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Cold to the touch

Hamburg in den Schatten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das letzte Kapitel - abgesehen von einem Epilog der noch kommt :D
Das Ende mag eventuell unerwartet sein! ;) Komplett anzeigen

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Diskrepanz

Für einen Moment zögerte Joanne. Zurück oder auf den Boden? Aber wenn sie hier blieben, waren sie vollkommen im Offenen – selbst auf dem Boden. Also blieb nur eine Möglichkeit.

„Zurück!“, rief sie. „In Deckung.“

Ohne auf die anderen zu warten, sprintete sie um die nächste Ecke in die letzte Quergasse zurück, wo sie ihre Pistole durchlud, jedoch nicht feuerte. Erst, als sie an der Ecke kniete, bemerkte sie ein Brennen an ihrer Schulter und bemerkte, dass sie ein Streifschuss erwischt hatte.

Auch der erste der beiden Trolle ging in Deckung, doch der andere zögerte, als Kayden sich nicht bewegte und begann zurückzufeuern.

„Was machst du da? Idiot!“, rief Tiran, der sich offenbar magisch gegen die Kugeln zu schützen schien, die seltsamer Weise in der Luft vor ihm durch eine unsichtbare Macht abgelenkt zu werden schienen.

Joanne musste ihm zustimmen. „Fuck.“ Leise fluchte sie.

Da zuckte Kayden zusammen und ging zu Boden. Eine Blutlache breitete sich um seinen Körper aus.

„Drek“, keuchte Joanne, während sie sich mit dem Rücken gegen das Containerblech drückte.

Was nun? Sie wurden entdeckt. Sie mussten kämpfen, wenn sie den Auftrag ausführen wollten. Doch sie wusste, wie viele ihrer Kollegen noch im Hafen waren, und wusste daher auch, dass es bald schwer werden würde die Stellung zu halten. Die einzige vernünftige Möglichkeit, war jetzt zu feuern und Thomas und die anderen auszuschalten. Doch sie hatte Hämmungen.

Da hörte sie ein lautes Krachen und fuhr herum. Einer der beiden Trolle – der, der zuvor gezögert hatte – hatte einen der Container von einem anderen herunter gerissen und nun vor sich als improvisierten Schutzwall gesetzt.

„Gut gedacht“, meinte Tiran und stürmte zu dem Troll vor, der nun eine Schrottflinte nahm und aus der Deckung heraus anlegte. Dann erklangt ein lauter Knall, als er die für einen Menschen überdimensionierte Waffe abfeuerte.

Auch Joanne rannte vor, um vorsichtig über die Deckung zu sehen. Sie war froh, dass sie nicht erkennen konnte, wer es war, der da gerade von der Schrottflinte erwischt worden war. Doch von allem was sie sagen konnte, war Dante nicht unter ihren Gegnern.

„Drek“, flüsterte sie noch einmal und zog ihre Pistole. Sie zielte auf den Arm eines der anderen Wachleute und schoss, in der Hoffnung denjenigen so auszuschalten, ohne zu töten.

Sie hörte einen Aufschrei und der Wachmann sprang schnell in Deckung, nur ob sie getroffen hatte, konnte sie nicht sicher sagen.

„Wartet“, meinte Tiran nun und schloss die Augen, offenbar um sich zu konzentrieren. Eine leuchtende Kugel erschien zwischen seinen Händen. Er holte aus und warf die Kugel, woraufhin Blitze zwischen den Wachen hin und her zuckten und diese zu Boden gingen.

Wahrscheinlich, so hoffte Joanne zumindest, KO, aber nicht tot.

„Gut gedacht“, seufzte sie.

„Und jetzt?“, fragte einer der beiden Trolle.

„Rückzug“, hätte Joanne am liebsten gesagt, doch dachte sie daran, wie viel Geld auf dem Spiel stand. Und verdammt noch einmal, sie gab ihr ganzes Leben nicht für nichts und wieder nichts auf. „Weiter“, sagte sie daher und ließ den Troll den Container zur Seite schieben.

Immerhin hatten sie ihr Ziel beinahe erreicht. Das musste zu schaffen sein, redete sie sich ein, während eine weit pessimistischere Stimme in ihrem Kopf sie daran erinnerte, dass sie dann nur noch zum Boot mussten – während die Trolle wahrscheinlich nicht zurückschießen konnten.

