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Urlaubsreif^2

auch ein Chef braucht mal Urlaub
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Warnung: nicht Korrektur gelesen - war auch so beim Schreiben oft genug knall rot im Gesicht (keine Angst! es bleibt harmlos) Komplett anzeigen

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Montag 23.3.

Gut gelaunt schlenderte Chef die Gänge seiner alten Schule entlang. Martine hatte frühmorgens die Wohnung verlassen und ihm neben dem bereits gerichteten Frühstück einen Zettel hingelegt, auf dem sie ihm mitteilte, dass sie den ganzen Tag arbeiten würde. Er hatte also tatsächlich frei. Mehr oder minder. Noch am Freitag hatte er im Sekretariat angerufen und um einen Termin gebeten. Es war höchste Zeit, dass …

„Kann ich Ihnen helfen?“

Verblüfft sah er auf und musste sich dann ein Grinsen verkneifen. Dass er das noch erleben durfte! Sein alter Mathelehrer siezte ihn höflich.

„Nein danke. Ich habe in zehn Minuten einen Termin hier. Aber keine Angst. Ich kenne den Weg“, lächelte er höflich. Der alte Mann ihm gegenüber kniff die Augen zusammen als überlegte er, ob Chef ein ehemaliger Schüler sein könnte.

„Sie unterrichten hier Mathematik, oder?“

„Ja... Woher wissen Sie das?“

„Einer meiner Schützlinge hat mir von Ihnen erzählt. Sie sollen ja ziemlich streng sein und immer darauf achten, dass alle ihre Hausaufgaben haben.“

„Als streng würde ich mich nicht gerade bezeichnen. Ich achte nur darauf, dass meine Schüler die nötige Übung erhalten. Was genau machen Sie eigentlich beruflich?“ Offensichtlich war seine Neugier geweckt.

„Ich bin Hotelier und stimme Ihnen im Übrigen zu. Übung ist das A und O in der Mathematik. Besonders bei Belegungsprognosen für Hotels.“ Ausschweifend fing er an zu erklären, wie er bei diesen vorging und wie das Zusammenspiel der einzelnen Parameter funktionierten. Zufrieden stellte er fest, dass er den Lehrer nach gut einer Minute bereits abgehängt hatte, obwohl das nicht mal so oberhalb des Niveaus der oberen Jahrgänge sein konnte. Mit einem gespielt entsetzten Blick auf die Uhr, verabschiedete er sich schließlich. „Ich möchten Ihnen ja nicht noch mehr, von Ihrer kostbaren Zeit rauben.“

Mit sich und der Welt zufrieden ging er weiter durch die immer noch leeren Gänge. Es war gerade Unterricht und noch früh genug am Tag, dass nicht bereits die ersten Raufbolde vor der Tür standen. Er wollte es sich kaum selbst eingestehen, aber irgendwie freute er sich auf seinen Termin und das ihm so wohl vertraute Zimmer zu betreten. Immerhin war es jetzt fast acht Jahre her, dass er dort Stammgast war.
 

„Und noch einmal vielen Dank für Ihre letzte Spende, Herr Kaiba. Durch sie konnten wir neue Atlanten für die Unterstufe besorgen.“

Innerlich langweilte sich Seto gerade zu Tode, doch hätte es seltsam ausgesehen, wenn er nach seinem Schulabschluss nicht weiter ab und zu etwas Geld fließen lassen würde. Schließlich handelte es sich nicht wirklich um große Summen. Da gab er für anderes deutlich mehr aus. Leider bedeuteten diese kleinen Spenden aber auch, dass er sich ein paar Mal bei der Direktorin einfinden musste, um sich ihre Lobeshymnen auf seine Großzügigkeit anzuhören. Aber lieber so, als in aller Öffentlichkeit.

Als es an der Tür klopfte, machte er sich nicht die Mühe den Kopf umzudrehen.

„Ihr nächster Termin wäre da“, informierte die Sekretärin und ließ gleich die Tür offen. In der Mine der Direktorin sah Seto, dass ihr nächster „Termin“ von ihr wohl sehr gerne gesehen wurde. Ein wenig interessierte es ihn schon, wer da nun eintrat, aber seine Art verbot es ihm nachzuschauen. Schließlich war er noch immer derjenige auf dem einzigen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs und der andere nur ein Störenfried, der wohl etwas zu früh gekommen war. Wann kapierten die Leute endlich, dass es zur Pünktlichkeit auch gehörte, nicht mehr als fünf Minuten zu früh zu einem Termin zu erscheinen?

