbe es dazu eine Geschichte.“

„Eine der berühmtesten Liebesgeschichten Asiens“, stimmte Tracey ihr zu.

Daphne sah zu ihrer Freundin.

„Echt?“

Tracey, den Blick auf Orihime gerichtet, nickte.

„Es heißt, Orihime war die Tochter des Himmelsherrschers. Sie war eine herausragende Weberin und ihr Vater liebte ihre Stoffe. Aus diesem Grund arbeitete sie von früh bis spät, um neue Gewänder für ihn zu weben.“

„Klingt nach einer Hufflepuff.“

Tracey neben ihr kicherte.

„Ein wenig, vielleicht. Aber ich glaube eher, sie war eine Gryffindor. Einer Hufflepuff wäre ihre Geschichte einfach nicht passiert. Jedenfalls - weil sie den ganzen Tag arbeitete, hatte sie keine Möglichkeit, andere Leute zu treffen und sich zu verlieben. Ihr Vater, der das bemerkte, wollte ihr etwas Gutes tun und arrangierte es, dass sie Hikoboshi, einen Kuhhirten, traf. Wie vom Vater erhofft, funkte es zwischen den Beiden. Er war ihr König Arthur auf dem weißen Ross, auch wenn sein Ross eine Kuh war. Sie war seine Eurydice, auch wenn sie Schlangen nie zu nahe kam. Sie turtelten miteinander. Liebesschwüre wurden geflüstert. Heimliche Treffen hinter dem Rücken ihres Vaters fanden statt. Sie heirateten bald darauf. Wie es aber mit Gryffindors so ist – gibst du ihnen den kleinen Finger, nehmen sie die ganze Hand.“

Daphnes Blick fiel auf Orihimes Hand über ihnen, die sie sehnsüchtig zu dem breiten Band ausstreckte, das sich neben ihr über den Himmel wand.

„Sie hat aufgehört, die hübschen Stoffe zu weben, oder?“

„Bingo. Keine große Hufflepuff, wie gesagt. Kaum waren die Beiden verheiratet, verbrachten sie die Zeit nur noch miteinander. Sie vernachlässigten ihre Arbeit. Die Kühe, die Hikoboshi hüten sollte, verwahrlosten und verteilten sich über den ganzen Himmel. Der Nachschub an neuen Stoffen brach ab. Orihimes Vater war nicht begeistert. Er untersagte den beiden, sich jemals wieder zu treffen. Ja, ich weiß, sie waren verheiratet, aber nun ja, er war der Himmelsherrscher und wer hätte ihn aufhalten sollen? Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, trennte er die beiden Liebenden durch den Himmelsfluss.“

Tracey deutete nach oben, erst zu dem Sternenband, dann zu einer weiteren Figur, einem jungen Mann. So sehr, wie Orihime eine Prinzessin war, so wenig war er ein Prinz. Auch ohne den historischen Kleiderkodex Japans zu kennen, erkannte Daphne in ihm einen einfachen Bauern. Auch er hielt den Arm ausgestreckt. Sehnsüchtig blickte er zu Orihime.

„Missmutig machte sich Hikoboshi daran, seine Rinder einzusammeln. Auch Orihime nahm ihre Arbeit wieder auf – nicht aber, ohne ihrem Vater ziemlich deutlich zu zeigen, wie viel sie von der Sache hielt. Sie weinte jeden Tag und ich nehme an, es fielen ein paar sehr deutliche Worte. Jedenfalls, irgendwann hatte ihr Vater ein Einsehen. Vielleicht konnte er seine Tochter nicht mehr weinen sehen, vielleicht traf Orihimes Meinung traf auch einen wunden Punkt oder er wollte er einfach keine Wasserflecken auf seinen Gewändern. Jedenfalls erlaubte er es dem Paar schließlich, sich einmal im Jahr, am siebten Tag des siebten Monats, zu treffen. Seitdem geht sie jedes Jahr zum Ufer des Himmelsflusses, der sie von ihrem Liebsten trennt. Bei gutem Wetter fliegt ein Schwarm Elstern zu ihr an den Fluss und die Vögel breiten ihre Flügel aus, damit sie den Fluss überqueren und den Tag mit Hikoboshi verbringen kann. Ist es jedoch bewölkt, können die Elstern nicht kommen und der Tag fällt – wortwörtlich – ins Wasser.“

„Ziemlich mieser Deal.“

Ihre Worte entlockten Tracey ein leises Lachen.

„Ich sag doch, sie ist eine Gryffindor. Einer Hufflepuff wäre das nicht passiert. Und ich möchte anmerken – einer Ravenclaw oder einer Slytherin auch nicht.“

Daphne nickte, ohne weitere Ausführungen zu brauchen. Einen Moment noch ließ Daphne die Geschichte sacken. Sie nahm sich die Zeit, Orihime und Hikoboshi noch einmal zu mustern, das Bild am Himmel auf sich wirken zu lassen. Für einen Moment wirkte das Sternenband unüberwindbar.

Schließlich senkte sie den Kopf.

