Die Rosen von Malfori von Verlest ================================================================================ Kapitel 12: Gefangenschaft -------------------------- Erst drei Tage später kam Hildegard unter einer aufgespannten Plane liegend zu sich, mit schmerzenden Gliedern, trockenem Mund und brennenden Augen. Der Karren rappelte auf der holprigen Straße und schüttelte die Klerikerin, die anfing sich trotz Knebel unter der Plane bemerkbar zu machen, bevor sie realisierte, dass zwei Männer in der Nähe miteinander sprachen. Offensichtlich gehörten sie zu Laszlos Leuten. „...und ich verstehe immer noch nicht ganz, was an der Frau so wichtig sein soll. Seit Tagen kein Mucks, als ob sie tot wäre. Warum haben wir uns nicht wie geplant den Zwerg geschnappt?“ „Bist du blöd? Laszlo sagte doch, dass die da mit drin hängt und schwer zu finden ist. Wir haben Glück, dass sie uns fast vor die Füße gefallen ist.“ „Ja und warum haben wir den Zwerg nicht trotzdem mitgenommen?“ „Sag mal...bist du echt so doof, oder tust du nur so? Warum sollten wir uns angeschlagen und mit einem Mann weniger mit dem Zwerg, der Klerikerin UND dem Schrank da in Lur prügeln? Wenn wir doch besser alle einzeln nacheinander holen können, heh? Man... ich verstehe echt nicht, warum Laszlo dich Idiot überhaupt mitgenommen hat.“ „Sag mal, hackt's bei dir? Selber Idiot, du... du....“ „Hey, Ruhe dahinten, ja ! Ihr könntet ja Tote aufwecken mit eurem 'Geflüster'!“ Hildegard hatte genug gehört, offensichtlich waren die Jungs genau so in Gefahr wie sie, irgendetwas musste sie doch tun können! Ihr Kopf schmerzte fürchterlich, aber sie versuchte sich aus den Fesseln zu winden. Doch nach geraumer Zeit musste sie schließlich ermattet aufgeben. Keine Chance, das Seil saß zu fest und schnürte ihr bald das Blut weg. Dass sie überhaupt noch Gefühl in den Armen hatte, auch wenn es nur dumpfer Schmerz war... Und ohne ihre Hände könnte sie kaum Zauber wirken. Es blieb also... Hildegard begann gegen die Wand des Karren zu treten, bis der Wagen stehen blieb und ein Mann die Plane zurückschlug um nachzusehen, was los war. „Hey, die Frau ist wach und macht Unfug! Lass das gefälligst bleiben!“ Doch Hildegard zappelte weiter, bis der Mann ihr ins Gesicht schlug. Dann war sie vor Schreck einen Moment lang still. Bei all den Kämpfen und Rangeleien in ihrem Leben, ins Gesicht geschlagen hatte sie noch niemand. Das Gefühl war überraschend erniedrigend dafür, dass der Schmerz so gering war. Der Mann atmete auf. „Leute, sie gibt Ruhe.“ Dann warf er die Plane wieder zurück und sie fuhren eine Weile weiter, bis sich das Schauspiel wiederholte. Diesmal fragte er sie allerdings, was sie eigentlich wolle und nahm ihr schließlich den Knebel ab, da er keines ihrer dumpfen Worte verstand. Sie befanden sich mittlerweile auf einer abgelegenen Route Richtung Ragnaron, wo sie auf die Ausläufer der ersten Berge zuhielten. Weit und Breit gab es keine Menschenseele. Der Abend bahnte sich an und Dämmerung überspannte den Himmel. Es war leise genug, als dass man vorbeifliegende Vögel an ihrem Ruf erkennen konnte. „Wasser...bitte...“ hauchte Hildegard mit dem, was sich für sie nach einem flehenden Augenaufschlag anfühlte und nach kurzer Überlegung war der Mann überzeugt, dass wohl doch keine so große Gefahr von der gefesselten Frau mehr ausging. Er holte ein Schälchen und hielt es ihr mit Wasser gefüllt an den Mund.“Hier, trink.“ Hildegard tat wie ihr geheißen und wusste, dass er nur nahe genug an sie herankommen musste. Die Geweihte konzentrierte sich darauf den Zauber ohne Worte zu wirken und gab dem Milizionär mental den Befehl sie loszubinden. Doch als er sich anschickte genau dies wirklich zu tun, hielt ihn ein anderer davon ab, noch bevor Hildegard sich allein hätte befreien können. Er schlug seinem Kollegen unter Beschimpfungen mit der flachen Hand ins Gesicht, was dieser danach mit Drohungen an Hildegard weiterreichte. Heiß brannte der Abdruck seiner Hand auf ihrer Haut und sie wollte Wüten und Schreien. „Lasst mich gefälligst gehen! Ihr wisst nicht, womit ihr euch hier einlasst!