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Der Zauberer von orz

von

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Die Vogelscheuche

Als er erwachte, ließ er die Augen geschlossen. Sein Tastsinn sagte ihm, dass er aus dem Bett gefallen sein musste, denn der Untergrund fühlte sich eindeutig nicht wie ein Bett an. Dann öffnete er die Augen und sah einen schwarzen asphaltierten Weg. Er lag auf dem Bauch und drehte sich ächzend um. Nicht ein Millimeter seines Körpers war von Schmerz verschont. Der Himmel war strahlendblau und schlagartig erinnerte er sich an seinen Lauf vom gestrigen Tag. Schnell setzte er sich auf, was einen Schwindelanfall zur Folge hatte, sodass er stöhnte und sich wieder hinlegte. Mit geschlossenen Augen wartete er darauf, dass der Schwindel nachließ und er feststellen konnte, ob sein Körper überhaupt beweglich genug war, um aufzustehen.

Da fiel ihm die Katze wieder ein. Wenn sie noch in der Nähe war, hätte er wenigstens Gesellschaft. Und schon malte er sich aus, wie er mit dieser wunderschönen Katze spielte und sie streichelte. Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er jemanden sagen hörte: „Entschuldigung… Ich will ja nicht bei Ihrer Mittagsruhe stören, aber könnten Sie mir ein wenig unter die Arme greifen?“ Hizumi rollte sich schwermütig auf den Bauch, stützte sich mit den Händen ab und richtete sich langsam auf. Jede Bewegung tat ihm weh. Als er sich komplett aufgerichtet hatte, war die Sumpflandschaft in seinem Rücken und auf der anderen Seite der Straße war ein gigantisches Getreidefeld. Er konnte eine Hand über das Getreide hinweg winken sehen. Dort war jemand auf dem Feld und winkte ihm zu. Einfach dort hinzugehen war ihm zu suspekt, deswegen fragte er stattdessen: „Wie könnte ich denn helfen?“ „Naja… Es klingt vielleicht etwas seltsam, aber man hat mich an eine Holzkonstruktion gebunden. Ich möchte wirklich keine Umstände machen, aber wenn Ihr mir helfen könntet, wäre ich sehr dankbar.“

Hizumis Blick haftete an der Hand, die ein wenig gestikuliert hatte, als der Unbekannte seine Bitte äußerte. Und immer noch war er nicht begeistert davon, von Getreide umgeben zu sein, das unnatürlich hoch war. „Ich fürchte, ich habe kein Messer dabei, mit dem ich Sie losschneiden könnte.“, wollte Hizumi sich herausreden, doch die Stimme antwortete ganz einfach: „Das ist bloß ein Knoten, aber ich komme nicht heran.“ Hizumi seufzte. „Verdammte Erziehung!“, schimpfte er leise und machte vorsichtig einen schmerzhaften Schritt zwischen die Getreidehalme. Er war etwa einen Meter weit gegangen, schon stand er auf einer kleinen Lichtung und sah auf eine lange, dünne Vogelscheuche, die auf einer Art hölzernem Kreuz festgebunden war und ihm zuwinkte. „Ah! Vielen Dank, dass Ihr mir helft. Entschuldigt bitte die Unannehmlichkeiten.“ Die Vogelscheuche sprach! Das veranlasst Hizumi genauer hinzusehen, wobei er feststellte, dass sie nicht aus Stroh oder ähnlichem bestand, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut war, der dort am Holzkreuz gefesselt vor ihm stand.

Mit offenem Mund starrte er die Vogelscheuche an, bis ihm wieder einfiel, weswegen er eigentlich hier war. Wieder setzte er sich in Bewegung - diesmal weniger schmerzhaft. Scheinbar rührten die Schmerzen nicht vom Lauf her, sondern vom langen Liegen auf dem harten Boden, doch jetzt wärmten sich seine Glieder und der Schmerz rückte langsam in den Hintergrund.

Auf der Rückseite des Kreuzes führten alle Seile zusammen zu einem kompliziert aussehenden Knoten. „Einfach ausprobieren, würde ich sagen.“, dachte er und zog an dem erstbesten Seilende, das er sehen konnte. Schon fiel der ganze Knoten auseinander und die Vogelscheuche stand frei auf dem Boden.

