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The Petboy Contract

von

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Extra: Jordan

Die Welt war grau und monoton. Hätten äußere Reize oder irgendwelche Gefühle ganz gleich welcher Art ihre eigenen Farben besessen, dann wäre die Welt von Jordan Evans fast vollkommen farblos. Man hätte sie kaum von einem einfachen grau unterscheiden können und so war es schon seit langer Zeit gewesen. Seine Welt war genauso wie er selbst auf andere wirkte. Kaum etwas vermochte überhaupt noch so etwas wie Gefühle bei ihm auszulösen. Rein gar nichts strahlte er aus. Keine Kälte aber auch keine Wärme. In seinem Gesicht ließ sich kaum irgendeine Regung erkennen und es schien, als wäre er nicht einmal imstande, überhaupt die Mundwinkel zu verziehen. So erschien er nach außen hin und innerlich erging es ihm kaum anders. Gefühle waren ihm fremd geworden und was ihn vorantrieb, waren keine Wünsche und Sehnsüchte. Es war bloß Berechnung und Ziele, die er aus rein logisch nachvollziehbaren Gründen erreichen wollte. Er lebte sein Leben, weil es ihm gegeben wurde. Und er tat das, was ihm aufgetragen wurde, damit er weitermachen konnte.

Im Grunde genommen war das Einzige, wofür er jemals gearbeitet hatte, zwei Dinge gewesen: die Firma seines Vaters und seine Familie, die er sich zusammen mit seiner Ehefrau Evelyn geschaffen hatte. Das waren die einzigen Dinge, die seinem grauen Leben zumindest einen schwachen Farbhauch verleihen konnten. Ansonsten war alles grau, monoton und hinterließ keine Spuren bei ihm. Wann es genau angefangen hatte, konnte Jordan nur spekulieren. Es hatte sich einfach im Laufe der Zeit entwickelt, dass er zu einem absolut gefühlskalten Menschen geworden war, der sich nur um andere Menschen kümmerte, weil er sich einen Vorteil daraus ersann oder weil es selbstverständlich war. Seine Brüder bezeichneten ihn als kaltherzig und manipulativ und er bestritt dies durchaus nicht. Er benutzte andere Menschen für seine Zwecke, weil er keinerlei Empathie für sie empfand. Mitgefühl war ihm schon vor langer Zeit absolut fremd geworden und die einzigen Menschen, die er niemals in selbstsüchtiger Weise manipuliert hatte, waren seine Frau und Töchter. Wobei… selbst sie hatte er benutzt, aber natürlich ohne sie emotional oder körperlich zu verletzen. Dass seine Familie ihm in der Erbfolge um die Firma einen großen Bonuspunkt eingebracht hatte, war bloß ein glücklicher Vorteil, aus den er seinen Nutzen zog. Und sie profitierten ja auch davon. Immerhin konnte sich seine Frau dadurch den Luxus gönnen, den sie sich wünschte und die Zukunft seiner Töchter war gesichert. So rechtfertigte Jordan Evans die Tatsache, dass er selbst seine Familie indirekt für seine eigenen Interessen benutzte.
 

Insgesamt hatte es in seiner Vergangenheit zwei Kernmomente gegeben, die zu seinem kalten und stillen Wesen geführt hatten: seine Mutter und sein Bruder Michael. Das erste einschneidende Erlebnis, das sogar einer der physischen Ursachen für seine Gefühlskälte und seine Empathielosigkeit war, ereignete sich als er gerade mal neun Jahre alt gewesen war. Es war an einem kalten Wintertag gewesen. Sie waren zusammen mit ihrer Mutter unterwegs gewesen um gemeinsam Schlitten fahren zu gehen. Der Wind war schneidend kalt gewesen und es war einer der kältesten Winter seit Jahren gewesen. Dennoch hatte es sie nicht von ihrem Vorhaben abgehalten und ihr Weg hatte sie zu einem Hügel geführt, von wo man aus hervorragend mit dem Schlitten hinunterfahren konnte. Der Hügel selbst war steil und vom Eis glatt gewesen und während Michael immer wieder lachend mit dem kleinen Holzschlitten hinuntersauste, hatte Jordan Angst davor gehabt. Es war ihm zu gefährlich vorgekommen und so war er wie angewurzelt auf dem Hügel stehen geblieben und traute sich nicht hinunter. Selbst seine Mutter konnte ihn nicht dazu überreden und rutschte stattdessen mit ihrem älteren Sohn hinunter. Als sie jedoch abgelenkt war und ihre Kinder für einen Moment aus ihrem Blickfeld ließ, da war Michael an ihn herangetreten. „Fahr mit mir runter!“ hatte dieser ihn aufgefordert. Doch Jordan hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt „Ich will nicht. Das sieht gefährlich aus und ich habe Angst!“ Er hatte wirklich Angst gehabt und fast geheult, denn allein der Gedanke daran, dass er sich bei einem Unfall die Knochen brechen könnte, war zu schrecklich für ihn. Und er hatte wirklich gehofft, dass Michael es verstehen und ihn in Ruhe lassen würde.

