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Outlaw

... die Macht der Machtlosen (NaruHina)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Auch hier: Falls ihr noch andere Namen findet, bitte bescheid sagen. Komplett anzeigen

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Die weiße Rothaut

"Er bat um Erlaubnis bleiben zu dürfen und diese wurde ihm gewährt.“ Bansai lächelt und wendet seinen Blick von der Statue ab, die er bis zum letzten Satz der Geschichte durchgehend angeschaut hat, als würde er jedes einzelne Wort von dem Hintern der Pferdestatue ablesen.

 

Die bisher dargelegten Fakten unterscheiden sich nicht von dem zwanghaften Schulstoff oder den Gute Nacht Geschichten, die Konohamaru bisher zu Ohren gekommen sind. Nicht so detailliert und an einigen Stellen romantisiert, aber etwas Neues war unter diesen Schilderungen nicht dabei gewesen. Es lässt sich alles in dieser Hall of Hero wiederfinden.

Konohamaru hätte jeden Grund empört aufzustehen, und trotzdem harrt er aus. Es ist ein Gemisch aus Interesse und Desinteresse, welches ihn intensiv zum Bleiben animiert.

Er hat noch nie viel Zeit und Energie in irgendwelche Schulaufgaben gesteckt, sehr zum Leidwesen seiner Eltern und obwohl er in dieser hoch technischen Epoche des World Wide Web lebt und bestimmt auch ein ganzes Referat zu den unmöglichsten Themen finden kann, bleibt er sitzen, um einer Erzählung zu lauschen, dessen Wahrheitsgehalt keiner bestätigen kann. Niemand wird zustimmend nicken oder einen Beleg aussprechen. Keiner, wird diese Geschichte als die reine Wahrheit betiteln. Es bleibt bei einem Hören-Sagen basiert.

 

„Schmarotzer.“ Trotzig und keinesfalls bereit seine Meinung zu ändern, verschränkt Konohamaru die Arme vor der Brust und lehnt sich zurück, wobei er einen weiteren, verachtenden Blick auf die Statue wirft.

Bansai lacht auf die Aussage nur kehlig, was bei seinem jungen Zuhörer auf Unverständnis stößt. Selbst einige der  Museumsbesucher werfen verwunderte Blicke auf das seltsame Duo, ehe sie sich wieder der Ausstellung zuwenden. Es ist dem rebellischen Teenager nicht entgangen, dass so manch ein Tourist die Ohren gespitzt und ungewöhnlich lange an den ausgestellten Exponaten in unmittelbarer Nähe stand.

 

Ein paar Augenblicke später hat sich Bansai wieder beruhigt und scheint nach diesem rauen Lachanfall kurz um Luft zu ringen. Er hustet und legt sich angestrengt eine Hand auf den Brustkorb, ehe er mit einem pfeifenden Laut die Luft einsaugt. Er wirkt gequält, wie von Schmerzen gepeinigt. Ein sorgenvoller Anblick und wenn diese Tatsache nicht wäre, dann wäre es schon beinahe amüsant, denn Bansai gibt Geräusche von sich, wie ein Staubsauger. Wenn Konohamaru sich den alten Herren so anschaut, dann schätzt er ihn um die achtzig Jahre und aktuell in einem bedenklichen Zustand.

Körperliche Beschwerden sind bei betagten Personen keine Seltenheit. Bewegungseinschränkungen oder Atemnot sind schon standardmäßige Erscheinungen. Sie klagen über ihre Schmerzen und jammern ihrer Jugend hinterher. Es folgen Sprüche, welche die junge Generation nur genervt mit den Augen rollt.

Gesund und in der Blüte seiner Jugend ist JBansai definitiv nicht mehr, aber mit dem Unterschied zu seinen Leidensgenossen, beschwert er sich nicht über diesen Zustand. Er nimmt ihn so hin. Der alte Mann muss mit seinem Leben sehr zufrieden sein, wenn er lächelnd an die Vergangenheit denken und sein baldiges Ende mit Stolz akzeptieren kann.

 

Bansai räuspert sich, wobei er ein paar Mal angestrengt tief durchatmet, ehe er sich seinem Zuhörer widmet. „Wieder eine falsche Beurteilung, Junge. Naruto legte sehr viel Wert darauf, sich im Dorfgeschehen zu intrigieren. Er lernte bereitwillig unsere Sprache und war offen für unseren Glauben und unsere Kultur. Wir hingegen lernten die propagierten Leitmotive der weißen Männer kennen und erlernten die Sprache der Siedler - beinahe bis zur Perfektion. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Joe wurde zu einem unentbehrlichen Mitglied des Stammes.“

„Ja, ich weiß. Er durfte dann sogar die Häuptlingstochter heiraten und sie bekamen zusammen 1851 ihren ersten Sohn, bla, bla, bla.“ Konohamaru verdreht die Augen und lässt sich etwas weiter in der Bank herunterrutschen, so dass sein Kinn faktisch auf seiner Brust ruht. Bansai hebt auf diese Worte jedoch nur mahnend einen Finger. „Das entspricht nur teilweise der Richtigkeit. Ich will aber nicht soweit vorgreifen, sondern Stück für Stück erzählen.“

 

Winter 1847

 

Seit ein paar Monaten ist Naruto schon in diesem Indianerdorf und inzwischen bezeichnet er es sogar als sein Zuhause. Eine Betitelung, welche er bisher noch für keinen Ort verwendet hat. Er hat sich nicht einmal vorstellen können, wie es sich anfühlt einen Ort zu haben, an den er immer wieder zurückkehren kann. Eine solche Idee, allein ein solcher Gedankengang, war ihm so fremd wie die höhere Mathematik. Die langen einsamen Nächte hat er unter freiem Himmel oder in irgendwelchen Viehställen, neben Pferden oder Rindern verbracht - manchmal mit und manchmal ohne Erlaubnis von dessen Inhaber. Es gibt zahlreiche Dinge, die er nicht erleben kann oder konnte, aber wenigstens das Empfinden einer Heimat hat nun Einzug in sein Leben erhalten. Nach siebzehn Jahren weiß er endlich, wie es sich anfühlt zuhause zu sein.

 

Naruto betrachtet es als normal, noch nicht vollständiges Vertrauen von dem Stamm erhalten zu haben, aber er versucht sein Bestes, um jeden einzelnen davon zu überzeugen, dass er anders ist. Eine Beteuerung, die er in dieser Form jedoch nie aussprechen würde. Ich bin anders - wie schnell wird ein solcher Satz ausgesprochen und vom Wind davongetragen?

Solche Formulierungen sollen beruhigen und Vertrauen wecken, doch sind sie, in den meisten Fällen, nicht mehr als reine Heuchelei. Wenn er auf etwas stolz sein kann, dann ist es seine Menschenkenntnis. Ein kurzer Blick genügt, damit er eine ungefähre Vorstellung seines Gegenübers gewinnt.