„Ich fühle mich zur Zeit auch nicht sehr wie eine Hufflepuff“, gestand sie schließlich. „Oder wie eine Ravenclaw oder eine Slytherin.“

Sie spürte Traceys Blick auf sich ruhen. Er klebte auf ihrer Wange, dort, wo ihr Make-Up die frische, rote Narbe nur für Außenstehende überdeckte, oder zumindest bildete Daphne sich das ein.

„Ich fühle mich nicht einmal wie ne Gryffindor.“

„Letzteres will ich doch auch hoffen!“

Tracey hatte vielleicht etwas länger gezögert, als gut für ihre Unterhaltung war, doch das machte sie nun mit in die Hüfte gestemmten Armen wett.

„Du eine Gryffindor?“, sie nahm sich die Zeit, Daphne abschätzig zu mustern.

Daphne ahnte, was kommen würde, noch bevor Tracey sich bedeutungsschwanger räusperte und eine Hand auf ihre Brust legte.

„Ich“, verkündete sie, „bin Daphne Greengrass und eine Gryffindor! Die Welt – und Hogwarts! – dreht sich um mich! Ich habe keinen Grund, über etwas nachzudenken, ich mach einfach! Am Ende kann ich immer noch behaupten, ich hätte es genau so geplant, das glaubt man mir sowieso! Außerdem habe ich es nicht nötig, mich eingehender mit jemandem zu befassen – ich muss nur ihr Hogwartshaus kennen und schon weiß ich alles über sie! Slytherins, zum Beispiel! Alles Todesser! Die bekommen ihr dunkles Mal noch vor der ersten Muttermilch! Und es ist immer alles Malfoys Schuld!“

„Aber vermutlich ist es Malfoys Schuld.“

„Hah!“ Tracey zeigte mit dem Fächer auf sie. „Ich hab es dir doch gesagt! Und wenn du das jetzt leugnest, dann wird Quasti es dir zeigen!“

Sie versuchte, ernst zu bleiben, dann kicherte sie doch. Einen Moment noch starrte Tracey sie mit ihrem gryffindorigsten, hochmütigsten Blick an, dann stimmte sie mit ein.

„Denkst du, es ist richtig?“, fragte sie nach einer Weile.

„Huh?“

Tracey wandte den Blick vom nächsten Stand auf ihrem Weg – Teigbällchen, in die etwas eingebacken würde, dass Tintenfisch eklig ähnlich sah – ab. Es war offensichtlich, dass sie sich gerade nur fragte, ob man das wohl essen konnte.

Daphne, deren Meinung diesbezüglich bereits fest stand, fixierte ihren Blick lieber auf die Bambussträucher neben dem Stand. In der einsetzenden Dunkelheit schienen die Tanzaku schwach zu leuchten.

„Hier zu sein, während … du weißt schon.“

Traceys Interesse an den Tintenfischteigbällchen ebbte einen wehmütigen Blick später ab. In ihren Augen sah Daphne Bestätigung.

„Ich habe ihnen angeboten, mitzukommen“, antwortete sie leise.

Daphne nickte – zumindest bei dem Gespräch mit Pansy war sie dabei gewesen. Pansy, der sie das Verlangen angesehen hatte, während sie Scones rupfte und von Bettpfannen redete, die sich nicht von alleine sauberhexten. Wie das Gespräch mit Theo gelaufen war, konnte sie sich vorstellen. Vermutlich saß er gerade vor einem Schutthaufen und überlegte, wie er daraus wieder einen Torbogen machen konnte. Und Blaise? Blaise war zusammen mit seiner Mutter (aber ohne Ehemann Nummer acht) von der Bildfläche verschwunden.

„Ich fühle mich trotzdem, als würde ich davonlaufen.“

Neben ihr ließ Tracey den Kopf hängen.

„Ich weiß“, antwortete sie. „Ich bewundere Theos Ehrgeiz. Und Pansys Verbissenheit. Aber immer, wenn ich überlege, nach Hogwarts zurückzugehen …“

Wie von selbst glitt Daphnes Hand erneut zu der Narbe auf ihrer Wange. Sie wusste nicht alles, was Tracey während – und nach – der Schlacht gesehen und gehört hatte, aber sie hatte eine Ahnung. Eine Ahnung, wie sie sie auch bei Blaise, Pansy und Theo hatte. Im Grunde, das wusste sie, suchten sie alle nur ihren eigenen Weg, mit dem, was geschehen war, umzugehen. Sie konnte nur hoffen, dass es sie am Ende wieder zusammenführte.

Ihr Blick fiel erneut auf einen Bambusstrauch. Ein Regenbogen aus Kranichen blickte ihr entgegen. Unter ihnen warteten noch immer Papierstreifen darauf, beschrieben zu werden. Sie hatten sogar pink.

„Hey“, sagte sie, während sich die Idee formte. „Wir haben immer noch Tanzaku aufzuhängen, oder?“

Sie musste sich ja nicht wünschen, dass sie Draco in einen Gartengnom – oder, noch besser, ein Frettchen – verwandeln konnte. Zumindest nicht nur.



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