Obwohl es nur ein harmloses Nein war, hatte es gereicht um Michael so wütend zu machen, dass dieser seinen kleinen Bruder gepackt und den Hügel hinuntergestoßen hatte. Jordan war den ganzen Weg hinuntergestürzt und hatte sich dabei nicht nur den Arm gebrochen, sondern auch eine schwere Kopfverletzung hinzugezogen und er musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Er hatte den gefährlichen Sturz überlebt, doch sein Zustand war besorgniserregend gewesen. Und hatte sein Bruder sich entschuldigt oder sogar Reue gezeigt? Nein… Michael war wütend und erklärte „Wärst du nicht so eine Heulsuse gewesen, dann wäre das nicht passiert!“

Die Verletzung an seinem Kopf war verheilt, aber etwas hatte sich nachhaltig verändert. Sein Empfinden war nicht mehr so wie sonst und er schaffte es nicht mehr, so etwas wie Mitgefühl für andere zu empfinden oder sich in sie hineinzuversetzen. Andere Menschen erschienen ihm nicht mehr so wie vorher, aber das verstand er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst viele Jahre später sollte er erkennen, was dieser Sturz eigentlich mit seinem Kopf angerichtet hatte. Vor allem hatte dieses Ereignis ihn eines gelehrt: sein Bruder war gemeingefährlich und es brauchte nicht einmal eine Beleidigung, um ihn aggressiv zu machen. Und seit diesem Tag war das Einzige, was er für Michael empfand, nichts als eine Mischung aus Abscheu und Hass.
 

Der zweite Schlüsselmoment in seinem Leben war eine Beobachtung gewesen. Es war eine heiße Sommernacht gewesen und er hatte schweißgebadet im Bett gelegen und konnte keine Ruhe finden. Unruhig hatte er sich in seinem Bett herumgewälzt und hatte schließlich beschlossen, sich eine kleine Abkühlung zu verschaffen. Also war er ins Bad gegangen, um sich mit kaltem Wasser zu waschen. Und als er danach wieder in sein Zimmer zurückkehren wollte, hatte er Stimmen gehört. Die Stimme gehörte seiner Mutter.

Die Neugier hatte ihn übermannt und er war der Stimme gefolgt. Sie führte ihn direkt zum Kaminzimmer und er öffnete die Tür nur einen Spalt breit um nicht zu stören. Er wollte ja nur sehen, mit wem seine Mutter so spät in der Nacht redete. Und was er sah, verwirrte und ängstigte ihn. Denn er sah seine Mutter auf und ab laufen und mit sich selbst reden. Noch nie zuvor hatte er so etwas Seltsames gesehen und konnte es auch nicht verstehen. Wie denn auch? Er war nur ein Kind zu der Zeit gewesen. Und die Szene, die sich im Zimmer abspielte, wirkte bizarr und wie aus einem Film. Katherine lief rastlos auf und ab und schrie sich selbst immer wieder an. Und gleichzeitig lieferte sie sich selbst Konter. In der linken Hand hielt sie ein Küchenmesser und allein das zu sehen war schon verstörend genug für den 11-jährigen Jordan Evans. Und was er hörte, traf ihn tief in sein Innerstes und verfolgte ihn bis zum Tag seines Todes. „Es ist allein deine Schuld, dass dein Sohn ein Problemfall geworden ist. Ich habe es dir ja gesagt. Dein verdorbenes Blut hat ihn krank gemacht und es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dein anderer Sohn verrückt wird. Tu dir selbst und deinen Kindern einen Gefallen und erlöse sie von dem Leid, bevor es zu spät ist.“

