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Milchstraßenwünsche

von
Koautor: Arcturus

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Von Yukatas und Laternen

Noch vor fünf Tagen hatte Daphne Greengrass geglaubt, andere Kulturen würden sich vor allem durch exotische Mode, fremdsprachige Zaubersprüche und Drachen mit seltsamen Schuppenfarben von der magischen Gesellschaft Großbritanniens unterscheiden.

 

Oh süßer Hippogreif, lag sie daneben.

 

Heute war sie schon froh, dass es Yasuka-san war, die ihr mit dem Yukata half.

 

Argwöhnisch warf Daphne den Papierlaternen, die sie jeden Abend für Licht entzündeten, einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Sie war sich immer noch sicher, dass einer dieser Lampions vor vier Nächten an ihr vorbei geschwebt war, als sie sich auf der Suche nach dem Bad durch das Harase-Anwesen getastet hatte. Mit einem Auge, einem riesigen Mund und einer Zunge, die sie nicht einmal bei Astorias Schoßhündchen akzeptiert hätte.

Weder Yasuka-san noch ihre Mutter hatte der Bericht über Daphnes nächtliche Begegnung sonderlich aus der Fassung gebracht. Schlimmer noch – offenbar hatten sie sogar erwartet, dass dieses widerliche Wesen ihr den Weg wies!

Allein der Gedanke daran, die Laterne könnte ihr den hübschen Yukata mit den rosafarbenen Blüten zurecht lecken, ließ eine Gänsehaut über ihre Arme kriechen. Das gleiche galt für den unmodischen Schirm mit einem Bein, den über den Hof fegenden Besen, der sie jedes Mal skeptisch musterte, und den Futon, der vor zwei Nächten versucht hatte, Tracey im Schlaf zu erwürgen. Sie hatte Mühe, nicht allein beim Gedanken daran – oder an einen der anderen Diener des Harase-Haushalts – zu erschauern.

Hinter ihr hielt Yasuka-san dabei inne, eine Falte in ihren Yukata zu streichen, deren Sinn Daphne noch nicht ganz verstanden hatte. Daphne blickte zurück in den Spiegel. Zwischen wallenden Ärmeln und pinken Kirschblüten sah sie Yasuka-san grinsen. Ihre Blicke trafen sich.

„Du suchst die Chōchin-obake“, raunte ihre Gastgeberin ihr in dem furchtbaren, amerikanischen Englisch, das sie auf Ilvermorny gelernt hatte, zu. Vermutlich laut genug, damit auch Tracey, die im hinteren Teil des Zimmers darauf wartete, dass sie fertig wurden, es hörte.

Ups.

Daphne wusste, dass sie rosa um die Nasenspitze wurde, auch wenn sie es vermied, zu ihrem Gesicht im Spiegel aufzusehen. Sie musste es nicht sehen. Sie wollte es auch gar nicht.

„Es ist die Dritte von links.“

„Eww-“

Daphne verzog das Gesicht, als hätte sie Draco im Elfenkostüm vor sich. Wider besseren Wissens spähte sie aus dem Augenwinkel zu den Laternen. Eigentlich wirkten sie alle ganz norma-

Die Dritte von links zappelte. Vielleicht bildete Daphne es sich auch nur ein – sie kniff die Augen zu schnell zusammen, um sicher zu sein.

„Das ist sooo widerlich!“

Erst, als die Worte ihren Mund verlassen hatten, realisierte sie, was sie da gerade gesagt hatte. Und wie wichtig es die Japaner mit Höflichkeit nahmen. Daphne spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.

„Äh, ich meine-“, stotterte sie, brach dann aber ab.

Nee, da war nichts mehr zu retten.

Ihr Blick traf Yasuka-sans im Spiegel. Einen Moment musterten sie einander – dann lachten sie beide. Hinter ihnen stimmte Tracey mit ein.

„Es stimmt ja“, antwortete Yasuka-san, immer noch lachend. „Sag es nur nicht vor meiner Mutter.“

„Sie hängt an dem Ding, oder?“

Yasuka-san schüttelte den Kopf.

„Nein, tut sie nicht.“

„Tut sie nicht?“

„Sie tritt nur nicht gern in den Nachttopf.“

Daphne kicherte – dann erinnerte sie sich an die Sache mit dem durchgedrehten Futon.