 

Naruto will niemanden bekehren und auf den rechten Weg bringen. Es ist nicht in seinem Sinn, mit der Bibel in der Hand zu predigen und mit der Verdammnis zu drohen. Er will kein Land stehlen und erst recht keinen Krieg führen. Er will ein friedliches Leben, auch wenn das unter den gegebenen Umständen nahezu unmöglich erscheint.

Ein Zusammenleben innerhalb des Dorfes ist durchaus denkbar, außerhalb dieser Gemeinschaft gibt es genügend Gründe, die sein Leben in große Gefahr bringen. Von Viehdiebstahl bis hin zu Mord hat er alles auf dem Kerbholz, was die Regierung sauer aufstoßen lässt. Sie würden ihn am liebsten baumeln sehen und die Unantastbarkeit des Regimes und der Justiz öffentlich zur Schau stellen. Eine schöne Hinrichtung, welche eine klare Botschaft an alle anderen Kriminellen senden soll.

In diesen Zeiten ist der Strick allgegenwärtig und schneller zu erreichen, als es in der Vorstellung möglich ist. Korruption, kleinere Straftaten oder das Betrügen in einer Pokerrunde können Todesurteile sein.

 

Ein Frösteln lässt seinen Körper erzittern, als der Outlaw aus seiner warmen Behausung tritt und seinen noch recht schläfrigen Blick über die Umgebung schweifen lässt.

 

Die Winternächte präsentieren sich in den Morgenstunden am eindrucksvollsten. Trotz der warmen Temperaturen am Tage zeigt sich in der aufgehenden Sonne eine schneebedeckte Landschaft, welche tiefe Bewunderung auslöst. Eine unendlich wirkende Weite in einem weißen Gewand, mit rötlich hervorstechenden Felsgebilden.

Mit einem herzhaften Gähnen streckt sich Naruto durch, um die Müdigkeit aus seinen Gliedern zu verbannen, ehe er seinen wärmenden Poncho etwas zurechtzupft.

Hinata, die älteste Tochter von Hiashi, hat ihm dieses Kleidungsstück angefertigt. Die schüchterne Häuptlingstochter hat ihm den Stoff zögernd und mit einer unübersehbaren Rötung im Gesicht überreicht. Für einen Moment hatte er sogar den Eindruck, sie würde vor ihm zusammenbrechen. Sein dankbares Lächeln und die zärtliche, wenn auch kurze Berührung seiner Hände, haben ihr wohl weitaus mehr bedeutet, als es ein schlichtes Dankeschön geschafft hätte.

 

Da die Diné sich der Lebensweise von mexikanischen Einwanderern angepasst haben, führt dieses Volk kein nomadisches Leben mehr und sie sind nicht von der Jagd. Sie sind Farmer und produzieren eigenständig.

Die Männer und Frauen teilen sich die anfallende Arbeit, wobei der weibliche Anteil hauptsächlich mit der Erziehung der Kinder, der Kleider-, und Nahrungsherstellung beschäftigt ist. Die Männer nehmen nach wie vor eine wichtige Rolle zum Schutz des Dorfes ein. Sie sind Krieger und das ändert sich auch nicht durch die landwirtschaftliche Lebensweise. Sie stellen einen stabilen Stützpfeiler in der Dorfgemeinschaft dar und sind Vorbilder für eine neu heranwachsende Generation. Alles Wissen und jede Fertigkeit werden weitergegeben und gehütet, wie ein kostbarer Schatz.

 

Naruto ist froh über einen solch routinierten und strukturierten Tagesablauf. Sein vorheriger Lebensstil hat ihm nicht viel geboten und keinen Ausgleich geliefert. Er hat in den Tag hineingelebt und nicht weiter, als bis zur nächsten Stunde gedacht. Zu wissen, was er zu tun hat und was auf ihn warten wird, verleiht ihm ein anderes, vollwertiges Lebensgefühl. Er hat das Gefühl wichtig zu sein und gebraucht zu werden.

 

Die Augen des Outlaws gleiten nicht zufällig zu einem der benachbarten Hogan, denn wie jeden Morgen hat er die stille Hoffnung, einen kurzen Blick auf sie zu erhaschen. Wenn sich ihre Augen treffen, so schenken sie sich einander ein bedeutsames Lächeln, welches so einmalig ist wie jeder Sonnenaufgang, doch an diesem Morgen bleibt der begehrte Sichtkontakt aus. Ein bisschen enttäuscht ist er, was wohl daran liegt, dass er insgeheim viel für die älteste Häuptlingstochter übrighat. Nicht nur, dass er sie in ihrer Erscheinung bezaubernd findet - es ist ihre gesamte Art, die ihn anzieht und gleichermaßen fasziniert. Noch hat er nicht den Respekt oder nötigen Stand, um überhaupt eine Annäherung zu wagen, die über normale Gespräche hinausgeht. Dies ist eine Grenze, die er unter keinen Umständen leichtfertig überschreiten will. Die Frage ist nur, ob das jemals der Fall sein wird. Eine Rothaut und ein weißer Mann. Wird eine solche Konstellation überhaupt akzeptiert?

Bisher hat er davon nicht gehört und seine Zweifel sind nicht ungerechtfertigt. Die Allgemeinheit des weißen Volkes dürfte wohl seinen Geisteszustand anzweifeln, eine Rothaut ehelichen zu wollen und eine Indianerfrau, die den Bund der Ehe mit einem weißen Mann eingeht, mit dem Feind, dürfte den sozialen Stand einer Verräterin erhalten. Wenn er daran denkt, dann wird er trübselig.

 

Viele sind bereits auf den Beinen. Ein Hüter über die Gefilde der Diné. Das wird heute seine Aufgabe sein. Die Soldaten sind trotz des aktuell herrschenden Krieges zwischen Amerika und Mexiko.  Eine ständige Bedrohung, die unter keinen Umständen unterschätzt werden sollte. Es ist unvermeidbar entsprechende Sicherungen zu unternehmen, um etwas länger in Harmonie zu leben.

Hiashi hat Maßnahmen ergriffen und darunter zählt, dass einige Männer in der näheren Umgebung patrouillieren und potenzielle Gefahren beseitigen oder melden. Sie verfolgen Spuren und kontrollieren jede noch so kleine Aktivität. An diesem Tag gehört Naruto mit zu den Männern, die ein wachsames Auge auf die Ebene haben werden. Eine vertrauensvolle Aufgabe, die Tahoma ihm aufgetragen hat.

 

„Tapos ka ba?“

Trotz Stimmgewirr sticht diese eine Stimme hervor, wie ein Donnerschlag. Präsent und dominant. Naruto zuckt im ersten Augenblick erschrocken zusammen. Es ist kein bedrohlicher Unterton zu hören und dennoch ist diese unvermittelte Ansprache unvorhergesehen gekommen. Er war in Gedanken versunken.

Die Person, welche ihn unverblümt und so direkt von hinten angesprochen hat, trägt den Namen Neji. Er ist der Neffe des Häuptlings und wenigstens genauso ernst wie dieser. Ein ruhiger und besonnener Zeitgenosse, dem es schwerfällt, Entscheidungen mal aus dem Bauch heraus zu treffen.