Dabei hob sie das Messer und grinste. Ein mordlustiges Funkeln lag in ihren Augen und sie erinnerte Jordan an die gruseligen Mörder, von denen man immer in Horrorgeschichten erzählte. Er erstarrte und ihn überkam für einen Augenblick Angst vor seiner Mutter. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr und er verstand nicht, was mit ihr los war und warum sie sich so verhielt. Aber so wie sie im Moment aussah, glaubte er tatsächlich, dass sie gleich zu ihm kommen und ihn mit dem Messer umbringen wollte. Er wollte wegrennen und sich verstecken, doch sein Körper war wie erstarrt und er konnte sich nicht vom Fleck rühren. Etwas hielt ihn davon ab, wegzuschauen. Vielleicht war es allein dieses Bizarre und Unnatürliche an dieser Szene, das sein Hirn davon abhielt, klar zu denken.

Er beobachtete, wie sich die Gesichtszüge seiner Mutter änderten. Das mordlustige und sadistische Lächeln schwand und wich Fassungslosigkeit, Angst und Wut. Sie packte mit der anderen Hand ihr linkes Handgelenk, als müsste sie sich selbst davon abhalten, mit dem Messer auf ihre Familie loszugehen. Es sah tatsächlich aus, als hätte eine fremde Macht Besitz von ihrer linken Körperhälfte ergriffen und als müsste sich der andere Teil von ihr mit aller Macht dagegen wehren. Schließlich schaffte der normale Teil von ihr, gänzlich die Kontrolle zurückzuerlangen, doch es sah aus, als müsste sie dafür ihre gesamte Kraft aufwenden. Sie umklammerte das Küchenmesser mit beiden Händen und drückte sich die Klinge gegen ihre Halsschlagader. „Wag es, meinen Kindern auch nur ein Haar zu krümmen und ich bringe dich um. Ich lasse nicht zu, dass du verdammte Schlampe ihnen wehtust und wenn ich mir dafür ein scheiß Messer in den Hals rammen muss. Solange ich hier noch etwas zu sagen habe, werde ich das nicht zulassen!“

„Bist du verrückt?“ rief dieses andere Ich und blanker Zorn glomm in ihren goldgelben Augen auf. „Wenn du mich umbringst, dann stirbst du ebenfalls.“

„Gut erkannt!“ erwiderte seine Mutter und schaffte es, sich weiterhin das Messer an der Kehle zu halten, obwohl es danach aussah, als wollte diese andere Seite in ihr sie gewaltsam davon abhalten. „Und ich meines es ernst: wenn du es wagen solltest, Hand an meine Kinder zu legen, dann bringe ich uns beide um. Lieber sterbe ich als zuzulassen, dass du meinen Kindern wehtust, du krankes Monster!!!“
 

Diese bizarre Szene hatte sich tief in Jordans Gedächtnis gebrannt und ihm waren sogar die Tränen gekommen, als er diese Beobachtung machte. Er konnte nicht fassen, dass seine Mutter so krank war und es die ganze Zeit vor ihnen erfolgreich versteckt hielt. Nun gut, er hatte bereits eine leise Ahnung gehabt, dass seine Mutter gewisse Dinge tat, wann immer sie sagte dass sie „die Dinge regeln werde“. Als eines der Hausmädchen ihn im Alter von sechs Jahren geohrfeigt hatte, weil er nach einem schlimmen Alptraum ins Bett gemacht hatte, da war er weinend zu seiner Mutter gerannt. Sie hatte ihn getröstet und ihm versichert, dass sie das regeln würde. Danach hatte er das Hausmädchen nie wieder gesehen. Doch sie in so einem Zustand zu sehen, war zu viel für seinen kleinen Verstand. Es schockierte ihn zutiefst, dass seine Mutter, die so liebevoll und beschützend war, in Wahrheit schwer krank war. Sie, die immer für sie da war, mit ihnen lachte, sie mit Liebe und Zuwendung überschüttete und ihnen Gutenachtgeschichten vorlas oder ihnen ein Schlaflied vorsang, rang mit sich selbst damit sie ihre eigenen Kinder nicht töten würde. Und noch eines wurde ihm bewusst: diese bösartige Seite in ihr… sie erinnerte ihn an Michael.