Stumm ließ sie die Erkenntnis sacken.

Ein gryffindor-roter Papierkranich – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Tracey des Wartens überdrüssig war – flatterte an ihr vorbei, Nach ihm zu schlagen hätte bedeutet, Yasuka-sans sorgsame Falte zu ruinieren, also starrte sie ihm nur finster hinterher. Der Kranich bedankte sich mit einem Looping. Tsk. Gryffindors.

 

„Also?“, fragte Yasuka-san, als die Stille drückend wurde. Mit geschickten Fingern nahm sie das Falten-Zupfen wieder auf. „Habt ihr schon Tanzakus aufgehangen?“

„Tanzakus?“, echote Daphne irritiert. Sie hatte eine vage Ahnung, was Yasuka-san mit aufhängen meinte. Heute, am siebten Juli, feierte man in Japan Tanabata. Was für Daphne hauptsächlich ein guter Grund war, um endlich den Yukata anzuziehen, der ihr bereits vor Augen schwebte, seit Tracey ihr die Grand Tour schmackhaft geredet hatte, war für Japaner natürlich ein Feiertag mit deutlich mehr Bräuchen als nur hübschen Kleidern. Auch wenn die hübschen Kleider ihr genügt hätten, wusste das selbst Daphne.

Und auch wenn sie es nicht gewusst hätte, die farbenfrohe Deko, die in den letzten Tagen vielerorts aufgetaucht war, war kaum zu übersehen. Egal ob hier im magischen Tengukitouge oder in den Muggelstädten, die sie sich angesehen hatten, überall hatte man Bambus aufgestellt und kunstvolle Basteleien daran gehangen. Nachbildungen von Taschen und Netzen, Origami-Kimonos und Kraniche, lange Streifen, Ketten und Bänder aus Papier.

Was davon jedoch Tanzaku sein sollten, war ihr genauso entgangen, wie der Fakt, dass sie selbst welche aufhängen sollte. Wenn sie die Vokabel schon mal gehört hatte, war sie unter den ganzen anderen Eindrücken untergegangen.

Im Spiegel konnte sie Yasuka-san neben sich nicken sehen. Die dunkle Strähne, die sich, heute zur Feier des Tages ausnahmsweise mit einem Stylingzauber in Form gehext, an ihre Wange schmiegte, wippte bei der Bewegung.

„Ja. Du hast die Papierstreifen an den Bambussträuchern gesehen, richtig?“, fragte Yasuka-san, während sie nach einem breiten Band griff und damit begann, es um Daphnes Taille zu wickeln.

„Ich hab in letzter Zeit ziemlich viel Papier an Bambussträuchern gesehen“, gestand Daphne. „Welche davon meinst du?“

Yasuka-san kicherte.

„Die mit den Wünschen drauf, natürlich.“

Die mit den- oh.

„Wünsche?“, fragte sie, plötzlich ausgesprochen hellhörig. Daphne erinnerte sich in der Tat an mit japanischen Schriftzeichen beschriebene Papierstreifen, aber da sie Japanisch weder lesen noch verstehen konnte, hatte sie ihnen bislang wenig Beachtung beigemessen.

„Ja, Wünsche“, erwiderte Yasuka-san in einem unschuldigen Tonfall, der zu ihrer sonst so burschikosen Art nicht so recht passen wollte. „Ich dachte, deshalb habt ihr euch die Woche von Tanabata für euren Besuch ausgesucht?“

Das, was sie sagte – das, wie sie es sagte – genügte, um Daphne für einen Moment aus der Fassung zu bringen. Sie schnaubte.

„Hey! Ich dachte, wir sind wegen der Kimonos hier!“, empörte sie sich. „Niemand hat mir gesagt, dass ich mir was wünschen darf! Tracey!“

Doch Tracey lachte nur.

Daphne schlug nach dem nächsten, an ihr vorbei flatternden Kranich, auch – oder gerade weil – er grün war.