Also liefen sie weiter, wobei Joanne nicht umher kam, die weiteren Punkte, die Serenity und Mi auf der AR-Karte markiert hatten, zu verfolgen. Sie würden bald hier sein. Doch auf der anderen Seite konnte dieser Zauber des Elfens vielleicht auch noch mehr Wachen ausschalten.

„Zieht euch zurück“, erschien eine Nachricht von Serenity in der AR.

„Wir schaffen das schon“, schrieb Joanne zurück.

Auf der AR-Karte konnte sie sehen, dass sich die Wachen aufteilten, offenbar um sie aus zwei Richtungen anzugreifen. In welcher der beiden Gruppen war Dante?

„Kriegst du die noch einmal ausgeschaltet?“, fragte sie Tiran, der – so hoffte sie zumindest – dieselbe Karte mit seiner Brille sehen sollte.

Für einen Moment zögerte der Elf. „Denke schon“, meinte er dann und nickte.

„Gut“, erwiderte sie. „Wir werden es gleich brauchen.“

„Wieso hauen wir nicht ab?“, fragte Tiran, als sie die anderen weiter winkte.

„Weil wir das Geld wollen“, grummelte einer der Trolle.

Joanne nickte grimmig. „Eben.“

Also liefen sie weiter, während auch die roten Punkte auf der AR-Karte immer näher kamen – und es gab keine wirkliche Möglichkeit, sich vor ihnen zu verstecken. Selbst wenn sie in einer der anderen Gassen zwischen den Containern wechseln würden – ein wirkliches Versteck war das nicht. Entweder sie schafften es die anderen schnell genug auszuschalten oder sie würden selbst getötet werden. Während ihr keine der beiden Möglichkeiten besonders gefiel, war sie jedoch auch nicht bereit aufzugeben – und sie näherten sich ihrem Ziel.

Sie wandte sich an Tiran. „Du nimmst die nördliche Gruppe, ich die südliche.“ Die anderen Sicherheitskräfte hatten sie beinahe erreicht. „Ihr beide“, meinte sie dann zu den Trollen, „versucht so schnell wie möglich mit der Ware zu verschwinden!“

Warum hatte sie keine Flashbang eingesteckt? Sie Gruppe, die sich nun im Süden am äußeren Rand des Containerparks entlang bewegte, war – sofern die Daten, die Serenity ihnen gegeben hatte – fünf Personen stark. Während sie keine Probleme hatte, gegen fünf Personen hintereinander zu kämpfen, waren so viele Gegner auf einmal ein Risiko. Zumal diese Gegner mit Gegenwehr rechneten.

Innerlich fluchend bog sie in die nächste – die vorletzte – Schräggasse ein, um so der Gruppe entgegen zu kommen und sie vielleicht zumindest etwas zu überraschen.

Aus der Deckung der Container heraus, spähte Joanne die Gasse hinab. Von den anderen Sicherheitsleuten war hier noch nichts zu sehen. Also eine weitere Containerreihe weiter. Als sie hier aus der Sicherheit der Schräggasse heraus die Hauptgasse hinabsah, konnte sie eine Gestalt sehen, die vom Ende der Containerreihe aus dasselbe tat.

Für einen Moment zögerte sie, hob dann aber ihre Pistole, bereit abzuschießen, sobald ihr Kollege sich aus der Deckung herausbewegte. Sicher, sie hätte auch jetzt abschießen können, doch wollte sie zumindest versuchen, niemanden – bis eventuell auf Dante – zu töten.

Offenbar hatte sie zumindest Glück, dass wer auch immer es war sie nicht entdeckt hatte. Er bewegte sich aus der eigenen Deckung heraus, als Joanne zielte und schoss. Sie hatte auf sein Knie angelegt.

Der Schuss schallte durch den Hafen, doch es folgte kein Schrei.

„Drek“, fluchte sie leise und schoss noch einmal, noch bevor der Sicherheitsmann seine eigene Waffe hatte ziehen können. Dieses Mal folgte der Schrei und er ging zu Boden.

Ein Befehl wurde gebrüllt und während jemand den Mann aus der Schusslinie zog, wurde blindes Feuer den Gang hinab eröffnet.

Schnell ging Joanne wieder in Deckung. Noch vier, sagte sie sich, wohl wissend, dass auch der angeschossene noch würde schießen können, sofern er nicht das Bewusstsein verlor.

Wenn sie jedoch Glück hatte, so hatte man sie noch nicht gesehen. Und wenn sie richtig lag würde man, sofern sie nicht zu sehen war und auch nicht zurückfeuerte, das Feuer bald einstellen, um sich nach vorn zu bewegen, um die Angreifer zu suchen. Niemand würde damit rechnen, dass sie allein war.