Die Erkenntnis über die Krankheit seiner Mutter und der Ähnlichkeit mit Michaels Wahnsinn hatte Jordan wie ein Geist heimgesucht und ihn immer wieder darüber nachgrübeln lassen. Er hatte Angst vor dieser bösartigen Seite, aber dennoch war die Liebe zu seiner Mutter ungebrochen. Doch die Angst davor, genauso zu werden wie sie oder sein Bruder, quälten ihn Tag und Nacht. Und schließlich war er nach vielen schlaflosen Nächten zu einer Schlussfolgerung gekommen, die sein Wesen nachhaltig prägte: wenn er sich innerlich völlig verschloss und unauffällig wurde, dann würde er seiner Mutter keine Sorgen mehr bereiten. Wenn Gefühle zu verschließen bedeutete, nicht wie sein Bruder zu werden, würde es vielleicht seiner Mutter helfen, sich besser gegen ihren eigenen Wahnsinn durchzusetzen. Er wollte ihr keinen Kummer bereiten oder ihr eine zusätzliche Last sein. Auch wenn ihm die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, verloren gegangen war, konnte er es nicht ertragen, seine Mutter leiden zu sehen. Nicht sie, die ihm als einziger Mensch Liebe schenkte. Also war es an ihm, möglichst still und unauffällig zu sein, wann immer Michael laut und verhaltensauffällig wurde. Und so verschloss Jordan sich innerlich vor der Welt. Er wurde still und ließ nicht zu, dass auch nur irgendein Gefühl von ihm nach außen drang. Keine Wut, keine Freude, keine Trauer… Nichts von ihm drang mehr nach draußen. Wann immer der Drang ihn überkam, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, hielt er sich selbst die Szene im Kaminzimmer vor Augen um sich daran zu erinnern, wie sehr seine Mutter zu leiden hatte. Es war nicht immer einfach, aber irgendwann wurde es für ihn zum Normalzustand. Die Farben seiner Gefühlswelt wurden matter und nichts vermochte irgendeine emotionale Reaktion bei ihm hervorzurufen.

Dann schließlich, ein paar Jahre später, wurde sein kleiner Bruder Leron geboren und Jordan kam zu einer weiteren Erkenntnis: er empfand für seine Brüder nichts als Abscheu. Dass Michael ungefähr so liebenswert wie ein Kaktus war, das war nichts Neues und es gab allen Grund, ihn zu meiden oder zu hassen. Er verprügelte regelmäßig andere Kinder und tötete kleine Tiere, nachdem er sie lange genug gequält hatte. Hätte Jordan sich dem ganzen nicht angepasst und sich seinem Bruder angeschlossen, dann wäre er genauso ein Opfer geworden. Seine emotionale Verschlossenheit machte es für ihn einfacher, mit Michael zu harmonieren, der seinerseits unkontrollierbar war und seine eigenen Gefühle nicht in Zaum halten konnte. Aber es änderte nichts daran, dass er seinen älteren Bruder zutiefst verachtete. Nicht nur für den Vorfall beim Schlittenfahren, für den Michael allen Ernstes ihn verantwortlich gemacht hatte. Nein, er verachtete ihn vor allem dafür, dass er in ihm nichts anderes sah als die Krankheit seiner Mutter. Und nicht anders war es mit Leron.