“ „Hör mal zu, Hexe.“ Der Mann schwang sich mit gezücktem Dolch zu Hildegard auf die Ladefläche und hielt ihr das Messer so eng an die Kehle, dass Blut aus einem dünnen Schnitt sickerte. Die Geweihte hielt die Luft an. „Wir müssen dich nicht unbedingt lebend mitnehmen. Wenn es sein muss, schaffen wir auch nur deine Leiche fort. Haben wir uns verstanden? An deiner Stelle würde ich also mal lieber die vorlaute Klappe halten.“ Dann stieg er wieder vom Wagen und ließ die Klerikerin still zurück. So lange die Jungs ebenfalls in Gefahr waren und sie nicht einmal Kontakt zu Victor aufnehmen konnte, war sich selbst ans Messer zu liefern keine sinnvolle Lösung. Sie musste also ertragen was immer da kam und hoffen, dass sich irgendwann die Möglichkeit bot Kontakt aufzunehmen. „Victor“, seufzte sie leise. Wenn sie ihm nur irgendwie Bescheid geben könnte. Hildegard stellte sich vor, dass er bald aufstehen würde. Seiner Arbeit nachgehen wie üblich und erwarten, dass sie noch immer auf dem Weg zu ihm war. Und sie konnte nicht anders als befürchten, dass sie zu dem Zeitpunkt an dem sie eigentlich in Malfori hätte sein sollen, vielleicht schon gar nicht mehr am Leben war. Die Klerikerin verzog das Gesicht und schloss die Augen. Was tun? Die Gedanken in Hildegards schmerzendem Kopf drehten fruchtlose Bahnen, begleitet vom Knirschen des Karrens und dem rhythmischen Hufgetrappel um sie herum. Das unsanfte Geschaukel verstärkte in unregelmäßigen Abständen ihre Schmerzen, in dem es mal hier und mal dort an einen Knochenbruch, oder auch einfach nur an ein paar taube Gliedmaßen erinnerte. Nach dieser leibhaftigen Erfahrung mit der Hexe wollte keiner mehr so wirklich nah an die Klerikerin ran und Laszlo musste sie persönlich vom Karren in das designierte Versteck schaffen. Er machte es sich allerdings einfach, in dem er ihr vorher einen dicken Mantel über den Kopf warf, sie am Sprechen hinderte und fast auch so lange am Atmen, dass sie beinahe wieder das Bewusstsein verloren hätte. Auf weichen Knien und blind torkelte sie in die Richtung in die er sie schob und wurde das letzte Stück einfach gestoßen. Ihr neuer Aufenthaltsort war eine grob aus dem Felsen gehauene Zelle mit vorgesetzten Gittertüren, in einer Art natürlichen, künstlich ausgeweiteten Höhle. Der Boden war kalt, aber das beruhigte zu Anfang ihre schmerzenden Glieder noch. Unter anderen Umständen hätte sie sich gefreut ausgerechnet in ein aus Stein gehauenes Gefängnis zu kommen, doch ohne ihren göttlichen Fokus waren die dicken steinernen Wände unüberwindbar wie das metallene Gitter. Sie musste irgendwie an ihren Fokus kommen! Ohne würde sie Victor niemals erreichen können. Und auch niemand anderen. Wie sollte sie so die Jungs warnen können? Vorsichtig robbte sie bis zur Rückwand der Zelle um aufzustehen. Es war unerwartet schwierig sich ohne Arme auf dem Boden fortzubewegen, also stütze sie sich gegen die Wand um sich hochzudrücken, was sie trotz allem sehr viel Zeit und Energie kostete. Die natürliche Felswand war rau und man konnte kaum an ihr entlanggleiten. Sie horchte nach Wachen und schlich zum Gitter, nachdem sie niemanden in der Nähe hörte. Ihrer gegenüber lag eine weitere, leere Zelle. Offensichtlich hatte man einfach die seitlichen Ausläufer eines Ganges abgetrennt. Hildegard versuchte sich weiter umzusehen, aber sie konnte kaum etwas erkennen. Das Mondlicht reichte kaum hinein und es würde wohl noch etwas dauern, bis sie sich vollständig an die Dunkelheit in diesem Teil gewöhnt hätte. Den Eingang der