„Herr Pegasus“, die Direktorin war sogar aufgestanden und um ihren Tisch herumgegangen, um ihn zu begrüßen – etwas, das sie für Seto nie tat. „Wie schön, dass Sie es einrichten konnten.“

„Natürlich. Für Sie doch immer. Aber hatte ich Ihnen nicht bereits beim letzten Mal gesagt, dass Sie mich bitte beim Vornamen anreden sollen? Herr Pegasus ist mein Vater und es kommt mir immer etwas seltsam vor, wenn ich mit seinem Namen angesprochen werde.“

Nun zwang sich Seto sitzen zu bleiben und dabei weiterhin geradeaus zu schauen. Was machte ausgerechnet sein Hündchen hier und schäkerte zudem so vertraut mit der Frau, die ihm früher in regelmäßigen Abständen den Kopf abgerissen hatte?

Die Direktorin nahm wieder Platz. „Ich gehe davon aus, dass Sie sich immer noch kennen“, stellte sie trocken fest.

„Ja. Das tun wir. Wir hatten erst neulich die Gelegenheit unsere Bekanntschaft etwas aufzufrischen.“

Seit wann konnte er so ruhig bleiben, wenn es um ihn ging? Und sich so ausdrücken? Die Gewissheit, dass Wheeler direkt neben ihm stand, ließ die ganze Szene um einiges surrealer wirken als sie ohnehin bereits war. Die Direktorin nickte nur.

„Aber ich will Sie auch nicht länger stören. Eigentlich wollte ich nur kurz die Unterlagen für die diesjährigen Bewerber abholen.“

„Natürlich.“ Jetzt fing sie an auf ihrem Schreibtisch in einem Stapel zu stöbern und erklärte für Seto: „Wissen Sie, Herr Kaiba, Joseph hat vor ein paar Jahren ein Stipendium zur Förderung von Schülern aus den unteren sozialen Schichten ins Leben gerufen, um denen, die auf Grund ihrer Herkunft nicht ihr volles Potential entfalten können, dennoch einen guten Abschluss zu ermöglichen. Mittlerweile studieren die ersten aus diesem Projekt bereits an Top-Unis. Hier, bitte.“ Sie reichte Chef eine dicke Mappe und überging dabei gekonnt Setos erstaunten Blick.

„Vielen Dank. Dann mach ich mich mal wieder auf den Weg und störe nicht länger. Vielleicht das nächste Mal etwas länger?“

Sie nickte nur und wandte sich dann wieder ihrem anderen Besucher zu: „Haben Sie noch Fragen oder Wünsche?“

Energisch schüttelte Seto den Kopf und verabschiedete sich so schnell wie möglich. Im Sekretariat sah er gerade noch die Tür zum Flur zufallen und bemerkte, wie die Sekretärin fröhlich vor sich hinsummte. Seit wann war diese Frau denn so gut gelaunt? Normalerweise war sie wie Zerberus. Mit einem kurzen Gruß trat er auf den Flur und erblickte kurz vor der nächsten Ecke einen blonden Haarschopf.

„Chef! Warten Sie!“, rief er und rannte die wenigen Schritte zu ihm, während dieser sich gelassen auf dem Absatz umdrehte.

„Ja, bitte?“

„Hätten Sie vielleicht noch etwas Zeit für mich?“

„Und weswegen?“ Abschätzend legte Chef den Kopf leicht schief, als müsse er sich ganz genau überlegen, ob er es einrichten könnte.

„Sie hatten mir doch am Samstag angeboten, noch etwas zu reden.“ Was zum Teufel war mit seiner Stimme plötzlich los, dass er so nervös klang? Als nächstes würde er noch schwitzige Hände und einen roten Kopf bekommen!

„Hatte ich tatsächlich. Jedoch“, machte Chef eine Pause und sah ihn durchdringend an, „sollten Sie vorher noch eine Schuld einlösen. Sie haben sich letzten Monat um das Singen gedrückt. Also … Sie singen mir etwas vor und erhalten dafür ihr Gespräch.“

Seit wann verhandelte Wheeler bitteschön mit so harten Bandagen? Zugegebenermaßen hatte er während ihrer Schulzeit nie am längeren Hebel gesessen, aber selbst wenn hätte Seto ihm nie im Leben zugetraut, mit so einem Vorschlag zu kommen. Als ob er singen würde! Noch dafür für... sein Hündchen. Have you come here for forgiveness? Sein Hündchen, für das er sogar Valentinsschokolade besorgt hatte. Your life is a dream. Das so wunderbar gesungen hatte.