Obwohl sein jüngster Bruder noch viel zu klein war, um das ganze Ausmaß der Krankheit seiner Mutter und seines ältesten Bruders zu verstehen, hasste Jordan ihn. Er hatte ihn von dem Zeitpunkt an gehasst, als Leron das Licht der Welt erblickt hatte. Seine Brüder waren für ihn nichts weiter als die Erinnerung an die Krankheit seiner Mutter. Sie waren nichts als ein lebendes Krankheitsgeschwür, das man am besten loswerden sollte. So etwas war in seinem Augen keine Menschen… sie waren eine Plage! Und während er all seine Gefühle verschlossen hatte, um seiner Mutter keine Last zu sein, hatten seine Brüder nichts Besseres zu tun, als Verhaltensauffälligkeiten zu zeigen. Michael war gewalttätig, jähzornig und grausam und Leron war eine Heulsuse, die immer nach seiner Mutter schrie und herumflennte, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie waren selbstsüchtig und egoistisch in seinen Augen. Und darum hatte er nie auch nur einen Anflug von Schuldgefühlen gehabt, wenn er seinen jüngsten Bruder festhielt, wenn Michael ihn quälte. Zum einen hatte er ohnehin keine große Wahl gehabt. Hätte er sich Michael widersetzt, dann wäre ihm wieder etwas Ähnliches widerfahren wie beim Schlittenfahren. Vielleicht wäre er blutig geprügelt oder genauso missbraucht worden. Es war somit einfacher und vor allem besser, sich Michael nicht zum Feind zu machen.

Jordans Gefühle gegenüber seinen Brüdern hatten sich nie geändert. Sie waren allerhöchstens stärker geworden, als seine Mutter schließlich ins Hospiz gebracht wurde, nachdem bei ihr Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium festgestellt worden war. Sie hatte bereits zu Lebzeiten häufig mit Magenproblemen zu kämpfen gehabt und bereits ein Magengeschwür gehabt, das sie sogar zu einem mehrwöchigen Kuraufenthalt gezwungen hatte. Und als sie nun in diesem schäbigen Zimmer in einem heruntergekommenen Hospiz lag, da konnte er nicht anders als seine Brüder dafür zu hassen. Obwohl sie den Krebs ihrer Mutter nicht verschuldet hatten, so gab Jordan ihnen dennoch die Schuld an der Tatsache, dass ihrer Mutter kein glücklicheres Leben vergönnt war und sie all die Jahre mit sich selbst kämpfen musste. Die geistige Krankheit seiner Mutter, die sich in seinen Brüdern widerspiegelte, hatten sie in den Tod getrieben. Der Krebs hatte ihr nur endgültig den Rest gegeben. Selbst viele Jahre später, als Jordan erwachsen war, verband er die gesundheitlichen Beschwerden seiner Mutter mit seinen Brüdern. Ihr Magengeschwür, das allein durch schweren Stress ausgelöst wurde, hatte seine Ursache allein darin, dass sie sich Tag für Tag mit Gewalt davon abhalten musste, ihren Kindern nichts anzutun. Und seine Brüder hatten nichts Besseres zu tun, als ihr noch mehr Stress zu machen. Letzten Endes waren sie für ihren Tod verantwortlich!
 

Als Jordan schließlich älter wurde und an der Universität studieren ging, lernte er ein Mädchen kennen und sie hatte sich sogar in ihn verliebt. Doch wirklich geliebt hatte er sie nicht. Selbst als sie mit ihm Schluss machte und ihn für einen anderen verließ, empfand er kaum etwas dabei. Und als er später Evelyn kennen lernte und fest stand, dass sie heiraten würden, empfand er nicht das, was er sich eigentlich erhoffte. Er liebte sie, das wusste er genau. Aber dieses Gefühl war kaum spürbar und er war nicht in der Lage, ihr die Art von Liebe zu geben, die sie verdient hatte. Evelyn selbst hatte sich damit abgefunden und verstand, dass er kein Gefühlsmensch war. Aber Jordan selbst beschäftigte es. Inzwischen hatte selbst seine eigene Familie den Eindruck gewonnen, als wäre er gar nicht zu Gefühlen imstande. Dabei war das überhaupt nicht der Fall. Er empfand tiefe Abneigung gegen seine Brüder und sein Vater war ihm herzlich egal. Und Evelyn… er glaubte zumindest, dass er Liebe für sie empfand. Zumindest wollte er sie glücklich machen. Aber sie so zu lieben wie er als Kind seine Mutter geliebt hatte, dazu war er nicht in der Lage. Auch wenn er wusste was Freude, Trauer, Neid und Wut waren, fühlte er sich außer Stande, diese Emotionen so zu empfinden wie andere Menschen es taten. Irgendetwas in ihm war vollkommen abgestumpft und er kam nicht mehr aus dieser verkümmerten Gefühlswelt heraus. Es war, als hätte er inzwischen vollkommen verlernt wie es war, Gefühle zu empfinden und auszuleben. Alles, was er verspürte, waren nur noch sehr schwache Funken und selbst die erloschen nach kurzem wieder. Ihm wurde klar, dass seine Entscheidung von damals, keine Gefühle mehr nach außen zu tragen, ihn mehr verändert hatten als ihm lieb war und er als Erwachsener verlernt hatte, wie man Gefühle zeigte oder bewusst wahrnahm. Seine innere Welt hatte ihre Farben verloren und war grau geworden. Die einzigen Gefühle, die er noch intensiv wahrzunehmen vermochte, war der Hass gegen seine Brüder und die Liebe zu seiner Mutter. Aber inzwischen waren es eher Erinnerungen an diese Gefühle, denn wirklich fühlen konnte er sie nicht mehr. Er erinnerte sich lediglich lebhaft daran, wie er damals gefühlt hatte . Und so grau, wie er sich innerlich fühlte, so wirkte er auch nach außen. Und ohne es zu wissen, hatte er sein Wort gehalten, dass er seiner sterbenden Mutter gegeben hatte: er würde nie wieder jemanden so lieben wie sie. Ganz einfach aus dem Grund weil er keinen Mensxhen mehr wirklich lieben konnte.