„Herzlichen Dank und noch einmal: Entschuldigung.“ Die Vogelscheuche drehte sich zu Hizumi um und verneigte sich tief. Anschließend richtete sie sich wieder auf und sah Hizumi an. Er starrte zurück. So standen die beiden eine Weile, bevor er sich schließlich räusperte und fragte: „Wo sind wir eigentlich?“ „Ich fürchte, dass ich das nicht weiß. Verzeihung.“ „Bist du denn nicht in diesem Land geboren?“ „Auch das weiß ich leider nicht. Meine Erinnerungen sind etwas verblasst.“ „Inwiefern verblasst?“ „Ich weiß nur noch, was heute und gestern passiert ist. Außerdem kenne ich noch meinen Namen: Karyu.“

Hizumi klappte die Kinnlade herunter. Jemand ohne Erinnerung war an eine Art Kreuz gefesselt. Das klang zu sehr nach dem Beginn eines Horrorfilms. „Tja, ich mache mich dann mal wieder auf den Weg. Bevor es dunkel wird, möchte ich noch einen Unterschlupf oder so finden. Ciao.“, sagte Hizumi und wollte gerade wieder zur Straße gehen, als Karyu sich leise räusperte und fragte, ob es ihn sehr stören würde, wenn er sich anschließe. „Verdammte Erziehung!“, dachte er sich und nickte. Gemeinsam traten sie auf den Weg und nur um irgendetwas zu sagen, zeige Hizumi auf die gegenüberliegende Seite und sagte, er wäre eine halbe Ewigkeit durch diesen Matsch gewatet. Karyu machte große Augen, sah ihn bewundernd an und sagte: „Da kann man ja nur von Glück sprechen, dass nichts passiert ist! Immerhin bestehen Sümpfe meistens aus Flüssen. Wären Sie dort müde geworden, hätten Sie ertrinken können.“

Jetzt bekam auch Hizumi große Augen. Sein mit teilweiser Panik begleiteter Marsch durch diese eklige Brühe war tatsächlich noch Glück gewesen?! Dann war tatsächlich alles mehr oder weniger seinen Wünschen angepasst. Diese Welt war mit Situationen gespickt, die er wohl meistern sollte, die er aber auch beeinflussen konnte. Schließlich war das doch alles eine große Fantasiewelt. Vermutlich sah die Vogelscheuche deshalb bei näherem Hinsehen sehr gut aus. Die Lumpen, die sie trug, wollten so gar nicht zu seinem gepflegten Äußeren passen. Welche Vogelscheuche hätte denn sonst ein makelloses Gesicht, gewaschenes und gebürstetes Haar und so unfassbar tolle Hände? Er lobte seine unterbewusste Fantasie, als er merkte, dass er Karyu wieder anstarrte. Weil dieser ihn fragend anschaute, musste Hizumi schnell reagieren und sagte deswegen: „Du kannst mich ruhig duzen, wenn ich es auch darf.“ Karyu nickte und ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine Lippen. Hizumis Herz machte einen kleinen Hüpfer, nur damit er sich gleich darauf dafür schämte, dass er drauf und dran war, einer Vogelscheuche zu verfallen.

„Ich finde, wir sollten dort entlang gehen.“, sagte Karyu. Hizumi sah ihn die Richtung und erkannte in der Ferne einen Wald, dann nickte er und die beiden setzten sich in Bewegung. Sie redeten über belanglose Themen. Antworten auf seine Fragen bekam Hizumi jedoch nicht, stattdessen lobte Karyu seinen Mut, solch auffällige Gummistiefel zu tragen, die seltsamerweise überhaupt nicht mehr quietschten und auch nicht matschig waren. „Zauberstiefel.“, sagte Hizumi geheimnisvoll und grinste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Cross_
2016-02-22T15:44:41+00:00 22.02.2016 16:44
Was sie wohl allein im Wald vorhaben? ;P
Antwort von:  Psychopath
22.02.2016 16:49
Huehuehue...


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