„Meinetwegen. Allerdings nicht in aller Öffentlichkeit und Sie singen im Gegenzug auch für mich.“ Auffordernd hielt Seto ihm die Hand hin. Augenblicklich schlug der andere ein und drehte sich dann wieder um, gab ihm ein Zeichen, ihm zu folgen.
 

Schweigend verließen sie das Gebäude und den leeren Schulhof, auf dem es in der nahen Mittagspause nur so vor Schülern wimmeln würde. Seto versuchte auf gleicher Höhe wie Chef zu gehen, hatte aber keine Ahnung, wohin er mit ihm wollte und fiel daher ab und zu zurück. Dass sie keine fünf Minuten später eine Karaokebar betraten, überraschte in dann aber doch. Während er sich noch neugierig im Eingangsbereich verstohlen umsah – immerhin musste er an seinen Ruf denken – wurde ein Raum organisiert.

Unsicher ging er hinter Chef und einem Angestellten der Bar einen langen Flur entlang, dem etwas mehr Beleuchtung gut getan hätte. Immerhin sah es in dem kleinen Raum sauber aus, in den sie geführt wurden. Auf Raumesbreite eine dunkle gepolsterte Bank, davor ein Tischchen, auf dem die Steuereinheit für die Karaokemaschine lag. Er wollte sich schon hinsetzen, doch Chef der seinen ausgezogenen Mantel neben sich ausbreitete, machte ihm unmissverständlich klar, dass er stehen bleiben sollte.

„Wissen Sie schon, was Sie singen wollen?“ Er reichte ihm das Tablet, wobei er ihn herausfordernd ansah. Auch früher hatte er immer versucht ihn herauszufordern, doch war er damals nicht wirklich ernst zu nehmen gewesen. Doch mittlerweile? Diese Selbstverständlichkeit, mit der er Seto klar machte, wie er sich zu verhalten hatte. Dieses Selbstbewusstsein.

Schnell überflog er die Titel und musste feststellen, dass er nicht einmal annähernd die Hälfte davon kannte. Endlich stieß er auf eines, von dem er sich halbwegs zutraute, es zu singen und dabei nicht den gesamten Text ablesen zu müssen. Beim Auswählen zitterten leicht seine Hände. Dann legte er das Tablet auf den Tisch zurück und vermied es Chef ins Gesicht zu sehen, als er von ihm das Mikro entgegen nahm.

Die ersten Töne der Musik erklangen aus den versteckten Boxen und er holte ein letztes Mal tief Luft. Während der ersten Strophe starrte er stur auf die gegenüberliegende Wand. Erst mit dem Refrain traute er sich einen Blick zu Chef zu werfen. Ein fataler Fehler, denn er konnte sich nicht mehr von diesen dunkelbraunen Augen lösen.

„I want to reconcile the violence in your heart 

I want to recognize your beauty's not just a mask 

I want to exorcise the demons from your past 

I want to satisfy the undisclosed desires in your heart 
 

You trick your lovers 

That you're wicked and divine 

You may be a sinner 

But your innocence is mine“

Wie es ihm gelang, das Lied ohne größere Fehler zu Ende zu singen blieb ihm ein Rätsel. Sein einziger Trost blieb, dass sich Chef nun bewegte und so denn Bann brach. Leider kam er jetzt dafür auf ihn zu wie eine Raubkatze, die sich an ihre Beute heranpirscht. Seinem Instinkt folgend wich Seto einen Schritt nach hinten zurück, und noch einen. Nach vier weiteren spürte er bereits die Wand in seinem Rücken.

„Du willst also mein Verlangen stillen“, flüsterte Chef, während er seine Unterarme neben Setos Kopf platzierte. „Und glaubst zu wissen, wie ich mit meinen Liebhabern umgehe. Interessant.“

Setos Atem ging flach und er war kurz davor panisch zu werden.

