Die Rosen von Malfori

Ein hochgewachsener junger Mann mit blassblonden Haaren und grünen Augen betritt die Halle. Gegenüber seiner schwarzen Kleidung hebt sich seine weiße Haut deutlich ab, wirkt beinahe wie Marmor.
Er ist sparsam mit seinen einnehmenden Gesten und nur sehr selten erhascht man einen Blick auf die schimmernden Fangzähne.
"Gestatten, Victor von Malfori"
Ein leichtes Lächeln begleitet diese Worte, ein kleiner Wink läd die Gäste ein, ihm zu folgen.
Tagsüber fällt goldenes Sonnenlicht durch die hohen gotischen Fenster des Schlosses, beleuchtet die edlen Schnitzereien an den alten Möbeln und die Farben der Teppiche, die als Wandbehänge in den Korridoren das dunkle Mauerwerk verdecken und für etwas Gemütlichkeit sorgen.
Aber der Fürst empfängt seine Gäste stets nachts.
"Ich hoffe, es macht ihnen nichts aus, diese späte Stunde? Sie wissen ja wie das mit Meinesgleichen und dem Sonnenlicht ist."
Und überall die Rosen!
Malfori ist berühmt für seinen Rosengarten, wo man auf Kieswegen, die sich nach und nach im Gras verlieren zwischen den blühenden Büschen umhergehen kann. Eingestreute Bänke, Brunnen und Statuen laden förmlich zu einer kleinen Entdeckungstour ein und auch nachts, so versichert der Herr seinen Besuchern, hat der Garten seinen ganz eigenen Charme. Das Gras federt unter den Stiefeln, dämpft die Schritte und der Mond lässt die Marmorfiguren wie von innen heraus leuchten.
Und rings herum schimmern die Rosen tiefrot. Blutrosen sagt man und angeblich wurden sie früher tatsächlich mit dem Blut der Feinde des Fürstentumes gegossen.
"Aber heute natürlich nicht mehr. Und bitte, geben sie nicht allzuviel auf solche alten Geschichten."
Und wenn man Victor so ansieht, möchte man ihm glauben. Zu ruhig, zu höflich, zu kultiviert ist dieser Mann, der die halbe Nacht damit verbringt, von seinem Schreibtisch aus die Geschicke seines Fürstentumes zu lenken, seine Sicherheit zu gewährleisten und seinen Wohlstand zu mehren.