Tatsächlich stoppte das Feuer, auch wenn sie in geringer Entfernung anderes Feuer hörte. Wahrscheinlich die zweite Truppe gegen den Rest der Runner. Doch dort konnte sie im Moment nicht eingreifen.

Innerlich zählte sie bis drei, ehe sie noch einmal den Gang hinab sah, nur um ihn leer vorzufinden. Sie fluchte, als ihr der Gedanke kam, dass die anderen Sicherheitsleute sich offenbar durch die beiden Parallelgänge bewegten.

Ein Blick auf die AR-Karte sagte ihr, dass sie Recht hatte. Zwei Punkte bewegten sich in der östlichen, zwei sich in der westlichen Gasse auf sie zu.

Schnell und so leise wie möglich lief sie in den Gang, in den sie gerade gefeuert hatte. Wenn sie schnell genug war, konnte sie eventuell einen Hinterhalt legen und sie von hinten überraschen.

Also rannte sie zur nächsten Quergasse, vergewisserte sich, dass die beiden Punkte im Osten sie bereits passiert hatten und ging dann in ihr in Deckung. Für den Bruchteil einer Sekunde verschnaufte sie, ehe sie in den nächsten Gang sah, bereit zu feuern.

Tatsächlich bewegten sich zwei ihrer Kollegen hier hinab, jedoch hatte einer die Augen fest auf die Quergasse gerichtet, aus der sie nun hervorsah.

Er hob die Waffe, doch dann erkannte er sie.

„Joanne?“, fragte er. Es war Stefan. „Was machst du hier?“

Sie fluchte innerlich. Was sollte sie sagen? Sollte sie ihn angreifen oder versuchen ihn anzulügen?

„Ihr glaubt doch nicht, dass ich drinnen rumhocke, während hier draußen etwas los ist, oder?“, meinte sie, ohne ihre Waffe zu senken. Sie verfluchte die Tatsache, dass sie den Defiance Shocker nicht gezogen hatte – doch es wäre zu auffällig die Waffen zu wechseln.

Warum mussten sie auch zu zweit sein? Einen hätte sie im Nahkampf leicht ausschalten können, doch beide auf einmal? Der zweite war einer von den Orks. Eigentlich wollte sie sich auch nicht im Nahkampf mit einem Ork anlegen.

Doch Stefan sah sie ohnehin misstrauisch an. „Woher wusstest du, wo wir sind?“

„Wissen? Ich bin den Schüssen gefolgt“, erwiderte sie – vielleicht ein wenig zu rasch. „War kaum zu überhören. Kannst froh sein, dass ich nicht auf euch geschossen habe. Ich dachte schon, ihr seid welche von den Runnern.“

„Du solltest wieder zurückgehen“, grummelte der Ork, an dessen Namen sie sich gerade partout nicht erinnerte, da er bisher selten mit ihr in einer Schicht gearbeitet hatte. Etwas war in seinen Augen. War es Misstrauen? Zumindest hatte auch er seine Waffe noch nicht gesenkt.

„Ihr seht aus, als könntet ihr Unterstützung gebrauchen“, erwiderte sie und machte einen Schritt auf sie zu. Konnte sie es mit den Cyberarmen schaffen einen Ork mit einem Schlag auszuschalten? Wohl kaum, zumal der Ork auch noch einen Helm trug.

Auf der anderen Seite kannte sie ihn kaum, redete sie sich ein. Kein Grund allzu zimperlich zu sein, oder?

„Stefan“, begann sie leise, während sie einen Schritt auf ihn zu machte.

Fragen sah er sie an.

„Das tut mir jetzt leid“, sagte sie schnell, ehe sie ihn mit einer fließenden Bewegung entwaffnete und in einen Haltegriff nahm.

Tatsächlich ging ihr Plan auf. Sowohl Stefan, als auch der Ork waren für einen Moment zu überrascht, um zu reagieren. Dieses Zögern des Orks nutzte sie, ihm gleich mehrere Schüsse gegen seinen Oberkörper zu feuern, in der Hoffnung, dass die Schüsse ihn von den Beinen rissen.

„Was machst du da, Snyder?“, rief Stefan leicht panisch aus, als der Ork tatsächlich zu Boden ging.

Sie antwortete nicht. Stattdessen verstärkte sie den Griff um seinen Hals, bis sie merkte, dass sein Körper schlaff wurde.