„Vielleicht sollte ich mir aber zunächst meine Unschuld von dir zurück holen, bevor du dich mit den Dämonen meiner Vergangenheit auseinandersetzt?“

Ohne weitere Vorwarnung wurde er gegen die Wand gedrückt und jeglicher Protest mit einem leidenschaftlichen Kuss im Keim erstickt. Bald wusste Seto nicht mehr wo oben und unten war. Er spürte nur noch die Hand in seinem Nacken, die ihn halb näher drückte, halb sich in seine Haare krallte, die weichen Lippen des anderen und die enorme Hitze, die er abstrahlte. Seine Lippen boten keine Widerstand und auch wenn seine Zunge versuchte sich zu wehren, wurde sie ziemlich schnell in ihre Schranken verwiesen. Doch als schlimm empfand er diesen Kontrollverlust nicht. Ganz im Gegenteil. Es berauschte ihn, sich einfach fallen lassen zu können. Nach dem ersten Schock legte er beide Arme auf den Rücken des Größeren. Mit dem Rechten versuchte er seinerseits den fremden Kopf näher zu sich zu ziehen, mit dem Linken versuchte er die restliche Distanz zwischen ihren Körpern zu reduzieren.

„Was wärst du bereit zu tun, um mein Verlangen zu stillen?“, wurde gegen seine Lippen geflüstert. Entsetzt riss er die Augen auf. Er hatte in keinster Weise eine Antwort auf diese Frage. Würde er eine haben wollen, musste er denken, doch das fiel ihm momentan so schwer. Also schloss er einfach wieder die Augen und überbrückte die wenigen Zentimeter, die zwischen einem weiteren Kuss lagen. Allmählich registrierte er, dass nun auch die zweite Hand aktiv wurde und ziemlich fordernd alles erkundete, an das sie nur irgendwie herankam. Sein Körper gab ihm die Eingebung, dass er sich doch leicht an dem anderen reiben könnte, aber dann erklang eine Alarmsirene. Verwirrt blinzelte Seto und fröstelte. Sein Atem ging immer noch schwer und er versuchte verzweifelt seinen Verstand so weit klar zu bekommen, dass er die Situation erfassen konnte.

Chef war zu seinem Mantel gestürmt und hatte aus einer der Innentasche ein Smartphone zu Tage gefördert. „Bin schon unterwegs. Keine Angst. Ich hab Euch nicht vergessen. Bin in einer halben, dreiviertel Stunde bei Euch. … Ja, ich beeil mich.“

Seto fiel die Kinnlade herunter. Wie konnte der Kerl von einem Moment auf den nächsten wieder so kühl und sachlich klingen? Klar, seine blonden Haare lagen nicht mehr ordentlich und auch seine Augen wirkten noch ein wenig verklärt, aber das war nichts zu seinem eigenen Zustand. Sein Herz raste, weil es immer noch Blut in Regionen pumpte, in die es garantiert nicht gehörte, und er war sich nicht sicher, überhaupt einen vernünftigen Satz herauszukriegen. Aber der Herr war von einem Augenblick zum anderen nüchtern. Jetzt zog er sich auch noch den Mantel an und kam einfach so wieder lässig auf ihn zu und griff nach der Türklinke unweit von Seto.

„Ich muss jetzt zu einem wichtigen Termin. Aber es war nett, mit Ihnen zu … reden. Apropos. Ich soll Ihnen von Martine ausrichten, dass Sie sich schon auf Ihr Duell morgen freut. Sie erinnern sich doch noch an Ihre Verabredung, oder? Morgen 15 Uhr. Die alte Duellarena in der Nähe der Bücherei.“ Er wandte sich von ihm ab und öffnete die Tür einen Spalt breit, bevor er ihn wieder ansah. „Die Toiletten sind übrigens rechts den Gang runter, letzte Tür links. Bis morgen!“

Er besaß tatsächlich die Frechheit sich einen letzten Kuss zu stehlen und war dann verschwunden, während sich Seto gegen die Wand sinken und das Geschehene Revue passieren ließ. Wobei er das besser nicht machte. Er brauchte dringend einen klaren Kopf, schließlich musste er noch in die Firma und ein paar Stunden arbeiten. Ein kurzer Blick auf seine Armbanduhr. Wie spät sollte es schon sein?! Schnell verließ er den Raum, machte jedoch einen Umweg zu den Toiletten, wo er versuchte sich mit einer Menge kalten Wassers irgendwie wieder in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen und rief von dort auch gleich Roland an.

Also arbeiten, jedoch nur bis abends. Er hielt zwar diese Martine nicht für einen ernstzunehmenden Gegner, aber ein wenig Vorbereitung konnte ja nie schaden.
 