Neji bietet den Anblick eines Indianers, wie aus einer Romanvorlage. Lange Haare, dessen Strähnen ihm rechts und links über die Schulter fallen und damit ihm seine übrige Haarpracht nicht die Sicht verschleiert, trägt er ein schlichtes Tuch um die Stirn. Sein Körperbau ist kräftig und er ist etwas größer wie Naruto. Neji ist das Musterbeispiel für ein Exemplar mit harter Schale und weichem Kern.

Die beiden Männer kommen gut miteinander aus und in Ansätzen ist eine Freundschaft erkennbar, doch im Moment verweilen sie auf der Ebene einer soliden Bekanntschaft. Für den heutigen Tag sind die beiden Partner, weswegen sich Naruto schon auf schweigsame Arbeitsstunden eingestellt hat.

 

Mit einem laschen Schulterzucken wendet sich der blonde Mann zu dem ernst dreinschauenden Indianer um, der mürrisch die Arme vor der Brust verschränkt hat und auf eine Antwort wartet.

Sein Körper ist von einem weiten Poncho verhüllt, welcher zusammen mit den übrigen Kleidungsstücken, den einzigen Schutz gegen die Kälte darstellt. Liebevoll gefertigt von seiner schwangeren Frau, die als ausgewählte Person einen anderen Umgang mit ihm genießt. In ihrer Gegenwart wandelt Neji sich und trägt dabei stets ein ausdrucksstarkes Lächeln auf den Lippen. Er scheint in ihren Händen zu Wachs zu werden und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab.

„Natürlich.” Es klingt wie eine Herausforderung, obwohl dies gar nicht in der Absicht des Outlaws liegt. Deshalb zieht Neji nur vielsagend eine Augenbraue in die Höhe. „Dann los.“ Bestimmt schreitet der baldige Vater an ihm vorbei und bis auf ein leichtes Kopfschütteln, verkneift sich Naruto jeglichen Kommentar.

 

Naruto hat in den vergangenen Monaten gelernt mit dieser recht distanzierten und teils abweisenden Art umzugehen. Neji braucht länger, um mit jemandem warm zu werden, und wenn nicht, dann ist das auch in Ordnung. Es ist unmöglich, in einem Dorf dieser Größenordnung jeden einzelnen einen Freund nennen zu können. Bekanntschaften sind da wahrscheinlicher und keinesfalls etwas Schlechtes. Die Betitelung einer großen Familie mag zutreffen, aber Naruto ist in diesem Punkt Realist. Er hält es für ausgeschlossen, jeden mit Namen anzusprechen.

Ohne große Umschweife oder gar Gesprächsthemen, begeben sich die beiden Männer zu ihren Pferden und reiten nur wenige Augenblicke später schon aus dem Dorf.

 

In diesen bekannten Gefilden und weitläufigem Areal, bewegen sich die Dorfbewohner frei und ohne Sorgen. Es ist nicht verwunderlich, weit abseits des Dorfes auf Gruppen von Bewohnern zu treffen. Frauen, die Kräuter sammeln. Männer, die aufgestellte Fallen überprüfen oder Halbstarke, die sich mit ihrem zukünftigen Leben als Krieger auseinandersetzen. Alternativ praktizieren sie irgendwelche Spiele. Es ist Harmonie, die stets präsent ist und welche einen schnell dazu verleitet die Vorsicht fallen zu lassen. Für Naruto ist der Punkt, wo es zu schön ist, um wahr zu sein, längst erreicht.

 

Seit den ersten Sonnenstrahlen lässt ihn dieses unangenehme Gefühl nicht los. Er hat ein bohrendes Drücken in der Magengegend, dass etwas nicht stimmt. Das Gefühl einer Vorahnung, weswegen er trotz des ausgelassenen Shinny Spieles, einen wachsamen Blick auf die Umgebung hat.

Er und Neji betrachten das Hockey ähnliche Spiel schon seit einiger Zeit, während sie auf dem Rücken ihrer Pferde sitzen und Position auf einer kleinen Anhöhe bezogen haben.

Die Halbstarken sind so in ihr Spiel vertieft, dass sie die Zuschauer am Rand nicht einmal wahrnehmen und Naruto ist so mit seiner unangenehmen Vorahnung beschäftigt, dass er die mehrfach zugeworfenen Blicke von seinem Begleiter überhaupt nicht registriert. Immer wieder wandern die Augen des Indianers zu dem Outlaw und mustern ihn eindringlich.

Im Dorf hat es längst die Runde gemacht, welche Blicke Naruto und Hinata sich zuwerfen. Sie versuchen es zwar zu verbergen, stellenweise sogar voreinander, aber es ist offensichtlich.

 

Nachdenklich richtet Neji seinen Blick auf die spielenden Halbstarken und beobachtet einen flinken Jungen, wie dieser den etwas unförmigen Ball mit einem Stock vor sich hertreibt und dabei geschickt den Gegenspielern ausweicht. „Du magst sie.“

Ein direkter Treffer. Der Jüngling hat mit einem perfekt abgepassten Schlag den Ball durch die aufgestellten Holzpfosten geschlagen und damit einen Punkt für seine Mannschaft geholt, welche freudig zu jubeln beginnt.

Erschrocken zuckt Naruto auf diese Worte zusammen und schenkt den wieder verstummenden Freudenschreien keine Beachtung. Neji seufzt nur, wobei er seinen Rücken durchstreckt und eine Körperhaltung annimmt, wie im Dienst des Militärs

„Die Art, wie du sie anschaust oder versucht sie nicht anzuschauen.“

„Was soll ich da sagen? Erwischt.“ Überrascht schaut ihn Neji an, während die Halbstarken um den Ball kämpfen und dabei rabiat miteinander umgehen.

 

Bei solchen Spielen kommt es nicht selten zu Knochenbrüchen oder anderen Verletzungen. Für die beiden Männer spielt das im Moment aber keine Rolle. „Du leugnest es nicht?“ Ein leicht fassungsloser Tonfall dominiert seine Worte, auf welche Naruto nur ergeben mit den Schultern zuckt. „Ich sehe keinen Grund dazu. Du hast nur die Wahrheit ausgesprochen und wenn ich jetzt ein verzweifeltes Lügengerüst aufbauen und es als Unterstellung abtun würde, wäre das nicht gerecht.“

„Du besitzt mehr Rückgrat als ich dir zugetraut habe.“ Ein recht seltsames, vielleicht spöttisches Lächeln liegt auf den Lippen des Indianers.

So manch ein anderer würde diese Worte als Beleidigung empfinden, doch Naruto kennt die Meinung der Rothäute, wenn es sich um die weiße Bevölkerung handelt. Unehrenhaft und feige sind da noch die weniger verletzenden Worte.