Höhle konnte man von hier aus nicht einsehen, aber den gedämpften Stimmen nach die sie hörte, konnte er nicht allzu weit entfernt liegen. Sie versuchte sich so weit es ging gegen die Gitterstäbe zu drücken um irgendetwas zu sehen, aber es half nichts. Schließlich trat sie zurück in den hinteren Teil ihrer neuen Behausung. Vielleicht sollte sie die Ruhe nutzen um endlich zu Beten und Zauber aufzufrischen. Wie lange waren sie eigentlich unterwegs? Das letzte an das sie sich erinnern konnte war der Hinterhalt, wie sie sich verteidigte und sich am Ende nicht mehr auf dem Pferd halten konnte. Und das nächste das sie wusste war, dass sie ohne Rüstung auf einem Wagen lag. Aber wenn dies wirklich schon ein Teil des Gebirges war, dann konnte sie nicht nur ein paar Stunden bewusstlos gewesen sein. Ob sie mittlerweile jemand vermisste? Wohl kaum. Wie viel Zeit würden die Jungs wohl haben, bevor Laszlos Männer sich auf den Weg zurück nach Lur machten? Hildegard kniete nieder und setzte sich um zu beten, doch die Erschöpfung war so groß, dass sie nach einigen Minuten einnickte, mit dem Kopf gegen die kühlende Wand gelehnt. Alles schmerzte, überall schienen Druckstellen zu sein und sie hatte den Eindruck als wäre ihr Haar an der Stirn leicht verkrustet. 'Nur kurz die Augen schließen, nur für ein paar Minuten...' Kaum hatte sich ihr Körper den dringend benötigten Schlaf geholt, wurde er auch unsanft wieder mit ein paar Stiefeltritten geweckt. „Hey, Hexe. Wie gefällt dir dein neuer Platz? Wie ist es so als Orakel, wenn dich keiner hört? Na, wo ist denn deine Göttin jetzt?“ Laszlo sah sie mit einem selbstzufriedenen Grinsen an, das sie ihm am liebsten gewaltsam aus dem Gesicht gewischt hätte. „Verzieh dich Laszlo und lass mich gefälligst frei!“ „Oh, noch immer eine große Klappe, ja? Du solltest deine Position mal neu bedenken, Wanderhure.“ Mit einem grollenden Lachen packte er Hildegard in die Tunika und zog sie am Nacken hoch, wodurch Hildegard nur noch wütender wurde. „Glaub nicht, dass du einfach so damit durchkommst! Die Jungs bekommst du sicher nicht so leicht!“ Wieder lachte Laszlo sie nur aus. „Das werden wir ja sehen. Und weißt du was? Weil ich so freundlich bin, werde ich dir das Ergebnis sogar persönlich vor Augen führen, ist das nicht nett?“ „Du bist ein toter Mann, Laszlo.“ Für diese Antwort bekam Hildegard erst ein Knie in die Magengrube, bevor Laszlo sich entschied aus reiner Freude noch einen Kinnhaken hinterherzusetzen. Endlich hatte er das Weibsstück in der Hand, das ihn seine Position gekostet hatte. Hildegard blieb die Luft weg als sie gegen die Wand geschmettert wurde und sank langsam hustend mit dem Rücken an der Wand zu Boden. In ihrem Schädel pochte und hämmerte es. Laszlo ließ gelangweilt von dem Häufchen Elend ab und ging um seine Männer zu fragen wo sein Abendessen blieb. Es war noch genug Zeit um sich später zu amüsieren., Hildegard hingegen lag reglos auf dem Boden und wurde wieder allein in der Zelle eingeschlossen. Leise flüsterte sie „Du bist auf jeden Fall ein toter Mann, Laszlo. Selbst wenn ich dich nicht erwische, irgendjemand wird es tun.“ Dann spuckte sie aus um den Geschmack von Blut in ihrem Mund loszuwerden und rollte sich auf dem kühlen Felsboden zusammen. Sie dämmerte hinüber in eine Art Dämmerschlaf und immer wenn sich gerade ein Traum vor ihren Augen formieren und sie zumindest zeitweise aus diesem Gefängnis befreien wollte, machte sich einer der Nachtwachen einen Spaß damit sie durch die Gitter hindurch mit einem langen Ast in die Seite zu stechen, bis sie aufwachte. Das machten die Männer nur ein paar mal, bis die Geweihte sich auf den Ast warf und diesen verkeilte, bis sie genug Kraft darauf ausüben konnte, dass er brach und splitterte. Die Männer hatten sie oft genug im richtigen Moment erwischt, so dass ihre Nerven nun übermäßig angespannt waren. Plötzlich schrie sie so laut sie konnte: „Da habt ihr gottlosen Bastarde euren dummen Ast! Denkt ihr wirklich so könnt ihr eine den Göttern geweihte behandeln?? Ich wünsche euch eine neue Heimat im Abyss!