„Wo hast du so lange gesteckt?“, fragte ihn Ricky vorwurfsvoll, als er ziemlich abgehetzt in die 4-Zimmer-Wohnung trat. Immer noch leicht keuchend, zog er seinen Mantel aus und entgegnete: „Wurde aufgehalten. Geschäftlich. Ein Gast von letztem Monat. Ich hoffe, ihr habt wenigstens die Wartezeit genutzt und bereits die Hausaufgaben erledigt.“

„Natürlich, wo denkst du denn hin, Joey?“, kam es von Nino, der sich auf dem Sofa fläzte und in einem zerfledderten Büchlein Notizen mit Bleistift machte. „Aber wenn du schon mal da bist... Was heißt 'bumlicker'? Unser Englischlehrer lässt uns dieses bescheuerte Buch lesen, sieht's dann aber nicht ein, uns die Vokabeln zu erklären, die wir nicht kennen – und im Wörterbuch stand auch nichts.“

„Arschkriecher.“

„Hey, bin ich nicht!“ Nino kam protestierend auf die Beine.

„Nein, nicht du. Natürlich nicht! Du bist ja beinahe noch ehrlicher als ich damals in der Schule! Nein, die Vokabel bedeutet das“, entschärfte Chef sofort die Situation. „Ist der Rest auch da?“

„Nope“, erklärte Liz, strich sich eine der bunt gefärbten Strähnen aus der Stirn und drückte ihm ein Glas Wasser in die Hand. „Alle unterwegs. Bye the way. Nick schläft jetzt wieder mehr zu Hause. Scheint sich also wieder alles eingerenkt zu haben bei ihm. Und Grüße von Izu – der war vorletztes Wochenende mal hier und hat von seinem Medizinstudium erzählt. Muss echt heftig sein, was er da alles pauken muss.“ Sie schob Ninos Beine zur Seite, der sich wieder auf dem Sofa breit gemacht hatte und setzte sich. „Aber egal. Jetzt sag schon endlich. Hast du die Unterlagen?“

„Welche Unterlagen?“ Chef spielte den Unwissenden und machte es sich auf einem dunkelroten Sitzsack bequem.

„Die Unterlagen, die du an mir vorbei hier rein schmuggeln wolltest“, half ihm Ricky auf die Sprünge. „Ernsthaft. Das hast du schon früher nicht hinbekommen.“

„Ja. Und immer musste ich dann meine Süßigkeiten mit dir teilen, Kleiner.“

„Selbst schuld.“

„Also was ist jetzt? Ich platze schon vor Neugier! Wen hat die Alte diesmal als würdig empfunden, bald zu unserem elitären Kreis zu gehören?“

Chef warf Liz einen tadelnden Blick zu, reichte ihr dann aber ohne weiteren Kommentar die Akten, die er erst vor ein paar Stunden bei der „Alten“ - er musste ernsthaft noch mal ein Wörtchen bei ihr über die Betitelung von Respektpersonen verlieren – abgeholt hatte.

„Den kannst du vergessen“, meinte Nino schlicht. „Der ist wirklich einfach nur faul. Außerdem verdiene seine Eltern nicht wirklich schlecht. Aber die hier, wäre interessant.“

„Nino!“ Ricky schien die Truppe wirklich zusammenzuhalten und im Griff zu haben. Kaum zu glauben, dass der kleine Rabauke dieses Jahr schon mit der Schule fertig sein würde.

„Was?! Ich mein nicht für mich, sondern allgemein. Hier, für's Projekt. Glaubt mir, die ist nicht freiwillig so rappeldürr! Außerdem hatte sie laut einer Mitschülerin bis vor zwei Jahren noch ziemlich gute Noten.“

In diesem Stil diskutierten sie weiter und hatten sich nach mehreren Stunden auf drei Kandidaten geeinigt, mit denen Ricky in den nächsten Tagen sprechen würde. Dann machten sie selbst Pizza und quatschten noch eine Weile ein bisschen. Als Chef endlich ging, war es draußen schon dunkel. Ricky wohnte bereits dauerhaft hier – mittlerweile quasi als Aufpasser - und brachte ihn an die Tür, während sich Liz und Nino um den Platz auf dem Sofa stritten.