Sie wusste, dass die anderen beiden jetzt herkommen würden und sie konnte nicht mehr tun, als in Deckung gehen und zu hoffen, schnell genug zu sein.

Tatsächlich flogen nur einen Augenblick später Kugeln durch die Luft, als jemand in diesem Gang sie unter Beschuss nahm.

„Fuck!“, rief sie aus und hechtete in die Quergasse, nur um aufzuschreien, als eine Kugel sie am Nacken streifte.

Automatisch fuhr ihre linke Hand zur Verletzung, doch offenbar hatte sie Glück, dass die Wunde nur oberflächlich war, wenngleich ein Rinnsal Blut nun an ihrem Hals hinabrann.

„Na sieh einer an“, meinte eine selbstgefällige Stimme. „Ich habe mit deiner Kündigung gerechnet, auch mit einem unüberlegten Mordanschlag, aber nicht damit.“

„Dante“, knurrte sie und wollte abdrücken, als jemand von hinten ihren Arm hochriss.

Der Schuss ging daneben, doch schaffte sie es, denjenigen, der sie nun von hinten Angriff und versuchte, sie festzuhalten, zu Boden zu werfen. Es war nur ein Mensch und als solcher der Kraft ihrer Cyberarme unterlegen. Dennoch weigerte er sich ihre Arme loszulassen, schaffte es damit sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Dann trat Dante ihr die Waffe aus der Hand.

„Sorry“, meinte sie zynisch zu dem auf den Boden liegenden Kerl, holte mit einer Faust aus und versetzte ihm einen harten Schlag gegen die Schläfe. Auch mit Helm reichte es, um ihn auszuschalten.

„Du glaubst nicht wirklich, hier lebend heraus zu kommen, Jojo-Girl?“, fragte Dante und wedelte selbstzufrieden mit ihrer Waffe herum, während er weiterhin in der rechten seine eigene Waffe hielt. „Willst du dich nicht ergeben? Ich schieße wirklich nur sehr ungern auf Frauen.“

Joanne machte ein abfälliges Geräusch, das halb Lachen, halb Knurren war. „Ich werde mich sicher nicht dir ergeben.“ Sie war noch lang nicht entwaffnet. „Ich glaube, du vergisst eine Kleinigkeit.“ Damit hob sie schnell ihren Arm und feuerte die Cyberpistole ab.

„Hure!“, schrie Dante, hielt sich die linke Schulter und ließ dabei seine eigene Waffe fallen.

Sie ging auf ihn zu, den Lauf der Cyberpistole zwischen seine Augen gerichtet.

„Das wirst du nicht tun“, knurrte der Zwerg, doch zum allerersten Mal sah sie so etwas wie Angst in seinen Augen aufblitzen. Auch wenn es ihm – dank der Schmerzen – offensichtlich Überwindung kostete nahm er ihre Waffe mit der rechten Hand und hob sie.

Joanne sah ihn nur hasserfüllt an, doch aus irgendeinem Grund schoss sie nicht. Noch nicht.

„Ich wusste es doch“, meinte Dante nun. „Du bist zu feige.“

Sie konnte nicht sagen, was es war. Seine Worte. Sein Blick. Doch etwas in ihr erinnerte sich an den Hass, den sie für diesen Zwerg empfand und sie löste sich aus ihrer Starre.

Der Himmel verfärbte sich violett über dem Hamburger Hafen, als der laute knall eines Schusses erklang – zumindest klang es danach. Doch eigentlich waren es zwei Schüsse, die gleichzeitig abgefeuert worden waren.

Dante ging zu Boden mit einem klaffenden Loch auf der Stirn, doch auch Joanne sank in die Knie. Automatisch wanderte ihre Hand zu ihrer linken Wange. Etwas feuchtes, beinahe geleeartiges rann diese hinab. Dann setzte der Schmerz ein und das Bild vor ihren Augen verschwamm.

Irgendein Teil ihres Gehirns sagte ihr, dass Dantes Schuss sie ins Auge getroffen hatte. Und wenn der Schuss ihr Auge getroffen hatte, dann hieß es wahrscheinlich auch...

Sie erinnerte sich daran, dass es 10 bis 15 Sekunden dauerte, bis man nach einem Kopfschuss starb.

Das hieß wohl, dass...

Doch weiter konnte Sie diesen Gedanken nicht führen, ehe die Welt um sie herum schwarz wurde und sie gänzlich auf dem Boden zusammenbrach.



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