“ Wenn sie nicht ruhig schlafen durfte, dann sollte das auch kein anderer hier tun können. Wütend warf sie den Männern Beschimpfungen entgegen. „Hey Hexe, hier haben wir das Sagen und es gilt: wer eine dicke Lippe riskiert, bekommt eine dicke Lippe!“ Die Wache drehte sich zu seinem Kollegen um. „Karl, geh mal rein.“ Besagter Karl demonstrierte mit Vorliebe was sein Kollege meinte, schlug unter den Anfeuerungsrufen seiner im Schlaf gestörten Kumpane der lauten Schlampe, wie sie sagten, ein hübsches Veilchen und die Lippe auf. Hildegard fokussierte die beiden Wachen mit Blicken die wünschten töten zu können und ließ sie die nächste Stunde nicht mehr aus den Augen, bis sie kurz vor Wachwechsel doch wieder einschlief. Leider wollten sich die Männer ihren Spaß auch nicht durch eine fluchende Klerikerin verderben lassen und hatten bald einen besseren Ersatz für den Ast gefunden. Die Ablöse brachte sich also feixend mit einem überzähligen Gitterstab in Position, der für den Bau weiterer Zellen gedacht gewesen war und wartete, bis Hildegard fest schlief. Dann rammte man ihr in regelmäßigen Abständen zur allgemeinen Erheiterung den metallenen Stab in Seite und Magengrube, bevorzugt kurz nachdem sie wieder eingeschlafen war. Knurrend musste die Klerikerin diese kleinen Quälereien über sich ergehen lassen und hoffen, dass sie zumindest genug Schlaf bekäme um bei klarem Verstand zu bleiben. Während der Frühstückszeit blieb sie tatsächlich lange genug ungestört, da keiner sich die Mühe machen wollte sie jede halbe Stunde zu wecken, im allseitigen Misstrauen dass womöglich keine Portion für den Wachhabenden übrig bleiben würde. Bis zum Mittag hatte sich ihr Körper immer wieder einen Teil Schlaf geholt, unterbrochen nur von den wiederkehrenden Quälereien der Männer. Bis zum Nachmittag hatte sie eine gewisse Toleranz gegenüber den Stößen entwickelt und drehte sich knurrend weg, in der Hoffnung, dass die Kerle den Spaß daran verlieren würden. Und tatsächlich wirkte es zunächst so als würde dieser Plan aufgehen. Doch leider wurde Laszlo seines neuen Spielzeuges nicht so schnell müde. Irgendwann trug er seinen Männern auf den Stab beim Kochen ab und zu über dem Feuer zu erhitzen und sah dann mit einem spöttischen Grinsen zu, wie die Klerikerin schnell munter wurde und sich schreiend zur Seite warf, als das heiße Metall Löcher in ihre Kleidung zu brennen begann. Diese Variante war noch viel spannender als zuvor, belobigten die Männer Laszlos Einfall. Sie sollten alle in Gehenna brennen, befand dagegen Hildegard. Den ganzen Tag zog sich das Spiel hin, bis in die nächste Nacht hinein. Im Schutz der Dunkelheit versuchte Hildegard sich irgendwie aus den Fesseln zu winden, die ihre Arme einschlossen. Sie brauchte entweder ihre Freiheit, oder ihr göttliches Symbol. Aber so konnte es nicht weitergehen. Ihre aktuelle Nachtwache war ein ziemlicher Idiot und wenn Laszlo wüsste, dass dieser Kerl während der Wache einschlief, würde es diesmal nicht nur eine Tracht Prügel für Hildegard geben. Aber sie war die Aufgabe als Prügelknabe Laszlos langsam leid. Sie musste die Jungs irgendwie warnen können, oder zumindest Victor erreichen und ihn bitten sich darum zu kümmern. Abtreten ohne sich auch nur verabschieden zu können kam momentan einfach nicht in Frage. Das Licht der Öllampe die der Wachhabende aufgestellt hatte, reichte nicht bis in jeden Winkel ihrer Zelle, also versuchte sie die Seile an einem rauen Felsvorsprung zu reiben, bis ihre Arme es nicht mehr aushielten. Doch es half nicht, die Fesseln lockerten sich