„Lass dich das nächste Mal etwas früher blicken, Joey.“

„Ich versuch's“, versprach er, die Umarmung zum Abschied erwidernd. „Aber wie ich sehe hast du den Laden ganz gut unter Kontrolle.“

„Aber nur, weil ich jemand hatte, der mich unter Kontrolle gebracht hat. Danke nochmal.“

„Da nicht für, Kumpel.“
 

Er verließ den eher ärmlichen Teil Dominos, in dem er den Jugendlichen einen Rückzugsort geschaffen hatte. Natürlich wäre es für ihn mittlerweile ein Leichtes, eine Wohnung in einer besseren Gegend zu organisieren, aber als er ihnen einen Umzug vorgeschlagen hatte, hatten sie rebelliert. Zwar hätten sie so noch etwas mehr Sicherheitsabstand, aber für die meisten war die Wohnung mit ihren zwei Schlafzimmern, den Stockbetten, dem stillen Arbeitszimmer und dem lauten Wohnzimmer ein zweites zu Hause. Und wer garantierte ihnen, dass sie sich in der neuen Wohnung noch genauso wohl fühlen würden? Immerhin hatte die Stadt in den letzten Jahren angefangen auch Geld in die „Problemviertel“ zu pumpen. Der Gehweg war annähernd sauber und die Sozialbauten, an denen er auf dem Weg zurück ins Stadtzentrum vorbei musste, sahen frisch renoviert aus. Vielleicht tat sich tatsächlich langsam etwas.

In der Nähe des Bahnhofs schritt er wie selbstverständlich durch die von Innen verklebte Tür eines Pubs und suchte sich einen Hocker am Tresen. Es war um die Uhrzeit noch nicht viel los und der Barkeeper nahm sich die Zeit, mit ihm über den Wandel der Stadt zu erzählen, während er die Bestellungen der anderen Gäste bearbeitete. Chef mochte diesen Laden. Er war der einzige, in dem über die Jahre hinweg die Qualität der Drinks gleich geblieben war, ohne das sich die Preise verdoppelten. Und so verbrachte er den Abend bei fantasievollen, alkoholfreien Drinks und Cocktails, machte dem ein oder anderen Typen klar, dass man hier sehr wohl auch hingehen konnte, wenn man keine zwanglose Bettgeschichte suchte – nachdrücklich unterstützt auch noch nach zehn Jahren vom Barkeeper – und schüttelte ab und zu leise über sich den Kopf, wenn er daran dachte, wie er zu seiner Schulzeit gewesen war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So (*Luft hol*) als nächstes kommt etwas was mir ziemlich Kopfzerbrechen bereitet: Chefs Schulzeit - und ich hab noch keine Ahnung, was ich in das Kapitel packe und was nicht (könnte also ne Weile dauern, bis es on ist)

Hat jemand eigentlich das Lied erkannt, das Seto singt? Ich weiß, eigentlich ist seine Stimmlage dafür zu hoch, aber ich finde den Text einfach nur klasse zu der Art und Weise wie sich seine Einstellung zu Chef entwickelt hat.

Und, ähm, ich würde mich über Feedback freuen. Zum einen kommen von Chefs Urlaub ja nur noch drei Tage und ich hänge etwas in der Luft, weil ich nicht weiß, was ihr von den aktuellen Entwicklungen haltet. Zum anderen bin ich mir echt unsicher, ob es wirklich Sinn macht/zur Story bzw. zum Stil passt, plötzlich eine etwas "handfestere" Szene reinzupacken... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Onlyknow3
2015-12-19T18:36:00+00:00 19.12.2015 19:36
Dem kann ich mich nur anschließen. Seto muss schon noch etwas zulegen wenn er sein Hündchen für sich haben will.
Das sich die beiden so ohne jede Verpflichtung da in die Karaokebar verzogen haben.
Bin echt gespannt was als nächstes von Seto kommt.

LG
Onlyknow3
Von:  Seelendieb
2015-12-05T20:50:45+00:00 05.12.2015 21:50
Soooooooo....

Das Kapitel war genial! Obwohl mir Seto mittlerweile richtig Leidtut. DEr steckt so in seinem Gefühlschaos fest!
Die Entwicklung gefällt mir bis jetzt ganz gut. Man hängt in der Luft, ob sie sich näher kommen oder nicht. Es ist ein Berg auf und ab. Toll! Wobei ich mir dennoch eine Art Aussprache herbeisehne. ;)
Antwort von:  flower_in_sunlight
06.12.2015 14:28
Suppi - jetzt bin ich schon wieder rot im Gesicht.

Naja, sein Gefühlschaos wird auch noch eine Weile bestehen bleiben...Das mit der Aussprache kommt in ein paar Kapiteln, aber wie es ausgeht, verrate ich noch nicht ;-)

Vielen Dank für den Kommentar - und auch für den Zuckerschock im letzten Kapitel. ^^
Antwort von:  Seelendieb
06.12.2015 14:31
:D

Gern geschehen! Willst ne Salzstange dagegen haben? ö.ö


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