 

Nachdenklich, beinahe schon mit einer gewissen Hoffnungslosigkeit im Blick, schaut der Outlaw wieder in die Ferne und wird dabei erneut von Neji betrachtet, der eine Ahnung zu haben scheint, was ihm im Kopf herum spukt. Die Zweifel stehen dem jungen Mann förmlich ins Gesicht geschrieben. Diese eine bohrende Frage: Hat eine solche Liebe überhaupt eine Chance?

Neji schüttelt nur leicht schmunzelnd den Kopf. „Hast du dich je gefragt, warum Hiashi und auch viele andere von uns, deine Sprache sprechen?“

Das unerwartete Anschneiden eines neuen Themas, bringt Naruto aus dem Konzept. Diesen Wechsel kann er nicht mit dem vorhergegangenen Thema in Verbindung bringen, weswegen seine Antwort auf diese Frage ein verwirrtes Kopfschütteln ist. „Hiashi ist der Sohn eines einfachen Schafzüchters und einer Indianerin. Er war ähnlich wie du. Ein Mann, dem es vollkommen egal war, wer welche Hautfarbe trug oder welcher Glaube praktiziert wurde. Ein Idealist, der mit seinen wenigen Mitteln versuchte, das Leben ein Stück besser zu gestalten.“ Anerkennend richtet Neji seinen Blick in den Himmel und ein bedeutungsschwangeres Lächeln liegt auf seinen Lippen.

„Er war noch recht jung, als er eine Handelspartnerschaft mit unserem Dorf einging. Nicht älter als fünfzehn und trotzdem reifer, als so manch ein Mann, der die Meinung vertritt, dass mit dem Alter auch die Weisheit einsetzt. Er übernahm nach dem Tod seines Vaters die Verantwortung für die kleine Farm und erkannte schnell die Vorteile einer Partnerschaft mit uns. Er ging hier ein und aus und war gern gesehen. Höflich, zuvorkommend und respektvoll -“ Es tritt eine Pause nach diesen Worten ein, in der erneutes Jubelgeschrei eintritt, als eine der Mannschaften wieder einen Punkt erzielt, ehe Neji seufzend fortfährt. „Für seine Gefühle kann niemand bestraft werden und genauso wenig kann niemand es beeinflussen, an wen er sein Herz verschenkt. So kam es, dass er sich in eine Dorfschönheit verliebte. Den Bewohnern gefiel das zuerst nicht und sie versuchten diese Bindung zu verhindern, jedoch ohne Erfolg und schließlich zeugte er mit ihr Zwillinge. Meinen Onkel Hiashi und meinen Vater Hizashi.“

 

Auch wenn Naruto sich nie die Frage gestellt hat, warum Hiashi so perfekt Englisch spricht, so ist für ihn dennoch überraschend zu erfahren, dass dieses stolze Stammesoberhaupt ein Mischling ist. Ein Bastard, wie die Siedler ihn nennen würden. Ein kleiner Teil der Hintergrundgeschichte eines sonst recht verschlossenen und geheimnisvoll wirkenden Mannes. Seine Neugier ist geweckt. „Was geschah mit deinem Großvater?“

„Nun, im Dorf wurde diese Beziehung akzeptiert und auch respektiert. Die Beiden liebten einander aufrichtig und er hatte nie böse Absichten gehabt. Er wurde einer von uns, doch die Siedler gaben ihm keine Chance. Als sie davon erfuhren, dass er mit einer Rothaut zwei Bastarde gezeugt hat und auch Handel mit dem Dorf betrieb, klagten sie ihn an. Er wurde von seinesgleichen hingerichtet. Sie nannten es Verrat am Volk und Sünde an der Natur. Er war zwanzig Jahre alt, als ihn ein wütender Mob verprügelte und schließlich erschoss und seine Söhne gerade mal zwei. Er war es, der die Sprache in unser Dorf brachte und aus Respekt vor ihm bewahren wir sie, so gut es uns möglich ist.“

Neji bedauert die Tatsache, dass er seinen Großvater nie kennenlernen durfte, denn laut den Erzählungen, muss er ein großartiger Mann gewesen sein, der ein Vorbild für viele war. Neji wurde jedoch nicht nur seines Großvaters beraubt, sondern musste auch seinen Vater vorzeitig betrauern. Er verlor ihn zartem Alter von sechs Jahren, bei einem der zahlreichen Überfälle von Seiten der Siedler. Dieser Verlust war der erste in seinem Leben und als wäre das nicht schon schwer genug, lernte er zeitgleich die Kaltherzigkeit des Militärs kennen. Die Bilder des damaligen Gemetzels hat er immer vor Augen.

 

Bedauernd und mit einer gewissen Sehnsucht in seinem Inneren, richtet der Indianer seinen Blick zum Horizont und denkt an vergangene Zeiten.

Freud und Leid - Emotionen, die immer gegenwärtig waren und die ihn schnell haben, erwachsen werden lassen und wie dicht sie beieinanderliegen, hat er in zahlreichen Situationen erfahren. Er hätte allen Grund dazu, die Weißen zu hassen. Sie zu verfluchen und zu verachten, denn sie haben ihm schon viel genommen und dennoch tut er es nicht. Er verallgemeinert nicht, sondern betrachtet jede Person als einzelnes Individuum, mit unterschiedlichen Eigenschaften, Leitmotiven und Gedankengängen.

Sein Großvater und Naruto selbst, stammen nicht aus seinem Volk, doch gehören sie auch nicht zu ihrem eigenen. Heimatlose und Ausgestoßene, die ihr Leben praktizieren wollen – ohne Zwang. Weiße Männer, die aus dem vorgeschriebenen Schema herausbrechen und ihre Erfüllung in der Mitte der Diné finden. Sie helfen, kämpfen und verlieben sich. Sie sind weiße Rothäute.

 

Naruto muss gestehen, dass er mit solchen Enthüllungen nicht gerechnet hat und dennoch ist er beeindruckt von diesen Schilderungen. Es ist Erleichterung, die sich in seinem Innersten ausbreitet. Es gibt keine Hürden, die er überwinden muss, um sein Glück zu finden. Eine Tatsache, die ihn hoffen lässt. Die Hoffnung darauf, dass es andere wie ihn gibt, die jedes Leben als lebenswert betrachten und keinen Unterschied zwischen Kultur, Hautfarbe, Tier und Pflanzen machen.

„Wie war sein Name?“

„Bei den Siedlern hieß er Charles, doch wir nannten ihn Dyami.“

„Adler?“

„Er wollte immer die Ketten sprengen, die seine Gesellschaft ihm angelegt hatten. Er wollte frei sein und so leben und denken, wie er es selbst für richtig hielt und nicht wie Prediger oder ein Buch es verlangten. Am Ende blieb dieser Wunsch jedoch unerfüllt.“

 

Was ist Freiheit?

In der Regel wird dieses Wort als die Möglichkeit verstanden, ohne Zwang zwischen verschiedenen Varianten auswählen und zu entscheiden. Es ist das größte Paradoxem der Menschheit. Niemand kann wählen, egal, um welche Lebensbereiche es sich dabei handelt, denn jeder wird schon verurteilt, bevor er des Laufens mächtig ist. Die Freiheit besteht nur darin, ob ein jemand den Sonnenaufgang unter freiem Himmel oder durch Gitterstäbe betrachtet.