Seine Frau Evelyn hatte Verständnis gezeigt und war trotz allem nie von seiner Seite gewichen. Als er ihr in einem sehr intimen Gespräch vor dem Heiratsantrag klar gemacht hatte, dass er unfähig war, Gefühle zu zeigen, da war es ihr egal gewesen. Und selbst das Wissen, dass sie von ihm nie die gleiche Leidenschaft und Hingabe erwarten konnte wie von anderen Männern, hatte sie nicht gestört. Sie hatte ihn trotz dieser Tatsachen aufrichtig geliebt und war ihm stets treu geblieben. Und auch wenn er diese Art von Liebe nicht erwidern konnte, so hatte Jordan andere Wege für sich gefunden, seiner Frau die Aufmerksamkeit zu widmen, die sie verdient hatte. Er überraschte sie mit Blumen, dachte rigoros an ihren gemeinsamen Jahrestag und Hochzeitstag und machte sich stets ernste Gedanken, wenn es um ein Geburtstagsgeschenk für sie ging. Das war die einzige Art von Zuwendung, die er ihr zeigen konnte. Als sie schwanger wurde und er schließlich Vater zweier Töchter wurde, da begann diese unentrinnbare Gefühlskälte an ihm zu nagen. Er wollte seinen Töchtern dieselbe Zuwendung geben, die seine Mutter ihm damals gegeben hatte. Ja er wünschte sich sogar, er könnte mit anderen Menschen mitfühlen und mit ihnen Gefühle wie Freude oder Leid teilen. Und doch konnte er es nicht. Sein Herz war so kalt geworden, dass er zu solchen Dingen nicht mehr imstande war. Und egal was er auch versuchte, er konnte dieser inneren Kälte nicht entkommen. Das Einzige, was er tun konnte war, anderweitig für seine Familie da zu sein und sie zu beschützen. Er begann sich von Michael mehr und mehr zu distanzieren, um nicht in seine Skandale hineingezogen zu werden. Zwar pflegte er ein „freundschaftliches“ Verhältnis zu ihm oder besser gesagt ließ er ihn das glauben, aber sie sahen sich fast nur noch geschäftlich. Für Jordan stand fest, dass er alles tun würde, damit Michael nicht auf die Idee kam, seinen Wahnsinn an Evelyn und seinen Töchtern auszulassen. Also tat er das, was er als notwendig ansah, um Michael nicht zu verstimmen… bis zu dem Tag, an dem er von der Diagnose seines Bruders erfuhr.
 