„Das ist nicht witzig!“

„Sorry, Daphne“, antwortete Tracey jetzt doch, „muss ich vergessen haben zu erwähnen.“

„Aber ich will mir was wünschen!“

Entgegen ihres Vorsatzes, Yasuka-san nicht beim Binden des Yukata zu behindern, verschränkte Daphne die Arme vor der Brust. Yasuka-san schien sich daran jedoch nicht weiter zu stören. Sie schob Daphnes Arme lediglich mit einem sachten Schubser weiter nach oben. Ihr Kichern wurde, wenn möglich, noch ein wenig selbstgefälliger. Obwohl sie nie nach Hogwarts gegangen war, wirkte sie in diesem Moment wie eine geborene Slytherin.

„Dann solltest du das tun“, erwiderte sie, immer noch belustigt. „Wir haben noch genügend Tanzaku übrig und auch in der Stadt wird man dir sicher welche geben können, wenn du danach fragst.“

„Oh, das klingt super! Hörst du, Tracey? Wir gehen uns nachher was wünschen!“

Sie konnte Tracey nicht sehen, doch als sie sprach, klang sie weit weniger zufrieden, als eine Slytherin klingen sollte, der man einen Wunsch versprochen hatte.

„Geht das denn in Ordnung?“, fragte sie. „Ich meine, wir sind doch Fremde? Daphnes Japanisch endet bei sugoi und kawaii-“

„Hey, das hab ich gehört! Ich kann auch warui!“, warf Daphne dazwischen, doch Tracey ignorierte sie.

„-und du kennst meine kläglichen Versuche, was Kanji anbelangt.“

Im Spiegel nickte Yasuka-san ohne sich umzudrehen. Daphne war sich nicht sicher, ob Tracey es sehen konnte, aber vielleicht war es besser so, denn man sah der Art, wie sie ihre Augen verdrehte, an, wie gut sie sich an Traceys klägliche Kanji erinnerte. Zumindest hoffte Daphne, dass es sich auf Traceys klägliche Kanji bezog, denn Yasuka-san zupfte lieber erneut an der Falte, als Daphnes Blick zu erwidern.

„Ich denke schon, ja“, antwortete sie, den Blick weiter auf der Falte. Sie griff nach einem noch breiterem Band, dem Obi, wenn Daphne sich richtig erinnerte. „Wir haben eigentlich jedes Jahr westliche Gäste hier in Tengukitouge. Viele Besuchen auch die Matsuri und die meisten Anwohner freuen sich über das Interesse.“

Noch während sie sprach, erhob Yasuka-san sich. Routiniert wickelte sie den Obi ab und hielt Daphne kommentarlos ein Ende entgegen. Daphne löste die Verschränkung ihrer Arme und griff danach – Bekleidungsrituale wie diese kannte sie von den besonders teuren, besonders tollen und besonders komplizierten Festumhängen, die Astoria und sie zu wichtigeren Feierlichkeiten im Hause Greengrass trugen, zur Genüge. Sie warf einen Blick über die Schulter und erhaschte einen Blick auf ihre immer noch Origami faltende Freundin.

„Siehst du? Wir dürfen uns was wünschen!“, sagte sie mit einem Grinsen. „Ich hab schon genug Ideen für siebzehn Jahre!“

Tracey schnaubte über ihrem Kranich.

„Vergiss es, Daph“, antwortete sie. „Die Tanzaku sind dazu gedacht, dir bessere Fähigkeiten und Erfolg zu wünschen. ‚Ich wünsche mir, dass sich Draco Malfoy in einen Gartengnom verwandelt‘ ist weder das eine noch das andere.“

„Aber Tracey!“

Daphne zog einen Schmollmund, doch noch im selben Augenblick kam ihr eine Idee. Es mochte ja sein, dass sie sich nicht wünschen konnte, dass er sich selbst in einen Gartengnom verwandelt. Das aber hielt sie noch lange nicht davon ab, sich zu wünschen, dass sie Draco Malfoy in einen Gartengnom verwandelte. Oder – noch besser – in ein Frettchen.

Ein Bild formte sich vor ihrem inneren Auge.

Oh, sie würde Theo schreiben müssen …



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  CharleyQueens
2016-07-07T18:40:28+00:00 07.07.2016 20:40
Süß *_*, was du gezaubert hast.
Und deine Daphne gefällt mir.
Antwort von: Arcturus
07.08.2016 11:33
Hi Lilim,

vielen Dank für deinen Kommentar. :3
Ich hoffe, Daphne gefällt dir auch in den folgenden Teilen.

lG
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