Schweigend schaut Naruto zu den ausgelassenen Halbstarken, wobei er sich über diese paradoxe Definition von Freiheit seine eigenen Gedanken macht. Er hebt seinen Blick weiter an und betrachtet einige Augenblicke den harmonischen Horizont, ehe er eine Bewegung vernimmt, welche seine Gedanken sofort sprengen. Ein sich tanzender Punkt in der Ferne. Eine wabernde Silhouette, die sich nährt.

Angestrengt verengt Naruto die Augen und beugt sich im Sattel weiter nach vorne.

Aus dem schwarzen Punkt wird die schemenhafte Gestalt eines Reiters erkennbar und diese Erkenntnis ist längst nicht das Schlimmste. Hastig zerrt der Outlaw ein stark mitgenommenes Fernglas aus einer der Satteltaschen. Ein überprüfender Blick hindurch, um seine aufkeimende Befürchtung entweder zu bestätigen oder zu zerstören.

 

Ein einsamer Reiter würde keine ernsthafte Bedrohung darstellen, doch dank der eindeutig erkennbaren blauen Uniform ist Naruto schon beim ersten Blick klar, dass an diesem Reiter nichts harmlos ist. Es ist ein Kavallerist auf Erkundungspatrouille und die vor ihm liegende Szenerie hat er längst bemerkt. Der Mann hat sein Pferd gestoppt und wirft seinerseits einen Blick durch ein Fernglas.

Kaum, dass sich der Kavallerist einen Überblick verschafft hat, gibt er seinem Pferd die Sporen und sucht sein Heil damit in der Flucht.

 

„Ein Kundschafter!“ Es ist mehr ein entsetzest Aufkeuchen, welches seine Kehle verlässt, bevor Naruto das Fernglas zurücksteckt und hastig die Zügel aufnimmt.

Ehe Neji zu einer Erwiderung ansetzen und bevor er überhaupt den Kundschafter selbst entdecken kann, gibt Naruto seinem Pferd auch schon die Sporen und prescht den Hügel im vollen Galopp hinab. Mitten durch die Reihen der spielenden Halbstarken, die hastig auseinanderströmen und in ihrem Spiel innehalten.

 

Eben noch einem friedlichen Gespräch vertieft und mit den Gedanken in den Wolken, sieht Neji dabei zu, wie der Outlaw sein Pferd zur Höchstleistung antreibt und sich zusehends entfernt. Erst als dem Indianer diese neue Gesamtsituation vollends bewusst wird, treibt er sein Pferd an und galoppiert hinterher.

Naruto ist sich im klaren, sollte er diesen Mann nicht zu fassen kriegen, werden sie innerhalb von Tagen oder Wochen ernste Schwierigkeiten bekommen.

Überall werden Gegenden ausgekundschaftet und wenn Indianerdörfer entdeckt werden, dann werden sie so lange unter Druck gesetzt, bis diese aufgeben. Er hat diese Szenerien genau vor Augen. Hungernde Frauen, Männer und Kinder, zerstörte Hogan, Obstgärten und Viehbestände. Die systematische Vernichtung eines Volkes, welches nur in Frieden leben will. Die Regierung beabsichtigt ihm sein neugewonnenes Zuhause nicht nur wegzunehmen, sie wollen es vernichten.

 

Naruto hat das Gefühl sich in einem Rausch zu befinden, in dem er nur eine Blickrichtung zur Verfügung hat. Die starre Sicht nach vorne, direkt auf den gekrümmten Rücken des Soldaten, der mit unbarmherzigen Tritten und Schlägen sein Pferd vorantreibt. Sein Blut rauscht durch seine Gehörgänge und sein Herz hämmert entschlossen in seiner Brust. Sämtliche Muskeln in seinem Körper unter Anspannung.

Jeder Galoppsprung bringt ihn näher an diesen Feind heran und mit jedem weiteren überwundenen Meter schlägt sein Herz schneller. Seine Brust schmerzt schon, doch noch ehe sich der Outlaw Gedanken darübermachen kann, bietet sich ihm die einmalige Gelegenheit, die Gefahr zu beseitigen. Er lässt die Zügel los, nimmt die Füße aus den Steigbügeln und während sein Hengst noch einmal zu beschleunigen scheint, positioniert sich Naruto für einen Sprung. Es ist nur eine halbe Armlänge zu überbrücken. Ein kurzes Luftholen, die starre Fixierung seines Opfers und ein beherzter Sprung in die entsprechende Richtung.

Mit seinem gesamten Körpergewicht prallt der Outlaw gegen den Soldaten, der jeden festen Halt verliert und beide hart auf dem Boden aufschlagen.

 

Der erzwungene Sturz vom Pferd ist schmerzhaft und obwohl Naruto am liebsten im Dreck liegen bleiben würde, bis das Pochen und Ziehen in seinen Gliedern ein Ende gefunden hat, hechtet er zu seinem Kontrahenten. Dem Soldaten bietet sich nicht die Möglichkeit, auf die Beine zu kommen. Er schafft es nur keuchend auf alle viere und bekommt unverzüglich einen kraftvollen Tritt in den Magen, der ihn zurück an den Boden fesselt und nach Luft schnappen lässt, wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Hektisch reißt Naruto den Colt aus dem Holster des Kavalleristen und stolpert ein paar Schritte zurück, wobei er den Abzug spannt und die Waffe auf den Uniformierten richtet. Neji nährt sich dem Geschehen und stoppt mit etwas Abstand.

Die beiden Männer werfen sich einen kurzen, vielsagenden Blick zu, ehe der Indianer sich daran macht das entlaufene Pferd des Kavalleristen einzufangen. Narutos Hengst steht nur wenige Meter von seinem Herrn entfernt und zupft an ein paar Grashalmen herum. Diese Ruhe und Gleichgültigkeit hätte der Outlaw in diesem Moment auch gerne, doch stattdessen betrachtet er das wimmernde Häufchen Elend am Boden genauer.

 

Ein Jüngling. Keinesfalls älter, wie er selbst und mehr ein Kind, als ein Mann. Schlaksig, fast schon hager. Er hat Sommersprossen auf beiden Wangen und braune, kurze Haare die vom aufgewirbelten Staub des Sturzes, ein wenig gräulich wirken. Seine Nase ist schief, was darauf hindeuten könnte, dass sie mal gebrochen war. Er hat dunkle, grüne Augen welche zitternd und voller Panik in die seine starren. Unverständnis spiegelt sein Blick wider, ebenso die blanke Angst. Furcht um sein Leben und Unwissen, wieso einer seinesgleichen mit dem Feind paktiert. Es müssen unendlich viele Fragen sein, die im Kopf des Burschen umherschwirren, wie ein Schwarm Mücken an einem Bachlauf.

 

Wissend und keuchend, bedeckt mit lauter rötlichen Staub der Steppe und einer blutenden Schürfwunde an der Wange, richtet Naruto seinen Blick auf den Colt in seiner Hand.