Als sich der für ihn glückliche Zufall ereignet hatte, Leron im Restaurant über den Weg zu laufen und dabei erfuhr, dass dieser mit einem von Michaels Lustknaben ausging, hatte Jordan einen Plan gefasst gehabt. Um seine verhassten Brüder endlich aus dem Weg zu räumen und sie für das zu bestrafen, was sie ihrer eigenen Mutter angetan hatten, hatte es sich Jordan zum Ziel gemacht, sie gegeneinander auszuspielen. Er wollte sie beide ein für alle Male loswerden, um nie wieder an die Vergangenheit erinnert zu werden. Und er wollte Gerechtigkeit. Also hatte er Michael sofort von seiner Entdeckung erzählt mit dem Wissen, dass sein geisteskranker großer Bruder sich das nicht gefallen lassen würde. Und Leron, der fast genauso verrückt war wie Michael, würde entweder von ihm untergebuttert werden, oder vielleicht sogar zum Gegenschlag ausholen. Alles war ihm Recht gewesen. Hauptsache war, dass sie endlich für immer aus seinem Leben verschwanden.

Und als er an diesem einen Tag, der sein letzter werden sollte, einen Anruf von Michael erhielt und von dessen bevorstehenden Tod erfuhr, da überkam es ihm. Nach all den Jahren dieser inneren Gefühlskälte und Monotonie empfand er etwas so intensiv, dass es ihm beinahe die Luft raubte: Genugtuung. Erleichterung und Genugtuung. Nach all diesen vielen Jahren war es ihm endlich vergönnt, seinen Bruder fallen zu sehen und ihn für das bezahlen zu sehen, was er getan hatte. Und wie bitter war doch die Ironie, dass ein Hirntumor Michael den Rest geben sollte, nachdem dieser gemeingefährliche Verrückte ihm als kleines Kind einen irreparablen Hirnschaden eingebrockt hatte, der ihn unfähig machte, überhaupt noch Empathie zu empfinden.

Die Schadenfreude hatte ihn überwältigt und er konnte endlich tun, was er schon seit langem hatte tun wollen. Also hatte er ihm klar zu verstehen gegeben, dass sein Bruder ihm herzlich egal war und er sich einen Dreck um dessen Diagnose scherte. Sollte sich dieser Wahnsinnige allein um seine abartigen Triebe und Vorlieben kümmern, er war nicht auf ihn angewiesen. Wäre Jordan überhaupt noch in der Lage gewesen, seiner Wut und seinem Hass Ausdruck zu verleihen, dann wäre es nicht bloß bei einer kalten Abfuhr geblieben. Nein, er hätte ihm die schlimmsten Verwünschungen in den Hörer gebrüllt und vermutlich sogar Dinge gesagt, die nicht einmal seine selige Mutter in den Mund genommen hätte. So aber behielt er seinen Hass und seine Abscheu für sich, nicht ahnend dass dies sein Todesurteil endgültig besiegelte als Michael wenig später zur Waffe griff und auf blutige Rache sann…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nachdem ich mir noch mal nach längerer Schreibpause Petboy Contract durchgelesen hatte, ist mir aufgefallen, dass ich ziemlich wenig auf Jordan eingegangen bin. Das hatte aber auch seine guten Gründe gehabt. Immerhin war er sowieso keine zentrale Figur gewesen und er ist auch vom Charakter her jemand, der eher im Abseits bleibt und möglichst unauffällig bleibt. Trotzdem hat er nicht gerade viele Sympathiepunkte gesammelt, nachdem er Michael auf Lerons und Simons Fährte geführt hatte. Ich wollte aber trotzdem mehr auf die Hintergründe seines Charakters und seiner Handlungen eingehen. Da er ja bereits tot ist und keine Chance hat, etwas über sich zu offenbaren, habe ich seine Story in einem Extrakapitel untergebracht Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Drachenprinz
2019-02-04T19:07:09+00:00 04.02.2019 20:07
Jetzt hab ich das Extra-Kapitel also auch mal gelesen (und werde mir direkt nach diesem Kommentar noch den Epilog zu Gemüte führen ^^) und ich muss tatsächlich sagen: Ja, ich kann Jordan jetzt ein wenig besser verstehen. Nein, mögen tu ich ihn immer noch nicht, weil... Ich finde es einfach schrecklich, andere Menschen ständig auszunutzen und jemanden, der einem überhaupt nichts getan hat, auch noch wie Dreck zu behandeln - was er mit Leron ja getan hat. Aber ich sage mal, ich hab jetzt eher eine neutrale Sicht auf Jordan, weil die Erklärungen für seine Gefühlskälte wirklich sehr einleuchtend sind. Auf die Idee, dass das sogar zum Teil körperlich bedingt sein könnte, bin ich überhaupt nicht gekommen. Kann sowas denn wirklich durch einen Hirnschaden hervorgerufen werden? Also, in Echt auch? :o Das ist ja echt krass und tut mir dann schon wirklich leid... Und es war also Michaels Schuld. Meine Güte. Dass die Szene mit Katherine und dem Messer für so einen kleinen Jungen mehr als verstörend und angsteinflößend ist, kann ich mir auch vorstellen. Und natürlich ist es auch irgendwo verständlich, dass er bei Michaels kranken Spielchen einfach nur mitgemacht hat, weil er innerlich Angst hatte, sonst auch selbst von ihm gequält zu werden. Jaaa. In Jordans Haut würde ich wirklich auch nicht stecken wollen. x_x
Aber den Vergleich "So liebenswert wie ein Kaktus", oder wie das war, fand ich super. Eigentlich sind Kakteen ja meine Lieblingspflanzen. XD Ich finde die sehr liebenswert, die sehen doch niedlich aus! Naja, ich versteh natürlich trotzdem, wie es gemeint war. xD