nicht und bis die dicken Seile durchgescheuert wären, würde mehr Zeit vergehen als zur Verfügung stand. Also brachte sie sich in Position möglichst nahe an die Wache heran, um diesen in einer günstigen Phase erwischen zu können. Dieser Geist sollte leicht beeinflussbar sein. Konzentriert beobachtete sie ihn, bis er nach gut über einer Stunde aus seinem Nickerchen erwachte. Dann drang sie in seinen Geist ein und befahl ihm, noch bevor er ganz zu sich kommen konnte, ihr das Amulett zu bringen. Leider hatte sie nicht bedacht, dass Laszlo selbst das göttliche Symbol an sich genommen hatte. Als einer seiner Männer, der eigentlich abgestellt war um auf die Klerikerin aufzupassen, plötzlich in seinen Sachen wühlte, erwachte sogar der Milizenführer und beobachtete irritiert, wie sein Untergebener die Kette mit dem magischen Anhänger herausfischte und damit zurück zur Zelle der Geweihten ging. Laszlo folgte ihm und hielt ihn im letzten Moment auf, als Hildegard sich schon siegessicher wähnte. „Na was haben wir denn da? Die Hexe mal wieder am Werk. Zu lange geschlafen und jetzt übermütig geworden, was?“ Er trat gegen das Gitter vor Hildegards Zelle und veranstaltete einen Lärm durch die ganze Höhle. „Aufwachen, Männer! Dieser Idiot hier wollte dem elenden Weib gerade ihr Amulett wiedergeben. Die Hexe hat ihn verzaubert. Und jetzt ratet mal, was wir nun machen?“ Fluchend zog sich Hildegard in eine einigermaßen versteckte Ecke ihrer Zelle zurück, während Laszlo das Feuer anfachen ließ. „Holt mir mal einen dicken Handschuh und einen feuerfesten Stab! Die Hexe soll ihren Anhänger bekommen, wenn sie ihn so sehr will.“ Mit diesen Worten warf der Anführer das Amulett ins Feuer und angelte es Minuten später mit einem Stab an der Kette wieder heraus. Die Männer schlossen die Zellentür auf und stürmten auf die zappelnde Klerikerin zu, die sie mit mehreren Mann festhalten mussten. Hildegard biss in eine Hand und kassierte dafür weitere Schläge, bis Laszlo sich seinen Weg gebahnt hatte und die Männer ihm zumindest so weit Platz machten, dass er sich vor ihr aufbauen konnte. „Diese Kette willst du also, ja? Kannst du haben, Klerikerschlampe.“ Mit diesen Worten bückte er sich runter, hieß einen anderen mit einem Messer einen Schlitz in den Ausschnitt von Hildegards Tunika schneiden und ließ dann die glühende Metallkette auf ihre Haut fallen. Die Klerikerin schrie. Als die Kette abgekühlt war, sammelte der Anführer sie wieder ein und verließ die schluchzende Klerikerin die schon froh war, dass die Männer nur die Kette und nicht die Klerikerin selbst in das Feuer geworfen hatten. Den Rest der Nacht verbrachten sie mit dem altbekannten Spiel „Siehst du die Klerikerin schlafen oder meditieren? Dann schlag zu.“ Nach und nach gingen Hildegard die Zauber aus, im Kampf hatte sie sehr viel Energie verbraucht und ihre Versuche durch Geistesbeeinflussung das zu erreichen was sie wollte, waren bisher alle gescheitert. Und wider Erwarten blieben Laszlos Männer hartnäckig in ihrem Bestreben sie alle halbe Stunde durch Tritte, Schläge oder Stöße mit dem Stock an allem zu hindern, was ihr Erholung verschaffen könnte. In Anbetracht dieser Umstände beschloss Hildegard mit ihren verbliebenen Magiereserven besser hauszuhalten. Wer wusste wie viele Tage ihr noch blieben? Und wie viel Zeit die Jungs dadurch noch hätten...Vielleicht gab es ja doch die Möglichkeit magielos zu fliehen? In dieser Nacht wartete Hildegard bis die Nachtwache Stellung bezogen hatte und alle anderen schliefen. Sie beobachtete den Mann genau. Hatte sie irgendwelche Gespräche belauscht, Informationen über ihn daraus ziehen können? Sie kramte in ihrem Gedächtnis, aber die meisten Stunden des Tages waren lediglich Bruchstücke zwischen Schlaf und Realität, Unterhaltungen nur Fetzen, die sie genau so gut geträumt haben konnte. Sich längere Zeit am Stück zu konzentrieren wurde immer schwieriger. In einem der Momente kurz nach dem Aufschrecken durch Stockschläge auf ihre Beine, platzte sie kurzentschlossen mit einer Frage heraus: „Fürchtest du etwa die Strafe der Götter nicht? Glaube mir, sie sehen alles und sie vergessen nichts. Und wenn deine Zeit gekommen ist, wird jede deiner Taten zählen, auch diese hier!