Der Abzug ist längst gespannt. Er muss nur zielen und abdrücken. Ein weiterer Toter in seiner kriminellen Karriere und ein zusätzlicher Grund, für die Justiz ihn baumeln zu lassen. Das Auslöschen eines Lebens, ist nie mehr als nur ein Augenblick und dennoch endgültig. Ihm ist bewusst, dass er diesen Mann nicht ziehen lassen kann. So gerne er es tun würde, die Gefahr ist zu groß, dass er wegen seiner Güte seine neugewonnene Heimat verliert. Er kann durch die Tötung dieses Mannes vermeiden, dass es zu weiterem Blutvergießen kommt. Keine zusätzliche Abschlachtung von Frauen und Kindern. Er hat keine Wahl. Er tötet einen und rettet viele – für eine gewisse Zeit.

 

Eine gefühlte Ewigkeit schaut Naruto auf den Revolver, ehe seine Stimme die zum Zerreißen gespannte Luft durchschneidet und dabei trotzdem ruhig und mit einem bedauernden Unterton erklingt. „Wie ist dein Name?“

Mit einer solchen Frage rechnen wohl die Wenigstens, die dem Tod schon im Nacken sitzen haben. So ist es auch bei diesem Burschen, der nun völlig verunsichert im Dreck liegt und das Zittern seines Körpers schon nicht mehr kontrollieren kann. Er schluckt mehrfach und braucht einige Anläufe, ehe seine zittrige Stimme die gewünschten Silben formt. „C-Cole Chaplin.“

Tonlos wiederholt Naruto den ausgesprochenen Namen und lässt dabei den Revolver in seiner Hand sinken. Für Cole entsteht jedoch nicht der Eindruck, dass die Gefahr gebannt ist und er eine Chance erhält. Der Blick seines gegenüber zeigt ihm nur zu deutlich, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat. Es gibt für ihn keine Hoffnung und diese Gewissheit treibt ihm Tränen der Angst in die Augen, wobei Joseph seinen Blick in sein grünes Augenpaar richtet und dabei eine Ruhe ausstrahlt, welche andere als kaltherzig betiteln könnten.

 

Neji nährt sich der Szenerie erneut. Er bleibt in einigem Abstand zurück und lauscht dem erklingenden Dialog, der hauptsächlich von Naruto ausgeht. Er fordert den Jüngling auf sich auf die Beine zu stellen, was diesem nur schwerlich gelingt und schließlich fragt der Outlaw ihn, ob er Angst vor dem Tod habe. Eine Frage, die von dem Kavalleristen mit einem hastigen Nicken und kurzem heftigen Schluchzen bejaht wird.

Nejis Verwirrung steigt weiter an. Der Outlaw stellt die nächste Forderung – Cole soll die Augen schließen. Tränen laufen über die blassen Wangen des Jungen, als er seine Lider schließt, den Kopf leicht einzieht und einen kurzen Moment zu wanken scheint, als das Zittern in seinen Knien wieder zunimmt.

Vielleicht wäre schon manch ein anderer eingeschritten, um diese Tötung selbst zu übernehmen, doch Chayton verspürt dazu keine Veranlassung. Er bleibt stumm auf Abstand und betrachtet die Szenerie vor sich, wobei Joseph die Distanz zu dem Soldaten verkürzt, mit der geladenen Waffe in der Hand.

 

Bedauernd mustert der blonde Mann die zitternde Gestalt ein weiteres Mal, ehe er tief Luft holt und zum Sprechen ansetzt. „Dort, wo du hingehst, gibt es eine andere Welt. Wälder, Seen, Berge und Flüsse und wenn du ganz genau hinhörst, dann hörst du sie flüstern.

Es ist der Ort, an dem du weiter lebst. Du erforschst ihn unentwegt und doch kennst du erst einen Bruchteil davon. Du kannst überall und nirgends sein. Du kannst dich auflösen in nichts und plötzlich wieder ganz werden. Du verbindest dich mit anderen oder bist so allein, wie kein Wesen es je war. All das ist möglich - allein durch die Kraft deines Willens.“

 

Die ganze Zeit über ist seine Stimme ruhig, langsam und entspannt und kaum lauter wie ein Flüstern. Es wirkt nahezu hypnotisch. Mit jedem weiteren Wort ist das Zittern aus den Gliedern des Burschen mehr verschwunden. Jetzt steht er ihm gegenüber - vollkommen mit sich und der Welt im reinen. Ohne Angst und ohne Bedauern. Die Vorstellung von diesem Paradies, in dem die Unendlichkeit nicht mehr als ein Augenaufschlag ist, scheint ihn zu beruhigen. Es ist eine Bilddarstellung, die dem jungen Soldaten ein freudiges Lächeln auf die Lippen zaubert. Dass Naruto, während er den letzten Satz aussprach, den Revolver wieder angehoben und zwischen die Augen seines Gegenübers gezielt hat, konnte nur Neji beobachten. Der Schuss, der direkt nach der letzten Silbe durch die Umgebung hallte, dürfte auch im Dorf gehört worden sein.

 

Feiner Dampf steigt aus der Mündung des Colts empor, den Naruto resigniert sinken lässt, wobei er auf den vollkommen leblosen Körper zu seinen Füßen blickt, der nur eine Armlänge von ihm entfernt im rötlichen Staub der Steppe liegt.

Cole Chaplin, ein weiterer Name, den er nie vergessen wird. Er hat ihm die Angst vor dem genommen, was passieren wird. Er hat dafür gesorgt, dass Cole das kommende Ende seines Lebens schon fast freudig in empfangen hat. Das Letzte, was er zu sehen bekommen hat, entsprach den Vorstellungen aus einigen Schilderungen. Es war nicht die Mündung eines Revolvers oder das Gesicht von seinem Mörder.

 

Ernst steuert Neji sein Pferd neben den Outlaw und schaut seinerseits zu dem Leichnam. Trotz verlorener Körperspannung wirkt der Gesichtsausdruck friedlich und zufrieden. „Diese Ehre hätte er dir sicher nicht erwiesen.“ Naruto hingegen seufzt darauf und zuckt lasch mit den Schultern. „Deswegen muss ich nicht genauso handeln.“

Noch immer glaubt Naruto, das Echo dieses einzigen Schusses in seinen Ohren zu vernehmen, wobei er den toten Cole über seine Schulter und schließlich auf den Rücken seines Pferdes legt.

Ihm ist klar, dass durch diese Tötung keine vollkommene Entwarnung geschaffen wurde. Irgendwann werden sie einen Trupp losschicken, um nach dem verlorenen Kundschafter zu suchen. Irgendwann wird auch dieses Dorf gefunden werden und es wird dann ebenfalls ein Ultimatum geben. Irgendwann.

 

Das Töten fällt ihm nie leicht und das ist gut so, aber er hat sich daran gewöhnt und weiß damit zu leben. Vergessen tut er es nie. Träume erinnern ihn immer wieder an seine Taten und sein Gewissen verschont ihn nicht.