Auf jeden Fall war das doch ein sehr aufschlussreiches Extra-Kapitel, und jetzt schaue ich mir mal den Epilog an, damit ich demnächst mit der nächsten Geschichte anfangen kann. :D
Antwort von:  Sky-
04.02.2019 20:32
Ja, Jordan ist nicht wirklich jemand, der sonderlich sympathisch ist und er weiß es selber auch. Vom Wesen her ist er auch der am wenigsten menschliche in der gesamten Geschichte, weil er so vollkommen gefühlskalt. Wirklich jeder Charakter hat starke Emotionen, die ihn/sie menschlich und komplex machen. Selbst Michael mit seinem Wahnsinn und Jähzorn erscheint weitaus menschlicher, auch wenn ihn das nicht unbedingt sympathischer macht. Sogar Hunter, der extrem verschlossen ist, wirkt deutlich menschlicher. Jordan hingegen wirkt wie eine Art Anomalie in dieser Geschichte weil er so nichts sagend, unscheinbar und oberflächlich erscheint. Und ja, was er getan hat ist unverzeihlich und verachtenswert, auch wenn er seine Gründe hatte. Wobei es aber nicht wirklich "Angst" war, die ihn dazu gebracht hat, sich auf Michaels Seite zu stellen. Das mochte zwar anfangs sein Beweggrund gewesen sein, aber später war es einfach nur Logik und kalte Berechnung weil er nicht mehr zu Gefühlen imstande war. Und die Tragik in diesem Kapitel besteht eigentlich darin, dass Michael niemals normal war und es ihm dementsprechend nie in den Sinn gekommen ist, dass sein Verhalten unnormal oder gefährlich sei. Jordan war mal normal und wurde gegen seinen Willen empathielos und es hat ihn lange Zeit gequält, dass er nie wieder normal werden würde und dass ausgerechnet Michael an seinem Zustand Schuld ist. Wäre dieser Unfall nicht passiert, dann hätte sich Jordan komplett anders entwickelt.

Ob du es glaubst oder nicht, aber es kann tatsächlich passieren, dass sich die Persönlichkeit der Menschen gravierend verändern kann, wenn sie eine schwere Kopfverletzung erlitten haben. Bedenke immerhin dass unser Gehirn für Gefühle zuständig ist. Und beispielsweise Soziopathie oder Geisteskrankheiten können auch von einer schweren Kopfverletzung herkommen. Es gab zum Beispiel mal eine Geschichte über einen Mann, der immer freundlich, sozial und zuverlässig war. Nach einem Unfall wurde er jedoch immer unzuverlässiger, aufmüpfig, streitlustig und rücksichtslos. Er ist zu einem regelrechten Soziopathen geworden.
Von:  Arya-Gendry
2019-01-20T21:17:36+00:00 20.01.2019 22:17
Hi
Ich finden es super das du auch auf seinen Charater ein gehst. Auch wenn er nur ein neben Charater ist. Nun weiß man auch mehr über ihn und wieso er so ist wie er ist.
LG.


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