“ Unbeeindruckt wischte er ihre Worte weg, „Pah, wenn die Götter mich wirklich strafen wollten, hätten sie es schon längst getan und dich hier rausgeholt. Dass du noch immer hier bist sagt doch wohl alles, oder? Du bist in unserer Gewalt und damit hat es sich.“ Hildegard lachte zynisch. „Oh, glaub du das nur! Ich weiß es besser, denn ich kenne die Zukunft. Hat Laszlo nicht bereits gesagt, dass ich ein Orakel bin? Ich kann die Zukunft sehen und deine ist nicht besonders rosig, glaube mir. Er wird dir Unglück bringen und das nicht zu knapp. Aber rede dir ruhig was ein, wenn es dir hilft. Lange wird es eh nicht mehr dauern.“ „Wie meinst du das?“ blaffte der Mann sie barsch an. „Oh, ich könnte es dir verraten“, antwortete Hildegard mit einem vielsagenden Lächeln. „Aber was hätte ich denn davon? Nein, lieber sitze ich hier und schau deinem Unglück zu, das wird mir viel mehr Freude bereiten.“ Sie lachte leise und sah zu, wie der Milizionär wütend wurde. „Du alte Hexe, nun sag schon was du weißt!“ „Na na, so alt bin ich doch nun wirklich nicht“, gab die Geweihte spitz zurück und beobachtete mit verstecktem Entzücken, wie die Wache das Gittertor aufschloss und auf sie zu stürmte. Kurz bevor er sie erreicht hatte, warf sie sich herum, streckte die Beine aus und zog ihm geschickt die Füße weg. Mit einem lauten Aufschrei fiel er zu Boden und sie warf sich kurzerhand auf ihn, um ihn ruhig zu stellen, bevor noch alle anderen von diesem Lärm wach wurden. Es artete aus in ein lautes Gerangel und sie entschied sich kurzfristig den Versuch einer unauffälligen Flucht abzuhaken, biss in die Hand die nach ihr griff, trat einmal kräftig zu und rannte so schnell sie konnte zum Gitter. Er rappelte sich hinter ihr hoch und rief lautstark nach seinen Kumpanen, von denen jetzt auch die letzten Tiefschläfer erwachten und sich fluchend von ihren Lagern erhoben. Laszlo schrie seine Männer an die Hexe zu fassen und verfluchte denjenigen, der das Biest freigelassen hatte. Alle griffen nach ihren Waffen und rannten hinter Hildegard her. Ein Mann fehlte. Dieser hatte das Glück ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt vor der Höhle wasserlassen gewesen zu sein und lief nun schnell zum Eingang, als er Geschrei hörte. Die fliehende Klerikerin, die zu konzentriert auf die Verfolger hinter sich blickte, sah zu spät den Mann vor dem Höhleneingang und rammte ihn von der Seite. Er warf sich geistesgegenwärtig auf sie und bekam sie so zu packen, dass beide hinfielen. Hildegard prallte mit dem Kopf auf den harten Boden und es wurde schlagartig dunkel. Als sie wieder zu sich kam und langsam in das hellere Tageslicht blinzelte, hatte man sie zusätzlich zu den Handfesseln noch an den Beinen zusammengebunden und mit einem Seil am Gitter festgemacht. Hildegard fluchte. Die nächsten Stunden verhöhnten die Männer sie nur, traten immer wieder gegen das Gitter, bevor sie so weit davon abrückte wie das Seil es nur zuließ. Dann holten sie wieder Äste und legten zum Mittag noch einmal die Metallstange ins Feuer um damit nach ihr durch das Gitter zu stochern. Hildegard versuchte aufzustehen, doch kaum hatte sie ihre Beine belastet, zuckte ein brennender Schmerz durch ihr linkes Bein und sie sackte wieder zu Boden. Sie versuchte die Muskeln im Sitzen anzuspannen, konnte nicht feststellen was genau passiert war, versuchte es noch einmal und gab dann auf. 