 

Mit einer großen Portion an Unverständnis beobachtet Neji den Outlaw dabei, wie er auf das gescheckte Pferd des Soldaten steigt und die Zügel seines eigenen lediglich aufnimmt, um es zu führen. Cole hängt quer über dem breiten Pferderücken, Arme und Beine baumeln leicht hin und her, als Naruto die Pferde antreibt und im Schritttempo zurück zum Dorf aufbricht.

Wieso macht er das? Wieso bringt er jemandem so viel Respekt und Würde entgegen, der nichts von beidem verdient hat?

Mit einem Schnaufen und anschließendem Kopfschütteln gibt auch Neji seinem Pferd den Befehl weiter zu reiten.

 

Im Dorf zieht Unruhe auf, kaum dass die beiden Männer zurückkehren. Empörte Rufe und enttäuschte Gesten machen die Runde, denn niemand von ihnen würde auf die Idee kommen einen Soldaten, ob tot oder lebendig, in ihre heilige Mitte zu bringen. Einen offensichtlichen Feind, der jeden von ihnen erschossen hätte, wenn nur die Möglichkeit dagewesen wäre.

 

Naruto besitzt ausreichend Vernunft, um den Leichnam am Rand des Dorfes zurückzulassen. Er würde ihr heiliges Land entweihen, käme er auf die irrwitzige Idee einen geschlagenen Feind durch die Reihen ihrer Hogan zu leiten. Sein Hengst bleibt geduldig zurück, die Last weiterhin auf seinem Rücken tragend, wobei diese von einigen Indianern ausgiebig betrachtet wird. Der Outlaw selbst macht sich auf dem direkten Weg zu Hiashi, gefolgt von Neji, der jedoch seinen eigenen Hogan ansteuert und gleich schon von seiner erleichterten Frau in Empfang genommen wird.

Sie legt die Arme um seinen Körper, ehe sie sein Gesicht in ihre zierlichen Hände nimmt und ihn mit sanfter Gewalt zu sich herunterzieht. Es erscheint, als untersuche sie ihn nach irgendwelchen Spuren des Kampfes. „Geht es dir gut?“

Sorgenvoll schaut sie in seine Augen, obwohl sie nicht einen einzigen Kratzer an seinem Körper ausmachen kann. Erst sein Nicken und die zusätzlichen Worte lassen ihre Sorge verschwinden. „Alles in Ordnung.“

Nachdenklich legt der werdende Vater seine Arme um sie, nachdem ihr ein erleichtertes Seufzen entwichen ist und sie sich an ihn drückt. Beobachten tut er jedoch die Szenerie zwischen Naruto und seinem Onkel in einiger Entfernung. Er kann nicht hören, was sie einander sagen. Naruto gestikuliert und scheint ausführliche Argumente zu liefern, während Hiashi nur stirnrunzelnd die Arme vor der Brust verschränkt und schließlich ein ergeben wirkendes Nicken tätigt. Der Outlaw wirkt darauf sehr erleichtert und verbeugt sich dankbar vor dem Oberhaupt des Dorfes, ehe er sich zurück zu dem Leichnam aufmacht.

„Wieso macht er das? Wieso opfert er sich für jemanden auf, der uns im Angesicht des Todes noch bespucken würde?“ Individuum hin oder her - Neji hat seine Zweifel daran, ob Cole auch so gehandelt hätte, hätte er über einen Indianer triumphiert. Wenn von getöteten Rothäuten gesprochen wird, dann dauert es meist nicht lange, bis die Worte Massengrab oder Geierfraß fallen. Er versteht solches Handeln nicht, wohingegen seine Frau nur schmunzelt. „Kannst du es dir nicht denken?“

„Was denn?“

Seufzend drängt sich TenTen näher an ihrem Mann und atmet genüsslich seinen wohltuenden Duft ein, ehe sie dem blonden Outlaw hinterherschaut, der eine nicht definierbare Ausstrahlung besitzt.

 

Schon beim ersten Anblick hat er etwas ausgestrahlt, was einmalig ist. Selbstsicherheit, Hoffnung und Wärme. In seiner Gegenwart kommt schnell das Gefühl von Sicherheit auf. Er vermittelt einem, absolut einzigartig und besonders zu sein. Sein Wesen ist fesselnd und einnehmen. Ein Menschenfänger, der andere mit Leichtigkeit begeistern kann und der immer die richtigen Worte findet. Naruto ist jemand, dem sich Leute gerne anvertrauen und auf dessen Loyalität ganze Gebäude errichtet werden können. TenTen ist von ihm beeindruckt und damit ist sie nicht alleine. Seine Leitmotive sind edel und verdienen höchste Anerkennung.

„Das Töten macht ihm keinen Spaß. Er betrachtet Siege nicht als solche, sondern nimmt jede geschlagene Seele als Last auf seine Schultern. Er will keinen von ihnen vergessen, sondern mit dieser Schande leben. Er respektiert das Leben, ganz gleich ob Freund oder Feind und will jedem die Würde entgegenbringen, auf die er selbst oftmals verzichten musste. Er lebt und praktiziert Menschlichkeit.“

    

Das Leben leben und sich trotzdem jeder begangenen Sünde bewusst sein. Es gibt keine Absolution durch die Kirche. Keine Vergebung durch eine irdisch existierende Institution, sondern nur durch sich selbst. Nur wer einen Weg findet, mit all seinen Taten zu leben - sie alle so zu akzeptieren, wie sie begangen worden sind - nur der ist in der Lage, mit sich im Reinen zu sein. Wer zu sich steht, nur der kann sich selbst vergeben und wer sich selbst vergibt, dem kann vergeben werden.

Langsam versteht Neji die Beweggründe des Outlaws und kommt nicht darum herum, für diese seltene Eigenschaft eine gewisse Bewunderung zu empfinden.

Bei diesen Gedankengängen an seinen Großvater denkend, lässt Neji von seiner Frau ab, drückt ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und verschwindet im leichten Dauerlauf in dieselbe Richtung, wie zuvor Naruto.

 

Es ist eine zermürbende Knochenarbeit, in diesem staubigen, trockenen Boden ein Grab auszuheben. Innerhalb kürzester Zeit beginnen seine Finger zu schmerzen und die ersten Blasen bilden sich auf seiner Handfläche. Er hat nicht einmal die Hälfte geschafft und ist jetzt schon am Ende seiner Kräfte. Seufzend und mit Schweißperlen auf der Stirn, stützt sich Naruto auf dem Stiel der Schaufel ab und blickt in den klaren, wolkenlosen Himmel.

Hiashi hat ihm gestattet den Toten am Rande des Dorfes beerdigen zu dürfen. Abseits vom täglichen Geschehen, als symbolische Darstellung der Fremdartigkeit, welche eine tiefe Kluft zwischen den Weißen und den Rothäuten gebildet hat. Das Dorfoberhaupt war nicht angetan von seiner Bitte, doch konnte er den Argumenten keine Gegenargumente entgegenbringen und so sah sich Hiashi dazu gezwungen, den Respekt vor dem Tod zu wahren. Ein Grab für den Feind, für die ewige Ruhe - direkt im Schatten eines Wüsteneisenholzbaumes.

Erschrocken zuckt Naruto zusammen, als er das kratzende Geräusch einer weiteren Schaufel vernimmt und Neji erblickt, der schweigend seine Hilfe anbietet und nur ein dankbares Lächeln dafür erntet, ehe Naruto sich selbst wieder an die Arbeit macht.

 

Stechen, kratzen, graben, die Arbeit erscheint endlos und trotz aller Blasen und schmerzenden Knochen können sie den eingewickelten Leichnam von Cole Chaplin unter die Erde bringen.

Behutsam haben sie seinen toten Körper in das ausgehobene Loch gelegt und im Anschluss die staubige Erde zurück geschaufelt. Die Blessuren an ihren Händen und das hügelige Grab sind die stummen Zeugen ihrer gemeinsamen Arbeit. Neji hat sich bereits zurückgezogen. JNaruto verweilt neben dem Erdhügel und betrachtet gedankenverloren den Sonnenuntergang.

Aufmerksam richtet der Outlaw seinen Blick zur Seite, als er sich nährende Schritte vernimmt und erblickt die älteste Häuptlingstochter, die sich mit besorgtem Gesichtsausdruck nährt. Sie lässt sich schweigend, in einigem Abstand neben ihm nieder und schaut ihrerseits in den Sonnenuntergang. Eine ganze Weile sitzen sie nur da, betrachten den malerischen Horizont und erachten Worte als überflüssig.

„Bereust du?“ Unsicher wendet sich Hinata leicht zu ihm und wenn nicht so eine Ruhe herrschen würde, dann hätte er ihre fast gehauchten Worte nicht einmal verstanden. Er zögert nicht mit seiner Antwort und schüttelt daher den Kopf. Er weiß, dass er keine andere Alternative hatte und dennoch ist dieser Mord nicht vergleichbar mit den vorherigen.

 

Zum ersten Mal getötet hat er mit elf Jahren. Ohne Absicht und aus Notwehr heraus. Nichts in ihm wollte diesen dickbäuchigen Mann, mit schwarzem Backenbart und kahl rasiertem Kopf, tot sehen. Er wollte nur etwas zu essen haben und wurde dabei erwischt. Er hatte Angst davor zurück zu müssen. Abgeschoben an den Ort, den er so fürchtet und verachtet und dann war da dieser Stein ... dieser große, schwere Stein. Er erinnert sich noch genau an das Geräusch, welches aufkam als die harte, raue Oberfläche die Schläfe des Mannes traf. Er erinnert sich daran, wie dieses wütende Gesicht plötzlich jeden Ausdruck verlor und wie dieses braune Augenpaar nur ins Leere starrte. Steve Edwards. Besitzer eines kleinen Gemischtwarenladens, unverheiratet und bei seinen Mitmenschen, als arrogant und lieblos verschrien.

Er erinnert sich an jeden Mord. Nie hat er aus Spaß getötet und nie wollte er es. Alle Situationen in seinem Leben, in denen er von der Waffe Gebrauch machen musste, waren unglückliche Konstellationen des Schicksals. Betrunkene, die von Alkohol vernebelt, jeglicher Vernunft beraubt, ein Duell provozierten. Banditen, die um Hilfe baten und ihn dann ausrauben wollten. Immer hat er das Gefühl, als wolle sein Leben es ihm besonders schwermachen.

Ein ratloser Laut verlässt seine Kehle, wobei er sich durch die Haare fährt und seinen Blick schließlich in ihre Augen richtet. „Zum ersten Mal hatte ich die Wahl. Ich hätte ihn auch gehen lassen können und darauf hoffen, dass er über seinen Fund schweigt, stattdessen habe ich ihn getötet.“

„Weil du Gefahr wusstest.“

„Und es noch immer tue. Ich habe damit nichts beseitigt. Ich habe uns nur mehr Zeit verschafft. Irgendwann werden sie kommen, aber das eigentlich erschreckende an der Sache ist, wie leicht mir die Entscheidung fiel. Die Wahl zwischen leben lassen und töten.“

Hinata schweigt darauf. Sie weiß nicht, wie es ist einem Menschen das Leben zu nehmen. Welche Gefühle und Gedanken werden spürbar, wenn der Lauf der eigenen Waffe auf jemanden gerichtet ist und sogar der Abzug betätigt wird? In solch einer Situation war sie noch nie und sie hofft inständig nie in so eine zu geraten. 

 

Niedergeschlagen lässt Naruto den Kopf hängen, bis er spürt wie Hinata nach seiner Hand greift. Sie denkt gar nicht darüber nach, als sie den Abstand zu ihm überbrückt und ihren Kopf an seine Schulter lehnt, während sie ihre Finger mit denen seinen verschränkt.

„Wenn nur Zeit, du trotzdem uns beschützt. Danke.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kommen wir nun zu den Dialogen:

„Tapos ka ba?” - Bist du fertig?


Ich versuche nach Möglichkeit, dass sich die Sätze oder Wörter im Laufe der Geschichte von selbst erklären, um es euch einfacher zu machen. Ich hoffe das gelingt wenigstens im Ansatz ^^!

Der Mexikanisch-Amerikanische Krieg fand von 1846 bis 1848 statt. Er wurde maßgeblich vom amerikanischen Präsidenten James K. Polk vorangetrieben, der bestrebt war, das Staatsgebiet der USA nach Westen auszudehnen.

Das war es von mir.
Bis zum nächsten Kapitel

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2014-05-06T19:47:49+00:00 06.05.2014 21:47
Er musste es tun.
Naruto konnte kein Risiko eingehen beim Späher.
Ich bin mal gespannt wie es weiter gehen wird.
Von:  narutofa
2014-05-06T19:09:16+00:00 06.05.2014 21:09
Das war ein sehr gutes Kapitel. Ich hatte spaß es zu lesen.
Da musste Naruto also jemand töten um alle zu beschützen. Aber das war nur ein zeit aufschub. Die anderen werden auch bald kommen. ich bin gespannt was noch so kommt. mach weiter so
Von:  Kaninchensklave
2014-05-06T17:49:02+00:00 06.05.2014 19:49
Ein Tolles Kap

Tja Naruto hate die wahl zwischen Leben und Tod nur leider musste er den Tod wähleum seine Neue Heimat zu beschützen auch wenn er dadurch nur zeit geschunden hat
und seine Neue Familie trotzallem weiter zeihen muss um Fortbestehen zu können

das einzig gute daran war das er es für einen guten Zwecj getan aht doch das amcht es nciht einfachen damit Fertig zu werden+
doch seine Neuen Brüder werden Ihn unter stützen und eines Tage swird er zwar nicht der Neue Häuptling sein aber dessen Engster Vertrauter  ind ein Verbindungs gleid zwischen den Weißen Dummköpfen und seiner Fmailie

GVLG


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