'Das war wohl vorerst mein letzter Fluchtversuch', dachte die Klerikerin seufzend. Womöglich musste sie sich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass sie hier nicht mehr weg käme und sich stattdessen darauf konzentrieren, ihre Energie für eine letzte mentale Nachricht aufzusparen. Wenn sie nur irgendwie an ihr heiliges Symbol käme... oder wenn sie die Hände freibekäme, dann könnte sie ihre Verletzungen heilen und noch einmal versuchen zu fliehen. Doch dann sicher vorsichtiger, beim nächsten mal... Hildegard rückte an die kalte Felswand und lehnte den Hinterkopf dagegen. Es dröhnte in ihrem Schädel und ihre Haare schienen an der Seite festzukleben, dort wo der Schmerz besonders stark war. Sie seufzte. Langsam konnte sie wohl beginnen von Glück zu sprechen, dass sie überhaupt noch lebte. Und wenn sie die Jungs irgendwie warnen können wollte, sollte sie wohl besser dafür sorgen, dass dies noch eine Weile so blieb. Sie atmete tief durch. Wie lange war sie jetzt hier? Hildegard kam allein über diese Frage schon ins Grübeln, die Übergänge von Tag und Nacht verschwommen immer mehr. Keine zehn Minuten später holte sich ihr Körper bereits was ihm am meisten fehlte - Schlaf. Diesmal erwachte Hildegard vom lauten Knurren ihres eigenen Magens. Sie hatte das Gefühl seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen zu haben. Vermutlich stimmte das sogar. Und dem Gefühl in ihrem Mund nach musste es auch schon Tage her sein, dass sie etwas zu Trinken bekam. Das Verlangen nach einfachem, klaren Wasser wurde größer und größer, umso mehr sie darüber nachdachte. Sie beobachtete die Männer schweigend beim Essen, sehnsuchtsvolle Blicke auf ihre Suppe werfend. Sie sah, wie sie tranken und lachten und feixten und immer wieder mit dem Finger auf sie zeigten. Sie nannten sie Hexe und Biest und das waren noch die freundlichsten Namen die sie ihr gaben, aber das war ihr egal. Sie sah nur wie sie tranken, stellte sich vor wie die kühle Flüssigkeit ihre trockene Kehle hinunterlaufen würde, kühlend wie Balsam. Bis zum Abend war Hildegard so weit, dass sie begann um Wasser zu betteln. Sie brauchte Flüssigkeit mehr als ihren Stolz. Bis zum nächsten Morgen war die ständige Bettelei der Geweihten so entnervend, trotz aller Schläge wollte sie nie lange Ruhe geben, dass Laszlo einen seiner Männer mit zwei Eimern Wasser holen schickte. Ungläubig tat er wie geheißen und die Männer sahen sich fragend an. Wollte Laszlo der Klerikerin wirklich so viel Wasser geben? Schließlich schleppten sie die Eimer in Hildegards Zelle und Laszlo baute sich vor ihr auf. „Wasser willst du Hexe, ja? Dann schau doch mal, was wir dir hier mitgebracht haben.“ Triumphierend verwies er auf die gefüllten Eimer, doch die Geweihte sah ihn nur skeptisch an. „Willst du nun Wasser, oder nicht, Klerikerschlampe?“ fragte Laszlo noch einmal mit Nachdruck. Hildegard bejahte. „Na dann, bitte mich drum. Bettel darum du elendes Biest, na komm.“ Sie schlug die Augen nieder und seufzte tonlos. „Bitte Laszlo, ich flehe dich an, gib mir Wasser.“ Doch er war nicht zufrieden mit ihrem Tonfall. „Ist das etwa alles? Da hätte ich doch etwas mehr erwartet. Ich dachte ihr Frauen wäret gut in sowas und Kleriker sowieso. Männer, bringt das Wasser wieder raus!“ „Nein!“ warf Hildegard schnell ein. „Nein, bitte bitte nicht! Ich bitte dich Laszlo, ich flehe dich an, dich und alle deine Männer.“ Er verschränkte die Arme. „Knie vor mir nieder. Tiefer! Nein, direkt auf den Boden. Ja, genau so. Und jetzt wiederholen.“ Hildegard schluckte ihren Stolz und unterdrückte Tränen der Wut in ihren Augen. „Ich flehe dich an Laszlo, gib mir Wasser. Nur ein klein wenig, bitte.“ Der Anführer lachte und stellte einen Fuß auf Hildegards Kopf. „Na gut, du sollst Wasser bekommen. Männer, bringt einen Eimer her! Und jetzt anpacken und rein.“ Hildegard schrie, als zwei Männer sie von hinten ergriffen und sie zum Eimer schleiften. Sie blickten fragend zu Laszlo, der ihnen ein eindeutiges Zeichen gab Hildegard unterzutauchen. Immer wieder hielten sie ihren Kopf unter Wasser, so lange bis Laszlo ein Zeichen gab sie wieder hochzuziehen. Hildegard schnappte jedesmal nach Luft, doch kaum hatten sich ihre Lungen einmal gefüllt, ließ er sie wieder unter Wasser drücken. Irgendwann gab sie die Gegenwehr auf und wäre fast erstickt, doch die Männer zogen sie wieder hoch, nachdem die letzten Luftbläschen verschwunden waren und ihr Körper langsam schlaff wurde. Ihr fehlte die Kraft sich noch zu beschweren, ihre Lungen brannten. Doch sie hatte getrunken. Zumindest für eine gewisse Zeit sollte das reichen. Sie schloss die Augen und lächelte. Wütend ließ Laszlo sie in eine Ecke zurückschleudern und kippte den zweiten Eimer Wasser über ihr aus. Dann verließen sie die Zelle und Hildegard blieb zitternd in ihrer Ecke zurück. Diese Nacht bekam sie allein schon vor Kälte kaum Schlaf, viel zu sehr klapperten ihre Zähne aufeinander und das Zittern half auch nicht. Richtig kalt wurden die Nächte auch zu dieser Jahreszeit noch nicht, aber ihr Körper war bereits zu ausgezehrt um noch viel verkraften zu können. Gegen Morgen war ihre Kleidung so weit getrocknet, dass sie immer wieder in einen leichten, traumlosen Schlaf hinüberdämmerte, aus dem sie nach kurzer Zeit jäh hochschreckte. Selbst dann wenn gerade kein spitzer Ast sie traf. Ihre Nerven lagen blank und sie hatte Mühe sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass sie überleben musste, Zeit schinden, irgendwie. Überleben, die Jungs, Warnen, Victor. Diese Worte drehten unaufhörlich Kreise in ihrem Bewusstsein. Gegen Mittag schlief sie zum ersten mal wirklich tief ein und es begann wieder das Spiel mit dem heißen Stab und der fluchenden Klerikerin. Offensichtlich wurde es ihnen noch nicht langweilig ihre Tunika mit weiteren Brandlöchern zu versehen. Außerdem war es eine gute Möglichkeit die Hexe aus sicherer Entfernung zu ärgern, denn keiner war sich so ganz sicher wie gefährlich oder ungefährlich sie war. Niemand wollte sich etwas anmerken lassen, vor allem nicht gegenüber dem Anführer. Doch nach den ersten „Unfällen“ mit der Hexe wurden auch die Nachtwachen zunehmend vorsichtiger. Immerhin hatte nicht erst einer den Abdruck ihres Gebisses auf der Hand und ihr am liebsten alle Zähne dafür ausgeschlagen und nicht nur ein paar Ohrfeigen verpasst. Doch der Chef wollte sein Spielzeug offenbar noch eine Weile am Leben erhalten. Keiner der Anwesenden war dabei gewesen, doch es hieß die Klerikerin habe irgendeinen größeren Plan Laszlos vereitelt und seitdem herrsche diese große persönliche Feindschaft. Es musste wirklich ein großer, wichtiger Plan gewesen sein, so viel Mühe wie Laszlo sich mit der Geweihten gab. Immer wieder setzte er sich für eine Weile mit seinem Essen vor die Zellentür, schlürfte genüsslich seine Suppe und erzählte von all den Dingen die er mit ihren Freunden anstellen könnte. Täglich erfuhr diese Geschichte neue Varianten. War es zunächst noch die gegenüberliegende Zelle die er mit ihnen belegen wollte, schlug er am nächsten Tag schon vor doch lieber nur ihre Leichen mitzunehmen, oder am besten doch nur die Köpfe. Dann müsse man ihr eben deutlicher schildern, welche Verletzungen man dem Rest ihrer zurückgelassenen Körper beigebracht hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen hörte Hildegard sich alles an und dachte nur noch darüber nach was sie tun könnte um das zu verhindern. Die Hilflosigkeit machte sie fast verrückt. Sie zwang sich nicht hinzuhören, die Demütigungen über sich ergehen zu lassen und sinnierte nur noch über einen Ausweg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)